Häufigkeitsanteile und Färbungsmerkmale fehlfarbener Stock

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Häufigkeitsanteile und Färbungsmerkmale fehlfarbener Stock
Charadrius 42, Heft 1, 2006: 9-22
Häufigkeitsanteile und Färbungsmerkmale fehlfarbener Stockenten Anas platyrhynchos im Ballungsraum Rhein-Ruhr
Frank Sonnenburg & Michael Schmitz
Zusammenfassung
In den Spätwintern 1997 und 2004 wurden an 76 Gewässern im Ballungsraum Rhein-Ruhr die Bestände der
Stockente und von der Wildform abweichender, fehlfarbener Individuen erfasst. Die Gewässer unterteilen
sich in Parkgewässer (n = 58), Entenfütterungsstellen an der Ruhr (n = 13) und Ruhrabschnitte außerhalb
der Fütterungsstellen (n = 5). Die Gesamtzahl aller Stockenten lag 2004 (4.230 Ind.) um 12,7 % höher
als 1997 (3.751 Ind.), die Veränderung ist nicht signifikant. Die Bestandsentwicklung unterscheidet sich
jedoch signifikant zwischen den Habitattypen: leichte Abnahme an den Parkgewässern, leichte Zunahme
an den Ruhr-Fütterungsstellen und starke Zunahme an den übrigen Ruhrabschnitten. Die entlang der Ruhr
ermittelte Bestandszunahme wird mit einem erhöhten Anteil an Wintergästen in Zusammenhang gebracht.
1997 wurden in den Parkanlagen 405 Stockenten registriert, deren Färbungsmuster erkennbar vom Wildtyp
abwich (13,8 %), 2004 375 Tiere (13,9 %). An den Ruhrfütterungsstellen und übrigen Ruhrabschnitten
ergaben sich ebenfalls nur geringe Unterschiede (Tab. 1). Die Veränderungen sind weder bei gemeinsamer
Betrachtung aller Gewässer, noch bei den einzelnen Habitattypen signifikant. Es zeigt sich eine Abnahme
der absoluten Zahlen und des Anteils fehlfarbener Stockenten von den Stadtzentren zum Umland. Die
Untersuchungsergebnisse widersprechen der verbreiteten Hypothese eines rasanten Anstiegs abweichend
gefärbter Stockenten. Das Vorkommen farbveränderter Stockenten konzentriert sich weitgehend an urbanen
Gewässern, deren „Park-Stockenten“-Bestand auch viele Verhaltensanpassungen zeigt. Die Ergebnisse
werden den Befunden aus anderen Studien gegenübergestellt. Die verschiedenen Färbungstypen werden
erstmals beschrieben und abgebildet. Mögliche Ursachen der Fehlfarbigkeit und Konsequenzen für den
Fortbestand der Wildpopulation der Stockente werden diskutiert.
Summary
Frequency and characteristics of Mallard Anas platyrhynchos with aberrant plumage in the RhineRuhr area
In 1997 and 2004 surveys of Mallard and Mallard with aberrant plumage were conducted in late winter at 76
water bodies in the Rhine-Ruhr area, including 58 urban parks, 13 duck feeding stations at the River Ruhr
and 5 sections of the River Ruhr outside the feeding stations. The total population increased by 12.7% from
3,751 in 1997 to 4,230 in 2004. Although this is not a significant change, there are significantly different
trends in the three habitat types: a slight decrease in the parks, a slight increase at the feeding stations at the
River Ruhr and a considerable increase in the last category. The increase of ducks at the river outside the
feeding stations is attributed to an increase in the numbers of wintering Mallard from northern populations
due to severe weather conditions. In 1997 a total of 405 ducks with aberrant plumage were counted in the
urban parks (13.8%), as opposed to 375 in 2004 (13.9%). Regarding the feeding stations and the other sections of the River Ruhr the comparison revealed only minor changes, too. The percentage was highest in
the parks and lowest at the River Ruhr outside the feeding stations (tab. 1). In terms of overall numbers of
birds with aberrant plumage as well as their proportion, there is no significant difference between the two
surveys. This is true both for total figures for all water bodies and for figures for the individual habitats.
The results of this and other studies show that the total population as well as the percentage of Mallard with
aberrant plumage is greater in urban settings than in rural areas. The stable numbers and percentage in the
Rhine-Ruhr area are inconsistent with the common hypothesis of a marked increase of Mallard with aberrant
plumage. The occurrence of birds with aberrant plumage is more concentrated in urban areas, where Mallard
populations exhibit extensive behavioural adaptations to habitat. The occurring colour-types are described
and illustrated for the first time. Possible reasons for the occurrence of Mallard with aberrant plumage and
the consequences for the native population of the species are discussed.
10
Charadrius 42, Heft 1, 2006
Einleitung
Das Auftreten von Färbungsanomalien bei Stockenten ist ein seit Jahrzehnten bekanntes und bereits
vielfach diskutiertes Phänomen (vgl. z.B. Wüst
1973, Goes 1983, Hoerschelmann & Schulz
1984, Hoerschelmann 1985, Sperl 1993, 1995,
Randler 1994, 2002). Damit verbunden ist die
Sorge um das Fortbestehen der Wildform der Stockente unter dem Einfluss ständiger Einkreuzungen
von fehlfarbenen Individuen und Zuchttieren (vgl.
z.B. Sperl 1993, Harengerd et al. 1990).
Aus Nordrhein-Westfalen lagen bislang keine aussagekräftigen Daten über Ausmaß und Entwicklung
des Mengenanteils fehlfarbener Stockenten vor, die
sich auf größere Erhebungen stützen. Dabei findet
sich gerade in dem Ballungsraum Rhein-Ruhr ein
großes Angebot an Parkteichen und anderen stark
vom Menschen beeinflussten Gewässern, an denen
fehlfarbene Stockenten schwerpunktmäßig vorkommen. Vor diesem Hintergrund wurde bereits im Jahr
1997 eine systematische Erfassung wildfarbener
und abweichend gefärbter Stockenten im Ruhrgebiet durchgeführt (Sonnenburg, unveröff.). Im Jahr
2004 erfolgte eine Wiederholungsuntersuchung mit
gleicher Fragestellung. Die Resultate beider Erhebungen werden in diesem Beitrag vorgestellt.
Untersuchungsgebiet
Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich von Düsseldorf im Südwesten bis Dortmund im Nordosten und
erfasst somit neben dem Düsseldorfer Ballungsraum
einen Großteil des urban geprägten Ruhrgebiets.
Innerhalb dieses Areals wurden die meisten der dort
existierenden, öffentlich zugänglichen Parkgewässer untersucht. Zudem wurden Entenfütterungsstellen an stark begangenen Uferpromenaden der Ruhr
zwischen Duisburg und Bochum sowie Abschnitte
des Ruhrtals, die in einiger Entfernung von den
Fütterungsplätzen liegen, berücksichtigt. Die insgesamt 76 Gewässer werden zur Auswertung drei
Kategorien zugeordnet:
Parkanlagen: Bochum: Park Jasminweg Hintrop, Park
Grumme Mitte, Park Grumme West, Schloss Weitmar,
Stadtpark Nord, Stadtpark Süd, Stadtpark Wattenscheidt,
Wiesengrund-Park Wiemelshausen; Castrop Rauxel: Haus
Goldschmieding, Stadtgarten; Dortmund: Freizeitpark Fredenbaum Ost, Freizeitpark Fredenbaum West, Revierpark
Wischlingen, Rombergpark; Düsseldorf: Floragarten, Hofgarten Ost, Hofgarten West mit Landskrone, Kaiserteich
mit Schwanenspiegel, Nordpark, Speegraben, Südpark mit
Volksgarten, Zoo-Park; Essen: Haus Stein, Kaiser-Wilhelm-Park, Kettwig-Altstadt, Volksgarten Kray, Nachti-
gallental, Schlosspark Borbeck, Schlossgraben Borbeck,
Residenzaue Borbeck, Sommerburg, Stadtgarten; Gladbeck: Haus Wittringen, Nordpark, Stadtwald Ehrenmal,
Gelsenkirchen: Bulmker Park, Lohmühlenteich, Revierpark
Nienhausen, Schloss Berge mit Nymphaeenteich, Stadtgarten, von Wedelstedt-Park; Heiligenhaus: Abtskücher Teich;
Herne: Schloss Strünkede, Stadtgarten Wanne; Herten:
Parkteiche Backum, Schloss Herten; Mülheim a.d.R.: Heimaterde, Horbachtal (oberer Abschnitt), Horbachtal (unterer Abschnitt), Kloster Saarn, Raffelberg, Witthausbusch;
Oberhausen: Kaisergarten, Ruhrpark, Revierpark Vonderort; Ratingen: Schloss Linnep; Recklinghausen: Erlbruchpark, Prosperhospital.
Entenfütterungsstellen Ruhr: Hattingen: Baak-Winz;
Bochum: Dahlhausen; Essen: Steele, Rellinghausen, Heisingen / Kupferdreh, Haus Scheppen, Brehm-Insel Werden,
Kettwiger Stausee; Mülheim a.d.R.: Saarner Aue, Mühlenbach, Wasserbahnhof mit Schleusenkanal und Thyssenteich, Stadtbad und Stadthalle, Schleuse Raffelberg.
Ruhr außerhalb der Fütterungsstellen: Hattingen, unterhalb Hattingen bis Essen-Steele, unterhalb Essen-Steele bis
Heisinger Aue (Essen), Essen-Werden bis Essen-Kettwig,
Essen-Kettwig bis Mülheim a.d.R.-Menden.
Untersuchungsmethode
Die Erfassung erfolgte jeweils im Zeitraum zwischen Mitte Februar und Anfang April. Zu diesem
Zeitpunkt tragen die Tiere ihr Prachtkleid (Glutz
von Blotzheim et al. 2001). Für die Wiederholungsuntersuchung wurde versucht, die Begehungen
der Einzelgebiete dem jeweiligen Kalenderdatum
der Erstbegehung anzugleichen (Abweichung um
maximal eine Woche). 1997 wurden einzelne Parkgewässer zwecks Optimierung des konzipierten
Erfassungsbogens mehrmals aufgesucht. Für die
Auswertung wurde jeweils die Begehung mit der
höchsten ermittelten Individuenanzahl zugrundegelegt. Der Großteil der Gewässer wurde jedoch nur
einmal erfasst, wie es auch bei der Wiederholungsuntersuchung 2004 geschah.
Da oftmals ganztägig erfasst wurde, verteilten sich
die Begehungen über die gesamte Tageslichtphase.
Die Erhebungen erfolgten, soweit erforderlich, unter
Einsatz von Ferngläsern (10 x 40). Dabei wurde
jeder Einzelvogel, nach Geschlecht getrennt, einem
der zuvor ermittelten Haupt-Färbungstypen zugeordnet bzw. in seinen Färbungsmerkmalen beschrieben
und in den vorbereiteten Erfassungsbogen eingetragen. Viele Individuen wurden zu dokumentarischen
Zwecken fotografiert. Bei schwimmenden und liegenden Tieren blieb die nicht sichtbare Bauchund Beinfärbung unberücksichtigt. Morphologische
Abweichungen (z.B. Riesenwuchs, Federhaube
o.Ä.) wurden ebenfalls protokolliert. Bei Fehlen
geschlechtsspezifischer Färbungsmerkmale erfolgte
F. Sonnenburg & M. Schmitz: Fehlfarbene Stockenten im Ballungsraum Rhein-Ruhr
die Geschlechtsansprache anhand des Vorhandenseins oder Fehlens der sogenannten Erpellocken.
Die Zuordnung eines Individuums als „wildfarben“
orientiert sich an den Darstellungen in Svensson et
al. (1999) und Madge & Burn (1989).
Im nachfolgenden Text wird die Bezeichnung
Stockente als Oberbegriff für die Wildform der
Art einschließlich der daraus entstandenen Zuchtformen und Hausenten (A. p. forma domesticus)
verstanden. Von der Wildform abweichend gefärbte
Tiere werden als fehlfarben bezeichnet. Der Begriff
„Hybrid“ ist hier nicht zutreffend, da es sich nicht
um eine Kreuzung aus zwei verschiedenen Arten
handelt (Randler 2002).
Für die statistischen Berechnungen wurde das Programmpaket TRIM 3 (Pannekoek & van Strien
2005) benutzt.
Ergebnisse
Gesamtbestand
Die Gesamtzahl der an allen Gewässern festgestellten Stockenten lag 2004 mit 4.230 Individuen
um 12,7 % höher als 1997 mit 3.751 Tieren. Diese
11
Zunahme ist statistisch nicht signifikant (Wald Test:
χ² = 1,82, df = 1, p = 0,177). Die Bestandsentwicklung unterschied sich jedoch signifikant zwischen
den Habitattypen (Wald Test: χ² = 23,13, df = 2,
p < 0,001): Der Stockentenbestand an den Parkgewässern zeigte dabei eine leichte Abnahme von
2.933 auf 2.704 Tiere (Tab. 1). An den Fütterungsstellen an der Ruhr wurde ein leichter Bestandszuwachs von 622 auf 881 Stockenten registriert.
An abgelegeneren Stellen der Ruhr, außerhalb der
Fütterungsplätze, wurden im ersten Untersuchungsjahr 196, im zweiten Durchgang nach anhaltender
Kälteperiode mit 645 Tieren mehr als dreimal so
viele Stockenten gezählt.
Anteil fehlfarbener Tiere
Im Spätwinter 1997 wurden im Untersuchungsgebiet 490 Stockenten registriert, deren Färbungsmuster erkennbar vom Wildtyp abwich. Dies entspricht
einem Fehlfarbenen-Anteil von 13,1 % (Tab. 1).
Sieben Jahre später wurde an denselben Gewässern
mit 487 Tieren (11,5 %) keine nennenswerte Veränderung in Menge (Wald Test: χ² = 0,00, df = 1,
p = 0,95) und Anteil (Wald Test: χ² = 0,01, df = 1,
50,0
45,0
Parkanlagen parks (city)
40,0
Entenfütterungsstellen Ruhr river Ruhr (feeding
areas)
30,0
2004
Ruhr außerhalb
Fütterungsstellen river Ruhr (outside
feeding areas)
35,0
25,0
20,0
15,0
10,0
5,0
0,0
0,0
10,0
20,0
30,0
40,0
50,0
1997
Abb. 1: Anteile fehlfarbener Stockenten pro Gewässer im Vergleich 1997 und 2004, aufgeschlüsselt nach Habitattypen.
Fig. 1: Proportion of Mallard with aberrant plumage in 1997 and 2004 in different habitats.
Charadrius 42, Heft 1, 2006
12
Tab. 1: Zählergebnisse wild- und fehlfarbener Stockenten im Ballungsraum Rhein-Ruhr 1997 und 2004. – Numbers of
Mallard and Mallard with aberrant plumage counted in the Rhine-Ruhr area in 1997 and 2004.
Parkanlagen
Parks (urban)
Summe Stockenten
Total Mallard
Summe Fehlfarbene
Total of Mallard with
aberrant plumage
Anteil Fehlfarbene
Percentage of Mallard
with aberrant plumage
Fütterungsstellen
an der Ruhr
River Ruhr (feeding
stations)
1997
2004
Ruhr außerhalb
Fütterungsstellen
River Ruhr (outside
feeding stations)
1997
2004
Gesamt
Total
1997
2004
1997
2004
2.933
2.704
622
881
196
645
3.751
4.230
405
375
78
92
7
20
490
487
13,8 %
13,9 %
12,5 %
10,4 %
3,6 %
3,1 %
13,1 %
11,5 %
p = 0,93) fehlfarbener Tiere festgestellt. Auch
die bei Betrachtung der einzelnen Habitattypen
festgestellten Veränderungen der Anzahlen (Wald
Test: χ² = 2,51, df = 2, p = 0,285) und prozentualen
Anteile (Wald Test: χ² = 0,48, df = 2, p = 0,786)
fehlfarbener Individuen sind nicht signifikant: In
der Parkanlagen war der prozentuale Anteil fast
gleich, an den Fütterungsstellen der Ruhr verringerte er sich von 12,5 auf 10,4 %, die Summe der
Fehlfarbenen hat dort jedoch leicht zugenommen.
An den Ruhrabschnitten außerhalb der Fütterungsstellen ging die Zunahme der Gesamt-Individuenmenge mit einer absoluten Zunahme abweichend
gefärbter Vögel einher. Deren Anteil sank jedoch
von 3,6 % auf 3,1 % (Tab. 1).
Trotz einer in der Summe weitgehend unveränderten Situation ergaben sich bei der Betrachtung
der einzelnen Gewässer z.T. deutliche Unterschiede
zwischen 1997 und 2004 (Abb. 1). An 30 Gewässern
ist der Anteil der Fehlfarbenen zurückgegangen, an
27 angestiegen, und an 19 Gewässern zeigten sich
keine deutlichen Veränderungen (Abweichung um
≤ 2 %).
In einzelnen Parks erreichten fehlfarbene Tiere prozentuale Anteile, die deutlich über den angegebenen
Durchschnittswerten lagen. Betrachtet man nur
Parks, in denen mindestens 50 Stockenten gezählt
wurden, so sind folgende Maximalwerte zu nennen:
Düsseldorf Hofgarten (West + Ost) mit Landskrone
1997: 38,3 % (n = 264) und Stadtgarten Wanne
2004: 30,5 % (n = 59). Bei der Düsseldorfer Landskrone handelt es sich um ein Parkgewässer, an dem
auch zahlreiche ausgesetzte, zum Teil exotische
Wasservogelarten sowie einige besonders seltene
Färbungstypen der Stockente zooartig gehalten
werden.
Männliche und weibliche Tiere wiesen 2004 einen
ähnlich hohen Anteil an abnorm gefärbten Individuen auf. 1997 lag der Anteil fehlfarbener weiblicher Tiere jedoch höher (Tab. 2), was methodische
Summe Männchen
Total males
Summe fehlfarbener Männchen
Total of males with aberrant plumage
Anteil fehlfarbener Männchen
Percentage of males with aberrant plumage
Tab. 2: Geschlechtsspezifische Unterschiede
des Anteils fehlfarbener Stockenten am Gesamtbestand. – Sex-specific differences in the
percentage of Mallard with aberrant plumage.
Summe Weibchen
Total females
Summe fehlfarbener Weibchen
Total of females with aberrant plumage
Anteil fehlfarbener Weibchen
Percentage of females with aberrant plumage
1997
2004
2.274
2.484
255
283
11,2 %
11,4 %
1.477
1.746
235
204
15,9 %
11,7 %
F. Sonnenburg & M. Schmitz: Fehlfarbene Stockenten im Ballungsraum Rhein-Ruhr
Ursachen haben kann, da die Ansprache von Weibchen mit leichter Gefiederaufhellung als fehlfarben subjektiv und somit beobachterabhängig ist.
Arthybriden mit anderen Entenarten wurden nicht
festgestellt.
Färbungstypen
Bei den fehlfarbenen Stockenten lassen sich verschiedene, regelmäßig auftretende Färbungstypen
unterscheiden. Abbildungen und Beschreibungen
dieser Färbungstypen sind bisher kaum veröffentlicht. Fotos farbveränderter Stockenten finden
sich u.a. bei Aubrecht & Holzer (2000), Bezzel
(1980), Hoerschelmann (1985), Schmidt (1988a,
1988b) und Sperl (1995), Zeichnungen und Erläu-
13
terungen zu einzelnen Typen bei Goes (1983). In
deutschsprachigen Bestimmungsbüchern wird auf
den Aspekt zumeist gar nicht, in einzelnen Fällen
sehr allgemein (Heinzel et al. 1996) oder nur textlich (z.B. Beaman & Madge 1998) eingegangen.
Einige Zeichnungen enthält nur der nordamerikanische Feldführer von Sibley (2000). Aus diesem
Grund wird den Färbungstypen hier breiterer Raum
eingeräumt. Alle regelmäßig festgestellten Typen
werden beschrieben (Tab. 3) und die häufigsten
anhand von Fotos abgebildet (Abb. 2 und 3).
Einzelne Farbausprägungen von Parkenten auf genetische Einflüsse bestimmter Zuchtformen zurückzuführen, ist in vielen Fällen problematisch (s. Diskussion). Die nachfolgend aufgezeigten Analogien
Tab. 3: Färbungstypen fehlfarbener Stockenten im Ballungsraum Rhein-Ruhr. – Colour-types of Mallard with aberrant
plumage in the Rhine-Ruhr area.
Männchen – Male
Färbungstyp – colour-type
wildfarben, aber Halsring zu breit
wildfarben, aber weißer Brustlatz
wildfarben, aber graue Brust, oft allgemein zu dunkel, Halsring kann fehlen
wildfarben, aber allgemein zu hell oder grau bestäubt, Kopf matt
wildfarben, aber Braun der Brust seitwärts erweitert, Halsring bisweilen zu breit
rotbraun, weißer Brustlatz, Kopf grün schillernd
ganz weiß, Schnabel gelb-orange
schwarz mit grünem Metallglanz, Schnabel und Beine normal oder ebenfalls dunkel
übergroß, wildfarben, braun, rotbraun mit grünem Kopf, weiß oder weiß-gescheckt, z.T. zu
hell oder zu dunkel und teilweise mit zusätzlichen weißen Markierungen
7
Sonstige
Summe – Total
Weibchen – Female
Nr. Färbungstyp – Colour-type
1a
wildfarben, aber weißer Halsring
1b
wildfarben, aber weißer Brustlatz
1c
wildfarben, aber allgemein zu dunkel
1d
wildfarben, aber allgemein zu dunkel mit weißem Halsring
1e
wildfarben, aber allgemein zu hell, Arm- und Handschwingen oft hell bis weiß
2
creme- bis isabellfarben, dunkle Federzeichnung aufgehellt, Arm- und Handschwingen
hellgrau
3a
dunkel- bis schwarzbraun, weißer Brustlatz
3b
dunkel- bis schwarzbraun, Hals, Brust und Bauch vorne weiß, oft weiße Sprenkel
3c
dunkel- bis schwarzbraun, leicht grün schillernd, weißer Brustlatz, z.T. auf Kopf, Hals und
Bauch ausgedehnt
4
ganz weiß, Schnabel gelb-orange
5
schwarz mit grünem Metallglanz, Schnabel und Beine ebenfalls dunkel
6
übergroß, hell wildfarben, ockergelb, weiß oder weiß-gescheckt, dunkle Federzeichnung
(sofern vorhanden) z.T. aufgehellt
7
Sonstige
Summe – Total
Nr.
1a
1b
1c
1d
2
3
4
5
6
Individuensumme
Total
1997
2004
5
14
23
13
36
41
5
9
17
11
127
121
16
24
1
4
12
9
13
255
37
283
1997
16
12
34
6
50
20
2004
21
1
30
5
29
14
52
6
10
47
3
15
12
0
7
20
1
6
10
235
12
204
14
Charadrius 42, Heft 1, 2006
1a
1b
1c
2
3
5
6
Abb. 2: Häufige Färbungstypen fehlfarbener Stockentenmännchen im Ballungsraum Rhein-Ruhr (Nr. vgl. Tab. 3);
Typ 6 hinter einer normal großen Stockente.
Fig. 2: Common colour-types of male Mallard with aberrant
plumage in the Rhine-Ruhr area (No. cf. Tab. 3). Type 6 behind a normal sized mallard.
Fotos: M. Schmitz (Abb. 3, Typ 1c), S.R. Sudmann (Abb. 2, Typ 6), F. Sonnenburg (alle anderen)
F. Sonnenburg & M. Schmitz: Fehlfarbene Stockenten im Ballungsraum Rhein-Ruhr
1a
1b
1c
1e
2
3a
4
6
Abb. 3: Häufige Färbungstypen fehlfarbener Stockentenweibchen im Ballungsraum Rhein-Ruhr (Nr. vgl. Tab. 3).
Fig. 3: Common colour-types of female Mallard with aberrant plumage in the Rhine-Ruhr area (No. cf. Tab. 3).
15
16
Charadrius 42, Heft 1, 2006
mit Farbschlägen von Hausenten haben daher vor
allem deskriptiven Charakter und beziehen sich auf
Darstellungen in Platzbecker (2000) und Schmidt
(1996). Die Färbungstypen der männlichen und
weiblichen Tiere werden in Tab. 3 unabhängig
etwaiger genetischer Verwandtschaft jeweils von 1
bis 7 durchnummeriert.
Am häufigsten tritt bei den Männchen mit fast der
Hälfte aller festgestellten Individuen der Typ 3
auf (Tab. 3, Abb. 2). Diese Gruppe stellte auch in
der Untersuchung von Goes (1983) den größten
Anteil unter den farbveränderten Stockenten und
wurde von ihr auf den Braunschweiger Farbschlag
der Gemeinen Hausente (vgl. Kagelmann 1949:
586) zurückgeführt, der jedoch ein schwarz- und
kein rotbraunes Gefieder mit weißem Brustlatz und
grünem Kopf hat. Die Typen 1a-d der Männchen
(Abb. 2) zeigen Merkmals-Analogien mit Hochbrutflugenten, welche mit weißem Latz (1b) sowie
„dunkelwildfarbig“ (dunkel, kein Halsring, Brust
grau; 1c) und „hellwildfarbig“ (Färbung deutlich
heller; 1d) gezüchtet werden (Schmidt 1996). Bei
Typ 2 (Abb. 2) ist mit der auf die Flanken erweiterten braunen Brustzeichnung ein Farbmerkmal
ausgeprägt, über das auch die Streicherente verfügt.
Vereinzelt sind rein weiße Vögel mit gelb-orangem Schnabel (Typ 4) anzutreffen, wie sie unter
anderem als Schläge der Pekingente, der Hochbrutflugente und der Zwergente zugelassen sind.
Wenige Einzeltiere weisen ein schwarzes Gefieder
mit grünem Metallglanz auf (Typ 5; Abb. 2), wie es
von Smaragd- bzw. Cayugaenten bekannt ist.
Bei den Weibchen kommen ebenfalls am häufigsten
dunkel- bis schwarzbraune Vögel mit weißer Brustzeichnung vor (Typ 3a; Abb. 3), was wiederum
den Ergebnissen von Goes (1983) entspricht. Das
braune Gefieder ist jedoch deutlich dunkler als bei
den Männchen dieses Färbungstyps. Die grundsätzlich noch wildfarbenen, aber zu hellen oder
zu dunklen bzw. mit weißen Zeichnungselementen
ausgestatteten Färbungsvarianten (Typen 1a-e; Abb.
3) könnten wie auch bei vielen Männchen auf
Einflüsse „hell-“ oder „dunkelwildfarbiger“ sowie
weiß gezeichneter Hochbrutflugenten zurückzuführen sein. In Einzelfällen wiesen diese Vögel asymmetrische Aufhellungen der Schwungfedern auf.
Besonders helle, creme- bis isabellfarbene Vögel
des Typs 2 (Abb. 3) erinnern an die blaugelben
Farbschläge verschiedener Zuchtformen, u.a. der
Hochbrutflugente. Die dunkle Federzeichnung kann
dabei stark aufgehellt sein oder ganz entfallen.
Eine Kombination besonders ausgeprägter heller
Wangen- und Überaugenstreifen ist als Merkmal
z.B. für die Rouen-Clair-Ente charakteristisch. Die
weißen bzw. schwarz-grünen Typen 4 (Abb. 3)
und 5 entsprechen im Erscheinungsbild und der
Häufigkeit des Auftretens den bei den Männchen
beschriebenen Tieren. Bei den in verschiedenen
Färbungen in beiden Geschlechtern auftretenden
schweren Tieren vom Typ 6 (Abb. 2 & 3) handelte
es sich vermutlich um (flugunfähige) Hausenten,
die an den betreffenden Gewässern ausgesetzt worden sind
Das Merkmal, welches am häufigsten bei den farbveränderten Stockenten festzustellen war, ist der
weiße Brustlatz. Mit 444 der insgesamt 977 Vögel
zeigten ihn 45 % aller fehlfarbenen Stockenten.
Diskussion
Entwicklung des Gesamtbestandes
Parkpopulationen der Stockente weisen aufgrund
des ganzjährig hohen Futterangebots eine hohe
Standorttreue auf, während Wildenten ein ausgeprägteres Zug- und Winterfluchtverhalten zeigen.
Mit zunehmender Intensität des Winters steigt i.d.R.
das Ausmaß des Zuzugs aus nördlichen und östlichen Regionen (Mildenberger 1982, Sudmann
2002, Wahl & Sudfeldt 2005). Der an den Fütterungsstellen der Ruhr und vor allem den außerhalb gelegenen Ruhrabschnitten deutlich erhöhte
Gesamtbestand im Jahr 2004 wird auf ein längeres
Verweilen der Wintergäste zurückgeführt. Hierfür
sprechen auch die parallel dazu beobachtete gegenläufige Entwicklung des Anteils fehlfarbener Tiere
und eine zeitgleich registrierte überdurchschnittliche Anzahl weiterer typischer Wintergäste, wie
beispielsweise Gänsesäger und Reiherente. Die
Erhebungen im Spätwinter 2004 fielen mit einer
nachtfrostreichen Periode zusammen, wenngleich
die Temperaturen im Februar und März im Mittel
um 1,0 °C bzw. 0,6 °C über dem langjährigen Mittel lagen. Das Jahr 1997 war demgegenüber durch
ungewöhnlich milde Temperaturen im Februar und
März gekennzeichnet (3,4 °C bzw. 2,9 °C über dem
langjährigen Mittel; jeweils Station Essen-Bredeney, Deutscher Wetterdienst 1997, 2004).
Vielerorts sind auch an Parkteichen winterliche
Bestandszuwächse der Stockente zu beobachten
(z.B. Hyla 1989). Diese werden allgemein auf
Tiere aus urbanen Populationen und weniger auf
Wildtiere i.e.S. zurückgeführt (Hoerschelmann &
Schulz 1984). Im Untersuchungsgebiet wurde in
den Stadtparks dennoch im kälteren Spätwinter
F. Sonnenburg & M. Schmitz: Fehlfarbene Stockenten im Ballungsraum Rhein-Ruhr
2004 ein geringerer Stockentenbestand registriert
als im milden Winter 1997. Während der Begehungstermine der Wiederholungsuntersuchung
waren etliche Parkteiche weitgehend zugefroren
und wiesen nur schwache Stockentenbestände auf.
Es liegt nahe, dass ein Großteil der Tiere an die
noch eisfreien Fütterungsstellen der Ruhr ausgewichen ist. Betrachtet man die Bestände der Parks und
der Fütterungsstellen an der Ruhr in der Summe,
ergibt sich eine gute Übereinstimmung zwischen
den beiden Untersuchungsjahren.
Anteil fehlfarbener Tiere
Grundsätzlich gilt, dass sich durch reine Felderhebungen nur der Anteil phänotypisch abweichender
Individuen ermitteln lässt. Der genetische Einfluss
von Zuchtformen ist aufgrund rezessiver Vererbung
vermutlich deutlich höher (vgl. Randler 1994).
Der ermittelte Anteil abweichend gefärbter Tiere
in den Parkanlagen war in beiden Untersuchungsjahren mit 13,8 % bzw. 13,9 % fast identisch (Tab.
1). An den Fütterungsstellen an der Ruhr wurde ein
leichter, jedoch nicht signifikanter Rückgang des
Anteils fehlfarbener Tiere von 12,5 % auf 10,4 %
festgestellt, der sich mit einem erhöhten Anteil an
Wintergästen aus Wildpopulationen im Spätwinter 2004 plausibel erklären lässt. Die Fütterungsstellen an der Ruhr gehen räumlich ohne scharfe
Grenze in die abgelegeneren, seltener von Menschen frequentierten Teile des Ruhrtals über. Sie
sind gewissermaßen Kontaktzone zwischen stark
verhaltensdomizierten Parkvögeln und Wildvögeln
sowie von Tieren, die eine Mittelstellung einnehmen. Der Anteil fehlfarbener Stockenten liegt dort
erwartungsgemäß geringfügig unter dem in den
Stadtparks ermittelten Wert. Die Ruhrabschnitte
außerhalb der Fütterungsstellen zeigen einen sehr
viel geringeren Anteil fehlfarbener Stockenten, der
konstant geblieben ist. An dem deutlich geringeren
Anteil und den niedrigen Individuenzahlen zeigt
sich eine klare Bevorzugung urbaner Gewässer
mit Zufütterung und die Abhängigkeit von diesen
Lebensräumen.
Insgesamt bewegen sich die erzielten Resultate
in der gleichen Größenordnung wie die Mehrzahl
der in der Literatur angegebenen Werte (Tab. 4).
Die ermittelte graduelle Abnahme des Anteils
abweichend gefärbter Stockenten von den Stadtzentren zum Umland hin spiegelt sich auch in den
Untersuchungen aus Hamburg, München und dem
Großraum Stuttgart wider. Dabei kann auch an
naturnahen Gewässern in Stadtrandlage oder im
17
außerstädtischen Bereich ein Fehlfarbenen-Anteil
von mehr als 10 % erreicht werden, sofern dort
regelmäßig Enten gefüttert oder freigesetzt werden.
An Orten ohne Fütterungsaktivitäten in außerstädtischen Bereichen oder großen Hafenanlagen nehmen abweichend gefärbte Stockenten zumeist weniger als 5 % des Gesamtbestands ein. Von besonders
hohen Anteilen fehlfarbener Stockenten außerhalb
der Siedlungsbereiche wird nur in Ausnahmefällen
berichtet, z.B. bis zu 40 % am Forggensee (Bezzel 1980). Die Ursachen sind zumeist im direkten
Umfeld dieser Gewässer zu suchen. Eine weitgehend flächendeckende Verbreitung und etwa 10 %
des gesamten Stockentenbrutbestandes erreichen
Fehlfarbene in den Niederlanden. Auch dort konzentrieren sie sich in urbanen Lebensräumen, die in
den dicht besiedelten Niederlanden allerdings einen
großen Teil der Landesfläche einnehmen. Hinzu
kommt, dass in ländlichen Bereichen, vor allem in
der Provinz Friesland, Ansiedlungen seitens lokaler
Züchterorganisationen durch die Anbringung spezieller Nistboxen gefördert werden (Lensink 2002).
Wiederholungsuntersuchungen zur Entwicklung des
Fehlfarbenen-Anteils gibt es bisher kaum. Die vorliegende Untersuchung erbrachte keine signifikante
Veränderung der Anzahlen und Anteile fehlfarbener
Individuen. Im Stuttgarter Raum wurde – anders
als im Ruhrgebiet – bei einer Wiederholungsuntersuchung nach sieben Jahren ein signifikanter
Anstieg des Anteils von 13,4 % auf 20,2 % in städtischen Bereichen registriert. In den Stadtrandlagen
und an den außerstädtischen Gewässern gab es
jedoch keine signifikante Veränderung, auch war
die Veränderung der Gesamtzahl fehlfarbener Tiere
(Zunahme von 222 auf 236 Ind.) nicht signifikant
(Randler 2002). Sonstige auf hinreichend großen
Datenmengen basierende Studien mit statistisch
abgesicherten Trendangaben zu dieser Fragestellung sind derzeit nicht bekannt.
Situation in Nordrhein-Westfalen
Bereits wenige Jahre nachdem die internationale
Wasservogelzählung in Nordrhein-Westfalen auf
eine breite Basis gestellt wurde, weist Eber (1968)
auf eine zunehmende „Bastardisierung“ mit domestizierten Enten und die Entstehung von Mischpopulationen auch auf freien, relativ natürlichen
Gewässern hin. Der Beginn dieser Entwicklung
lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Nach Frey
(1948) waren im Leverkusener Raum Mischlinge
zwischen Stock- und Hausente schon in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts offenbar nicht selten.
18
Charadrius 42, Heft 1, 2006
Tab. 4: Anteile fehlfarbener Stockenten nach Literaturauswertung (* = Mittelwerte, k.A. = keine Angabe, Bp = Brutpaare,
Ind. = Individuen). – Percentage of Mallard with aberrant plumage according to the literature (* = average numbers, k.A. =
no total number given, Bp = breeding pairs, Ind. = individuals).
Anteil Fehlfarbener
Percentage
with aberrant
plumage
Gesamtzahl
Stockenten
Total number of
Mallard
13,2 %
10,4 %
5,0 %
2,4 %
0,7 %
17,5-27,3 %
3.349
6.074
1.129
1.392
2.979
80-110
13,4 %
10,6 %
8,2 %
1.996
(insges.)
20,2 %
12,7 %
1.496
(insges.)
10,7 %
600-1.000 Bp.
(insges.)
12,8 % *
422 *
5-10 %
8-138
10-50 %
k.A.
13,8 %
12,5 %
3,6 %
13,9 %
10,4 %
3,1 %
2.933
622
196
2.704
881
645
35-60.000 Bp
im Verhältnis zu
350. –500.000 Bp
11.500-16.000
im Verhältnis zu
395. –515.000 Ind.
~ 2,5-3 %
Location
Hamburg
Innenstadt
Wohnblockzone
Umland – Geest
Elbe – Hafengebiet
Elbe – Marsch
Hamburg, Stadtpark
Großraum Stuttgart
Innenstadt (Fütterungsstellen)
Stadtrand (Fütterungsstellen)
außerstädt. (Fütterungsstellen)
Großraum Stuttgart
Innenstadt (Fütterungsstellen)
Stadtrand (Fütterungsstellen)
Zeitraum
Quelle
Period
Source
Okt. 1981
Hoerschelmann &
Schulz (1984)
Jan. + Dez. 1962 Volkmann (1965)
Dez.1993 +
Jan. 1994
Randler (2002)
Winter
1999 / 2000
Randler (2002)
außerstädt. (Fütterungsstellen)
20-40 %
0,5-1,5 %
4,21 % *
9-40 % *
~ 10 %
Ort
500-2.000
~ 500-2.000 *
3,3-8,4 % *
356-1.150 *
~5%
k.A.
München, Stadtgebiet
München, Umland
Wien, Stadtbereich
Forggensee / Bayern
Riddagshäuser Teiche / Braunschweig
(besucherfrequentierte Abschnitte)
ehem. Stadtgraben
Mengeringhausen / Hessen
Ortschaften im östlichen SchleswigHolstein
Parkanlagen Rhein-Ruhr
Entenfütterungsstellen Ruhr
Ruhr außerhalb Fütterungen
Parkanlagen Rhein-Ruhr
Entenfütterungsstellen Ruhr
Ruhr außerhalb Fütterungen
Niederlande
(gesamt; Verhältnis Brutbestände)
Niederlande (gesamt; Verhältnis der
Ergebnisse der Wasservogelzählung
aus dem Monat Januar)
Beach Haven West lagoon development / New Jersey / USA
USA (suburbane Population)
Dabei wird unter anderem ein im Januar 1928
erlegtes „ganz dunkles“ Stück erwähnt.
k.A.
1977-1979
1972-1979
Frühjahr 1982
Schön (1988; zit. in
Reichholf 2002)
Böck (1981)
Bezzel (1980)
Goes (1983)
Nov. 2002 –
Okt. 2003
Bergmann (2004)
k.A.
Busche & Meyer
(1991)
Feb. – Apr. 1997 diese Untersuchung
Feb. – Apr. 2004 diese Untersuchung
1998-2000
Lensink (2002)
2001-2003
van
Jan. 1973 –
Jan. 1974
Figley & van Druff
(1982)
Montgomery et al.
(1975; zit. in Figley
& van Druff 1982)
k.A.
Roomen et al.
(2004)
Für die Gebiete außerhalb des Ballungsraums RheinRuhr lässt die Datengrundlage derzeit keine kon-
F. Sonnenburg & M. Schmitz: Fehlfarbene Stockenten im Ballungsraum Rhein-Ruhr
kreten quantitativen Aussagen für größere Betrachtungsräume zu. Eine weitgehend flächendeckende
Verbreitung wie in den Niederlanden (Lensink 2002)
ist nicht festzustellen. Auf größerer Fläche treten
höhere Dichten fehlfarbener Stockenten offensichtlich nur in urbanen Gebieten auf und sind dort i.d.R.
auf Parkgewässer beschränkt (vgl. Kretzschmar &
Neugebauer 2003). In ländlichen Bereichen fehlen
sie oder konzentrieren sich an wenigen Gewässern
mit geeigneten Bedingungen (i.d.R. Zufütterung,
Züchter in der Umgebung).
In den nordrhein-westfälischen Avifaunen (Mildenberger 1982, NWO 2002, Peitzmeier 1979, nicht
jedoch bei Wink et al. 2005) und dem Großteil
der ausgewerteten avifaunistischen Literatur mit
lokalem bis regionalem Bezug finden sich allgemein gehaltene Hinweise auf das Auftreten fehlfarbener Stockenten, das in vielen Fällen pauschal auf
das Aussetzen von Hochbrutflugenten und Zuchtgeflügel zurückgeführt wird. Konkrete Hinweise
auf zunehmende bzw. hohe Anteile fehlfarbener
Stockenten sind nur auf lokaler Ebene in Bezug auf
kleine Bestände publiziert, so etwa für die Kreise
Soest (ABU 1989), Steinfurt (NSG Heiliges Meer;
Knoblauch 1980), Gütersloh (Rietberg; Möbius
1965) und Herford (Horstkotte 1978) sowie den
Wittgensteiner (Belz & König 1983) und Bonner
Raum (Rheinwald et al. 1987). Aussagekräftige
Angaben zu Mengenanteilen sind lediglich aus dem
Kreis Viersen bekannt. Dort wurden zu Beginn der
1990er Jahre an zwei Orten über 30 Stockentenfamilien registriert, von denen in keinem einzigen Fall
die Färbung aller Küken der Wildform entsprach
(Hubatsch 1996).
Ursachen der Farbveränderung / Färbungstypen /
Merkmale
Zu den Ursachen für das Auftreten farbveränderter
Stockenten an Parkgewässern finden sich in der Literatur zwei unterschiedliche Erklärungsansätze, die
sich vermutlich überlagern: 1.) das Einkreuzen von
Hochbrutflugenten und Hausentenrassen (u.a. Bezzel 1980, Randler 1994, 2002), 2.) in Ergänzung
dazu das spontane Auftreten von Farbaberrationen
infolge von Inzucht unter domestikationsähnlichen
Bedingungen (Hoerschelmann 1985, Hoerschelmann & Schultz 1984, Kaiser 2004, Kolbe 2004).
Hinzu kommt die weitere Diversifizierung durch
Kreuzung unterschiedlich farbveränderter Tiere.
Nach bisherigem Kenntnisstand spielen genetische
Einflüsse verschiedener Zuchtformen die wichtigste
Rolle für das Auftreten von Farbabweichungen bei
Stockenten. Diese gehen insbesondere auf gezielte
19
Freisetzungen durch Parkverwaltungen, Aussetzungen zum Zwecke der Jagd oder Entweichen
aus Gehegehaltung zurück. Die Hochbrutflugente
verfügt unter den Zuchtformen über die beste Flugfähigkeit und einen noch vorhandenen Bruttrieb,
was ihre häufige Beteiligung an Parkpopulationen
der Stockente erklärt. Die meisten anderen Hausentenrassen können nicht mehr fliegen (Schmidt 1996:
46). Kolbe (2004) vermutet mit Kaiser (2004), dass
im Falle von eingekreuzten Hausentenrassen neben
Hochbrutflugenten auch an Parkteichen ausgesetzte
(flugfähige) Zwerg- und Smaragdenten beteiligt sein
könnten. Zwergenten wurden in der vorliegenden
Untersuchung an keinem der Gewässer festgestellt.
Auf einen etwaigen Einfluss von Smaragdenten deuten die beobachteten schwarzen Typen mit grünem
Metallglanz (Tab. 3: Typ 5). Enten mit ähnlichem
Gefieder, das bei Smaragd- bzw. Cayugaenten vorkommt, wurden auch bei der Wasservogelzählung
in Köln erfasst (C. Walter, AG Wasservögel schr.
Mitt.).
Zumindest einige Farbabweichungen können unter
domestikationsähnlichen Bedingungen spontan
entstehen (vgl. z.B. Hunter 1939, Kagelmann
1949: 585) bzw. sind auf Genverluste durch Inzucht
zurückzuführen (Kaiser 2004, Kolbe 2004). Dies
ist offenbar auch an Parkgewässern aufgrund dort
gehäuft auftretender Verwandtenverpaarungen der
Fall. Vor diesem Hintergrund erscheint es zweifelhaft, sogenannte Schecken und sonstige fehlfarbene
Stockenten ausschließlich auf den genetischen Einfluss von Hochbrutflugenten und Hausentenrassen
zurückzuführen. Nach Kagelmann (1949) handelt
es sich z.B. bei den dunklen Enten mit weißer
Latzzeichnung keineswegs nur um das Ergebnis
zielbewusster Züchtung, sondern auch um häufig
auftretende, vom Züchter ungewollte Erscheinungen
mutativen Charakters. Dies dürfte mit ein Grund für
das häufige Auftreten dieses Färbungstyps in städtischen Stockentenpopulationen sein.
Die Zuordnung der Färbungstypen zu bestimmten
Zuchtformen ist i.d.R. nicht oder nur sehr stark
eingeschränkt möglich. Die Hausentenrassen definieren sich in erster Linie über morphologische
Merkmale wie Kopfform, Beinlänge, Schnabelform
und ­ -länge, Körperhaltung etc. Ein und dasselbe
Färbungsmerkmal (in vielen Fällen auch die Wildfarbigkeit) kann bei unterschiedlichen Zuchtformen
in ähnlicher bis annähernd gleicher Ausprägung
auftreten. Abgesehen von einigen genetisch streng
gekoppelt auftretenden Merkmalskombinationen
beruhen rassenspezifische Gefiederfärbungen in
20
Charadrius 42, Heft 1, 2006
hohem Maße auf willkürlicher Selektion durch den
Züchter anhand definierter Standards. Morphologische Abweichungen wurden in der vorliegenden
Untersuchung mit Ausnahme einer Haubenbildung
und der in sehr geringer Anzahl nachgewiesenen
und offensichtlich direkt ausgesetzten übergroßen
Tiere (Tab. 3: Typ 6) nicht festgestellt.
Der weiße Latz, der bei 45 % aller farbveränderten
Stockenten auftrat, wird auch in der Literatur wiederholt als häufiges oder am zahlreichsten zu beobachtendes Merkmal erwähnt (Goes 1983, Kowalski & Herkenrath 2003, Skiba 1993). Dieses
Kennzeichen ist schon früh unter den Landenten
verschiedener Länder und vermutlich in mehreren Domestikationszentren aufgetreten (Rudolph
1973). Es findet sich ferner in verschiedenen Zuchtformen wieder (Platzbecker 2000, Schmidt 1996,
vgl. auch Kagelmann 1949). Dass das zunehmende
Auftreten weißer Brustlätze bzw. weißer Gefiederbezirke auf die Einkreuzung von Löffel-, Spieß- oder
Schnatterente zurückgeht, wie von Rudolph (1973)
und Sperl (1995) angegeben, ist hingegen auszuschließen. Solche Hybriden sind für Mitteleuropa
zwar nachgewiesen (Randler 2000), zeigen aber
intermediäre Merkmale (z.B. Randler 1998), so
dass auch weitere Kennzeichen der zweiten Elternart sichtbar sein müssten.
Bei allen Versuchen, etwas Ordnung in die „bunten“
Stockentenbestände urbaner Gewässer zu bringen,
ist zu berücksichtigen, dass die Färbungstypen eine
gewisse Variabilität ihrer Merkmale aufweisen, insbesondere in der Ausdehnung weißer Gefiederpartien (vgl. Kagelmann 1949). Neben den häufigen,
immer wieder auftretenden Färbungstypen und
intermediär charakterisierten Tieren können die verschiedensten Kombinationsmuster und Zeichnungen
vorkommen, die sich bisher keinem wiedererkennbaren Typ zuordnen lassen. Solche Vögel machten
rund 7,4 % der festgestellten farbveränderten Stockenten aus (Tab 3).
Schlussfolgerungen
In der Literatur finden sich Hinweise darauf, dass
sich Farbveränderungen im Gefieder unter weitgehend natürlichen Bedingungen oftmals nicht dauerhaft in Stockentenpopulationen etablieren (Bezzel
1980, Naumann 1905 zit. in Hoerschelmann &
Schulz 1984), sofern nicht fortwährend domestizierte Tiere eingebracht werden – etwa zu jagdlichen
Zwecken. In Parkanlagen sind auffällige Mengenanteile aberrant gefärbter Stockenten aus den weiter
oben erläuterten Gründen eher der Normalfall. Mehr
noch unterscheiden sich die dort ansässigen „ParkStockenten“ durch Verhaltensmerkmale von reinen
Wildvögeln. Diese Merkmale sind auch den phänotypisch normalgefärbten Individuen der Parkvögel
zueigen. Zu nennen sind beispielsweise spezielle
Anpassungen im Tagesrhythmus und der Futterwahl
sowie die Zutraulichkeit und ein reduziertes bis
fehlendes Migrationsverhalten. Faktoren wie permanente Nahrungsverfügbarkeit, geringer Prädationsdruck, fehlende Jagd, Wegfall mit dem Zug verbundener Risiken und weniger strenge Witterungsbedingungen während der Wintermonate (Engel et al.
1988, Figley & van Druff 1982, Hansson 1966)
ermöglichen der hochangepassten „Park-Stockente“
das Überleben in einem urbanen Umfeld, das für
wilde Stockenten nur bedingt geeignet ist (vgl.
Hoerschelmann 1985, Hoerschelmann & Schulz
1984). Die in städtischen Parkanlagen auftretenden
Populationsmerkmale und Selektionsfaktoren lassen
selbst stärkste Farbabweichungen zu. Vergleichbar
ist der gelegentlich zu beobachtende partielle oder
totale Albinismus siedlungsbewohnender Amseln
(Turdus merula; z.B. Glutz von Blotzheim et al.
2001, Richarz 2001). Durch das eingeschränkte
Zugverhalten infolge der guten Überwinterungsbedingungen in der Stadt (vgl. Luniak 1998), kommt
es offenbar kaum zu einer Gendurchmischung mit
außerstädtischen Populationen (Hoerschelmann &
Schulz 1984).
Für eine „Explosion“ der Bestände farbveränderter
Stockenten ergeben sich auch nach dieser Untersuchung keine Beweise. Die Ergebnisse deuten eher
auf konstante Verhältnisse im Ballungsraum RheinRuhr. Um unerwünschte genetische Einflüsse in
der Stockentenpopulation gänzlich auszuschließen,
sollten dennoch jegliche Freisetzungen flugfähiger
Zuchtformen unterbleiben.
Die zahlreich publizierten, auf subjektiven Einschätzungen oder auf Beobachtungen an Einzelgewässern
basierenden Hinweise auf eine Zunahme fehlfarbener Tiere unterstreichen die Notwendigkeit weiterer Erhebungen und Langzeitstudien. Da es bisher
kaum großräumige Untersuchungen zum Auftreten
farbveränderter Stockenten aus Deutschland gibt,
soll für die Beantwortung zukünftiger Fragestellungen und zur Verfolgung der Bestandsentwicklung
angeregt werden, fehlfarbene bzw. Park-Stockenten im Rahmen von Schwimmvogelzählungen oder
großräumigen Brutvogelkartierungen getrennt zu
erfassen, wie dies in den Niederlanden für die „Soopeend“ bereits erfolgt (Lensink 2002, van Roomen et
al. 2004). Aus diesem Grund sollen die Zahlen von
F. Sonnenburg & M. Schmitz: Fehlfarbene Stockenten im Ballungsraum Rhein-Ruhr
wildfarbenen und fehlfarbenen Stockenten seit der
Saison 2006/7 auch bei der Wasservogelzählung in
NRW zusätzlich zu rein weißen Hausenten erfasst
werden (Sudmann 2006: Rundschreiben der AG
Wasservögel der NWO).
Danksagung
Helmut Sang und die NWO stellten uns ihre Bibliotheken für die Literaturrecherche zur Verfügung,
bei der auch Dr. Rainer Mönig behilflich war. Nils
Anthes übernahm freundlicherweise die statistischen
Berechnungen und gab ebenso wie Holger Sonnenburg kritische Anmerkungen zum Manuskript; Dr.
Hartmut Kolbe danken wir für fachliche Hinweise.
Michael Banks und Corinne d’Cruz halfen bei der
Erstellung der englischsprachigen Textteile.
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Manuskripteingang: 27.06.2006
Frank Sonnenburg, Biologische Station Mittlere
Wupper, Vogelsang 2, 42653 Solingen, E-Mail:
[email protected]
Michael Schmitz, Birkenhang 37, 42555 VelbertLangenberg, E-Mail: [email protected]