„Wer Leistung fordert, muss Sinn bieten“1

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„Wer Leistung fordert, muss Sinn bieten“1
Aufsätze
„Wer Leistung fordert, muss
Sinn bieten“1: Mit Storytelling
binden und motivieren
Katrin Frische, Agentur für Storytelling, München
Immer weniger Mitarbeiter lassen sich durch monetäre Reize für ihr Tun
motivieren. Die größte Triebfeder ist es, Mitarbeitern Sinn und Werte eines
Unternehmens zu vermitteln. Geschichten bieten sich hier als Vehikel an.
Diesen Aspekten widmet sich der nachfolgende Aufsatz.
I. Einleitung1
„Ein Gespenst geht um“ – so be schreibt ein Forschungsprojekt der
Universitäten Heidelberg und Tübingen das sich ausbreitende Phänomen
der inneren Kündigung. 2 Es ist ein
Zustand, bei dem sich Mitarbeiter
schleichend von ihrem Arbeitsplatz
distanzieren und den Unternehmen
deutschlandweit teuer zu stehen
kommt. 3 Die häufigsten Ursachen
dafür, in eine Dienst-nach-VorschriftMentalität oder gar ins Burn-out zu
verfallen, sind nicht etwa mangelnde
materielle Anreize in Form von angemessenem Gehalt, Bonuszahlungen
oder sonstigen Incentives, sondern
die fehlende emotionale Bindung zum
Arbeitsplatz.4
Der Mensch ist per se ein „sinnsuchendes Wesen“, und glücklich ist
er nur dann, wenn er Sinn findet
1 So der Titel der Monografie von Walter Böckmann mit dem Untertitel: Moderne Menschenführung
in Wirtschaft und Gesellschaft mit Stellungnahmen
prominenter Wirtschaftsbosse und ranghoher Militärs,
Düsseldorf / Wien 1984.
2 Forschungsprojekt der SRH Hochschule Heidelberg und des Psychologischen Instituts der Universität
Tübingen unter der Leitung von Ralf D. Brinkmann und
Kurt H. Stapf, www.innerekuendigung.de/. S. auch die
Monografie derselben Autoren: Innere Kündigung.
Wenn der Job zur Fassade wird, München 2005.
3 S. hierzu den Gallup Engagement Index der
Gallup GmbH, www.gallup.com/strategicconsulting/
158162/gallup-engagement-index.aspx.
4 Vgl. etwa die Umfrage der Hay Group und von
Step Stone, www.stepstone.de/Ueber-StepStone/presse/motivation-ist-nicht-kaeuflich.cfm, abgedruckt in
enorm 01 Feb./März 2013.
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und realisiert.5 Das hat der Wiener
Professor für Neurologie Viktor Emil
Frank schon vor vielen Jahrzehnten
postuliert und auf dieser Erkenntnis
seine Logotherapie aufgebaut, die
sich gerade in jüngerer Zeit großer
Beliebtheit erfreut.6 Dies kommt nicht
von ungefähr: Zunehmend hinterfragen Menschen den Sinn ihres Tuns.
Und das macht vor der Arbeitswelt
nicht halt. Im Gegenteil: Immer mehr
Menschen möchten einen Sinn in
ihrem beruflichen Tun sehen. Wenn
ein Unternehmen keine Antwort darauf weiß, wird es es künftig schwer
haben, an qualifizierte und motivierte
Mitarbeiter zu gelangen. Denn dieses
Postulat betrifft auch und besonders
die junge Generation. Die vielbeachtete US-Ökonomin und geistige Vordenkerin Tammy Erickson bringt es
mit ihrem Postulat auf den Punkt:
„Meaning is the new money“ – Sinn
ist das neue Geld!7 Auch die Wirtschaftszeitschrift enorm macht in
ihrer Titelgeschichte auf das Phänomen der gesteigerten Sinnsuche in
5 Zitiert nach Andreas Mascha, Sinnorientierter
Führungsstil im 21. Jahrhundert. Eine Skizze, in: Otto
Zsok, Sinnorientierte Führungslehre nach Walter Böckmann. Leben und Werk des Bielefelder Soziologen, St.
Ottilien 2013, S. 277–288.
6 Mascha sieht den Kairos, also den Zeitpunkt, an
dem sich die volle Wirkungsmacht des sinnorientierten Ansatzes entfaltet, in der „Hypermoderne“ liegen,
in der die Informations- und Wissensgesellschaft von
der Sinngesellschaft abgelöst wird, vgl. ebd.
7 Tammy Erickson, Meaning is the new Money.
Chared values, not money, motivate today‘s workers,
www.nxtbook.com/nxtbooks/mediatec/de_20120
102/#/14.
INHALT
I.
Einleitung
II. Geschichten stellen Sinnzusammenhänge her
III. Geschichten bergen Werte
IV. Orientierung und Motivation
durch biografische Interviews und
Portraits
V. Fazit
Keywords
Innere Kündigung; Mitarbeitermotivation; Unternehmensleitbilder
der Arbeitswelt aufmerksam. Unternehmen, die dies nicht realisieren,
würden im Kampf um die besten
Köpfe verlieren und untergehen.8
II. Geschichten stellen
Sinnzusammenhänge her
Im Bemühen darum, den Mitarbeitern
ihr Tun im wahrsten Wortlaut zu versinnbildlichen, kann es hilfreich sein,
auf Geschichten zurückzugreifen.
Für Unternehmen bietet es sich an,
8 Constantin Wißmann, Sinn@work. Wie sie Suche
nach Erfüllung die Arbeitswelt umkrempelt, in: enorm.
Wirtschaft für den Menschen, 01/2013, S. 16–26. Zunehmend wird die „sinnzentrierte Unternehmensführung“ denn auch als Führungsmethode für ein nachhaltig wirksames Management eingesetzt, vgl. etwa
Dyllick, Thomas: Management als Sinnvermittlung;
GDI impuls 3/83 des Gottlieb Duttweiler Instituts /
Rüschlikon, zitiert nach Andreas Mascha, Sinnorientierter Führungsstil im 21. Jahrhundert. Eine Skizze, in:
Otto Zsok, Sinnorientierte Führungslehre nach Walter
Böckmann. Leben und Werk des Bielefelder Soziologen, St. Ottilien 2013, S. 277–288.
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die Geschichten, die in ihrer Organisation schlummern, zu sammeln
und aufzuschreiben und Mitarbeitern
und allen Stakeholdern zugänglich zu
machen. Denn wo wie in Geschichten
Zusammenhänge sichtbar werden, da
entsteht Sinn und damit ein Zustand
von tieferem Verständnis, Identifikation und Zufriedenheit.9
Ein Beispiel: Eine Vermögensverwaltung hat vor vielen Jahren ein
besonderes Anlagekonzept entwickelt, auf dem die Erfolgsgeschichte
des Unternehmens maßgeblich fußt.
Das Konzept wurde von Menschen
entworfen, die der heutigen Generation von Mitarbeitern nur noch teilweise bekannt sind. Auch die äußeren
Umstände der Konzeptentwicklung
waren den heutigen Mitarbeitern
weitestgehend unbekannt. Sie vertraten nach außen ein Konzept, von
deren Hintergründen sie wenig bis
gar nichts wussten. Dies wurde dem
Firmengründer irgendwann bewusst
und er ließ die Geschichten seines
Unternehmens aufschreiben. Den
jungen Mitarbeitern hat er hierdurch
eine wunderbare Orientierungsmöglichkeit geschaffen. Sie verstehen nun
genau, warum die Anlagestrategie
ihres Unternehmens so ist wie sie
ist, aus welcher Motivation heraus
sie entstanden ist und welchen Personen und Umständen sie ihre Entstehung verdankt. Dieses Wissen
um die Zusammenhänge stärkt sie
und befähigt sie in der Konsequenz
dazu, das Konzept ihren Kunden und
Kooperationspartnern gegenüber
viel selbstbewusster nach außen zu
vertreten.
Organisation leben und die einen entscheidenden Bestandteil der Unternehmensidentität darstellen.10 Wenn
sich Mitarbeiter mit den Werten einer
Organisation identifizieren können,
dann entsteht Verbindung. Dies ist
wiederum die beste Voraussetzung
dafür, sich motiviert für das eigene
Unternehmen einzusetzen. Werte
werden in allen Unternehmen gelebt.
Nur selten jedoch werden sie bewusst
reflektiert und benannt, manchmal
sogar missachtet und ihre positive
Wirkung deshalb gar nicht genutzt.
Geschichten bieten sich dafür an, die
Werte sichtbar zu machen: Sie geben
den Werten ein Gesicht und setzen sie
in einen Kontext. Besonders geeignet
für die Sichtbarmachung von Werten sind Entscheidungsgeschichten.
Denn den allermeisten Entscheidungen liegen Werte zu Grunde, die diese
Entscheidungen explizit oder implizit
beeinflusst haben. Die Geschichte
des Managers, der der Versuchung
widersteht, die Dokumente seines
Mitbewerbers durchzulesen, die
Anekdote über den Mitarbeiter, der
sich bei seiner Geschäftsreise für das
günstige Hotel entscheidet, die Erzählung von der Abteilungsleiterin, die
den Entschluss fasst, ihren Mitarbeitern mehr Gestaltungsspielräume zu
überlassen. Dies ist der ideale Stoff
für Geschichten eines Unternehmens,
das sich seiner Werte bewusst werden
möchte.
Nicht nur durch die Sichtbarmachung
von Zusammenhängen entsteht Sinn.
Dieser erschließt sich auch und besonders durch die Werte, die in einer
Während die in sogenannten Mission
Statements oder Unternehmensleitbildern zusammengefassten Werte
oftmals blutleer und stereotyp anmuten, ermöglichen es Geschichten, auf
authentische Art und Weise zu den
tatsächlich gelebten Werten einer
Organisation zu gelangen. In Storys
gekleidet wirken die denn auch weit
glaubwürdiger als die ihrem Kontext
entraubten Pauschalbegriffe, die sich
innerhalb einer Branche auf fast irritierende Weise ähneln. Welche Bank
9 Das Sichtbarmachen von Zusammenhängen ist
nach dem Philosophen Wilhelm Schmid die Voraussetzung zum Glücklichsein, s. Schmid, Dem Leben Sinn
geben. Von der Lebenskunst im Umgang mit anderen
und der Welt, Frankfurt 2013.
10 Dieses Thema hat Mirko Zwack in seiner Dissertation „Die Macht der Geschichten. Erzählungen als
Form der Wertevermittlung in Familienunternehmen,
Heidelberg 2011, ausführlich beschrieben.
III. Geschichten bergen
Werte
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schreibt sich nicht auf die Fahnen,
unabhängig und transparent zu sein,
welcher Handwerksbetrieb stellt sich
nicht als zuverlässig und qualitätsbewusst dar, welcher Maschinenbauer
nicht als innovativ und lösungsorientiert? Mit diesen schnell als leer
empfundenen Begriffen lässt sich
sicher kein Mitarbeiter ans Unternehmen binden, ebenso wenig wird
man durch sie Stakeholder für das
Unternehmen gewinnen.11
IV. Orientierung und
Motivation durch
biografische Interviews
und Portraits
Wenn Menschen darüber in Kenntnis
gesetzt werden, was in ihrem Unternehmen oder in ihrem Berufsfeld
geschieht, sind die besten Voraussetzungen für ein Verantwortungsgefühl
gegeben, das auf alle Mitarbeiter
ausstrahlt und dass Bleibendes hinterlassen wird.12
Neben den Geschichten bieten auch
offene und erzählende biografische
Interviews eine wunderbare Möglichkeit, Sinn und Orientierung zu Tage zu
fördern. Befragt man Geschäftsführer
und Firmengründer nach ihrem Kernanliegen und nach dem, wofür sie
einstehen, was sie bewegt, warum sie
das tun, was sie tun und was sie mit
ihrem Handeln erreichen möchten,
führt das in der Regel zu großem
Verständnis bei Beschäftigten. Sind
die Beweggründe und Triebfedern
für das Handeln von Gründern und
Geschäftsführern nachvollziehbar
und ihre Visionen klar formuliert,
leitet sich daraus ein echtes Leitbild
und eine motivierende Orientierung
für Mitarbeiter ab. Damit erleben sie
11 Unter die Top 10 der Werte fallen Begriffe wie
nachhaltig, traditionell, erfolgsorientiert oder innovativ. In Anlehnung an den Linguisten Uwe Pörksen lässt
sich in diesem Zusammenhang von Plastikwörtern
sprechen, also von Begriffen, die „hochgeschätzte,
abstrakte Dinge benennen und dabei nichts oder fast
nichts bedeuten“, vgl. Uwe Pörksen, Plastikwörter.
Die Sprache einer internationalen Diktatur. Stuttgart
1988.
12 Alex Pattakos, Gefangene unserer Gedanken,
Viktor Frankls 7 Prinzipien, die Leben und Arbeit Sinn
geben. Wien 2011, S. 10.
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auch ihr eigenes Handeln als sinnvoll,
was sich entsprechend positiv auf
die Leistungsbereitschaft auswirken
kann.
Nicht nur für Mitarbeiter sind derartige Kenntnisse von tatsächlichen
Werten und Visionen eines Unternehmens wertvoll. Denn die Wertefrage macht nicht vor den Türen einer
Organisation halt. Immer mehr wird
sie auch von (potenziellen) Kunden,
möglichen künftigen Mitarbeitern
und Investoren sowie Teilhabern und
Kooperationspartnern gestellt. Der
Fokus der Stakeholder richtet sich
mehr und mehr auf den gesamtgesellschaftlichen Nutzen eines Unternehmens. Werden die in Geschichten und
Portraits gekleideten Wertevorstellungen, Visionen und Leitbilder auch
nach außen hin lesbar, sind die besten
Voraussetzungen dafür geschaffen,
sich dieser Wertegemeinschaft anzuschließen.
Auch auf Mitarbeiterebene können
entsprechende Befragungen zu den
eigenen Antriebsfedern und Visionen
wertvolle Dienste leisten. Denn auf
dem Wege der Mitarbeiterbefragung
erfahren die Vorgesetzten so einiges
über ihre Beschäftigten und können
sie dementsprechend im Unternehmen einsetzen. Gerade in größeren
bzw. wachsenden Unternehmen, bei
denen der unmittelbare Kontakt zu
jedem einzelnen Mitarbeiter nicht
gegeben bzw. verloren gegangen
ist, kann der Weg über das Interview
sehr hilfreich sein, um die intrinsische Motivation der Mitarbeiter zu
entdecken und damit die Voraussetzungen für eine höchstmögliche
Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter
zu schaffen.
Auch hierzu ein Beispiel:
Ein Ingenieurbüro hatte von heute auf
morgen eine seiner besten Mitarbeiterinnen verloren. Beim Kündigungsgespräch legte die junge Mitarbeiterin
dar, dass sie schon lange das Gefühl
hatte, an falscher Stelle eingesetzt
zu sein und dass ihr Tun sie nicht
erfülle. Aus diesem schmerzlichen
Verlust hat das Büro gelernt: Neben
regelmäßigen jours fixes, in denen die
Mitarbeiterzufriedenheit abgefragt
wird und gemeinsame Ziele gesteckt
werden, haben die Geschäftsführer
einen Fragenkatalog im Hinblick auf
die Intention, das Kernanliegen und
die gewünschten Ziele der Mitarbeiter
entwickelt.
V. Fazit
Das eingangs zitierte Gespenst der
inneren oder tatsächlichen Kündigung, kann, so sollte gezeigt werden, durch Geschichten und Portraits
gebannt werden. Durch die auf diesem Wege ermöglichte Offenlegung
von Sinnzusammenhängen sowie
von Werten und Visionen werden
die Voraussetzungen für Mitarbeiter
und alle Stakeholder geschaffen, dem
Leitstern des Unternehmens zu folgen
und sich somit nachhaltig daran zu
binden.
Außenwirtschaft
Und...
wie stillen
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