Walderholungsstätte Königsheide
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Walderholungsstätte Königsheide
Freundeskreis Heimatgeschichte Treptow Ortsgeschichte Heft 18 Alexander Kauther Die Geschichte der „Luise von Studt-Walderholungsstätte des Deutschen Roten Kreuzes“ in der Königsheide Berlin-Johannisthal (1908-1914) 1 Hinweis: Wenn Fehler gefunden werden, bitte daran denken, dass sie beabsichtigt sind. Denn es gibt immer Leute, die nach Fehlern suchen! © Freundeskreis Heimatgeschichte Treptow www.johflug.de 14. September 2014 2 Die Walderholungsstätte des Roten Kreuzes in der Königsheide Im Berliner Adressbuch 1906 ist unter Johannisthaler Königsheide eingetragen: Studt, Luise, Schwester Wagner, H. Johannisthal, Königsheide Erholungsstätte vom Roten Kreuz Eine genaue Straßenadresse in der Königsheide gab es zu dieser Zeit nicht. Bei dem Eintrag handelte es sich um die der Staatsministerin Luise v. Studt (1867-1934) benannt, deren Ehemann der preußische Politiker und Staatsminister Konrad Heinrich Gustav v. Studt (1838-1921) war. Sein heute nicht mehr existierendes Grab befand sich auf dem Luisen-Friedhof III in Berlin-Charlottenburg. Zur Bekämpfung der Volkskrankheit Tuberkulose entstanden ab 1899 in Berlin sieben solcher Erholungsstätten. Zwei für Männer (Jungfernheide und Johannisthal), zwei für Frauen (Pankow-Schönholz und in der Berliner Ortslage Eichkamp) und drei für Kinder (Schönholz, Sadowa und Eichkamp). Zunächst wurden sie mit transportablen, so genannten Döckerschen1 Baracken, nur für den Sommerbetrieb und später auch für den Winterbetrieb ausgestattet. Der dänische Rittmeister Johann Gerhard Clemens Doecker (1828-1904) entwarf Anfang der 1880er Jahre eine leichte Sanitäts- und Lazarettbaracke, die sich äußerlich sehr stark an den massiv gebauten Fachwerkbauten des Militärs orientierte (siehe Diplomarbeit-Literaturquellen). Im Vorfeld der Antwerpener Weltausstellung von 1885 hatte das Internationale Rote Kreuz in Zusammenarbeit mit preußischen Militärs einen Architekturwettbewerb ausgelobt, bei dem das am besten geeignete „Bauwerk zur Behandlung von Verwundeten und Infektionskranken für Kriegs- und Friedenszwecke“ gekürt werden sollte. Als Gewinner aus der Vielzahl der Vorschläge bestimmte die Jury aus europäischen Militärärzten die Baracke Doeckers, so entstand die Bezeichnung „Doeckersche Baracken“. Bereits auf der Berliner Hygieneausstellung 1883 war er dafür mit einer Goldmedaille ausgezeichnet worden. Das Unternehmen „Christoph und Unmack“ in Niesky/Oberlausitz (heute: „DB Waggonbau Niesky GmbH“) kaufte 1882 Doecker seine Erfindung ab und produzierte in Folge die demontierbare Baracke. 1 3 1906 - Lage und Karteneintrag der „Erholungsstätte Königsheide“ zwischen Rixdorfer-Canner-Kreis-Chaussee (seit 1932 Südostallee) und Parkstraße (seit Jahre 1932 Königsheideweg)2 2 Auszug aus dem Pharus-Plan 1906 4 1907 - Lage und Karteneintrag der „Erholungsstätte Königsheide“ Über die Erholungsstätte in der Königsheide ist bisher sehr wenig bekannt. Die beiden Johannisthaler Gemeindeärzte Dr. Georg Riech (1874-nach 1930) und Dr. Willibald Dietrich (1873-1938) waren im Auftrag des Roten Kreuzes in der Walderholungsstätte eingesetzt.3 Mehrmals in der Woche besuchten sie die Erholungsstätte, um die dortigen Patienten medizinisch zu betreuen. Dr. Dietrich war neben seiner Arbeit als Gemeindearzt auch als der Arzt auf dem Flugplatz Johannisthal tätig. Heft 15 zur Ortsgeschichte „Die Geschichte des Hauses in der Winckelmannstr. 9 in BerlinJohannisthal (1878-heute), 2194, Kauther/Rahn 3 5 Die bisherigen sieben Erholungsstätten in Berlin reichten nicht aus. Es galt für Männer ein eigenes neues Heim zu gründen und das Heim in Eichkamp für Kinder umzuwandeln. Die königliche Forstverwaltung überließ gegen ein geringes Pachtgeld ein herrliches zwei Hektar großes Waldgelände im Forst bei Johannisthal (heute Königsheide), unweit entfernt vom Vorortbahnhof Johannisthal-Niederschöneweide. Reiche Spenden, tatkräftige Mitarbeit vieler Persönlichkeiten und wirksame Förderung durch die beteiligten Behörden, insbesondere durch Forstmeister Werner des Kgl. Forst Grünau-Dahme, den Adlershofer-Gemeindevorsteher Karl Otto Reinsch4 und den Johannisthaler Gemeindevorsteher Robert Busch5 ermöglichten es, dass hier in der kurzen Zeit von April bis Ende September 1908 eine mustergültige Anstalt entstand, die berufen war, 250 Männern im Sommer und 100 Männern im Winter Erholung zu bieten. Otto Reinsch Grundrisszeichnung von der „Luise v. Studt“-Erholungsstätte in Johannisthal (Erdgeschoss) Otto Reinsch war Bürgermeister von Alt-Ruppin, vom 11. Juli 1898 bis zum 24. März 1910 Gemeindevorsteher in Berlin-Adlershof und danach Bürgermeister der Gemeinde Berlin-Nikolassee. In Adlershof wohnte er in der Friedenstr. 9/1. Etage. 5 Robert Busch, Kommunalpolitiker, gestorben am 5. Februar 1932, seine Grabstelle (existiert nicht mehr) befand sich auf dem Städtischen Friedhof Tempelhof. 4 6 Die Charlottenburger Wasserwerke schlossen die Erholungsstätte an die Wasserleitung an. Die Gesamtbaukosten für die Erholungsstätte in der Königsheide beliefen sich auf 37. 875,40 Mark. Zu den Stiftern von insgesamt 21.000 Mark gehörten: Berliner Geheimer Kommerzienrat Eduard Arnold6, Chemiker und Fabrikant Dr. Ernst Erich Kunheim7, Regierungsrat Gundlach, Deutsches Zentral-Komitee zur Bekämpfung der Tuberkulose und die Gemeinde BoxhagenRummelsburg8. Grundrisszeichnung der „Luise v. Studt“Erholungsstätte in Johannisthal (1. Stock) Die Herstellung des Bauentwurfs und die Bauleitung übernahm Regierungsrat Erich Blunck (1872-1950) vom Kulturministerium; die Bauausführung lag, wie in anderen Erholungsheimen auch, in den Händen des Johannisthaler Baumeisters Gustav Schultz. Nachdem beide Erholungsstätten (Eichkamp und Johannisthal) den Umzug in die neuen Heime abgeschlossen und den Winterbetrieb aufgenommen hatten, fand am 24. Oktober 1908 um 13 Uhr mitten in der Johannisthaler Königsheide die Einweihung des Neubaus der „Luise von Studt“-Erholungsstätte statt. Vormittags wurde die Anstalt in Eichkamp übergeben. Der Geheime Regierungsrat Gundlach hieß die Gäste in Johannisthal herzlich willkommen. Regierungsrat Erich Blunck gab eine Übersicht über die Bauentwicklung sowie die Zweckbestimmung der einzelnen Räume, worauf sich Staatsministerin Luise v. Studt im Rahmen ihrer Ansprache an die Versammlung und direkt an Herrn Dr. Riech, dem Nachfolger des Anstalts-Arztes Dr. Latz, wandte: (…) „In ihre Hände, sehr geehrter Herr Dr. Riech, lege ich die ärztliche Fürsorge der Kranken. Sie treten neu in unseren Kreis. Ich beglückwünsche Sie, daß Sie Ihre Tätigkeit in einer so schönen Anstalt beginnen können und habe die feste Zuversicht, daß Ihr Bemühen treffliche Erfolge erzielen wird.“ (…) Eduard Arnold (1849-1925), Unternehmer, Politiker, Kunstsammler, Ehrengrab auf dem Berliner Friedhof Wannsee II 7 Ernst Erich Kunheim (1872-1921), Präsident des Deutschen Handelstages, Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, Grabstelle (existiert nicht mehr) befand sich auf dem Friedrichswerderschen Friedhof in Kreuzberg, 1949 wurde sein früherer Chemiebetrieb Kunheim & Co AG in Niederschöneweide Volkseigentum mit dem Namen Kali-Chemie. 8 Boxhagen-Rummelsburg war von 1889 bis 1912 eine Landgemeinde im Landkreis Niederbarnim. 6 7 In ihrer Eröffnungsrede wandte sie sich auch an die Krankenschwester Helene Wagner, die zuvor seit 1904 in der Erholungsstätte in Eichkamp tätig war und nun in der Walderholungsstätte Johannisthal neue Aufgaben übernahm. Immerhin wurden 1908 insgesamt 650 und im Jahre 1909 ca. 910 Patienten in Johannisthal aufgenommen und betreut. Die Erholungsstätten gewährten seit ihrem Bestehen 30.030 Personen einen Kuraufenthalt. Luise v. Studt dankte weiterhin den Helfern des Projekts: Generalarzt Dr. Werner, Forstmeister Werner, Dr. Rudolf Lennhoff (18661933)9, Bankier Friedrich Wilhelm Krause (1838-1923)10, Eugen Simanowski (1856-?), den örtlichen Polizeibehörden und zum Schluss an den Johannisthaler Gemeindevorsteher Robert Busch gerichtet: (…) „Die Gemeinde Johannisthal aber, in deren Weichbild diese neue Stätte sozialer Fürsorge ihr Heim genommen, sie möge schützend und schirmend ihre Hände über diesem unserem Kleinod halten, damit fort und fort reicher Segen von ihm ausgehe: den Kranken zum Heile, den Stiftern zur Freud“ (…). Im Anschluss an ihre Rede gab der Vorsitzende des Zentral-Vorstandes des Volksheilstätten-Vereins vom Roten Kreuz, Kammerherr Bodo von dem Knesebeck (18511911)11, seiner „Freude über das wohlgelungene Werk Ausdruck“. Das Foto12 zeigt die Festteilnehmer zur Eröffnung des Erholungsheimes vom Roten Kreuz im Waldgelände der Königsheide. Auf dem Foto ist Dr. Georg Riech auch abgebildet, aber leider wegen fehlender Vergleichsbilder nicht auszumachen. Prof. Dr. med. Rudolf Lennhoff, Oberregierungsrat, Medizinalrat, Medizinredakteur, Grabstelle Feld P 5 auf dem jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee 10 Firma W. F. Krause & Co Bankgeschäfte, Berlin-Mitte, Leipziger Str. 1-5, Liquidation 1930 11 Ab 1896 Vorsitzender des Volksheilstätten-Vereins vom Roten Kreuz 12 Archiv Museum Treptow-Köpenick, 1932 von Johannisthaler Baumeister Gustav Schultz erhalten. 9 8 Ansichtskarte vom Erholungsheim in der Königsheide, datiert 1909 Originalaufnahme: Neubau der „Luise v. Studt“- Erholungsstätte in Johannisthal13 13 Quelle: Festschrift zur Feier des zehnjährigen Bestehens von Walderholungsstätten 1899-1909. 9 Nachmittagsruhe in der Königsheide im Jahre 190814 Walderholungsstätte vom Roten Kreuz 1912 als Reklamemarke der Lotterie A und B Schuler GmbH Teltower Kreis-Blatt vom 5. Juli 1912 zur Walderholungsstätte Die Walderholungsstätte in der Königsheide wurde nach 1914 (?) nach BerlinFriedrichshagen verlegt. 14 Quelle: Festschrift zur Feier des zehnjährigen Bestehens von Walderholungsstätten 1899-1909. 10 Vaterländischer Frauenverein (VFV) in der Königsheide Alte Ansichtskarten15 belegen, dass sich in der Königsheide auch ein Erholungsheim des Vaterländischen Frauenvereins befand. Es standen dort mehrere Baracken. Ob es sich hierbei um das gemeinsame Gelände der „Luise v. Studt Walderholungsheim“ handelte, ist nicht bekannt. Der Vaterländische Frauenverein wurde am 1. November 1866 als „Deutscher Frauenverein zur Pflege und Hilfe für Verwundete im Krieg“ von der preußischen Königin Augusta (1811-1890) gegründet. Ab 1890 war die Kaiserin Auguste Viktoria (1851-1921) die Schutzherrin des Vereins. Zur ersten Vorsitzenden des Vereins wurde Louise Gabriele Marie von Itzenplitz (18391901) aus dem märkischen Adelsgeschlecht Itzenplitz benannt. Nach der Heirat im folgenden Jahr übernahm ihre Schwester Gräfin Charlotte Clementine von Itzenplitz (1835-1921) den Vorsitz und führte den Verein von 1867-1916. Um 1824 zählten die „Frauenvereine vom Roten Kreuz“ in Deutschland, wie sie sich mittlerweile nannten, insgesamt 485 Tagesheime für Kinder. Der Vaterländische Frauenverein setzte sich aus Zweigvereinen zusammen, die in Verbänden vereinigt waren. In Preußen bestanden Provinzial- und Bezirksverbände, in den übrigen Staaten Landesverbände und Landesvereine. Die Leitung des gesamten Vereins führte der Hauptvorstand mit Sitz in Berlin. Die Geschichte der eigenständigen Frauenvereine in Deutschland endete mit dem DRK-Gesetz vom 9. Dezember 1937. Ob die Genannten v. Itzenplitz verwandt sind mit: Baron Otto v. Itzenplitz Wohnhaft gewesen 1891 in Johannisthal, Waldstr. 6, früherer Rittergutsbesitzer und Schüler um 1820 in der Ritterakademie zu Brandenburg/Havel, ist nicht bekannt und auch nicht weiter recherchiert worden. Archivmaterialien im Landesarchiv Baden-Württemberg (E 191 Bü 4021) oder im Landesarchiv Berlin (Titel: Vaterländischer Frauenverein vom Roten Kreuz Hauptverein Berlin 1872-1930, darin 2 Mauereinschläge von 1914 und 1915 und andere Drucksachen) wurden nicht ausgewertet. Abzeichen des Vaterländischen Frauenvereins 1914 Quelle: Deutsche Historische Museum, Berlin, A 2003/29) 15 Befinden sich im Privatbesitz und konnten nur am 13.09.2014 in Augenschein genommen werden. 11 Literatur „Das Deutsche Rote Kreuz und die Tuberkulose-Bekämpfung“. Denkschrift für den Internationalen Tuberkulose-Kongress in Washington vom 21.09.-12.10.1908, Verlag Rote Kreuz, Berlin-Charlottenburg, Berlinerstraße 137, 1908 Thomas Kirfe: Diplomarbeit für Technik und Wissenschaft Dresden, Thema: „Zum Beitrag der Vermessung bei der Bewahrung historischer Geschehnisse“, Seite 24, Februar 2011 (u.a. Doecker-Baracken) Walderholungsstätten vom Roten Kreuz, Festschrift zur Feier des zehnjährigen Bestehens 1899-1909. Herausgeber: Frau Staatsministerin v. Studt, Verlag: „Das Rote Kreuz“, Charlottenburg, Berlinerstraße 137. Hinweis an die Leser dieser Dokumentation: Wer so weit gekommen ist, zeigt Interesse an der Historie der Erholungsstätte in der Königsheide oder ergänzt sein eventuell vorhandenes Material. Deshalb meine Bitte: Ich würde mich sehr freuen, neue Hinweise, Fotos, Ansichtskarten oder auch Korrekturen, insbesondere zu dem „Vaterländischen Frauenverein“, übermittelt werden. [email protected] 12