Belastung der Betriebe durch Bildungsurlaub begrenzen
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Belastung der Betriebe durch Bildungsurlaub begrenzen
APRIL 2015 I AUSGABE 5 Peer-Michael Dick Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeber Baden-Württemberg Liebe Leserinnen und Leser, Natürlich ist es kritik- und diskussionswürdig, wenn Frauen hierzulande im Schnitt 22 Prozent weniger verdienen als Männer. Aber die Diskussion muss redlich geführt werden. Denn die Hauptursachen sind unterschiedliches Berufswahlverhalten der Geschlechter, familiär bedingte, oft unfreiwillig lange berufliche Auszeiten bei Frauen sowie daraus resultierende Teilzeit, die Karriere und Entgeltentwicklung bremsen – und nicht willkürliche Ungleichbehandlung! Die Ursachen beseitigt das als „mehr Transparenz“ verbrämte Lohnschnüffel gesetz gerade nicht. Genau das behauptet aber Frau Schwesig, wenn sie in einem Atemzug die unterschiedliche Bezahlung von Altenpflegerinnen und Maurern beklagt und damit ihr Gesetz begründet. Offenbar geistert hier ein Bild von der angeblich „gerechtesten aller Welten“ durch Politikerköpfe, in der alle dasselbe verdienen – am besten per staatlichem Dekret. Ökonomische Grundlagen wie etwa unterschiedliche Produktivität oder Anforderungsniveaus werden schlicht ignoriert. Und marktwirtschaftliche Gesetze gelten sowieso nicht mehr. Foto: fotolia/kasto mit einem Gesetz zur Entgeltgleichheit will Bundesfrauenministerin Schwesig die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern einebnen. Leider zielt sie damit krachend an den eigentlichen Ursachen vorbei. Belastung der Betriebe durch Bildungsurlaub begrenzen Zwei Jahre lang haben sich die Arbeitgeber Baden-Württemberg vehement gegen den von der Landesregierung geplanten Bildungsurlaub gewehrt. Verhindern konnten sie das Vorhaben letztlich nicht. „Dennoch hatte der Widerstand Erfolg, denn das nun verabschiedete Gesetz sieht zahlreiche Erleichterungen für die Betriebe vor, die die negativen Auswirkungen abmildern“, sagt Dr. Rainer Dulger, Präsident der Arbeitgeber Baden-Württemberg: „Wir bleiben aber bei unserer grundsätzlichen Ablehnung, zumal wir mit einigen Regelungen weiterhin nicht zufrieden sind.“ Besonders schmerzlich ist aus Sicht der Arbeitgeber, dass die von der Landesregierung zugesagte Anrechnungsmöglichkeit betrieblicher Weiterbildungsmaßnahmen nicht sichergestellt ist. Das Gesetz sieht einen Anspruch auf fünf zusätzliche vom Arbeitgeber bezahlte Urlaubstage für persönliche Wei- terbildung vor, wobei die Weiterbildung beruflichen Zwecken, aber auch der politischen Bildung oder ehrenamtlichen Tätigkeiten dienen kann. Um die Belastung der Betriebe zu begrenzen, wurde unter anderem erreicht, dass pro Jahr maximal zehn Prozent der Belegschaft eines Betriebs den Bildungsurlaub beanspruchen können und dass die Regelung für Kleinbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern nicht gilt. Auch eine Übertragung des Urlaubs anspruchs ins Folgejahr, den es in anderen Bundesländern gibt, wird es hierzulande nicht geben. Für Auszubildende und dual Studierende gilt der Fünf-TageAnspruch nicht pro Jahr, sondern nur für die gesamte Ausbildungszeit. „Konsequent wäre es aber gewesen, für diesen Personenkreis überhaupt keinen Bildungsurlaub vorzusehen. Denn es ergibt Fortsetzung nächste Seite L a n d e s v e r e i n i g u n g B a d e n - W ü r t t e m b e r g i s c h e r A r b e i t g e b e r v e r b ä n d e e . V. Belastung der Betriebe durch Bildungsurlaub begrenzen (Fortsetzung von Seite 1) keinen Sinn, Menschen in der Ausbildung für Weiterbildungszwecke zu beurlauben“, sagt Dulger. Größtes Manko des verabschiedeten Gesetzes ist aus Sicht der Arbeitgeber Baden-Württemberg, dass die versprochene Anrechnungsmöglichkeit betrieblicher Maßnahmen nicht klar genug geregelt ist. „Die Landesregierung steht im Wort, dass damit eine Überlastung und Bestrafung der Betriebe verhindert werden soll, die sich schon heute vorbildlich in der Weiterbildung engagieren“, sagt Dulger: „Bleibt hier eine belastbare Regelung aus, droht uns ein wirkungsloses Placebo. Auch würden funktionierende Strukturen in der Weiterbildung, etwa über Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und über individuelle Absprachen beschädigt werden.“ Zwar wolle die Landesregierung nun durch entsprechende Verordnungen sicherstellen, dass die Anrechnung doch noch klappt und damit ein wirksamer Überlastungsschutz entsteht. Allerdings sei nicht klar, ob das gelingt. Der Landesarbeitgeberpräsident erneuert seine grundsätzliche Kritik an dem Gesetz, das die SPD offensichtlich den Gewerkschaften zuliebe vorangetrieben habe: „Mit Blick auf die Fachkräftesicherung wäre es sinnvoller gewesen, Weiterbildung ziel- und passgenau für die Zielgruppen zu fördern, wo der Bedarf am höchsten ist. Das wird mit diesem Gießkannenprinzip gerade nicht erreicht.“ Die Arbeitgeber Baden-Württemberg hätten hierzu mit ihrem Angebot für einen „Pakt für dauerhafte Vollbeschäftigung“ konkrete Vorschläge gemacht, etwa zu einer verbesserten Berufsorientierung an Schulen, zur Förderung benachteiligter Jugendlicher, zur besseren Integration von Menschen mit Behinderung in Ausbildung und Beruf, mit Weiterbildungskonzepten für An- und Ungelernte und Angeboten zur Ausbildung in Teilzeit zum Beispiel für Alleinerziehende. „Damit würden wir einen echten Beitrag zu Arbeitsmarktintegration und Qualifikation leisten“, sagt Dulger: „Der Bildungsurlaub leistet dies nicht.“ Center for European Trainees bringt Unternehmen und potenzielle Azubis aus Südeuropa zusammen Das CET soll dabei unterstützen, die berufliche Bildung mobiler zu gestalten, duale Ausbildungsformen in Italien und Spanien zu entwickeln sowie die Ausbildung junger Erwachsener aus diesen Ländern in Baden-Württemberg zu Fotos (4): Frank Eppler Immer mehr Firmen bilden mit Blick auf den Fachkräfteengpass auch ausländische Jugendliche in ihren Betrieben aus und eröffnen damit jungen Menschen aus Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit neue Perspektiven. Um baden-württembergische Unternehmen und Jugendliche aus Südeuropa zu vernetzen, wurde im vergangenen Jahr das „CET – Center for European Trainees“ unter dem Dach des Bildungswerkes der Baden-Württembergischen Wirtschaft in Esslingen gegründet. von links: Partner und Befürworter – Staatssekretär Klaus-Peter Murawski, Uta-Micaela Dürig von der Robert Bosch Stiftung, Stefan Küpper, Geschäftsführer Politik, Bildung und Arbeitsmarkt der Arbeitgeber Baden-Württemberg fördern. Aber auch das Wissen und die Erfahrungen der einzelnen Akteure sollen gebündelt und inner- und außerhalb Baden-Württembergs transparent gemacht werden. Hierbei helfen drei Mitarbeiterinnen mit interkulturellem und FAKTUM April 2015 I Ausgabe 5 länderspezifischem Fachwissen. Darüber hinaus beraten sie ausländische Jugendliche, die in Baden-Württemberg einen Ausbildungsplatz suchen. Aber auch für Unternehmen ist das CET eine Anlaufstelle, wenn sie junge Menschen aus dem Ausland ausbilden wollen. **Erste Erfolge sichtbar Am 29. Januar kamen in Stuttgart rund 70 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu einem Netzwerktreffen mit Akteuren aus Italien und Spanien zusammen. Hier wurden erste Erfolge sowie aktuelle Projekte vorgestellt: Neben zahlreichen Praktikumsplätzen, die das CET Südeuropäern im Vorfeld einer Ausbildung in Baden-Württemberg bereits vermitteln konnte, bringt das Center jetzt 60 spanische Jugendliche nach Baden-Württemberg. 30 Unternehmen haben bereits Interesse signa lisiert, Jugendliche aus Südeuropa auszubilden. Für den Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei im Staatsministerium Baden-Württemberg, Klaus-Peter Murawski, setzt das CET an der richtigen Stelle an: „Der Abbau der hohen Jugendarbeitslosigkeit ist ein gemeinsames europäisches Ziel. Das duale System der Berufsbildung kann einen Beitrag zur nachhaltigen Beschäftigungsfähigkeit der jungen Generation in Südeuropa leisten. Dank der erworbenen praktischen Kenntnisse wird den Jugend lichen ein besserer Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglicht.“ Vorträge, Gespräche und Erfahrungsaustausch beim CET-Netzwerktreffen am 29. Januar 2015 in Stuttgart. Das CET soll dauerhaft etabliert werden. In einem zweiten Schritt sollen weitere Länder berücksichtigt werden. Das Center wird gefördert von der Robert Bosch Stiftung mit Kofinanzierung der Arbeitgeber Baden-Württemberg. Elterngeld Plus: Betriebe brauchen Flexibilität! Foto: fotolia/ARochau Was bedeuten diese Regelungen konkret für die Betriebe? Ein junger Vater oder eine junge Mutter könnte künftig innerhalb von acht Jahren in mehreren Etappen entweder ganz fehlen, oder vorübergehend in Teilzeit oder auch wieder in Vollzeit arbeiten. Sollte in diesen acht Jahren ein weiteres Kind folgen, könnte sich der Zeitraum des pendelnden Beschäftigungsumfangs entsprechend verlängern. Zum 1. Juli 2015 treten verschiedene Neuregelungen zum Elterngeld und zur Elternzeit in Kraft, die jungen Eltern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern sollen. So erfreulich diese Regelungen aus Sicht junger Eltern sein mögen, sehen sich Betriebe dadurch vor große Herausforderungen hinsichtlich der Flexibilität gestellt. „Wir fordern die Politik daher auf, von allen geplanten Einschränkungen möglicher Ausgleichsinstrumente wie Zeitarbeit, Teilzeit oder Befristungen Abstand zu nehmen“, sagt Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeber Baden-Württemberg. Die Neuregelung sieht neben der Einführung eines Elterngeld Plus für Eltern, die in Teilzeit arbeiten und dadurch das bisherige Elterngeld in maximal halber Höhe dafür aber bis zu 28 Monate erhalten können, die Einführung eines Partnerschaftsbonus vor, bei dem Vater und Mutter jeweils für vier weitere Monate Elterngeld Plus erhalten, wenn sie sie sich die Betreuung ihres Kindes aufteilen und parallel für vier Monate zwischen 25 und 30 Wochenstunden arbeiten. Daneben besteht die Möglichkeit, die bis zu 36-monatige Elternzeit künftig auf bis zu drei Etappen innerhalb von acht Jahren nach Geburt des Kindes zu verteilen, bis zu zwei Jahre davon zwischen dem 3. und dem 8. Geburtstag des Kindes. Eine Zustimmung des Arbeitgebers ist nicht mehr erforderlich. Im Herbst soll dann noch für Teilzeitbeschäftigte ein Rückkehrrecht in Vollzeit folgen. „Große Betriebe, die ausreichende interne Ausgleichsmöglichkeiten haben, mögen damit vielleicht zurechtkommen“, sagt Dick: „Für kleine Betriebe, in denen es für einzelne Beschäftigte nicht einmal eine Vertretungslösung gibt, ist das aber eine gewaltige Herausforderung.“ Gerade diese Unternehmen seien daher darauf angewiesen, entsprechende Alternativen nutzen zu können, um die Fehlzeiten der jungen Eltern zu überbrücken. Aus Sicht der Arbeitgeber sind dies in erster Linie Instrumente wie Zeitarbeit, Teilzeit und Befristungen, aber auch die Möglichkeit, bestimmte Funktionen vorübergehend per Dienst- oder Werkvertrag an externe Dienstleister vergeben zu können. „Wer Gesetze auf den Weg bringt, die den Betrieben mehr Flexibilität abverlangt, muss auch die Frage beantworten, wie die Betriebe damit noch umgehen sollen“, sagt Dick: „Leider scheint das aber weder vielen Bundespolitikern noch Teilen unserer Landesregierung klar zu sein, die solche flexiblen Ausgleichsinstrumente als angeblich ‚prekäre‘ Beschäftigung verteufeln. Eine solche Politik ist im wörtlichen Sinne verantwortungslos.“ FAKTUM April 2015 I Ausgabe 5 Entgeltgleichheit: Placebo für die Frauen Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes, das die 22-Prozent-Zahl erhoben hat, sind allein 15 Prozentpunkte darauf zurückzuführen, dass Frauen andere, oftmals schlechter bezahlte Berufe ausüben als Männer. Unterschiedliche Qualifikationen, Tätigkeiten oder Erwerbsbiografien spielen dabei keine Rolle. Weitere fünf Prozentpunkte, damit insgesamt also 20 der ominösen 22 Prozent, haben ihre Ursache in längeren familienbedingten Auszeiten bei Frauen, häufig verbunden mit einem beruflichen Wiedereinstieg in Teilzeit und damit mit geringeren Karrierechancen und Entwicklungsmöglichkeiten beim Gehalt. „Diese Ursachen werden aber mit dem geplanten Gesetz zu mehr Lohntransparenz in den Betrieben überhaupt nicht beseitigt“, sagt Dick. Landespolitikern oder Bundesfrauenministerin Schwesig, die in einem Atemzug die unterschied lichen Löhne von Altenpflegerinnen und Maurern oder Industriearbeitern beklagen und mit dem Gesetz Abhilfe versprechen, wirft er bewusste Irreführung der Öffentlichkeit vor: „Eine Altenpflegerin und ein Maurer oder ein Mechatroniker arbeiten nicht im selben Betrieb. Deshalb wird das Gesetz nichts an ihrer ungleichen Bezahlung ändern.“ Die Arbeitgeber fordern die Politik auf, die wirklichen Ursachen der Entgeltlücke gezielt anzugehen, denn diese seien größtenteils auch von der Politik zu verantworten. „Die Entgeltlücke wird nur geringer, wenn mehr Mädchen und junge Frauen beispielsweise für technische Berufe mit guten Verdienstperspektiven begeistert werden können, was heute leider viel zu selten der Fall ist“, sagt Dick: „Hier muss die Bildungspolitik eine Antwort darauf geben, weshalb Mädchen am Ende der Grundschulzeit bei den Mathekompetenzen mit den Jungs fast gleichauf liegen, danach aber immer weiter ins Hintertreffen geraten.“ Auch den oftmals ungewollt längeren Karriereunterbrechungen bei Frauen könne die Politik mit einer besseren Ganztagsbetreuung begegnen. „Doch hier stiehlt sich die Politik aus der Verantwortung, stellt lieber die gesamte Wirtschaft unter den Generalverdacht der Diskriminierung und kippt ihr das Problem auf die Füße“, so Dick. Am Ende werde jedoch damit den Frauen nicht geholfen. Es sei daher absehbar, dass schon bald der Ruf nach weiteren Maßnahmen laut werde. Es sei auch erkennbar, dass in manchen Politikerköpfen die Idee einer Lohngleichmacherei über alle Branchen hinweg herumspuke. „Dann soll Frau Schwesig doch gleich die IG Metall bitten, in der von Männern dominierten und gut bezahlenden Industrie zehn Jahre keine Lohnforderungen mehr aufzustellen. Das würde die Entgeltlücke stärker schließen als ihr unsinniges Gesetzesvorhaben“, sagt Dick. Foto: fotolia/goodluz Die Arbeitgeber haben den Befürwortern eines Gesetzes zur Entgeltgleichheit vorgeworfen, Frauen und Diskriminierungsgegnern bewusst Sand in die Augen zu streuen. „Wenn Frauen 22 Prozent weniger verdienen als Männer, ist das sicherlich eine politische Diskussion wert“, sagt Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeber BadenWürttemberg: „Allerdings sollte man der Redlichkeit halber dazusagen, dass diese Entgeltlücke zum allergrößten Teil keineswegs auf Diskriminierung zurückzuführen ist. Deshalb wird man sie auch nicht durch das geplante Gesetz zur Lohnschnüffelei in den Betrieben beseitigen können.“ Mindestlohn belastet Arbeitgeber – unklare Vorgaben, Haftungsrisiken und zusätzliche Bürokratie Der seit dem 1. Januar 2015 geltende gesetzliche Mindestlohn entwickelt sich aus Sicht der Arbeitgeber Baden-Württemberg zusehends zu einem „Bürokratiemonster“ und zu einer Belastung der Betriebe. Neben der eigentlichen Pflicht, den Mindestlohn zu zahlen, beinhaltet das Gesetz viele unklare und für die praktische Umsetzung nicht zu Ende gedachte Regelungen. „Wir haben die Pläne für einen Mindestlohn immer grundsätzlich kritisiert, verhindern konnten wir ihn jedoch nicht“, sagt Philipp Merkel, Referatsleiter Arbeitsrecht der Arbeitgeber Baden-Württemberg: „Angesichts der überbordenden Probleme bei der Umsetzung fordern wir nun jedoch dringend eine praxistaugliche Anpassung.“ Die Arbeitgeber kritisieren insbesondere: **Unklare Haftungsregelungen Nach dem Mindestlohngesetz haften Auftraggeber – unabhängig von einem eigenen Verschulden – auch für ihre Lieferanten und Dienstleister (also die im Rahmen eines Werk- oder Dienstvertrags beauftragten Drittunternehmen, deren Subunternehmen oder eines vom Drittunternehmen oder Subunternehmen beauftragten Zeitarbeitsunternehmens). Um das Haftungsrisiko auszuschließen, muss dabei sichergestellt werden, dass auch die Beschäftigten dieser Unternehmen den Mindestlohn erhalten. „In der Praxis ist eine Kontrolle und Durchsetzung bis hin zu Subunternehmen kaum realisierbar“, sagt Merkel. Davon abgesehen ist der tatsächliche Haftungsumfang unklar. Hier bedarf es klarer Vorgaben. „Es kann nicht den Unternehmen und der Rechtsprechung überlassen bleiben, Gesetzestexte zu interpretieren. Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung vergehen Regulierung – ein Haupthindernis für Betriebe So viel Prozent der Unternehmen halten diese Faktoren für starke Investitionshemmnisse Hohe weltwirtschaftliche Unsicherheit 52 Hohe Energiekosten 50 Hohe Regulierungen (z. B. Arbeitsrecht) 48 Hohe Arbeitskosten 46 Schwache Entwicklung in Europa 45 Hohe Bürokratie (z. B. Genehmigungsverfahren) 43 Hohe Unternehmenssteuern 35 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 Quelle: IW-Befragung von 2.525 Unternehmen in Westdeutschland und 392 Unternehmen in Ostdeutschland im Oktober/November 2014. jedoch mehrere Jahre“, kritisiert der Arbeitsrechtler: „Veranschaulicht man sich das Haftungsrisiko für die Arbeitgeber, das Risiko einer Ordnungswidrigkeit und den Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge, ist dies ein untragbarer Zustand.“ Die Arbeitgeber fordern daher, die Haftung grundlegend in Frage zu stellen, zumindest jedoch die Haftung und eine Ordnungswidrigkeit auf Vorsatz und grob fahrlässiges Handeln des Auftraggebers zu beschränken. **Für wen gilt der Mindestlohn? Grundsätzlich gilt der Mindestlohn für alle Arbeitnehmer, die in Deutschland beschäftigt sind, dem Wortlaut nach also auch für den polnischen Lkw-Fahrer, der auf dem Weg nach Frankreich durch Deutschland fährt. Nach massiver Kritik insbesondere aus Polen und Tschechien hat die Bundesarbeitsministerin die Kontrollen für die Mindestlohnzahlung für reine Transitfahrten vorerst ausgesetzt, bis geprüft ist, ob für diese Fälle die Regelung überhaupt europarechtskonform ist. Aus Sicht der Arbeitgeber ist diese Aussetzung zu begrüßen. Allerdings weist Merkel darauf hin, dass es noch viel mehr ähnliche Konstellationen gebe – und es längst nicht nur um philippinische Matrosen gehe, deren Schiff im Hamburger Hafen ankert: „Die deutschen Auftraggeber können diese Problematik nicht ignorieren, auch hier stellt sich für sie die unklare Haftungsfrage.“ Aus Sicht der Arbeitgeber ist eine Aussetzung der Kontrollen im Transitbereich zwar zu begrüßen. Sie zeigt jedoch die systematischen Fehler des Gesetzes. Dies wird auch durch die zuletzt vom BMAS erklärte Ausnahme von Amateursportlern auf Minijobbasis aus dem Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes deutlich. „Auch hier wird nunmehr nachträglich Flickschusterei außerhalb der gesetzlichen Vorgaben betrieben“, sagt Merkel: „Eine derartige inhaltlich zu begrüßende Aufweichung des Gesetzes schürt im Gegenzug jedoch die Rechtsunsicherheit.“ FAKTUM April 2015 I Ausgabe 5 **Berechnung nicht eindeutig Aus dem Mindestlohngesetz lässt sich zudem nicht eindeutig ableiten, welche Entgeltbestandteile für den Mindestlohn zu berücksichtigen sind. Unklar ist zum Beispiel, wie Zulagen für besondere Belastungen, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Provisionszahlungen oder Umsatzbeteiligungen zu behandeln sind. Weiter ist unklar, ob die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den Branchenmindestlöhnen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz vollumfänglich herangezogen werden können. „Daher müssen Arbeitgeber jede Entgeltzahlung hinsichtlich der Mindestlohnzahlung auf den Prüfstand stellen, bis dies höchstrichterlich geklärt oder durch den Gesetzgeber klargestellt ist“, sagt Merkel. **Ausnahmeregelungen unklar In der Praxis sorgt auch der Umgang mit den Ausnahmetatbeständen für Unsicherheit – insbesondere bei den Ausnahmeregelungen zu Praktikanten. „Manche Praktika sind vom Mindestlohn befreit, andere nicht. Im Einzelfall ist die Einordnung für viele Unternehmen sehr schwierig“, sagt Merkel. Die zahlreichen unterschiedlichen Möglichkeiten, in welchem Rahmen Praktika absolviert werden können, führten daher vielfach zu großer rechtlicher Verunsicherung in den Betrieben. **Erhöhter Aufwand Das Mindestlohngesetz sieht für bestimmte Wirtschaftszweige und für geringfügig Beschäftigte besondere Dokumentationspflichten vor. Hiernach sind Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit zu dokumentieren. Damit will der Gesetzgeber verhindern, dass der pro Stunde festgelegte Mindestlohn einfach durch längere Arbeitszeiten ausgehebelt werden kann. Aus Arbeitgebersicht ist jedoch nicht nachvollziehbar, dass diese Regelung auch für Arbeitnehmer gelten soll, die – unter Berücksichtigung der maximal zulässigen Höchstarbeitszeit bei einer 6-Tage-Woche – durch ihren Bruttolohn deutlich über dem Mindestlohn liegen. Derzeit sind Betriebe von diesen Dokumentationspflichten nur bei Beschäf- tigten befreit, deren monatliches Bruttoeinkommen mindestens 2.958 Euro beträgt. „Berücksichtigt man jedoch die maximal zulässige Höchstarbeitszeit, kann diese Grenze bedenkenlos auf zehn Euro je Zeitstunde abgesenkt werden“, sagt Merkel. Gerade bei geringfügig Beschäftigten erhöhe die Dokumentationspflicht den Bürokratieaufwand erheblich: „Will man aber den Bestand dieser Beschäftigungsverhältnisse im Interesse der Beschäftigten nicht gefährden, muss man den Bürokratieaufwand so gering wie möglich halten.“ Fachkräfteallianz wirbt für Flüchtlinge In den vergangenen Wochen haben sich die Arbeitgeber Baden-Württemberg und weitere Bündnispartner der Fachkräfteallianz Baden-Württemberg darüber beraten, wie Flüchtlingen ein besserer Zugang zu Ausbildung und Arbeit ermöglicht werden kann. Erfahrungen zeigen, dass vor allem eine erfolgreiche Integration in Beschäftigung auch als Grundlage für eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft dient. „Eine Beschäftigung verhilft Flüchtlingen zu einem Stück Normalität“, sagte der Finanzund Wirtschaftsminister Nils Schmid beim Treffen. Aber auch mit Blick auf bereits bestehende Fachkräfteengpässe in einzelnen Branchen, Berufen und Regionen sei es nur richtig, die Potenziale von Flüchtlingen zu erschließen, sagte Stefan Küpper, Geschäftsführer Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik der Arbeitgeber Baden-Württemberg. Viele Flüchtlinge und Asylbewerber verfügten über eine Berufsausbildung und gute Qualifikationen. Damit stünde der Wirtschaft ein Pool an potenziellen Fachkräften zur Verfügung. Um diese Potenziale besser für den hiesigen Arbeitsmarkt nutzen zu können, seien jedoch gemeinschaftliche Anstrengungen notwendig. Als zentrale Herausforderungen machten die Bündnispartner insbesondere die Sprachförderung, die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit, die Rechtssicherheit und die Berufsanerkennung aus. Mehr Informationen: http://bit.ly/asyl-fluechtlingspolitik Starke Initiative für Schulfach Wirtschaft konsequent weiterzugehen und sich dabei nicht durch eine offensichtlich an engen Einzelinteressen orientierte Kritik beirren zu lassen“, sagt Küpper. Foto: fotolia/Marco2811 Wirtschaft Unter der Federführung der Arbeitgeber Baden-Württemberg haben insgesamt 19 Organisationen aus Wirtschaft, Schule, Wissenschaft und Kommunen der Landesregierung öffentlich den Rücken gestärkt, wie geplant 2016 das eigenständige Unterrichtsfach Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung an den weiterführenden Schulen einzuführen. In einem gemeinsamen Brief an Ministerpräsident Kretschmann sowie die Minister Schmid und Stoch bezeichnen die 19 Organisationen die geplante Einführung des eigenständigen Unterrichtsfachs als „Meilenstein“. „Für eine solide Allgemeinbildung wird in unserer dynamischen Gesellschaft die ökonomische Bildung immer wichtiger“, sagt Stefan Küpper, Geschäftsführer Bildung der Arbeitgeber Baden-Württemberg: „Das geplante eigenständige Fach und die dazu vorliegenden Entwürfe des Bildungsplans sind aus unserer Sicht dazu geeignet, diesen Ansatz wirkungsvoll einzulösen.“ Mit der Veröffentlichung der gemeinsamen Initiative wollen die beteiligten Organisationen die beeindruckende gesellschaftliche Breite der Unterstützung für das Schulfach Wirtschaft verdeutlichen. Ökonomische Fragestellungen, etwa die unterschiedlichen Rollen des Einzelnen als Verbraucher, Erwerbstätiger oder Wirtschaftsbürger, seien in einem eigenständigen Fach besser zu vermitteln als in einem fächerübergreifenden, punktuellen Aufgreifen wirtschaftlicher Themen in den Fächern Geschichte, Gemeinschaftskunde oder Erdkunde. „Wir empfehlen der Landesregierung daher dringend, den eingeschlagenen Weg Diese Kritik komme insbesondere aus dem Lager wirtschaftskritischer Soziologen und der Gewerkschaften – obwohl der Deutsche Gewerkschaftsbund sich noch vor einigen Jahren gemeinsam mit den Arbeitgebern für mehr sozioökonomische Bildung und ein eigenständiges Unterrichtsfach Wirtschaft stark gemacht habe, sagt Küpper: „Aber die lautstark vorgetragene Befürchtung einer zu großen Einflussnahme der Wirtschaft ist ideologisch gefärbt und unbegründet. Wir reden hier schließlich über ökonomische Grundbildung, bei der – und da sind sich alle Beteiligten einig – alle Betrachtungs- und Sichtweisen berücksichtigt werden sollen. Ausgerechnet diejenigen, die mit Vorliebe über die vermeintliche Dominanz einer ominösen Mainstreamökonomie, über die vermeintliche Macht der Wirtschaftslobby und über die Notwendigkeit von Multiperspektivität schwadronieren, müssen sich fragen lassen, warum sie nur ihre eigenen Programmsätze zur Wahrheit für Schule und Unterricht erheben. Auch gegen diese Art der Politisierung und Instrumentalisierung von Schule wenden sich die Partner der Initiative für ein Fach Wirtschaft.“ IMPRESSUM Arbeitgeber Baden-Württemberg Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände e. V. Löffelstr. 22-24, 70597 Stuttgart www.agv-bw.de V.i.S.d.P.: Volker Steinmaier Gestaltung und Produktion: IW Medien GmbH, Köln · Berlin