pressemappe - Kunstverein Bremerhaven
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PRESSEMAPPE PETER SENONER CORPUS matic KUNSTHALLE BREMERHAVEN 25.9. – 6.11.2016 INHALT 1. PRESSETEXT 2. PRESSEFOTOS 3. BIOGRAFIE PETER SENONER 4. TEXTE 5. 4.1. INTERVIEW VON SILVIA HÖLLER: PETER SENONER 4.2. IM GROSSEN SCHATTEN DES AUSSEN. ZU DEN SKULPTUREN VON PETER SENONER – BERNHART SCHWENK 4.3. SERIENTÄTER – MARION PIFFER DAMIANI KUNSTVEREIN BREMERHAVEN 5.1. KONTAKTDATEN 5.2. BESUCHERINFORMATIONEN 1. PRESSETEXT PETER SENONER CORPUS matic 25.9 – 6.11.2016 ERÖFFNUNG 25.9.2016, 11 Uhr EINFÜHRENDE WORTE SPRICHT DR. SABINE GAMPER BOZEN/BOLZANO Peter Senoner, TORSIC (Detail), 2002-2015, Foto: Jürgen Eheim In einer präzise geplanten Rauminstallation zeigt Peter Senoner im Kunstverein Bremerhaven eine Auswahl seiner skulpturalen und grafischen Arbeiten, welche zum Großteil in den letzten beiden Jahren entstanden sind. Neben der klassischen Bildhauerei sind vor allem die Zeichnung, aber auch der Trickfilm, die inszenierte Fotografie und das Interagieren im öffentlichen Raum wesentliche Formen seiner künstlerischen Auseinandersetzung. Senoner wurde 1970 in Bozen (Italien) geboren, er lebt und arbeitet in Bozen und Berlin. Der Ausstellungstitel „CORPUS matic“ verweist auf den künstlichen, maschinenhaften Körper als zentralem Forschungsgegenstand in Senoners Werk, ein über Jahre verfolgtes Thema, das sich wie ein roter Faden durch seine Arbeiten zieht. Wenn Senoner bildhauerisch tätig ist, dann arbeitet er an seinen häufig lebensgroßen Skulpturen immer zuerst in klassischer Bildhauermanier mit Holz. Erst in einem zweiten Schritt gießt er seine Figuren in Aluminium oder realisiert sie in weißer, einbrandlackierter Bronze, so wie LEM, eine seiner großen Skulpturen, welche unter anderem in der Ausstellung zu sehen sein werden. Senoners Skulpturen wirken wie Wesen aus einer fernen Galaxie, und verweisen gleichzeitig auf verschiedene kulturelle, ästhetische, historische und mediale Kontexte. Ein erzählerisches Moment entfaltet sich mit der Expressivität von Bewegungen und Oberflächen, wobei es Senoner mehr und mehr um die Erforschung der Schönheit des Körpers in seiner Verletzlichkeit geht, welche er letzthin durch Perforierungen und Fragmentierungen experimentiert. Die Zeichnung als wesentlicher Teil von Peter Senoners künstlerischer Arbeit nimmt gerade in den letzten Jahren eine wichtige Schlüsselfunktion ein, denn sie bietet ihm die Möglichkeit, immer wieder neue künstlerische Ansätze zu erarbeiten, die sich dann letztlich auch in den skulpturalen Werken manifestieren. In der Ausstellung im Kunstverein Bremerhaven wird ein Raum ausschließlich diesem Medium gewidmet sein. Nach Jahren kehrt Senoner nun wieder zurück zum Arbeiten am lebenden Modell, indem er Körperformen in Bewegung in einem sich über Stunden hinziehenden Prozess und in obsessiv wiederholenden Bearbeitungen überlagert. Zeichnung ist bei Senoner aber nicht nur als wandhängendes gerahmtes Bild vorzustellen, sondern genauso als installativ den Raum bespielende großformatige Arbeit, die in Kombination mit einer ebenfalls installativ positionierten Skulptur ihre Ergänzung erfährt, oder auch in Form eines als Projektion präsentierten Trickfilmes. Hier in Bremerhaven zeigt der Künstler seinen erst kürzlich fertiggestellten Film, der während seines Arbeitsaufenthaltes in Detroit diesen Sommer entstanden ist. Der in Senoners Werk grundgelegte Gedanke der Transformation von Körpern wird in seinen Ausstellungsprojekten verdeutlicht, indem seine in unterschiedlichen Medien erarbeiteten Schöpfungen wie in einem Netzwerk medialer Verknüpfungen miteinander in Beziehung treten. Dr. Sabine Gamper Veranstaltungshinweis: „Wer denkt bei Cocktails schon an Kunst?“ Jeweils am Donnerstag, den 20. bzw. den 27. Oktober, laden wir Sie herzlich um 18 Uhr in die Kunsthalle zu einem After-Work-Kunstgenuss mit Kuratorenführung und selbstgemixten Cocktails ein. Bitte um Anmeldung, da begrenzte Teilnehmerzahlen. 2. PRESSEFOTOS Atelier Senoner, Foto: Dario Lasagni Atelier Senoner, Foto: Erwin Rachbauer Atelier Senoner, Foto: Judith Steger 3. BIOGRAFIE PETER SENONER 1970 Geboren in Bozen/Bolzano, Italien 1994 – 2001 Akademie der Bildenden Künste München 1997 – 2000 Arbeitsaufenthalt in New York, USA 2002 – 2004 Arbeitsaufenthalt in Tokyo, Japan seit 2006 Lehrauftrag am Institut für experimentelle Architektur, TU Innsbruck, Österreich Ausstellungen und Preise (Auswahl): 2014 Tirol - München, Begegnungen von 1880 bis heute, Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck (A) Parasonore Andockung, Transart, Kloster Neustift (I) 2013 Der nackte Mann, Lentos Kunstmuseum, Linz (A) 2012 Killer Rabbit Ranch Rodeo, project space Nationalmuseum, Berlin Hauser, LOFT – Raum für Kunst und Gegenwart, Ansbach 2011 Arsenale, Museion, Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, Bozen (I) Zeichnung, Oechsner Galerie, Nürnberg [solo] Figur – Eine Gesichte der Skulptur in Südtirol/Tirol/Trentino nach 1945, Franzenfeste (I) 2010 Biennale Gardena, Fußgängerzone St. Ulrich (I) Premio Agenore Fabbri, Stadtgalerie Kiel, Palazzo Ziino, Palermo (I) 2009 Tycius, Loggia del Capitaniato, Vicenza (I) [solo] NEW ENTRIES!, Museion, Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, Bozen (I) 2008 Cosmorama, Landesgalerie am Oberösterreichischen Landesmuseum, Linz (A) [solo] Luxs, Transart 08, Klausen (I) 2007 Flesh Flashes, Galerie Goethe2, Bozen (I), mit Christopher Hinterhuber Mythomat, Oechsner Galerie, Nürnberg [solo] Positionen, RLB Kunstbrücke, Innsbruck (A) 2006 consens, ar/ge Kunst Galerie Museum, Bozen (I) Eccentrics, Ursula-Blickle-Stiftung, Kraichtal 2005 Stretch Sculpture, kunst Meran (I) Bayerischer Staatsförderpreis [Preis] 2004 Skulptur, Prekärer Realismus zwischen Melancholie und Komik, Kunsthalle Wien (A) Sensoroticron, Galerie aktueller Kunst im Osram-Haus, München [solo] Hilde-Goldschmidt-Förderstipendium [Preis] 2003 Handlungsanweisungen, Kunsthalle Wien (A) Ach, Himmel es ist verspielt, A9 Forum Tanseuropa, Wien (A) 2002 Das absurde Bekannte, Sammlung Falckenberg, Hamburg Arbeitsstipendium Stiftung Kunstfonds, Bonn 2001 transition 1-…, ar/ge Kunst Galerie Museum, Bozen (I) [solo] Pilot, Galerie Wittenbrink, München [solo] 4. TEXTE 4.1. INTERVIEW VON SILVIA HÖLLER: PETER SENONER SH: Zu Ihren wichtigsten Arbeiten zählen geschlechtslose Skulpturen, die befremdlich wirken und einem anderen Kulturkreis entstammen könnten. Wie hat sich diese Formensprache entwickelt? PS: Meine Skulpturen kommen aus einer anderen Galaxie; sie sind Migranten zwischen den Welten und zwischen den Medien. Sie versinnbildlichen die Sehnsucht des Menschen, „...seine Grenzen zu durchbrechen, auch auf die Gefahr hin, mit den Tieren, den Pflanzen, den Mineralien zu verschmelzen...“, um es mit den Worten Michel Leiris’ zu sagen. SH: Der Entwicklungsprozess dieser skulpturalen Arbeiten ist eng mit der Frage der Materialität verbunden. Zunächst waren es Holzskulpturen, die in einer zeitgemäßen Form die traditionsreichen Schnitzereien Ihrer Heimat aufgriffen, dann Aluminiumgüsse und nun sind es sehr aufwendige Bronzegüsse, die Sie mit einer Lasur überziehen, so dass eine weiße, porzellanähnliche Oberfläche entsteht. PS: Die Entscheidung, Holz zu verwenden, reifte in New York, eben weil es ein Must-Not-Material in der zeitgenössischen Kunst war; das hat sich aber mittlerweile geändert. Mit der traditionellen Schnitzkunst meiner Heimat hat das genauso wenig zu tun wie mit hipper Hightech-Ästhetik. Irgendwann hatte ich dann die Möglichkeit, meine Skulpturen in Bronze oder Aluminium zu realisieren. Dadurch eröffnete sich ein neues Spektrum an Protagonisten und Szenerien. Der Faktor der Multiplikation wurde möglich und die Frage des Unikats konnte ausgehebelt werden. SH: Sie arbeiten in unterschiedlichen Medien und verbinden diese des Öfteren in Installationen: großformatige Zeichnungen mit Skulpturen und Medienarbeiten, im Besonderen Zeichentrickfilme. PS: Ich lasse meine Protagonisten zwischen den Aggregatzuständen amphibisch wechseln, im Sinne einer Metamorphose und Verdoppelung, sozusagen eine Hybridisierung der Gestalt und des Mediums. SH: Ihre Ästhetik ist sehr vielschichtig, wobei der Bruch zwischen edlen Materialien und Alltagsgegenständen immer wiederkehrt. PS: Im Atelierraum werden die Skulpturen auf ihre physische Präsenz hin überprüft, dann erfolgt der Transfer in den öffentlichen Raum, sozusagen der Weg in die Wirklichkeit. Dadurch entsteht eine Symbiose zwischen autonomer Skulptur und alltäglichem Gegenstand, der aber im Alltag belassen und nicht zum Kunstgegenstand erhoben wird. Je nach Ausstellungssituation kommt es zu einer Umkehrung: die Skulpturen als Fremdkörper im öffentlichen Raum, die Besucher im Ausstellungsraum als Fremdkörper in der Szenerie. In: Positionen. Ausstellungskatalog. Hrsg. Silvia Höller, Innsbruck, 2007, S. 56. Über die Autorin Silvia Höller leitet seit 2002 die RLB Kunstbrücke in Innsbruck. 4.2. IM GROSSEN SCHATTEN DES AUSSEN. ZU DEN SKULPTUREN VON PETER SENONER BERNHART SCHWENK „Die langbärtigen Gnome, die im Erdrutsch herabkommen, die holzgeschnitzten Trolle, die Sylphen mit den Händen aus Luft, die Nixen, deren Beine sich in den Falten des Wassers verfangen, die Salamander mit Flammenlippen – alles, was zwischen roher Materie und dem Menschen angesiedelt, von den vier Elementen unabhängig und zugleich mit allen verbunden ist“ – die poetisch-schillernden Wortbilder, mit denen der junge Ethnologe Michel Leiris Ende der 1920 Jahre seine Sicht auf die vertraut-fremde Welt schilderte, entstammen demselben geistigen Dictionnaire, mit dem man sich dem Universum des Bildhauers Peter Senoner nähern könnte. In Senoners plastisch-metamorphotischem Kosmos verknüpfen sich die Formvorstellungen aus den urromantischen Naturreichen des Anthropomorphen, Animalischen, Vegetabilen und Mineralischen mit den Visionen und Alpträumen einer sich virtualisierenden Welt zu Beginn des 21. Jahrhunderts. In seinen Formschöpfungen verschmilzt die geheimnisvolle, bisweilen grausame Kraft alter Märchen mit der Unberechenbarkeit eines Technizismus, in dem sich Triumph und Fragwürdigkeit vereinigen. Längst sind neben die traditionellen Bildhauertechniken weitere Medien der künstlerischen Artikulation getreten, Zeichnungen, Fotografien, performative und akustische Elemente, Trickfilme. Im Zentrum der Bildwelt von Peter Senoner stehen entrückte Fabelwesen. Die frühesten sind aus hellem Kiefernholz, seit einiger Zeit verwendet er auch den polierten Aluminiumguss. Auf hohem Kothurn begegnet einem der silberne „Monomon“, wie eine Galleonsfigur des biomorphen Stils der 1930er Jahre, ein Nachfahre der Stromlinienästhetik, in der organologische Formbildungen zu extremer Stilisierung getrieben wurden. Bereits in der Blütezeit der Klassischen Moderne galt das Interesse der Zusammenführung einer geometrischen, rational motivierten Welt (Konstruktivismus) mit der Gegenwelt des Surrealismus, welche sich innerlich, gefühlsmäßig und geheimnisvoll begründete. Die Synthese opponierte gegen die Einseitigkeit eines rationalistisch formalisierten Menschenbildes mit seinem Trugbild einer technologisch beherrschbaren Welt. Rund siebzig Jahre später ist diese Perspektive aktueller denn je. Sie findet Widerhall in den Diskussionen um die möglichen Wege und Grenzen der Biotechnologie, in den immer raffinierteren Techniken computergesteuerter Bilderzeugung und manipulation, den zielsicheren wie verschlungenen Kommunikationsmechanismen einer Globalkultur. Auf die befreiende Entgrenzung ebenso wie auf die unwiederbringliche Entfremdung von einer unmittelbaren Lebensumgebung deuten die Attribute hin, mit welchen Peter Senoner viele seiner Figuren versieht und die nicht selten mit dem Körper verschmolzen sind: Headsets, Hauben, Helme. In diesen hybriden Wesen spiegelt sich eine Introversion, die mit geschlossenen oder auch eigentümlich funkelnden Augen korrespondiert. In sich gekehrt und gleichzeitig außer sich, von physischer Präsenz und doch ungreifbar, belegen diese Kreaturen die Existenz eines surrealen Paralleluniversums mit einer eigenen, kaum nachvollziehbaren Entstehungsgeschichte, in der sich der Schöpfungsakt möglicherweise bereits verselbständigt hat. Mit dem Begriff des Körpers ist bei Peter Senoner nicht nur der vollständige menschliche Körper gemeint, ihm geht es auch um das dem menschlichen Körper Ähnliche, um Verfremdungen, Fragmente und Derivate. Folgerichtig entstehen seit einigen Jahren auch differente Körper, die – wie Nester oder Kokons – Lebensgrundlage für die Figuren bilden könnten. Vielleicht sind sie als Vorstufen oder Entwürfe zu verstehen, visionäre Prototypen einer Welt, die noch nicht existiert und die sich möglicherweise einmal selbst erschaffen wird. In der Kunst von Peter Senoner wird das stete unerfüllbare Begehren des Menschen spürbar, „seine Grenzen zu durchbrechen, auch auf die Gefahr hin, mit den Tieren, den Pflanzen, den Mineralien zu verschmelzen, im großen Schatten des Außen zu versinken, das wirklicher und lebendiger ist als er.“ (2) (1) Michel Leiris (1901-1990), Exposition Hans Arp (Galerie Goemans), in: Documents, Jg. 1 (1929), Nr. 6, S. 340 ff. Dt. Erstveröffentlichung in: Michel Leiris, Die Lust am Zusehen. Texte über Künstler des 20. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 1981. (2) Ders., L’Ile magique, in: Documents, Jg. 1 (1929), Nr. 6, S. 334. Dt. Erstveröffentlichung in: W. B. Seabrooks, Geheimnisvolles Haiti, München 1981. In: Stretch Sculpture. Ausst.-Kat., Hrsg. kunst Meran, Marion Piffer Damiani. Verlag für moderne Kunst, Nürnberg, 2005, S. 77-79. Über den Autor Dr. Bernhart Schwenk, geboren 1960 in Wiesbaden, ist seit 2002 als Konservator für Gegenwartskunst an der Pinakothek der Moderne in München tätig. 4.3. SERIENTÄTER – MARION PIFFER DAMIANI Rücken an Rücken ein Duellant und sein Double: Monomon gehört zu einer Serie von vagabundierenden Skulpturen. Traurig-schöne, potentiell geschlechtslose transhumane Gestalten sind die Protagonisten eines skulpturalen schizophrenen Identitätstheaters. Grundkonstante der variablen Arrangements ist die Präsenz einer Verdoppelung, als plastischer Abguss, als Zeichnung oder auch in Form einer digitalen Animation. In der Doublierung manifestiert sich die Lust an der Hybridisierung des Mediums Skulptur, die amphibisch vom imaginären in den fiktiven und virtuellen Aggregatzustand überwechselt. Die Skulptur ist zugleich allo- und selbstreferentiell: Mittel der Repräsentation und augenzwinkernde Demonstranz ihrer eigenen sinnlichen Erscheinung - ihrem menschlichen Referenten verdächtig ähnlich, der dazu verurteilt ist, „kopflos“ durch die Welt zu gehen: „er muss erst in den Spiegel schauen, um sich seiner auch selbst zu vergewissern.“(1) Monomon ist Stellvertreter, Double, Alter Ego, Avatar und Agent auf dem Terrain einer gesplitteten Existenz, die spielerisch die Seite wechselt, wie ein sich ständig spiegelnder Ich-Erzähler. Die Figuren schreiben nicht den pygmalionschen Mythos einer zweiten Schöpfung fort, sondern inszenieren den melancholischen Zustand einer überreizten Selbstreflexion unter der Regie operierender Marketingsexperten und Bioingenieure: inszenieren den Monolog im Plural. Die Vorliebe für Spiegelungen, Multiplikation und Metamorphose, Variieren und Umkreisen changiert zwischen extravagantem barocken Manierismus und verspielter japanischer Technokultur: Der Titel Monomon erinnert unmittelbar an die Eigennamen von Kunstgeschöpfen der Art eines Pokémon. Die Position der Plastiken innerhalb der gegenständlichen Kunst und Geschichte der figurativen Skulptur ortet sich aus der Rezeption der klassischen Prinzipien der Bildhauertradition und der Auseinandersetzung mit der Ästhetik und sozialen Wirklichkeit der medialen Massenkultur. Das inszenierte Duell ist eine Phantomhandlung, der artifizielle Kombattant erscheint in nackter Leiblichkeit auf dem Kampfplatz, ein kopfhörerartiges Accessoire schottet ihn gegen den Umraum ab, vielleicht empfängt er aber auch irgendwelche Befehle von außen. Monomon ist ein Kämpfer ohne Widerpart: Da ist auch kein Tyler Durden aus Fichers „Fight Club“ in Sicht, mit dem man sich wirklich prügeln könnte, um etwas zu empfinden. Hier entladen sich keine Energien, die aggressive Geste ist nach bester Lessingscher Manier verhalten, still, bzw. das Still der mise en scène eines irrenden Ritters, zeitgenössischen Don Quijote. Die Isolation erinnert an die melancholische Befindlichkeit des Romanhelden in Haruki Murakamis „Mister Aufziehvogel“, der auf dem Grund eines ausgetrockneten Brunnens eine groteske und abgründige Wirklichkeit entdeckt. Im Halfter des hip polierten und gestählten Monomonschen Körpers befindet sich auch gar keine irgendwie identifizierbare Waffe sondern eher ein prothetisches körperliches Ersatzteil, oder ein lose umgeschnalltes Geschlechtsorgan: „Der Sex gehört nicht zum Körper. Er ist ein Ereignis des selbstbezüglichen Geistes, der sein eigenes Eingesperrtsein noch zu spüren in der Lage ist.“ (2) Im Fokus steht die menschliche Figur. Die Proportionen sind harmonisch, der Body-Mass-Index ideal, das Gewicht der lebensgroßen Skulpturen entspricht dem eines Menschen derselben Konstitution und der Energieaufwand für die Produktion einer einzigen Plastik den Anstrengungen im Fitnesstudio, um dort einen entsprechenden Körper zu formen (3): Die Präzision in der Ausführung ist gleichermaßen besessen wie selbstironisch. Die Überpräsenz künstlerischer Appropriationen aus der Konsumkultur hat das genuin Handwerkliche wieder salonfähig gemacht, weil es mit zeitlichem Abstand unideologisch und unheroisch daher kommt. Umso adaptierbarer scheint die Technik zur Umsetzung des hohen Anspruchs an Realismus. Wächter, Türsteher, Modellathlet, Mangaheld, Stadtcowboy? Der starre Blick der prothetischen Augen trifft den Betrachter, während sich in einiger Entfernung ein nahfremdes biomorphes Gebilde aus der Wand spiralig in den Raum bohrt. Ein ausgeweidetes Rätsel namens Pseudoplatanus, ein Objekt von vager Symbolizität. Ob es etwas mit den Wächterfiguren zu tun hat? An einer „unerklärlichen Wechselwirkung“ scheitert die Zusammenführung des Disparaten: „Erst die Bejahung der Ambivalenz löst die eiserne Grimasse der fixen Idee jeder Coleur in ein – allerdings nie naives – Lächeln auf.“ (Brigitte Kronauer) (4) (1) vgl. Detlef B. Linke, Kunst und Gehirn. Die Eroberung des Unsichtbaren, Hamburg 2001 (2) Dietmar Kamper, Entweder der Sinn oder die Sinne, in: Der Sinn der Sinne, Bonn 1998, S. 13 (3) „Die Ironie an diesem Verlangen Ihrer Zeit ist, dass es nicht genügend Stunden am Tag gibt, um sich dem Körper zu widmen, den Sie sich wünschen.“ (Werbetext, www.bodyworld.ch) (4) aus: „Unerklärliche Wechselwirkung“, in: Berhard von Mutius (Hg.), Die andere Intelligenz, Stuttgart 2004, S. 318 In: Skulptur. Prekärer Realismus zwischen Melancholie und Komik. Hrsg. Kunsthalle Wien, Wien, 2004, S. 54. Über die Autorin Marion Piffer Damiani ist 1963 in Brixen/Bressanone (Italien) geboren und arbeitet als freiberufliche Kunsthistorikerin, Kuratorin und Kunstpublizistin. Von 1989 bis 2000 leitete sie das ar/ge Kunst Galerie Museum in Bozen. Sie ist Mitglied zahlreicher Fachjurien und wissenschaftlicher Beiräte im In -und Ausland und seit 2010 Präsidentin der Stiftung Museion Bozen. 5. KUNSTVEREIN BREMERHAVEN Der Kunstverein Bremerhaven von 1886 e. V. ist eine der ältesten kulturellen Einrichtungen Bremerhavens und des Unterweserraums. In dem erst 1827 gegründeten Bremerhaven war seine Gründung ein Bestandteil der kulturellen Emanzipation der jungen Gemeinde gegenüber Bremen sowie zugleich ein selbstbewusstes Zeichen für den Anspruch der Oberzentrumsfunktion innerhalb des Dreistädtekonglomerates an der Wesermündung. In dieser Tradition steht der Verein nunmehr seit 125 Jahren für Ausstellungen und Veranstaltungen im Bereich der bildenden Kunst. Heute zählt der Kunstverein Bremerhaven rund 600 Mitglieder. Mit der Kunsthalle verfügt er seit 1964 über ein eigenes Ausstellungshaus. Hier bietet der Verein in sechs bis neun Wechselausstellungen pro Jahr jungen Künstlerinnen und Künstlern den Freiraum, jenseits kommerzieller Interessen und abgesicherter kunsthistorischer Positionen künstlerische Experimente durchzuführen. Mehr als 300 Ausstellungen hat der Kunstverein in dieser Form bisher in der Kunsthalle organisiert. Er fungiert mit seiner Funktion als Mittler zwischen der künstlerischen Ausbildung, der Arbeit im Atelier, der kommerziell ausgerichteten Galerie und einem Museum. Neben Ausstellungen zeitgenössischer Kunst organisiert der Verein auch Ausstellungen zur Architektur- und Literaturgeschichte, zu Design oder klassischen, kunsthistorischen Themen. Seit 2007 besitzt Bremerhaven ein Kunstmuseum. Das Gebäude im Zentrum der Stadt wurde für die Präsentation der Sammlung des Kunstvereins Bremerhaven von 1886 e.V. errichtet. Auf drei Stockwerken mit über 700 qm Ausstellungsfläche verfügt der Verein hier über die Räumlichkeiten, um in wechselnder Zusammenstellung eine Auswahl von Werken aus der über 100-jährigen Sammlungsgeschichte an der Wesermündung zu zeigen. Dabei bietet die Ausstellung nicht nur einen Einblick in ein weitgehend unbekanntes Kapitel der Bremerhavener Kulturgeschichte, sondern zeigt zugleich die lange und intensive Verbundenheit vieler heute bekannter Künstlerinnen und Künstler mit Bremerhaven wie zum Beispiel Gerhard Richter, Blinky Palermo, Joseph Beuys, Manfred Pernice, Alicja Kwade und Gregor Schneider. Die Ausstellung wird von "Künstlerräumen" bestimmt, die dem Werk einer Künstlerin, eines Künstlers oder einer Künstlergruppe gewidmet sind und vielfach gemeinsam mit diesen entwickelt wurden. 5.1. KONTAKTDATEN Kontakt: Kunstverein Bremerhaven von 1886 e. V. Kurator der Ausstellung ist Thomas Trümper. Karlsburg 1 und 4 Kontakt: 27568 Bremerhaven E-Mail: [email protected] Tel.: 0471 – 46838 Tel.: 0471 – 801086 Fax: 0471 – 417550 Mobil: 0179 – 4971085 [email protected] www.kunstverein-bremerhaven.de 5.2. BESUCHERINFORMATIONEN Öffnungszeiten Kunsthalle und Kunstmuseum: Führungen: Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr 30,00 EUR (max. 25 Teilnehmer) Samstag und Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr Öffentliche Führungen im Kunstmuseum: mittwochs um 16 Uhr nur Eintritt, kein Führungsentgelt Eintrittspreise Kunstmuseum: Kunsthalle: Kombitickets: Regulär Regulär 2,00 EUR Regulär 5,00 EUR ermäßigt 2,50 EUR ermäßigt 1,00 EUR ermäßigt 3,00 EUR Familien 6,00 EUR Schultarif 1,00 EUR Familien 6,00 EUR Schultarif 1,00 EUR freier Eintritt 4,00 EUR freier Eintritt (wie Kunstmuseum) (Mitglieder des Kunstvereins Bremerhaven oder von Kunstvereinen, die dem ADKV angehören, ICOM, Kinder bis zum schulpflichtigen Alter) Hinweis: Das Kunstmuseum ist barrierefrei, die Kunsthalle mit einschränkendem Fahrstuhl.