Management of Neuromuscular Diseases - Letter 4
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Management of Neuromuscular Diseases - Letter 4 Das Post-Polio-Syndrom Mathias Tröger · Reinhard Dengler Einleitung Bereits Charcot berichtete erstmals 1875 über zunehmende Paresen eines Mannes, der in seiner Kindheit eine Poliomyelitis erlitten hatte [1]. Nach Ende der letzten großen Polioepidemien in den 60er Jahren und der Einführung der Impfungen nach Sabin und Salk schwanden die Polio und ihre Opfer aus dem Blickfeld. Etwa dreißig Jahre nach den letzten großen Epidemien in Deutschland entwickeln sich nun bei einem Teil der Betroffenen neue Symptome, die man unter dem Begriff Post-Polio-Syndrom zusammenfassen kann. Die Angaben zur Häufigkeit schwanken. Zwischen 20 und 80 Prozent der ehemaligen Polioopfer entwickeln nach einem durchschnittlichen stabilen Intervall von ca. 30 Jahren neue Symptome, die als Spätfolgen der akuten Erkrankung aufzufassen sind. Schätzungen gehen von 10.000 bis 50.000 Betroffenen in Deutschland aus [2]. Diagnostische Kriterien Im wesentlichen müssen die folgenden fünf Kriterien erfüllt sein, um die Diagnose eines Post-PolioSyndromes (PPS) zu stellen [3]: durchgemachte Poliomyelitis, klinisch stabiles Intervall von mind. 10 Jahren, neue neuromuskuläre Symptome, in der Untersuchung nachweisbare Residuen der akuten Polio an mindestens einer Extremität (Atrophie, Reflexausfall, Sensibilität intakt), Ausschluß anderer Ursachen für die neuen Symptome. Durchgemachte Poliomyelitis Jahrzehnte nach der akuten Erkrankung liegen nur bei den wenigsten Patienten noch Originalunterlagen vor. Dennoch sollte versucht werden, die Wahrscheinlichkeit abzuschätzen, ob tatsächlich eine Polio vorgelegen hat. Hilfestellung dabei leisten diagnostische Kriterien für eine akute Poliomyelitis von 1948: mit Poliomyelitis vereinbarer Verlauf, Fieber, Nackensteife oder steifer Rücken, Liquorzellzahl während der akuten Phase10 – 500/µl, Liquoreiweiß erhöht, nachweisbare Paresen. Mindestens drei dieser Kriterien sollten erfüllt sein. Einschränkend muß angemerkt werden, daß in vielen Fällen die erforderlichen Informationen nicht zur Verfügung stehen. Hier helfen Angaben über Polioepidemien der Umgebung, eine fieberhafte Erkrankung mit Entwicklung von Paresen nach Abklingen des Fiebers und die typischerweise ausgestanzte Verteilung der residualen Parese weiter. Serologische Untersuchungen führen wegen der weitgehenden Durchimpfung der Bevölkerung und 1 von 11 Management of Neuromuscular Diseases - Letter 4 Übertragung der Impfviren auch auf die Umgebung bei dieser Abschätzung nicht weiter. Symptome Die Symptomatik des PPS ist vielgestaltig. Dalakas und Mitarbeiter haben das PPS nach den im Vordergrund stehenden Beschwerden nochmals in zwei Untergruppen unterteilt: den muskuloskeletalen Typ mit Schmerzen in Muskeln und Gelenken und die postpoliomyelitische progressive Muskelatrophie (PPMA). Auch wenn diese Einteilung zur Bezeichnung von Extremformen ihre Berechtigung hat, leidet die überwiegende Zahl der Patienten doch an einer Kombination aus beiden Komplexen. In abnehmender Häufigkeit klagen die Patienten über [/45]: Müdigkeit bzw. abnorme Ermüdbarkeit (85–90%), Muskelschmerzen (70–85%), Gelenkschmerzen (70–80%), Schwäche in zuvor betroffenen (70–85%), und klinisch nicht betroffenen (50–75%) Muskelgruppen, Kälteintoleranz (30–55%) und neue Atrophien (30–40%). Dies schlägt sich, wiederum in abnehmender Häufigkeit, in folgenden Funktionen des täglichen Lebens wieder: Gehen (65–85%). Treppen steigen (60–80%) sowie Ankleiden und Körperpflege (15–60%). Die Symptomatik ist häufig vielgestaltig und wenig objektivierbar. Dies führte vor dem breiteren Bekanntwerden des Syndroms zunächst häufig zur Diagnose funktioneller Beschwerden und hatte nicht selten diagnostische Odysseen zur Folge. Auch wenn während der akuten Polio keine bulbäre Beteiligung bestand, lassen sich bei einem erheblichen Anteil der Patienten Schluckstörungen nachweisen. Bei eingehender Diagnostik zeigte sich bei 31 von 32 untersuchten Patienten, von denen lediglich 12 bulbäre Symptome während der Akutphase hatten, Störungen des Schluckaktes [6]. Nachweisbare Residuen In der klinischen Untersuchung nachweisbare asymmetrische Atrophien, Paresen und Reflexausfälle ohne begleitende Sensibilitätsstörungen stellen die typischen Residuen einer durchgemachten Polio dar. In elektromyographischen Untersuchungen lassen sich auch in klinisch scheinbar gesunden Muskeln zum Teil ausgeprägte neurogene Veränderungen nachweisen. Tabelle 1 Typische Nervenkompressionssyndrome bei Post-Polio-Patienten Nerv Ursache N. medianus N. ulnaris (Loge de Guyon) Vermehrte Belastung der Hände durch Gehstützen. 2 von 11 Management of Neuromuscular Diseases - Letter 4 N. ulnaris (Sulcus) Aufstützen der Ellbogen für mehr Rumpfstabilität oder beim Übersetzen. Plexus brachialis Schlecht angepaßte Mieder bei Skoliose. N. peronaeus (Fibulaköpfchen) Ungünstige Haltung in Rollstuhl oder schlecht angepaßte Orthesen. Diagnostik und Differentialdiagnosen Spezifische Testverfahren, die das Vorliegen eines PPS beweisen oder ausschließen gibt es nicht. Auf die Schwierigkeiten, eine durchgemachte akute Polio nach langer Zeit zu sichern, wurde bereits eingegangen. Ergänzend sei angemerkt, daß es keine glaubhaften Fallberichte über das Auftreten von PPS nach Fällen einer nicht-paralytischen Polio gibt. Wichtig ist es, das Ausmaß verbliebener Residuen möglichst genau zu erfassen, u.U. auch mit Hilfe von Fotos, Fremdanamnesen usw., um eine mögliche Progredienz besser abschätzen zu können. Bei der notwendigen Diagnostik hat es sich bewährt, nach den vorliegenden Leitsymptomen vorzugehen: Schwäche Wichtig ist es zunächst, neu auftretende oder zunehmende Schwäche in einzelnen Muskeln von schmerzbedingter Schonung und generalisierter Ermüdung abzugrenzen. Engpaßsyndrome sind bei PPS-Patienten vermutlich häufiger als in der Normalbevölkerung und teils in typischer Art durch die Residuen bedingt [7] (Tab.1). Ebenso kann es zu zervikalen oder lumbalen Wurzelkompressionen kommen. Bei langsam wirksamer Kompression, z.B. im Rahmen degenerativer Prozesse, können radikuläre Schmerzen gelegentlich fehlen. Auch eigenständige neuromuskuläre Erkrankungen wie Polyneuropathien, Myasthenie, Polymyositis oder Muskeldystrophien sollten durch geeignete Untersuchungen ausgeschlossen werden. Lange wurde diskutiert über eine mögliche Assoziation des PPS mit der klassischen Amyotrophen Lateralsklerose. Nach derzeitigem Wissensstand lassen sich hierfür keine Anhaltspunkte finden. Bei vielen Patienten, die über zunehmende Schwächen im Bereich der unteren Extremitäten und Gangverschlechterungen klagen, lassen sich Gewichtszunahmen im Zeitraum vor Einsetzen der neuen Paresen finden [8/9]. Müdigkeit Abnorme, generalisierte Müdigkeit stellt häufig einen wichtigen Aspekt im Beschwerdebild dar. Ähnlich wie bei anderen neurologischen Erkrankungen, z.B. der Multiplen Sklerose, ist der pathophysiologische Hintergrund im Rahmen des PPS bisher unverstanden. Diskutiert werden sowohl zentrale wie auch muskuläre Ursachen. Basierend auf Sektionsstudien akuter Poliofälle und MR-Untersuchungen werden durch Polioviren induzierte Läsionen der Formatio reticularis als Auslöser diskutiert [10]. In MR-spektroskopischen Untersuchungen der Muskulatur fanden sich aber auch Hinweise auf eine Störung der intramuskulären Signalübertragung [11]. Auch wenn die Häufigkeit depressiver Verstimmungen bei PPS Patienten sich nicht von der Normalbevölkerung unterscheidet[12], sollte doch durch geeignete Exploration eine depressive 3 von 11 Management of Neuromuscular Diseases - Letter 4 Stimmungslage ausgeschlossen werden. Letztlich kann sich jede schwere Allgemeinerkrankung wie Hypothyreose, Anämie, Herzinsuffizienz, Diabetes durch abnorme Müdigkeit äußern. Besonderes Augenmerk sollte auf die respiratorische Situation gelegt werden, vor allem bei Patienten mit durch Paresen der Atemmuskulatur oder ausgeprägter Skoliose eingeschränkter Vitalkapazität. Bei Angabe vermehrter Tagesschläfrigkeit, morgendlicher Kopfschmerzen und Schnarchen sollte auch an ein Schlaf-Apnoe-Syndrom gedacht und entsprechende Diagnostik eingeleitet werden. Tabelle 2 Wichtige Zusatzuntersuchungen Untersuchung Indikation EMG/NLG Sichern einer abgelaufenen neurogenen Schädigung als Ursache von Atrophien Ausschluß anderer neuromuskulärer Störungen Polyneuropathie, Engpaßsyndrom / Radikulopathien, Endplattenstörungen, Myopathien Quantitative Muskeltestung Dokumentation für Verlaufsuntersuchungen Lungenfunktion Ausschluß relevanter Beteiligung der Atemmuskulatur Ausgangswert für Verlaufsuntersuchungen Oximetrie/Schlaflabor Bei entsprechendem klinischem Verdacht: Ausschluß/Nachweis relevanter (nächtlicher) Hypoxien CK Leichte Erhöhung häufig bei starker Überlastung. Starke Erhöhung z.B. bei Myopathien Kraniales oder spinales CT/NMR Ausschluß fokaler Strukturdefekte oder Einengungen (z.B.spinale Stenosen) Röntgen von Gelenken Nachweis degenerativer Veränderungen und Fehlstellungen Psychiatrische Exploration Ausschluß depressiver Symptome Andere serologische und bildgebende Verfahren Ausschluß anderer Allgemeinerkrankungen abhängig von Anamnese und Untersuchungsbefund (z.B. Hypothyreose, Anämie usw.) Schmerz Die Einordnung von Schmerzzuständen ist vor allem von den Angaben des Patienten abhängig. Ausgeprägte Paresen und Atrophien und dadurch ausgelöste Fehlhaltungen prädisponieren zum einen zu degenerativen Skelett- und Gelenkveränderungen sowohl der betroffenen als auch, infolge kompensatorischer Überbeanspruchung, der gesunden Extremitäten. Daneben sind häufig generalisierte Muskelschmerzen, die teils belastungsabhängig sind, wichtiger Bestandteil des Beschwerdekomplexes. Der Schmerzcharakter ist teils dumpf und drückend, teils eher brennend und oberflächlich lokalisiert. 4 von 11 Management of Neuromuscular Diseases - Letter 4 Pathophysiologische Überlegungen Autoimmunphänomene oder Viruspersistenz Großes Aufsehen erregte die Veröffentlichung von Sharief et al. [13], in der eine andauernde intrathekale Immunantwort gegen Polioviren beschrieben und als Hinweis auf eine Virenpersistenz gewertet wurde. Allerdings konnten diese Ergebnisse in Folgeuntersuchungen nicht reproduziert werden, so daß es derzeit keine gesicherten Hinweise auf eine Persistenz von Polioviren als Ursache von PPS gibt [14]. Übereinstimmend berichten viele Autoren über eine erhöhte Inzidenz oligoklonaler Banden im Liquor von PPS Patienten. In der Serie von Dalakas wiesen 7 von 13 Patienten positive Banden auf [3]. Eine Antigenspezifität konnte, bis auf die obengenannte Arbeit nicht belegt werden. Muskelbiopsien zeigten in 13 von 35 Fällen leichte entzündliche Veränderungen in Form von perivaskulären oder interstitiellen Infiltraten. Ein daraufhin durchgeführter, doppelblinder, plazebokontrollierter Therapieversuch mit Prednison zeigte jedoch keine positiven Effekte [15]. Insgesamt bleibt das Bild immunologischer Auffälligkeiten uneinheitlich. Routineblutuntersuchungen wie Blutsenkung, Blutbild, Immunglobulindifferenzierung sind typischerweise normal. Autoantikörper kommen in gleicher Häufigkeit wie in der Normalbevölkerung vor. Die Frage, ob es sich bei den obengenannten Auffälligkeiten um Epiphänome oder pathogenetisch bedeutsame Veränderungen bei einer Minderheit der Patienten handelt, bleibt derzeit ungelöst. Therapeutische Ansätze ergeben sich jedoch nicht. Natürliche Alterung Von einigen Autoren wurde diskutiert, die progredienten Paresen seien allein durch physiologische Alterungsvorgänge erklärbar, die bei einer durchgemachten Poliomyelitis bei weniger verbliebenen Motoneuronen lediglich wesentlich deutlicher zutage träten. Sektionsstudien ergaben jedoch, daß normalerweise die Zahl der Motoneuronen erst nach dem 60.Lebensjahr in nennenswerter Zahl abnimmt, so daß Alterungsvorgänge bei älteren Patienten möglicherweise eine Rolle spielen, die Beschwerden der typischerweise 40- bis 50jährigen Patienten aber nicht erklären können. Überlastung von Motoneuronen Im Rahmen der akuten Poliomyelitis kommt es zu einer generalisierten Schädigung der Motoneurone. Untersuchungen haben ergeben, daß ca. 50% der Motoneurone ausfallen müssen, bis sich klinische Paresen nachweisen lassen. Im Anschluß an die akute Lähmungsphase setzt eine oft dramatische Restitution ein, die teils auf die Wiederaufnahme der Funktion partiell geschädigter Motoneurone teils auf Reinnervation denervierter Muskelfasern durch Sprossung benachbarter Einheiten zurückzuführen ist. In der Konsequenz sind die motorischen Einheiten nach einer durchgemachten Polio bis zum fünffachen des Normalen vergrößert, bei teils vorgeschädigten Motoneuronen. In Biopsien sowohl aus klinisch stabilen als auch aus Muskeln mit zunehmender Schwäche fanden sich einzelne N-CAM positive (neural-cell adhesion molecule, ein Marker für frische Denervierung) Muskelfasern verteilt über den gesamten Muskelquerschnitt [3]. Dies wird als Hinweis auf den Untergang einzelner terminaler Axonsprossen gewertet. Im konventionellen EMG läßt sich pathologische Spontanaktivität, als Zeichen ablaufender Denervierung, sowohl in progredient paretischen als auch in klinisch stabilen Muskeln nachweisen. Das Einzelfaser-EMG 5 von 11 Management of Neuromuscular Diseases - Letter 4 zeigte erhöhten Jitter als Zeichen einer Instabilität der neuromuskulären Übertragung einzelner Axonsprossen [16]. Zusammenfassend ergibt sich somit der Nachweis erheblich vergrößerter motorischer Einheiten mit ständiger Denervierung und Reinnervation. Die hiermit verbundene erhebliche metabolische Belastung der teils vorgeschädigten Motoneurone führt zur Dekompensation, so daß nicht mehr alle Muskelfasern unmittelbar wieder reinnerviert werden können. Auch wenn der letzte Beweis für diese Hypothese aussteht, wird sie von den meisten Autoren derzeit favorisiert [17]. Verlauf Zum Krankheitsverlauf existieren widersprüchliche Angaben. Während Dalakas in seiner grundlegenden Arbeit – basierend auf manueller Muskeltestung – eine durchschnittliche Kraftabnahme von ca. 1% pro Jahr angibt, erschienen kürzlich zwei prospektive Langzeituntersuchungen, in denen sich jeweils keine sichere Progression nachweisen ließ [18/19/20]. Weder in quantitativen noch in elektrophysiologischen Verlaufskontrollen ließ sich eine sichere Progression nachweisen. Allerdings räumen die Autoren ein, daß langsam zunehmende Paresen nur weniger Muskeln durchaus durch die Mittelwertbildung übersehen werden könnte. Jedenfalls sind rasch progrediente Paresen und Atrophien untypisch für ein PPS und sollten zur Suche nach anderen Ursachen veranlassen. Therapie Ausgehend von den o.g. pathophysiologischen Überlegungen muß man betroffenen Patienten empfehlen, eine weitere Überbeanspruchung der paretischen Muskulatur zu vermeiden. Die jeweiligen Ansatzpunkte können nur gemeinsam mit dem Patienten ausgehend von Beschwerdebild und Verteilung der Paresen erarbeitet werden. Im Einzelfall kann dies die zeitweise Benutzung eines Rollstuhles oder orthopädischer Hilfsmittel bedeuten, aber auch die Aufgabe oder Umstellung körperlich belastender beruflicher Tätigkeiten oder Freizeitaktivitäten. Es sollten regelmäßige Pausen geplant werden, bevor Erschöpfung eintritt. Physikalische Therapie Bei krankengymnastischen Therapien muß natürlich auch – unter Berücksichtigung der o.g. pathophysiologischen Überlegungen – eine Überbeanspruchung der Muskulatur vermieden werden. Gleichwohl stellt schonende, der jeweiligen Leistungsfähigkeit angepaßte Krankengymnastik eine wichtige Säule im therapeutischen Gesamtkonzept dar. In einer Reihe von Studien konnte gezeigt werden, daß es möglich ist, durch langsam aufbauende, nicht ermüdende Übungen die Kraft einzelner Muskelgruppen [21] und auch die kardio-respiratorische Leistungsfähigkeit [22] ohne unmittelbare negative Effekte zu steigern. Allerdings fehlen bisher Langzeituntersuchungen, die über eventuelle Spätwirkungen Aufschluß geben könnten. Die besten Erfolge sind im Training von nur mäßig betroffenen Muskelgruppen (Kraftgrad 4/5 nach der MRC-Skalierung) zu erwarten. Wichtig ist, daß sowohl Therapeuten als auch Betroffene Abschied nehmen von der Devise „No pain, no gain". 6 von 11 Management of Neuromuscular Diseases - Letter 4 Bitte klicken Sie auf die Grafik, um eine detailliertere Darstellung zu erhalten. Medikamente Kontrollierte Studien zur medikamentösen Therapie des PPS existieren nicht. Folgende Medikamente haben sich im klinischen Alltag bewährt. L-Carnitin L-Carnitin, das physiologisch für den Transport der Fettsäuren über die mitochondriale Membran benötigt wird, verbessert in einer Dosierung von 2 ¥ 1g/die bei vielen Patienten die Leistungsfähigkeit der Muskulatur. Insbesondere eine Steigerung der muskulären, aber auch allgemeinen Ausdauer sowie Linderung von dumpfen Muskelschmerzen werden übereinstimmend von vielen Patienten berichtet. Nicht alle Patienten sprechen auf diese Medikation an und bei einem Teil der Patienten scheint die Wirksamkeit im Lauf der Zeit nachzulassen. Hier kann sich nach einer Auslaßphase erneut eine positive Wirkung einstellen. Pyridostigmin Durchaus naheliegend ist es, die abnorme Ermüdbarkeit der Muskulatur bei elektrophysiologischen Hinweisen auf eine Instabilität der Endplattenregion bei PPS Patienten mit Acetylcholinesterasehemmern zu therapieren. In einer offenen Therapiestudie [23] mit Pyridostigmin 3¥60mg/die gaben 16 von 27 Patienten eine subjektive Verbesserung der Müdigkeit an. Allerdings ist dieser Therapieansatz durchaus mit Zurückhaltung zu sehen. Eine andauernde 7 von 11 Management of Neuromuscular Diseases - Letter 4 Überstimulation der ohnehin instabilen Endplattenregion kann zumindest theoretisch die Dekompensation beschleunigen und so auf lange Sicht schädlich wirken. Aufgrund dieser Unsicherheiten setzen wir zur Zeit Pyridostigmin nicht routinemäßig in der Therapie von PPS-Patienten ein. Amitryptilin In Dosierungen von 50 – 100 mg/die können mit diesem Medikament insbesondere chronische Schmerzsyndrome relativ gut beeinflußt werden. Zudem kann eine gewisse Antriebssteigerung erreicht werden. Schwierigkeiten kann die initial auftretende Müdigkeit bereiten. Eingehende Aufklärung über den temporären Charakter dieser Nebenwirkung und erst später einsetzende Therapieeffekte sind für den Erhalt der Compliance unabdingbar. Amantadin und Seligelin Einzelfallberichte beschreiben gute Erfolge in der Therapie von Müdigkeit mit beiden Substanzen. In unserer Erfahrung sprechen zumindest einige Patienten mit exzessiver Müdigkeit gut auf eine der Substanzen an. Psychosoziale Unterstützung Häufig erfordern die Beschwerden einschneidende Einschränkungen der Aktivitäten zusätzlich zu den oftmals therapeutisch nur unvollständig zu beeinflussenden Schmerzen. Somit fällt der Unterstützung und Bestärkung des Patienten eine nicht zu unterschätzende Rolle im therapeutischen Gesamtkonzept zu. Literatur [1] Charcot JM Raymond Paralysie essentielle de l'enfance: atrophie musculaire consécutive. Gaz Med (Paris) 1875; 4: 225–6 [2] Böthig B, Dittman S Spätfolgen der spinalen Kinderlähmung: Das Post-Polio-Syndrom. Bundesgesundheitsblatt; 1992: 408–410 [3] Dalakas MC, Elder G, Hallett M et al. A long-term follow-up study of patients with post-poliomyelitis neuromuscular symptoms. N Engl J Med 1986; 314: 959–63 [4] Agre JC, Rodriguez AA, Sperling KB Symptoms and clinical impressions of patients seen in a postpolio clinic. 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