pressemappe - Kunstverein Bremerhaven

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pressemappe - Kunstverein Bremerhaven
PRESSEMAPPE
PETER SENONER
CORPUS matic
KUNSTHALLE BREMERHAVEN
25.9. – 6.11.2016
INHALT
1.
PRESSETEXT
2.
PRESSEFOTOS
3.
BIOGRAFIE PETER SENONER
4.
TEXTE
5.
4.1.
INTERVIEW VON SILVIA HÖLLER: PETER SENONER
4.2.
IM GROSSEN SCHATTEN DES AUSSEN. ZU DEN SKULPTUREN VON
PETER SENONER – BERNHART SCHWENK
4.3.
SERIENTÄTER – MARION PIFFER DAMIANI
KUNSTVEREIN BREMERHAVEN
5.1.
KONTAKTDATEN
5.2.
BESUCHERINFORMATIONEN
1. PRESSETEXT
PETER SENONER
CORPUS matic
25.9 – 6.11.2016
ERÖFFNUNG
25.9.2016, 11 Uhr
EINFÜHRENDE
WORTE SPRICHT
DR. SABINE GAMPER
BOZEN/BOLZANO
Peter Senoner, TORSIC (Detail), 2002-2015, Foto: Jürgen Eheim
In einer präzise geplanten Rauminstallation zeigt Peter Senoner im Kunstverein Bremerhaven
eine Auswahl seiner skulpturalen und grafischen Arbeiten, welche zum Großteil in den letzten
beiden Jahren entstanden sind. Neben der klassischen Bildhauerei sind vor allem die Zeichnung,
aber auch der Trickfilm, die inszenierte Fotografie und das Interagieren im öffentlichen Raum
wesentliche Formen seiner künstlerischen Auseinandersetzung. Senoner wurde 1970 in Bozen
(Italien) geboren, er lebt und arbeitet in Bozen und Berlin.
Der Ausstellungstitel „CORPUS matic“ verweist auf den künstlichen, maschinenhaften Körper als
zentralem Forschungsgegenstand in Senoners Werk, ein über Jahre verfolgtes Thema, das sich wie ein
roter Faden durch seine Arbeiten zieht. Wenn Senoner bildhauerisch tätig ist, dann arbeitet er an seinen
häufig lebensgroßen Skulpturen immer zuerst in klassischer Bildhauermanier mit Holz. Erst in einem
zweiten Schritt gießt er seine Figuren in Aluminium oder realisiert sie in weißer, einbrandlackierter
Bronze, so wie LEM, eine seiner großen Skulpturen, welche unter anderem in der Ausstellung zu sehen
sein werden. Senoners Skulpturen wirken wie Wesen aus einer fernen Galaxie, und verweisen
gleichzeitig auf verschiedene kulturelle, ästhetische, historische und mediale Kontexte. Ein
erzählerisches Moment entfaltet sich mit der Expressivität von Bewegungen und Oberflächen, wobei es
Senoner mehr und mehr um die Erforschung der Schönheit des Körpers in seiner Verletzlichkeit geht,
welche er letzthin durch Perforierungen und Fragmentierungen experimentiert.
Die Zeichnung als wesentlicher Teil von Peter Senoners künstlerischer Arbeit nimmt gerade in den
letzten Jahren eine wichtige Schlüsselfunktion ein, denn sie bietet ihm die Möglichkeit, immer wieder
neue künstlerische Ansätze zu erarbeiten, die sich dann letztlich auch in den skulpturalen Werken
manifestieren. In der Ausstellung im Kunstverein Bremerhaven wird ein Raum ausschließlich diesem
Medium gewidmet sein. Nach Jahren kehrt Senoner nun wieder zurück zum Arbeiten am lebenden
Modell, indem er Körperformen in Bewegung in einem sich über Stunden hinziehenden Prozess und in
obsessiv wiederholenden Bearbeitungen überlagert.
Zeichnung ist bei Senoner aber nicht nur als wandhängendes gerahmtes Bild vorzustellen, sondern
genauso als installativ den Raum bespielende großformatige Arbeit, die in Kombination mit einer
ebenfalls installativ positionierten Skulptur ihre Ergänzung erfährt, oder auch in Form eines als
Projektion präsentierten Trickfilmes. Hier in Bremerhaven zeigt der Künstler seinen erst kürzlich
fertiggestellten Film, der während seines Arbeitsaufenthaltes in Detroit diesen Sommer entstanden ist.
Der in Senoners Werk grundgelegte Gedanke der Transformation von Körpern wird in seinen
Ausstellungsprojekten verdeutlicht, indem seine in unterschiedlichen Medien erarbeiteten Schöpfungen
wie in einem Netzwerk medialer Verknüpfungen miteinander in Beziehung treten.
Dr. Sabine Gamper
Veranstaltungshinweis:
„Wer denkt bei Cocktails schon an Kunst?“
Jeweils am Donnerstag, den 20. bzw. den 27. Oktober, laden wir Sie herzlich um 18 Uhr in die
Kunsthalle zu einem After-Work-Kunstgenuss mit Kuratorenführung und selbstgemixten Cocktails ein.
Bitte um Anmeldung, da begrenzte Teilnehmerzahlen.
2. PRESSEFOTOS
Atelier Senoner, Foto: Dario Lasagni
Atelier Senoner, Foto: Erwin Rachbauer
Atelier Senoner, Foto: Judith Steger
3. BIOGRAFIE PETER SENONER
1970
Geboren in Bozen/Bolzano, Italien
1994 – 2001
Akademie der Bildenden Künste München
1997 – 2000
Arbeitsaufenthalt in New York, USA
2002 – 2004
Arbeitsaufenthalt in Tokyo, Japan
seit 2006
Lehrauftrag am Institut für experimentelle Architektur, TU Innsbruck, Österreich
Ausstellungen und Preise (Auswahl):
2014
Tirol - München, Begegnungen von 1880 bis heute, Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck (A)
Parasonore Andockung, Transart, Kloster Neustift (I)
2013
Der nackte Mann, Lentos Kunstmuseum, Linz (A)
2012
Killer Rabbit Ranch Rodeo, project space Nationalmuseum, Berlin
Hauser, LOFT – Raum für Kunst und Gegenwart, Ansbach
2011
Arsenale, Museion, Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, Bozen (I)
Zeichnung, Oechsner Galerie, Nürnberg [solo]
Figur – Eine Gesichte der Skulptur in Südtirol/Tirol/Trentino nach 1945, Franzenfeste (I)
2010
Biennale Gardena, Fußgängerzone St. Ulrich (I)
Premio Agenore Fabbri, Stadtgalerie Kiel, Palazzo Ziino, Palermo (I)
2009
Tycius, Loggia del Capitaniato, Vicenza (I) [solo]
NEW ENTRIES!, Museion, Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, Bozen (I)
2008
Cosmorama, Landesgalerie am Oberösterreichischen Landesmuseum, Linz (A) [solo]
Luxs, Transart 08, Klausen (I)
2007
Flesh Flashes, Galerie Goethe2, Bozen (I), mit Christopher Hinterhuber
Mythomat, Oechsner Galerie, Nürnberg [solo]
Positionen, RLB Kunstbrücke, Innsbruck (A)
2006
consens, ar/ge Kunst Galerie Museum, Bozen (I)
Eccentrics, Ursula-Blickle-Stiftung, Kraichtal
2005
Stretch Sculpture, kunst Meran (I)
Bayerischer Staatsförderpreis [Preis]
2004
Skulptur, Prekärer Realismus zwischen Melancholie und Komik, Kunsthalle Wien (A)
Sensoroticron, Galerie aktueller Kunst im Osram-Haus, München [solo]
Hilde-Goldschmidt-Förderstipendium [Preis]
2003
Handlungsanweisungen, Kunsthalle Wien (A)
Ach, Himmel es ist verspielt, A9 Forum Tanseuropa, Wien (A)
2002
Das absurde Bekannte, Sammlung Falckenberg, Hamburg
Arbeitsstipendium Stiftung Kunstfonds, Bonn
2001
transition 1-…, ar/ge Kunst Galerie Museum, Bozen (I) [solo]
Pilot, Galerie Wittenbrink, München [solo]
4. TEXTE
4.1. INTERVIEW VON SILVIA HÖLLER: PETER SENONER
SH: Zu Ihren wichtigsten Arbeiten zählen geschlechtslose Skulpturen, die befremdlich wirken
und einem anderen Kulturkreis entstammen könnten. Wie hat sich diese Formensprache
entwickelt?
PS: Meine Skulpturen kommen aus einer anderen Galaxie; sie sind Migranten zwischen den Welten
und zwischen den Medien. Sie versinnbildlichen die Sehnsucht des Menschen, „...seine Grenzen zu
durchbrechen, auch auf die Gefahr hin, mit den Tieren, den Pflanzen, den Mineralien zu
verschmelzen...“, um es mit den Worten Michel Leiris’ zu sagen.
SH: Der Entwicklungsprozess dieser skulpturalen Arbeiten ist eng mit der Frage der Materialität
verbunden. Zunächst waren es Holzskulpturen, die in einer zeitgemäßen Form die
traditionsreichen Schnitzereien Ihrer Heimat aufgriffen, dann Aluminiumgüsse und nun sind es
sehr aufwendige Bronzegüsse, die Sie mit einer Lasur überziehen, so dass eine weiße,
porzellanähnliche Oberfläche entsteht.
PS: Die Entscheidung, Holz zu verwenden, reifte in New York, eben weil es ein Must-Not-Material in
der zeitgenössischen Kunst war; das hat sich aber mittlerweile geändert. Mit der traditionellen
Schnitzkunst meiner Heimat hat das genauso wenig zu tun wie mit hipper Hightech-Ästhetik.
Irgendwann hatte ich dann die Möglichkeit, meine Skulpturen in Bronze oder Aluminium zu realisieren.
Dadurch eröffnete sich ein neues Spektrum an Protagonisten und Szenerien. Der Faktor der
Multiplikation wurde möglich und die Frage des Unikats konnte ausgehebelt werden.
SH: Sie arbeiten in unterschiedlichen Medien und verbinden diese des Öfteren in Installationen:
großformatige
Zeichnungen
mit
Skulpturen
und
Medienarbeiten,
im
Besonderen
Zeichentrickfilme.
PS: Ich lasse meine Protagonisten zwischen den Aggregatzuständen amphibisch wechseln, im Sinne
einer Metamorphose und Verdoppelung, sozusagen eine Hybridisierung der Gestalt und des Mediums.
SH: Ihre Ästhetik ist sehr vielschichtig, wobei der Bruch zwischen edlen Materialien und
Alltagsgegenständen immer wiederkehrt.
PS: Im Atelierraum werden die Skulpturen auf ihre physische Präsenz hin überprüft, dann erfolgt der
Transfer in den öffentlichen Raum, sozusagen der Weg in die Wirklichkeit. Dadurch entsteht eine
Symbiose zwischen autonomer Skulptur und alltäglichem Gegenstand, der aber im Alltag belassen und
nicht zum Kunstgegenstand erhoben wird. Je nach Ausstellungssituation kommt es zu einer
Umkehrung: die Skulpturen als Fremdkörper im öffentlichen Raum, die Besucher im Ausstellungsraum
als Fremdkörper in der Szenerie.
In: Positionen. Ausstellungskatalog. Hrsg. Silvia Höller, Innsbruck, 2007, S. 56.
Über die Autorin
Silvia Höller leitet seit 2002 die RLB Kunstbrücke in Innsbruck.
4.2. IM GROSSEN SCHATTEN DES AUSSEN.
ZU DEN SKULPTUREN VON PETER SENONER
BERNHART SCHWENK
„Die langbärtigen Gnome, die im Erdrutsch herabkommen, die holzgeschnitzten Trolle, die Sylphen mit
den Händen aus Luft, die Nixen, deren Beine sich in den Falten des Wassers verfangen, die Salamander
mit Flammenlippen – alles, was zwischen roher Materie und dem Menschen angesiedelt, von den vier
Elementen unabhängig und zugleich mit allen verbunden ist“ – die poetisch-schillernden Wortbilder, mit
denen der junge Ethnologe Michel Leiris Ende der 1920 Jahre seine Sicht auf die vertraut-fremde Welt
schilderte, entstammen demselben geistigen Dictionnaire, mit dem man sich dem Universum des
Bildhauers Peter Senoner nähern könnte. In Senoners plastisch-metamorphotischem Kosmos
verknüpfen sich die Formvorstellungen aus den urromantischen Naturreichen des Anthropomorphen,
Animalischen, Vegetabilen und Mineralischen mit den Visionen und Alpträumen einer sich
virtualisierenden Welt zu Beginn des 21. Jahrhunderts. In seinen Formschöpfungen verschmilzt die
geheimnisvolle, bisweilen grausame Kraft alter Märchen mit der Unberechenbarkeit eines
Technizismus, in dem sich Triumph und Fragwürdigkeit vereinigen. Längst sind neben die traditionellen
Bildhauertechniken weitere Medien der künstlerischen Artikulation getreten, Zeichnungen, Fotografien,
performative und akustische Elemente, Trickfilme.
Im Zentrum der Bildwelt von Peter Senoner stehen entrückte Fabelwesen. Die frühesten sind aus hellem
Kiefernholz, seit einiger Zeit verwendet er auch den polierten Aluminiumguss. Auf hohem Kothurn
begegnet einem der silberne „Monomon“, wie eine Galleonsfigur des biomorphen Stils der 1930er Jahre,
ein Nachfahre der Stromlinienästhetik, in der organologische Formbildungen zu extremer Stilisierung
getrieben wurden. Bereits in der Blütezeit der Klassischen Moderne galt das Interesse der
Zusammenführung einer geometrischen, rational motivierten Welt (Konstruktivismus) mit der Gegenwelt
des Surrealismus, welche sich innerlich, gefühlsmäßig und geheimnisvoll begründete. Die Synthese
opponierte gegen die Einseitigkeit eines rationalistisch formalisierten Menschenbildes mit seinem
Trugbild einer technologisch beherrschbaren Welt. Rund siebzig Jahre später ist diese Perspektive
aktueller denn je. Sie findet Widerhall in den Diskussionen um die möglichen Wege und Grenzen der
Biotechnologie, in den immer raffinierteren Techniken computergesteuerter Bilderzeugung und manipulation, den zielsicheren wie verschlungenen Kommunikationsmechanismen einer Globalkultur.
Auf die befreiende Entgrenzung ebenso wie auf die unwiederbringliche Entfremdung von einer
unmittelbaren Lebensumgebung deuten die Attribute hin, mit welchen Peter Senoner viele seiner
Figuren versieht und die nicht selten mit dem Körper verschmolzen sind: Headsets, Hauben, Helme.
In diesen hybriden Wesen spiegelt sich eine Introversion, die mit geschlossenen oder auch eigentümlich
funkelnden Augen korrespondiert. In sich gekehrt und gleichzeitig außer sich, von physischer Präsenz
und doch ungreifbar, belegen diese Kreaturen die Existenz eines surrealen Paralleluniversums mit einer
eigenen,
kaum
nachvollziehbaren
Entstehungsgeschichte,
in
der
sich
der
Schöpfungsakt
möglicherweise bereits verselbständigt hat. Mit dem Begriff des Körpers ist bei Peter Senoner nicht nur
der vollständige menschliche Körper gemeint, ihm geht es auch um das dem menschlichen Körper
Ähnliche, um Verfremdungen, Fragmente und Derivate. Folgerichtig entstehen seit einigen Jahren auch
differente Körper, die – wie Nester oder Kokons – Lebensgrundlage für die Figuren bilden könnten.
Vielleicht sind sie als Vorstufen oder Entwürfe zu verstehen, visionäre Prototypen einer Welt, die noch
nicht existiert und die sich möglicherweise einmal selbst erschaffen wird. In der Kunst von Peter Senoner
wird das stete unerfüllbare Begehren des Menschen spürbar, „seine Grenzen zu durchbrechen, auch
auf die Gefahr hin, mit den Tieren, den Pflanzen, den Mineralien zu verschmelzen, im großen Schatten
des Außen zu versinken, das wirklicher und lebendiger ist als er.“ (2)
(1) Michel Leiris (1901-1990), Exposition Hans Arp (Galerie Goemans), in: Documents, Jg. 1 (1929), Nr. 6, S. 340 ff. Dt.
Erstveröffentlichung in: Michel Leiris, Die Lust am Zusehen. Texte über Künstler des 20. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 1981.
(2) Ders., L’Ile magique, in: Documents, Jg. 1 (1929), Nr. 6, S. 334. Dt. Erstveröffentlichung in: W. B. Seabrooks, Geheimnisvolles
Haiti, München 1981.
In: Stretch Sculpture. Ausst.-Kat., Hrsg. kunst Meran, Marion Piffer Damiani. Verlag für moderne Kunst,
Nürnberg, 2005, S. 77-79.
Über den Autor
Dr. Bernhart Schwenk, geboren 1960 in Wiesbaden, ist seit 2002 als Konservator für Gegenwartskunst
an der Pinakothek der Moderne in München tätig.
4.3. SERIENTÄTER – MARION PIFFER DAMIANI
Rücken an Rücken ein Duellant und sein Double: Monomon gehört zu einer Serie von
vagabundierenden Skulpturen. Traurig-schöne, potentiell geschlechtslose transhumane Gestalten sind
die Protagonisten eines skulpturalen schizophrenen Identitätstheaters. Grundkonstante der variablen
Arrangements ist die Präsenz einer Verdoppelung, als plastischer Abguss, als Zeichnung oder auch in
Form einer digitalen Animation. In der Doublierung manifestiert sich die Lust an der Hybridisierung des
Mediums Skulptur, die amphibisch vom imaginären in den fiktiven und virtuellen Aggregatzustand
überwechselt. Die Skulptur ist zugleich allo- und selbstreferentiell: Mittel der Repräsentation und
augenzwinkernde Demonstranz ihrer eigenen sinnlichen Erscheinung - ihrem menschlichen Referenten
verdächtig ähnlich, der dazu verurteilt ist, „kopflos“ durch die Welt zu gehen: „er muss erst in den Spiegel
schauen, um sich seiner auch selbst zu vergewissern.“(1)
Monomon ist Stellvertreter, Double, Alter Ego, Avatar und Agent auf dem Terrain einer gesplitteten
Existenz, die spielerisch die Seite wechselt, wie ein sich ständig spiegelnder Ich-Erzähler. Die Figuren
schreiben nicht den pygmalionschen Mythos einer zweiten Schöpfung fort, sondern inszenieren den
melancholischen
Zustand
einer
überreizten
Selbstreflexion
unter
der
Regie
operierender
Marketingsexperten und Bioingenieure: inszenieren den Monolog im Plural. Die Vorliebe für
Spiegelungen, Multiplikation und Metamorphose, Variieren und Umkreisen changiert zwischen
extravagantem barocken Manierismus und verspielter japanischer Technokultur: Der Titel Monomon
erinnert unmittelbar an die Eigennamen von Kunstgeschöpfen der Art eines Pokémon. Die Position der
Plastiken innerhalb der gegenständlichen Kunst und Geschichte der figurativen Skulptur ortet sich aus
der Rezeption der klassischen Prinzipien der Bildhauertradition und der Auseinandersetzung mit der
Ästhetik und sozialen Wirklichkeit der medialen Massenkultur.
Das inszenierte Duell ist eine Phantomhandlung, der artifizielle Kombattant erscheint in nackter
Leiblichkeit auf dem Kampfplatz, ein kopfhörerartiges Accessoire schottet ihn gegen den Umraum ab,
vielleicht empfängt er aber auch irgendwelche Befehle von außen. Monomon ist ein Kämpfer ohne
Widerpart: Da ist auch kein Tyler Durden aus Fichers „Fight Club“ in Sicht, mit dem man sich wirklich
prügeln könnte, um etwas zu empfinden. Hier entladen sich keine Energien, die aggressive Geste ist
nach bester Lessingscher Manier verhalten, still, bzw. das Still der mise en scène eines irrenden Ritters,
zeitgenössischen Don Quijote. Die Isolation erinnert an die melancholische Befindlichkeit des
Romanhelden in Haruki Murakamis „Mister Aufziehvogel“, der auf dem Grund eines ausgetrockneten
Brunnens eine groteske und abgründige Wirklichkeit entdeckt. Im Halfter des hip polierten und
gestählten Monomonschen Körpers befindet sich auch gar keine irgendwie identifizierbare Waffe
sondern eher ein prothetisches körperliches Ersatzteil, oder ein lose umgeschnalltes Geschlechtsorgan:
„Der Sex gehört nicht zum Körper. Er ist ein Ereignis des selbstbezüglichen Geistes, der sein eigenes
Eingesperrtsein noch zu spüren in der Lage ist.“ (2)
Im Fokus steht die menschliche Figur. Die Proportionen sind harmonisch, der Body-Mass-Index ideal,
das Gewicht der lebensgroßen Skulpturen entspricht dem eines Menschen derselben Konstitution und
der Energieaufwand für die Produktion einer einzigen Plastik den Anstrengungen im Fitnesstudio, um
dort einen entsprechenden Körper zu formen (3): Die Präzision in der Ausführung ist gleichermaßen
besessen wie selbstironisch. Die Überpräsenz künstlerischer Appropriationen aus der Konsumkultur hat
das genuin Handwerkliche wieder salonfähig gemacht, weil es mit zeitlichem Abstand unideologisch
und unheroisch daher kommt. Umso adaptierbarer scheint die Technik zur Umsetzung des hohen
Anspruchs an Realismus.
Wächter, Türsteher, Modellathlet, Mangaheld, Stadtcowboy? Der starre Blick der prothetischen Augen
trifft den Betrachter, während sich in einiger Entfernung ein nahfremdes biomorphes Gebilde aus der
Wand spiralig in den Raum bohrt. Ein ausgeweidetes Rätsel namens Pseudoplatanus, ein Objekt von
vager Symbolizität. Ob es etwas mit den Wächterfiguren zu tun hat? An einer „unerklärlichen
Wechselwirkung“ scheitert die Zusammenführung des Disparaten: „Erst die Bejahung der Ambivalenz
löst die eiserne Grimasse der fixen Idee jeder Coleur in ein – allerdings nie naives – Lächeln auf.“
(Brigitte Kronauer) (4)
(1) vgl. Detlef B. Linke, Kunst und Gehirn. Die Eroberung des Unsichtbaren, Hamburg 2001
(2) Dietmar Kamper, Entweder der Sinn oder die Sinne, in: Der Sinn der Sinne, Bonn 1998, S. 13
(3) „Die Ironie an diesem Verlangen Ihrer Zeit ist, dass es nicht genügend Stunden am Tag gibt, um sich dem Körper zu widmen,
den Sie sich wünschen.“ (Werbetext, www.bodyworld.ch)
(4) aus: „Unerklärliche Wechselwirkung“, in: Berhard von Mutius (Hg.), Die andere Intelligenz, Stuttgart 2004, S. 318
In: Skulptur. Prekärer Realismus zwischen Melancholie und Komik. Hrsg. Kunsthalle Wien, Wien, 2004,
S. 54.
Über die Autorin
Marion Piffer Damiani ist 1963 in Brixen/Bressanone (Italien) geboren und arbeitet als freiberufliche
Kunsthistorikerin, Kuratorin und Kunstpublizistin. Von 1989 bis 2000 leitete sie das ar/ge Kunst Galerie
Museum in Bozen. Sie ist Mitglied zahlreicher Fachjurien und wissenschaftlicher Beiräte im In -und
Ausland und seit 2010 Präsidentin der Stiftung Museion Bozen.
5. KUNSTVEREIN BREMERHAVEN
Der Kunstverein Bremerhaven von 1886 e. V. ist eine der ältesten kulturellen Einrichtungen
Bremerhavens und des Unterweserraums. In dem erst 1827 gegründeten Bremerhaven war seine
Gründung ein Bestandteil der kulturellen Emanzipation der jungen Gemeinde gegenüber Bremen sowie
zugleich ein selbstbewusstes Zeichen für den Anspruch der Oberzentrumsfunktion innerhalb des
Dreistädtekonglomerates an der Wesermündung. In dieser Tradition steht der Verein nunmehr seit 125
Jahren für Ausstellungen und Veranstaltungen im Bereich der bildenden Kunst.
Heute zählt der Kunstverein Bremerhaven rund 600 Mitglieder. Mit der Kunsthalle verfügt er seit 1964
über ein eigenes Ausstellungshaus. Hier bietet der Verein in sechs bis neun Wechselausstellungen pro
Jahr jungen Künstlerinnen und Künstlern den Freiraum, jenseits kommerzieller Interessen und
abgesicherter kunsthistorischer Positionen künstlerische Experimente durchzuführen. Mehr als 300
Ausstellungen hat der Kunstverein in dieser Form bisher in der Kunsthalle organisiert. Er fungiert mit
seiner Funktion als Mittler zwischen der künstlerischen Ausbildung, der Arbeit im Atelier, der
kommerziell ausgerichteten Galerie und einem Museum. Neben Ausstellungen zeitgenössischer Kunst
organisiert der Verein auch Ausstellungen zur Architektur- und Literaturgeschichte, zu Design oder
klassischen, kunsthistorischen Themen.
Seit 2007 besitzt Bremerhaven ein Kunstmuseum. Das Gebäude im Zentrum der Stadt wurde für die
Präsentation der Sammlung des Kunstvereins Bremerhaven von 1886 e.V. errichtet. Auf drei
Stockwerken mit über 700 qm Ausstellungsfläche verfügt der Verein hier über die Räumlichkeiten, um
in wechselnder Zusammenstellung eine Auswahl von Werken aus der über 100-jährigen
Sammlungsgeschichte an der Wesermündung zu zeigen. Dabei bietet die Ausstellung nicht nur einen
Einblick in ein weitgehend unbekanntes Kapitel der Bremerhavener Kulturgeschichte, sondern zeigt
zugleich die lange und intensive Verbundenheit vieler heute bekannter Künstlerinnen und Künstler mit
Bremerhaven wie zum Beispiel Gerhard Richter, Blinky Palermo, Joseph Beuys, Manfred Pernice, Alicja
Kwade und Gregor Schneider.
Die Ausstellung wird von "Künstlerräumen" bestimmt, die dem Werk einer Künstlerin, eines Künstlers
oder einer Künstlergruppe gewidmet sind und vielfach gemeinsam mit diesen entwickelt wurden.
5.1. KONTAKTDATEN
Kontakt:
Kunstverein Bremerhaven von 1886 e. V.
Kurator der Ausstellung ist Thomas Trümper.
Karlsburg 1 und 4
Kontakt:
27568 Bremerhaven
E-Mail: [email protected]
Tel.: 0471 – 46838
Tel.: 0471 – 801086
Fax: 0471 – 417550
Mobil: 0179 – 4971085
[email protected]
www.kunstverein-bremerhaven.de
5.2. BESUCHERINFORMATIONEN
Öffnungszeiten Kunsthalle und Kunstmuseum:
Führungen:
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr
30,00 EUR (max. 25 Teilnehmer)
Samstag und Sonntag 11.00 bis 17.00 Uhr
Öffentliche Führungen
im Kunstmuseum:
mittwochs um 16 Uhr
nur Eintritt, kein Führungsentgelt
Eintrittspreise
Kunstmuseum:
Kunsthalle:
Kombitickets:
Regulär
Regulär
2,00 EUR
Regulär 5,00 EUR
ermäßigt 2,50 EUR
ermäßigt 1,00 EUR
ermäßigt 3,00 EUR
Familien 6,00 EUR
Schultarif 1,00 EUR
Familien 6,00 EUR
Schultarif 1,00 EUR
freier Eintritt
4,00 EUR
freier Eintritt
(wie Kunstmuseum)
(Mitglieder des Kunstvereins Bremerhaven
oder von Kunstvereinen, die dem ADKV
angehören, ICOM, Kinder bis zum
schulpflichtigen Alter)
Hinweis: Das Kunstmuseum ist barrierefrei, die Kunsthalle mit einschränkendem Fahrstuhl.