Die Schutzmantelmadonna - schmidt

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Die Schutzmantelmadonna - schmidt
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Das Fugger Epitaph mit der Schutzmantelmadonna
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Das Motiv der Schutzmantelmadonna war im 14. und 15.
Jahrhundert weit verbreitet. In einer Zeit der politischen
Unsicherheit, der wirtschaftlichen Krisen, der allgemeinen Rechtlosigkeit und der Bedrohung durch Pest, Hungersnot und Krieg war die Sehnsucht nach Geborgenheit
und Sicherheit nur zu verständlich. Diese Sehnsucht äußert sich in dem Bedürfnis, sich an jemanden wenden zu
können, der Hilfe und Trost gewähren konnte.
Man ist verwundert über die Vielzahl der Darstellungen,
die sich mit der Schutzmantelmadonna beschäftigen. Die
Suche im Internet unter Bilder mit dem Stichwort
„Schutzmantelmadonna“ zeigt eine überwältigende Fülle
von Einträgen. Zu den schönsten gehört sicherlich die
sogenannte Ravensburger Schutzmantelmadonna von
Michel Erhart, die die Staatlichen Museen, Preußischer
Kulturbesitz, Skulpturengalerie, Berlin besitzen.
An der Nürnberger Sebalduskirche findet man zwischen
Turm und dem Marienportal das Fuggersche Epitaph mit
dem Schutzmantelbild Mariä aus dem Jahre 1473. Dieses
Epitaph ist im Vergleich zu den berühmten, anderen Madonnen eher schlicht und unscheinbar. So ist es z.B. nur
ein Relief aus einfachem Sandstein und nicht farbig gefasst. Trotzdem ist es liebenswert. Schließlich liebt man auch seine eigenen Kinder, selbst
wenn andere Kinder unter Umständen schöner, gescheiter und vielleicht sogar braver sind.
Unter dem Mantel scharen sich die Familienmitglieder des Stifters. Es handelt sich auf der
linken Seite um den Vater Jakob Fugger der Ältere und seine 7 Söhne, darunter der verstorbene Peter, der hier bestattet wurde. Sein Tod in Nürnberg war der Anlass für das Epitaph.
Auf der rechten Seite sieht man die Mutter Barbara mit den 5 Töchtern.
Es zeugt von dem Familiensinn und dem Zusammengehörigkeitsbewusstsein der Fugger, dass
nicht Peter, der Verstorbene im Vordergrund steht sondern dass sich die gesamte Familie unter den Schutz der Maria stellt.
Unter der Schutzmantelmadonna erscheint das kreisrunde Medaillon mit dem Wappen der
Fugger von der Lilie und die folgende, ganz verwitterte und kaum noch lesbare Inschrift:
„A.D. 1473 am Sonntag nach Bartholomei tag starb Peter Fugger von Augsburg, der hier
begraben liegt, dem gott gnädig sey. Amen“.
Eine etwas ausführlichere Beschreibung der einzelnen Familienmitglieder, die auf dem Epitaph erscheinen und ihrer aufschlussreichen Lebensgeschichten findet man im Anhang Die
Fugger. Besonders interessant sind Peter Fugger selbst und sein viel berühmterer Bruder Jakob der Jüngere oder der Reiche. In diesem Zusammenhang wird dann auch deutlich, wie es
kam, dass ein Mitglied der Augsburger Fugger in Nürnberg begraben liegt und warum von
der ganzen Familie Fugger in Nürnberg ein Epitaph gestiftet wurde.
Welche Bedeutung kann ein Sandsteinepitaph aus dem Jahre 1473 für uns Heutige noch haben? Bleibt wirklich nur das geschichtliche oder das kunsthistorische Interesse?
Ein Kunstwerk möchte eine Aussage machen, die den ganzen Menschen mit Kopf, Herz und
Hand erreicht. Es möchte uns überzeugen und überreden, indem es sich an unser inneres
Empfinden und an unser Gefühl wendet. Gleichzeitig möchte es auch anregen, tätig zu werden und nicht nur im interesselosen Wohlgefallen zu verharren. Und schließlich ruft es auch
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den Verstand auf, der prüfen soll, ob das, was das Kunstwerk ausdrücken will, auch gut,
wahr und richtig ist.
Um dieses Ziel zu erreichen, verlässt sich ein Kunstwerk nicht auf rationale Sprache und klar
definierte Begriffe. Ein Kunstwerk ist keine philosophische Abhandlung. Es setzt vielmehr
Bilder und Metaphern ein, die eine ganze Welt entstehen lassen können und die im Betrachter etwas zum Schwingen bringen, was durch nüchterne Sachaussagen allein nicht angeregt
werden kann.
Die Wirkmächtigkeit eines Kunstwerkes hängt davon ab, wie gut es dem Kunstwerk gelingt,
diese Aufgaben zu erfüllen und diese Ziele zu erreichen. Hat sich nach der Begegnung mit
dem Kunstwerk in uns etwas verändert oder sind wir gleich geblieben und gehen wir so wieder weg wie wir gekommen sind?
In diesem Sinn kann man sich auf die Schutzmantelmadonna einlassen und herauszufinden
versuchen, ob sie uns nach so langer Zeit immer noch etwas zu sagen hat und ob sie immer
noch in der Lage ist uns irgendwie zu bewegen oder anzurühren.
Bei der Betrachtung der Schutzmantelmadonna fühlt man sich sogleich an eine Glucke und
ihre Küken erinnert. Weit breitet die Glucke
ihre Flügel aus, wenn Gefahr droht, wenn z.B.
ein Raubvogel am Himmel erscheint. Schnell
suchen dann die Küken unter ihren weiten
Flügeln Schutz und Sicherheit
Es sind alle Menschen, ganz gleich ob arm
oder reich, ob gebildet oder einfältig, ob Kaiser, König, Bauer oder Bettelmann, die sich
unter dem Mantel der Maria geborgen fühlen
dürfen. Alle finden Platz. Einschränkend muss
man allerdings feststellen, dass die Darstellung doch noch dem mittelalterlichen, hierarchischen Denken verhaftet ist. Die höheren
Stände befinden sich bevorzugt und bequem
vorn, während sich die gewöhnlichen Bürger
im Hintergrund drängen müssen.
Dieses schöne Bild will die Gewissheit vermitteln, dass man bei aller Gefährdung in der
Welt nicht allein steht, sondern Schutz und
Halt findet. Es geht um so etwas wie das Urvertrauen in die Welt, in der wir uns befinden.
Auf dem nebenstehenden Bild bemerken wir,
dass die Pfeile, die die böse Welt auf die Menschen unter dem Mantel abschießt, abprallen
ohne Schaden anzurichten.
In der christlichen Tradition gibt es immer wieder das Bemühen, diesem Urvertrauen Ausdruck zu verleihen, das die christliche Gemeinde der behütenden Güte Gottes gegenüber empfindet. So schreibt z.B. der Psalmist im 91. Psalm:
Wer unter dem Schirm das Höchsten sitzt
und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt,
der spricht zu dem Herrn:
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Meine Zuversicht und meine Burg,
mein Gott, auf den ich hoffe.
Denn er errettet dich vom Strick des Jägers
und von der verderblichen Pest.
Er wird dich mit seinen Fittichen decken,
und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln.
Seine Wahrheit ist Schirm und Schild,
dass du nicht erschrecken musst vor dem Grauen der Nacht,
und vor den Pfeilen, die des Tages fliegen …
Eine vergleichbare Einstellung kommt in dem folgenden, schönen Spiritual zum Ausdruck:
He´s got the whole world in His hands,
He´s got the wind and the rain in His hands
He´s got the tiny little baby in His hands,
He´s got you and me, brother, in His hands,
He's got ev'rybody here in His hands.
He's got the whole world in His hands.
Gleichzeitig spüren wir in der Schutzmantelmadonna auch die Gemeinschaft all derer, die
sich unter dem Mantel zusammengefunden haben. Sie empfindet sich wie die Angehörigen
einer großen Familie. Man weiß, dass man vom anderen nichts Böses zu befürchten hat und
dass man sich in allen Lebenssituationen, in Freud und Leid, aufeinander verlassen kann. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl verleiht Sicherheit, Identität und Selbstbewusstsein. Hier
wird der gute Geist einer christlichen Gemeinde spürbar.
Der Mantel der Madonna öffnet sich einladend weit nach vorn. Jeder erhält die Aufforderung
darunter Platz zu finden und das ohne Ansehen der Person, ohne Eignungsprüfung oder Eintrittsgebühr.
Wir müssen feststellen, dass sich die Schutzmantelmadonna noch ganz im Mittelalter bewegt. Der
Mensch fühlt und weiß sich eingebunden in die
göttliche Ordnung. Er verlässt sich auf Gottes Führung und Ratschluss. Auch in Not und Elend, in
Krieg und Krankheit sieht er Gottes Handeln. Er ist
weit entfernt von der Vorstellung, sein Schicksal in
seine eigenen Hände zu nehmen.
Ein ganz anderer Geist wird wenig später in der
Renaissance spürbar. Der Mensch in der Renaissance ist selbstbewusst, eigenverantwortlich und
unabhängig. Der freie Mensch entdeckt seinen eigenen Wert und tritt gestaltend der Natur gegenüber. Er empfindet sich nicht länger als sündiges
Menschlein, das ohne die Gnade Gottes und die
vermittelnde Hilfe und Fürsprache der Heiligen
verloren wäre. Vielmehr orientiert er sich am idealistischen Menschenbild des Humanismus, der die
Kraft, die Schönheit, die Würde und die Entfaltungsmöglichkeit in den Vordergrund stellt.
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Pico della Mirandola (1463-1494) lässt Gott zu Adam sagen:
„Ich schuf dich als ein Wesen, weder sterblich noch unsterblich, allein damit du dein eigener
freier Bildner und Gestalter seiest. Du kannst zum Tier entarten und zum gottähnlichen Wesen dich wiedergebären. Du allein hast eine Entwicklung, ein Wachsen nach freiem Willen,
du hast Keime eines allartigen Lebens in dir.“
Ein Kunstwerk, das diese Einstellung deutlich vermittelt, ist der David Michelangelos vor
dem Rathaus in Florenz. Die Statue verherrlicht die Kraft und die Schönheit des Menschen.
So steht David frei, unabhängig, kraftvoll und selbstbewusst vor dem Betrachter. Der Mensch
ist das Maß der Dinge. Für diesen David gilt das Wort aus der Tragödie Antigone von
Sophokles:
Gewaltig ist viel. Doch nichts ist
Gewaltiger als der Mensch.
Wie weit ist dieser David von den schutzbedürftigen Menschlein entfernt, die sich Hilfesuchend unter dem Mantel Marias zusammengeschart haben!
Mit der Schutzmantelmadonna und dem David stehen sich zwei ganz unterschiedliche Einstellungen zur Welt und zum Menschen gegenüber. Beide Werke versuchen mit den Mitteln
der Kunst eine je eigene Weltanschauung und ein je eigenes Menschenbild zu vermitteln Sie
tun das nicht mit Worten sondern mit Bildern.
Welches der beiden Bilder ist das richtige und welchem können wir vertrauen? Was ist der
Mensch? Ist er ein hilfloses Menschlein unter dem behütenden Mantel der Maria oder ist er
ein David? Oder keines von beiden? Oder beides?
Als nächstes wollen wir uns der Maria zuwenden.
Was soll eine Maria an der Wand einer evangelischen Kirche? Wer überhaupt ist Maria? Ist
sie ein Mensch, wie du und ich? Oder ist sie eine Heilige, die sich bereits im Himmel befindet
und als Fürsprecherin fungieren kann? Hat Maria wirklich die Kraft und die Fähigkeit, einen
Schutzmantel zu bieten, der vor allem Unglück und allem Elend dieser Welt bewahrt?
Um auf diese Frage eingehen zu können, ist ein Umweg unumgänglich. Es muss zunächst die
Frage nach dem Göttlichen gestellt werden. Im Anschluss daran wird sich auch die Bedeutung
von Maria klären lassen.
Wer ist Gott? Ist er eine Person, ein Prinzip oder eine Metapher?
Ist er ein lieber Vater mit Bart, der im Himmel auf einem Thron sitzt, von dort aus die Welt
regiert und Gutes und Böses eines jeden Menschen notiert, um am Jüngsten Gericht sein Urteil sprechen zu können? Dieser Glaube ist schon lange verloren gegangen.
Fragt man Gott selbst, so wird einem die tiefe und zugleich schwer verständliche Antwort
zuteil: „Ich bin, der ich bin.“
Hier werden keine Eigenschaften behauptet und keine Wesensmerkmale charakterisiert. Insbesondere ordnet sich Gott keine Attribute zu, die aus dem menschlichen Erfahrungsbereich
stammen. Er sagt z.B. nicht:
Ich bin allmächtig
Ich bin allgütig
Ich bin allwissend
Ich bin gnädig
Insbesondere sagt er nicht:
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Ich bin männlich
Er sagt nur:
Ich bin, der ich bin.
Nun ist der Mensch auf anschauliche Vorstellungen angewiesen. Er kann ohne Bilder und
Begriffe nicht auskommen. Mit einer Aussage „Ich bin, der ich bin“ kann er nichts anfangen.
Daher hat er immer wieder versucht, das Unaussprechliche, Unfassbare und Numinose des
Göttlichen in Bilder zu fassen. Daran ist nichts auszusetzen, wenn man die Bilder nicht für
Wirklichkeit nimmt, sondern sie als das empfindet, was sie sein sollen und nur sein können,
nämlich Hinweise und Fingerzeige auf das Göttliche.
So sagt z.B. Dionysios Pseudo-Areopagita bereits im frühen Mittelalter:
"So jemand Gott schaut und glaubt erkannt zu haben was er sieht, dann hat er nicht ihn, sondern irgend etwas Anderes gesehen.
Gott oder das Göttliche lässt sich nicht in Bilder und menschliche Begriffe einfangen und
damit dem menschlichen Verstand verfügbar machen. Nur so lässt sich auch das Gebot verstehen:
Du sollst dir kein Bildnis machen!
Aus dem Bedürfnis heraus, das Göttliche in Bildern nachvollziehbar zu machen, wird auch
die Marienverehrung verständlich. Im Göttlichen kann man nicht nur die väterliche Strenge
sondern auch die weibliche Fürsorge erkennen. Lässt sich mütterliche Wärme und Zuneigung
besser zum Ausdruck bringen als mit dem Bild der Madonna?
So gewinnt Maria als Versuch, sich die zuneigenden, eher weiblichen Eigenschaften des Göttlichen verständlich und anschaulich zu machen, eine neue Bedeutung. Diese Bedeutung ist
jedem zugänglich, nicht nur Katholiken. Allerdings sollte dabei nicht außer Acht bleiben, dass
es sich bei den Eigenschaften, Mythen und Legenden, die sich um Maria ranken, nicht um
einen tatsächlichen Sachverhalt handelt sondern um den Versuch, sich das Göttliche nicht nur
männlich vorzustellen sondern mit zu bedenken, dass ihm auch eher weibliche Eigenschaften
wie Zuwendung und Wärme zukommen.
Wiederum wird deutlich, dass die Begegnung mit religiöser Kunst zu einer grundsätzlichen
Stellungnahme nötigt. Die Schutzmantelmadonna fragt; „Wie hältst du es mit Gott?“ „Wer
und wie glaubst du, ist er?“
Neben den beiden Fragen nach dem Menschenbild und dem Wesen des Göttlichen bleibt noch
ein Drittes, das es zu prüfen gilt und wozu uns die Schutzmantelmadonna zur Stellung auffordert: Ist Gott oder das Göttliche, in männlicher oder in weiblicher Form, wirklich das Schutzund Sicherheitsgewährende, das die Schutzmantelmadonna zu suggerieren versucht? Sind wir
wirklich unter der Obhut des Göttlichen sicher und geborgen und brauchen kein Unglück zu
fürchten? Prallen die Pfeile wirklich ab?
Wo war dieser Schutz gewährende Gott während der entsetzlichen Pestepidemien, die fast die
Hälfte der europäischen Bevölkerung qualvoll ausgerottet haben? Wo war der behütende
Mantel, als in mörderischen Kriegen, in verheerenden Hungersnöten oder schrecklichen Naturkatastrophen Menschen auf die grauenvollste Weise ums Leben kamen? Wo?
Ist Gott nur eine Projektion unserer Wünsche und Sehnsüchte? Hat Freud Recht, wenn er sagt,
dass dem Schutz und Sicherheit gebenden Gott nichts Wirkliches entspricht sondern dass das
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nur ein Wunschbild ist, das in retardierender Weise auf eine frühkindliche Entwicklungsstufe
zurückfällt, in der Vater und Mutter dieses Schutz und Sicherheit Gebende erfahrbar gemacht
haben? Der Schwache, der in der Welt nicht zurecht kommt, flüchte sich unbewusst in
Traumvorstellungen, deren Elemente er in einer Zeit findet, als er noch behütetes Kind war
und seine Mutter ihm Sicherheit und Schutz bot.
Ist das Schutz und Sicherheit gebende Göttliche tatsächliche Wirklichkeit oder nur Fiktion?
Die Auseinandersetzung mit der Schutzmantelmadonna fordert zur Stellungnahme auf. Kann
sich der Mensch auf Gott verlassen oder ist er auf sich allein gestellt und muss er selbst zusehen, wie es ihm gelingt, Unglück und Not zu lindern und ein menschenwürdiges Zusammenleben auf der Erde zu ermöglichen?
So nötigt das Kunstwerk zu einer geistigen Auseinandersetzung. Die Schutzmantelmadonna
möchte mit dem Betrachter ins Gespräch kommen und ihn zum Nachdenken anregen. Es ist
nicht genug, wenn das Kunstwerk schöne und angenehme Gefühle in uns weckt. Das Kunstwerk fragt nach einer persönlichen Stellungnahme und einer eigenen Antwort. Das sind eine
Einladung und eine Aufforderung, der nachzukommen sich lohnt.
Wer sich auf religiöse Kunst einlässt, sollte wissen, dass er sich nicht auf Oberflächliches
zurückziehen kann. Es geht immer um Grundsätzliches, Existentielles, das die Stellungnahme
zur Welt und zum Menschen betrifft. Welches Menschenbild ist das richtige? Was verbinden
wir mit dem Begriff Gott? Gibt es Gottes Schutz und Hilfe wirklich oder sind wir auf unsere
eigene Kraft angewiesen?
Der Künstler, der die Schutzmantelmadonna geschaffen hat, hat auf diese Fragen eine deutliche Antwort, die er in Form eines schönen und einprägsamen Bildes vermittelt. Noch heute,
nach mehr als 500 Jahren verstehen wir die Botschaft. Ist diese Antwort auch die unsere?
Erst wenn wir uns kritisch und wohl auch rational mit dieser Botschaft auseinandergesetzt
haben und sie auf ihre Glaubwürdigkeit hin untersucht haben, können wir uns in einer Art
zweiter Unmittelbarkeit der Kraft und der Wirkmächtigkeit dieses Kunstwerkes überantworten.
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Anhang
Die Fugger
Die Familie Fugger zeigt das für viele große Familien typische Entwicklungsbild. Ein erster
Stammvater erarbeitet sich durch Geschick und Fleiß aus einfachen Verhältnissen kommend
eine angesehene Position. In der nächsten Generation wird der Grundstein für den umfassenden Wohlstand und den weitreichenden politischen Einfluss gelegt. Die dritte Generation
steht auf dem Höhepunkt. Unter den nachfolgenden Generationen gehen Einfluss, Macht und
Vermögen der Familie langsam verloren. Schließlich fällt die Familie in die Bedeutungslosigkeit zurück. Einzelheiten zur Familiengeschichte der Fugger findet man unter [ 1 ].
Der Stammvater der Familie Fugger war Hans (-1409), der als Weber nach Augsburg zog.
Durch harte Arbeit kommt er zu Erfolg und bescheidenem Wohlstand. Im Jahre 1386 wird er
sogar zum ersten Zunftmeister der Weber in Augsburg ernannt. Hiermit war der Grundstein
für das spätere Imperium der Fugger gelegt, obwohl die Familie Fugger bis dahin eine Handwerkerfamilie war.
Hans Fugger hatte zwei Söhne, Jakob der Ältere (1398 – 1469) und Andreas (1406 – 1457).
Jakob der Ältere wurde Stammvater der Fugger von der Lilie und Andreas der Stammvater
der Fugger vom Reh. Im Folgenden wird nur auf die Linie von der Lilie eingegangen, weil sie
in Zusammenhang mit dem Fuggerschen Epitaph steht. Dieses Epitaph an der Sebalduskirche
zeigt den Vater Jakob den Älteren, die Ehefrau Barbara, die 7 Söhne und 5 Töchter. Bedauerlicher Weise ist auf Grund der Verwitterung eine Zuordnung der Personen nicht mehr möglich. Es ist z.B. nicht auszumachen, wer Jakob der Reiche oder sein verstorbener Bruder Peter ist.
Jakob der Ältere baute die Weberei des Vaters Hans weiter aus und ging dabei langsam und
vorsichtig vor. So erweiterte er umsichtig und gewissenhaft die geschäftlichen Verbindungen
und damit den Reichtum und den Einfluss der Familie. Die ersten Schwerpunkte der sich
entwickelnden Fuggerschen Handelsbeziehungen außerhalb Augsburgs lagen in den damals
wichtigsten Metropolen Venedig und Nürnberg.
Jakob der Ältere war mit Barbara geb. Bäsinger , der Tochter eines Augsburger Goldschmieds
und Münzmeisters verheiratet. Man sieht, dass sich das Leben von Jakob Fugger zunächst
noch im handwerksbürgerlichen Umfeld bewegte.
Aus der Ehe mit Barbara entstammten 7 Söhne und 5 Töchter, um deren Ausbildung und
Weiterentwicklung er sich mit Sorgfalt kümmerte. Über die Töchter ist wenig bekannt. Hervorzuheben sind die Söhne.
Ulrich (1441 – 1510)
Als Kaiser Friedrich III. im Jahre 1473 in Augsburg weilte, konnte ihn
Ulrich Fugger „mit gutem Tuch- und Seidengewand“ versehen. Zur
Anerkennung erhielten er und seine Brüder Marx, Peter, Georg und
Jakob vom Kaiser das Wappen mit den beiden Lilien, „ohn alle Bezahlung frei geschenkt und verehrt“. Mit dieser Aktion rückte die Familie Fugger aus dem Handwerkerstand in den Stand der Patrizier vor.
1479 geht Ulrich mit seinem jüngsten Bruder Jakob nach Rom, wo er
Kontakte zu den Medici und zum Papst knüpft. Im Jahre 1497 wird
die Firma "Ulrich Fugger und seine Gesellschaft" die erste "offene Handelsgesellschaft" in
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Europa und ändert den Namen in "Ulrich Fugger und Gebrüder von Augsburg" um. An ihr
sind beteiligt:
* Ulrich, Leiter des Stammhauses in Augsburg
* Georg, Leiter der Nürnberger Filiale
* Jakob, für den Ausbau der internationalen Beziehungen
Allein im Jahr 1497 machen sie einen Gewinn von über 54.000 Gulden.
Andreas (1443 - )
Andreas starb in jungen Jahren in Venedig, wohin er zur Ausbildung in den Fondaco Tedeschi geschickt worden war. Das genaue Todesjahr ist nicht bekannt.
Hans (1445 - )
Das gleiche Schicksal erlitt Hans, ebenfalls in Venedig.
Marx (1448 – 1478)
Marx wählte den geistlichen Stand. 1474 verlieh ihm Papst Sixtus IV ein Kanonikat am Augsburger Domstift. Besonders wichtig für die späteren Beziehungen war es, dass Marx seit 1470
als Sekretär an der römischen Kurie tätig war. Er ist erst 30jährig in Rom gestorben.
Peter ( 1450 - 1473)
Er absolvierte in Nürnberg eine Ausbildung. Er starb jung mit 23 Jahren. In der Fuggerchronik liest man: „…auswendig bei St. Sebalduskirche begraben; auch ist ihm daselbst ein Epitaphium in Stein gehauen, zum guten Gedächtnis aufgerichtet worden.“
Georg (1453 – 1506)
Georg ist zwischen 1484 und 1500 in Nürnberg nachweisbar. Er heiratete 1486 Regina, die
Tochter des Nürnberger Patriziers Peter Imhoff. Hierdurch wurden familiäre und geschäftliche Verbindungen zu einer einflussreichen Nürnberger Patrizierfamilie hergestellt.
Jakob der Reiche (1459 –1525)
Jakob ist mit Abstand der bedeutendste, einflussreichste und wohlhabendste aus der Geschwisterriege auf dem Fugger Epitaph. Das Bild Dürers zeigt ihn als einen erfolgreichen und
energischen Kaufmann.
Nach einer Erziehung im Kloster tritt er 1478 in die väterliche
Firma ein, die er mit seinen beiden Brüdern Ulrich und Georg leitet. Schritt für Schritt weitet er die Firma zu einem Handelsimperium aus.
* Bau mehrer Schmelz- und Hüttenwerke in Österreich und Ungarn 1495
* Kauf von Kupferminen von Kaiser Maximilian zu einem Spottpreis 1498
* Die Fuggerbank prägt eine Münze im Auftrag des Papstes Julius
II 1508
* Jakob Fugger übernimmt im Jahre 1511 allein die Spitze des
weltumspannenden Augsburger Handelshauses der Fugger, dessen
Geschäftskapital er bis zu seinem Tod von rund 55.000 Gulden auf gut 2 Millionen Gulden
aufstockt. Er erwirbt Gold-, Silber-, Kupfer- und Salzbergwerke in Ungarn, Tirol, Kärnten
und Spanien; er sichert sich einen entscheidenden Anteil am ostindischen Gewürzhandel.
Bald besaß er das Kupfermonopol in Europa und auch das größte Bankhaus auf dem Konti-
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nent.
* Er finanzierte die Politik von Kaiser Maximilian I. und von Kaiser Karl V.
* Kaiser Karl V erhebt Jakob Fugger im Jahre 1514 in den Reichsgrafenstand. Damit findet
der eindrucksvolle, kometenhafte Aufstieg einer Familie vom Weber zum Grafen seinen Abschluss.
* Jakob Fugger beschließt im Jahre 1516 den Bau einer Siedlung für arme Augsburger Tagelöhner und Handwerker. Es wurden 106 Dreizimmerwohnungen in 53 Reihenhäusern gebaut.
Die Jahresmiete betrug einen Rheinischen Gulden.
* Im Jahre 1519 wird Karl V. nicht zuletzt durch den Einfluss von Jakob Fugger und dessen
Darlehen von über 543.000 Gulden zur Bestechung der Kurfürsten zum Kaiser gekrönt.
* Der Papst überlässt den Fuggern den lukrativen Handel mit dem St. Peter-Ablass.
Literatur
[ 1 ] Lieb, Norbert; Die Fugger und die Kunst; Verlag Schnell & Steiner, München 1952