Lösung Abgeschleppt

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Lösung Abgeschleppt
Juniorprofessor Dr. Elmar Mand
Examensrepetitorium Schuldrecht BT 2
Lösungsskizze: „Abgeschleppt“
A. Abwehransprüche
Abwehranspruch des E gegen F und S aus §§ 858, 859 BGB
Ein Beseitigungsrecht des E gegen die Falschparker F und S könnte sich aus §§ 858, 859
ergeben.
I.
Besitzstörung bzw. Besitzentziehung
Dafür müsste das Abstellen der Pkw durch F und S eine Besitzstörung oder -entziehung darstellen.
è Eine Besitzentziehung ist die vollständige und dauerhafte Beseitigung des unmittelbaren
Besitzes (RGZ 67, 389).
è Eine Besitzstörung ist die Beeinträchtigung des unmittelbaren Besitzes in der Weise,
dass ein befriedeter Zustand in einen solchen der Rechtsunsicherheit verwandelt wird
(Palandt/Bassenge, § 862, Rn. 4).
Anmerkung: Während bei der Besitzentziehung die Besitzkehr gem. § 859 I BGB unter
Beachtung der zeitlichen Grenze des Absatzes III zu erfolgen hat, ist bei der Besitzstörung
die Besitzwehr gem. § 859 I BGB ohne Beachtung dieser zeitlichen Grenze zulässig.
Besteht das in Frage stehende Grundstück nur aus einem einzelnen Parkplatz, wird die Benutzung dieses Gründstücks durch das Falschparken vollständig unmöglich gemacht, so
dass eine Besitzentziehung vorliegt. Das Abstellen eines Pkw auf einem Grundstücksteil
stellt nicht nur eine Besitzstörung des Gesamtgrundstücks dar, sondern es handelt sich
gleichzeitig um eine teilweise Entziehung des jeweiligen Grundstücksteils. Daher wird auf die
o.g. Differenzierung in rechtlicher Hinsicht verzichtet. Der BGH wendet die Zeitgrenze des
§ 859 III BGB auch auf die Besitzwehr an, wenn Besitzwehr bezüglich des Grundstücks
zugleich Besitzkehr bezüglich eines Grundstücksteils ist (BGH NJW 1967, 46). Zudem ist die
Differenzierung zwischen Besitzstörung und -entziehung – jedenfalls bei Grundstücken –
ohnehin fließend. Eine Abgrenzung diesbezüglich ist somit entbehrlich.
F hat darüber hinaus durch das Parken vor dem Garagentor des E eine „Abgangsbehinderung“ (Dörner, JuS 1978, 666; Palandt/Bassenge, § 862, Rn. 4) für den Pkw des E geschaffen und somit zusätzlich eine Besitzstörung hinsichtlich dieses Wagens begangen.
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F und S haben folglich durch das Abstellen ihrer Pkw den E in seinem Besitz beeinträchtigt.
Dies geschah auch gegen den Willen des E und somit widerrechtlich. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 858 liegen demnach vor.
II. „Sofort“ im Sinne des § 859 III BGB
Weiterhin muss die Selbsthilfe gem. § 859 III BGB „sofort“ erfolgen. Nur vereinzelt wird vertreten, dass sich der Grundstücksbesitzer ohne zeitliche Begrenzung der verbotenen Eigenmacht erwehren kann (AG München, DAR 1981, 56).
Der Begriff „Sofort“ bedeutet, dass die Beseitigung der Besitzstörung so schnell wie nach
objektiven Maßstäben möglich zu erfolgen hat, ohne Rücksicht auf die subjektive Kenntnis
von der Entziehung (Palandt/Bassenge, § 859, Rn. 6). Augenblickliches oder blitzschnelles
Handeln ist aber nicht erforderlich. Bei interessengerechter Auslegung ist vielmehr zu berücksichtigen, dass der Besitzer nicht feststellen kann, wann das Fahrzeug abgestellt wurde
und seit wann es bereits dort steht. Es ist ihm deshalb eine Informations-, Überlegungs- und
Vorbereitungszeit zuzubilligen.
E hat mit dem Abschleppenlassen des Fahrzeugs des S nicht zugewartet. Er hat folglich „sofort“ im Sinne des § 859 III gehandelt.
Die Zeitregel des § 859 III gilt ausweislich ihres Wortlauts nur für Besitzentziehungen/störungen an Grundstücken. Folglich findet diese Zeitgrenze auf die Besitzstörung des Wagens in der Garage durch F („Abgangsbehinderung“) keine Anwendung.
E hat sich also im Wege der zulässigen Selbsthilfe gegen die Besitzbeeinträchtigung durch F
und S gewehrt, §§ 858, 859.
B. Unterlassungsansprüche
I.
Anspruch aus § 862 I 2 BGB
E kann als Besitzer gemäß aus § 862 I 2 BGB einen Anspruch auf Unterlassung weiterer
Störungen geltend machen, sofern eine Wiederholungsgefahr gegeben ist. Die Erstbegehung der Störung indiziert die Wiederholungsgefahr. Gegenteilige Anhaltspunkte wie eine
strafbewehrte Unterlassungserklärung sind nicht ersichtlich.
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Anmerkung: Eine Wiederholungsgefahr liegt weiter z.B. dann vor, wenn der Störer die
Abgabe eines strafbewehrten Unterlassungsversprechens verweigert (BGH NJW 1962,
1390, 1392).
Der Anspruch richtet sich gegen den Störer. Grundsätzlich gilt bei § 862 BGB der gleiche
Störerbegriff wie bei § 1004 BGB. Es ist also zwischen Handlungs- und Zustandsstörer zu
unterscheiden. Handlungsstörer ist, wer die Beeinträchtigung durch sein Verhalten adäquat
kausal verursacht hat. Dies ist in der Regel der Fahrer. F und S sind daher als Handlungsstörer passivlegitimiert.
Darüber hinaus können auch die Halter als Zustandsstörer verantwortlich sein. Zustandsstörer ist der, von dessen Willen die Beseitigung des eigentumbeeinträchtigenden Zustandes abhängt. Diese Voraussetzung ist beim Halter erfüllt; denn als Verfügungsberechtigter
kann er den Standort seines Kfz bestimmen. Sofern Dritte Halter der von S und F gefahrenen Fahrzeuge sein sollten, können die Unterlassungsansprüche also auch gegen diese
geltend gemacht werden.
II. Anspruch aus §§ 1004 I 2, 823 I BGB
Darüber hinaus können E als Eigentümer Unterlassungsansprüche auch aus § 1004 I 2
zustehen. Diese konkurrieren mit Ansprüchen aus § 862 (Palandt-Bassenge, 62. Aufl. 2003,
§ 1004 Rn. 1). Der Anspruch aus § 1004 BGB kann zudem auf § 823 II BGB gestützt
werden. Verletztes Schutzgesetz im Sinne des § 823 II ist zumindest § 858 BGB.
(Ausführlich dazu unten).
Anmerkung: § 1004 BGB schützt neben dem Eigentum in entsprechender Anwendung
alle absoluten Rechte, insbesondere die in § 823 I genannten Rechte und Rechtsgüter,
einschließlich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Eingerichteten und Ausgeübten Gewerbebetriebs, nicht aber den abschließend durch § 862 BGB geschützten Besitz.
C. Ersatzansprüche
I.
Vertragliche Ansprüche
1. Vertragliche Ansprüche des unmittelbar Beeinträchtigten E gegen die Falschparker F
und S infolge eines direkten rechtsgeschäftlichen Kontakts bestehen nicht.
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2. Allerdings kommt ein sog. „faktischer Vertragsschluss“ in Betracht. Nach der Lehre vom
„faktischen Vertrag“ sollen Vertragsverhältnisse auch ohne Willenserklärungen allein durch
sozialtypisches Verhalten entstehen können (Haupt, Über faktische Vertragsverhältnisse,
1941). Zur Begründung wird angeführt, dass Massengeschäfte des täglichen Lebens mit den
herkömmlichen rechtlichen Mitteln nicht angemessen zu bewältigen seien. Der Fahrpreis der
Wasser- und der Strompreis seien nicht deshalb geschuldet, weil der Kunde den Willen geäußert habe, einen Vertrag über die entsprechenden Leistungen zu schließen. Die Rechtsordnung knüpfe die Zahlungspflicht hier unmittelbar an ein „sozialtypisches Verhalten“. Es
handele sich nicht um rechtsgeschäftliche Verträge, sondern um faktische Vertragsverhältnisse. Diese Auffassung hat zur Konsequenz, dass die Gegenleistung bereits dann geschuldet wird, wenn die Leistung (faktisch) in Anspruch genommen wird. Dieses beschriebene
„sozialtypische“ Verhalten deckt sich jedoch mit einer konkludenten Willenserklärung, so
dass die Lehre vom faktischen Vertrag überflüssig ist. Sie wird daher heute nicht mehr vertreten (Brox, AT, Rn. 194). Mit dem Verbrauch oder der Inanspruchnahme einer Leistung
macht der Teilnehmer am Rechtsverkehr unmissverständlich klar, dass er sie auch in Anspruch nehmen will. Ein faktischer Vertragsschluss ist deshalb abzulehnen.
3. Denkbar ist lediglich ein konkludenter Vertragsschluss durch sozialtypisches Verhalten,
wie es beim Befahren eines öffentlichen kostenpflichtigen Parkplatzes befürwortet wird
(BGHZ 21, 334). Auch dies scheidet indes aus: Zwar wäre die Weigerung des Parkenden für
die Leistung zu zahlen, sofern geäußert, als protestatio facto contraria (BGH NJW 1995,
399) oder, sofern nicht geäußert, als geheimer Vorbehalt nach § 116 BGB unbeachtlich. Das
sozialtypische Verhalten ersetzt jedoch nur die Annahme. Vorliegend bietet E jedoch nicht
die Benutzung (auch nicht durch Realofferte) an. Somit fehlt es bereits an einem Angebot
des Parkplatzeigentümers E. Vertragliche Ansprüche bestehen nicht
II. Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten aus GoA, §§ 683 S. 1, 667 ff. BGB
1. fremdes Geschäft
Durch das Abschleppen der beiden Wagen könnte E fremde Geschäfte geführt haben. Die
Besorgung eines Geschäfts bedeutet eine Tätigkeit im fremden Interesse (BGHZ 21, 334).
Dabei ist der Kreis der Geschäfte grundsätzlich weit zu ziehen, wobei unerheblich ist, ob es
sich um eine einzelne Angelegenheit oder um eine Tätigkeit von gewisser Dauer handelt
(Palandt/Sprau, § 677, Rn. 2). Indem der Grundstückseigentümer E die verbotswidrig parkenden und dadurch Besitz störenden Pkw durch ein Abschleppunternehmen beseitigen
ließ, erledigte er zum Rechtskreis der Parkenden gehörende Geschäfte (vgl. AG Frankfurt
am Main, NJW 1990, 917). Dass er dabei auch eigene Interessen verfolgt hat, schadet nicht.
§ 677 erfasst auch das sog. „auch-fremdes-Geschäft“. Insoweit genügt, dass das Geschäft
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nach seiner äußeren Erscheinung nicht nur dem Handelnden, sondern auch dem anderen
zugute kommt (Palandt/Sprau, § 677, Rn. 6). E hat objektiv (auch-) fremde Geschäfte geführt.
2. Fremdgeschäftsführungswille
Er müsste dieses auch mit Fremdgeschäftsführungswillen geführt haben. Bei „auch-fremdenGeschäften“ wird der Fremdgeschäftsführungswille nach der Rechtsprechung ebenso vermutet, wie bei ausschließlich objektiv fremden Geschäften (BGHZ 65, 357; 98, 240; 143, 15).
Anmerkung: Bei objektiv neutralen Geschäften folgt die Fremdheit des Geschäfts erst
aus dem Fremdgeschäftsführungswillen. Dieser ist gesondert (positiv) festzustellen und
bereits bei der Fremdheit des Geschäfts zu prüfen (so genannte subjektiv fremde Geschäfte)
è Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte handelte E mit Fremdgeschäftsführungswillen.
3. ohne Auftrag oder sonstigere rechtsgeschäftliche Berechtigung
E war gegenüber F und S nicht aufgrund eines wirksamen Rechtsgeschäfts oder in sonstiger
Weise zum Abschleppen berechtigt.
Anmerkung: Aus der Pflicht zur Hilfeleistung gemäß § 323 c StGB oder aus nichtigem
Vertrag folgt keine Berechtigung zur Geschäftsführung (d.h. GoA grds. anwendbar). Eine
Berechtigung kann sich dagegen aus familienrechtlichen Beziehungen und mit Einschränkungen auch aus Gemeinschaftsverhältnissen im Sinne des § 741 ergeben
4. mit Willen des Geschäftsherren, § 683
Weiterhin müsste die Geschäftsführung dem Willen der Geschäftsherren F und S entsprochen haben, § 683 S. 1. Vorliegend besteht keine Möglichkeit, den wirklichen Willen von F
und S zu erkunden. Folglich ist auf den mutmaßliche Willen abzustellen. Hierfür sind objektive Kriterien heranzuziehen (OLG München, NJW-RR 1988, 1013); der mutmaßliche Wille ist
aus dem objektiv festzustellenden Interesse der Geschäftsherren abzuleiten. Das objektive
Interesse der beiden Falschparker am Abschleppen könnte schon aus der Tatsache abzuleiten sein, dass sie mit dem Parken auf einem fremden Grundstück eine Besitzstörung bezüglich des Grundstücks oder Grundstücksteils vornehmen, diese gem. § 858 BGB rechtswidrig
ist und sie sie deshalb gem. §§ 862, 1004 I BGB zu beseitigen haben (AG Neumünster, DAR
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1987, 387). Lässt der Grundstücksbesitzer nun das Kfz abschleppen, befreit er den Störer
von der Beseitigungspflicht aus §§ 862, 1004, 823 BGB und handelt damit in dessen Interesse (Schwarz/Ernst, NJW 1997, 2550). Gegen ein entsprechendes Interesse des Abgeschleppten sprechen demgegenüber die anfallenden Abschleppkosten. Allerdings ist die
Kostentragungspflicht
nur
die
Rechtsfolge
und
keine
Anspruchsvoraussetzung
(Schwarz/Ernst, NJW 1997, 2550). Zudem verhindert das Abschleppen mögliche weitergehende Schadensersatzansprüche wegen Eigentums- und Besitzverletzung. Ein mutmaßlicher Wille der Abgeschleppten kann daher jedenfalls dann angenommen werden, wenn im
Einzelfall durch das Abschleppen aller Voraussicht nach ein Schaden verhindert wird, der
höher ist als die Abschleppkosten und den Halter oder Fahrer eine Ersatzpflicht trifft (AG
Frankfurt am Main, NJW-RR 1990, 730). Dies ist vorliegend mangels konkreter Angaben
nicht feststellbar, dürfte wegen des vorhandenen Zweitwagens des E aber zweifelhaft sein.
Ob das Abschleppen gleichwohl dem objektiven Interesse und damit dem mutmaßlichen
Willen von S und F entspricht, bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, wenn der
(mutmaßliche) Wille von F und S nach § 679 ohnehin unbeachtlich wäre.
5. Unbeachtlichkeit des wirklichen oder mutmaßlichen Willens nach § 679 BGB
Der entgegenstehende Wille von F und S wäre unbeachtlich, wenn die Erfüllung der Beseitigungspflicht gem. §§ 862, 1004 BGB im öffentlichen Interesse liegt und sie ohne die GoA
nicht rechtzeitig erfüllt werden könnte. Aufgrund der Tatsache, dass die Beseitigungspflicht
des Falschparkers gem. §§ 862, 1004 BGB sofort zu erfüllen ist, bleibt nur zu prüfen, ob die
Erfüllung dieser Pflicht im öffentlichen Interesse liegt.
Fraglich ist, wann dies anzunehmen ist. Hierbei empfiehlt sich eine Orientierung an der
Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte. An der Beseitigung der Störung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung, die durch jeden Verstoß gegen die objektive Rechtsordnung hervorgerufen wird, besteht generell ein öffentliches Interesse (BVerwGE 58, 326, 331). Zwar
wird vereinzelt vertreten, dass der Zweck des § 679 BGB darin liege, in den Fällen, in denen
Leben, Körper, Gesundheit oder auch wichtige Sachgüter von Personen unmittelbar gefährdet sind, ein Eingreifen des eigentlich Zuständigen und Verpflichteten aber nicht rechtzeitig
möglich ist, einen Aufwendungsersatzanspruch zu geben (AG Frankfurt am Main, NJW-RR
1990, 731). Dem wird aber zu Recht entgegengehalten (Janssen, NJW 1995, 624, 625),
dass der Wortlaut des § 679 BGB dies nicht hergibt. Zudem ist aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung eine Übernahme der verwaltungsgerichtlichen Kriterien geboten, so
dass ein öffentliches Interesse angenommen werden muss.
Dementsprechend ist der entgegenstehende Wille von F und S unbeachtlich. E hat folglich
einen Erstattungsanspruch wegen der Abschleppkosten aus GoA gegen F und S.
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III. Anspruch auf Nutzungsersatz aus angemaßter Eigengeschäftsführung gem.
§§ 687 II, 681 S. 2, 667 BGB
E könnte gegen S einen Erstattungsanspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung gemäß §§ 687, 681 S. 2, 667 haben.
Dann müsste S ein fremdes Geschäft als eigenes behandelt haben, obwohl er wusste, dass
er hierzu nicht berechtigt war. S hat wissentlich mit seinem Pkw eine fremde Sache – nämlich den Privatparkplatz des E – unberechtigt und zu seinem eigenen Vorteil genutzt. Die
Voraussetzungen der angemaßten Eigengeschäftsführung sind damit erfüllt.
E kann sich somit von S die von ihm durch das widerrechtliche Parken ersparten Parkplatzgebühren erstatten lassen, §§ 687 II, 681 S. 2, 667.
IV. Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten aus § 858 i.V.m. § 859 I, III BGB
Teilweise wird vertreten (Dörner, JuS 1978, 666, 671), dass ein Kostenerstattungsanspruch
unmittelbar aus § 858 i.V.m. § 859 I, III BGB in Betracht komme. Die §§ 858, 859 BGB enthalten eine derartige Anspruchsgrundlage indes nicht.
V. Ansprüche aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV), §§ 985, 987 ff. BGB
1. Ein Anspruch auf Nutzungsersatz des E gegen den Falschparker S könnte sich aus
§§ 987, 990 ergeben.
Hierfür müsste zunächst eine Vindikationslage bestehen, also ein Anspruch des E gegen S
aus § 985 gegeben sein. E ist Eigentümer der der beparkten Grundstücksfläche (Privatparkplatz), S ist Besitzer ohne Recht zum Besitz im Sinne des § 986, so dass dieses Erfordernis
erfüllt ist. S wusste um seine fehlende Berechtigung, war also auch bösgläubig im Sinne des
§ 990 BGB. Der Eigentümer E des Parkplatzes kann demnach von S Nutzungsersatz gem.
§§ 987, 990 BGB für die Benutzung des Parkplatzes verlangen (Schwarz/Ernst, NJW 1997,
2550 (2551). § 992 BGB schließt den Anspruch aus § 990 BGB nicht aus (Palandt/Bassenge, § 992, Rn. 1).
2. Schadensersatzanspruch E gegen S aus §§ 989, 990
Gemäß §§ 989,990 ist der Besitzer dem Eigentümer nach Rechtshängigkeit oder im Falle
der Bösgläubigkeit hinsichtlich des Besitzrechts auch zum Schadensersatz wegen einer Verschlechterungen oder eines Untergangs der herauszugebenden Sache verpflichtet. Das Eigentum des E ist aber weder in seiner Substanz zerstört oder beeinträchtigt worden, noch ist
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S an der Herausgabe gehindert. § 989 BGB erfasst kurzfristige Herausgabeverzögerung
nicht, sondern nur solche Behinderungen, die eine Vindikation für nicht unerhebliche Zeit
verhindern (Palandt/Bassenge, § 989, Rn. 5).
3. Weiter könnte ein Anspruch des E gegen den F auf Nutzungsersatz aus §§ 987, 990
gegeben sein. Hierfür müsste wiederum eine Vindikationslage bestehen. Durch das Verstellen der Zu- und Abgangsmöglichkeit zu der Garage des E ist F jedoch nicht Besitzer des in
der Garage befindlichen Wagens oder eines dem E gehörenden Grundstücksteils geworden.
Der Anspruch muss daher schon mangels Vindikationslage ausscheiden.
VI. Schadensersatzansprüche aus § 823 I BGB
1. § 823 I wegen Eigentumsverletzung
a) Ein Anspruch des E gegen S und F wegen Eigentumsverletzung könnte sich aus § 823 I
ergeben. Dieser Anspruch könnte jedoch im Falle des S durch die Sperrwirkung des EBV
nach § 993 I a.E. BGB ausgeschlossen sein. Dies ist gemäß § 992 nicht der Fall, wenn der
unrechtmäßige Besitzer – wie vorliegend S – den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt
hat. § 823 ist somit auf den vorliegenden Fall anwendbar.
b) Weiter müsste das Falschparken das Eigentum im Sinne des § 823 I verletzen. Zwar
kann in dem widerrechtlichen Parken keine Substanzverletzung des Eigentums gesehen
werden, jedoch liegt eine Eigentumsverletzung auch dann vor, wenn das Eigentum seinem
bestimmungsgemäßen Gebrauch für längere Zeit vollständig entzogen wird (BGHZ 55, 153,
159).
è Eine Eigentumsverletzung besteht demnach, wenn durch das falsch parkende Fahrzeug
eine Ausfahrt (Medicus, BR, 19. Aufl. 2002, Rn. 613), nicht jedoch eine Einfahrt versperrt
wird, da im letzteren Fall die Bewegungsfreiheit des Fahrzeugs im Übrigen nicht eingeschränkt ist (BGHZ 55, 153, 159). Vorliegend versperrt F mit seinem Wagen die Ausfahrt
und verletzt folglich das Eigentum des E an dessen Wagen.
è Wird ein privater Parkplatz zugeparkt, so wird zwar die Nutzungsmöglichkeit des dem
Parkplatzeigentümer gehörenden Pkw nicht beeinträchtigt, aber die Nutzung des Parkplatzes, so dass auch in diesen Fällen, ebenso wie bei Versperren einer Ausfahrt, eine
Eigentumsverletzung besteht (Janssen, NJW 1995, 624, 625).
Sowohl S als auch F haben also durch ihr Handeln das Eigentum des E verletzt.
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Anmerkung: Eigentumsverletzungen durch Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit
gehören zu den bisher noch nicht abschließend und befriedigend geklärten Bereichen
des Deliktsrechts. Folgende BGH-Entscheidungen sollten bekannt sein:
BGHZ 55, 153 ff: Ein Schifffahrtsunternehmer beliefert eine an einem Fleet liegende
Mühle. Durch Verschulden des Verkehrssicherungspflichtigen stürzt eine Böschung ein;
das Fleet wird unpassierbar. Ein Schiff des S ankert bei der Mühle und ist eingesperrt,
die übrigen Schiffe des S können die Mühle nicht mehr erreichen. Der BGH hat in diesem
Fall eine Eigentumsverletzung nur wegen des eingesperrten Schiffes bejaht. Die ausgesperrten Schiffe seien in ihrer Eigenschaft als Transportmittel nicht betroffen. Ein etwaiger Eingriff in den Gewerbebetrieb des S sei jedenfalls nicht betriebsbezogen. Die Zugänglichkeit des Fleets gehöre selbst dann nicht zum Schutzbereich des Gewerbebetriebs, wenn für S die Belieferung der Mühle den Geschäftsschwerpunkt bilde
BGHZ 86, 152 ff.: Infolge eines Verschuldens des Verkehrssicherungspflichtigen lief ein
Elbe-Seitenkanal leer. Hier hielt der BGH das Eigentum eines Unternehmens, das an
dem Kanal Güter umschlug und lagerte, nicht für verletzt: Die Betriebsanlagen seien weiter benutzbar und nur die Kunden ausgeblieben. (Aber: Was soll man mit Hafenanlagen
ohne Wasser? Sie sind nicht nützlicher als ein eingesperrtes Schiff, vgl. Medicus, BR, 19.
Aufl. Rn. 613). Ein Ersatzanspruch wegen Eingriffs in den Gewerbebetrieb scheitert wiederum an der Betriebsbezogenheit.
BGH NJW 1977, 2264: Durch Verschulden des S kam es in dessen Tankanlagen zu einem Brand. Wegen der Explosionsgefahr wurde das benachbarte Betriebsgrundstück für
zwei Stunden polizeilich geräumt. Weitere fünf Stunden blockierten Polizei- und Löschfahrzeuge die Zufahrt. Der Betrieb lag daher insgesamt 7 Stunden still. Hier sprach der
BGH nur für zwei Stunden Schadensersatz wegen Eigentumsverletzung zu. Es sei „abwegig“, auch die kurzfristige Störung des öffentlichen Verkehrs des Grundstücks als Eigentumsverletzung anzusehen. Für einen Eingriff in den Gewerbebetrieb fehle es an der
Betriebsbezogenheit.
c) Beide handelten rechtswidrig und schuldhaft.
d) Fraglich ist, ob E ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist.
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aa) Abschleppkosten
Während im Rahmen der GoA die Erstattungsfähigkeit der Abschleppkosten weitgehend
unproblematisch ist, bestehen hinsichtlich ihrer Qualität als erstattungsfähiger Schaden
im Sinne des § 823 BGB Bedenken. Die Kosten entstehen erst durch die Beauftragung
eines Abschleppunternehmens, d.h. durch das eigenverantwortliche Handeln des Geschädigten. Jedoch hat das Falschparken den Geschädigten veranlasst, einen Abschleppdienst zu beauftragen. Das Dazwischentreten des Verletzten unterbricht den
Kausalzusammenhang also nicht. Der eigene Entschluss des Geschädigten ist nach
dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge auch nicht so unwahrscheinlich, dass das Verhalten des Schädigers als Ursache außer Betracht zu lassen wäre. § 823 BGB erfasst aber
nicht alle Handlungen, die in irgendeiner Weise nur mittelbar zum Verletzungserfolg beitragen. Vielmehr ist bei mittelbaren Verletzungshandlungen eine Begrenzung der Zurechnung unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm erforderlich. Der Schaden steht nur dann zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage in einem inneren,
nicht bloß zufälligen Zusammenhang, wenn der Schädiger die in einem Schutzgesetz
aufgestellte Verhaltenspflicht objektiv verletzt. Gleiches gilt, wenn die Handlung des Verletzten durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde und keine ungewöhnliche Reaktion darstellt (Palandt/Heinrichs, Vorbem. § 249, Rn. 77).
F und S verletzen zum einen die Pflicht fremden Besitz nicht zu beeinträchtigen, zum
anderen ist der Besitzer E zum Eingreifen (Abschleppen) herausgefordert worden. Ansonsten bliebe ihm nur, die Besitzstörung hinzunehmen. Das Abschleppenlassen bei
Beeinträchtigung des Besitzes stellt also keine ungewöhnliche Reaktion des Besitzers
dar, mit der der Störer nicht zu rechnen hätte.
Gleichwohl ist die Schadenszurechnung bei Herausforderungssituationen normativ auf
die Fälle zu beschränken, in denen sich der Geschädigte unter Berücksichtigung der
drohenden negativen Folgen seines Handelns vernünftigerweise herausgefordert fühlen
durfte. Es muss ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Zweck der Handlung des
Geschädigten und den mit dieser Handlung verbundenen Risiken bestehen, was jedenfalls dann zweifelhaft sein könnte, wenn die Abschleppkosten höher sind als der wirtschaftliche Schaden des Geschädigten im Falle des Nichtabschleppens. Vorliegend hat
dieser Gesichtspunkt mit Blick auf den Rechtsgedanken des § 859 indes außer Betracht
zu bleiben. Das aus § 859 folgende Selbsthilferecht liefe weitgehend leer, wenn der
Grundstücksbesitzer die Kosten der Durchsetzung selbst tragen müsste. Wie dargelegt
ist das Recht auf Selbsthilfe ein Recht auf Selbsthilfe ohne finanzielle Nachteile. Wenn
daraus auch nicht folgt, dass der Falschparker grundsätzlich alle in Betracht kommenden
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Kosten zu ersetzen hat, so ist für die in Rede stehende Problematik zu beachten, dass
auf Grund der Beschaffenheit des störenden Objekts „Auto“ die Ausübung der Selbsthilfe
nur auf eine Art und Weise in Frage kommt, nämlich durch Abschleppen.
E kann folglich von F und S die Abschleppkosten gemäß § 823 I herausverlangen.
bb) Aufgewendete Parkplatzgebühren
Eine vorhersehbare und angemessene Reaktion des Besitzers wird ebenfalls darin zu
sehen sein, sich eine anderweitige Parkmöglichkeit zu suchen, falls dieser seinen Parkplatz besetzt oder seine Zufahrt versperrt vorfindet. Man kann vom Besitzer nicht verlangen, ordnungswidrig im öffentlichen Verkehrsraum oder auf privatem Grund zu parken.
Die aufgewendeten Parkplatzgebühren sind damit gleichsam durch die Besitzbeeinträchtigung veranlasst, fallen unter den Schutzzweck der Norm und sind ersatzfähiger Schaden im Sinne des § 823 BGB i.V.m § 249 I BGB.
e) Schadensminderungspflicht gem. § 254 BGB
Allerdings ist die Schadensminderungspflicht gem. § 254 BGB zu beachten. Hierbei ist zu
fordern, den Fahrer/Halter zunächst zum Wegfahren aufzufordern, wenn er dem Beeinträchtigten bekannt oder sein Aufenthaltsort offenkundig ist (AG Freising, DAR 1987, 156). Der
Beeinträchtigte braucht allerdings nicht „wie ein Detektiv“ den Fahrer/Halter zu ermitteln.
Hingegen ist zu erwägen, ob der Besitzer eines widerrechtlich belegten Parkplatzes zur
Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine gewisse Zeit zu warten hat, bevor er
einen Wagen, bei dem keinerlei Anzeichen auf ein nur kurzfristiges Parken vorliegen, abschleppen lässt. Ob eine solche Pflicht grundsätzlich anzuerkennen, erscheint zweifelhaft.
Die Frage kann aber dahinstehen, wenn die Schadensminderungspflicht aus § 254 ohnehin
zugunsten des E eingeschränkt ist. E war nach § 859 III zu sofortiger Selbsthilfe berechtigt.
Der Grundstücksbesitzer kann und muss zur Beseitigung einer Besitzentziehung sofort einen
Abschleppdienst beauftragen. Die entstandenen Kosten hat der Falschparker zu tragen
(AG Braunschweig, NJW-RR 1986, 1414). Dieser kann dem Eigentümer nicht entgegenhalten, ihn hätte eine Schadensminderungspflicht getroffen und er hätte z.B. auf die Rückkehr
des Falschparkers warten bzw. einen anderen freien Parkplatz oder gar ein Parkhaus benutzen müssen (AG München, NJW-RR 2002, 200). Das Recht auf Selbsthilfe ist ein „Recht auf
Selbsthilfe ohne finanzielle Nachteile“. Dem Besitzer steht die Selbsthilfe gem. § 859 BGB
bei jeder Besitzstörung zu. Daher kann er den Wagen auch rein vorsorglich und sogar
schon dann, wenn ihn der Pkw aus ästhetischen Gründen stört, abschleppen lassen (AG
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Freising, DAR 1987, 156). Dieses Recht findet seine Grenzen erst im Schikaneverbot des §
226 BGB.
E hat also einen ungeminderten Anspruch gegen F und S aus § 823 I auf Ersatz der Abschleppkosten und der von E aufgewendeten Parkplatzgebühren.
Anmerkung: Weiterhin hat der Schädiger in den genannten Fällen gem. § 823 I BGB die
Folgekosten zu ersetzen, z.B. eine Pauschale für die Kosten der (außergerichtlichen)
Rechtsverfolgung. Nicht ersatzfähig ist hingegen die für die Schadensbearbeitung vertane
Zeit (Mühewaltung). Die durch die Parkplatzsuche selbst und das Warten auf den Abschleppdienst vertane Zeit ist nur dann ersatzfähig, wenn sie einen Geld- oder Marktwert
hat und nicht bei wertender Betrachtung vom Schadensersatz auszunehmen ist. Vertane
Freizeit ist insoweit per se nicht ersatzfähig. Die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers stellt nach
h.M. einen ersatzfähigen Schaden dar, unabhängig von einer Gehaltsfortzahlung und
Lohnersatzleistung; die Arbeitszeit eines Selbstständigen nur dann, wenn sie sich in einem
entgangenen Gewinn gemäß § 252 BGB niederschlägt. Vgl. zu diesem wichtigen Problemkreis Schwarz/Ernst, NJW 1997, 2550, 2553 ff.
2. § 823 I wegen Besitzverletzung
Ein Anspruch aus § 823 I könnte sich darüber hinaus auch aus einer Besitzverletzung ergeben. Der Besitz zählt zwar nicht zu den in § 823 I enumerativ genannten Rechtsgütern. Jedenfalls der rechtmäßige Besitz ist jedoch ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 I, so dass
durch F und S auch der Schaden zu ersetzen ist, der durch den Eingriff in das Recht zum
Besitz, Gebrauch und Nutzung verursacht wird. Dieser Schaden deckt sich vorliegend mit
dem Schaden wegen der Eigentumsverletzung durch Nutzungsbeeinträchtigung.
VII. Schadensersatzansprüche aus § 823 II
1. § 823 II i.V.m. §§ 858, 859 I, III
Weiterhin könnte sich ein Anspruch des E gegen die beiden Falschparker aus § 823 II i.V.m.
§§ 858, 859 I, III ergeben.
a) Dann müssten S und F ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II verletzt haben. Ein
Schutzgesetz ist jede Rechtsnorm, die (neben dem Schutz der Allgemeinheit) gerade auch den Schutz eines Einzelnen bezweckt (Palandt/Thomas, § 823, Rn. 140).
Es ist anerkannt, dass § 858 ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II ist (BGH NJW
1981, 865). F und S das Schutzgesetz des § 858 auch verletzt (s.o.).
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b) S und F handelten rechtwidrig und schuldhaft.
c)
Die Abschleppkosten und die von E aufgewendeten Parkplatzgebühren sind adäquat
kausal entstanden. Bezüglich der Zurechnung und dem Schutzzweck des § 858 gelten die zu § 823 I dargestellten Erwägungen. S und F müssen die Kosten der Besitzkehr mittels Einschaltung Dritter (hier: Abschleppunternehmer) sowie die Kosten
der durch die Besitzstörung angefallenen Ausgaben des E für einen andere Parkplatz auch gemäß § 823 II i.V.m. §§ 858, 859 ersetzen.
2. § 823 II i.V.m. § 12 III Nr. 3 StVO
Darüber hinaus kommt ein Anspruch aus § 823 II i.V.m. § 12 III Nr. 3 StVO in Betracht.
Dann müsste § 12 III Nr. 3 StVO Schutzgesetzcharakter im Sinne des § 823 II aufweisen.
Die Vorschrift verbietet das Parken vor Grundstücksein- und -ausfahrten, auf schmalen Straßen zudem das Parken gegenüber der Ein- und Ausfahrt. Im Grunde dienen die Normen der
StVO der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs. Für die Leichtigkeit und Flüssigkeit des
Verkehrs ist es jedoch in der Regel ohne Bedeutung, ob ein Anlieger aus seiner Garagenausfahrt herausfahren kann oder nicht. Ein Schutz des Einzelnen ist jedenfalls im Hinblick
auf Gesundheits- und Eigentumsschäden, nicht aber auf allgemeine Vermögensschäden
anerkannt (LG Berlin, NJW 1983, 289 m.w.N.). Der Zweck des § 12 III Nr. 3 StVO kann sich
aber nicht darin erschöpfen, nur die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu garantieren,
sondern soll daneben die jederzeitige Benutzung der Ein- und Ausfahrt für den Grundstückseigentümer gewährleisten. Daher ist ausnahmsweise nicht nur der Schutz der Allgemeinheit,
sondern ebenso der eines bestimmten Personenkreises beabsichtigt, so dass es sich um ein
Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB handelt und bezüglich allgemeiner Vermögensschäden Anwendung findet (OLG Nürnberg, NJW 1974, 1145).
Gegenüber den zuvor genannten Normen muss nach dieser Anspruchsgrundlage nicht nur
derjenige Kostenersatz leisten, der die Ausfahrt, sondern auch, wer nur die Einfahrt mit seinem parkenden Wagen versperrt. Wiederum ist § 254 zu beachten. Gerade bei versperrten
Einfahrten wird sich häufig anbieten, den Wagen in zumutbarer Entfernung an einem anderen Platz abzustellen. Der Schädiger hat jedoch die dadurch eventuell entstehenden Kosten,
beispielsweise der Benutzung eines Parkhauses zu ersetzen.
Die Norm hat indes nicht zum Zweck, das Parken auf fremden Privatparkplätzen zu verbieten; bei diesen handelt es sich nicht um Ein- oder Ausfahrten im Sinne dieser Vorschrift.
Folglich ergibt sich ein Anspruch des E aus § 823 II i.V.m. § 12 III Nr. 3 StVO nur gegen F.
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Der Anspruch richte sich nach dem Schutzzweck des Gesetzes auf Ersatz der entstandenen
Abschleppkosten und der von E bezahlten Gebühren für den Ersatzparkplatz.
VIII.
Nutzungsersatz aus Bereicherungsrecht, §§ 812 ff.
Ein Anspruch des E gegen S auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen kann sich aus §§
812 I 1 2. Alt, 819 I, 292, 987 ergeben.
1. Anwendbarkeit
Dann müsste das Bereicherungsrecht auf den vorliegenden Fall überhaupt Anwendung finden. Ansprüche nach §§ 812 ff. auf Nutzungsersatz werden gem. § 993 I
a.E. durch die Regelungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses grundsätzlich
verdrängt. Die Ansprüche aus Bereicherungsrecht sind hingegen ebenso wie die
Schadensersatzansprüche aus § 823 I und II dann nicht durch die Sperrwirkung des
EBV nach § 993 I a.E. ausgeschlossen, wenn der unrechtmäßige Besitzer – wie vorliegend der Parkende – den Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat und folglich die Voraussetzungen des § 992 BGB vorliegen.
2. Tatbestandsvoraussetzungen
Der Falschparker greift ohne Rechtsgrund in den Zuweisungsgehalt des fremden Eigentums und Besitzes ein. Dadurch werden Gebrauchsvorteile am Parkplatz erlangt.
S hat auch positive Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund, so dass er nach §§ 812 I
1 2. Alt, 819 I, 292, 987 die gezogenen Nutzungen herausgeben muss, ohne sich auf
Entreicherung berufen zu können. Nach § 100 sind Nutzungen die Vorteile, die der
Gebrauch der Sache gewährt, also bei Grundstücken der objektive Mietwert (BGH
WM 1978, 1208, 1209), gleichgültig ob der Berechtigte selbst die Nutzungen gezogen hätte (Palandt/Bassenge, § 987, Rn. 7). Im Falle der Nichtvermietung/verpachtung lässt sich dieser Mietwert anhand der ersparten Parkgebühren berechnen (Janssen, NJW 1995, 624, 627).
Somit hat E auch einen Anspruch aus §§ 812 I 1 2. Alt, 819 I, 292, 987 gegen S.
Zusammenfassung der bestehenden Ansprüche des E gegen F und S:
Ansprüche des E gegen F und deren Umfang:
è §§ 858, 859 (Abwehranspruch / Selbsthilfe)
è § 862 I 2 (Unterlassung weiterer Störungen)
è § 1004 I 2 (Unterlassung weiterer Störungen)
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è §§ 683 S. 1, 677 ff. (Erstattung der Abschleppkosten)
è § 823 I wegen Eigentumsverletzung (Abschleppkosten, selbst aufgewendete Parkplatzgebühren
è §
823
I
wegen
Besitzverletzung
(Abschleppkosten,
selbst
aufgewendete
Parkplatzgebühren)
è § 823 II i.V.m. §§ 858, 859 I, III (Abschleppkosten, selbst aufgewendete Parkplatzgebühren)
è § 823 II i.V.m. § 12 III Nr. 3 StVO (Abschleppkosten, selbst aufgewendete
Parkplatzgebühren)
Ansprüche des E gegen S und deren Umfang:
è §§ 858, 859 (Abwehranspruch / Selbsthilfe)
è §§ 862 I 2, 1004 I 2 (Unterlassung weiterer Störungen)
è §§ 683 S. 1, 677 ff (Erstattung der Abschleppkosten)
è §§ 687 II, 681 S. 2, 677 (Nutzungsersatz wg. der ersparten Parkplatzgebühren)
è §§ 987, 990 (Nutzungsersatz wg. Parkplatzgebühren)
è § 823 I wegen Eigentumsverletzung (Abschleppkosten, aufgewendete Parkplatzgebühren)
è § 823 I wegen Besitzverletzung (Abschleppkosten, aufgewendete Parkplatzgebühren)
è § 823 II i.V.m. §§ 858, 859 I, III (Abschleppkosten, aufgewendete Parkplatzgebühren)
è §§ 812 I 1 Alt. 2, 819 I, 292, 987 (Nutzungsersatz wg. Parkgebühren)
Für die Geltendmachung der Ansprüche des E gegen S ist zu beachten, dass er nicht kumulativ sowohl Nutzungsentschädigung als auch die eigenen Kosten für den Ersatzparkplatz
verlangen kann. Er hat insofern aber ein Wahlrecht.
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