823 BGB Lösung Fall 2

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823 BGB Lösung Fall 2
Lösung Fall 2: Stromunterbrechung
A) Schadensersatz wegen der verdorbenen Eier
K könnte gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB haben.
Dies setzt zunächst voraus, dass B ein durch § 823 BGB Abs. 1 BGB absolut geschütztes
Rechtsgut des K verletzt hat. In Betracht kommt die Beschädigung des Eigentums des K an
den 3.600 Eiern.
Da die Stromunterbrechung zur Beschädigung bzw. zur Zerstörung der Eier geführt hat, die
auf eine dauernde Stromzufuhr angewiesen waren (sog. Verderbschäden), liegt eine
Eigentumsverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB vor (BGHZ 41, 123, 126).
Die Eigentumsverletzung muss durch ein Handeln bzw. pflichtwidriges Unterlassen des B
verursacht worden sein, das dem B zuzurechnen ist.
Fraglich ist also zunächst, ob das Verhalten des B kausal für die Eigentumsverletzung an den
Eiern des K wurde. Eine Handlung ist dann kausal für den Eintritt des Erfolgs (der
Rechtsgutsverletzung), wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg (die
Rechtsgutsverletzung) entfiele. Infolge einer Handlung des B stürzte ein Baum auf eine
elektrische Freileitung, so dass es zu der Stromunterbrechung kam, die schließlich den
Schaden an den Eiern verursachte, weil die Brutapparate ausfielen. Wäre der Baum nicht
infolge einer Handlung des B auf die Stromleitung gefallen, wäre es nicht zum Stromausfall
und den dadurch bedingten Ausfall der Brutapparate und somit nicht zu den Schäden an den
Eiern des K gekommen. Die Handlung des B war daher kausal für den Eintritt des Erfolgs (der
Rechtsgutsverletzung).
Die Kausalität wird auch nicht dadurch beseitigt, dass die von B gesetzte Ursache die
Rechtsgutsverletzung nicht unmittelbar, sondern erst nach Fortpflanzung durch eine
Ursachenkette hervorgerufen hat. Die nur mittelbare Verletzung des Rechtsguts könnte
lediglich im Rahmen der Prüfung der Adäquanz sowie des Schutzzweckes der Norm
maßgeblich sein. Fraglich ist daher zunächst, ob die Verursachung der Rechtsgutsverletzung
durch B adäquat ist. Es liegt nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit, dass bei der
Unterbrechung der Stromzufuhr Erzeugnisse, die einer elektronisch konstant gehaltenen
Temperatur (Wärme oder Kühle) bedürfen, um nicht zu verderben, in ihrer Substanz
beschädigt oder vernichtet werden. B hat daher die Rechtsgutsverletzung kausal adäquat
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verursacht. Fraglich ist weiterhin, ob die Rechtsgutsverletzung des B (Eigentumsverletzung an
den Eiern des K) vom Schutzzweck der Norm umfasst ist. Das sich aus § 823 Abs. 1 BGB
ergebende Verbot der Beschädigung von Versorgungsleitungen hat nicht nur den Zweck,
deren Eigentümer den Aufwand der Wiederherstellung zu ersparen, sondern bezweckt
vielmehr auch den Schutz vor Eintritt der typischen Folgen im Falle der Beschädigung von
Versorgungsleitungen. Rechtsgutsverletzungen der hier eingetretenen Art bewegen sich nicht
außerhalb des Schutzzweckes von § 823 Abs. 1 BGB. Die Beschädigung bzw. die Vernichtung
der angebrüteten Eier und die darin liegende Eigentumsverletzung sind daher dem B
zuzurechnen.
Fraglich ist weiterhin, ob der Eingriff in das Rechtsgut des K seitens des B rechtswidrig war.
Nach h. M. indiziert die Tatbestandsmäßigkeit (= kausale und zurechenbare Verursachung
des Erfolgs durch B) die Rechtswidrigkeit. Da ein Rechtfertigungsgrund nicht vorliegt, war die
Handlung des B rechtswidrig.
Weiterhin ist erforderlich, das B schuldhaft gehandelt hat. Nach dem Sachverhalt hat B
unachtsam, also fahrlässig gehandelt. Der eingetretene Schaden war für B auch vorhersehbar.
Wer eine elektrische Freileitung durchtrennt, muss damit rechnen, dass an das unterbrochene
Netz wahrscheinlich zahlreiche Anlagen zur Konservierung von Sachen angeschlossen sind,
die bei längerem Stromausfall verderben können. Von Tiefkühltruhen ist dies z.B. allgemein
bekannt. Dass sich der Schädiger gerade die Schädigung keimender Küken in einem
Brutapparat hätte vorstellen können, d. h., dass er auch den speziellen Schadensverlauf
vorherzusehen vermochte, ist zur Bejahung seines Verschuldens nicht erforderlich. Die
Handlung des B war daher schuldhaft.
Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass B den K wegen rechtswidriger und schuldhafter
Verletzung dessen Eigentums an 3.600 Eiern gemäß § 823 Abs. 1 BGB zur Leistung von
Schadensersatz verpflichtet ist.
Anmerkung: B ist dem K nicht nur zum Ersatz des reinen Wertes der Eier verpflichtet, vielmehr
muss er ihm den gesamten Schaden ersetzen. Dies bedeutet, dass B dem K auch einen reinen
Vermögensschaden (entgangenen Gewinn) zu ersetzen hat. Der bei der Prüfung, ob
überhaupt ein Fall von § 823 Abs. 1 BGB vorliegt, geltende Grundsatz, dass reine
Vermögensschäden keine Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB auslösen, gilt nur im Bereich des
sog. Haftungsgrundes. Wird jedoch ein durch § 823 Abs. 1 BGB absolut geschütztes
Rechtsgut durch jemand rechtswidrig und schuldhaft verletzt, dann haftet dieser insgesamt auf
Schadensersatz, gleichgültig ob teilweise insoweit lediglich reine Vermögensschäden
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vorliegen. Im konkreten Fall (siehe BGHZ 41, 123) bedeutete dies, dass B dem K den
Verkaufspreis von 0,60 € pro Küken (ggf. abzüglich ersparter Aufwendungen) zu ersetzen hat
(hätte K seinen Abnehmer aufgrund der Nichtlieferung Schadensersatz leisten müssen, hätte
B ihn von dieser Verpflichtung, die ebenfalls lediglich zu einem reinen Vermögensschaden
führt, freistellen müssen).
B) Anspruch des K gegen B wegen des reinen Produktionsausfalls
1) Ansprüche des K gegen B gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Eigentumsverletzung
Soweit
die
Stromunterbrechung
Produktionsmaschinen
dazu
vorübergehend
Gebrauchsausfallschaden),
liegt
ein
geführt
nicht
hat,
dass
weitergearbeitet
reiner
mit
den
werden
Vermögensschaden
vor,
vorhandenen
konnte
der
(sog.
keine
Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB darstellt (so jedenfalls der BGH; BGHZ 29, 65
sowie BGHZ 41, 123).
Dagegen könnte man trotz des Fehlens einer Substanzverletzung einwenden, dass auch die
Störung der Nutzung eine Eigentumsverletzung sei, weil das Recht auf ungestörte Nutzung
des Eigentums (oder des Besitzes) an einer Sache Teil des Eigentumsrechtes (bzw. des
Besitzrechtes) sei. Dies lehnt der BGH jedoch regelmäßig, falls er es überhaupt erörtert, ab.
Die bloß vorübergehende Funktionsstörung (Gebrauchsbeeinträchtigung) stellt nach
Auffassung
des
BGH
regelmäßig
weder
eine
Eigentumsverletzung,
noch
eine
Besitzverletzung dar. Dogmatisch lässt sich dies eigentlich nicht begründen; der BGH versucht
hier wohl lediglich, eine Ausuferung der Haftung aus unerlaubter Handlung einzudämmen. Die
zahlreichen Urteile zur Gebrauchsbeeinträchtigung sind daher auch nicht logisch
nachvollziehbar, sondern eher Einzelfallentscheidungen (BGHZ 63, 203; BGHZ 55, 153;
BGHZ 86, 152)
Der Produktionsausfallschaden ist auch keine Folge der Eigentumsverletzung an den o. g.
3.600 Eiern, denn er hängt von dieser Eigentumsverletzung nicht kausal ab (sondern vom
Stromausfall). Es fehlt daher n. h. M. bereits an einer Rechtsgutsverletzung; der reine
Vermögensschaden (ohne gleichzeitige Rechtsgutsverletzung) wird aber nicht gemäß
§ 823 Abs. 1 BGB ersetzt. Anders wäre es nur, wenn man in der Gebrauchsbeeinträchtigung
eine Eigentumsverletzung sehen würde; dann wäre auch ein reiner Produktionsausfall eine
kausale Folge der Eigentumsverletzung.
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2) Ansprüche des K gegen B gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen eine Eingriffs in den
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist ein absolut geschütztes
Rechtsgut im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB. Es ist gegenüber der Eigentumsverletzung
subsidiär (BGH NJW 1999, 1028, 1029). Da hier eine Eigentumsverletzung nach h. M.
ausscheidet, wäre eine Anwendung prinzipiell möglich.
Ein solcher Eingriff liegt jedoch nach der Rechtsprechung des BGH nicht vor, da es bei der
Stromunterbrechung an einer unmittelbaren Betriebsbezogenheit des Eingriffs (der
Stromunterbrechung) fehlt (siehe die sehr ausführliche Begründung in BGHZ 29, 65).
3) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Fraglich ist, ob der Werkvertrag zwischen dem Auftraggeber und dem Bauunternehmer eine
Schutzwirkung zugunsten Dritter entfaltet, die von einem durch den Bauunternehmer
verursachten Schaden betroffen werden kann. Dies wird nach h. M. jedoch abgelehnt.
Entweder fehlt bereits die sog. „Leistungsnähe“ des geschädigten Dritten oder der Kreis der
potentiellen Geschädigten ist für den Bauunternehmer nicht überschaubar, weshalb es an der
notwendigen „Erkennbarkeit“ für den Schädiger mangelt. Ein Anspruch des K gegen B
aufgrund eines Vertrags des B mit dessen Auftraggeber zugunsten Dritter scheidet daher nach
h. M. aus (BGH NJW 1977, 2208; OLG Köln VersR 1984, 304).
4) Anspruch aus Drittschadensliquidation (aus dem Vertragsverhältnis zwischen K und dem
E-Werk)
Das E-Werk hätte zwar einen Anspruch gegen B, hat aber insoweit keinen Schaden.
Umgekehrt hat K einen Schaden, aber keinen Anspruch gegen B. Es käme also DSL aus dem
Vertrag zwischen K und dem E-Werk in Betracht.
Auch solche Ansprüche werden von der h. M. im konkreten Fall abgelehnt (siehe dazu
ebenfalls BGHZ 29, 65).
Anmerkung: Die beiden o. g. Fallvarianten unterscheiden sich, trotz identischer Handlung des
B dadurch, dass K im ersten Fall (Beschädigung seiner Eier) Schadensersatz erhält, dagegen
im zweiten Fall (Stillstand des Betriebs) leer ausgeht. Begründet wird dies vom BGH formal
damit, dass nur im ersten Fall eine Eigentumsverletzung bzw. die Verletzung eines absolut
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geschützten Rechtsguts im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB vorliege. Dabei stellt der BGH formal
auf die Substanzverletzung an den Eiern ab. Dies ist jedoch insofern problematisch, als die
Eier für den K lediglich eine Zwischenstufe zum „Endprodukt“ darstellen, das er an einen
Dritten veräußern will. Ein besonderes Interesse am Eigentum an den Eiern hat er also gerade
nicht; es handelt sich vielmehr lediglich um ein Produktionsmittel. Aus Sicht des K ist es daher
völlig gleichgültig, ob er sein Endprodukt deshalb nicht herstellen kann, weil jemand sein
Zwischenprodukt bzw. seine Produktionsmittel beschädigt oder ob er sein Endprodukt deshalb
nicht herstellen kann, weil jemand seinen Betrieb, ohne eine Substanzverletzung zu
verursachen, lahm legt. Hätte K daher ein Endprodukt hergestellt, in dem es im Falle von
Stromausfall nur zu einer Betriebsunterbrechung, nicht aber zu einer Eigentumsschädigung
kommen kann, weil die Produktionsmittel nicht verderblich sind, hätte er keinen
Schadensersatz erhalten. Nach der Rechtsprechung des BGH wird daher derjenige Hersteller
bevorzugt, der mit verderblichen Produktionsmitteln arbeitet. Dies erscheint jedoch willkürlich.
Maßgeblich bleibt nämlich in all diesen Fällen, dass der andere in den Produktionsablauf eines
Herstellers eingreift, so dass dieser nicht, wie vorgesehen, sein Endprodukt herstellen kann
(einmal
unterstellt,
dass
auch
im
Falle
von
der
Verwendung
nichtverderblicher
Produktionsmittel eine spätere Produktion für den Abnehmer nicht mehr möglich ist, weil sich
dieser inzwischen anderweitig eingedeckt hat). Richtig wäre es daher meines Erachtens, an
dem Eingriff in die Nutzungsmöglichkeit des Eigentums (des Betriebs) des K anzuknüpfen. B
verursacht nämlich durch seine Handlung, dass K für eine gewisse Zeit sein Eigentum (den
Betrieb) nur noch eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr nützen kann. Darin, und nicht in
der Eigentumsverletzung an den Eiern, liegt aus Sicht des Herstellers die maßgebliche
Beeinträchtigung. Zum Eigentum gehört eben nicht nur dessen Substanz, sondern auch die
Möglichkeit, dieses Eigentum, im Rahmen der geltenden Gesetze, nach Belieben zu nutzen
(Art. 14 I GG). Gerade im gewerblichen Bereich dürfte in vielen Fällen der Hersteller überhaupt
kein Interesse an der Substanz seines Eigentums, sondern vielmehr nur an der Nutzung
(Produktion) seines Eigentums haben. So dürfte es dem Hersteller regelmäßig gleichgültig
sein, aus welchen Gründen er sein Endprodukt nicht bzw. nicht rechtzeitig herstellen kann
(also ob dies infolge der Zerstörung seines Produktionsmittels oder nur infolge der
zwangsweisen Stilllegung seines Betriebs erfolgt). Die Rechtsprechung des BGH führt daher
dazu, dass vom Produktionsablauf her gesehen vergleichbare Fälle unterschiedlich behandelt
werden, je nachdem ob es zu einer Substanzbeeinträchtigung kommt oder nicht (der BGH
hätte dies auch bei Verneinung einer Eigentumsverletzung infolge der Beschränkung der
Nutzung derselben vermeiden können, indem er wenigstens einen Eingriff in den
eingerichteten und ausgerichteten Gewerbebetrieb angenommen hätte).
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Konsequenterweise müsste man daher im Falle der Verursachung eines Stromausfalls
entweder keinem oder allen Betrieben einen Schadensersatzanspruch zuerkennen. Vertritt
man letztere Auffassung, bedarf es eigentlich der Annahme eines rechtswidrigen Eingriffs in
den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht, da man ohne weiteres eine
Eigentumsverletzung mit der Begründung annehmen kann, die vorübergehende Verhinderung
einer zulässigen Nutzung des Eigentums (Produktion) erfülle den Tatbestand eines Eingriffs
in das Eigentum (oder den Besitz) des Herstellers an seiner Produktionsanlage bzw. an seinen
Produktionsmitteln.
Auf die Auffassung des BGH ist daher m. E. dogmatisch (und logisch) nicht haltbar, sondern
beruht allein auf dem Interesse einer Haftungsbegrenzung.
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