Entspannungsverfahren in der Zahnmedizin
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Entspannungsverfahren in der Zahnmedizin
Entspannungsverfahren in der Zahnmedizin - Teil 3 Beanspruchte Wirkungen Nach den Ergebnissen der Konsensuskonferenz der Fachgruppe "Entspannungsverfahren" im Berufsverband Deutscher Psychologen (3) scheint sich PM - nach dem Stand von 2004 - vor allem in folgenden Indikationsbereichen bewährt zu haben: • Angst und Phobie • Aggressionsstörungen • Alkoholismus • Asthma • Alzheimer-Erkrankung • Bruxismus • Chronische Müdigkeit • Colon Irritabile • Depression • Diabetes Typ II • Ess-Störungen • Glaukom • Hauterkrankungen • HIV • Hypertonie • Immunabwehrstörungen • Koronare Herzkrankheit • Multiple Sklerose • Parkinson-Krankheit • Phantomschmerzen • Posttraumatische Belastungsstörung • Rheumatische Schmerzen • Schlafstörungen • Spannungskopfschmerz • Sprachstörungen • Tinnitus • Verspannungen, Abgespanntheit • Zwangsstörungen Die Harvard Medical School (HMS), welche sich an den National Standards im Gesundheitswesen der USA orientiert, listet mehr als 60 Indikationen auf, bei denen sich PM - angeblich - bewährt hat. Wirksamkeitsnachweise Eine Übersicht über Wirksamkeitsnachweise bis 2005 gibt die Harvard Medical School (HMS) mit 99 aufgeführten Studien (www.intelihealth.com, Stichwort "relaxation"). In der folgenden Übersicht werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst. Indikationsbereich Kommentar (HMS) 1 Angst und Stress Arthritis Asthma Corea Huntington Depression Fibromyalgie Gesichtslähmung Gynäkologische Probleme Herz- und Kreislaufprobleme Immunsystem Kopfschmerzen Moderate Reduktion von Angst, Phobien (z.B. Agoraphobie), Zahnarztangst und Ängsten in Folge von Erkrankungen oder vor anstehenden Eingriffen. Verbleibende Unklarheiten bezüglich der PM-Spezifik (Einzel-/Gruppen-Setting, mit/ohne Tonträger u.ä.). Funktionsverbesserung und Ansteigen der Lebensqualität bei rheumatischer Arthritis (wenige, ältere Studien). Lang anhaltende Reduktion des subjektiven Schmerzes bei Osteoaethritis in einer Studie, PM möglicherweise geeignet, um Analgetika-Konsum zu reduzieren. Signifikante Reduktion von Asthma-Symptomen, Angst, Depression sowie Ansteigen der Maße für Lebensqualität und der Lungenfunktion. Unklare Ergebnisse für einen Vier-Wochen-Zeitraum (PM und multisensorische Stimulation). Vorübergehende Reduktion von Depressionssymptomen. Reduktion von F.-Schmerz in einer Studie nachgewiesen, andere Studien mit widersprüchlichen Ergebnissen. Geringeres Wiederauftreten von Reizdarm-Problemen. Gute Erfolge in Kombination mit Selbstmassage, Entspannungsübungen, Synkinese-Verhinderung, Koordinations- und emotionalen Ausdrucksübungen. Verbesserung körperlicher und emotionaler Symptome beim prämenstruellen Syndrom. Vorübergehende Reduktion von menopausaler Symptomen. Reduktion der Pulsfrequenz, des systolischen und diastolischen Blutdrucks, geringere Stress-Wahrnehmung und verbessertes Gesundheitsbewusstsein bei Bluthochdruck. Reduktion von Angst, Depression, Frequenz von Angina-Pectoris-Symptomen, von Medikamenten-Verbrauch und körperlichen Einschränkungen. Reduktion der Fehlwahrnehmungen nach Herzanfall. Positive Wirkung auf Herz-Arythmien in Kombination mit Biofeedback. Verbesserung der Lebensqualität und der geistigen Fitness bei HIV/AIDS. Reduktion von Übelkeit im Rahmen von Chemotherapie. Reduktion der Stärke von Kopfschmerzen bei Kindern und von Migräne-Symptomen bei Erwachsenen. Positive Auswirkungen auf die selbst wahrgenommene Schmerzfrequenz, Schmerzintensität und -dauer, Lebensqualität, Gesundheitsstatus, schmerzbedingter Einschränkungen und Depression. Keine Wirkung. Posttraumatischer Stress Raucherentwöhnung Reduktion von Rückfälligkeit bei Teilnehmern an einem vollständigen Trainingsprogramm. Schlaflosigkeit Hilfe beim Einschlafen bzw. zu längerem Schlaf. Kognitive Formen (z.B. Meditation) scheinen körperbezogenen Formen (z.B. PM) jedoch überlegen zu sein. Tinnitus Verbesserung bei Tinnitus-Problemen. Zwangsstörungen Widersprüchliche Ergebnisse. Anzumerken ist, dass die HMS bei allen genannten Ergebnissen entweder auf die Notwendigkeit neuerer Studien bzw. der Bestätigung in größeren Stichproben oder auf Mängel in den Forschungsdesigns hinweist. Es gibt also keinen Indikationsbereich ohne eine dieser Einschränkungen. Als vergleichsweise positiv nennt die HMS die Untersuchungen über Angst, Depression, Schmerz, Schlaflosigkeit, prämenstruelles Syndrom und Kopfschmerz. Die Stiftung Warentest (7) nennt im gleichen Sinne die Bereiche Angstneurose, Asthma, Bluthochdruck, Migräne bei Kindern und Osteoarthrose. 2 Kontraindikationen und Nebenwirkungen Für die PM sind keine Nebenwirkungen im üblichen Sinne (Organschädigungen, Suchtpotenzial, Therapeuten-Abhängigkeit u.ä.) bekannt. Allerdings kann die PM - wie auch andere Entspannungsverfahren bei sehr angespannten Menschen Übelkeit und Kopfschmerz auslösen und kann Migräne verstärken (1). Andere Nebenwirkungen (z.B. Muskelschmerzen) sind in der Regel auf ein Übermaß an Anspannung bzw. auf unzureichende Übungserfahrungen zurückzuführen. Als Kontraindikation kann allgemein gelten, dass bei einer vorliegenden kognitiven Einschränkung (fehlendes Instruktionsverständnis für die Übungen) oder bei einer aktuellen psychotischen Störung von der PM - ebenso wie von anderen Entspannungsübungen - abzuraten ist. Die folgende Übersicht der Konsensuskonferenz (3) gibt im Einzelnen derartige Kontraindikationen wieder. Kontraindikationen für die PM Zeitweise bestehende Kontraindikationen Permanente Kontraindikationen • Verwirrtheitszustände • Neurologische Systemerkrankungen, die sich bei Muskelkontraktion verschlechtern • akute psychotische Zustände • schwere Intelligenzeinschränkungen • chronische neurologische Störungen (z.B. Muskelspastik, Torsionsdystonien) • chronifizierte Psychosen (z.B. Schizophrenie, anhaltende wahnhafte Störungen) Die HMS weist daraufhin, dass die PM bei Menschen mit psychiatrischen Problemen eher ungeeignet ist und bei Herz- oder Bluthochdruck-Problemen nur mit Vorsicht verwendet werden sollte. Abgesehen davon eignet sie sich nicht als alleinige Methode der Wahl. Gesamteinschätzung Die PM kann unter allen Entspannungsverfahren als die nachweislich effektivste Methode gelten. Sie eignet sich für eine Vielzahl von Anwendungsbereichen, besonders in Kombination mit anderen medizinischen oder verhaltenstherapeutischen Maßnahmen. Die PM lässt sich relativ leicht erlernen, wobei die positiven Effekte relativ schnell auftreten. Sie eignet sich für den häuslichen Gebrauch (Entspannung, Stressprävention) ebenso wie im Rahmen der Kuration, Prävention und Rehabilitation. Man darf sich von dieser Methode allein allerdings noch nicht die Gewinnung eines stressfreieren Lebens erhoffen, weil dies eine Änderung des Lebensstils, verschiedener Lebensgewohnheiten und möglicherweise auch der Lebensziele erfordern würde. Prof. Dr. H.-W. Hoefert Vorheriger Teil: 1. Progressive Muskelentspannung Nächster Teil: 2. Biofeedback 3 Anmerkungen (1) Mayer, K.C.: Progressive Muskelentspannung. www.neuro24.de/entspan.htm (2) Ohm, D. (2001): Progressive Relaxation bei Kindern und Jugendlichen. Entspannungsverfahren, 18, 9-18 (3) Ohm, D. (2004): Progressive Relaxation: Ergebnisse der Konsensuskonferenzen zur PR. Entspannungsverfahren, 21, 83-89 (4) Ohm, D. (1992): Progressive Relaxation. Überblick über Anwendungsbereiche, Praxiserfahrungen und neuere Forschungsergebnisse. Report Psychologie, 1, 27-43 (5) Doubrawa, R. (2006): Progressive Relaxation - neuere Forschungsergebnisse zur klinischen Wirksamkeit. Entspannungsverfahren, 23, 6-18 (6) Harvard Medical School (2005): Relaxation Therapy. www.intelihealth.com (Stichwort) (7) Stiftung Warentest (Hg.) (2005): Die andere Medizin. Berlin (Eigenverlag), 260-263 Allgemeine Literaturempfehlungen (auch für Patienten geeignet) • Brenner, H. (2002): Progressives Entspannungstraining. Praxis der Tiefmuskelentspannung. Lengerich (Pabst) • Ohm, D. (2000): Progressive Relaxation für Kids. Stuttgart (Trias) • Ohm, D. (2003): Stressfrei durch Progressive Relaxation. Stuttgart (Trias) 4