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Jahrbuch 2006/2007 | Krause, Oliver; Birkmann, Stephan; Quanz, Sascha | Lichtechos geben Einblick in die aktive Vergangenheit von Cassiopeia A Lichtechos geben Einblick in die aktive Vergangenheit von Cassiopeia A Light Echoes Allow an Insight into the Active Past of Cassiopeia A Krause, Oliver; Birkmann, Stephan; Quanz, Sascha Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Cassiopeia A ist der jüngste bekannte Supernova-Überrest in unserer Galaxis. Von Menschen unbeobachtet, muss er um 1680 explodiert sein. Der rund 11000 Lichtjahre entfernte Nebel gehört zu den meist untersuchten Himmelskörpern. Im infraroten Spektralbereich ist es nun gelungen, Lichtechos um den Supernova-Überrest zu entdecken. Diese stammen von interstellarem Staub, der durch den Lichtblitz der Supernovaexplosion und durch Strahlungsausbrüche des neu entstandenen Neutronensterns geheizt w urde. Summary Cassiopeia A is the youngest know n supernova remnant in our Galaxy. Although unrecorded at the time, it must have exploded around 1680. The nebula, lying at a distance of about 11000 light years, is one of the best-studied celestial objects. Astronomers succeeded in detecting light echoes in the infrared range around the supernova remnant. These originate from interstellar dust that w as heated by the flash of the supernova explosion and by flares of the central neutron star. © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/4 Jahrbuch 2006/2007 | Krause, Oliver; Birkmann, Stephan; Quanz, Sascha | Lichtechos geben Einblick in die aktive Vergangenheit von Cassiopeia A Abb. 1: Fa lschfa rbe nbild von C a ssiope ia A, a ufge nom m e n m it de m R öntge nsa te llite n C HANDR A (bla u und grün), de m W e ltra um te le sk op HUBBLE im O ptische n (ge lb) und m it de m W e ltra um te le sk op SP ITZER im m ittle re n Infra rot (rot). Ste rne und da s von de r Supe rnova -Ex plosion m it schwe re n Ele m e nte n a nge re iche rte Ga s le uchte n be sonde rs im O ptische n, wä hre nd die Em ission im Infra rote n wa rm e n Sta ub im Übe rre st ze igt. De r ze ntra le Ne utrone nste rn (Kä stche n) ist nur im R öntge nbe re ich e rk e nnba r. © NASA/JP L-C a lte ch/O live r Kra use , Unive rsity of Arizona Der Nebel Cassiopeia A (Abb. 1) ist w ahrscheinlich entstanden, als ein Stern mit etw a 20 Sonnenmassen seinen Brennstoff verbraucht hatte und als Supernova vom Typ II explodierte. Dabei w urde seine äußere Hülle ins All geschleudert, w ährend der zentrale Kern zu einem Neutronenstern mit etw a 20 Kilometer Durchmesser zusammenbrach. Das Alter dieses Supernova-Überrestes von ungefähr 325 Jahren lässt sich aus der Geschw indigkeit und Ausdehnung der W olke ermitteln. Das Astronomenteam beobachtete Cassiopeia A erstmals im November 2003 mit dem Weltraumteleskop Spitzer im Infraroten bei 24, 70 und 160 µm Wellenlänge. Auf der 24-µm-Aufnahme fielen zw ei helle bogenförmige Wolken auf, die sich auf entgegengesetzten Seiten des Zentralkörpers in 45 beziehungsw eise 36 Lichtjahren Entfernung befinden. Um sie näher zu studieren, unternahm das Team Nachbeobachtungen dieser „lobes“ mit dem Multiple Mirror Telescope auf dem Mount Hopkins und dem 3.5-m-Teleskop des CalarAlto-Observatoriums. Diese Infrarotaufnahmen zeigten, dass sich scheinbar einige der in den Filamanten befindlichen Strukturen mit erheblicher Geschw indigkeit bew egt hatten (Abb. 2). W ürde es sich dabei um eine reale Bew egung von Staubw olken handeln, so müssten diese etw a 50 % der Lichtgeschw indigkeit schnell sein. So hohe Geschw indigkeiten hat man in vergleichbaren Fällen noch nie beobachtet. Daraufhin beobachteten die W issenschaftler Cassiopeia A im Dezember 2004 erneut mit SPITZER – auch auf diesen Aufnahmen fanden sich signifikante Veränderungen im Vergleich zu den ein Jahr zuvor gew onnenen Bildern (Abb. 3 und 4). © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/4 Jahrbuch 2006/2007 | Krause, Oliver; Birkmann, Stephan; Quanz, Sascha | Lichtechos geben Einblick in die aktive Vergangenheit von Cassiopeia A Abb. 2: Sche inba re Be we gung e ine s Sta ubfila m e nts, a ufge nom m e n (a ) im Ma i 2004, (b) im O k tobe r 2004, (c) im Ja nua r 2005 be i 2.2 µm W e lle nlä nge . Ve rwe nde t wurde n hie rfür da s Multiple Mirror Te le scope (a ) und da s 3.5-m Te le sk op de s C a la r-Alto-O bse rva torium s (b, c). © Ma x -P la nck -Institut für Astronom ie , He ide lbe rg Mit realen Bew egungen der Staubw olken w aren diese Unterschiede w egen der extrem hohen Geschw indigkeiten nicht erklärbar. Die Astronomen sehen in dieser Erscheinung ein Lichtecho: Der zentrale Neutronenstern hatte einen Ausbruch energiereicher Strahlung, vermutlich im Gamma- und Röntgenbereich. Dieser Lichtblitz breitete sich mit Lichtgeschw indigkeit im Raum aus und traf dabei nacheinander auf die zufällig verteilten Wolken von Gas und Staub in dem Supernova-Überrest. Der Staub erw ärmt sich dabei und leuchtet im Infraroten, bis er w ieder abgekühlt ist. W ährenddessen entfernt sich der Lichtblitz w eiter vom Zentralstern. Im Laufe der Zeit ergibt sich so eine Spur von aufleuchtenden und w ieder erlöschenden Staubfilamenten. Sie markieren gew issermaßen die Ausbreitungsfront des Strahlungsblitzes und täuschen eine reale Bew egung der Filamente nur vor. Mit einem einfachen räumlichen Modell ließ sich aus den beobachteten scheinbaren Bew egungen der Wolken ableiten, w ann der Helligkeitsausbruch stattgefunden haben muss. Eine genaue Analyse zeigte: In Cassiopeia A gibt es mindestens zw ei voneinander unabhängige Echos. Eines scheint von der Supernova-Explosion aus dem Jahre 1680 selbst zu stammen, das andere von erst kürzlich erfolgten Ausbrüchen, von denen einer um 1953 stattgefunden haben muss. Abb. 3: Die Um ge bung von C a ssiope ia A be i e ine r W e lle nlä nge von 24 µm , a ufge nom m e n m it SP ITZER a m 30. Nove m be r 2003 (bla u) und a m 2. De ze m be r 2004 (ora nge ). Unve rä nde rte Struk ture n – wie de r Übe rre st se lbst und große Te ile de s ga la k tische n Zirrus – e rsche ine n we iß. Da s Infra rote cho a uße rha lb de s k re isrunde n, we iße n Übe rre ste s ist a ls fa rbige (bla u und ora nge ), bipola re Struk tur zu e rk e nne n, die sich vom Ze ntrum de r Supe rnova we g zu be we ge n sche int. © NASA/JP L-C a lte ch/O live r Kra use , Unive rsity of Arizona Ein solches Verhalten deutet darauf hin, dass es sich bei der zentralen Quelle in Cassiopeia A um einen „Soft gamma repeater“ handelt. Das sind vermutlich Neutronensterne mit starken Magnetfeldern, auch Magnetare genannt. Die Ursache der Ausbrüche ist nicht zw eifelsfrei bekannt. Nach einer Theorie kann bei diesen Objekten das extrem starke Magnetfeld dazu führen, dass sich in der Kruste des Neutronensterns Beben ereignen, die zu gew altigen Ausbrüchen von Gammastrahlung führen. Bislang sind nur sehr w enige Magnetare bekannt. Sollten die Astronomen im Zentrum von Cassiopeia A tatsächlich solch ein Objekt entdeckt haben, so w ird es das erste sein, von dem genau bekannt ist, w ann und aus w as für einem Stern es entstanden ist. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage nach der Ursache der © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/4 Jahrbuch 2006/2007 | Krause, Oliver; Birkmann, Stephan; Quanz, Sascha | Lichtechos geben Einblick in die aktive Vergangenheit von Cassiopeia A beiden bogenförmigen Staubfilamente von Interesse. Diese bipolare Struktur deutet darauf hin, dass die anregende Energiew elle gebündelt und gerichtet aufgetreten ist. Es ist auch möglich, dass das nun zum Leuchten angeregte Material selbst die beobachtete, vornehmlich bipolare Verteilung hat. Dies ließe sich durch starke, kollimierte W inde des massereichen Sterns vor seiner Explosion erklären. Abb. 4: Bilde r von e ine r de r be ide n boge nförm ige n W olk e n, a ufge nom m e n be i 24 µm W e lle nlä nge m it SP ITZER im Absta nd von e ine m Ja hr. Die m orphologische n Ve rä nde runge n sind de utlich e rk e nnba r. © Ma x -P la nck -Institut für Astronom ie , He ide lbe rg Zusätzliche Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop SPITZER gaben neue Hinw eise auf den Ursprung der Lichtechos. So zeigt eine kürzlich gew onnene, noch größere 24-µm-Aufnahme Lichtechos bis zu einer projizierten Entfernung von mehr als 300 Lichtjahren um den Supernova-Überrest. Auch für diese neu entdeckten Filamente bestätigen bodengebundene Nachbeobachtungen im nahen Infraroten die schon für die näheren Echos gefundenen schnellen scheinbaren Bew egungen. Im Oktober 2005 gelang es außerdem erstmals, die bisher nur im Infraroten beobachteten Echos auch bei visuellen W ellenlängen nachzuw eisen. Zukünftig sind w eitere Beobachtungen geplant, unter anderem auch Spektroskopie von einigen besonders hellen Filamenten. Da es sich bei der im Optischen beobachteten Emission höchstw ahrscheinlich um an Staubpartikeln gestreutes Licht der Explosion von 1680 handelt, ließe sich aus einem Spektrum der genaue Typ der Supernova ableiten – mehr als drei Jahrhunderte, nachdem das Licht der Explosion die Erde erstmals erreichte. Dies w äre eine w eitere spektakuläre Entdeckung. Sie w ürde es uns ermöglichen, den sehr gut erforschten Überrest von Cassiopeia A mit der Physik der Explosion zu verknüpfen. © 2007 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 4/4