Chicago - Lehrstuhl für Städtische Architektur
Transcription
Chicago - Lehrstuhl für Städtische Architektur
Chicago Make no little plans Chicago Inhalt 4-7 Programm 11-18 20-41 Die Stadt als Prozess The Magnificient Mile & River North 42-57 Oak Park & River Forest 58-105 The Loop 106-119 Johnson Wax Racine 120-124 The Holiday 125-135 Mies and the University 137 Literaturverzeichnis 3 Chicago Chicago Programm Programm Samstag, 04.05.2013 Oak Park & River Forest Montag, 06.05.2013 Anreise München - Chicago Hostel International Chicago 24 East Congress Parkway, Chicago, Illinois 60605 Tel: +1 (312) 360 0300 20:00 Cavanaugh´s Bar, Monadnock Building Arch: Burnham & Root, Holabird & Roche 53 W Jackson Blvd, Chicago, IL 60604 The Magnificent Mile and River North Sonntag, 05.05.2013 09:30 - 10:30 Führung Frank Lloyd Wright Home & Studio 951 Chicago Avenue, Oak Park, IL 60302 10:30 - 12:00 Spaziergang Oak Park Einfamilienhäuser Frank Lloyd Wright 12:00 - 13:00 Führung Unity Temple 875 Lake Street, Oak Park, Illinois 14:00 Spaziergang Oak Park & River Forest Einfamilienhäuser Frank Lloyd Wright 10:00 - 11.30 River Cruise Tour First Lady Riverside Gardens Dock Southeast corner of the Michigan Ave. Bridge (Michigan & Wacker Drive) The Loop Dienstag, 07.05.2013 9:00 Auditorium Building, Adler & Sullivan,1890 14:00 Stadtspaziergang River North 10:00 - 11:00 Führung Auditorium Theatre 430 South Michigan Avenue, Chicago, IL 60605 11:30 Radtour zum Frederick C. Robie House 13:00 - 14:00 Führung Frederick C. Robie House, Frank Lloyd Wright, 1910 5757 S Woodlawn Avenue, Chicago, IL 60637 Marina City, Bertrand Goldberg, 1964 333 North Michigan, Holabird & Roche, 1928 Tribune Tower, Howells & Hood, 1925 Wrigley Building, Graham Anderson, Probst & White, 1922 Palmolive Building, Holabird & Root, 1929 20:00 Skydeck Chicago 233 South Wacker Drive, Chicago, IL 60606 15:30 Stadtspaziergang The Loop Carson Pirie Scott Building, Sullivan, Burnham, 1899 Marquette Building, Holabird & Roche, 1895 Reliance Building, Daniel Hudson Burnham & Atwood, 1895 The Rookery, Burnham & Root, 1888 4 5 Chicago Chicago Programm Programm Stadtspaziergang South Dearborn Street-Printing House Row Historic District The Holiday Donnerstag, 09.05.2013 Tag zur freien Verfügung, z.B. Farnsworth House, Mies van der Rohe, 1945-50 Graceland Cemetery „Cemetery of Architects“ Chicago Loop Synagogue, Loebl, Schlossman & Bennett, 1957 Chicago History Museum The Taliesin Estate, Wisconsin, Frank Lloyd Wright, 1911 Monadnock Building, Burnham & Root and Holabird & Roche, 1891 Manhattan Building, William Le Baron Jenney, 1891 Fisher Building, Burnham & Company, 1896 Old Colony Building, Holabird & Roche, 1894 Willis Tower, Cushman & Wakefield, 1974 Johnson Wax Racine Mittwoch, 08.05.2013 10:00 - 11:30 Führung Johnson Wax 1323 Howe Street, Racine, Wisconsin 53403 14:30 - 15:30 Führung Johnson Foundation 33 East 4 Mile Road, Racine, Wisconsin 53402 Mies and the University Freitag,10.05.2013 9:00 - 13:00 Highlights by Bus 14:30 - 17:00 Art Institute of Chicago Samstag,11.05.2013 6 Abreise Chicago - München 7 Make no little plans Die Stadt als Prozess Jacques Blumer, Atelier 5 Die Stadt als Prozess v ~üi i: dung der «Chicago Construction», auch Balloon Frame genannt. Holzhäuser wurden nun nicht mehr aus Pfosten und Balken zusammengesetzt und dann ver¬ kleidet oder ausgefacht. Statt dessen wurden Kanthölzer in regelmässigen Ab¬ ständen zu mehrstöckigen Wänden zu¬ sammengenagelt, diese aufgestellt und mit Decken aus hochkant gestellten Bret¬ tern verbunden. Die Devise hiess «zu¬ sammennageln und aufstellen» und nicht «aufrichten und zusammenfügen». Nor¬ mierung, einfache Handhabung und glei¬ che Elemente sind bezeichnend für diese Technik, welche im Wohnungsbau in den USA im wesentlichen noch heute benutzt wird. Chicago war jetzt eine Stadt. Aller¬ dings eine Stadt im Sumpf. Seine Stras¬ sen lagen nicht viel höher als der Seespie¬ gel, und so verwandelten sie sich bei je¬ dem zweiten Regen in unpassierbaren Morast. Ein Kanalisieren der Abwasser war kaum möglich. Die Situation wurde unhaltbar. 1855 beschloss die Regierung, sämtliche Gebäude ein Stockwerk anzu¬ heben. Im folgenden Jahrzehnt wurden die Häuser 1,8 bis drei Meter hochge¬ stemmt, die Fahrbahnen angepasst und die Kanalisationen neu organisiert. Ein Problem war damit gelöst. Ein zweites blieb offen: das Trinkwasser. Wasser gab es zwar mehr als genug, ein ganzer See lag vor der Türe, nur waren seine Ufer durch die Abwässer der Stadt und die Abfälle der Schlachthöfe völlig ver¬ dreckt. 1866 wurde drei Kilometer vom Ufer entfernt eine Wasserfassung gebaut und durch einen Tunnel unter dem See¬ boden mit der Stadt verbunden eine In¬ genieurleistung ersten Grades. - L <-h>W ll<»«HMlJ m*--"*" m «icAcrt -\ B 0 Grundriss der Stadt Chicago 1834 SÄ Die Stadt und die Architektur ¦¦' ". Spekulation und Bürgersinn Chicago wuchs nicht nur, es verän¬ derte auch seine Form. Im Rahmen des Gitters war wie gesagt alles erlaubt. So Eine Analyse der städtischen Entwicklung von Chicago zeigt, dass die Stadt auf einem Struktursystem mit genauen Regeln aufgebaut worden ist und sich entwickelt ¦' yZ&Xfiy'- von neuen und alten ',''¦¦>* hat. In diesem Sinne ist Chicago beispielhaft. Die Überlagerung #«%:ävl ?±-:.:pfi *kv Verkehrs- und Verbindungssystemen bildet einen steten Prozess von Erneuerungen, der auch den städtebaulichen Kontext - wie kaum in einer anderen Stadt - prägt. Die typischen Chicagoer Architekturen widerstehen und unterwerfen 3sich gleichzeitig dieser ungehemmten Rationalisierung der urbanen Strukturen, was27die Eigenarten und Widersprüche dieser modernsten aller amerikanischen Städte unterstreicht. m:, Quadratisches Strassennetz in einer Landkarte der Region Chicago aus dem Jahr 1834 / Quadrillage de routes ortho¬ de 1834 / gonal sur une carte de la region de Chicago datant Square street grid on a map showing the Chicago area from 1834 Vogelperspektive von Charles Inger aus einer Zeichnung von J. T. Palmatary, 1857 / Vue aerienne de Charles Inger tiree d'un dessin de J.T. Palmatary / Aerial picture by Charles Inger from a Werk, Bauen+Wohnen 10 drawing by J. T. Palmatary «> «* ...vv.«. «lic ** Nr. 9/1987 11 ¦¦¦'"¦"::¦.;¦'¦ Der Ort Die Ingenieure 1830 war Chicago eine Tragstelle. Von den Neu-England-Staaten führte ein Wasserweg über die Grossen Seen an das Südende des Lake Michigan, den Chicago River hinauf und über eine kurze Landbrücke in den Einzugsbereich des Mississippi. Er war die Verbindung zwischen dem baumwollreichen Louisiana und dem sich langsam industrialisieren den Norden. Chicago, vorerst nichts weiter als ein Umladeplatz am grossen Wasserweg, war 60 Jahre später der grösste Eisenbahnknotenpunkt der USA und ein gutes halbes Jahrhundert darauf der dichteste Flughafen der Erde. Der Ort war nicht freundlich: feucht und heiss im Sommer und beissend kalt im Winter, eine unendliche Ebene, halb Wasser, halb Land. Der einzige Grund, hier zu verweilen, meinte damals ein Reisender, seien die unendlichen Prärien und die atemraubenden Sonnenuntergänge. Nach nur einer Generation zählt Chicago allerdings 300 000 Einwohner. Das war 1870. Es lag auf der Hand, dass die kurze Landbrücke von Chicago bald einmal durchstossen würde. 1848 war der Michigan-Illinois-Kanal fertig, die Wasserstrasse zwischen Buffalo N.Y. und New Orleans durchgehend offen. 1850 führte die erste Eisenbahn in die Stadt, 1856 waren es bereits zehn Linien mit einer Schienenlänge von 5000 km. Chicago war damit endgültig die wichtigste Drehscheibe der USA geworden. Die Stadt wuchs Tag und Nacht. Gebaut wurde in Holz. 300000 Einwohner in 40 Jahren unterzubringen wäre nicht möglich gewesen ohne die Erfindung der «Chicago Construction», auch Balloon Frame genannt. Holzhäuser wurden nun nicht mehr aus Pfosten und Balken zusammengesetzt und dann verkleidet oder ausgefacht. Statt dessen wurden Kanthölzer in regelmässigen Abständen zu mehrstöckigen Wänden zusammengenagelt, diese aufgestellt und mit Decken aus hochkant gestellten Brettern verbunden. Die Devise hiess «zusammennageln und aufstellen» und nicht «aufrichten und zusammenfügen». Normierung, einfache Handhabung und gleiche Elemente sind bezeichnend für diese Technik, welche im Wohnungsbau in den USA im wesentlichen noch heute benutzt wird. Chicago war jetzt eine Stadt. Allerdings eine Stadt im Sumpf. Seine Strassen lagen nicht viel höher als der Seespiegel, und so verwandelten sie sich bei jedem zweiten Regen in unpassierbaren Morast. Ein Kanalisieren der Abwasser war kaum möglich. Die Situation wurde unhaltbar. 1855 beschloss die Regierung, sämtliche Gebäude ein Stockwerk anzuheben. Im folgenden Jahrzehnt wurden die Häuser 1,8 bis drei Meter hochgestemmt, die Fahrbahnen angepasst und die Kanalisationen neu organisiert. Ein Problem war damit gelöst. Ein zweites blieb offen: das Trinkwasser. Wasser gab es zwar mehr als genug, ein ganzer See lag vor der Türe, nur waren seine Ufer durch die Abwässer der Stadt und die Abfälle der Schlachthöfe völlig verdreckt. 1866 wurde drei Kilometer vom Ufer entfernt eine Wasserfassung gebaut und durch einen Tunnel unter dem Seeboden mit der Stadt verbunden - eine Ingenieurleistung ersten Grades. Der Plan Die Stadt entstand um 1830. Gegründet wurde sie aber 50 Jahre früher, als Thomas Jefferson die westlichen Territorien der USA systematisch mit einem quadratischen Strassennetz von einer halben Meile Maschenweite überziehen liess. Da, wo dieses Netz an das Südende des Lake Michigan stösst, verdichtete es sich, füllte sich mit Häusern, wurde zu Chicago. So entstand der Prototyp der modernen Stadt. Nicht die Stadt der Plätze und Kathedralen, nicht die Wehrstadt mit Mauer und Graben, sondern die «Stadt als Prozess», die Stadt als andauernde Veränderung im Rahmen einfacher, vorgegebener Spielregeln. Die Basis dieser Spielregeln bildet das orthogonale Plangitter. Sein Einfluss auf das Aussehen der Stadt und die Haltung ihrer Architekten ist nicht zu übersehen. Das Gitter verlangt Genauigkeit und Disziplin. Das ist die Einschränkung, die es mit sich bringt. Ansonst stellt es ein offenes Feld dar. Abgesehen von natürlichen Gegebenheiten, die es unter brechen, ist eine Stelle so gut wie die andere. Zusammenhang und Ordnung, aber auch eine grosse Freiheit, das sind seine Vorgaben. Kein Gesamtbild, kein geschlossenes Ganzes bremst die Entwicklung. Innerhalb des Systems ist alles erlaubt und möglich. Wachstum, Richtungswechsel und Zusammenbruch, das Niemandsland ebenso wie der Boulevard. Gefragt sind Erfindungsgeist und Initiative, breite Schultern und Ellenbogen. 12 Spekulation und Bürgersinn Chicago wuchs nicht nur, es veränderte auch seine Form. Im Rahmen des Gitters war wie gesagt alles erlaubt. So drehte denn 1867 Potter Palmer, Chicagos erster grosser Landspekulant, die Hauptachse der Stadt um 90 Grad. Die ersten Häuser der Stadt standen am Fluss, da, wo die Schiffe anlegten. South Water Street und die dazu parallel verlaufende Lake Street waren die Hauptachsen. Der Boden kostete hier 20mal mehr als an den im gleichen Bereich senkrecht zum Fluss verlaufenden Strassen. Potter Palmer, der während des Sezessionskrieges mit Baumwollspekulationen ein Vermögen angehäuft hatte, kaufte - entsprechend billig 13 einen Kilometer der senkrecht zur Lake verlaufenden State Street und liess daran ein Nobelhotel, den ersten Platz am Ort, errichten. Dann überredete er seinen Freund Fields, hier das erste moderne Warenhaus zu bauen. Die Rechnung ging blendend auf. Chicago verlief nun nicht mehr parallel zum Fluss, sondern parallel zum See. State Street blieb bis heute Hauptstrasse. Das Wachstum der Stadt hielt unvermindert an. Immer weiter schob sie sich in die Prärie. Die Maschen des Plangitters füllten sich auf. Gemeinsame Einrichtungen gab es, ebenso wie Erholungsflächen, keine. Um 1860 entstand eine Bewegung mit dem Ziel, in der Stadt gemeinsame Einrichtungen und Erholungsflächen zu realisieren. Priorität: die Grünanlagen. Zwei Absichten sollten dabei verwirklicht werden: jedes Quartier sollte seinen Park haben und jeder Park im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel liegen. Es entstand das Parksystem von Chicago, eine Folge von Anlagen, die mit breiten, baumbestandenen Boulevards verbunden einen zusammenhängenden Grünzug bilden. Der Brand In der Nacht vom 8. Oktober 1871 stiess auf der Südseite der Stadt Frau O‘Learys Kuh beim Melken die Stallaterne ins Heu. Der Stall fing Feuer. Chicago brannte. Ein starker Südwestwind blies die Flammen über das Zentrum, den Fluss und weit hinauf in den Norden. Fünf Quadratkilometer Stadt, das ganze Zentrum, wurden zerstört. Chicago schien am Ende. Doch zwei Wochen nach dem Feuer standen bereits wieder 5000 provisorische Gebäude. Die meisten Industrien waren glücklicherweise vom Feuer nicht betroffen worden. Unvermindert strömten Geld und Leute in die Stadt. Und es kamen, angezogen von der Aufgabe des Wiederaufbaus, die Architekten. Das Anliegen aller dieser Architekten war das gleiche: Es ging darum, Gebäude zu konzipieren, welche ohne Umstände die Anforderungen an Wirtschaftlichkeit, Nutzen und Wohlbefinden erfüllten. Sullivan brachte das auf den kürzesten Nenner: „Form follows function.“ So entstehen eine Reihe von Bauten, die sich nicht zuletzt durch ihre disziplinierten Fassaden zu erkennen geben. Der dekorative Ballast der damaligen Zeitarchitektur bleibt ihnen erspart. Musterbeispiele sind das Leiter- und das Manhattan-Building von Jenney, das Reliance- und das Monadnock-Building von Burnham und Root, das Cable-Building von Holabird und Roche sowie schliesslich das Auditorium-Gebäude und Carson, Piery und Scott von Sullivan und Adler. Die weisse Stadt Kaum zehn Jahre nach diesem heroischen Aufbruch schlägt das Pendel in der Architektur zurück. 1893 findet in Chicago die Weltausstellung statt. Im Jackson Park entsteht eine «weisse Stadt», die mit den Anliegen der Chicagoer Schule nicht das geringste zu tun hat. Tief wird in die Mottenkiste des Historizismus gegriffen. Dass Daniel Burnham, dessen Büro nur zwei Jahre vorher das Monadnock-Gebäude entworfen hat, nun in bester Beaux-Arts-Manier die Baugeschichte plündert, ist kaum zu verstehen. Sullivan bemerkte dazu: «Der Schaden, den diese Ausstellung anstellt, wird 50 Jahre dauern.» Bis zum Tribune Tower (1924) und zum Wrigley-Building (1921) hat er jedenfalls gereicht, und wenn man gewisse neuste Gebäude in Chicago, wie etwa Stanley Tigermans Hard Rock Coffee ansieht, dann auch noch etwas länger. Burnhams Chicago-Plan Eine neue Bauart, die Chicago Construction, hatte den ersten Wachstumsschub der Stadt ermöglicht. Eine neue Konstruktion, der Stahlskelettbau, und ein neuer Bautyp, der Wolkenkratzer, bestimmten die Stadt nach dem Brand. Massgebend für die neue Stadt wurde W. Jenney. In Paris als Ingenieur ausgebildet, führte er konsequent als Tragkonstruktion für mehrstöckige Gebäude das Stahlskelett ein. Der Stahlrahmen übernimmt die Last, die Wände werden zu leichten Füllelementen, das Gebäude kann höher werden. Der Chicago-Grid findet sein räumliches Gegenstück im Chicago-Frame. Der Stadtaufbau bekommt zum erstenmal einen adäquaten architektonischen Ausdruck. Mit William le Baron Jenney, Sullivan und Adler, Burnham und Root so wie Holabird und Roche sind Namen genannt, welche die erste Chicago-Schule bedeuten. Einen neuen Impuls brachte diese allgemein mit Begeisterung aufgenommene Ausstellung dennoch: Sie weckte den Wunsch nach einer «schönen Stadt». Der Gitterplan hatte Chicago zweifellos mächtig werden lassen. Die Ingenieurleistungen waren beeindruckend. Gerade hatte man die Hochbahn gebaut. Ihr die verschiedenen Bahnhöfe verbindender Ring, der Loop, umschloss das Stadtzentrum und gab ihm seine noch heute gültige Form. Und gerade war mit einer gigantischen Anstrengung, bei der mehr Kubikmeter Erde als beim Bau des Panamakanals bewegt wurden, der Lauf des Chicago River gedreht worden. Der Fluss strömte nun aus dem See heraus und durch den neuen Sanitary Canal ins Wassersystem des Mississippi. Das Ufer am Lake Michigan war wieder klar und sauber. Aber «schön» wurde die Stadt damit noch nicht. Die Eisenbahn schnitt sie vom Ufer des Sees ab, es fehlten die Freiräume im Innern, der Fluss war von Industrie verstellt. Hier nun zeigt die Ausstellung, an der Frederik Olmsted, der Landschaftsarchitekt des Central Park in New York, wesentlich mitgearbeitet hatte, neue Möglichkeiten. Das 14 15 Die erste Chicago-Schule Erlebnis des Michigan-Sees als besondere Qualität von Chicago wurde offensichtlich. Die Promenaden und Quais der Ausstellung schnitten besser ab als die trockenen Strassen und unansehnlichen Flussufer im Zentrum. 1906 erhielten Daniel Burnham und Edward Bennet vom mächtigen Chicago Merchants Club den Auftrag, einen Plan für die Stadt zu entwickeln, der über die einfache Organisation, wie sie der Gitterplan anbietet, hinausginge. 1909 lag das Resultat vor, und ein Jahr später wurde der Plan von der Stadt genehmigt. Die Durchführung allerdings stiess auf Schwierigkeiten. Eine «Stadt als Prozess» mit einem Impetus, wie ihn Chicago, nun schon Millionenstadt, zeigte, in eine Stadt als schöne Erscheinung zu verwandeln war ein künstliches Unterfangen, das keine Aussicht auf Erfolg hatte. Den Stadtkörper aber mit Elementen zu ergänzen, die dessen eigene Wandelbarkeit nicht verhinderten, war allerdings möglich. So wurden der zentrale Park mit Hafen und Planetarium, der Lake-Shore-Drive bis an die Nordgrenze der Stadt, aber auch die technischen Vorschläge,wie das den Loop unterirdisch versorgende Tunnelsystem oder die zweistöckige Anlage entlang des Chicago River, durchaus im Sinne des Burnham-Plans in den nachfolgenden 40 Jahren realisiert. ~ Ir -°~~- V OODDC 10 JLj 3ssnsr (NJ ]&3b?0DD ÖTIOOtflO gK| yy-* n4 föj £sr .V-^JL ( .« CHT § JTJSII1« L. iWC \\\\N: l:l_ r^x na K i ^K~? V*y vom Ufer des Sees ab, es fehlten die Frei¬ wurde der Plan von der Stadt genehmigt. räume im Innern, der Fluss war von In¬ Die Durchführung stiess auf Neuer Plan allerdings für die Stadt dustrie verstellt. Hier nun zeigt die Aus¬ Eine «Stadt als Prozess» Schwierigkeiten. Daniel Burnham und Edward Bennet, mit einem Impetus, wie ihn Chicago, nun stellung, an der Frederik Olmsted, der Landschaftsarchitekt des Central Park in schon Millionenstadt, zeigte, in eine New York, wesentlich mitgearbeitet hat¬ Stadt als schöne Erscheinung zu verwan¬ te, neue Möglichkeiten. Das Erlebnis des deln war ein künstliches Unterfangen, als das keine Aussicht auf Erfolg hatte. Den besondere Qualität Michigan-Sees von Chicago wurde offensichtlich. Die Stadtkörper aber mit Elementen zu er¬ 16 Promenaden und Quais der Ausstellung gänzen, die dessen eigene Wandelbarkeit schnitten besser ab als die trockenen nicht verhinderten, war allerdings mög¬ Strassen und unansehnlichen Flussufer lich. So wurden der zentrale Park mit Ha¬ im Zentrum. fen und der Mies van der Rohe kam kurz vor dem Zweiten Weltkrieg als Lehrer ans Armor-Institut, welches später zum IIT wurde. Es hätte wohl keinen notwendigeren Zufall geben können als das Zusammentreffen von Mies und Chicago mit dem Chicago-Grid, dem Chicago-Frame und der Chicago School of Architecture. Die Übereinstimmung mit der ersten Chicago-Schule war gegeben. Disziplin, strukturelle Klarheit und Einfachheit waren gemeinsame Anliegen. Mies ging allerdings weiter. Er meinte dazu: «Es gibt nur einen Weg, diese Einfachheit zu bekommen, und dieser führte grundsätzlich über die als Architektur entwickelte Konstruktion.» Also noch einen Schritt über Sullivan hinaus, weg von der Fassade zu Haut und Skelett. Als Leiter des IIT, dessen Campus nach seinen Entwürfen gebaut wurde, hat er ganze Generationen von Chicagoer Architekten ausgebildet, und dies in einem Mass, dass man seit dem letzten Weltkrieg von einer zweiten Chicago-Schule sprechen kann, mit Namen wie S.O.M., C. F. Murphy, Shipporeit und Heinrich, Perkins und Will sowie den verwandten Aussenseitern wie Bertrand Goldberg, Harry Weese oder Salomon Cordwell. Bauten, die für die zweite Chicago-Schule stehen, sind der John Hankock von S.O.M., Civic Center von Murphy, Lake Point Towers von Shipporeit und Heinrich, Helmut Jahns Xerox-Gebäude und natürlich Crown Hall, die Lake Shore Drive Apartments und das Federal Center. Als vertikale Stadt, die Fluss und Strasse, Geschäfte, Garage und Wohnraum in der gleichen Struktur zusammenfasst und dann als Ganzes Teil des Flussgebäudes mit den sich öffnenden und schliessenden Brücken und mehrstöckigen Uferstrassen wird, sind die Marina Towers von Bertrand Goldberg ein weiterer wichtiger Beitrag dieser zweiten Architekturwelle. In und Out J«5k p 3 =^j ITZy\^ t=s^J Mies und Chicago Mies und Chicago Mies van der Rohe kam kurz vor dem Zweiten 1909 Weltkrieg als Lehrer ans Armor-Institut, welches später zum IIT wurde. Es hätte wohl keinen notwendige¬ ren Zufall geben können als das Zusam¬ mentreffen von Mies und Chicago mit dem Chicago-Grid, dem Chicago-Frame und der Chicago School of Architecture. Die Übereinstimmung mit der er¬ sten Chicago-Schule war gegeben. Diszi¬ plin, strukturelle Klarheit und Einfach¬ Nicht eine Weltausstellung war es diesmal, die in den siebziger Jahren die Miessche Disziplin aufkündigte, sondern eine diffuse Zeitstimmung, die sich aus sehr verschiedenen Quellen nährte. Nach der Studentenbewegung und dem Vietnamkrieg, nach dem Sichtbarwerden der Umweltzerstörung und der Talfahrt des Dollars weckten Begriffe wie Technik und Konstruktion, Einfachheit und Beschränkung kein Echo mehr. Man glaubte nicht mehr an die eine richtige Lösung, «less is bore» war jetzt das Motto. Die Architekten wollten wieder mal wer sein, jeder einzelne etwas selber schaffen, auch wenn er das nur mit Hilfe des Supermarktes für historische Versatzstücke fertigbrachte. Mit Stanley Tigerman als lustigem Vortänzer schalteten die Chicagoer auf postmodern. 17 Verführt wurden fast alle, doch ganz entlassen hat die Stadt aus ihrem Bann nur wenige. Wenn Helmut Jahns Illinois State Center nicht die Disziplin des älteren RankXerox-Gebäudes besitzt, wenn technische und funktionelle Fehler genannt werden können und wenn die dekorativen Spielereien auf der Eingangsebene auch wenig bringen, so steht der Bau mit seiner Konstruktion, dem Gebrauch der Materialien und dem grossen öffentlichen Innenraum - vom Rookery Building bis zum Palmerhaus ein altes Chicago-Thema - doch ganz in der Tradition. Gleiches gilt für das Physics Teaching Center von Hollabird und Root, Jahns neue Terminals in O‘Hare und vielen anderen neusten Gebäuden. Und wenn die jungen Wölfe die grosse Masse der noch vorhandenen, nicht mehr benutzten Lagerhäuser für andere Zwecke umbauen, dann bleiben sie in diesen Raumgittern ganz Teil der Stadt und machen jeden Liebhaber des «Plan libre» auf ihre Möglichkeiten nur neidisch. Chicago - die Stadt als Prozess Chicago, ein Netz sich immer wieder verändernder baulicher und sozialer Situationen - und letztere haben eine kaum weniger spannende Geschichte als die der baulichen Erscheinung -, hat nach 150 Jahren nichts von seiner Wandlungsfähigkeit und Kraft verloren. Das ursprüngliche Schachbrett ist vielschichtiger geworden. Neue Muster - die Eisenbahnen, die Hochbahn, die Kette der Parks, das System der Autobahnen - haben es überlagert. Neue Bautypen, die Lofts, die Hochhäuser, das Chicago Townhouse, haben es aufgefüllt. Alle diese Teile wirken zusammen, verändern sich, werden da wichtig, verlieren dort an Bedeutung. Wolkenkratzer werden hochgezogen und ganze Strassenzüge zu Niemandsland leergefegt. Chicago, das hat erst angefangen, das ist, wie gestern, die Stadt von morgen, die Stadt im Werden, die Stadt als Prozess. 18 19 The Magnificent Mile and River North 20 21 Eine Fundgrube für Architekten Werner Blaser, Chicago Architecture Holabird & Root 1880-1992 Pioniere der «Chicago Architecture» Im Volksmund gilt Chicago als die Stadt der Gangster, aber auch in seriöser Beziehung steht sie an der Spitze der Städte Nordamerikas: Chicago ist die Geburtsstätte der modernen Architektur und eine Fundgrube für alle, die sich für Architektur interessieren. Hier lebten und arbeiteten F. L. Wright und Ludwig Mies van der Rohe - zusammen mit Le Corbusier wohl die grössten Architekten des 20. Jahrhunderts. Daneben ist Louis Sullivan zu nennen, einer der wichtigsten Begründer der ChicagoSchool-Bewegung: Der Riesenbrand von 1871, der die Innenstadt von Chicago zum Teil vernichtete, gab Anstoss zu einer städtebaulich vorbildlichen Tätigkeit, die als die «ChicagoSchool-Bewegung» bekannt geworden ist. Die ersten Wolkenkratzer sind 1880 in der Chicago-Loop entstanden, neun Jahre vor dem Eiffelturm. Im Gegensatz zu den Europäern hatten die Amerikaner kein verpflichtendes Erbe in der Baugeschichte und konnten unbekümmert Grundlagen für die Entfaltung einer neuen, zeitgemässen Architektur entwickeln. Die wirtschaftlich aufblühende Stadt Chicago gab den dortigen Architekten, u.a. William LeBaron Jenney, D. H. Burnham und Co., Holabird and Roche, später Holabird & Root, in der Mitte des 19. Jahrhunderts Möglichkeiten, gigantische Bürohochhausprojekte in Eisen und Glas zu verwirklichen. Von Anfang an war die Öffnung nach aussen das Kernproblem: Das «Chicago Fenster», grosse, vom Boden bis zur Decke reichende Fensteröffnungen, war die Lösung. Diese Geschäftshäuser waren auf dem klaren strukturellen und ökonomischen Prinzip aufgebaut, auf dem auch die industrielle Entwicklung Amerikas fusst. Die Entfaltung des «Skin and Skeleton» Gedankens, der die Chicago-Konstruktion beherrscht, hat sich von hier aus über die ganze Welt ausgebreitet (...) Anfänge der «Chicago Architecture» mit der Einführung des Skelettgedankens Eisen (später Stahl) und Glas leiteten die neue Epoche der metallurgischen Architektur ein. Die Form wurde zum Resultat einer rein konstruktiven Logik. Dazu sollten die Gebäude der Chicago-Schule den Anforderungen an Wirtschaftlichkeit, Nutzen und Wohlbefinden gerecht werden. Diese Prinzipien sind zum Beispiel in der Gage Group 1898-99 und im Crown Building 1899 von Holabird and Roche verwirklicht. Aber schon 1891-93 wurde im Monadnock Building von Burnham and Root (nördlicher Teil) und Holabird and Roche (südlicher Teil) durch die Geometrie 22 der Konstruktion ein diszipliniertes Meisterwerk in plastischer Gestalt entwickelt. Das mächtige, 16- geschossige Gebäude in der Loop mit erkerartigen Fensterreihen wurde an der West Jackson Street errichtet. Die Komponenten waren tragende Ziegel-Aussenwände, Säulen aus Gusseisen im Innern und Decken aus Walzträgern. Ein langgezogenes Rechteck, ein Vorläufer der scheibenartigen Hochhäuser, ergab im Innern eine natürliche Beleuchtung. Martin Roche, der aus Jenneys Büro kam, war Mitbegründer und Partner mit William Holabird. Zwei Jahre nach der Vollendung wurde der Bürobau nach Süden erweitert. Holabird and Roche verwendeten anstelle der tragenden Mauern ein verkleidetes Stahlskelett. «The Rookery Building» aus dem Jahr 1886 von Burnham and Root ist ein weiteres bedeutendes historisches Denkmal in Chicago. John W. Root, der spätere Partner von John Holabird, dem Enkel des Firmengründers William Holabird, war an der South LaSalle Street mitbeteiligt, ein Geschäftshaus in Skelettkonstruktion zu errichten. Das 11-geschossige Gebäude mit beinahe quadratischen Aussenabmessungen wird von einem Glasdach abgeschlossen. Dieser Lichthof unterteilt ein Fensterband in vertikaler Gliederung einer Skelettfassade. Der Glas-Eisen-Gewölbeabschluss in der Eingangshalle geht auf eine 1905 durchgeführte Renovation durch Frank Lloyd Wright zurück; eine weitere Renovation wurde 1992 erfolgreich abgeschlossen. Besonders das «Gage Group Building» von Louis Sullivan mit nördlichem 12-geschossigem Bau und Holabird and Roche mit südlichem 6-7-geschossigem Bau ist beispielhaft für die «First Chicago School of Architecture». Die ersten Hochhäuser an der Michigan Avenue in der Loop gehören mit ihrer Skyline darum zu den vollendetsten und markantesten Bauwerken Chicagos aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das neue Material Stahl schuf in der Kombination mit Glas Möglichkeiten, die Fenster in die ganze Fläche des Fassadenrechtecks einzubeziehen. Diese Glasöffnungen füllen das Skelett mit seinen tragenden und lastenden Gliedern und drücken somit das Prinzip der Konstruktion direkt aus. Der Stil der Schule von Chicago zeigt durch seine strenge Disziplin Klarheit in der Konstruktion und Ausdruckskraft in der Gestalt. Auf diesen neuen und bleibenden Fundamenten wurden aus der Eisenarchitektur durch konsequente Detaillierung visuelle Ausdrucksmöglichkeiten der neuen Konstruktionstechnik entwickelt. Dort, wo die sichtbare technische Konstruktion klar zum Ausdruck kommt, entstanden aus der Synthese von Technik und Architektur humane und lebensfähige Bauten. Der Architekt John Root sagte schon Ende des 19. Jahrhunderts: «Die Stärke, mit der die Funktion zum Ausdruck gebracht wird, soll als Massstab gelten für den Wert eines Gebäudes als Kunstwerk.» Es ging also nicht um die subjektive Erfindung von Formen, sondern um die objektive Sichtbarmachung von Funktionen am Bauwerk. 23 Weiterentwicklung der «Chicago Architecture» ohne Verlust der Grundidee Die neue, sogenannte Zweite ChicagoSchool-Bewegung, entstand, als Mies van der Rohe 1939 in die Staaten kam und am Illinois Institute of Technology (IIT) in Chicago die Architekturabteilung übernahm. Das Ornament fiel weg; die Form wurde Resultat einer rein konstruktiven Logik. Sie beherrschte das Bild der Silhouette von Chicago, die in den Fünfziger und Sechziger Jahren fast ausschliesslich von Mies und seinen Schülern geprägt wurde. Dabei wurden die architektonischen Prinzipien theoretisch und praktisch bis zur Vollendung durchexerziert und als «Mies-Schule» in die ganze Welt getragen. In deren Umkreis wurde das verpflichtende Erbe «Bauen ist Konstruktion» in die Tat umgesetzt. Die Erkenntnis, dass eine der wichtigsten Voraussetzungen im Bauprozess die Konstruktion ist, kam in der «Second Chicago School of Architecture» klar zum Ausdruck. Auf dem Weg vom Flughafen O‘Hare in die Stadt wird die Entwicklung der Chicago Skyline deutlich sichtbar. Am Lake Michigan wirken die klassischen 860-880 und 900910 Lake Shore Drive Apartments von Mies van der Rohe (1948-51) eher bescheiden. In ihrer Mitte - die Stadt in der Stadt - das 369 Meter hohe John Hancock Center von Skidmore, Owings & Merrill (1967-69). Die Avantgarde der Architekten und Bauingenieure in Chicago hat hier in über hundert Jahren zum dritten Mal Gewaltiges in der Entwicklung des Hochhauses geleistet. Als Beispiel dafür sei nur die neuartige Diagonal-Verstrebung in der Fassade des John Hancock Center genannt, welche modellhaft auf den Hochhausbau wirkte. In der Tradition der «Chicago Architecture» wurden die Bauwerke in unprätentiöser Einfachheit und in voller Übereinstimmung mit dem Funktionsablauf entwickelt. 24 25 1 Lake Shore Drive 860/880 2 Lake Point Tower 3 Marina City Apartments 4 IBM Building 5 Palmolive Building 919 N Michigan Avenue, Chicago 6 333 North Michigan 333 N Michigan Avenue, Chicago 7 John Hancock Center Mies van der Rohe, 1948-51 N Lake Shore Drive, Chicago Schipporeit- Heinrich Associates, 1968 505 N Lake Shore Drive, Chicago 5 Bertrand Goldberg, 1960-62 300 N State Street, Chicago 7 Mies van der Rohe, 1968-70 330 North Wabash, Chicago Holabird & Root, 1929 Holabird & Roche, 1928 2 SOM - Skidmore, Owings & Merrill, 1965-69 875 N Michigan Avenue, Chicago 8 Chicago Tribune Tower 435 N Michigan Avenue, Chicago 8 Hood and Howells, 1922-25 9 Wrigley Building Graham, Anderson, Probst & Wight, 1919-22 400-410 N Michigan Avenue, Chicago 10 Merchandise Mart 1 9 10 3 4 6 Graham, Anderson, Probst & White, 1927- 31 22 W. Merchandise Mart Plaza, Chicago 26 Lake Shore Drive 860/880 Mies van der Rohe, 1948-51 N Lake Shore Drive, Chicago 28 29 Lake Point Tower Schipporeit- Heinrich Associates, 1968 505 N Lake Shore Drive, Chicago Marina City Apartments Bertrand Goldberg, 1960-62 300 N State Street, Chicago 30 31 IBM Building Mies van der Rohe, 1968-70 330 North Wabash, Chicago Palmolive Building Holabird & Root, 1929 919 N Michigan Avenue, Chicago 32 33 333 North Michigan Holabird & Roche, 1928 333 N Michigan Avenue, Chicago John Hancock Center SOM - Skidmore, Owings & Merrill, 1965-69 875 N Michigan Avenue, Chicago 34 35 Wettbewerbsbeitrag Walter Grophius/Adolf Meyer, 1922 37 36 Wettbewerbsbeitrag Adolf Loos, 1922 Chicago Tribune Tower Hood and Howells, 1922-25 435 N Michigan Avenue, Chicago Wrigley Building Graham, Anderson, Probst & Wight, 1919-22 400-410 N Michigan Avenue, Chicago 38 39 Merchandise Mart Graham, Anderson, Probst & White, 1927- 31 22 W. Merchandise Mart Plaza, Chicago 40 41 Oak Park & River Forest 42 43 Debüt eines Genies: Frank Lloyd Wright (1867-1909) Vittorio Magnago Lampugnani - Die Stadt im 20. Jahrhundert Frank Lloyd Wright wurde entgegen manch falscher Angabe, die er selbst machte, um das eigene Alter ein wenig nach unten zu korrigieren, 1867 in Richland Center, Wisconsin, geboren. Er studierte 1885-1887 Ingenieurwesen an der University of Wisconsin in Madison und arbeitete gleichzeitig beim Architekten Allan D. Conover. Neben dieser knappen beruflichen Ausbildung empfing er auf der Farm seines Großvaters bei Spring Green, Wisconsin, Eindrücke, die zu seiner frühen Vorliebe für das Land beitrugen. Im Jahr 1887 zog er nach Chicago, wo er kurze Zeit im Atelier von Joseph Lyman Silsbee praktizierte, der ihn mit den Prinzipien des Shingle Style vertraut machte. Ein Jahr darauf trat er in das Büro von Louis Henry Sullivan und Dankmar Adler ein, wo er maßgeblich an Entwürfen von Wohnhäusern mitwirkte. Dabei übernahm er von der Lehre seines »lieben Meisters«, wie er Sullivan zu nennen pflegte, die naive Philosophie der amerikanischen »Gründerväter«, den übersteigerten Individualismus des Schriftstellers Henry David Thoreau und den Naturalismus von Thomas Jefferson. Die Konsequenz von Wrights Naturliebe war die Abkehr von der Großstadt. In Oak Park, einem aristokratischen grünen Vorort von Chicago, wohin er 1888 zog, richtete er ein Jahr darauf ein eigenes Atelier ein. Mit den ersten Projekten verherrlichte er das einzeln stehende Einfamilienhaus als Keim einer neuen, individualistischen Demokratie der Happy-few. Nach zögerlichen Versuchen, sich dem Beaux-Arts-Stil anzupassen (Entwurf für die Milwaukee Library, 1893), traf er endgültig eine antiklassische und antieuropäische Wahl und verfolgte das »organische« Ideal als amerikanische kulturrelle Neugründung. Mit zwei Projekten für das Ladies‘ Horne Journal, A Home in a Prairie Town, sowie »A Small house with‚ Lots of Room in It«, fand er 1900 eine kohärente Formensprache für seine Prairie Houses: einen eigenständigen Typus des Einzelhauses im Grünen, der sich in seiner vornehmen Einfachheit, seiner Ablehnung rein repräsentativer, ungenutzter Räume und seiner freien Gliederung um einen zentralen Kamin an der Tradition des nordamerikanischen Bauernhauses und des englischen Landhauses der Arts-and-CraftsBewegung orientierte. Bereits »A Home in a Prairie Town« hatte Wright leicht variiert zu einer Vierergruppe angeordnet. Im »Quadruple Block Plan« für Oak Park von 1900 sind die Häuser zu einem Vorstadtviertel en miniature komponiert, das sich einen opulenten, quadratisch zugeschnittenen Garten teilt und durch eine Mauer von der Außenwelt abgeschirmt wird. Das Zentrum der nahezu dekorativ geometrischen Komposition bildet bezeichnenderweise der Block der vier Garagen als konkretes Emblem der Motorisierung, die Bedingung für das Leben in der Natur vor den Toren der Stadt geworden war. Der gleiche »Quadruple Block Plan« taucht unmittelbar danach im Bebauungsplan auf, den Wright für den Unternehmer C. E. Roberts und für Oak Park entwickelt. Varianten kommen hinzu: Eine eliminiert den 44 Garagenblock, rückt die Häuser in die Mitte ihrer jeweiligen Grundstücke und dreht sie jeweils so, dass ein Maximum an Privatheit erreicht wird. Eine andere, radikalere, sieht auf vergleichsweise schmalen Parzellen eine dichte Sequenz eng aneinandergereihter Einfamilienhäuser vor, die einen einzigen Grundrisstyp variieren. Auf der gegenüberliegenden Grundstücksseite sind sie sogar so aneinandergerückt, dass sie lediglich durch die jeweiligen Zufahrten respektive Gartenerschließungswege getrennt sind: Die Walmdächer berühren einander und bilden ein Kontinuum. Offensichtlich war selbst der militante Individualist Wright um die Regularisierung des heterogenen Stadtbildes der amerikanischen suburbs bemüht.(...) 45 46 47 12 4 2 8 6 3 13 10 9 5 7 1 11 16 14 15 25 23 24 17 22 1 Frank Lloyd Wright Home & Studio, 951 Chicago Avenue 2 Robert P. Parker House (1892), 1019 Chicago Avenue 3 Thomas H. Gale House (1892), 1027 Chicago Avenue 4 Walter H. Gale House (1893), 1031 Chicago Avenue 5 Dr. William H. Copeland House (1908-09), 400 Forest Avenue 6 Nathan G. Moore House (1895, 1923), 333 Forest Avenue 7 Arthur B. Heurtley House (1902), 318 Forest Avenue 8 Edward R. Hills (1906), 313 Forest Avenue 9 Peter A. Beachy House (1906), 238 Forest Avenue 10 Frank. W. Thomas House (1901), 210 Forest Avenue 11 Mrs. Thomas H. Gale House (1909), 6 Elizabeth Court 12 Francis J. Woolley House (1893), 1030 Superior Street 13 George W. Smith House (1898), 404 South Home Avenue 14 Unity Temple, 875 Lake Street 15 H. P. Young House (1895), 334 North Kenilworth Avenue 16 Oscar B. Balch House (1911), 611 North Kenilworth 17 Harry S. Adams House (1913), 710 Augusta Boulevard 18 William E. Martin House (1903), 636 North East Avenue 19 Harry C. Goodrich House (1895), 534 North East Avenue 20 Edward H. Cheney House (1903), 520 North East Avenue 21 Rollin Furbeck House (1897), 515 Fair Oaks 22 William G. Fricke (1901), 540 Fair Oaks Avenue 23 Charles E. Roberts - Main House (1896), 321 North Euclid Avenue 24 Charles E. Roberts - Stable House (1896), 317 North Euclid Avenue 25 George W. Furbeck House (1897), 223 North Euclid 19 20 21 18 1 Frank Lloyd Wright Home and Studio (1889-90, 1897-99) 428 Forest Avenue / 951 Chicago Avenue 48 49 2 3 6 7 Robert P. Parker House (1892) Thomas H. Gale House (1892) Nathan G. Moore House (1895, 1923) Arthur B. Heurtley House (1902) 1019 Chicago Avenue 1027 Chicago Avenue 333 Forest Avenue 318 Forest Avenue 4 5 8 9 Walter H. Gale House (1893) Dr. William H. Copeland House (1908-09) Edward R. Hills House (1906) Peter A. Beachy House (1906) 1031 Chicago Avenue 400 Forest Avenue 313 Forest Avenue 238 Forest Avenue 50 51 10 11 Frank. W. Thomas House (1901) Mrs. Thomas H. Gale House (1909) 210 Forest Avenue 6 Elizabeth Court 12 13 14 Francis J. Woolley House (1893) George W. Smith House (1898) Unity Temple (1905-08) 1030 Superior Street 404 South Home Avenue 875 Lake Stree 52 53 15 16 19 20 H. P. Young House (1895) Oscar B. Balch House (1911) Harry C. Goodrich House (1895) Edwin H. Cheney House (1903) 334 North Kenilworth Avenue 611 North Kenilworth 534 North East Avenue 520 North East Avenue 17 18 21 22 Harry S. Adams House (1913) William E. Martin House (1903) Rollin Furbeck House (1897) William G. Fricke (1901) 710 Augusta Boulevard 636 North East Avenue 515 Fair Oaks Avenue 540 Fair Oaks Avenue 54 55 1 23 24 Charles E. Roberts - Main House (1896) Charles E. Roberts - Stable House (1896) 321 North Euclid Avenue 317 North Euclid Avenue 4 2 3 5 6 Gebäude von Frank Lloyd Wright in River Forest 1 2 3 4 25 5 George W. Furbeck House (1897) 223 North Euclid Avenue 6 615 Lathrop Avenue E. Arthur Davenport House, 1901 559 Ashland Avenue J. Kibben Ingalls House, 1908 562 Keystone Avenue Isabel Roberts House, 1908 603 Edgewood Place Chauncey L. Williams House, 1895 530 Edgewood Place 56 River Forest Tennis Club, 1906 William H. Winslow House and Stable, 1894 515 Auvergne Place 57 The Loop 58 59 Louis H. Sullivan - Das große Bürogebäude, künstlerisch betrachtet Sherman Paul, Louis H. Sullivan - Ein amerikanischer Architekt und Denker Die Architekten dieses Landes und dieser Generation stehen nun vor etwas ganz Neuem - nämlich der Evolution und Integration sozialer Verhältnisse und ihrer ganz besonderen Gruppierung, die die Errichtung großer Bürogebäude erforderlich macht. Ich habe nicht vor, über die sozialen Verhältnisse zu diskutieren; ich nehme sie als Tatsache hin und sage schon gleich jetzt, daß der Entwurf des großen Bürogebäudes von Anfang an als ‚ein Problem erkannt und gewürdigt werden muß, das zu lösen ist - als ein lebenswichtiges Problem, das nach einer echten Lösung drängt. Wir wollen die Verhältnisse auf die einfachste Art betrachten; es handelt sich dabei, kurz gesagt, um folgendes: Büros sind notwendig für die Erledigung der Verwalttingsarbeiten; die Erfindung und Vervollkommnung des Expreßlifts macht die Vertikalbeförderung, die einst schwierig und mühsam war, jetzt leicht und bequem; die Entwicklung der Stahlproduktion hat den Weg zu sicheren, standfesten, wirtschaftlichen Konstruktionen geebnet, die eine beträchtliche Höhe erreichen; das ständige Anwachsen der Bevölkerung, die Anhäufung in den Zentren und die Erhöhung des Grundstückswertes bedingen eine Erhöhung der Stockwerkszahl; dadurch, daß mit Erfolg immer mehr Stockwerke aufeinandergesetzt werden, wird der Grundstückswert beeinflußt usw. - so daß nun, durch Aktion und Reaktion, Interaktion und Interreaktion, diese Form des hohen Gebäudes zustande kam, das man das »modeme Bürogebäude« nennt. Es kam als Antwort auf eine Forderung; in ihm fand ein neuer sozialer Stand Wohnsitz und Bezeichnung. Bis hierher ist alles materialistisch, eine Zurschaustellung von Kraft, Entschlossenheit, Verstand im reinen Sinn des Wortes. Es ist das gemeinsame Produkt des Theoretikers, des Ingenieurs, des Baumeisters. Das Problem ist dieses: Wie sollen wir diesem sterilen, groben, rohen, brutalen Haufen, dieser starren, widerspenstigen Fratze ewigen, Kampfes die Anmut jener höheren Formen der Empfindung und Kultur geben, die sich über die niedrigen und primitiven Leidenschaften erheben? Wie sollen wir aus der schwindelnden Höhe dieses so andersartigen, unheimlichen, modernen Hauses die frohe Botschaft des Gefühls, der Schönheit - den Kult eines höheren Lebens verkündigen? Das ist das Problem; und wir müssen seine Lösung in einem seiner eigenen Evolution analogen Prozeß suchen - das heißt, in einer Fortsetzung dieses Prozesses - indem wir nämlich Schritt für Schritt von allgemeinen zu besonderen Aspekten, von allgemeinen zu besonderen Erwägungen übergehen. Meiner Überzeugung nach gehört es zum Wesen eines jeden Problems, daß es seine Lösung in sich selber trägt und sie andeutet. Ich glaube daran, daß dies ein Naturge60 setz ist. Wir wollen daher sorgfältig die Elemente und diese Andeutung - das heißt das Wesen - des Problems untersuchen. Allgemein gesprochen, handelt es sich um folgende, in der Praxis vorhandene Verhältnisse: Gebraucht werden 1. ein Untergrundgeschoß zur Aufnahme von Boilern, Maschinen der verschiedensten Art, z. B. der Anlage für Strom, Heizung, Beleuchtung; 2. ein Erdgeschoß für Läden, Banken oder andere Etablissements, die eine große Fläche, viel Raum und viel Licht erfordern und leicht zugänglich sein müssen; 3. eine zweite Etage, die leicht über Treppen zu erreichen ist - im allgemeinen mit großen Unterteilungen, entsprechend weitläufig angelegter Struktur, ausgedehnten Glasflächen und breiten Fensteröffnungen; 4. darüber eine unbestimmte Anzahl aufeinandergeschichteter Bürogeschosse, eine Etage wie die andere, ein Büro wie das andere - jedes Büro eine Wabe in einem Bienenstock, nur eine Zelle und nichts weiter; 5. ein letztes auf alle diese vorgenannten aufgesetztes Stockwerk, das in Bezug auf organische Zweckmäßigkeit der Struktur rein physiologischer Art ist: das Dachgeschoß. Hier vollendet sich der Kreislauf und macht seine große Wendung abwärts. Der Raum ist angefüllt mit Behältern, Rohren, Ventilen, Rädern und sonstigen mechanischen Dingen, die eine Ergänzung der im Keller befindlichen Kraftanlage darstellen. Zuletzt - oder vielmehr zuerst - muß im Erdgeschoß noch ein gemeinsamer Haupteingang für alle Kunden bzw. im Hause Beschäftigten vorgesehen werden. Dieses Programm gilt im wesentlichen für jedes große Bürogebäude des Landes. Was die notwendige Einrichtung von Lichthöfen anlangt, so gehört diese nicht zum eigentlichen Problem, und ich halte -es nicht für erforderlich, sie hier zu berücksichtigen. Solche Dinge - wie z. B. auch die Einrichtung von Aufzügen - gehören zur wirtschaftlichen Seite des Gebäudes, und ich setze voraus, daß die Erwägungen und Entscheidungen hierbei vom pekuniären und vom Zweckmäßigkeitsstandpunkt aus getroffen werden. Nur in seltenen Fällen hat der Grundriß oder die Etagenanordnung des großen Bürogebäudes ästhetische Bedeutung - so z. B., wenn der Lichthof außerhalb angelegt wird oder aber im Innern ein sehr charakteristisches Merkmal bilden soll. Da ich hier nicht nach einer individuellen oder speziellen Lösung, sondern nach einem echten normalen Typ forsche, muß die Aufmerksamkeit sich auf solche Verhältnisse beschränken, die im allgemeinen auf sämtliche großen Bürogebäude zutreffend sind; jede nur zufällige Variation beeinträchtigt die Klarheit der Untersuchung und muß‚ deshalb unbeachtet bleiben. 61 Die horizontalen und vertikalen Abmessungen des Einzelbüros sind selbstverständlich‚ so berechnet, daß sich in der Praxis ein‚ Raum von ausreichender Fläche und Höhe ergibt; die Größe des Standard-Büroraums bestimmt natürlich die Standardabmessungen der Struktur und ungefähr auch die Größe der Fensteröffmmgen. Diese strukturellen Dimensionen hinwiederum bilden die echte Basis für die künstlerische Gestaltung, des Äußeren. Es versteht sich von selbst, daß die Flächen und Öffnungen im ersten (dem merkantilen) Stockwerk unbedingt größer sein müssen als diejenigen in allen übrigen; Flächen und Öffnungen des zweiten (des quasi-merkantilen) Stockwerkes sind auf ähnliche Weise zu planen; im Dachgeschoß sind Flächen und Öffnungen von keinerlei Bedeutung - die Fenster haben keinen tatsächlichen Wert, da das Licht von oben einfallen kann; eine Zelleneinteilung der Strukturfläche ist hier nicht erforderlich. Daraus folgt ganz unbedingt und einfach, daß wir, um - unseren natiirlichen Instinkten folgend und ohne Gedanken an Bücher, Regeln, frühere Beispiele oder sonstiges Bildungsgepäck - zu einem spontanen und vernünftigen Resultat zu gelangen, das Äußere unseres großen Bürogebäudes wie folgt entwerfen müssen: Dem Erdgeschoß geben wir einen Haupteingang, der den Blick auf sich zieht, und den Rest des Stockwerks statten wir mehr oder weniger großzügig aus - entsprechend den praktischen Notwendigkeiten, aber so, daß alles weit und frei wirkt. Die zweite Etage wird ähnlich, aber im allgemeinen etwas weniger großzügig geplant. Die Anlage der übrigen Stockwerke richtet sich nach der einzelnen »Zelle«, für die ein Fenster mit Pfeiler, Sims und Sturz vorgesehen wird; ein Raum soll wie der andere aussehen, weil einer genau so ist wie der andere. Zuletzt kommen wir zum Dachgeschoß, das, da es nicht in Bürozellen unterteilt wird und keine besonderen Vorrichtungen für Beleuchtung erfordert, uns die Möglichkeit gibt, durch breit angelegtes Mauerwerk von beherrschendem, wuchtigem Charakter deutlich zu machen, daß die Reihe von Büroetagen hier endgültig abgeschlossen wird. Das Resultat mag dürftig und die Art seiner Darlegung herzlos und pessimistisch erscheinen - aber nichtsdestoweniger haben wir eine charakteristische Stufe erreicht, die das vorgestellte düstere Gebäude der Theoretiker - Ingenieur - Baumeister -Kombination überragt. Denn nun spürt man in der unmittelbar getroffenen Entscheidung definitiv die Hand des Architekten, und der durch und durch gesunde, logische und klare Ausdruck der Verhältnisse wird sichtbar. Wenn ich sage »die Hand des Architekten«, so denke ich nicht unbedingt an einen ausgelernten und erfahrenen Architekten; ich denke dabei an einen Mann mit einer starken natürlichen Liebe zu Gebäuden - und mit einem Talent, ihnen die seiner unverkünstelten Natur direkt und einfach erscheinende Gestalt zu geben. Er wird einen neuen Pfad austreten, der vom Problem zur Lösung führt, und dabei wird er eine beneidenswerte Logik entwickeln. Wenn er die Gabe der Detailformung, ein Gefühl für die Form als solche und auch Neigung dafür besitzt, so wird sein Ergebnis nicht nur einfache, gerade Natürlichkeit, sondern dariiber hinaus auch den Charme der Empfindung zum Ausdruck bringen. 62 Nichtsdestoweniger sind bis hierher die Resultate nur Stückwerk und Versuche; wenn sie auch verhältnismäßig echt sind, so sind sie doch nur oberflächlich. Unser Instinkt hat zweifellos recht, aber wir müssen, eine bessere Rechtfertigung, eine genauere Bestätigung für ihn finden. Wir haben nun bei der Untersuchung unseres Problems verschiedene Fragen geprüft: 1. Die soziale Grundlage der Notwendigkeit großer Bürogebäude; 2. die eigentliche materielle Befriedigung dieses Bedürfnisses; 3. sind wir von der eigentlichen Planung, Konstruktion und Anlage zur elementaren Architektur als dem direkten Ergebnis vernünftigen, gesunden Bauens übergegangen; 4. von der elementaren Architektur sind wir mit Hilfe der Empfindung zu den Anfängen echten architektonischen Ausdrucks gelangt. Aber wenn auch an unserem Gebäude alles dieses in beträchtlichem Maße erkennbar ist, so sind wir doch noch weit entfernt von der richtigen Lösung des Problems, die ich mir zur Aufgabe gemacht habe. Wir müssen jetzt auf die befehlende Stimme der Emotion horchen. Sie fragt uns: Welches ist das Hauptmerkmal des großen Bürogebäudes? Und wir antworten sofort: Es ist sehr hoch. Und diese seine Höhe ist, vom Künstler aus gesehen, ein erregendes Merkmal. Sie ist der mächtig schwingende, aufrufende Orgelton. Und das Gebäude hinwiederum muß den Dominantakkord dieses Tones, der die Vorstellung reizt, zum Ausdruck bringen. Es muß hoch sein - jeder Zoll an ihm muß hoch sein. Die Kraft und Gewalt der Höhe müssen in ihm sein - der Glanz und der Stolz der Begeisterung. Bis ins kleinste muß es stolz und jubelnd sein, muß sich emporrecken in reinem Frohlocken darüber, daß es vom Boden bis zum höchsten Punkt eine Einheit bildet, in der keine einzige Linie von der Richtung abweicht - daß es die frische unerwartete, ausdrucksvolle Überwindung der nüchternsten, finstersten, abstoßendsten Verhältnisse darstellt. Der Mann, der in diesem Geist und im Gefühl der Verantwortung seiner Generation gegenüber plant und entwirft, darf kein Feigling, kein Bücherwurm, kein Dilettant sein. Er muß leben im vollsten Sinn - aus seinem Leben und für sein Leben. Er muß sofort, von Inspiration erfüllt, erkennen, daß das Problem des großen Bürogebäudes eine der wunderbarsten, herrlichsten Gelegenheiten ist, die der Herr der Natur in Seiner Güte dem stolzen Menschengeist jemals dargeboten hat. Daß dies nicht erkannt, vielmehr glattweg geleugnet wurde, ist ein Beweis menschlicher Verkehrtheit, der uns zu denken geben muß. Nun ein Weiteres: Wir wollen die Frage auf der Ebene ruhiger, philosophischer Betrachtung erwägen. Wir wollen eine umfassende, abschließende Lösung finden - das Problem wirklich auflösen. 63 Gewisse Kritiker - und zwar sehr scharfsinnige - haben die Theorie aufgestellt, daß der echte Prototyp des großen Bürogebäudes die klassische Säule, bestehend aus Basis, Schaft und Kapitell, sei. Demnach wäre also die geformte Basis typisch für die unteren Stockwerke unseres Gebäudes, der glatte der kannelierte Schaft stellte die monotone, durchgehende Reihe der Büroetagen und das Kapitell die vollendende Kraft und die Üppigkeit des obersten Geschosses dar. Andere Theoretiker, die einen mystischen Symbolismus vertreten, führen die vielen Dreiheiten in Natur und Kunst sowie die Schönheit und Endgültigkeit einer solchen Dreiheit in der Einheit an. Sie berufen sich auf die Schönheit der Primzahlen, das Geheimnisvolle der Zahl Drei, die Schönheit überhaupt aller Dinge, die in drei Stufen unterteilt sind - z. B. des Tages, der aus Morgen, Mittag und Abend besteht, und des Körpers, der sich aus Gliedern, Rumpf und Kopf zusammensetzt. So, sagen sie, sollte auch das Gebäude vertikal in drei Teile unterteilt sein - wie die zuvor angeführten Dinge, aber aus anderen Motiven heraus. Andere - reine Intellektualisten - meinen, daß ein solcher Plan wie ein logischer Beweis aufgebaut sein und aus Einleitung, Mitte und Schluß bestehen müsse, und jeder Teil müsse deutlich erkennbar sein: Wieder also, wie weiter oben, ein in vertikaler Richtung dreigeteiltes Gebäude. Noch andere, die ihre Beispiele und Beweise im Reich der Natur suchen, behaupten, daß ein solcher Entwurf vor allem organisch sein müsse. Sie führen eine geeignete Pflanze an, deren Blätter sich gebündelt auf den Boden breiten und deren langer, anmutiger Stengel die prächtige einzelne Blüte trägt. Sie weisen besonders auf die Föhre hin, auf ihre mächtigen Wurzeln, ihren geschmeidigen durchgehenden Stamm und die büschelige Krone hoch oben in der Luft. So, sagen sie, solle das große Bürogebäude entworfen sein: wieder vertikal in drei Teile geteilt. Andere schließlich, die mehr Wert auf die Kraft der Einheit als. auf die Schönheit der Dreiheit legen, sagen, daß ein solcher Plan auf einen Schlag entworfen werden müsse - in der Art etwa, in der ein Hufschmied oder der gewaltige Jupiter selbst arbeite; oder aber er müsse, wie Minerva, voll ausgebildet den Gedanken entspringen. Sie akzeptieren die Dreiteilung als zulässig und willkommen, aber nicht als wesentlich. Für sie bedeutet sie eine Unterteilung ihrer Einheit: die Einheit entsteht nicht aus dem Zusammenschluß der drei, die von ihnen ohne Murren geduldet werden, sofern die Unterteilung der Einheit die Einheit selbst nicht stört. Alle diese Kritiker und Theoretiker sind jedoch positiv und einhellig der Meinung, daß das große Bürogebäude nicht zu einer Bühne für die Zurschaustellung architektonischen Könnens im wissenschaftlichen Sinn werden darf; daß zuviel Wissen hier ebenso gefährlich und abstoßend ist wie halbes Wissen; daß ein Mischmasch widerlich ist; daß ein sechzehnstöckiges Gebäude nicht aus sechzehn seperaten, voneinander unterschiedenen und unzusammenhängenden Bauwerken bestehen darf, die aufeinandergetürmt werden, bis der oberste Stock erreicht ist. Diese letzte Torheit würde ich überhaupt nicht erwähnen, wenn es nicht eine Tatsache wäre, daß neun von zehn Gebäuden in genau dieser Weise entworfen werden - und zwar nicht von Unwissenden, sondern von Ausgebildeten. Es scheint wirklich, als sei der »trainierte« Architekt, sobald er diesem Problem gegenübersteht, bei jedem - oder mindestens jedem dritten - Stockwerk von panischer Angst befallen, daß er‚ »schlecht in Form« sei; daß er für sein Bauwerk nicht genügend Schmuck von diesem, jenem oder einem anderen »korrekten« Gebäude aus irgendeinem anderen Land oder irgendeiner anderen Zeit geborgt habe; daß er nicht weitschweifig genug sei in der Ausstellung seiner Ware; kurz: daß er einen Mangel an Wendigkeit zeige. Es scheint über seine Kräfte zu gehen, den Griff der verkrampften, unruhigen Hand zu lockern, seine Nerven zu beruhigen, seine Gedanken abzukühlen, ruhig und natürlich zu überlegen; er lebt in einem schrecklichen Wachtraum, der von den zerstückelten Gliedmaßen der Architektur erfüllt ist: wirklich kein sehr, anregendes Schauspiel. Was die zuvor erwähnten ernsthaften Ansichten scharfsinniger und verständiger Kritiker anlangt, so werde ich mich - wenn auch mit Bedauern - zum Zwecke dieser Demonstration von ihnen absetzen, denn ich halte sie für sekundär und unwesentlich, den innersten Kern der ganzen Angelegenheit nämlich die echte und unerschütterliche Philosophie der Baukunst, nicht betreffend. 64 65 Diese Ansicht will ich nun belegen, denn sie trägt zur Lösung des Problems eine, abschließende und umfassende Formel bei. Jedes Ding in der Natur hat eine Gestalt, daß heißt eine Form, eine äußere Erscheiung, durch die wir wissen, was es bedeutet, und die es von uns selbst und von allen anderen Dingen unterscheidet. In der Natur bringen diese Formen das innere Leben, den eingeborenen Wert der Geschöpfe oder der Pflanzen, die sie darstellen, zum Ausdruck; sie sind so charakteristisch und so unverkennbar, daß wir ganz einfach sagen, es sei »natürlich«, daß sie so sind. Und doch: im Augenblick, in dem wir unter die Oberfläche dringen, im Augenblick, in dem wir durch das ruhige Spiegelbild unseres Ichs und der Wolken hoch über uns in die klare, strömende, unermeßliche Tiefe der Natur schauen - wie bestürzend ist diese Stille, wie unbegreiflich der Fluß des Lebens, wie erschütternd das Geheimnis! Unaufhörlich nimmt das Wesen der Dinge in der, Materie der Dinge Gestalt an, und diesen wunderbaren Vorgang nennen wir Geburt und Wachstum. Und wenn nach einer Weile Geist und Materie gemeinsam dahinschwinden, so nennen wir‘s Verwelken und Tod. Diese beiden Ereignisse erscheinen als zusammenhängend und ineinandergreifend, sie sind eins wie die Seifenblase und ihr Schillern - schweben wie sie in sanft sich bewegender Luft. Diese Luft ist wunderbar über alles Begreifen hinaus. Dem der auf dem Ufer der Dinge steht und ‚ unverwandt und voll Liebe dorthin blickt wo die Sonne scheint ,und wo, wie wir glücklich empfinden, das Leben ist, füllt sich das Herz beständig mit Freude über die Schönheit und die Ungezwungenheit, mit der das Leben seine Formen sucht und findet - in vollkommener übereinstimmung mit den Bedürfnissen. Immer scheint es, als seien Leben und Form ganz und gar eins und unzertreimlich, so vollendet ist die Erfüllung. Ob wir an den im Flug gleitenden Adler, die geöffnete Apfelblüte, das schwer sich abmühende Zugpferd, den majestätischen Schwan, die weit ihre Äste breitende Eiche, den Grund des sich windenden Stroms, die ziehenden Wolken oder die über allem strahlende Sonne denken: immer folgt die Form der Funktion - und das ist das Gesetz. Wo ‚die Funktion sich nicht ändert, ändert sich auch die Form nicht. Die Granitfelsen und die träumenden Hügel bleiben immer dieselben; der Blitz springt ins Leben, nimmt Gestalt an und stirbt in einem Augenblick. Es ist das Gesetz aller organischen und anorganischen, aller physischen und metaphysischen, aller menschlichen und übermenschlichen Dinge, aller echten Manifestationen des Kopfes, des Herzens und der Seele, daß das Leben in seinem Ausdruck erkennbar ist, daß die Form immer der Funktion folgt. Das ist Gesetz. Dürfen wir also dieses Gesetz täglich in unserer Kunst übertreten? Sind wir so dekadent, so töricht, so ungeheuer kurzsichtig, daß wir diese so einfache Wahrheit nicht erkennen? Ist diese Wahrheit so durchsichtig, daß wir durch sie hindurchsehen, ohne sie wahrzunehmen? Ist sie wirklich etwas so Wunderbares - oder aber ist sie so abgedroschen, so alltäglich und uns so nahe, daß wir einfach nicht einsehen können, daß Gestalt, Form und Äußeres des großen Bürogebäudes nach Art aller Dinge sich den Funktionen dieses Gebäudes anpassen müssen - daß, wo die Funktion sich nicht ändert, die Form sich nicht ändern darf ? Zeigt dies nicht klar und deutlich und endgültig, daß eine oder zwei der untersten Etagen einen besonderen Charakter, entsprechend den besonderen Bedürfnissen, zum Ausdruck bringen müssen? Daß die Reihen der eigentlichen Büros, die die gleiche unveränderte Funktion haben, die gleiche unveränderte Form behalten müssen? Daß für die Funktion der obersten Etage, die spezifischen und abschließenden Charakter hat, in Bezug auf Kraft, Bedeutung, Endgültigkeit der geeignete Ausdruck gefunden werden muß? Hieraus ergibt sich ganz natürlich, ganz spontan und unbeabsichtigt die dreiteilige Form - nicht aus irgendeiner Theorie, einem Symbol oder einer Logik. Und so findet der Entwurf des großen Bürogebäudes seinen Platz neben allen anderen Entwürfen, die entstanden, sobald die Architektur - immer einmal im Verlauf langer Zeiträume - eine lebendige Kunst war. Als Beispiel haben wir den griechischen Tempel, den gotischen Dom und die mittelalterliche Burg. Wenn ursprünglicher Instinkt und ursprüngliche Empfindsamkeit unsere geliebte Kunst beherrschen werden; wenn es erkanntes und anerkanntes Gesetz sein wird, daß die Form stets der Funktion folgt; wenn unsere Architekten aufhören werden, 66 prahlerisch zu streiten und kindisch sich zu zanken, indes ihre Hände von Systemen ausländischer Schulen gefesselt sind; wenn zutiefst empfunden und freudig anerkannt wird, daß dieses Gesetz sonnige griine Felder erschließt und uns Freiheit schenkt - daß die Schönheit und Herrlichkeit des Gesetzes selbst, wie sie in der Natur in Erscheinung treten, jeden vernünftigen und empfindenden Menschen davon abhält, in Zügellosigkeit zu verfallen; wenn offensichtlich wird, daß wir eine fremde Sprache mit amerikanischem Akzent sprechen, während doch jeder Architekt im Lande unter dem günstigen Einfluß dieses Gesetzes auf die einfachste, bescheidenste und natürlichste Art aussprechen könnte, was er sagen möchte‚ während er doch wirklich und ganz gewiß seine eigene charakteristische Individualität entwickeln und die Kunst der Architekten zu einer lebendigen Sprache machen könnte, zu einer natürlichen Form der Äußerung, durch die ihm Erleichterung verschafft und den Kunstschätzen seines Landes ein neuer Schatz hinzugefügt würde; wenn wir wissen und fühlen werden, daß die Natur unser Freund und nicht unser unerbittlicher Femd ist, daß ein Nachmittag auf dem Land, eine Stunde am Meeresufer, die freie Aussicht auf einen einzigen Tag - seine Morgendämmerung, seinen Mittag und sein Abendlicht - uns soviel Rhythmus, Tiefe und Ewigkeit für die große Kunst der Architektur schenkt - etwas, das so tief und wahr ist, daß alle einengenden Formalitäten, alle starrenRichtlinien, alle erstickenden Fesseln der Schule es nicht in uns abzutöten vermögen -, dann darf gesagt werden, daß wir uns auf dem richtigen Weg zu einer natürlichen und befriedigenden Kunst befinden, zu einer Architektur, die binnen kurzem zur schönen Kunst im wahren und besten Sinn des Wortes werden wird, zu einer Kunst, die leben wird, weil sie eine Kunst des Volkes, eine Kunst für das Volk, und durch das Volk ist. 67 Adler und Sullivan - Das Auditorium und das Hochhaus 1886-1895 Henry Hobson Richardsons neoromanisches Großhandelsgebäude Marshall Field, begonnen 1885 und vollendet ein Jahr nach seinem Tod im Jahre 1887, war der Ausgangspunkt für die bedeutenden Leistungen der Chicagoer Architekturfirma Adler und Sullivan. Bevor Louis Sullivan 1879 als Assistent bei Dankmar Adler eintrat (1881 wurde er sein Partner), hatte er eine relativ vielseitige Ausbildung erfahren: an zwei angesehenen Akademien, an denen er jeweils weniger als ein Jahr blieb; am Massachusetts Institute of Technology im Jahre 1872 und in Vaudremers Atelier an der Ecole des Beaux-Arts im Jahre 1874. Zwischen diesen akademischen Eskapaden arbeitete Sullivan ein Jahr lang im Büro von Frank Furness in Philadelphia, eine Zeit, die sich als bedeutungsvoll für seine Laufbahn erwies, nicht nur, weil er Furness‘ »orientalisierten« gotischen Stil kennenlernte, sondern auch, weil er dort den intellektuellen jungen Architekten John Edelman kennenlernte. Edelman machte ihn nach 1875 mit den wichtigen Architekten Chicagos bekannt - zunächst mit William Le Baron Jenney, der später mit seinem Fair Store (1892) zum Pionier der Stahlskelettkonstruktion wurde, dann mit Dankmar Adler. Edelmans außergewöhnliche Bildung und seine anarchistisch-sozialistischen Ansichten, die von Morris und Kropotkin hergeleitet waren, beeinflußten Sullivans theoretische Entwicklung, wie sich in seinen Kindergarten Chats von 1901 zeigt. In den frühen Jahren ihrer Tätigkeit waren Adler und Sullivan damit beschäftigt, den dringenden Bedarf an Bauten im aufblühenden Chicago zu befriedigen, das damals nach dem großen Brand von 1871 als Hauptstadt des Mittleren Westens wiederaufgebaut wurde. Als Adler in den späten siebziger Jahren sein Büro etablierte, arbeitete Sullivan für Jenney und wurde dadurch mit den technischen Aspekten des Bauens in Chicago vertraut. In seinem Essay von 1926, The Autobiography of an Idea, schrieb Sullivan über die mächtigen Einflüsse, die zu diesen Baumethoden führten: »Die Geschäftshochhäuser entstanden aus dem Druck der Grundstückspreise, die Grundstückspreise aus dem Bevölkerungsdruck, der Bevölkerungsdruck aus Druck von außen ... Doch ein Bürogebäude konnte sich nicht ohne ein vertikales Transportmittel über die durch Treppen erreichbare Stockwerkszahl erheben. So wurde Druck auf das Gehirn des Ingenieurs ausgeübt, dessen Geschicklichkeit und schöpferische Phantasie zur Entwicklung des Personenaufzuges führten ... Es lag allerdings in der Natur der Mauerwerkskonstruktion, daß eine neue Höhenbegrenzung festgelegt werden mußte; denn ihre immer dickeren Wände fraßen Grund und Boden zu immer höherem Preis, und der Bevölkerungsdruck nahm schnell zu ... Der Bau von Hochhäusern in Chicago machte schließlich die Verkaufsdirektoren der Walzwerke im Osten aufmerksam, und so gingen ihre Ingenieure ans Werk. Die Fabriken hatten seit einiger Zeit jene Konstruktionselemente gewalzt, die man seit langem für den Brückenbau verwendete. So waren die Grundlagen bereits vorhanden. Wichtig war nun eine zukunftsorientierte Verkaufspolitik, die von Phantasie und technischem Können der Ingenieure ausging. Versuchsweise wurde die Idee eines Stahlskeletts, das alle Lasten tragen sollte, Architekten in Chicago vorgelegt ... Die Sache gelang, und so entstand bald etwas Neues unter der Sonne ... Die Architekten von Chicago begrüßten das Stahlskelett und fingen etwas damit an. Die Architekten des Ostens fühlten sich abgestoßen und konnten keinen Beitrag dazu leisten.« Wie Sullivan bemerkte, mußten die Chicagoer Architekten der achtziger Jahre sich fortschrittliche Baumethoden aneignen, wenn sie im Geschäft bleiben wollten. Da der große Brand die mangelnde Widerstandskraft von Gußeisen erwiesen hatte, gab der neu entwickelte feuersichere Stahlrahmen - mit dem vielgeschossige Mietflächen geschaffen werden konnten - den Spekulanten die Möglichkeit, Citygrundstücke bis zum absoluten Optimum auszunutzen. Der zeitgenössische Kritiker Montgomery Schuyler sagte 1899: »Der Aufzug verdoppelte die Höhe des Bürogebäudes, und das Stahlskelett verdoppelte sie noch einmal.« Vor 1886 befaßten sich Adler und Sullivan hauptsächlich mit kleinen Bürobauten, Lagerhäusern und Kaufhäusern, kommerziellenBauten also, zu denen sich von Zeit zu Zeit Aufträge für Wohnhäuser gesellten. Bei diesen frühen, meist auf sechs Geschosse begrenzten Bauten hatten sie wenig Gestaltungsmöglichkeiten, außer daß sie das Skelett aus Eisen, Mauerwerk oder einer Kombination beider Materialien zum 68 69 Kenneth Frampton, Die Architektur der Moderne »Ich würde sagen, daß es unserem Schönheitssinn sehr gut täte, wenn wir uns für eine Reihe von Jahren völlig der Anwendung von Ornamentik enthielten, damit unser Denken sich ganz auf die Herstellung gut geformter und in ihrer Nacktheit schöner Gebäude konzentrieren könnte. Wir würden dadurch notwendigerweise viele unerwünschte Dinge vermeiden und durch den Kontrast lernen, wie nützlich es ist, auf gesunde und natürliche Weise zu denken . Dann werden wir freilich gelernt haben, daß das Ornament geistig gesehen Luxus, nicht Notwendigkeit ist, denn wir werden die Beschränkungen wie auch den großen Wert schmuckloser Volumen erkannt haben. Wir haben Romantik in uns und fühlen das Bestreben, sie auszudrücken. Wir fühlen intuitiv, daß unsere starken, athletischen und einfachen Formen mit natürlicher Leichtigkeit das Gewand tragen, von dem wir träumen, und daß unsere Bauten, in das Kleid poetischer Bilder gehüllt und halb verborgen in erlesenen Produkten des Webstuhls und des Bergwerks, eine doppelte Resonanz hervorrufen werden, wie eine Klang-Melodie, die in harmonischer Stimme komponiert ist.« Louis Sullivan Ornament in Architecture, 1892 Ausdruck brachten, und sie konnten wenig mehr tun, als die klassische Unterteilung der Fassade in Basis, Mitte und Spitze zu variieren. Das änderte sich 1886, als sie den Auftrag für den Entwurf des Auditorium Building erhielten, eines Bauwerks, das sowohl von der Technik als auch von der Konzeption her einen überaus wichtigen Beitrag zur Architektur von Chicago leistete. Die Anlage dieses Vielzweckgebäudes war exemplarisch. Die Architekten waren aufgefordert worden, in einem halben Block innerhalb des Chicagoer Rasters ein großes, modernes Opernhaus unterzubringen, auf zwei Seiten von elfgeschossigen Hochhäusern flankiert, die teils Büros, teils ein Hotel aufnehmen sollten. Sie realisierten dieses Bauprogramm auf originelle Weise, indem sie Neuerungen einführten wie etwa die Anordnung der Hotelküche und der Speiseräume auf dem Dach, damit keine Dünste die Bewohner belästigten. Zugleich bot aber auch das Auditorium selbst Adler viele Möglichkeiten zur Entfaltung seiner technischen Erfindungskraft. Er entsprach den Forderungen nach Variabilität, indem er faltbare Deckenelemente und vertikale Schirme verwendete, mit deren Hilfe der Saal ebensogut für 2500 Konzertbesucher wie für 7000 Kongreßteilnehmer eingerichtet werden konnte. Welches Vertrauen der Bauherr in Adlers technische Fähigkeiten hatte, spiegelt Adlers eigene Beschreibung des Auditoriums wider: »Die architektonischen und dekorativen Formen des Auditoriums sind extrem unkonventionell und werden weitgehend von der akustischen Wirkung bestimmt, die erzielt werden soll ... Eine Reihe konzentrischer elliptischer Bögen bewirkt die seitliche und vertikale Verbreitung des Klangs von der Proszeniumsöffnung zur Mitte des Hauses. Die Laibungen und Stirnseiten dieser elliptischen Flächen sind mit Reliefs dekoriert, wobei die elektrischen Glühlampen und ... die Auslaßöffnungen des Ventilationssystems einen wichtigen Bestandteil des Dekors bilden ... Viel Aufmerksamkeit wurde der Heizung, Kühlung und Ventilation gewidmet. Frischluft von der Spitze des Gebäudes wird durch einen Ventilator, von 3 m Durchmesser in das Haus geführt ... Auf diese Art wird die Luft von Staub und Ruß gereinigt ... Ein Leitungssystem transportiert die Luft zu verschiedenen Teilen des Auditoriums, ... der Bühne, ... den Foyers und den Garderoben. Die Luft zirkuliert von der Bühne nach außen und von der Decke nach unten ... Von Öffnungen in den Wangen der Stufen zwischen den Sitzreihen führen Leitungen zu Abluftgebläsen.« Adler war wahrscheinlich einer der letzten Ingenieurarchitekten, der seine Kompetenz in einem weiten technischen Bereich beweisen konnte. Er überwand eine Fülle von Schwierigkeiten, von der Klimatisierung des Auditoriums bis zu dem Stahlträger, von dem die akustische Schale abgehängt war, und von der komplizierten Drehbühne bis zu den großzügigen Foyers in Opernhaus und Hotel. Der gesamte Komplex war in einer massiven Konstruktion aus Mauerwerk und Stahl untergebracht, die während der Bauarbeiten zum Ausgleich für die unterschiedliche Belastung der Fundamente mit Ballast versehen wurde. Das ästhetische Konzept dieses elf Geschosse hohen Komplexes ging auf eine gemilderte Version von Richardson Marshall Field Store zurück. Während Richardson durchgehend rustizierte Steinblöcke verwendet hatte, variierte Sullivan das Außenmaterial des 70 Auditorium Building, um Ausgleich für seine größere Höhe und Masse zu schaffen. Über dem dritten Geschoß ging er von rustizierten Steinquadern zu glattem Kalkstein über. Doch die Düsternis und Strenge des fertigen Gebäudes stieß Adler ab. 1892 schrieb er: »Es ist bedauerlich , daß die strenge Einfachheit ..., die durch die Finanzierungspolitik aus früheren Tagen des Unternehmens notwendig wurde, der tiefe Eindruck, den Richardsons Marshall Field Building bei den Direktoren der Auditorium Association hinterließ, und die Reaktion der Architekten auf eine allzu große Vorliebe für ... höchst dekorative Effekte hier zufällig zusammengetroffen sind ... und dadurch das Äußere des Gebäudes jener Reize berauben, die so charakteristisch für das Innere sind.« Dennoch wirkt das Bauwerk im ganzen kraftvoll, straff und rhythmisch gegliedert. Die Kolonnade der Hotelterrasse an der Seeseite spiegelt sich in ähnlichen Bogenmotiven des Turmes wider. Der leicht orientalische Einschlag dieser Terrasse nimmt die deutlich türkischen Elemente des Hauses Charnley in Chicago vorweg, das Sullivan 1892 mit seinem Mitarbeiter Frank Lloyd Wright entwarf. Richardsons Einfluß blieb in Sullivans Frühwerk bestimmend. Sullivan vereinfachte Richardsons feinfühlige Variationen der Romanik geradezu brutal zu einem fast neoklassischen Stil, der sich zum erstenmal in seinem Walker Warehouse von 1888 und seinem Dooly Block von 1890 manifestierte. Beide Gebäude zählten gewiß zu jenen »in ihrer Nacktheit schönen Gebäuden«, von denen er in Ornament in Architecture (1892) sprach. Von nun an griff Sullivan bei der Gliederung von Baumassen auf kräftige Mauerbänder und auskragende Kranzgesimse zurück. Die Fenster waren in verlängerten Blendarkaden angeordnet, während die glatten, flächigen Fassaden durch sparsamen Dekor artikuliert waren. Typisch für diesen Stil, den Sullivan weiterentwickelte und verfeinerte, waren die Grabmäler für Getty und Wainwright, entworfen 1890 und 1892, und in größerem Maßstab das Wainwright Building in St. Louis, Missouri, vollendet 1891. Wie im Werk des Wiener Architekten Otto Wagner standen Sullivans strenge stereometrische Formen in Kontrast zu der Ornamentik, die diese Formen bereicherte und artikulierte. Doch im Gegensatz zu Wagners fließendem Dekor wirkte die Anordnung der Ornamente bei Sullivan immer ausgesprochen islamisch. Selbst wenn sein Dekor nicht wirklich geometrisch ist, wird es fast immer von geometrischen Formen umschlossen. Mit diesem Rückgriff auf die ästhetischen und auch symbolischen Werte des Ostens suchte Sullivan die Kluft zwischen Intellekt und Emotion in der westlichen Kultur zu überbrücken - Gegenpole, die er später mit Griechenland und der Gotik assoziierte. Zwischen dem Auditorium und dem Wainwright Building gingen Sullivans Ornamente von organisch freien zu präzisen geometrischen Formen über. Bei dem Transportation Building für die World Columbian Exposition in Chicago (1893) wurde der Dekor vorwiegend geometrisch oder war zumindest streng von einem geometrischen Raster umschlossen. Wie Frank Lloyd Wright in seinem Buch Genius and the Mobocracy (1949) schrieb, erreichte diese »Kristallisation« schließlich ihre endgültige Form bei Sullivans Guaranty Building in Buffalo, New York, von 1895. 71 Weder Sullivan noch Jenney läßt sich die Erfindung des Wolkenkratzers zuschreiben, wenn man mit dieser Bezeichnung lediglich ein sehr hohes, vielgeschossiges Bauwerk meint, denn solche Höhen waren auch schon kurz vor Sullivans Wainwright Building mit tragendem Ziegelmauerwerk erreicht worden, zum Beispiel bei dem sechzehn Geschosse hohen Monadnock Block in Chicago (1889-1892) von Burnham und Root. Immerhin hat Sullivan aber eine architektonische Sprache entwickelt, die dem vielgeschossigen Stahlskelett angemessen war. Erstes Beispiel für dieses Idiom ist das Wainwright Building, bei dem die schon bei Richardsons Marshall Field Warehouse sichtbare Unterdrückung des Balkens zu einem logischen Schluß geführt ist. Die Fassade weist keine Arkaden mehr auf, sondern wird durch ein Raster backsteinverkleideter Pfeiler artikuliert, während die horizontalen Stahlprofile und Brüstungen zurückgesetzt und mit Terrakotta belegt sind, damit sie keinen Kontrast zu den Fenstern bilden. Die Pfeiler erheben sich aus einer straffen, zweigeschossigen Steinbasis und enden abrupt in einem massiven, dekorierten Terrakottasims. Vier Jahre später verfeinerte Sullivan diese Ausdrucksform bei seinem zweiten Meisterwerk, dem Guaranty Building. Das Guaranty Building zeigt Sullivan auf dem Höhepunkt seines Schaffens: Es realisiert ohne Zweifel am konsequentesten jene Prinzipien, die er 1896 in seinem Aufsatz The Tall Office Building Artistically considered niederlegte. Mit diesem dreizehn Geschosse hohen Bürogebäude schuf Sullivan ein Bauwerk, in dem nach seinen eigenen Worten »das Ornament so angewendet ist, daß es eingeschnitten oder ausgeschnitten wurde ... Dennoch sollte es nach der Fertigstellung so aussehen, als sei (der Dekor) durch das Wirken einer wohltätigen Kraft aus der Substanz des Materials hervorgegangen.« Ornamentierte Terrakottaplatten hüllen die Fassade in ein dichtes Filigran, dessen Motive selbst bis zu den kunstvollen Metallarbeiten der Eingangshalle vordringen. Nur die Spiegelglasfenster im Erdgeschoß und die Marmorwände sind von dieser intensiven, um nicht zu sagen üppig verschwenderischen dekorativen Behandlung ausgeschlossen. Sullivan sah sich wie sein Schüler Frank Lloyd Wright als einsamen Kulturschöpfer der Neuen Welt. Von Whitman, Darwin und Spencer beeinflußt und von Nietzsche inspiriert, betrachtete er seine Bauten als Produkte einer nicht endenden Lebenskraft. Für Sullivan manifestierte sich die Natur in der Kunst durch Konstruktion und Ornament. Sein berühmter Ausspruch »Die Form folgt der Funktion« fand seinen folgerichtigsten Ausdruck in dem konkaven Gesims des Guaranty Building, wo die ornamentale »Lebenskraft« auf den Sprossen sich in Wirbeln um die kreisrunden Dachfenster zieht. Darin spiegelt sich metaphorisch das technische System des Gebäudes wider, das, um Sullivan zu zitieren, »sich selbst vervollständigt und auf- und absteigend seinen großen Kreis vollendet«. Die fundamentale Bedeutung dieser organischen Metapher legte Sullivan noch deutlicher mit dem geflügelten Samen der Platane dar, dem »Keimling«, den er auf der ersten Seite seiner Abhandlung über das Ornament in der Architektur, A System of Architectural Ornament according with a Philosophy of Man‘s Powers , zeigte. Die 72 73 Schrift wurde in seinem Todesjahr 1924 veröffentlicht. Unter das Bild stellte Sullivan eine an Nietzsche erinnernde Unterschrift: »Der Keim ist das Reale; er ist der Sitz der Identität. In seinem zarten Mechanismus liegt der Wille zur Kraft, dessen Funktion es ist, seinen vollen Ausdruck in der Form zu suchen und schließlich zu finden.« Für Sullivan wie für Wright konnte eine solche Form sich nur in einem jahrhunderte -alten demokratischen Amerika entwickeln, wo sie als eine Kunst erstehen würde, »die fortleben wird , weil sie im Volk , für das Volk und durch das Volk geschaffen ist«. Als selbsternannter kultureller Prophet der Demokratie wurde Sullivan weitgehend ignoriert. Das Volk selbst lehnte seine überidealisierte, egalitäre Kultur ab. Sein zwanghaftes Streben nach einer neuen, der assyrischen vergleichbaren Zivilisation, das sich vor allem in der Gleichzeitigkeit von Rausch und Zurückhaltung seiner orientalisch inspirierten Architektur ausdrückte, hinterließ Irritation und Verwirrung. Bedroht von einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Depression, einer Grenzsituation ausgesetzt, zogen die Menschen die angenehmen Zerstreuungen eines importierten Barock vor. Sie fanden sie in den Ostküsten-Emblemen der »White City« imperialistischer Prägung, die ihnen auf Daniel Burnhams Columbian Exhibition von 1893 so verführerisch präsentiert wurden. Die Ablehnung des Publikums traf Sullivan schwer, und obwohl ihm noch eine gewisse Brillanz verblieben war, begannen seine Kräfte zu schwinden. Nach der Trennung von seinem weltgewandten Partner Adler verlor er die Kontrolle über sein berufliches Geschick, so daß er nach der Jahrhundertwende nur noch wenige Aufträge erhielt. Dazu zählten seine erfindungsreichen, exzentrischen, stark ornamentierten Bankgebäude im Mittleren Westen aus der Zeit zwischen 1907 und 1919 und nicht zuletzt sein prächtig proportioniertes und lebendig dekoriertes, zukunftsweisendes Kaufhaus Schlesinger and Mayer (heute Carson, Pirie, Scott), das er zwischen 1899 und 1904 in Chicago errichtete. 1 Auditorium Building (Roosevelt University) 2 Carson Pirie Scott Building 3 Marquette Building 4 Reliance Building (Hotel Burnham) 5 The Rookery 6 Monadnock Building 53 West Jackson Boulevard, Chicago 7 Fisher Building 2 Louis Sullivan, Daniel H. Burnham, 1899 1 South State Street, Chicago 9 Holabird & Roche, 1895 140 South Dearborn Street, Chicago 3 5 6 7 8 Daniel H. Burnham, 1890-95 1 West Washington Street, Chicago 1 Burnham & Root, 1888 209 S LaSalle Street, Chicago Burnham & Root, 1891, Holabird & Roche, 1893 Daniel H. Burnham, Charles Atwood, 1895-96 343 South Dearborn Street, Chicago 8 Old Colony Building 407 South Dearborn Street, Chicago 9 Willis Tower (Sears Tower) 4 Adler and Sullivan, 1886-90 430 S Michigan Avenue, Chicago Holabird & Roche, 1893-94 SOM-Skidmore, Owings and Merill, 1968-74 233 South Wacker Drive, Chicago 74 75 Auditorium Building (Roosevelt University) Adler and Sullivan, 1886- 90 430 S Michigan Avenue, Chicago 76 77 Carson Pirie Scott Building Louis Sullivan, Daniel H. Burnham, 1899 1 South State Street, Chicago Marquette Building Holabird & Roche, 1895 140 Dearborn Street, Chicago 78 79 Reliance Building (Hotel Burnham) Daniel H. Burnham, 1890 - 95 1 West Washington Street, Chicago 80 81 The Rookery Burnham & Root, 1888 209 S LaSalle Street, Chicago 82 83 DETAILS NAME: Monadnock Building CONSTRUCTION YEAR: 1891/1893 ARCHITECT: John Root And Daniel Burnham (first half) / Holabird & Roche (second half) ADDRESS: 53 W. Jackson Boulevard, Chicago, IL 60604 DIMENSIONS: 130x21x66 m ca MATERIAL: brick, steel, glass STYLE: Egyptian style(north half), Neoclassical style(south half) Monadnock Building Burnham & Root, 1891, Holabird & Roche, 1893 53 West Jackson Boulevard, Chicago PLAN NAME: Monadnock Building CONSTRUCTION YEAR: 1891/1893 ARCHITECT: John Root And Daniel Burnham (first half) / Holabird & Roche (second half) ADDRESS: 53 W. Jackson Boulevard, Chicago, IL 60604 DIMENSIONS: 130x21x66 m ca MATERIAL: brick, steel, glass STYLE: Egyptian style(north half), Neoclassical style(south half) 84 85 Fisher Building Holabird & Root 343 South Dearborn Street, Chicago 86 87 Old Colony Building Holabird &Roche, 1893- 94 407 South Dearborn Street, Chicago 88 89 C D A B Willis Tower (ehem. Sears Tower) SOM-Skidmore, Owings and Merill, 1968-74 233 South Wacker Drive, Chicago 90 91 Frederick C. Robie House 92 93 Moderne Architektur - die Kahn-Vorlesungen von 1930 Frank Lloyd Wright Prärie-Architektur Das Papphaus bedarf eines Gegengifts. Und das Gegenmittel ist weit wichtiger als das Haus. Und als Gegenmittel - dazu als praktisches Beispiel für die Ausarbeitung eines Ideals der organischen Einfachheit, das hier auf amerikanischem Boden Schritt für Schritt unter Bedingungen stattgefunden hat, die völlig die Ihren sind - könnte ich Ihnen wohl nichts Besseres geben, als die Gebäude, die ich zu bauen versuchte, zu Ihrem Nutzen auseinanderzunehmen und Ihnen zu zeigen, wie sie bereits vor langer Zeit dem Ideal der organischen Einfachheit gewidmet waren. Mir scheint, daß ein anderer es besser hätte machen können, ich vermochte es bestimmt nicht - denn das ist das Wahrste und Beste, was ich über dieses Thema weiß. Was ein Mann tut, das hat er. Als ich »um der Architektur willen« im Jahre 1893 die Häuser zu bauen begann, die von den Gedankenlosen bisweilen »neue Schule des Mittelwestens« genannt wurden (irgendein Reklameslogan muß in diesem, unserm betriebsamen Frauenland alles etikettieren), war der einzige Weg, um das scheußliche, damals modische Haus zu vereinfachen, ein feineres Wesen - ein besseres Gebäude - zu ersinnen und es bauen zu lassen. Die damals vorhandenen Gebäude waren alle hoch und alle dicht zugebaut. Schornsteine waren dünn und noch höher, Rußfinger, die den Himmel bedrohten. Und neben ihnen stießen die Dachgauben der Bodenkammern, in denen die »Hilfe« vor Hitze umkam, durch die grausam scharfen sägezahnartigen Dächer. Bodenfenstergauben waren kunstvolle Einrichtungen, listige kleine Gebäude, in sich selber komplett, die aus den Neigungen des Hauptdaches ragten, damit die »Hilfe« den Kopf aus der Dachkammer stecken konnte, um Luft zu schnappen. Unveränderlich wurde der feuchte, zähe Lehm der Prärie ausgehoben, damit man einen Keller unter dem ganzen Haus anlegen konnte, und die Bruchsteinwände dieses feuchten Kellers ragten immer eine Elle hoch oder mehr über den Boden und blinzelten dort mit halben Fenstern. So zeigte sich der übliche Keller als ein auf verschiedene Weise gemauertes Band, das um das ganze Haus lief - auf dem das Haus wie auf einem Stuhl saß. Die dünneren oberen Wände des Hauses - gewöhnlich zwei Stock über diesem Keller aus Stein oder Ziegel - waren aus Holz und saßen auf diesem Mauerstuhl, genutet und gestrichen, oder auch geschindelt und gebeizt, doch am liebsten geschindelt und aufwärts und abwärts und überall mit Kehlung und Zierleisten kreuzweise gemischt. Diese übertrieben angeputzten Häuserwände hatten eingeschnittene - oder um genauer zu sein: ausgeschnittene - große Löcher für die große Katze und kleine Löcher für die kleine Katze, damit diese hinein und heraus konnten, oder wegen Licht und Luft. Die Hauswände wurden besimst oder gingen oben in das hohe, absichtlich komplizierte Dach mit Bodenfenstern über. Das ganze Dach war mit Langetten und Spitzen versehen, mit 94 Firstziegeln gedeckt und bis zum Wahnsinn begiebelt, statt daß man ihm erlaubt hätte, entweder Schindeln oder Schieferplatten zu tragen. Das ganze Äußere wurde behext, das heißt wie ein Puzzlespiel zusammengeworfen und mit Eckbrettern, Paneelen, Fensterrahmen, Eckblöcken, Plinthenklötzen, Rosetten, Lünetten und kunstvoller Schweifsägearbeit im allgemeinen versehen. Das war damals anscheinend die einzige Möglichkeit, »Stil aufzutragen«. Die Laubsäge und die Drehbank waren im Augenblick die ehrlichen Mittel dieses modischen Metzgerns durch den Holzschlächter zu völlig »moralischem« Zweck. Wenn der Bauherr jener Epoche nicht gerade überaus arm war, lief gewöhnlich ein kunstvoller Eckturm auf seinem Haus in eine Kerzenschnuppenkuppel, eine Spitze, in eine umgekehrte Kohlrübe, ein Radieschen oder eine Zwiebel aus - was ist Ihr Lieblingsgemüse? Stets spielten kunstvolle Erkerfenster und Phantasie- Säulenvorhallen »Ringelreihen« rund um diesen »phantasievollen« Eckbauteil. Und das alles konnte das Gebäude jener Zeit genausogut in Ziegel oder Stein. Es war eine unvoreingenommene Gesellschaft. In jenen Tagen sahen alle Baustoffe ziemlich gleich aus, einer wie der andere. Die Einfachheit war von diesem Abfallhaufen ebensoweit entfernt wie der Lärm auf dem Viehhof von der Musik. Aber für den Architekten war es leicht. Er brauchte nur zu rufen: »Junge, nimm das Stück Nr. 37 wieder ab und setz der Dame des Hauses dort ein Erkerfenster hin!« Das erste, was man tun mußte, war also, die Dachkammer loszuwerden und damit auch die Fenstergaube und die nutzlosen »Höhen« darunter. Als, nächstes schafft den ungesunden Keller ab, völlig - jawohl, unbedingt - , in jedem Haus, das auf der Prärie gebaut ist. Statt der hageren Ziegelschornsteine, die brüchig aus steilen Dächern aufragen, um allenthalben auf das »Gericht« hinzuweisen, würde ich nur einen für notwendig halten, einen breiten, großzügigen, höchstens jedoch zwei, die man über sanft geneigten Dächern oder vielleicht flachen Dächern niedrig hält. Die große Feuerstelle unten im Innern wurde nun zur Stelle für ein wirkliches Feuer und rechtfertigte die Größe des Schornsteins draußen. Zu jener Zeit aber war eine wirkliche Feuerstelle ungewöhnlich. Statt dessen gab es damals »Kaminumbauten«. Das war ein Marmorrahmen für ein paar Stücke Glut oder ein hölzernes Möbelstück, in das man Kacheln und einen »Rost« geschoben hatte; das Ganze wurde - bums - an die Wand gesetzt. Der Kaminumbau war eine Beleidigung für die Behaglichkeit, während die integrierte Feuerstelle zu einem wichtigen Teil des Gebäudes selbst in jenen Häusern wurde, die ich dort draußen auf der Prärie bauen durfte. Es freute mich, das Feuer tief im Mauerwerk des Hauses selbst brennen zu sehen. Ich nahm mir den Menschen zum Maßstab und senkte die Höhe des ganzen Hauses so weit, daß es für einen normalen Mann paßte; da ich an keinen andern Maßstab glaubte, breitete ich die Baumasse aus, so weit es irgend ging; ich brachte sie herunter und machte sie geräumig. Man hat behauptet, wenn ich sieben, acht Zentimeter größer wäre ( ich bin einsvierundsiebzig), hätten alle meine Häuser andere Proportionen. Vielleicht. Die Hauswände begannen jetzt zu ebener Erde auf einer Wasserabflußrinne aus Beton oder 95 Stein, die wie eine niedrige Plattform unter dem Gebäude aussah und es gewöhnlich auch war. Doch die Hauswände hörten in Höhe der Fensterbrüstungen des zweiten Stockwerks auf, damit die Zimmer oben in einer fortlaufenden Fensterreihe unter den breiten Traufen eines sanft geneigten, überstehenden Daches herauskamen. Damit wurden die unteren Wände zu Schutzschirmen und die des zweiten Stockwerks zu Lichtschirmen. Das war wirkliche Einfriedigung des Innenraums. Anscheinend ein neues Baugefühl. Da das Klima nun einmal den heftigen Wechsel von heiß und kalt, feucht und trocken, dunkel und hell mit sich bringt, versah ich das Ganze mit breitem Dachschutz und griff dazu auf die Bedeutung zurück, die das Gesims ursprünglich hatte. Die Unterseite der Dachüberstände war glatt und hell von Farbe, um einen Schein reflektierten Lichts zu erzeugen, der die oberen Räume nicht dunkel, sondern freundlich machte. Der Überstand hatte doppelten Wert: Schutz und Erhaltung der Hauswände sowie die Diffusion des reflektierten Lichtes für das Obergeschoß durch die »Lichtschirme«, die die Wände ersetzten und Fenster waren. Zu jener Zeit bedeutete ein Haus für mich offensichtlich in erster Linie Innenraum unter gutem Obdach. Mir gefiel das Gefühl des Schützenden im »Aussehen des Gebäudes«. Ich glaube, ich habe es erreicht. Dann nahm ich mir die vielfältigen Materialbänder in den alten Wänden vor, um dies und das auszumerzen zugunsten eines einzigen Werkstoffes und einer einzigen Oberfläche von unten bis zum Dach oder von unten bis zu den Fensterbrüstungen im zweiten Geschoß, die ich als einfache abschließende Schirme behandelte - oder ich legte ein einfaches Schirmband um das zweite Stockwerk oberhalb der Fensterbrüstungen, das ich bis zur Decke unter dem Dach einzog. Dieses Schirmband war aus dem gleichen Material wie die Unterseite des Dachüberstandes oder die »Soffitte«, wie es die Architekten nennen. Die parallel zum Boden verlaufenden Ebenen des Gebäudes waren sämtlich betont, um das Ganze mit der Erde zu verklammern. Bisweilen war es möglich, die einfriedigende Wand unter diesem oberen Band des zweiten Stockwerks von der Fensterbrüstung im zweiten Geschoß bis hinunter zum Boden zu einem schweren »Getäfel« aus schönem Mauerwerk zu machen, das auf der Beton- oder Steinplattform über den Fundamenten ruhte. Dieses »Getäfel« ließ ich gern mauern, wenn meine Auftraggeber meinten, sie könnten es sich leisten. Aus Formgründen sah ich es auch gern, daß die vorspringende Basis - dieWasserabflussrinne - über die Grundmauern hinausragte, als gewichtige Vorbereitung für das Gebäude. Das geschah, indem die Hauswände innen, statt außen, bündig auf die Grundmauern gesetzt wurden. Nun erhielten alle Tür- und Fensterstürze gleiche Höhe, und darüber blieb nur so viel Raum, daß es für den Durchschnittsmenschen behaglich war. Da ich die in den »Bodenkammern« Leidenden entfernte, konnten die Dächer niedriger werden. Das Haus fing an, sich mit dem Boden zu verbinden und seiner Lage in der Prärie natürlich zu entsprechen. Der junge Architekt von heute wird es kaum glauben, daß dies alles damals »neu« war. Nicht nur neu, sondern zerstörerische Ketzerei - oder lächerliche Exzentrizität. So 96 neu , daß die geringe Aussicht, die ich hatte, mir den Lebensunterhalt durch das Bauen von Häusern zu verdienen, nahezu vernichtet wurde. Zuerst nannte »man« die Häuser »Reformkleid«-Häuser, weil sich die Gesellschaft damals gerade über diese besondere »Reform« erregte. Diese Vereinfachung sah in ihren Augen aus wie eine Art »Reform«. Oh, man belegte diese Häuser mit allen möglichen Schimpfwörtern, die sich nicht wiedergeben lassen, aber einen besseren Ausdruck für diese Arbeit fand »man« nicht; es mußte »horizontale Gotik«, »Mäßigkeitsarchitektur« (mit höhnischem Lächeln) und sonst etwas sein. Ich weiß nicht, wie ich dem Vorwurf einer neuen »Renaissance« entging. Was ich eben beschrieben habe, befand sich alles am Äußeren des Hauses. Aber es war hauptsächlich wegen der Dinge da, die sich innen abspielten. Die Wohnhäuser jener Zeit waren »zerschnitten«, wohlbedacht und mit der grimmigen Entschlossenheit zerschnitten, die zu jeder Schneidmethode gehört. Das Innere bestand aus Schachteln neben anderen Schachteln, die man Zimmer nannte. Alle Schachteln befanden sich wiederum in einer komplizierten Schachtel. Jede häusliche »Funktion« lag ordentlich in Schachtel neben Schachtel. Ich sah wenig Sinn in diesen Hindernissen, dieser zellenhaften Absonderung, die an mit Zellen von Zuchthäusern vertraute Vorfahren denken ließ - abgesehen von der Abgeschlossenheit der Schlafzimmer im Obergeschoß. Die waren als »Schlafschachteln« vielleicht brauchbar. Deshalb erklährte ich das ganze Untergeschoß zu einem einzigen Raum, schnitt davon die Küche als Laboratorium ab, legte die Schlaf- und Wohnräume der Dienstboten neben die Küche, doch ein wenig abgesetzt, ins Erdgeschoß, schirmte verschiedene Teile des großen Raumes für gewisse Zwecke ab- etwa für das Essen, das Lesen oder den Empfang eines formellen Besuchers. Solche Bauzeichnungen gab es damals noch nicht, und meine Auftraggeber wurden zu diesen Ideen gedrängt, weil sie zur Lösung des ärgerlichen Dienstbotenproblems beitrugen. Dutzende von Türen und Mengen von Zwischenwänden verschwanden. Es gefiel sowohl den Auftraggebern als auch dem Personal. Das Haus wurde als »Raum« freier und außerdem bewohnbarer. Die Zeit der inneren Weite begann. Nachdem ich die verbliebenen Fenster und Türen in eine Höhe, der menschlichen Größe entsprechend, gebracht hatte, konnten die Zimmerdecken auf die Wände heruntergezogen werden, und zwar durch breite horizontale Putzstreifen auf den Wänden über den Fenstern, die die gleiche Farbe wie die Zimmerdecke erhielten. Das holte die Deckenfläche bis zu den Fenstersturzen herunter. Die durch diese Wandstreifen über den Fenstern vergrößerte Decke verlieh selbst kleinen Räumen großzügige Freiheit über den Köpfen. Man hatte das Gefühl, als sei das Ganze weiter geworden, weil der Raum durch dieses Mittel plastisch wirkte. Die einschließenden Wände und Decken flossen dadurch zusammen. Hier kam das wichtige neue Element der Plastizität, der plastischen Gestaltung, zur Wirkung - unerläßlich für den sinnreichen Einsatz der Maschine, den wahren Ausdruck der Moderne. Ich kämpfte für die sich nach außen öffnenden Fenster - an Stelle der Schiebefenster -, weil das Flügelfenster das Haus mit dem Draußen verband - und sich frei nach außen 97 öffnete. Mit anderen Worten, das Flügelfenster war einfach und menschlicher in seiner Anwendung und Wirkung natürlicher. Wäre es nicht schon vorhanden gewesen, hätte ich es erfunden. Aber es war zu jener Zeit in Amerika nicht üblich, deshalb verlor ich viele Auftraggeber, weil ich auch dann darauf bestand, wenn sie die damals üblichen doppelt aufgehängten (»Guillotine«- )Fenster verlangten. Die Guillotine war weder einfach noch menschlich. Sie war nur ein Notbehelf. Ich benutzte dieses Fenster einmal - im WinslowHaus - und verwarf es danach für immer. Zu jener Zeit verzichtete ich auch noch nicht völlig auf die hölzerne Garnierung. Ich machte sie allerdings »plastisch«, das heißt, leicht und von ununterbrochenem Fluß, statt der üblichen Zimmermannsarbeit. Die »Garnierung«, wie ich sie nannte, sah nicht mehr aus wie Zimmermannsarbeit. Die Maschine machte das alles vollendet genauso, wie ich es aufzeichnete. Alles war auf »Ruhe« bedacht. Mit dieser durchlaufenden, plastischen Garnierung ließ sich auch schlechte handwerkliche Arbeit verdecken. Denn bei den Möglichkeiten, die man damals auf dem Bau hatte, bestand die Notwendigkeit, vieles zu verbergen. Der Kampf zwischen den Maschinen und der Gewerkschaft hatte die Arbeiter bereits demoralisiert. Das Hilfsmittel Maschine wurde in jener Zeit noch so wenig verstanden, daß man detaillierte Zeichnungen machen mußte, nur um dem Mann an der Fräse zu zeigen, was er wegnehmen sollte. Doch die Garnierung wurde schließlich nichts als ein einziges, schmales, flaches, waagerechtes Holzband, das um das Zimmer lief, eins oben an den Fenstern und Türen und ein anderes über dem Fußboden; beide wurden durch schmale senkrechte Holzbänder verbunden, die benutzt wurden, um die Wandflächen des ganzen Raumes flach und glatt in sich geschlossene Farbflächen zu unterteilen. Die Garnierung vollendete nur die Fenster- und Türöffnungen in dem gleichen plastischen Sinn. Als das Innere auf diese Weise völlig plastisch, statt strukturell, geworden war, war, wie ich schon sagte, ein neues Element in die Architektur gekommen. Merkwürdigerweise ein Element, das es vorher in der Geschichte der Architektur noch nicht gegeben hatte. Doch nicht allein in dieser Garnierung, sondern auch in zahlreichen anderen Einzelheiten, die in Worten zu beschreiben zu langweilig wäre, wirkte sich dieser revolutionäre Sinn für das plastische Ganze immer klüger aus und hatte faszinierende, unvorhergesehene Folgen. Hier war etwas, das anfing, sich selbst zu organisieren. Als mehrere Häuser fertig waren und man sie mit dem Haus der Epoche verglich, blieb sehr wenig von dem üblichen Haus übrig. Nahezu jeder hatte das Haus der Epoche etwa so lange ertragen, wie er es zu ertragen vermochte, wenn man danach urteilt, wie sehr man das Neue willkommen hieß. Diese ganze langweilige Beschreibung hat das Ziel, unmittelbar und in knappen Umrissen zu zeigen, daß bereits so früh wirklich ein Ideal der organischen Einfachheit mit historischen Folgen hier in unserm eigenen Lande angewendet worden ist. Die Hauptmotive und -anzeichen, die mir alle gefielen, waren: 1. Die Zahl der notwendigen Teile des Hauses und der einzelnen Zimmer auf ein Minimum zu reduzieren und alles als umfriedeten Raum zusammenzufügen - so eingeteilt, 98 daß Licht, Luft und Sicht das Ganze mit einem Gefühl der Einheit durchtränken konnten. 2 . Das Gebäude als Ganzes durch Erweiterung und Betonung der parallel zum Boden verlaufenden Ebenen mit seiner Lage zu verschmelzen, dabei jedoch die Fußböden über das Gelände zu heben, damit sie im Zusammenhang mit dem Eigenleben des Hauses blieben. Verbreiterte Fundamentplatten waren in diesem Zusammenhang nützlich. 3. Das Zimmer als Schachtel und das Haus als eine andere Schachtel dadurch aufzuheben, daß man alle Wände zu einfriedigenden Schirmen machte - die Decken und Fußböden und einschließenden Schirme als eine einzige weite Einfriedigung des Raumes, nur mit geringen Unterteilungen, zusammenfließen zu lassen. Alle Proportionen des Hauses liberaler, menschlich zu machen - weniger Raumverschwendung in der Konstruktion, die Konstruktion mehr dem Material entsprechend und damit das Ganze bewohnbarer. Liberal ist das beste Wort. Weite gerade Linien oder Stromlinien waren dazu nützlich. 4. Den ungesunden Keller auf die Erdoberfläche zu holen, ganz nach oben, als niedrigen Sockel für den Wohnteil des Heims; die Fundamente selbst sichtbar zu machen als eine niedrige gemauerte Plattform, auf der das Gebäude stehen kann. 5. Alle notwendigen Öffnungen nach »draußen« oder nach »drinnen« in Einklang mit guten menschlichen Maßen zu bringen und sie natürlich auftreten zu lassen - einzeln oder als Reihe im System des ganzen Gebäudes. Gewöhnlich erschienen sie als »Lichtschirme« statt der Wände, weil die ganze »Architektur« des Hauses hauptsächlich darin bestand, wie diese Öffnungen in die Wände hineinkamen, die sich als einfriedigende Schirme um die Zimmer gruppierten. Der Raum als solcher war nun der wesentliche architektonische Ausdruck; es wurden keine Löcher in die Wände geschnitten , wie man Löcher in eine Schachtel schneidet, weil das dem Ideal des »Plastischen« nicht entsprach. Löcher zu schneiden war Sachbeschädigung. 6. Auf Kombinationen verschiedener Werkstoffe zugunsten des Monomaterials so weit wie möglich zu verzichten; kein Ornament zu verwenden, das nicht aus der Natur der Baustofte selbst stammte, um das ganze Gebäude klarer und stärker zum Ausdruck einer Wohnstätte zu machen und der Konzeption des Gebäudes den angemessenen offenbarenden Nachdruck zu verleihen. Geometrische oder gerade Linien waren den damals im Baugewerbe verwendeten Maschinen natürlich; deshalb nahm das Innere diesen Charakter durchaus natürlich an. 7. Alle Heizungs-, Beleuchtungs-, Versorgungsleitungen so einzubeziehen, daß diese Systeme wesentliche Bestandteile des Gebäudes selbst werden. Die Versorgungsteile wurden architektonisch, und bei diesem Versuch war das Ideal einer organischen Architektur am Werk. 8. Die Möbel - soweit möglich - als organische Architektur mit einzubeziehen, sie eins mit dem Gebäude zu machen und sie in einfachen Formen für die Arbeit der Maschine zu entwerfen. Abermals gerade Linien und rechtwinklige Formen. 9. Auf den Dekorateur zu verzichten. Er bestand aus lauter Kurven und war lauter Aus99 witterung, wenn er nicht gar die »Epoche« selber war. Das alles war vernünftig genug, soweit es um den Gedanken einer organischen Architektur ging. Die besonderen Formen, die dieser Gedanke in dem Geflühl für das alles annahm, konnten nur persönlich sein. Es gab zu dieser Zeit nichts, was dazu beitrug, sie zu dem zu machen, was sie waren. Das alles schien das Allernatürlichste auf der Welt zu sein und entsprang den Umständen des Augenblicks. Was sie auf die Dauer wert sein mögen, ist alles, was sie allenfalls wert sind. Da nun die Einfachheit der entscheidende Punkt in diesen frühen konstruktiven Bestrebungen war, fand ich bald heraus, daß organische Einfachheit eine Frage der wirklichen Koordination war. Und die Schönheit, den Eindruck gewann ich rasch, hing von der Sympathie ab, mit der diese Koordinierung durchgeführt wurde. Schmucklosigkeit bedeutet nicht unbedingt Einfachheit. Grobe Möbel des später aufkommenden Roycroft-Stickley-Missions-Stils waren offensichtlich schmucklos, schmucklos wie ein Scheunentor - doch einfach waren sie granz und gar nicht. Ebensowenig waren, wie ich herausfand, Gegenstände allein deshalb einfach, weil sie von der Maschine hergestellt wurden. »Einfach« denken heißt auf einfache Dinge zurückführen, und das bedeutet: mit einem Auge auf das Ganze gerichtet. Das ist, glaube ich, das Geheimnis der Einfachheit. Vielleicht dürfen wir überhaupt nichts als einfach an sich betrachten. Ich bin überzeugt, daß kein Ding an sich schon einfach ist, sondern Einfachheit - wie ein Künstler diesen Ausdruck benutzen sollte - erst als ein vollkommen verwirklichter Teil eines organischen Ganzen erlangen muß. Nur wenn eine Einzelheit oder ein Teil zum harmonischen Element im harmonischen Ganzen wird, erreicht es den Zustand der Einfachheit. Jede Wildblume ist wahrhaft einfach, doch wenn man die gleiche Wildblume durch Kultivierung füllt, hört sie auf, es zu sein. Der Plan des Ursprünglichen wird uns nicht mehr klar. Klarheit des Entwurfs und vollendete Aussagekraft sind beides wesentliche Erfordernisse der spontan entstandenen Einfachheit der Lilien auf dem Felde, die weder arbeiten noch spinnen - im Gegensatz zu Salomo, der »arbeitete und spann«, soll heißen, der sich selbst alles aus der Kategorie der guten Dinge (den Kochherd ausgenommen), angemessen »komponiert«, angedeihen ließ, und ebenso seinem Tempel. Fünf Zeilen, wo drei genügen, ist Dummheit. Neun Pfund, wo drei reichen, ist Dummheit. Doch ausdrucksstarke Worte beim Sprechen oder Schreiben wegzulassen - Worte, die den Sinn intensiver oder lebendiger machen -, das ist nicht Einfachheit. Und ebensowenig ist das entsprechende Weglassen in der Architektur Einfachheit - es kann ebenfalls Dummheit sein. In der Architektur können ausdrucksstarke Veränderungen des Äußeren, Betonung der Linie und vor allem der Struktur der Baustoffe dazu beitragen, die Dinge beredter, die Formen aussagekräftiger zu machen. Deshalb kann das Weglassen ebenso widersinnig sein wie das Überladen, und vielleicht ist es sogar häufiger so. Als Beispiel biete ich Wissen, was man weglassen und was man hinzufügen soll, genau wo und genau wie - ja, das heißt im Wissen um die Einfachheit gebildet sein. Was die Kunstgegenstände im Haus betraf, so waren sie bereits zu jener frühen Zeit die schwarzen 100 Schafe der neuen Einfachheit. Waren sie gut ausgewählt, schön! Aber nur, wenn jedes einzelne sich angemessen in das Ganze einordnete. Antike oder moderne Plastiken, Gemälde, Keramik konnten durchaus zu Objekten des architektonischen Plans werden, und ich erkannte sie an, benutzte sie und assimilierte sie. Solche Dinge können ihren Platz als Elemente im Entwurf eines jeden Hauses erhalten. Dann sind es kostbare Dinge, anmutige und gute Lebensgefährten. Doch die Assimilierung ist schwierig. Besser ist es, wenn es sich machen läßt, alle Einzelheiten zusammen zu entwerfen. Um jene Zeit versuchte ich meinen Auftraggebern auch klarzumachen, daß Möbel und Ausstattung, die nicht als integrierte Teile des Gebäudes eingebaut wurden, als Zubehör für tatsächlich eingebaute Möbel entworfen und selbst dann als ein kleinerer Teil des Gebäudes selbst betrachtet werden sollten, wenn sie für sich standen oder nur gelegentlich benutzt wurden. Doch wenn das eigentliche Gebäude fertig war zog das alte Mobiliar, das die Auftraggeber schon besaßen, gewöhnlich mit ihnen zugleich ein und wartete auf die Zeit, daß das Innere vollendet werden konnte. Deshalb waren die meisten Häuser für mich schmerzlich anzusehen, nachdem die Auftraggeber eingezogen waren und hilflos die Abscheulichkeiten der alten Ordnung hinter sich hergeschleppt hatten. Aber bald wurde es mir schwer, manche der Möbelstücke ins ‚ »Abstrakte« hinein zu entwerfen. Das heißt, sie als Architektur zu planen und sie gleichzeitig »menschlich« - fiir den menschlichen Gebrauch geeignet - zu machen. Irgendwo habe ich fast mein ganzes Leben lang immer blaue und braune Flecke gehabt von der allzu innigen Berührung mit meinen eigenen Möbeln. Menschen müssen sich gruppieren, sitzend oder lehnend, sie müssen die Plätze wechseln, und sie müssen essen - doch das Essen ist viel leichter zu ordnen und bietet immer eine große künstlerische Gelegenheit. Vorkehrungen mit zwanglos behagliches Sitzen einzelner oder mehrerer dort, wo es wünschenswert oder natürlich ist, zu sitzen, so zu treffen, daß sich die Gruppierung bei aller Zwanglosigkeit dennoch in den Gesamtplan einnigt - sind schwer zu verwirklichen. Aber es läßt sich jetzt machen, und man sollte es tun, weil nur jenes Zubehör menschlicher Behaglichkeit und Bequemlichkeit, das seiner Beschaffenheit nach in diesem integrierenden Sinn zur Architektur des Hauses als Ganzem gehört, in der modernen Architektur vorhanden sein sollte. Was das anlangt, könnten etwa vier Fünftel der Dinge, die nahezu jedes Haus enthält, weggeschenkt werden; dem Haus würde es nur gut tun. Doch die verschenkten Dinge könnten nun ein anderes Haus vergiften. Warum soll man dann die unerwünschten Dinge nicht gleich vernichten ... ein Ende mit ihnen machen? In den vorstehenden Umrissen findet sich also der Kern des Beitrags von Amerika zur modernen amerikanischen Architektur, wie er bereits 1893 auf dem Weg war. Doch das Evangelium des Weglassens wird niemals genug gepredigt. Und ganz gleich, einem eine Imitation von all und jedem, selbst eine Imitation von imitativer Einfachheit. Gerade im Augenblick ist er Fachmann für diese Imitation. Frankreich, der geborene Dekorateur, ist jetzt, dank dem guten Erfolg des französischen Marktes, mit Madame 101 dabei, uns diese Einfachheit vom Lager oder auf Bestellung angefertigt zu verkaufen. Jawohl, die imitierte Einfachheit ist das neueste an importierten »Lager«. Die Dekorateure Amerikas werden nun dafür ausgerüstet, besonders diese zu liefern. Sie brauchen nur hinauszusehen. Und wie überaus reizvoll die Anregungen bisweilen sind, die diese Imitationen vermitteln! Wollen Sie, daß die allgemeinen Grundsätze des geistigen Ideals der organischen Einfachheit wieder in unserer Kultur wirksam werden? Wenn ja, dann lassen Sie uns ständig wiederholen: erstens, Einfachheit ist eine natürlich konstitutionelle Ordnung. Und in diesem Zusammenhang ist es wissenswert, daß 9 x 9 = 81 ebenso einfach ist wie 2 + 2 = 4. Und das auf der Hand Liegende muß nicht unbedingt einfacher sein als das Verborgene. Das auf der Hand Liegende liegt nur deshalb auf der Hand, weil es in unsern besonderen Horizont fällt und deshalb für uns leichter zu sehen ist - weiter nichts. Doch alle Einfachheit, nah oder fern, besitzt ein Gesicht, ein Antlitz, das charakteristisch ist. Doch dieses Antlitz wird nur jenen sichtbar, die das Ganze zu erfassen und die Aussagekraft des kleinen Einzelteils als solchem im Verhältnis zum Ganzen, wenn es in Blüte steht, zu genießen vermögen. Das als Anmerkung für die Kritiker. Dieses charakteristische Antlitz kann selbstverständlich auch vorgetäuscht werden, indem man die wirkliche Schwierigkeit überlackiert, den inneren Konflikt durch die Oberfläche verdeckt und durch Masse leugnet. Dadurch wird die innere Schwierigkeit zwar noch vergrößert, aber gewöhnlich geschieht das, um den ehrbaren Anschein von - Einfachheit zu erzeugen. Das ist die »verlogene Einfachheit«, die die meisten der »Oberflächen- und Massen«-Architekten erzielen. Das als Anmerkung für den jungen Architekten. Wahrhaft geordnete Einfachheit kann in den Händen des großen Künstlers zu bestürzender Üppigkeit von erlesener Überschwenglichkeit erblühen und alles klarer denn je machen. Der gute William Blake sagt, Fülle sei Schönheit, und meint es genau in diesem Sinn. Diese Anmerkung ist für den modernen Künstler bestimmt, der die Maschine in der Hand hat. Verlogene Einfachheit - Einfachheit als Heuchelei, das heißt, Einfachheit, konstruiert als ein »Dekorateur-Äußeres« und, innen oder außen, aufgetragen auf eine komplizierte, verschwenderische Ingenieurs- oder Zimmermanns- »Struktur« - das ist als Einfachheit nicht gut genug. Sie kann überhaupt nicht einfach sein. Doch das geht jetzt als Einfachheit durch, da überraschende Einfachheits-Effekte modisch werden. Diese Art Einfachheit ist Gewalttätigkeit. Dies als Anmerkung für »Kunst und Dekoration«. Bald werden wir Einfachheit ohne Gewalttätigkeit fordern. Es gibt einen Weg, diese Einfachheit zu erlangen. Und ich fürchte, es gibt nur einen einzigen Weg, sie zu bekommen. Und dieser Weg führt grundsätzlich über die als Architektur entwickelte Konstruktion. Das gilt für uns alle, insgesamt. 102 103 Frederick C. Robie House Frank Lloyd Wright, 1910 5757 S Woodlawn Ave, Chicago 104 105 Johnson Wax Racine 106 107 Über das Johnson-Labor Als sich in der S. C. Johnson Wax Co. die Frage nach einem neuen Forschungslabor stellte, sagte Herbert Johnson: »Gehen wir doch in die Luft, Frank.« »Genau das!« erwiderte ich. Ich hatte mehrere der ziellos sich dahinziehenden flachen Bauten gesehen, die sich Laboratorien nannten, Rohre, die hier, da und überall liefen und einen Rundumgang für alle Leute. Ich wußte, daß wir in einem hohen Gebäude doppelt soviel Sonnenlicht und doppelt soviel Arbeitsfläche erhalten, Dollar für Dollar gerechnet. Wir gingen also hinauf in die Luft, rund um einen riesigen Zentralschacht, von dem die Stockwerke abgingen; rund um jedes Geschoß gab es helles Licht und Raum. Der gesamte Laborraum war dann unbehindert und stand in direkter Verbindung mit einem Röhrensystem, das in die hohlen Decken aus Stahlbeton verlegt war und Verbindung mit der senkrechten Röhre des Schachts selbst hatte. Dies erschien mir als natürliche Lösung ... die alle Arten von herrlich sonnenerleuchteten, in direkter Verbindung miteinander stehenden Arbeitsräumen ermöglichte. Von dem riesigen Schacht frei getragen, breiten sich die Deckenplatten aus wie Baumäste und bieten senkrecht ausreichende Trennung der Abteilungen voneinander. Fahrstuhl und Treppenschächte in diesem Zentralschacht verbinden die Abteilungen miteinander. Alle Versorgungsleitungen und die vielen Ansaug- und Auspuffrohre laufen in ihre eigenen zentralen Kanäle, die wie das Zellmuster des Baumstamms angeordnet sind. An jeder zweiten Geschoßdecke hängt fest eine äußere Glasverkleidung. Diese Glashülle besteht, wie die des ursprünglichen Verwaltungsgebäudes, aus Glasröhren, die von kleinen senkrechten Spreizen aus Aluminiumguß an ihrem Platz gehalten werden und horizontal durch Plastik versiegelt worden sind. Im Innern wurde aus Temperaturgründen ein zweiter Schirm aus Flachglas an den Aluminiumspreizen befestigt und zum Reinigen beweglich gemacht. Frank Lloyd Wright in THE ARCHITECTURAL FORUM, 1951 108 109 Verwaltungsgebäude S.C.Johnson & Son Frank Lloyd Wright, 1936-39 Racine, Wisconsin 110 111 Frank Lloyd Wright und die Auflösung der Stadt 1929 - 1963 Kenneth Frampton, Die Architektur der Moderne Die zweite wichtige Phase in Wrights Schaffen setzte mit der Vollendung seines letzten Betonblockhauses in Tulsa, Oklahoma (1929) und mit seinen für Los Angeles geplanten Elizabeth Noble Apartments ein. Bei diesem Projekt nutzte er zum erstenmal voll die Möglichkeit, mit Stahlbeton auskragende Konstruktionen zu entwerfen. Ähnlich kristalline Formen wie dieses Mietshaus wies bereits sein Projekt für das National Life Insurance Building in Chicago von 1924 auf, dessen funkelnde Fassade aus Kupfer und Glas eine direkte Übertragung seiner Betonblock-Texturen auf Glas darstellte. Die ökonomische Massenherstellung des Automobils durch Henry Ford und die Auswirkungen der Depression weckten Wright offenbar aus seinen idyllischen Träumen, aus der improvisierten Maya Kultur seiner Häuser für reiche Ästheten, die sich in der üppigen Hügellandschaft Südkaliforniens ansiedelten. Er war beeindruckt von der Neuen Sachlichkeit Europas und suchte eine neue Rolle für die Architektur zu formulieren, indem er neue Strukturen für die Gesellschaftsordnung der Vereinigten Staaten vorschlug. Seit seinem Vortrag »The Art and Craft of the Machine« (1901) hatte Wright erkannt, daß die Maschine eine tiefgreifende kulturelle Wandlung bewirken würde. Bis 1916 hatte er die Maschine zunächst bei der Formulierung einer hochwertigen handwerklichen Kultur benutzt, das heißt, er hatte sich ihrer bei der Entwicklung seines Präriestils bedient. Obwohl für Wright der Ausdruck der »Technik« immer mit einer nahezu rhetorischen Verwendung auskragender Elemente verbunden war (ein typisches Beispiel dafür ist das Haus Robie von 1909), bestand er weiterhin auf der Vorherrschaft traditioneller Materialien und Methoden. Trotz einiger Vorwegnahmen wie dem Haus Coonley (1908) und den Midway Gardens (1914) wandte sich Wright erst in der Mitte der zwanziger Jahre der Konstruktion ganzer Bauten mit serienproduzierten synthetischen Elementen zu, zum Beispiel bei dem Betonblock-Mosaik seiner kalifornischen Häuser oder dem modularen Curtain-Wall-System, das er für die Außenhaut monolithischer Betonkonstruktionen entwickelte. Die wirtschaftliche Situation zwang ihn, die Grenzen traditioneller Baumaterialien und -methoden zu erkennen, und so mußte Wright seinen erdgebundenen Präriestil aufgeben. Durch eine einzigartige Kombination von Stahlbeton und Glas schuf er nun eine prismatische, facettierte Architektur, deren gläserne Außenhaut, von einem System schwebender Geschoßflächen getragen, die Illusion völliger Schwerelosigkeit vermittelte. Es schien, als sei er, wie Scheerbart vor ihm, plötzlich von den Ausdrucksmöglichkeiten des Glases fasziniert gewesen, dessen kristalline Transparenz sich am deutlichsten im stützenfreien Grundriß demonstrieren ließ. Zum erstenmal proklamierte Wright, der Meister des Mauerwerkbaus, in seinen berühmten Vor-lesungen an der Princeton University im Jahre 1930 Glas zum modernen Material par excellence. In »Stil in der Industrie« stellte er fest: 112 »Das Glas hat jetzt eine vollkommene Durchsichtigkeit, es sind dünne Schichten kristallisierter Luft, welche die Luft außen von der Luft innen trennen. Glasflächen können so behandelt werden, daß sie der Blick bis hin zur Vollkommenheit durchdringen kann. Die Tradition hat für dieses Material als ein Mittel der perfekten Durchsichtigkeit keine Empfehlungen hinterlassen, deshalb ist der Sinn für Glas als Kristall in poetischer Form noch nicht in die Architektur eingedrungen. Auf die Würde von Farbe und Material, die jeder andere Stoff bietet, kann man für immer verzichten. Schatten waren der »Pinselstrich« des früheren Architekten. Der moderne Architekt soll nun mit Licht arbeiten, diffusem Licht, reflektiertem Licht -Licht um seiner selbst willen, Schatten, wenn sie sich ergeben. Die Maschine macht diese ungeahnten neuen Möglichkeiten in Glas modern.« Im Jahre 1928 prägte Wright das Wort »Usonia«, um eine egalitäre Kultur zu bezeichnen, die spontan in den Vereinigten Staaten erstehen sollte. Er meinte damit offenbar nicht nur einen volkstümlichen Individualismus, sondern auch neue, breit gestreute Zivilisationsformen, wie sie seit kurzem durch die Nutzung des Autos als Massenverkehrsmittel möglich geworden waren. Das Auto als »demokratisches« Fortbewegungsmittel wurde zum deus ex machina von Wrights anti-urbanistischem Modell, seinem Projekt für Broadacre City, bei dem die konzentrierte Stadt des 19. Jahrhunderts auf einen regionalen, landwirtschaftlich bestimmten Raster umdisponiert werden sollte (wie bereits bei seinem Beitrag für den City-Club-Wettbewerb von Chicago, 1913, der eine Parzellierung in den Außenbezirken Chicagos vorsah). Zum erstenmal hatte er sich zu Beginn seiner letzten Vorlesung an der Princeton University gegen die traditionelle Stadt ausgesprochen: »Ist die Stadt eine fortdauernde Form gesellschaftlicher Krankheit, die schließlich in jenes Schicksal mündet, das alle Städte betroffen hat?« Es gehört zu den paradoxen Fakten unseres Jahrhunderts, daß Broadacre City mehr als jede andere Spielart des radikalen Urbanismus den Grundprinzipien des Kommunistischen Manifests von 1848 entsprach, das für die »Vereinigung des Betriebes von Ackerbau und Industrie« und ein »Hinwirken auf die allmähliche Beseitigung des Unterschieds von Stadt und Land« eintrat. Wrights erste Entwürfe für diese neue usonische Kultur, das Appartementhochhaus St. Mark‘s und das Gebäude für das Capitol Joumal, beide von 1931, wirkten freilich eher urban als ländlich. Die beiden Projekte, die schließlich als Price Tower in Bartlesville, Oklahoma (1952-1955) und als Verwaltungsgebäude für Johnson Wax in Racine, Wisconsin (1936-1939) realisiert wurden, waren auskragende Stahlbetonsysteme mit kristalliner Außenhaut. Von der Symbolik her verkörperten sie jene Polarität, die sich in Wrights Werk schon seit seinem Haus Martin und dem Larkin Building von 1904 gezeigt hatte die fundamentalistische Angleichung des Hausbaus an die Vorgänge der Natur und des Arbeitsplatzes an die Idee des Sakraments. Diese Dualität formulierte Wright in seiner usonischen Periode mit zwei höchst inspirierten und großzügigen Meisterwerken auf brillante Weise neu: mit dem Wochenendhaus Kaufmann in Bear Run, Pennsylvania, von 1936, bekannt als Falling Water, und mit dem im gleichen Jahr begonnenen Verwaltungs- Verwaltungsgebäude S.C.Johnson & Son Detail Pilzstütze 114 gebäude für Johnson Wax. Für Wright bedeutete das Wort »organisch « (das er 1908 zum ersten mal auf die Architektur anwendete), daß er auskragende Betonelemente benutzte, als seien sie natürliche, baumähnliche Formen. Er betrachtete solche Formen offenbar als Erweiterung von Sullivans vitalistischer Metapher des »Samenkorns«, die nun die ganze Konstruktion umfaßte und nicht nur das Ornament. Kurz vor seinem Tod schrieb Wright über das vulvaförmige Becken im Foyer des Guggenheim-Museums: »Es ist bezeichnend für die Details dieses Gebäudes, daß die symbolische Form die ovale Samenhülse ist, die kugelförmige Elemente enthält.« Bei dem Verwaltungsgebäude für Johnson Wax führte diese organische Metapher in dem 9 Meter hohen offenen und klimatisierten Bürobereich zu schlanken, sich nach unten verjüngenden Pilzstützen. Die Stützen weiten sich in der Höhe der Decke zu kreisfönnigen Betonelementen, zwischen die eine Membrane von Pyrex-Glasröhren »gewoben« ist. Diese horizontalen Oberlichter und die Stützen selbst (deren hohler Kern als Überlauf für Regenwasser dient und deren Basen mit Stiften in Bronzeschuhen gelenkig gelagert sind) stellen den Höhepunkt von Wrights technischer Phantasie dar. Hier kam Usonia zum Ausdruck - eine Eloge auf die Wunder der Technik, die mit der kühnen Umkehrung traditioneller Elemente arbeitete. Denn wo man Masse (Dach) erwartete , war Licht, und wo man Licht erwartete (Wände), war Masse. Wright schrieb darüber: »Alle Lichtflächen bestehen aus Glasröhren, die wie die Backsteine einer Wand verlegt sind. Das Licht tritt dort in das Gebäude ein, wo sonst das Gesims war. Im Inneren verschwindet der kastenartige Raum vollständig. Die Wände, welche die Glasrippen tragen, sind aus rotem Klinker und rotem Kasota-Sandstein. Die Konstruktion besteht aus Stahlbeton, wobei für die Armierung kaltgezogenes Drahtgewebe verwendet wurde.« Die Pilzkonstruktion führte dazu, daß Wright zum ersten mal gekurvte Eckenprofile und ein vorwiegend kreisförmiges Vokabular benutzte. Dank der Ausführung in harten, präzisen Materialien und der Belichtung durch transparente Glasröhren erhielt das Bauwerk einen Anstrich des Modernen, Stromlinienförmigen, von dem im Laufe der Zeit nur wenig verlorengegangen ist. Zugleich machte die Science-fiction Atmosphäre das Johnson Wax Building zu einem autonomen, klosterartigen Arbeitsplatz. Henry Russell Hitchcock schrieb : »Man hat in gewisser Weise die Illusion, den Himmel vom Grund eines Aquariums zu sehen.« Wie bei dem Larkin Building hatte Wright auch hier eine hermetische Umgebung geschaffen, deren Isolation gegenüber der Außenwelt noch durch Form und Farbe der speziell für diesen Bau entworfenen Büroeinrichtung betont wurde. Während bei Johnson Wax der Arbeitsplatz einen sakralen Charakter hatte, verkörperte Falling Water Wrights Ideal, das Wohnhaus mit der Natur zu verschmelzen. Auch hier ging er vom Stahlbeton aus, doch diesmal sind die auskragenden Elemente höchst extravagant eingesetzt, im Gegensatz zu der ausgeglichenen Ruhe der Pilzkonstruktion bei Johnson Wax. (...) 115 Herbert F. Johnson House Wind Point 116 117 Herbert F. Johnson House, “Wingspread“ Frank Lloyd Wright, 1937 Wind Point, Wisconsin 118 119 The Holiday Farnsworth House 120 121 Farnsworth House Mies van der Rohe, 1945- 50 14520 River Road, Plano 122 123 Getty Mausoleum, Graceland Cemetery Louis H. Sullivan, 1890 4001 N. Clark Street Chicago Art Institute of Chicago Shepley, Rutan and Coolidge, 1891- 93 111 South Michigan Avenue, Chicago 124 125 Mies and the University Illinois Institute of Technology 127 Mies van der Rohes Antrittsrede als Direktor der Architekturabteilung am Armour Institute of Technology (AIT) Chicago, 20. November 1938 Jede Erziehung wird sich zunächst zu richten haben auf den praktischen Bereich des Lebens. Soll aber von wirklicher Erziehung gesprochen werden können, so muss sie darüber hinaus den personalen Bezirk erreichen und zu einer Formung des Menschen führen. Das erste Ziel soll den Menschen befähigen, sich im praktischen Leben zu behaupten. Es vermittelt ihm das hierzu nötige Wissen und Können. Das zweite Ziel richtet sich auf eine Durchbildung der Persönlichkeit. Es soll ihn befähigen, von dem erworbenen Wissen und Können den rechten Gebrauch zu machen. Echte Erziehung zielt also nicht nur auf Zwecke, sondern auch auf Werte. Mit unseren Zwecken sind wir gebunden an die spezielle Struktur unserer Epoche. Werte hingegen sind verankert in der geistigen Bestimmung des Menschen. Unsere Zwecksetzungen bestimmen den Charakter unserer Zivilisation, unsere Wertsetzungen die Höhe unserer Kultur. So sehr Zweck und Wert wesensmässig unterschieden sind und verschiedenen Ebenen entstammen, so sehr sind sie doch einander zugeordnet. Auf was sollten sich auch sonst unsere Wertsetzungen beziehen, wenn nicht auf unsere Zwecke, und woher sollten Zwecke ihren Sinn erhalten, wenn nicht durch Werte. Beide Bezirke erst begründen menschliches Dasein. Der eine sichert dem Menschen seine vitale Existenz; der andere aber ermöglicht erst ein geistiges Dasein des Menschen. Haben diese Sätze Gültigkeit für jedes menschliche Tun, selbst für die leiseste Äusserung eines Wertgefälles, um wieviel mehr sind sie bindend für das Gebiet der Baukunst. Baukunst wurzelt mit ihren einfachsten Gestaltungen ganz im Zweckhaften. Reicht aber hinaus über alle Wertstufen bis in den höchsten Kunst. Jede Baulehre hat diesem Sachverhalt Rechnung zu tragen, soll sie ihr Ziel erreichen. Sie hat sich diesem Strukturgefüge anzupassen. Sie kann in Wirklichkeit gar nicht anders sein als eine tätige Auseinanderfaltung all dieser Beziehungen und Abhängigkeiten. Sie soll Schritt für Schritt das deutlich machen, was möglich, notwendig und sinnvoll ist. Wenn lehren überhaupt einen Sinn hat, dann hat es den, zu bilden und zu verpflichten. Es hat fortzuführen von der Unverbindlichkeit der Meinung in die Verbindlichkeit der Einsicht. Herauszuführen aus dem Bereich des Zufalls und der Willkür in die klare Gesetzmässigkeit einer geistigen Ordnung. Deshalb führen wir unsere Studenten den zuchtvollen Weg vom Material über die Zwecke der Gestaltung. Wir wollen sie in die gesunde Welt primitiver Bauten führen, dort wo noch jeder Beilhieb etwas bedeutet und wo ein Meisselschlag eine wirkliche Aussage war. Wo tritt mit gleicher Klarheit das Gefüge eines Hauses oder Baus mehr hervor als in den Holzbauten der Alten. 128 Wo mehr die Einheit von Material, Konstruktion und Form? Hier liegt die Weisheit ganzer Geschlechter verborgen. Welcher Sinn für das Material und welche Ausdrucksgewalt spricht aus diesen Bauten? Welche Wärme strahlen sie aus, und wie schön sind sie. Sie klingen wie alte Lieder. Im Steinbau finden wir das gleiche. Welches natürliche Gefühl spricht aus ihm? Welches klare Verständnis für Material, welche Sicherheit in seiner Verwendung, welcher Sinn für das, was man in Stein machen kann und darf. Wo finden wir einen solchen Reichtum in der Struktur. Wo finden wir mehr gesunde Kraft und natürliche Schönheit als hier. Mit welcher selbstverständlichen Klarheit ruht eine Balkendecke auf diesen alten Steinrmauern, und mit welchem Gefühl schnitt man eine Tür aus diesen Wänden. Wo anders sollten junge Architekten aufwachsen als in der frischen Luft dieser gesunden Welt, und wo anders sollten sie einfach und klug handeln lernen als bei diesen unbekannten Meistern. Der Backstein ist ein anderer Lehrmeister. Wie geistvoll ist schon das kleine, handliche, für jeden Zweck brauchbare Format. Welche Logik zeigt sein Verbandsgefüge. Welche Lebendigkeit sein Fugenspiel. Welchen Reichtum besitzt noch die einfachste Wandfiäche. Aber welche Zucht verlangt dieses Material. So besitzt jedes Material seine besonderen Eigenschaften, die man kennen muss, um mit ihm arbeiten zu können. Das gilt auch vom Stahl und vom Beton. Wir versprechen uns an sich gar nichts von den Materialien, sondern nur etwas von dem rechten Umgang mit ihnen. Auch die neuen Materialien sichern uns keine Überlegenheit. Jeder Stoff ist nur das wert, was wir aus ihm machen. Wie wir die Materialien kennenlernen wollen, so auch die Natur unserer Zwecke. Wir wollen sie klar analysieren. Wir wollen wissen, was ihr Inhalt ist. Worin sich ein Wohnhaus von einem anderen Gebäude wirklich unterscheidet. Wir wollen wissen, was es sein kann, was es sein muss und was es nicht sein darf. Wir wollen also sein Wesen kennenlernen. So werden wir jeden auftretenden Zweck untersuchen und seinen Charakter herausarbeiten und ihn zur Grundlage der Gestaltung machen. So wie wir uns eine Kenntnis der Materialien verschaffen - so wie wir die Natur unserer Zwecke kennenlernen wollen - , so wollen wir auch den geistigen Ort kennenlernen, in dem wir stehen. Das ist eine Voraussetzung für richtiges Handeln im kulturellen Bezirk. Auch hier müssen wir wissen, was ist, denn wir stehen in Abhängigkeit von unserer Epoche. Deshalb müssten wir die tragenden und treibenden Kräfte unserer Zeit kennenlernen. Wir müssen eine Analyse ihrer Struktur vornehmen; und zwar der Materialien, der funktionellen und der geistigen. Wir wollen klären, worin unsere Epoche mit früheren Epochen übereinstimmt und worin sie sich von diesen unterscheidet. Hier wird das Problem der Technik in den Blick der Studenten treten. Wir werden versuchen, echte Fragen zu stellen. Fragen nach Wert und Sinn der Technik. Wir wollen zeigen, dass sie uns nicht nur Macht und Grösse verheisst, sondern auch Gefahren in sich schliesst. Dass auch für sie das Gute und Böse gilt. Und dass sich der Mensch hier richtig 129 130 Architecture and Applied Arts Chemistry Metallurgy and Chemical Engineering Military Tactics Fieldhouse Athletic Field Gymnasium and Natatorium Institute of Gas Technology Lithographic Technical Foundation Research Laboratory Amour Research Foundation Humanities Mechanical Engineering Lageplan I.I.T. Campus Mies van der Rohe 1 2 3 4 5 6 7 I.I.T. Campus, Preliminary Proposals for the Campus Mies van der Rohe, 1939 Power House Metals Research Enginieering Research Auditorium and Student Union Electrical Engineering Civil Engineering Library and Administration 12 9 10 11 3 1 13 2 8 9 10 11 12 13 14 4 14 5 15 6 16 17 7 15 16 17 18 19 20 18 8 19 20 entscheiden muss. Jede Entscheidung führt aber in eine bestimmte Ordnung. Deshalb wollen wir auch die möglichen Ordnungen beleuchten und ihre Prinzipien klarlegen. Wir wollen das mechanistische Ordnungsprinzip als eine Überbetonung materieller und funktioneller Tendenzen kennzeichnen. Es befriedigt nicht unseren Sinn für die dienende Funktion des Mittels und unser Interesse für Würde und Wert. Das idealistische Ordnungsprinzip aber kann in seiner Überbetonung des Ideellen und Formalen weder unser Interesse an der Wahrheit und Einfachheit befriedigen noch unseren praktischen Verstand. Wir werden das organische Ordnungsprinzip deutlich machen als eine Sinn- und Massbestimmung der Teile und ihres Verhältnisses zum Ganzen. Und hierfür werden wir uns entscheiden. Der lange Weg vom Material über die Zwecke zu den Gestaltungen hat nur das eine Ziel: Ordnung zu schaffen in dem heillosen Durcheinander unserer Tage. Wir wollen aber eine Ordnung, die jedem Ding seinen Platz gibt. Und wir wollen jedem Ding das geben, was ihm zukommt, seinem Wesen nach. Das wollen wir tun auf eine so vollkommene Weise, dass die Welt unserer Schöpfungen von innen her zu blühen beginnt. Mehr wollen wir nicht. Mehr aber auch können wir nicht. Durch nichts wird Ziel und Sinn unserer Arbeit mehr erschlossen als durch das tiefe Wort von St. Augustin: «Das Schöne ist der Glanz des Wahren!» 131 I.I.T. Campus, Gemeinschaftshaus für Studenten Mies van der Rohe, 1953 I.I.T. Campus, Minerals & Metal Research Building Mies van der Rohe 132 133 I.I.T. Campus, Crown Hall Mies van der Rohe, 1956 134 135 Chicago Literatur Texte entnommen aus: „Die Stadt als Prozess“von Jacques Blumer Auszug aus „Chicago“ Werk, Bauen + Wohnen, Nr.9 1987 „Eine Fundgrube für Architekten“ von Werner Blaser aus „Chicago Architecture - Holabird & Root - 1880-1992“, Birkhäuser, 1992 „Mehr wollen wir nicht. Mehr aber auch können wir nicht.“ Mies van der Rohe „Debüt eines Genies: Frank Lloyd Wright (1867-1909)“ von Vittorio Magnago Lampugnani aus „Die Stadt im 20. Jahrhundert“, Wagenbach, 2011 „Das große Bürogebäude, künstlerisch betrachtet“ von Louis H. Sullivan aus „Louis H. Sullivan - Ein amerikanischer Architekt und Denker“, Ullstein, 1963 „Adler und Sullivan: das Auditorium und das Hochhaus 1886-1895“ von Kenneth Frampton aus „Die Architektur der Moderne“, DVA, 1983 „Modern Architecture - Being the Kahn Lectures for 1930“ von Frank Lloyd Wright aus „Quellentexte zur Architekturtheorie“, Prestel Verlag, 2002 „Frank Lloyd Wright und die Auflösung der Stadt 1929-1963“ von Kenneth Frampton aus „Die Architektur der Moderne“, DVA, 1983 „Über das Johnson Labor“ von Frank Lloyd Wright aus The Architectural Forum, 1951 „Mies van der Rohe Antrittsrede als Direktor der Architekturabteilung am Armour Institute of Technology (AIT), Chicago 20. November 1938“ aus „Mies van der Rohe Lehre und Schule“, Birkhäuser, 1977 136 137 Chicago Impressum TUM Technische Universität München Fakultät für Architektur Lehrstuhl für Integriertes Bauen Univ.-Prof. Dietrich Fink Arcisstraße 21 D - 80333 München www.lib.ar.tum.de Layout Julian Wagner Sebastian Multerer Konzept und Satz Julian Wagner Benjamin Jaschke Programm und Organisation Heike Schollmeyer