Wohlfahrtsökonomische Analyse von Digital Rights Management

Transcription

Wohlfahrtsökonomische Analyse von Digital Rights Management
In: FIfF Kommunikation, Jg. 21, H. 4, S. 51-55 (2004)
Wohlfahrtsökonomische Analyse von Digital Rights
Management und Alternative Kompensationssysteme im
Musikmarkt
Christoph Lang, Eva Gerstmeier, Erlangen-Nürnberg
1. Situation und Zielsetzung
Der Umsatz der Musikindustrie sank von 2,587
Milliarden € 1997 auf 1,65 Milliarden € 2003
(vgl.
Jahreswirtschaftsbericht
der
Phonographischen Industrie, 2003, S. 10). Als
wesentliche Ursache für den Umsatzrückgang
wird die Substitution von verkauften
Tonträgern durch digitale Privatkopien1
angesehen, da die Konsumenten mit Hilfe von
Brennern und Internettauschbörsen Musik zum
Preis eines CD-Rohlings erhalten (vgl. GfKBrennerstudie, 2004). Durch die sinkenden
Absatzzahlen wird es für die Musikindustrie
langfristig schwieriger die Fixkosten ihrer
Neuerscheinungen zu decken. Hält der
gegenwärtige Trend an, könnte deren Zahl
zurückgehen.2 Um den Umsatz zu stabilisieren,
favorisiert die Musikindustrie Technologien
zur Durchsetzung von Lizenzbedingungen,
welche Digital Rights Management (DRM)
genannt werden und setzt sie in ihren Onlineund Tonträgerangeboten auch ein (vgl.
Gebhardt,
2004).
Diese
technischen
Kopierbeschränkungen werden durch die
Novellierung des deutschen Urheberrechts
2003 mit strafrechtlichen Konsequenzen
abgesichert.
Die Musikindustrie verspricht sich hiervon
zum einen eine Begrenzung der Privatkopien
durch Kopierschutztechnologien und zum
anderen
Umsatzzuwächse
durch
die
Möglichkeit der Preisdifferenzierung (vgl.
heiseonline, 2004). Als Alternative zur
Deckung der Fixkosten durch DRM wird u.a.
von Moldenhauer (vgl. 2004) die Einführung
einer Pauschalgebühr auf Content-verwandte
Produkte
wie
Speichermedien
oder
Internetzugänge gefordert, die unter den
Namen Alternative Kompensationssysteme
(AKS) oder „Kulturflatrate“ diskutiert werden
(vgl. crosscommons.org, 2004). Ausgearbeitete
Modelle liegen hierzu u.a. von Fisher (vgl.,
1
Jeder legal oder illegal privat gebrannte Tonträger und
Download wird im Folgenden Privatkopie genannt.
2
Auch wenn die Zahlen der Neuerscheinung von 19972003 relativ konstant sind (vgl. Jahreswirtschaftsbericht
der Phonographischen Industrie, 2003, S.38).
2003, S. 1-66) oder Gratz (vgl. 2003, S. 1-25)
vor.
Ziel dieses Artikels ist es, die beiden Konzepte
DRM und AKS wohlfahrtsökonomisch3 zu
evaluieren. D.h. wie effizient können sie das
Problem der Fixkostendeckung lösen? Hierfür
müssen zunächst die Besonderheiten von
digitalen Informationsgütern in Kapitel 2
dargestellt werden, um die Auswirkungen von
DRM und AKS besser abschätzen zu können.
Die wohlfahrtsökonomischen Implikationen
werden in den Kapiteln 3 und 4 analysiert. Die
Darstellung
geht
dabei
sowohl
auf
Effizienzveränderungen
als
auch
auf
Verteilungswirkungen ein. Ferner sollen beide
Systeme auf Fehlanreize hin überprüft werden.
2. Musik als digitales Informationsgut
Die Produkte der Musikindustrie sind digitale
Informationsgüter. Diese Güter können als
öffentliche Güter klassifiziert werden, da ihre
inhärenten Eigenschaften „keine Rivalität der
Güternutzung“ und „keine Ausschließbarkeit“
durch CD-Brenner und Internettauschbörsen
zum Tragen kommen. Im Gegensatz zu
privaten Gütern, wie beispielsweise Autos,
kann der Besitzer eines Tonträgers den
immateriellen Inhalt anderen Menschen zur
Verfügung stellen und ihn trotzdem weiter
nutzen. Das volkswirtschaftliche Problem
besteht darin, dass schwacher Schutz
öffentlicher Güter zur Unterversorgung führen
muss, denn die Produzenten tragen die Kosten,
vom Nutzen der kostenlosen Kopien kann aber
niemand ausgeschlossen werden. Wenn die
Musikproduzenten4 somit ihre Fixkosten nicht
mehr decken können, sinkt die Zahl der
Neuerscheinungen
aufgrund
fallender
Deckungsbeiträge durch weniger verkaufte
Alben.
Die
beiden
grundsätzlichen
Möglichkeiten das Problem zu lösen sind:
3
Teilbereich der Wirtschaftswissenschaft, der die
Aufgabe
hat,
Kriterien
zur
Beurteilung
wirtschaftspolitischer Maßnahmen zu entwickeln.
4
Produzenten sind in diesem Aufsatz sowohl Urheber als
auch Verwerter. Interessenkonflikte zwischen Urhebern
und Verwerten werden hier zur Vereinfachung
ausgeblendet.
1
In: FIfF Kommunikation, Jg. 21, H. 4, S. 51-55 (2004)
1. Die Privatisierung des öffentlichen Gutes,
durch das Urheberrecht. Durch digitale
Kopiertechnologien erwies sich dieser
Schutz als unzureichend und wurde durch
die Beschränkung der Privatkopien via
DRM ergänzt. §95a UrhG kriminalisiert
seit 2003 die Umgehung von DRM und
fungiert daher als zusätzlicher Schutz.
2. Eine
öffentliche
Finanzierung
der
Fixkosten durch AKS.
Betriebswirtschaftlich zielt die Einführung von
DRM auf Gewinnsteigerung. Diese soll zum
einen durch Kontrolle der Kopierbarkeit von
Musik
mit
Hilfe
von
Verschlüsselungstechnologien
und
deren
juristischem
Umgehungsschutz
erreicht
werden. Damit besitzen Tonträger wieder die
Eigenschaften
„Ausschließbarkeit“
und
„Rivalität der Güternutzung“ und sind im
Markt als private Güter handelbar. Hiervon
verspricht sich die Musikindustrie einen
Wiederanstieg ihrer Umsätze.
Zum
anderen
ermöglicht
DRM
Gewinnsteigerung
mit
Hilfe
von
Produktdifferenzierung. Es werden Alben mit
verschiedenen
Nutzungsmöglichkeiten
angeboten: Zum Beispiel Musikdownloads, die
nur auf dem PC abspielbar sind oder universell
abspielbare Musik. Die unterschiedlichen
Musikangebote
ermöglichen
somit
Preisdifferenzierung, welche den Gewinn der
Musikindustrie steigern soll.
3. Wohlfahrtsökonomische
Auswirkungen von DRM
Um DRM und AKS volkswirtschaftlich
beurteilen
zu
können,
sollen
ihre
wohlfahrtsökonomischen
Auswirkungen
dargestellt werden. Als normativer Maßstab
dient in der Ökonomie die sog. Nettowohlfahrt.
Diese setzt sich aus Konsumenten5- und
Produzentenrente6
zusammen.
Die
Konsumentenrente steigt, wenn der Preis fällt,
die Produzentenrente wächst, wenn der Preis
sich erhöht und die Nettowohlfahrt vergrößert
sich, wenn die konsumierte Menge steigt. Ein
5
Der Nutzen des Konsumenten aus der Marktteilnahme.
Dieser wird durch den Unterschied der individuellen
Zahlungsbereitschaften und dem was er tatsächlich zahlt
beschrieben.
6
Der Nutzen des Produzenten aus der Marktteilnahme.
Dieser wird durch den Unterschied zwischen den
variablen Kosten eine Gutes und dem Marktpreis
beschrieben. Also: Umsatz - variable Kosten oder
Gewinn + Fixkosten.
Pareto-optimales Marktergebnis7 liegt statisch
dann vor, wenn der Preis den variablen Kosten
der Produktion entspricht. Dies würde aber
aufgrund der spezifischen Kostenstruktur der
Musikindustrie – hohe Fixkosten und geringe
variable Kosten – zu dem in Kapitel 2
beschriebenen Problem der Unterversorgung
mit Neuerscheinungen führen. D.h. es müssen
statische
Wohlfahrtsverluste
in
Kauf
genommen werden, um die dynamische
Effizienz – also Neuerscheinungen – zu
gewährleisten.
Als Referenzfall der wohlfahrtsökonomischen
Analyse dient ein Marktergebnis für ein Album
ohne Preisdifferenzierung, mit Privatkopien 0,
0 und dem
Marktpreis P0. Dem wird ein DRMMarktergebnis mit zwei Preisen P1, P2 und
ohne Privatkopien gegenübergestellt. Die
Preisdifferenzierung
kann
durch
Produktdifferenzierung, wie im zweiten
Kapitel beschrieben, erreicht werden. Der
Analyse liegen fünf Annahmen zugrunde:
• Die Grenzkosten, also die Kosten jedes
zusätzlich produzierten Tonträgers, sind
konstant und im Verhältnis zum
Marktpreis des Albums gering.
• Der Musikmarkt kann als Monopolmarkt
klassifiziert werden, da ein Künstler stets
bei nur einer Firma unter Vertrag steht und
damit der Konsument ein bestimmtes
Album nur von einer Firma kaufen kann.
Damit liegt der Preis P0 erheblich über den
Grenzkosten.
• Bei der Preisdifferenzierung soll gelten: P1
> P0 > P2.
• Die Grenzkosten der Durchsetzung des
Verbots der Privatkopie werden als
steigend angenommen, denn je höher das
technische Know-how der Konsumenten
ist, desto teurer wird die Durchsetzung von
DRM. Während ein Teil der Konsumenten
relativ leicht vom Kopieren abgehalten
werden kann, muss DRM bei anderen
Konsumenten
durch
aufwendige
Kontrollen und juristische Konsequenzen
abgesichert werden.
• DRM und sein juristischer Schutz
verhindern Privatkopien völlig.
Die Auswirkungen von DRM auf die
Nettowohlfahrt können nun statisch analysiert
werden. Es werden zunächst die drei
wohlfahrtsökonomischen Implikationen der
Beschränkung der Privatkopie vorgestellt:
7
Ein Pareto-Optimum ist ein Zustand bei dem niemand
besser gestellt werden kann, ohne dass jemand anders
schlechter gestellt wird.
2
In: FIfF Kommunikation, Jg. 21, H. 4, S. 51-55 (2004)
1. Es findet eine Umverteilung von
Konsumenten zu Produzenten statt, da
wieder mehr Alben gekauft statt gebrannt
werden.
2. Eine Nettowohlfahrtsverschlechterung ist
aufgrund der sinkenden Zahl von
konsumierten Alben (Privatkopien +
verkaufte Alben) zu erwarten. Da die Zahl
der
Privatkopien
über
dem
Absatzrückgang der Musikindustrie liegt
(vgl.
Jahreswirtschaftsbericht
der
Phonographischen Industrie, 2003, S.8
und GfK-Brennerstudie, 2004), kann im
Umkehrschluss gefolgert werden, dass die
Steigerung des Absatzes von Alben bei
DRM-Einsatz niedriger als der Rückgang
der Privatkopien sein wird. Denn selbst der
Niedrigpreis P2 wird über den Kosten von
Privatkopien liegen.
3. Wohlfahrtsverluste resultieren auch aus
den externen Kosten der Durchsetzung des
Verbots der Privatkopie. Diese können im
Verhältnis
zur
Nettowohlfahrt
im
Musikmarkt erheblich sein (vgl. Boldrin,
Levine 2002, S. 210). Das Problem der
hohen externen Kosten resultiert aus dem
Anreiz
der
Konsumenten
die
Kopierbeschränkungen auszuhebeln. Zum
jetzigen Zeitpunkt müssten ca. 20
Millionen
Privatkopierer
durch
Überwachung und Abschreckung von
einer Verhaltensänderung „überzeugt“
werden (vgl. GfK-Brennerstudie, 2004).
Die Beschränkung der Privatkopie durch DRM
führt also zu einem Sinken der Nettowohlfahrt
durch die geringere Anzahl an konsumierten
Alben
und
durch
die
notwendigen
Überwachungskosten.
Neben der Beschränkung der Privatkopie hat
die Musikindustrie mit DRM auch die
Möglichkeit zur Preisdifferenzierung. Diese
hat zwei Implikationen hinsichtlich der
Nettowohlfahrt. Einerseits kann durch den
Premiumpreis P1 eine bessere Abschöpfung der
Preisbereitschaft der Konsumenten erreicht
werden, was zu einer Umverteilung von
Konsumenten
zu
Produzenten
führt.
Andererseits führt der Niedrigpreis P2 zu einer
Pareto-Verbesserung im Musikmarkt durch die
gestiegenen Absatzzahlen, da der Preis P2
unterhalb des einheitlichen Monopolreises P0
liegt. Hiervon profitieren sowohl Konsumenten
als auch Produzenten. Liegt bei DRM-Einsatz
der niedrigste Preis P2 für ein Album über den
Grenzkosten – wovon aufgrund der
spezifischen Kostenstruktur ausgegangen
werden kann –, dann verbleibt im Markt ein
Nettowohlfahrtsverlust,
der
sich
aber
gegenüber dem Referenzfall des Monopols
ohne Preisdifferenzierung verringert hat. Aus
volkswirtschaftlicher Sicht ist damit dieser
Aspekt von DRM positiv zu beurteilen.
Somit
haben
Preisdifferenzierung
und
Verhinderung der Privatkopie gegenläufige
wohlfahrtsökonomische Folgen:
1. Preisdifferenzierung führt durch die
steigenden Absatzzahlen zu einem
Nettowohlfahrtsgewinn im Musikmarkt.
2. Die Beschränkung der Privatkopie
generiert einen Nettowohlfahrtsverlust.
3. Die Beschränkung der Privatkopie durch
DRM und dessen juristischer Schutz
verursachen
erhebliche
wohlfahrtsmindernde
Durchsetzungskosten.
Diese
Ergebnisse
lassen
eine
Auseinandersetzung mit AKS als lohnenswert
erscheinen.
4. Wohlfahrtsökonomische
Auswirkungen von AKS
AKS sollen kostenlosen Download des
immateriellen Gutes Musik gewähren,
vergleichbar
mit
den
existierenden
Internettauschbörsen
wie
Kazaa
oder
Morpheus. Die Fixkosten der Musikproduktion
sollen durch die Erhebung von Abgaben auf
Internetzugänge, Speichermedien, CD-DVDBrenner und Internettauschbörsen, also
zumindest teilweise komplementäre private
Güter, gedeckt werden (vgl. Fisher, 2003, S.
22). Diese Einnahmen könnten dann entweder
proportional zur Anzahl der Downloads des
jeweiligen Musikproduzenten oder nach
Downloadquoten,
ähnlich
den
Fernseheinschaltquoten,
verteilt
werden.
Fisher (vgl., 2003, S. 1-66) schlägt vor bei
AKS die Finanzierung öffentlicher Güter
möglichst eng an die tatsächliche Nutzung zu
binden. Dadurch werden Umverteilungseffekte
von Menschen, die andere Inhalte speichern,
zu Menschen, die Musik speichern, minimiert.
Bei der Koppelung der Gebühr an private
Güter wie CD- oder DVD-Rohlinge offenbart
der Musikkonsument zumindest teilweise seine
Präferenzen hinsichtlich seines Musikkonsums.
Von den 714 Millionen verkauften CDRohlingen wurden 2003 44% mit Musik
bespielt (vgl. GfK-Brennerstudie, 2004).
Die wohlfahrtsökonomischen Auswirkungen
von AKS sollen, wie für DRM bereits
geschehen, für ein Album analysiert werden.
3
In: FIfF Kommunikation, Jg. 21, H. 4, S. 51-55 (2004)
Hierfür sind folgende sechs Annahmen
notwendig:
• Die Grenzkosten, also die Kosten jedes
zusätzlich produzierten Tonträgers, sind
konstant. Durch den Wegfall der
Vertriebskosten sind die Grenzkosten der
Produzenten Null.
• Für den Konsumenten ist der Preis für ein
Album der Preis für den Download und für
ein Speichermedium, der zusammen
unterhalb des Monopolpreises P0 liegt.
• Die zur Abgabenerhebung genutzten
Privatgütermärkte werden in der Analyse
zur
Vereinfachung
auf
den
Speichermedienmarkt reduziert.
• Dieser ist vor AKS-Einführung ein Paretooptimaler
Wettbewerbsmarkt.
Das
bedeutet, dass der Preis gleich den
Grenzkosten ist.
• Die
Gebühreneinnahmen
kommen
ausschließlich den Musikproduzenten
zugute. Film- und Softwareproduzenten
bleiben unberücksichtigt.
• Es existiert nur noch der kostenlose
Online-Musikmarkt.
Nun werden die Auswirkungen von AKS auf
die Nettowohlfahrt analysiert. Als Referenzfall
dient erneut ein Marktergebnis für ein Album
ohne Preisdifferenzierung, mit Privatkopien
0
0 und dem
Marktpreis P0.
Die Einführung von AKS lässt statisch
folgendes Nettowohlfahrtsergebnis erwarten:
1. Die Nachfrage im kostenlosen Musikmarkt
steigt, da die Nachfragekurven nach
Privatkopien und ehemals verkauften
Alben aufaddiert werden. Idealtypisch gibt
es nur noch kostenlose Musikdownloads.
Die nun abgesetzte Menge ist größer als
die Anzahl der Privatkopien und die
Anzahl der verkauften Alben zusammen.
Denn durch AKS werden auch die
ehemaligen
Käufer
des
OfflineMusikmarktes ihren Konsum bis zum
Schnittpunkt der neuen Nachfragekurve
mit den Grenzkosten der Speichermedien
ausdehnen.
Die
somit
gestiegenen
Absatzzahlen führen im Musikmarkt zu
einem Pareto-Optimum und damit zum
Verschwinden
der
internen
Wohlfahrtsverluste.
2. Auf der anderen Seite verursacht die
Gebühr
auf Speichermedien
einen
Nettwohlfahrtsverlust
im
Speichermedienmarkt, da jede Abgabe
unter sonst gleichen Bedingungen die
abgesetzte
Menge
reduziert.
Die
Elastizitäten8 von Angebot und Nachfrage
bestimmen den Anteil der Verluste den
Konsumenten oder Produzenten der
Speichermedien zu tragen haben.
Um diesen Wohlfahrtsverlust zu minimieren,
empfiehlt es sich, die Abgaben unter
Berücksichtigung
der
verschiedenen
Elastizitäten auf mehrere private Güter zu
verteilen. Die Höhe der jeweiligen Gebühr
sollte nach der Ramsey-Regel, d.h. umgekehrt
proportional zur Elastizität der jeweiligen
Nachfrage, festgelegt werden (vgl. Fisher,
2003, S. 22).
Die Verteilungswirkung von AKS im
Musikmarkt ist beinahe umgekehrt zu der bei
DRM-Einsatz.
Die
Musikkonsumenten
gewinnen die vormalige Produzentenrente und
den
Nettowohlfahrtsgewinn
durch
die
gestiegenen Absatzzahlen. Folglich verlieren
die Produzenten ihre alte Produzentenrente,
gewinnen jedoch die Gebühreneinnahmen aus
dem Speichermedienmarkt abzüglich der
Verwaltungskosten. Die Gebühreneinnahmen
sind abhängig von der Höhe der Abgaben. Um
eine
Schätzung
der
potentiellen
Einnahmenhöhe
aus
dem
Speichermedienmarkt vornehmen zu können,
wird eine Abgabenhöhe von 50 Cent auf CDRohlinge und einem Euro auf DVD-Rohlinge
unterstellt. Damit wären 2003 in Deutschland
im Speichermedienmarkt, unter Annahme
konstanter Absatzzahlen, Einnahmen in Höhe
von 381 Millionen € erzielt worden. Bleiben
etwaige Verwaltungskosten unberücksichtigt,
wären in Deutschland im Jahr 2003 den
Musikproduzenten pro nachgefragtem Album9
etwa 0,60 € an Einnahmen aus AKS
zugeflossen (vgl. Jahreswirtschaftsbericht der
Phonographischen Industrie, 2003, S. 8, 17, 24
und vgl. GfK-Brennerstudie, 2004). Die neue
Produzentenrente von 381 Mio. € liegt unter
der momentanen Produzentenrente, die man
nach
Abzug
der
variablen
Kosten
(angenommen: 2 € pro Album) vom Umsatz
für das Jahr 2003 auf 1,28 Milliarden €
beziffern kann (vgl. Jahreswirtschaftsbericht
der Phonographischen Industrie, 2003, S.8).
Ob die neue Produzentenrente von 381 Mio. €
8
Prozentuale Mengenänderung geteilt durch prozentuale
Preisänderung.
9
Summe aus den 2003 verkauften Tonträgern und mit
Musik bespielten CD-Rohlingen als ungefähre
Richtschnur für die Zahl der nachgefragten Alben bei
AKS-Einsatz.
4
In: FIfF Kommunikation, Jg. 21, H. 4, S. 51-55 (2004)
die Deckung der Fixkosten und damit die
Sicherung einer konstanten Zahl von
Neuerscheinungen ermöglicht, ist a priori
kaum zu bestimmen.10
Auch beim Einsatz von AKS können
wohlfahrtsmindernde
Überwachungskosten
entstehen, da die Urheber durch möglichst
viele eigene Downloads versuchen können,
ihren Anteil an der Produzentenrente zu
erhöhen. Falls AKS bei Verteilung der
Einnahmen nach Downloadzahl nicht zu
kontrollieren sein sollte, könnte, wie Fisher
vorschlägt, auch ein System, ähnlich den
Fernseh-Einschaltquoten, etabliert werden.
Dieses Allokationssystem würde zwar
Transaktionskosten generieren, aber die
beschriebenen Fehlanreize aushebeln (vgl.
Fisher, 2003, S. 26).
Zusammengefasst führt damit auch AKS
wohlfahrtsökonomisch
zu
gegenläufigen
Effekten, die nicht zu quantifizieren sind:
1. Einem Pareto-Optimum im Musikmarkt,
2. das mit Verlusten in den mit Abgaben
belasteten Märkten erkauft wird.
Beide Systeme haben also ihre Vor- und
Nachteile. Beim abschließenden Vergleich von
DRM und AKS ist letzteres in Bezug auf die
Minimierung
der
Wohlfahrtsverluste
überlegen, wenn die Nettowohlfahrtsverluste
der mit Abgaben belasteten Märkte und die
Überwachungs- bzw. Transaktionskosten von
AKS
geringer
sind
als
die
Überwachungskosten und die verbliebenen
Nettowohlfahrtsverluste im Musikmarkt bei
DRM-Einsatz.
5. Fazit
Beide Systeme tragen zur Fixkostendeckung
der Musikproduktion bei und gewährleisten
somit eine gewisse dynamische Effizienz in
Form von Neuerscheinungen.
Eindeutige Aussagen über die statische Überbzw.
Unterlegenheit
hinsichtlich
der
Nettowohlfahrt
können
für
folgende
Einzelaspekte getroffen werden:
1. AKS sind im Musikmarkt, im Gegensatz
zu DRM, Pareto-optimal.
2. Die
Überwachungsbzw.
Transaktionskostenkosten
von
AKS
müssen niedriger als die bei DRM sein.
10
Insbesondere, da die Musikindustrie bis dato nicht ihre
Kostenstruktur offen gelegt hat (vgl. Hilty 2003, S. 996).
3. DRM beschränkt die Möglichkeit zur
Privatkopie,
was
einen
Nettowohlfahrtsverlust impliziert.
4. Durch AKS werden in den mit Abgaben
belasteten
Märkten
Nettowohlfahrtsverluste generiert, die bei
DRM-Einsatz nicht auftreten.
Damit sind AKS DRM in drei von vier
Punkten überlegen. Eine Gewichtung der
Einzel- und eine Quantifizierung der
Gesamteffekte ist aber a priori nicht möglich.
Die Verteilungswirkungen von DRM und AKS
sind jedoch prognostizierbar. DRM begünstigt
die Musikindustrie, AKS hingegen die
Musikkonsumenten.
Welche
der
Verteilungswirkungen zu bevorzugen ist,
bleibt eine normative Frage und kann
volkswirtschaftlich nicht beantwortet werden.
Literaturverzeichnis
Boldrin, M., Levine, D., The Case against intellectual
property, in: The American Economic Review, Vol. 92
No2 (2002), S. 209-212.
CrossCommons
http://www.crosscommons.org/acs.htmlActivismContr
aAK
Fisher, W., Promisies To Keep. Standford Unversity
Press (forthcoming)
Draft (September 20) of Chapter 6: An Alternative
Kompensations Systemavailable 2003
http://cyber.law.harvard.edu/people/tfisher/PTKChapte
r6.pdf.
Gebhardt, G., Sieben Argumente gegen eine
Kulturflatrate, in: Spiegel-Online, 06.09.2004
http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,316837,
00.html.
Gesellschaft für Konsumforschung 2004
http://www.ifpi.de/news/379/brennerstudie2004.pdf.
Grassmuck, V., Freie Software, Bonn: Bundeszentrale für
Politische Bildung, 2000.
Gratz, J., Reform In The Brave Kingdom: Alternative
Kompensations Systeme for p2p File Sharing. Draft
2003
URL: http://www.joegratz.net/files/JosephGratzReformInTheBraveKingdom-Dec19.pdf.
Heiseonline
Unterhaltungsbranche: Umsatzplus dank DRM
http://www.heise.de/newsticker/.
Hilty, R.. Urheberrecht in der Informationsgesellschaft.
Wer will was von wem woraus? - Auftakt zum zweiten
Korb. in: ZUM Sonderheft 2003. 983-1005.
Jahreswirtschaftsbericht der Phonographischen Industrie
2003
http://www.ifpi.de/jb/2004/umsatz.pdf
http://www.ifpi.de/jb/2004/absatz.pdf.
Klein, B., u.a., The Economics of Copyright „Fair Use“
in a Networked World, in: The American Economic
Review, Vol. 92 No2, (2002), S. 205-208.
Moldenhauer, O., Kulturflatrate statt Knast, in: SpiegelOnline, 22.07.2004
5
In: FIfF Kommunikation, Jg. 21, H. 4, S. 51-55 (2004)
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,3097
68,00.html.
Romer, P., When Should We Use Intellectual Property
Rights?, in: The American Economic Review, Vol. 92
No2 (2002), S. 213-216.
Wied-Nebbling, S., Preistheorie und Industrieökonomik,
Berlin 2004.
6