Gesänge aus der Fankurve
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Gesänge aus der Fankurve
Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli INHALTSVERZEICHNIS 1. Einleitung S. 01 - 02 1.1 Mein persönlicher Bezug zum Thema S. 01 1.2 Meine Hypothese S. 01 1.3 Mein Untersuchungsplan S.02 2. Der Fan S. 03 - 05 2.1 Der Fussballfan S. 03 2.1.1 Der konsumorientierte Fussballfan S. 04 2.1.2 Der fussballzentrierte Fussballfan S. 04 2.1.3 Der erlebnisorientierte Fussballfan S. 04 - 05 3. Die Fankurve 4. S. 05 - 10 3.1 Der Capo S. 06 - 07 3.2 Der Paukenspieler S. 07 3.3 Die Choreographie S. 08 3.4 Die Pyro S. 08 3.5 Impressionen aus dem Brügglifeld S. 09 - 10 Analysen Fussballgesang S. 11 - 19 4.1 Analyse Fussballmatch FCB vs. FCZ S. 11 - 13 4.2 Analyse Gesang, Ausw. Fanbefragung S. 14 - 15 4.3 Analyse Liedmaterial S. 16 - 19 4.3.1 Die Melodie S. 16 4.3.2 Die Tonhöhe, der Tonumfang S. 17 - 18 4.3.3 Der Rhythmus S. 18 4.3.4 Der Liedtext S. 19 4.3.4.1 Der Jubilus S. 19 4.3.4.2 Die Lobeshymne S. 19 4.3.4.3 Das Kampflied S. 19 4.3.4.4 Der Hassgesang, Schmähgesang S. 19 5. DVD mit Gesängen, Fotos, Videos S. 20 6. S. 21 Schlussfolgerung 6.1 Ein Eigenes Lied kreieren S. 21 6.2 Leadsheet S. 22 6.3 Fazit für den Musikunterricht Oberstufe S. 23 - 24 7. Reflexion S. 24 8. Quellen S. 25 9. Anhang S. 25 -0- Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 1. EINLEITUNG 1.1 MEIN PERSÖNLICHER BEZUG ZUM THEMA Wenig begeistert begleite ich meine Familie am 16. Mai 2007 nach Basel in den St. Jakobspark zu einem Fussballspiel. Es ist ja nicht so, dass ich Fussball nicht ausstehen kann, aber dafür extra nach Basel zu reisen, scheint mir doch etwas übertrieben. Während ich lustlos auf der Tribüne sitze, beginnen die Fans der Muttenzer Kurve mit ihrer Choreographie und ihrem Gesang. Fasziniert höre ich zu und werde mehr und mehr in ihren Bann gezogen. Enthusiastische Gesänge wechseln sich ab mit Sprechchören und rhythmischem Klatschen. Ich staune! Noch nie habe ich so viele gemeinsam singende Menschen (Männer!) gesehen. Die Fans der Muttenzer Kurve schreien einen Vers, die Fans der anderen Sektoren rufen das Echo. Sobald die aus dem Wallis angereisten Fans ihre Mannschaft mit Gesang anfeuern, werden die Basler lauter, um die anderen mit ihren Liedern zu übertönen. Der Kampf findet nicht nur zwischen den Fussballspielern auf dem Rasen statt, sondern auch akustisch zwischen den Fangruppen. Nachdem die Basler mit einem Goal gegen Sion in Führung gehen, singen die Fans aus der Muttenzerkurve spontan „Züri wird närvös“, weil die Zürcher bei einem Basler Sieg wieder um den bevorstehenden Meistertitel zittern müssen. Ich schalte meinen MP3 Player auf „Recording“, um diese Stimmung fest zu halten. Vom Spiel habe ich an jenem Mittwochabend wenig mitbekommen aber die fantastische Stimmung hat mich begeistert. Zufrieden reisen wir im Zug zurück in den Aargau, meine Familie, weil der FC Basel gewonnen hat und ich, weil ich das Thema für meine DV-Arbeit gefunden habe! Dem Fanomen dieser Massengesänge möchte ich auf die Spur kommen. Die Diskrepanz zwischen dem „ich kann nicht singen, ich bin unmusikalisch“, das ich oft hören muss, und dem, was ich heute gesehen und vor allem gehört habe, ist so gross, dass ich mich damit beschäftigen will. Was braucht es, damit die Sangeslust bei selten, bis nie singenden, Personen geweckt werden kann? 1.2 MEINE HYPOTHESE Fangesänge verleiten durch ihre melodische, rhythmische und inhaltliche Einfachheit unmusikalische Personen zu enthusiastischem Mitsingen. -1- Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 1.2 MEIN UNTERSUCHUNGSPLAN Da mir die Fanszene gänzlich fremd ist, werde ich mich zuerst mit diesem Thema auseinandersetzen: • Was ist ein Fan, wodurch zeichnet er sich aus? Im Internet werde ich Antworten suchen zu den Fragen: • Welche unterschiedlichen Fussballfans gibt es? • Wie sind die Fans organisiert, welche Aktivitäten finden rund ums Spiel statt? Ich will Feldforschung betreiben und die akustischen Aktivitäten beim Fussballmatch analysieren: • Welchen Einfluss hat das Singen auf das Spiel? • Welchen Einfluss hat das Spiel auf die singenden Fans? • Was wird gesungen? Texte sammeln. Eine Fanbefragung soll mir aufzeigen: • Was bezwecken die Fans mit ihrem Gesang • Wer organisiert das Singen? • Wie werden die Lieder gelernt? Durch Recherchen auf dem Feld und im Internet, im persönlichen Kontakt mit Fans und im Buch: „Fussball - Fangesänge, eine Fanomenologie“ von Reinhard Kopiez und Guido Brink will ich herausfinden: • Was braucht es, damit ein Lied stadiontauglich ist? Meine Arbeit soll mir Impulse für meinen zukünftigen Musikunterricht geben: • Was kann ich für meinen Unterricht lernen? Welche Voraussetzungen fördern die Lust am Singen? • Wie gross ist die Fussballbegeisterung der Oberstufenschülerschaft Unterkulm? Wäre eine Unterrichtseinheit zu diesem Thema möglich? -2- Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 2. DER FAN Wenn ich ein Freundschaftsbüchlein einer meiner Schüler/innen ausfüllen darf, muss ich stets die Rubrik „ich bin ein Fan von …“ leer lassen. Ich kann mich nicht erinnern, irgendwann in meinem schon längeren Leben für irgendetwas oder irgendwen „gefant“ zu haben. Deshalb beschäftige ich mich zu Beginn meiner Arbeit intensiv mit dem Fan im Allgemeinen und dem Fussballfan im Speziellen. Die Fankultur und die Fangruppierungen werden im Zentrum meiner Beobachtungen stehen. Das Wort Fan stammt aus dem Englischen und ist die Abkürzung für „fanatic“. Das heisst übersetzt „begeisterter Anhänger“. Fan ist nicht ein fussballspezifischer Begriff, die Bezeichnung wird auch für Zuschauer anderer Sportarten verwendet. Ebenfalls spricht man in anderen Bereichen wie Musik und Film von Fans. Gleichgesinnte schliessen sich in Fanclubs zusammen, um ihre Begeisterung zu teilen, Erlebnisse auszutauschen oder um Aktionen zu planen. Auf Google sind 292’000 Einträge (nur Seiten aus der Schweiz) zum Thema Fanclub zu finden, z.B. • Schweizer Achterbahn Fanclub • Patroille Suisse Fanclub • Gianna Nannini Fanclub • Lüthi und Blanc Fanclub • Opel Fanclub ….. um hier nur einige wenige zu nennen. Das „Objekt der Begierde“ kann sowohl eine Person, ein Gegenstand, eine Sache, ein Erlebnis oder eine Gruppe sein. 2.1 DER FUSSBALLFAN Es gibt wohl keine andere Veranstaltung, die mehr Menschen begeistert und in ihren Bann zieht, als ein Fussballmatch. Wochenende für Wochenende pilgern ganze Menschenmassen in die Sportarenen um ein Fussballfest zu feiern. Menschen aus den unterschiedlichsten Schichten kommen zusammen, um ihre Mannschaft anzufeuern, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen und den ganzen Frust des Alltags herauszuschreien. Aus Einzelpersonen entsteht eine Gruppe Gleichgesinnter. Der tanzende und singende Fan erlebt während 90 Minuten ein Wechselbad der Gefühle. Freude und Frust wechseln sich ab. „Fans sind ganz normale Leute, die einmal in der Woche in ihre Rolle als Fan schlüpfen, ansonsten stehen sie als normale Menschen mitten im Leben“ (Kopiez und Brink, 1998, S. 212). An drei Wochenenden habe ich mich unter Fans gemischt, sie beobachtet und ihnen zugehört. Dabei habe ich die unterschiedlichsten Typen kennen gelernt. Auf der Webseite des Fanprojekts Basel (besucht am 03.08.07) finde ich folgende, soziologische Ausdifferenzierung der Fanszene (angelehnt an Heitmeyer und Peter, 1985): -3- Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 2.1.1 DER KOSUMORIENTIERTE FUSSBALLFAN Diese Fans findet man vorwiegend auf den Sitzplätzen. Mit kritischen Augen beobachten sie das Spiel. Sie erwarten einen attraktiven Match und die sportliche Leistung der Spieler steht für sie im Vordergrund. Sie konsumieren vor allem die Highlights. Viele Fans dieser Kategorie bleiben weg, wenn ihre Mannschaft in einem Tief steckt. Sie kommentieren lautstark alle Schiedsrichterentscheide, ärgern sich fluchend über verpasste Torchancen und Fouls, wissen und könnten alles besser als die auf dem Feld. In ihrer Mitte muss ich oft schmunzeln. Fangesänge kann ich hier sehr schlecht verstehen, da diese Fans dauernd am Schwatzen oder Schimpfen sind. 2.1.2 DER FUSSBALLZENTRIERTE FUSSBALLFAN Diese Fans stehen in der „Kurve“, dies ist ein Teil des Stadions (meistens hinter dem Goal), das für aktiven Fans reserviert ist. Ihr Interesse am Fussball ist sehr gross. Man erkennt sie an ihren Accessoires wie Schal, Shirt, Mütze und Fahne. Sie identifizieren sich stark mit ihrer Mannschaft, reisen an alle Auswärtsspiele und scheuen weder Zeit noch Kosten, um eine gelungene Choreographie zu inszenieren. Während dem Spiel unterstützen sie ihren Verein mit Pauken, Gesängen und Klatschrhythmen. Die Fahnen schwenkenden Ultras (aus dem Italienischen = fanatischer Fussballfan) sind meistens zwischen 14 und 28 Jahre alt (Auswertung Umfragebogen) und nicht gewalt-, sondern stark teamorientiert. Ihr Ziel ist es, die perfekte Kurvenshow zu inszenieren. Sie sorgen für Stimmung im Stadion. Sie sind sehr treue Fans und halten bedingungslos zu ihrem Fussballclub, egal, wie erfolgreich er im Moment spielt. Der Verein ist oft ihr Lebensinhalt. Dies kommt auch bei den Texten ihrer Lieder zum Ausdruck, z.B. „Mer send Aarauer, schwarz, wiss ond rot, mer send Aarauer, treu bes en Tod.“ Meistens gehören sie einem Fanclub an. Hier staunte ich nicht schlecht, als ich das erste Mal die Webseite des FC Aarau-Fanclubs besuchte: Aarau hat mehrere offizielle und einige inoffizielle Fanclubs (Basel: 35 versch. Fanclubs!). Je nach Alter und Interessen schliessen sich die Fans einer passenden Gruppe an. Amigos, Fanaten, Fricktaler und Ferox bilden in Aarau den aktiven, fussballzentrierten Fanblock. Über diese Fans werde ich später noch ausführlicher berichten, denn sie stehen im Mittelpunkt meiner Untersuchungen. 2.1.3 DER ERLEBNISORIENTIERTE FUSSBALLFAN Nicht nur der Fussballmatch, sondern auch das spannungsgeladene Umfeld dieser Veranstaltung ist für diese Fans von Wichtigkeit. Wenn die Spannung fehlt, wird sie von diesen Fans oft selbst „produziert“. Unter diese Kategorie gehören die Hooligans, auch Hools genannt. Man geht davon aus, dass dieser Begriff auf eine englische Strassengang zurückzuführen ist, die sich „Hooley“, (aus dem Irischen = wild) nannte. Seit den siebziger -4- Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli Jahren werden Gruppen, die sich regelmässig rund ums Fussballspiel prügeln, Hooligans genannt. Im Fanforum Schweiz schreibt ein Hooligan, er nennt sich Big Blunt, in einem Artikel über Gewalt in Fussballstadien: „…junge Männer fühlen nun mal den Drang, sich mit anderen zu messen. Klar kann man dies auch gewaltfrei beim Schachspiel, (…) tun. Ein paar aber von uns sind archaischer gestrickt und wollen kämpfen. Das hat nichts mit Brutalität und krimineller Energie, aber viel mit Abenteuerlust, Grenzerfahrung, Selbstüberwindung zu tun. Fussballgewalt ist mehr als eine Prügelei. Sie ist ein Real-life-Rollenspiel mit hunderten Beteiligter und ebensoviel Unwägbarkeiten. Adrenalin, Angst, Überraschung. Eben ein sehr spezieller Kick.“ Die Polizei teilt die Fans, entsprechend ihrer Sicherheitsrisiken, in drei Kategorien ein: A-Fan: normaler Fan, macht keine Probleme, kein Gewaltpotential B-Fan: potentiell gewaltbereiter Fan (v. A. unter Alkoholeinfluss) C-Fan: Fan mit erhöhter Gewaltbereitschaft (Hooligan) 3. DIE FANKURVE Die wohl bekannteste Fankurve der Schweiz befindet sich in Basel und nennt sich „Muttenzer Kurve“. Dort treffen sich über 4000 Ultras und sorgen für Stimmung. „Seit der FCB erfolgreich ist, gibt es immer mehr Mode-Fans oder Papis mit ihren Kindern, die die Hardcore-Fans bei ihrem Support stören. Solche Leute gehören nicht in die MK! Wir wollen Fans, die mitsingen, mitklatschen und vor allem stehen!“. http://www.commando-ultras.ch/berichte3.html Muttenzerkurve vor Spielbeginn 22.07.07 Obwohl der FC Basel als grösster Publikumsmagnet der Schweiz gehandelt und seine Fanszene als die Interessanteste beschrieben wird, beschäftige ich mich in meiner Arbeit jedoch vorwiegend mit der Fankurve das FC Aarau. Zum einen, weil ich etwas Lokalpatriotismus betreiben will und zum andern, weil die Fans des FCA sehr treue Fans sein müssen, denn sie wurden in den letzten Jahren nicht mit Erfolgen verwöhnt. Das Brügglifeld in Aarau, auf dem die Heimspiele stattfinden, ist ein kleines, überschaubares Stadion. Nur 9249 Personen finden hier Platz und müssen (dürfen) vorwiegend stehen -5- Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli (z. Vgl. St. Jakobspark Basel fasst über 40'000 Zuschauer, und es hat nur Sitzplätze). Ich kann hier gut herumspazieren, mich unter die unterschiedlichen Fangruppierungen mischen und die Stimmung einfangen. Im Brügglifeld (auch Rüebliacker genannt) stehen die Hardcore Fans nicht in einer Kurve, sondern in einem Sektor gegenüber der Haupttribüne. Bei meinem ersten Matchbesuch mische ich mich nach der ersten Halbzeit unter die Ultras und bin erstaunt! Es ist keine aggressive Stimmung zu spüren, obwohl der FCA mit 2 Toren hinten liegt. Im Gegenteil, nach der Pause beginnen sie wieder mit ihrem innbrünstigen Gesang und „peitschen“ ihre Mannschaft mit Sprechchören zu zwei Ausgleichstreffern. Ich versuche mitzusingen, mitzuklatschen, strecke meine Hände in die Luft und werde eins mit der Gruppe. Zu Hause durchstöbere ich die verschiedenen Fanforen des FCA. Ich suche den Supporter, der während dem Spiel für die gute Stimmung sorgte, um ihm ein paar Fragen zu stellen. Leider bleibt meine Suche erfolglos, auch die vielen, von mir angeschriebenen Fans können mir nicht weiterhelfen. Ebenfalls stosse ich beim Fanprojekt Basel auf taube Ohren. Es werden keine Namen preisgegeben und auch meinen Fragebogen haben sie bis heute nicht weitergeleitet! (siehe Mail im Anhang) Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als beim nächsten Matchbesuch den Einheizer direkt anzusprechen, was mich einige Überwindung kostet! Leider nimmt er mir nicht ab, dass ich nicht von der Presse bin, aber letztendlich erhalte ich seine Handynummer. Später kann ich jedoch das Vertrauen eines anderen Capos gewinnen und dieser öffnet mir Tor und Tür. 3.1 DER CAPO Er wird auch Chantleader („chant“ engl. = Gesang, Anfeuerungsruf), Einheizer, Chefanstimmer, Vorsänger oder Obersänger genannt. Jede Fankurve hat 2 - 4 Capos. Sie stehen durch ihren Mut im Mittelpunkt des Fanblocks, geniessen aber auch einen gewissen Kultstatus und jeder kennt sie. (Jedoch nicht mit richtigem Namen!) Als Chantleader wird nur akzeptiert, wer sich seit langem stark mit dem Verein identifiziert. In Aarau animieren deren drei die Fans zum Mitsingen. Mein Capo will anonym bleiben. Er schreibt mir am 6. Sept. 07: „anonym ist cool, falls du doch irgendwie meine Wenigkeit erwähnen solltest, bitte ich dich, mich „Kobi“ zu nennen, danke“. Kobi fungiert seit etwa drei Jahren als Capo. Am Anfang war er der „Lückencapo“, der bei unattraktiven Spielen zum Einsatz kam, oder wenn Aarau 0:5 hinten lag. Heute heizt er den Fans an jedem zweiten Match ein. Es braucht eine Portion Mut, vorne auf dem Podest zu stehen und die Gesänge, Klatschrhythmen und Sprechchöre anzustimmen. Den Respekt der Szene erachtet Kobi ebenfalls als sehr wichtig. So hat er auch schon öfters Fans, die sich daneben benommen hatten, diszipliniert. Schmähgesänge bringt er dann, wenn er sie angebracht findet. -6- Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli Vor kurzer Zeit wurde ein Aarauer Fan während einer privaten Schlägerei schwer verletzt. Die Fans vom FCZ und von GC manifestierten ihre Anteilnahme mit einem Transparent „Nicky, unsere Gedanken sind bei dir“. Aus diesem Grund hat Kobi bei den letzten Spielen gegen GC Und Zürich die Hassgesänge aus den eigenen Reihen unterbunden. Der Capo steht im Spiel mit dem Rücken zum Spielfeld und dreht sich nur hie und da um, damit er auf das Spielgeschehen reagieren kann. Wenn Aarau z. B. im Rückstand ist, versucht er an die Spieler zu appellieren und stimmt Lieder wie „Kämpfen, Aarau kämpfen“ oder „Auf geht’s Aarau, kämpfen und siegen“ an. Wenn die Mannschaft vorne liegt bringt er schöne Gesänge wie „Der FCA esch wonderbar“ oder „Mer send d’Fans vom FCA“. Wie viel Einfluss er mit dem Gesang auf den Spielverlauf hat, weiss er nicht. Er glaubt jedoch, dass die akustische Unterstützung der Fans bei einem Rückstand etwas bewirken kann. Kobi supportet meistens ohne Megafon (für Auswärtsspiele wäre eine Bewilligung nötig und die Aarauer Capo’s wollen sich nicht als solche registrieren lassen). Seine Stimme vertrage diese Belastung gut, er sei nur körperlich fix und fertig und fühle sich nach dem Match oft, als hätte er selbst gespielt! Die traditionellen alten Lieder gefallen ihm am besten. In seinem Fanclub, den Amigos, haben sie schon selber Lieder kreiert. Einer hat eine Idee, bringt sie vor und dann wird abgemacht, ob sie das Lied beim nächsten Spiel bringen wollen. Eingeübt wird während dem Match, oder auf der Hinfahrt zu Auswärtsspielen. Zuerst könnten nur 5 das Lied, dann 20, dann 200, dann der ganze Block! Akustische Unterstützung erhält Kobi durch den Paukenspieler. (Infos aus persönlichem Gespräch und Fragebogen, siehe Anhang) 3.2 DER PAUKENSPIELER (Infos von Tobias aus Fragebogen, siehe Anhang) Tobias, ein langjähriger FCA Fan, haut fast an jedem Match auf die Pauke. Schon als kleiner Knabe stand er mitten im Block der treuen Anhänger und war von der Pauke fasziniert. Vor 3 Jahren durfte er plötzlich die Pauke übernehmen und merkte schon bald, dass ihm diese Aufgabe besonders liegt (ohne Ausbildung). Einzige Voraussetzung sei ein gutes Taktgefühl und ein grosses Liederrepertoire. Nicht alle Fans lassen sich jedoch von Paukenrhythmen begeistern. So lese ich im Fanforum „ Ich dachte, das mit den Trommeln sei geklärt. Ich will keine Trommeln in der Kurve. Das ist affig und hebt die Stimmung überhaupt nicht. Gibt höchstens so was wie Fasnachtsstimmung (…) Tod allen Trommeln, es lebe der Gesang“ (Konietzka 20.04.07) Die Meinung des Wiler Fans teile ich nicht. Die Trommel gibt Boden, hilft, dass die Fans im Takt bleiben und sorgt alleine für Stimmung, wenn die Fans sich zwischendurch vom Singen erholen wollen. Es gibt auch viele Gesänge, die ohne Trommel- oder Klatschrhythmen nur halb so peppig wären! Hörbeispiel: „Auf geht’s Aarau, kämpfen und siegen“. -7- Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 3.3 DIE CHOREOGRAPHIE Nebst dem akustischen Leckerbissen bieten die Fans auch etwas für’s Auge: Die Idee der Choreographie, kurz Choreo genannt, stammt aus Italien. Mit Fähnchen, farbigen Blättern und Transparenten wird die ganze Fankurve in ein Farbenmeer verwandelt. Grossflächige Bilder, Muster oder Botschaften werden in der Freizeit von wenigen Aktiven kreiert. Neben Basel ist auch Aarau für seine aufwändigen Choreographien bekannt. Wie gut eine Fanszene ist, wird auch an der Choreo gemessen. Mars, ebenfalls ein Amigo, ist Mitglied eines Dreierteams, das die „Bilder“ für Aarau entwickelt. Vor Beginn der Saison werden Ideen gesammelt und ca. 2 Wochen vor jedem Spiel entstehen in ca.100 Arbeitsstunden mit Beamer, Projektor, Plastik, Stoff, Papier, Farben, etc. originelle, kreative Choregraphien, die manchmal zu einem Ereignis passen, oder die Gegner provozieren sollen. Je nach Aufwand helfen dabei 5 – 20 Fans bei den Vorbereitungen mit. Bis vor drei Jahren haben sie alles aus der eigenen Tasche bezahlt, nun dürfen sie einmal im Jahr im Stadion sammeln. Mars bedauert, dass die aufwändigen Kreationen selten im Fernsehen gezeigt werden. Leider werden ihnen vom Fussballverband immer mehr Steine in den Weg gerollt. In Basel müssen sie die Choreo mehrere Wochen vorher anmelden und Mars oder einer seinen Kollegen muss dann die Verantwortung übernehmen. Falls etwas schief läuft, haftet diese Person. Deshalb organisieren die Aarauer auswärts nur noch selten etwas. Weiter ist geplant, dass der Verband die Ideen vorher genehmigen muss. Wenn das komme, ist Mars überzeugt, sei das der Untergang der farbenfrohen Choreographien. 3.4 DIE PYRO Unter Pyro (Pyr aus dem Griechischen = Feuer) versteht man im Fussball das Anzünden von Fackeln, Bengalen und Raucherzeuger aller Art. Obwohl das Abbrennen von sämtlichem Feuerwerk bis hin zur Wunderkerze in den Schweizer Stadien verboten ist, werden oft vor Beginn des Spiels oder in den Pausen die Fackeln gezündet. Ich (K.W.) erinnere mich an die spektakuläre Pyro, welche die Muttenzer Kurve in den Farben rot (ewigi Liebi) und blau (ewigi Treuii) veranstaltet hat. Der Fanblock des FC Aarau verzichtet im Moment darauf, im Brügglifeld Fackeln zu zünden, man möchte das neue Stadion nicht auf’s Spiel setzen! Wer beim Abbrennen von Pyro erwischt wird, erhält Stadionverbot. „Die Szene Basel hat jedoch eine Art rituellen Selbstschutz entwickelt. Fackeln werden niemals einzeln, sondern immer zeitgleich gezündet. (…) In Thun wurde einmal der ganze Block per Wasserschlauch geduscht, um die Fackeln unschädlich zu machen.“ http://www.commando-ultras.ch/berichte5.html Anmerkung: 3 Videos zum Thema Choreographie und Pyro befinden sich auf der beigelegten DVD. -8- Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 3.5 IMPRESSIONEN AUS DEM BRÜGGLIFELD Die „anonymen“ Capos beim Support Unterstützung vom Paukenspieler Tobias zwei 14 jährige Teenager singen aus voller Kehle (auf DVD zu hören). -9- Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli Fantasievolle Choreographien Nicky – unsere Gedanken sind bei dir FCA - Fans, als singende Gruppe vereint - 10 - Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 4. ANALYSEN FUSSBALLGESANG 4.1 ANALYSE FUSSBALLMATCH FCB vs. FCZ , St. Jakobspark Basel, 22. Juli 2007 Am Sonntag, den 22. Juli besuche ich mit meiner Familie das Derby zwischen Basel und Zürich. Höchstspannung ist angesagt, denn die zwei grössten Rivalen im Schweizer Fussball treffen aufeinander. Um diesen Match zu sehen, verschieben wir unsere Reise in die Ferien um einen Tag. Mit einem Diktafon zeichne ich die Stimmung im Stadion und das akustische Geschehen auf den Rängen auf, um sie später zu analysieren. Der Zug mit den FCZ Fans hält direkt hinter dem St. Jakobspark. Singende und grölende Fans steigen aus (auch durch die Fenster) und kommen die Treppe herunter. Sie werden in einem Gitterkorridor zu ihrem Fansektor geschleust und es kommt mir vor, als würden Löwen im Zirkus ins Raubtiergehege gelassen. Bewacht wird diese Prozession von unzähligen „gepanzerten“ Polizisten. Die FCZ Fans lassen sich jedoch nicht einschüchtern und singen lautstark ihr „Züri esch Meischter“- Lied. Obwohl dies ein Siegerlied ist, singen sie es als Provokation gegenüber dem FCB, der den Meistertitel nur knapp verpasst hat. Bevor das Spiel beginnt herrscht sowohl in der Muttenzerkurve, als auch im Gästesektor Hochstimmung. Gesänge dringen nur hie und da zu uns durch, weil sie von Werbung und Musik aus den Stadionlautsprechern übertönt werden. Schade! Zwischendurch höre ich jedoch Melodien ohne Texte von den Baslerfans und den Sprechchor der Zürcher: „Hurra, Hurra, Züri isch da“ Petarden und Fackeln werden gezündet und hüllen die Kurven in Rauch. Der Speaker ruft alle Basler Spieler mit ihren Nummern und Vornamen auf, z.B. „Nr. 8 Benjamin“ und die Menge schreit den Nachnamen „Huggel“. Am Ende ruft der Speaker „Danke“ und die Zuschauer brüllen „Bitte“. Die Fans singen stehend ihre Hymne „Z’ Basel a mim Rhy“. Begleitet werden sie von einer Marschkapelle ab Band. Sie werden jedoch immer schneller und müssen am Ende jeder Strophe auf die Begleitmusik der Kapelle warten die Fans sind heiss! Die Zürcher Fans stören die Hymne mit Pfeifen und FCZ-Rufen. Wiederum klingt Musik ab Band und die Spieler betreten den Rasen. Zu Hause höre ich meine Aufnahmen an und muss feststellen, dass mein Sitzplatz relativ ungünstig positioniert war. Auf der einen Seite stören die Zürcherfans mit ihrer Lautstärke die - 11 - Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli Verständlichkeit der Gesänge der Basler, auf der anderen Seite höre ich die FCZ Fans trotzdem zu wenig, um ihre Gesänge zu verstehen. Ich kann jedoch erkennen, dass sich die beiden Fangruppen oft „dreinsingen“. Die Basler lassen den Zürchern kaum Raum für ihren akustischen Support und überbieten sie mit allerlei Melodien, Klatschrhythmen und Sprechchören. Aus diesem Grund werte ich nur die Aktivitäten der Baslerfans aus. Ich will herausfinden, - Wie viele Lieder werden an einem Spiel gesungen? - Überwiegen Kurzgesänge oder Sprechchöre oder etwas anderes? - Sind während dem Spiel gesangliche Veränderungen z.B. Ermüdungserscheinungen sichtbar? - Verändert sich der musikalische Support vor oder nach dem einzigen Goal z.B. bei der Liederwahl? Ich teile die akustischen Äusserungen der Fans in folgende Kategorien ein: Pfeifen Melodien ohne Text Klatschrhythmen Sprechchor Kurzgesänge Lieder Es wird öfters gepfiffen, aber richtige Pfeifkonzerte höre ich nur deren drei. Zwei haben mit Schiedsrichterentscheiden zu tun, mit dem anderen übertönen die Basler das Meisterlied des FCZ. Klatschrhythmen kann ich in regelmässigen Abständen hören. Es fällt mir jedoch auf, dass zwischen der 60. und 70. Spielminute kaum geklatscht wird. Es ist ein spannungsgeladener Zeitabschnitt, in dem auch das entscheidende Tor fällt. Kann es sein, dass ein gemeinsamer Rhythmus nur in ruhigen, evtl. langweiligeren Spielzügen möglich ist, dass die Fans mit dem Klatschen dem Spiel mehr Power geben wollen? Ist es möglich, dass rhythmisches Klatschen, im gemeinsamen Takt bleiben volle Konzentration benötigt und deshalb in dieser spannungsgeladenen Zeitspanne zu Überforderung der Fans führen könnte? Auffällig wenige Sprechchöre sind zu hören („Spiel mit Speaker nicht gerechnet): Zweimal versuchen sie den Gegner zu beleidigen, viermal feuern sie den FCB an. Den Sprechchören verwandt sind die Kurzgesänge. Inhaltlich bieten sie nicht viel mehr, aber der Text ist minimal vertont (2 – 4 Töne). Ich habe 16 Kurzgesänge gezählt. Es fällt mir auf, dass kurz bevor das einzige Tor fällt, mehrmals gesanglich dazu aufgefordert wird: „Schiessed doch es Goal“! Kann es sein, dass die Fans mit ihrer lautstarken Aufforderung, ein Goal zu schiessen, das Spiel beeinflusst haben? Kopiez und Brink glauben nicht an die direkte Beeinflussung des Spiels durch Gesang. Sie vertreten die Meinung, dass - 12 - Gesänge aus der Fankurve Geräuschkulissen Katharina Woodtli eher störend auf komplizierte Spielzüge wirken könnten (wie Hausaufgaben mit Lautsprecherrauschen erledigen). Sportpsychologisch betrachtet, sollten die Fans eher dann lärmen, wenn der Gegner eine Torchance wittert um ihn abzulenken und schweigen, wenn die eigene Mannschaft in einer viel versprechenden Szene steckt. Eine interessante These, jedoch glaube ich andere Beobachtungen gemacht zu haben. Auch die Fans glauben, mit ihrem Support direkten Einfluss auf’ s Spiel nehmen zu können (Auswertung Umfrage bei Fans). Wie stark ein Schiedsrichter von den stimmlichen Anstrengungen der Fans beeinflusst werden kann zeigt eine Studie, die belegt, dass bei Heimspielen die Chance einen Elfmeter zu erhalten 3 Mal grösser, hingegen vor heimischem Publikum einen Platzverweis zu erhalten 3 Mal kleiner ist. (Kopiez und Brink, S. 167) Die Basler Fans müssen sehr melodiös sein. Viele Melodien ohne Text erklingen während dem Spiel. 21 Mal, in regelmässigen Abständen singen sie wunderschöne Melodien, mit lololo, nanana, oeoeoe und oléoléolé.. Es fällt mir auf, dass die meist bekannten Melodien etwas komplizierter sind, vielleicht wären sie mit Text gesungen zu anspruchsvoll. Die Königsdisziplin unter den Fangesängen sind die „richtigen Lieder“. Hier gibt es jedoch riesige Unterschiede. Die einen sind relativ anspruchsvoll, was Tonumfang, Text, Rhythmus und Länge betrifft. „Z’Basel a mim Rhy“ gehört seiner Länge wegen sicher in diese Kategorie. Ansonsten höre ich viele bekannte Melodien, mit einfachen Texten (Go West, Yellow Submarine, River’s of Babylon…).Es fällt mir auf, dass in der ersten Spielhälfte bedeutend mehr Lieder gesungen wurden. Machen sich gegen Ende des Matchs etwa Ermüdungserscheinungen sichtbar? 20 gesungene Lieder sind aber eine stattliche Zahl! Grosse Polizeiaufgebot Ankunft der FCZ Fans Fackeln und Bengalen werden in den Kurven gezündet - 13 - Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 4.2 ANALYSE GESANG, AUSWERTUNG FANBEFRAGUNG Kopiez und Brink diskutieren in ihrem Buch (S.42 /43), weshalb gerade im Fussball und Eishockey soviel gesungen wird, wohingegen bei anderen Mannschaftssportarten wie Rollhockey, Wasserball, Beachvolleyball kaum bis nie Gesang zu hören ist. Sie kommen zum Schluss, dass die Struktur der Sportart eine wichtige Rolle spielt. In einer Sportart wie Basketball, wo pro Spiel oftmals 100 Korbtreffer erzielt werden, hält Dauerspannung an. Im Fussball, mit seinem langsamen Spielaufbau und seinen wenigen Treffern wechseln sich Spannung und Entspannung ab. Zwischen den Höhepunkten gibt es viel Zeit Emotionen zu zeigen und Raum zum Singen. Bei meiner Feldforschung habe ich das Wechselbad der Gefühle direkt miterlebt. Auf meinem Diktafon kann ich meine spontanen Anfeuerungsrufe („Hopp, Super, Jo“) bei einem hoffnungsvollen Spielzug ebenso hören, wie meine Frustrationsäusserungen („Nei, Ou schad“) über einen Ballverlust oder eine vergebene Torchance. Spannung und Entspannung können durch Gesang noch intensiver miterlebt werden. Nach einer stressigen Arbeits- oder Schulwoche stehen die Fans in ihrem Block und verrichten wiederum harte Arbeit mit ihrem Support. Warum geniessen sie nicht einfach den Match und lehnen sich gemütlich zurück? Weshalb mühen sie sich während zwei Stunden mit Singen, Klatschen und Schreien ab? Um dieser Frage auf die Spur zu kommen, habe ich in vielen Fanforen recherchiert und einen Fragebogen kreiert, den 21 Fans ausgefüllt haben. 4 davon sind weiblich, das durchschnittliche Alter beträgt knapp 20 Jahre und sie sind vorwiegend FC Aarau oder Basel Fan. Bei der Auswertung wird deutlich, dass beim Singen Emotionen im Spiel sind: • „Gute Stimmung, Tausende singen zusammen, das schafft eine einzigartige Atmosphäre, macht Spass mit andern / Freunden zu singen.“ • „Gutes Zusammengehörigkeitsgefühl“ • „Emotionen loswerden (Frust, Trauer, Freude und Ärger)“ Die meisten Fans glauben auch, dass ihr Gesang bei den Spielern etwas bewirkt: • „Ich singe, um die Spieler zu unterstützen, sie anzufeuern, sie zu Höchstleistungen anzutreiben, damit sie gewinnen die Mannschaft spielt besser“ • „Wir sind der 12. Mann auf dem Feld“ • „Treuebekenntnis an die eigene Mannschaft, den Spielern zeigen, dass wir hinter ihnen stehen.“ Sie wollen aber auch den Gegner, die gegnerischen Fans verunsichern • „Übermacht demonstrieren, Gegner an die Wand singen.“ • „Den anderen Fans zeigen, was eine echte Kurve ist.“ - 14 - Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli Die meisten der befragten Fans bezeichnen sich als „schlechte oder mittelmässige Sänger“ und nur zwei von ihnen singen in einem Chor. Nur knapp die Hälfte der 14 – 28 -jährigen Befragten sang oder singt gerne in der Schule. Ihr Fussballlieder - Repertoire ist sehr unterschiedlich, die meisten kennen aber mehr als 15 Songs. „Das Stimmorgan ist das Werkzeug für den höchstmöglichen Grad des emotionalen Ausdrucks“ (Darwin 1872, in Kopiez und Brink, S.155) Bei meinen Aufnahmen in Aarau sind vor allem zwei 14- jährige enthusiastisch singende Teenager zu hören (siehe DVD). Es fällt auf, dass sie alles geben, ihre Stimme jedoch oft an ihre Grenzen stösst. Die Fans schreien und singen mit weit geöffnetem Mund. Kopiez und Brink vergleichen diese Mundstellung mit einem „Apfelbeisser“, wohingegen Belcantosänger/innen der Klassik mit „Bananenlutscher“ verglichen werden. Sie unterstellen den Fussballfans, dass ihre Singweise einen aggressiven Grundcharakter mit „Biss“ hat. „Vergegenwärtigt man sich den klanglichen Charakter der Fangesänge, dann fällt es schwer zu glauben, dass sich das Bedürfnis nach Singen aus einem lustvollen, wenig aggressiven und intensiven Schreien in zufriedene Zustände entwickelt haben soll (…). Für unsere Ohren trägt der Fangesang vielmehr das Hauptmerkmal des Schreiens aus Unlust“. (S. 159) Nachdem ich dies gelesen habe, höre ich mir nochmals meine Aufnahmen von Aarau und Basel an und kann die Meinung von Kopiez und Brink nicht teilen. Man kann das Singen Schreien nennen, aber mit der Unlust bin ich nicht einverstanden! Texte wie Schallala und Oléoléolé, oder auch „mer senge nor för de“, „ you only sing when youre winning“ zeugen von Lust und Spass am Singen. Ebenfalls habe ich in meiner Fanauswertung keine Antworten gefunden, die diese These von Kopiez stützen. Sogar Schmähgesänge, die sich gegen die „Feinde“ richten, können lustvoll sein („Basler Stürmer zeiget’s dene Würmer“) und Spass beim Singen machen! Wie singen die Fans ihre Lieder, wenden sie eine bestimmte Technik an damit ihre lauten Stimmen diese Belastung verträgt? Ich gehe davon aus, dass die meisten Fans keine Gesangsausbildung genossen haben und mit viel Druck ihre Stimmbänder zum Schwingen bringen. Auch werden sie bei zu hohen Tönen kaum von der Bruststimme in die Kopfstimme wechseln, sondern mit noch mehr Druck die hohen Töne herauspressen. Dies ist einer gesunden Stimme sicher nicht förderlich. Zu diesem Thema könnte man jedoch eine eigene DV - Arbeit verfassen. Ich beschränke mich in meiner Arbeit mehr auf das Emotionale, mich interessiert das Inhaltliche und Melodische von Fangesängen. Wie muss ein Lied sein, damit es massentauglich ist und von Personen, die in ihrer Freizeit selten bis nie singen, enthusiastisch gesungen werden kann? - 15 - Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 4.3 ANALYSE LIEDMATERIAL 4.3.1 DIE MELODIE Im St. Jakobsstadion und im Brügglifeld habe ich viele „alte Evergreens“ gehört. Ich kenne sie durch die Schule, die Pfadi oder durch das Radio. Zum Teil höre ich Schlagermelodien, zum anderen erkenne ich Gospelmusik. Popmelodien wechseln sich mit Volkstümlichem ab. Die Melodien werden von bestehenden Liedern „geklaut“ und umgetextet. Dies heisst in der Fachsprache Kontrafaktur http://de.wikipedia.org/wiki/Kontrafaktur „Melodien werden nicht erfunden, sondern gefunden“. (Kopiez und Brink, S.189). Sie müssen einfach sein, ohne Ecken und Kanten. Die etwas komplizierteren Melodien werden entweder nur mit Silben gesungen, oder sie werden abgeändert, dem Text angepasst: Töne werden weggelassen, lange Pausen werden verkürzt und komplizierte Rhythmen werden vereinfacht. Kopiez und Brink nennen das „Zersingen“. Das Lied „Aarau, emmer nome Aarau“ (Originalmelodie „What shall we do with the drunken sailor“) ist stark abgeändert worden. Das rhythmisch schnelle „What shall we“ (3 Silben) wird mit Aarau (2 Silben) ersetzt und der komplizierte Refrain mit den punktierten Noten wird mit Schallala gesungen. Speziell an diesem Lied ist die Choregraphie des Songs: die eine Hälfte der Fans singt bei der Strophe nur „Aarau“ die andere Hälfte „emmmer nome“. Durch diesen Wechselgesang bekommt das Lied Power, obwohl es gegenüber dem Original vereinfacht wurde. Ich konnte bei den beiden Teenagern spüren, wie dieses Lied sie begeistert. Ich erinnere mich an die Zeit in der Pfadi zurück, wo wir dieses Lied nonstop, als Endlosschlaufe am Lagerfeuer gesungen haben. Weitere Melodien, die ich gehört habe: Originallied, wie ich es kenne Dr’Eskimo Interpret / Herkunft Komponist Mani Matter Mer send met em Velo do (Over the Glory Land) Guantanamera Traditional Gospel südamerikanisch Ob-La-Di, Ob-La-Da Good Night Ladies Che sera, sera Pippi Langstrumpf Glory, Glory, Halleluja Oh when the saints Go West Beatles engl. Volkslied Doris Day Konrad Elfers Gospel Gospel Village People Pet shop boys Yellow submarine Rivers of Babylon Lady in Black I am sailing Beatles Boney M. Uriah Heep Rod Stewart neuer Text neues Meisterlied des FCZ (Text nicht gefunden) Wo sind die St. Gallerfans Basel mer send stolz of de You only sing when you’re winning ein FC Basel, es gibt nur ein FC Basel FCB, FCB, FC Basel Glory, Glory FC Basel Die Nr. 1 der Schweiz sind wir Olé, super FCB Steh auf, wenn du für Basel bist Steh auf, wenn du für Aarau bist Allez Basel, olé, olé Allez Hopp, aalez FCB, allez Hopp FCB Nananana Wir woll’n Aarau, wir woll’n Aarau - 16 - Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 4.3.2 DIE TONHÖHE, DER TONUMFANG Damit Frauen, Männer und Kinder gemeinsam singen können, sollte der höchste Ton eines Liedes g (für Männer) und g’ (für Frauen und Kinder) nicht überschreiten. Beim einem a können nur noch die wenigsten Männer mitsingen und die Stimme leidet. (Kopiez und Brink, S. 148/149/191). Ich analysiere einige meiner Musikbeispiele: Liedtitel Tonumfang Allez Basel olé, olé, olé Die Nr.1 sind wir FCB, FCB, FC Basel You only sing when your winning alle oh Ihr könnt fahrn nach Hause Aarau emmer nome Aarau Wir sind die Jungs A–a (a-a’) H–fis ( h-fis’) Gis-gis (gis – gis’) E - fis ( e – fis’) H-e ( h – e’) H - fis ( h – fis’) A-a ( a – a’) B - es ( b – es’) Auswirkungen Die Fans sinken beim 2. Durchgang um ½ Ton optimale Tonlage Tonumfang ( Ambitus) umfasst eine Quinte eindeutig zu hoch, die Fans singen gis’ nicht richtig Der Tonumfang beträgt eine None. Das fis’ singen sie optimal, aber das e ist für viele zu tief! Alle Töne können gleich laut gesungen werden, Tonumfang Quarte macht die Melodie einfach Optimale Tonlage Alle Töne werden gleich laut gesungen Rahmenintervall: Quinte Das Lied ist def. zu hoch, das a’ kommt nicht Rahmenintervall: Oktave anspruchsvoll Tonlage optimal Tonumfang Quarte, einfach, dafür mit Klatschrhythmen Beim Untersuch von je 2 gleichen Liedern des FC Basel und des FC Aarau habe ich festgestellt, dass die Lieder jeweils mit nur einem halben Ton Unterschied angestimmt wurden. Dabei muss erwähnt werden, dass die Capos die Lieder immer ohne Hilfsmittel anstimmen. (beigelegte DVD) Fazit: Idealerweise werden Lieder mit einem Tonumfang von einer Quinte oder Sexte gesungen. Wird das Lied vom Capo auf der richtigen Tonhöhe angestimmt, können alle Sänger/innen sowohl den höchsten, als auch den tiefsten Ton mit optimaler Lautstärke singen. Wird das Lied zu hoch angestimmt hat es eine Chance sich auf die richtige Stufe einzupendeln, wenn es lange genug gesungen wird (es reguliert sich von selbst). In den Stadien hört man viele Kurzgesänge, bestehend aus 2 - 4 Noten, die sehr einfach zu singen sind und welche die Fans schnell lernen (Vorsingen, Zuhören, Mitsingen) F C Be F C Be F C F C F C Be Kinder und Frauen: e’ e’ e’ g’ g’ g’ d’ d’ g’ g’ e’ c’ c’ Männer: e e e g g g d d - 17 - g g e c c Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli Nebst der Tonhöhe ist auch die Tonabfolge wichtig. Ein Lied, das nicht auf dem Grundton (Tonika) endet, sondern auf der Quinte (Dominante) lädt zum Weitersingen ein, und kann beliebig oft wiederholt werden (Endlosschleife, Looping). Grosse Tonschritte sind zu vermeiden, weil diese schwieriger zu treffen sind. Einfacher sind Sekund- und Terzabfolgen zum Singen. (vergl. Kopiez und Brink, Kapitel 10) 4.3.3 DER RHYTHMUS Kopiez und Brink haben die rhythmischen Strukturen der Fussballieder analysiert und festgestellt, dass sie sehr einfach sind. So kommen nur neun verschiedene rhythmische Werte vor, wobei die meisten Lieder mit drei bis fünf verschiedenen Notenwerten auskommen. (Vergl. Kapitel 4) Synkopen sind nur selten zu finden. Pausen sind nur kurz, längere Pausen werden verkürzt, oder mit Klatschrhythmen gefüllt. Gerade Takte werden ungeraden vorgezogen. Das Tempo, der Metronomwert liegt zwischen 120 und 160. Der Metronomwert von 152 Schlägen pro Minute (alle 400 Milisekunden einen Schlag) ist das geeignete Tempo, wo die wenigsten Personen dazu neigen, schneller zu werden (S. 144 – 146). Wenn ein Lied jedoch zu langsam angestimmt wird, werden die Fans von selbst immer schneller (z.B. „Schallalalla“ und „FCB, FCB, FC Basel“ auf DVD). Ansonsten ist der Paukenspieler für das richtige Tempo mitverantwortlich. Zwei Rhythmen, die oft in Fussballstadien zu hören sind: (Kopiez und Brink, S. 71 und 73) - 18 - Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 4.3.4 DER LIEDTEXT 4.3.4.1 Der Jubilus Die Fans singen oft Melodien ohne Texte, nur mit Silben: Lalalalala, nananana, eoeoeoeo. Hier steht vor allem die Melodie im Vordergrund. Schwierigere Melodien werden oft mit Schallalas gesungen. „Lady in Black“ habe ich als Jubilus gehört. Wollen die Fans aber eine Botschaft rüber bringen, brauchen sie Worte 4.3.4.2 Die Lobeshymne In diesen Liedern wird die Mannschaft verehrt. Sie bekunden mit ihren Texten ihre Treue zu ihrem Club: „mer senge nor för de“, „mer send emmer för de do“, öb e guete oder schlächte Ziite send mer emmer treu derbii“, „FC Basel, treu bes zom Stärbe“ um hier nur einige Beispiele zu nennen. Oft wird dazu das Schalspannritual zelebriert. Drei meiner befragten Fans singen am Liebsten solche Lieder: “Ich finde lange, langsame Lobeshymnen, welche man bei einem Sieg oder einem denkwürdigen Ereignis singt sehr beeindruckend.“ (männl. 22) 4.3.4.3 Das Kampflied Mit diesen Liedern wollen die Fans die Spieler zu Höchstleistungen anspornen: „Kämpfen Aarau, kämpfen“, „Auf geht’s Aarau – kämpfen und siegen“. 4.3.4.4 Der Hassgesang, der Schmähgesang Mit diesen Texten machen sich die Fans weniger über die generische Mannschaft lustig, als viel mehr über die gegnerischen Fans. Die Gegner diffamieren, am besten mit Herabsetzung ihrer Männlichkeit oder sie mit Texten wie: „Göhnd hei ehr Buebe vo Lozärn“, „Es kommt eine Zeit, in der die Brücke (Kappelbrücke) wieder brennt“, „Zürich ist die Scheisse der Nation“, Basler Stürmer zeiget’s dene Würmer“, „eure Eltern sind Geschwister“ provozieren, ist für viele erst im Schutze der Gruppe möglich. Wichtig ist bei diesen Liedern, dass sie in der anderen Kurve verstanden werden, deshalb sind diese Lieder einfach und werden möglichst laut gesungen, gebrüllt. Sprechchöre mit wenig Text hört man sehr oft: „Hu, Hu, Hu, Hu, Hueresöhn“. In meinen Augen werden hier manchmal Grenzen überschritten! Es gibt auch Fans, die bei solchen Gesängen nicht mitmachen: „Ziel ist es den Gegnern eine Übermacht zu demonstrieren (…) manchmal auch durch Parolen, was ich sehr schade finde (männl. 20). (Begriffe Jubilus, Lobeshymne, Schmähgesang von Kopiez und Brink übernommen - 19 - Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 5. DVD MIT GESÄNGEN, FOTOS, VIDEOS - 20 - Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 6. SCHLUSSVOLGERUNG 6.1 EINE EIGENES LIED KREIEREN Mit meinem Wissen, das ich mir während dieser Arbeit angeeignet habe, möchte ein eigenes, stadiontaugliches Lied kreieren. Mit dieser Übung habe ich die Möglichkeit, meine Ergebnisse zu überprüfen. Zuerst brauche ich einen Hit, der populär und bekannt ist. Ich stöbere in meinen „inneren Archiven“ nach einem geeigneten Lied mit einem grossen Hitfaktor. Die Melodie die mir spontan einfällt ist Polo Hofer’s „Alperose“. Obwohl dieses Lied nie als Single veröffentlicht wurde, hatte das Stück sehr grossen Erfolg. 2006 wurde dieses Lied vom Fernsehpublikum zum grössten Schweizer Hit aller Zeiten gewählt. Im diesjährigen Skilager wurde es zum Lagerhit erklärt: Hitfaktor erfüllt! Auf der Skipiste und auf dem Sessellift konnte ich die Schülerschaft stets den Refrain singen hören, somit besitz es Ohrwurmqualität! Es ist ein Schweizer Mundartlied, somit gehört es in die Kategorie Volkslied. Ich werde nur den Refrain verwenden, somit wird das Lied mit 4 Zeilen kurz. Der Tonumfang beträgt eine verminderte Sexte. Der Refrain besteht aus 4 Tönen (für Männer eine Oktave tiefer): a,c’,d’,f’) die so angestimmt werden können, dass sowohl der höchste, als auch der tiefste mit voller Lautstärke gesungen werden kann. Die Tonabfolge ist sehr einfach. Die Takte 1+5+9 , 2+6 und 3+7 sind melodisch identisch (Melodiewiederholungen). Das Tongeschlecht ist Dur, somit wirkt es fröhlich und aufgestellt. (Aus diesem Grund werde ich keinen Hassgesang kreieren!) Die Taktzahl ist gerade (4/4). Ich habe das Lied (den Refrain von Alperose) von 16 auf 14 Takte gekürzt, damit am Schluss keine grosse Pause entsteht und die Fans wieder von Vorne beginnen können. Ob das sinnvoll ist, wird sich beim Singen mit den Fans zeigen. Die anderen grossen Pausen (nach der 1. und 2. Textzeile fülle ich mit Schallalala, im Original spielen hier die Instrumente ein Solo. Drei Zeilen beginnen mit „Alperose“ – ich wähle auch eine Wort, mit dem ich die drei ersten Zeilen beginne. „Alperose“ hat 4 Silben, betont die 3. Silbe – ich wähle „FC Aarau“ Hier einige Textideen (Mein erster Versuch, einen Fussballsong zu kreieren, ist mittelmässig gelungen, er wirkt etwas brav! Aber wer weiss, in der Kurve ?) 1. 2. FC Aarau – do send mer debii FC Aarau – wird höt Sieger sii FC Aarau - mer gloube fescht a deh Mer möchte dech als Meischter gseh 3. FC Aarau – do send mer debii FC Aarau – wird höt Sieger sii FC Aarau – mer füüre de höt aa Ond senge der es Schallala - 21 - FC Aarau – do send mer debii FC Aarau – wird höt Sieger sii FC Aarau - du besch ned eleii Ond Zöri cha grad weder heii Basel GC Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli - 22 - Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 6.3 FAZIT FÜR DEN MUSIKUNTERRICHT Bei meiner Arbeit, meinen Recherchen war die Oberstufen - Schülerschaft stets in meinem Hinterkopf präsent. Zum einen, weil diese Altersstufe im Stadion häufig anzutreffen ist, zum anderen, weil ich mich ja zu Beginn meiner Arbeit fragte, wie ich das Potenzial der Singfreudigkeit bereits in der Schule nutzen könne. Begeisterung beim Singen zu wecken ist sicher eines meiner wichtigsten Ziele für den künftigen Unterricht. Mögliche Faktoren könnten mir dabei helfen (sind jedoch nicht sakrosankt): • Das Singen in der Gruppe macht Spass. Man fühlt sich in der Masse „geschützt“ und nicht bloss gestellt. 4. Bez.schüler: „In der Masse hört man mich nicht, auch wenn ich ganz laut singe“! Hier eignen sich auch klassenübergreifende Projekte. • Ohrwurmmelodien mit hohem Hitfaktor sind angesagt. • Stehen gibt eine andere Haltung, sowohl für den Körper, als auch für die Einstellung zum Singen. (Fussballfans wollen stehen!) • Einstimmiges Singen führt nicht zu Überforderung, sondern gibt Sicherheit! • Beim Singen ohne Notenblatt werden mehr Emotionen freigesetzt. Die Schülerschaft kann sich nicht hinter dem Blatt verstecken! Lieder auswendig singen. • Begleitung mit Klatschrhythmen, einfachen Schlaginstrumenten erzeugt Power. Ich sehe zwischen der Funktion des Capos und meiner Aufgabe als Musiklehrkraft sehr viele Parallelen. Ich gebe den „Takt“ an, animiere die Klasse zum Mitmachen, bin aber auch offen für Ideen aus der Klasse und greife diese, falls möglich, auf. Ich schaffe Situationen, wo sich die Schülerschaft produzieren kann, um ihre Fähigkeiten der Öffentlichkeit zu präsentieren. Fazit: Wer mit Freude und Begeisterung Musik vermittelt, kann viel mehr erreichen! Die Auswertung meiner Umfrage an 9 Oberstufenklassen in Unterkulm : Auswertung Umfrage Oberstufe Unterkulm 32.3 35 30 26.8 % 25 20 15.9 12.8 15 7.9 10 4.3 5 0 w m aktive Fans, welche öfters ein Spiel besuchen w m passive Fans, die gerne Fussball am TV - 23sehen - w m können nichts mit Fussball anfangen Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli Dieses Ergebnis ermutigt mich, das Thema Fangesang im Musikunterricht zu thematisieren. Geeignete Melodien suchen und neuen Text dazu dichten. Eine eigene, einfache Melodie erfinden und daraus einen Kurzgesang entwickeln. Fangesänge können im Hinblick auf die EM, für den FC Aarau, für den heimischen FC Kulm, oder aber auch für ein Jubiläum (beliebte Lehrkraft, Hauswart….) kreiert werden. 7. REFLEXION Wie in der Einleitung erwähnt, bin ich in eine mir fremde Welt eingetaucht. Zuerst stöberte ich im Internet und loggte mich in Fanforen ein. Einerseits faszinierten mich die Diskussionen, die dort stattfinden, andererseits befremdeten mich gewisse Ansichten. Nebst dem Matchbesuch vom 16.05.07, wo ich mit dem „Fussballvirus“ angesteckt wurde, besuchte ich noch drei weitere Spiele: • FC Basel vs. FC Zürich (22. Juli) • FC Aarau vs. FC Grasshoppers (5. Aug.) • FC Aarau vs. FC Zürich (2. Sept.) Diese Spiele fanden statt, bevor ich mich intensiv an meine Arbeit machen konnte, d.h. während den Wochen 36 – 38 fanden keine Axpo Super League Spiele mehr statt. Gerne hätte ich in dieser Zeit nochmals einen Match besucht, um meine Ergebnisse zu überprüfen. Den Fragebogen für die Fans habe ich relativ früh konzipiert, deshalb habe ich auch Fragen gestellt, auf die ich an anderer Stelle Antwort bekommen hätte. Dafür fehlen Fragen wie: - wie oft besuchst du einen Match (um zu sehen, wie „treu“ dieser Fan ist)? - wie lange bist du schon Fan von …? Was fasziniert dich am Fanblock? - Singst du während dem ganzen Spiel, wenn nein, weshalb nicht? - Leidet deine Stimme nach einem Match und wie wirkt sich das aus? Schwierigkeiten bereitete mir vor allem das Finden eines Capos. Mit Glück und Mut (meinerseits) kam es dann doch noch zu einem Treffen. Durch ihn habe ich grossen Einblick in die Fanszene erhalten und mein Verständnis für die Fangruppe der Ultras, die in den Medien oft als Chaoten dargestellt werden, ist grösser geworden. Die Kreativität, mit der die Kurvenshow (Gesang, Choreo und Pyro) jeweils inszeniert wird, begeistert mich! Meine Hypothese, dass Fangesänge unmusikalische Personen durch ihre melodische, rhythmische und inhaltliche Einfachheit zu enthusiastischem Singen verleiten, hat sich bestätigt. Trotzdem ist es nur die halbe Wahrheit! Die einzigartige Atmosphäre in der Grossgruppe, das Klangergebnis und die tolle Stimmung tragen ebenfalls zum Gelingen bei. Den Einfluss von Alkohol auf die Singfreudigkeit habe ich absichtlich nicht thematisiert. Erstens gaben mir die Fans keinen Anlass dazu und zweitens wären die Ergebnisse für das Singen auf der Oberstufe nicht relevant! - 24 - Gesänge aus der Fankurve Katharina Woodtli 8. QUELLEN LITERATUR Kopiz, Reinhard und Brink, Guido, Fussball - Fangesänge, Eine FANomenologie, 1998, Königshausen & Neumann. KONTAKTE Diverse anonyme Fans, die Fragebogen ausgefüllt haben „Kobi“ (Capo von Aarauer Fans, Amigo) „Mars“ (Leiter Choreographie FC Aarau, Amigo) „Tobias“ (Paukenspieler FC Aarau) INTERNET http://adrian.schattenburg.ch/hobbies_fangesang.php http://www.amigos-aarau.ch/ Nixky unsere Gedanken sind bei dir http://www.commando-ultras.ch/berichte3.html http://www.hool-ultras.de/ Aufnahmen von Basler Gesängen Muttenzer Kurve kann verbotene Pyro bestellt werden http://www.fanaten-aarau.ch/ffaarau.php?page=geschichte http://www.fan-forum.ch/forum/ Ansichten von Fans http://www.fanprojekt-basel.ch/ Kategorisierung Fans http://www.fansicht.ch/ inoffizieller Fanclub, Ultra was du wissen musst (Rechstlage) http://www.fcaarau.ch/cont/fanclubs.php Seite der offiziellen Fanclubs http://www.fcafanpics.ch/2006/index.htm Videos zu Choreo und Pyro (auf meiner DVD) http://www.fcbforum.ch/forumdisplay.php?f=3 Ansichten von Fans http://www.muttenzerkurve.ch/neues.cfm?cmd=detail&id=165 9. ANHANG Auswertung Fragebogen Fans FCB vs FCZ Protokoll vom 22. Juli 2007 Liedtexte FC Aarau Liedtexte FC Basel 10. ANHANG SEPARAT - 25 - Fuessball ghört allne