Von der Verführung verführt

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Von der Verführung verführt
Von der Verführung verführt
Seduced by seduction
Opern im Schnelldurchlauf – Interview mit Robert Schindel
Operas in fast-forward – Interview with Robert Schindel
Robert Schindel ist nicht nur einer der größten Schriftsteller
des Landes, er ist auch einer seiner größten Opernfans – und
das seit frühester Kindheit. Zwei- bis dreimal pro Woche pilgert er in die Wiener Staatsoper, um dort Musiktheater zu
erleben. Ein Fan solchen Kalibers ist der optimale
Gesprächspartner für einen Schnelldurchlauf der heuer in
Salzburg aufgeführten Opern.
Markus deisenberger: Woher kommt Ihre Liebe zur Oper?
Robert Schindel: Eine Tante nahm mich in die Oper mit,
zuerst ins Theater an der Wien und dann in die neu eröffnete
Staatsoper. Und da entdeckte ich: Opern sind, wenn sie gut
gemacht sind und über gute Sänger ver fügen, wahre
Gefühlskraftwerke, die einen emotional regelrecht durchmassieren. Mein erstes dieser Kraftwerke war Fidelio.
MD: Ihre Romane und Gedichte verfügen über eine Doppelbödigkeit, an denen es Opern oft mangelt, weil sie von der
Einfachheit der emotionalen Sprache leben. Sehen Sie darin
einen echten oder nur einen vermeintlichen Widerspruch?
RS: Die Einfachheit der Oper bezieht sich auf die Dramaturgie
und ihre Handlungsabläufe. Da werden in den Libretti die
Sachen oft verkürzt: Man schaut sich an und schon ist die
Liebe da. Aber bei den großen Opern ist die Doppelbödigkeit
durch die Spannung zwischen Text und Musik durchaus vorhanden. Wenn Fidelio als Gefangener sein Lied singt, spielen
die Fragen nach der Grenze von Freiheit und Endlichkeit auch
in der Musik eine große Rolle.
MD: Gehen wir zur ersten Oper: Le nozze di Figaro. Gehört
Sie zu Ihren Lieblingsopern?
RS: Nicht unbedingt. Ich mag sie schon gerne, zu meinen
Favoriten zählt sie allerdings nicht.
MD: Das wundert mich. Als politischem Menschen müsste
Ihnen die Thematik der Revolte gegen den Herrn doch besonders liegen.
RS: Von der politischen Dimension er fuhr ich erst viel später, als ich Waf fen für Amerika, einen Roman über
Beaumarchais (den Lustspieldichter, auf dessen Stück sich
Da Ponte in seinem Libretto stützte, Anm.) von Lion
Feuchtwanger las, ein sehr gutes Buch. Bis dahin habe ich
nur die Musik, vor allem die großen Arien verehrt. Heute sehe
ich das anders, wenngleich die Handlung mit ihrem Happy
End letztlich etwas Versöhnliches hat, das sich mit der
Wirklichkeit nicht ganz deckt. Aber Da Pontes Version wurde
gegenüber dem Beaumarchais’schen Original, das ja verboten wurde, auch ganz wesentlich entschär ft.
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Interview: Markus Deisenberger
illustration: gustav Peichl
MD: Aber interessante Figuren finden sich auch in Da Pontes
Version.
RS: Ohne Zweifel. Susanna, der Graf, Figaro, die Gräfin …,
das sind schon fein gezeichnete Figuren. Den Gegensatz allerdings zwischen Figaro und dem Grafen habe ich, obwohl
ich in der kommunistischen Partei und also „klassenbewusst“
aufwuchs, erst viel später tatsächlich begriffen. Fidelio als
Freiheitsoper habe ich von Anfang an viel politischer aufgefasst, was wahrscheinlich mit meinem Vater zu tun hat, der
als politischer Gefangener umgebracht wurde.
MD: Ist Don Giovanni, die zweite Mozart- und gleichzeitig
auch zweite Da-Ponte-Oper, auch für Sie Mozarts Meisterwerk?
RS: Ja, absolut. Das ist eine ganz große Oper für mich.
Vielleicht sogar die Oper aller Opern. Mozarts berühmt gewordene Antwort auf die Kritik von Joseph II., die Oper weise
„gewaltig viele Noten“ auf, trifft den Nagel auf den Kopf.
„Gerade so viel Noten, Eure Majestät, als nötig sind“, soll er
damals geantwortet haben und genauso ist es auch: Alles,
was da ist, wird auch gebraucht, ist auf den Punkt gebracht
und dramaturgisch ausgewogen. Gleichzeitig hat die Oper so
viele Möglichkeiten in der Musik: Alle Ambivalenzen, die etwa
zwischen Ver führer und Vergewaltiger, hört man auch. Die
charakterliche Widersprüchlichkeit von Don Giovanni etwa
spiegelt sich in der Musik perfekt wider. Das Interessante ist
doch, dass ein wirklicher Schurke auch viele sympathische
Seiten aufweist. Selbst den Mord an Donna Annas Vater
könnte man als Notwehr betrachten.
MD: Es gilt die Unschuldsvermutung ...
RS: (Lacht.) Ja, auch für ihn.
MD: Am Archetypus Don Juan haben sich über die Jahrhunderte von von E. T. A. Hoffmann bis Søren Kierkegaard
so einige Persönlichkeiten der europäischen Kulturgeschichte
abgearbeitet. Was ist so reizvoll daran?
RS: Die endlose Vor-Lust, die Unfähigkeit, Liebe und Erotik
miteinander zu versöhnen.
Don Juan ist immer auf der Suche, von der Verführung verführt und in die Verliebtheit verliebt. Aber sobald es ernst zu
werden droht, funktioniert es nicht mehr – ein Thema, das
heute aktueller ist denn je. Ist jemand nicht kompromissfähig
genug, wird er unweigerlich in die Einsamkeit gedrängt.
Robert Schindel is not just one of the
greatest writers the country has to offer,
he is also one of its biggest opera fans.
He goes to the Vienna State Opera two
or three times a week to experience
musical theatre. Such a fan is the perfect dialogue partner for a fast-track run
through the operas that will be performed
in Salzburg this year.
Markus Deisenberger: Where does
your love for opera come from?
Robert Schindel: An aunt of mine took
me to the opera, first to the Theater an
der Wien, and then to the newly inaugurated State Opera. And there I discovered: Operas, if done well, are truly
powerhouses of feelings that really massage you emotionally. The first of these
powerhouses I saw was Fidelio.
MD: Your novels and poems use ambiguity, which is often lacking in operas
because they live from the simplicity
of the emotional language. Do you consider that a true contradiction or just a
reputed one?
RS: The simplicity of opera is based on
the dramaturgy and its plots. Things
are often condensed in the libretti: It is
enough for two people to look at each
other for them to be in love. But great
operas have this ambiguity on account
of the tension between the text and the
music. When Fidelio sings his song as a
prisoner, the questions about the boundaries of freedom and finitude also play an
important role in the music.
MD: Let’s talk about the first opera: Le
Nozze di Figaro. Is it one of your favourites?
RS: Not especially. I do like it, but it is not
one of my favourites.
MD: That surprises me. As a political person, I thought that the topic of a revolt
against a master would interest you.
RS: I did not realise the political dimension until much later when I read Waffen
für Amerika by Lion Feuchtwanger about
Beaumarchais (the comedy writer whose
work was the basis for Da Ponte’s libretto) – a very good book. Until that time,
I had only been an admirer of the music,
especially the great arias. Today I see
things differently, even if the plot with
its happy end has something conciliatory
about it that does not really correspond to
reality. But Da Ponte’s version was much
more toned down than the Beaumarchais
original, which was banned.
MD: But there are also interesting characters in Da Ponte’s version.
RS: Without a doubt. Susanna, the Count,
Figaro, the Countess..., those are well
developed characters. It was not until
much later that I really understood the
contrast, though, between Figaro and
the Count, despite growing up in the
Communist Party and therefore being
class-conscious. I saw Fidelio, a freedom
opera, as much more political, which is
probably due to my father, who was killed
as a political prisoner.
MD: Is Don Giovanni, the second opera
by Mozart and Da Ponte, also Mozart’s
masterpiece in your eyes?
RS: Yes, absolutely. I consider it to be
a great opera. Maybe even the crème
de la crème of opera. Mozart’s famous
response to Joseph II’s critique that the
„Opern sind, wenn sie
gut gemacht sind und
über gute Sänger
verfügen, wahre
Gefühlskraftwerke.“
‘Operas, if they are well done and have good
singers, are truly powerhouses of feelings.’
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MD: Gehen wir zur dritten Mozar t-Oper, die zugleich wohl
auch jene mit der offensten Moral ist: Così fan tutte.
RS: Das Moralische oder Amoralische finde ich sehr interessant, zugleich aber ist Così fan tutte eine Oper, in die ich nie
wirklich rein kam. Ich bin ein wahrhaft großer Fan der MozartOpern, nur berührt mich Così fan tutte bei Weitem nicht so,
wie es der Don Giovanni vermag. Irgendwie bin ich ihr auch
immer ein bisschen ausgewichen. Aber um den berühmten
Lichtenberg-Aphorismus zu bemühen: „Wenn ein Kopf und
ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist es nicht
immer das Buch.“ Ich nehme die Schuld also auf mich.
MD: Die vierte große Oper: Macbeth von Verdi.
RS: Eine musikalisch sehr schöne Oper. Hier dient die
Verkürzung dem Herz des Stückes, und damit ist sie auch literarisch sehr interessant. Fast alles, was das Stück erzählt,
kommt auch in der Oper vor, die literarische Vorlage wurde
ungemein verdichtet. Ich würde sogar so weit gehen, Macbeth
als kongeniale Adaption zu bezeichnen. Und sehr erfrischend.
MD: Tatsächlich „erfrischend“, wo die Grundstimmung doch
eine überwiegend düstere ist und die Figuren extreme pathologische Bewusstseinszustände durchleben?
RS: Liebe, Eifersucht und Rache, Machtgier, Zerstörungswahn
und Mordlust, das alles ist da. Aber die Musik hat trotzdem
etwas ungemein Erfrischendes. Schon die Ouvertüre ist bedrohlich und zugleich schwungvoll. (Überlegt.) Vielleicht ist
„schwungvoll“ das bessere Adjektiv.
MD: Gehen wir zu Richard Strauss’ Frau ohne Schatten.
Damit nähern wir uns einer Epoche, die Ihnen literarisch sehr
nahe liegt.
RS: Stimmt. Schnitzler ist für mich so etwas wie ein WahlOpa. Aber auch musikalisch steht mir das Fin de Siècle nahe.
Und bei Strauss liebe ich vor allem das, was Andrea Breth
Kitsch nannte. Und seine Gemeinsamkeiten mit Mahler. Wenn
Strauss nicht ein wenig schlampig gewesen wäre, wäre er
vom Musikgenie her in Beethoven’scher Höhe anzusiedeln.
Arabella, Elektra, Salome …, das sind große Opern.
MD: Und Die Frau ohne Schatten?
RS: Die Oper selbst kenne ich nicht sehr gut, habe sie nur
einige Male gesehen. „Der Kaiser muss versteinern!“ – dieser Satz ist mir noch im Ohr. Und im Briefwechsel zwischen
Hofmannsthal und Schnitzler sprechen die beiden immer von
der „sonnigen Frau“, das fand ich sehr nett.
MD: Gehen wir zur Sache Makropulos. Leoš Janáček hatte
ein interessantes Steckenpferd.
RS: (Lacht.) Meinen Sie den Nationalismus?
„Ich verstehe nicht
viel von Musik, mag
aber die Geräusche,
die dort gemacht
werden.“
‘I don’t understand a lot about music, but I like the sounds it makes.’
opera had ‘a vast amount of notes’ hit the
nail right on the head. ‘Just as many notes
as are necessary, Your Majesty’, is what
he supposedly said and that is just the
way it is: Everything that is there is precise and dramaturgically balanced. At the
same time, the opera has so many possibilities in its music: Every ambivalence,
for instance between the seducer and ravisher, can be heard, too. The contrariness
of Don Giovanni’s character is perfectly
reflected in the music. But what is important is that a real villain also has positive
aspects about him. You could even say
that the murder of Donna Anna’s father
was in self-defence.
MD: The presumption of innocence holds.
RS: (He laughs.) Yes, also in his case.
MD: Over the centuries, many a great
from European cultural history, from
E. T. A. Hoffmann to Søren Kierkegaard,
has busted his chops on the archetype of
Don Juan. What is so enticing about it?
RS: The endless anticipatory desire, the
incapability to reconcile love and erotic
with one another.
Don Juan is always on a quest,
seduced by seduction and in love with
being in love. But as soon as things get
serious, nothing works anymore – a topic
that is more current today than ever. If
someone is not able to find compromises,
he will inevitably be driven into solitude.
MD: Let’s move on to Mozart’s third opera,
which is incidentally also the one with the
most evident morale: Così Fan Tutte.
RS: I find the amoral aspect very interesting, but Così Fan Tutte is also an opera
I could never really get into. I am really
a great fan of Mozart’s operas, but Così
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Fan Tutte does not move me half as much
as Don Giovanni can. I have always avoided it somehow. But, to quote a famous
Lichtenberg aphorism: ‘When a collision
between a book and a head sounds hollow, it is not always the book’s fault.’ So
I will say it is my fault.
MD: The fourth great opera: Macbeth
by Verdi.
RS: Musically, a very beautiful opera.
Here, condensation serves the heart of
the play, making it interesting from a literary point of view, too. Almost everything
that the play recounts is also present in
the opera. The literary original was greatly condensed. I would even go as far to
say that Macbeth is a congenial adaptation. And very refreshing.
MD: Really ‘refreshing’, although the
atmosphere is mostly dismal and the
characters experience extreme, pathological states of consciousness?
RS: Love, jealousy and revenge, lust for
power, destructiveness and thirst for killing. It has it all. But the music has something uncommonly refreshing to it. The
overture is threatening, but at the same
timelively. (He thinks.) Maybe ‘lively’ is
the better adjective.
MD: Let’s turn now to Richard Strauss’
The Woman without a Shadow. That
brings us nearer to an era that is literarily close to you.
RS: That’s right. Schnitzler is something
of an ‘adoptive’ grandfather to me. The
Fin de Siècle is also musically close to
me. And, in the case of Strauss, what I
love above all is what Andrea Breth called
kitsch. And his similarities to Mahler.
If Strauss had not been a little messy,
MD: Nein, eher die Melodie des gesprochenen Worts.
RS: Im Ernst: Ich verehre ihn sehr. Vor allem in seinen letzten
Lebensjahren, als er eine Oper nach der anderen schrieb, hat
er Großes geleistet. Erst kürzlich habe ich Das Totenhaus gesehen – eine tolle Oper, die all das, was man sich von einer
Oper erträumt, einlöst und tatsächlich ein Gesamtkunstwerk
ist. Bei Janáček verschmelzen Alt und Neu, das Alte wird teils
zitiert, teils durch das Neue ad absurdum geführt, dadurch
werden Geist und Seele gleichermaßen angeregt.
MD: Seine Melodie des gesprochenen Wortes versuchte er
in die Praxis umzusetzen, indem er Alltagssprache auf
Tonband aufnahm und sie leicht verändert in die Komposition
einfließen ließ.
RS: Vielleicht ist das der Grund, weshalb seine Rezitative so
etwas Authentisches haben.
MD: In Janáčeks Oper wird ein Bild von der Justiz gemalt, das
den Widerspruch zwischen Recht und Gerechtigkeit gnadenlos offenlegt. Ist die Justiz etwas, das Sie scheuen?
RS: Ich fürchte mich nicht vor der Justiz, sondern ihrem
Missbrauch. Es gibt gute Traditionen, wo oberste Gerichtshöfe
eine positive Korrektur zu der teils problematischen Politik
der Regierungen darstellen und damit Wächter darüber sind,
dass Recht und Gerechtigkeit konvergieren. Oft aber ist die
Justiz Instrument und Repressionsmittel der Herrschenden
– ein altes Thema nicht nur der Oper, sondern auch meiner
Literatur. Der unmäßige Strafvollzug hat mich vor allem in den
späten 60er-Jahren sehr beschäftigt. Damals stellte man sich
sehr stark auf die Täterseite und übertrieb es manchmal,
indem man die Selbstverantwortung des Menschen einfach
wegargumentierte und alles auf die Gesellschaft schob. Trotz
allem hat es sehr viel zu meinem Grundverständnis beigetragen: Selbstverantwortung ja, aber viele Menschen sind auch
Opfer ihrer Verhältnisse, angefangen bei Wozzeck.
MD: Würden Sie sich als Moralist bezeichnen?
RS: Wenn man als Künstler im weitesten Sinne nach einer
Verbindung von Ästhetik und Ethik sucht, muss man sich wohl
als Moralist bezeichnen lassen; aber nicht im engen Sinne,
dass die Moral das Leben erstickt.
he would have been considered a musical
genius of Beethoven’s stature. Arabella,
Elektra, Salomé... those are great operas.
MD: And The Woman without a Shadow?
RS: I am not very familiar with the opera
and have only seen it a couple of times.
‘The emperor must turn to stone!’ –
I still have that phrase in my ear. And
Hofmannsthal and Schnitzler always
spoke in their correspondence of the
‘sunny woman’. I thought that was nice.
MD: Now let’s talk about the Makropulos
Affair. Leoš Janáček had an interesting
hobbyhorse.
RS: (He laughs.) Do you mean National
Socialism?
MD: No, more the melody of the spoken
word.
RS: Seriously: I admire him greatly.
Above all, he did something great in his
last years when he wrote one opera after
another. I have recently seen From the
House of the Dead – a great opera that
has everything you expect from an opera
and it is truly holistic art. In Janáček’s
case, new and old melt together, the old
is at times cited, at times driven ad absurdum by the new, which stimulates both
intellect and soul equally.
MD: He attempted to implement his
melody of the spoken work in practice
by recording everyday language on tape
and letting it flow into the composition
with slight changes.
RS: Maybe that is the reason his recitatives have something authentic about
them.
MD: Janáček’s opera paints a portrait of
the judiciary that mercilessly reveals the
contradiction between law and justice.
Is the judiciary something that you shy
away from?
RS: I am not afraid of the judiciary, but of
its abuse when it tenders itself to power
and is not impartial. There are positive
traditions where the highest courts correct the at time problematic policies of
governments and serve as guardians to
ensure that law and justice converge.
But it is often the case that the judiciary is an instrument and means of repression held by those in power – an age-old
topic not only in opera, but also in my
literature. Excessive penal systems have
interested me since the late 1960s. Back
then, people strongly supported the perpetrator and sometimes went too far by
arguing self-responsibility into oblivion.
Nevertheless, it contributed a lot to my
basic understanding: Self-responsibility,
o.k. But lots of people are the victims of
the circumstances they live under, starting with Wozzeck.
MD: Would you describe yourself as a
moralist?
RS: If, as an artist, you search for a connection between aesthetics and ethics
in the broadest sense, I guess you have
to consider yourself a moralist; but not
in the strict sense where morale suffocates your life.
MD: According to your definition, there
are a lot of moralists that would not generally describe themselves as such.
RS: Exactly, de Sade for instance.
MD: Nach Ihrer Definition gäbe es viele Moralisten, die man
gemeinhin nicht als solche bezeichnen würde.
RS: Genau, de Sade zum Beispiel.
Robert Schindel ist Lyriker, Schriftsteller und Regisseur. 1944
wurde er als Kind österreichischer Kommunisten jüdischer
Herkunft unter dem Decknamen Robert Soel geboren. Seine
Eltern flogen als Mitglieder einer Widerstandsgruppe auf und
wurden deportiert. Sein Vater starb im KZ Dachau.
Robert Schindel lebt und arbeitet in Wien und im Waldviertel.
1992 veröffentlichte er den Roman Gebürtig, der 2001 aufgrund seines großen Erfolges verfilmt wurde. Zuletzt erschienen von ihm Dunkelstein. Eine Realfarce (Haymon) und Mein
mausklickendes Saeculum (Gedichte, Suhrkamp).
Robert Schindel is a lyricist, writer and director. He was
born to Austrian Communists of Jewish origin under
the assumed name of Robert Soel. His parents were
debunked as members of a resistance group and deported. His father died at the concentration camp in Dachau.
Robert Schindel lives and works in Vienna and the
Wood Quarter (Waldviertel). In 1992 he published the
novel Gebürtig, which was made into a film in 2001.
His most recently published works are Dunkelstein.
Eine Realfarce (Haymon) and Mein mausklickendes
Saeculum (poetry, Suhrkamp).
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