Lösungen Fälle 1 bis 6_S 1 bis 19

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Lösungen Fälle 1 bis 6_S 1 bis 19
AG-Skript zur Begleitung der Vorlesung zum Sachenrecht I,
Dr. Plate, Sommersemester 2009
Begleitskript der
Arbeitsgemeinschaften zur
Vorlesung im Sachenrecht I
an der Universität Hamburg
LÖSUNGEN
AG-Skript zur Begleitung der Vorlesung zum Sachenrecht I,
Dr. Plate, Sommersemester 2009
Inhalts- und Übersichtsverzeichnis
A.
Trennungs- und Abstraktionsprinzip.......................................................................................... 1
Fall 1: Das 50:50 Spiel ........................................................................................................................ 1
Fall 2: Das rosa Kofferset.................................................................................................................... 2
B.
Der Besitz ....................................................................................................................................... 7
Fall 3:
Der „geliehene“ Schönfelder............................................................................................... 7
Fall 4: Das leidige Parkplatzproblem Teil......................................................................................... 13
Fall 5: Das leidige Parkplatzproblem Teil II ..................................................................................... 13
Fall 6: Das leidige Parkplatzproblem Teil III.................................................................................... 13
Fall 7: Das rosa Netbook ................................................................................................................... 19
Fall 8: Das rosa Netbook zum Frauentag .......................................................................................... 19
C.
Eigentum ...................................................................................................................................... 26
Fall 9: Der neuste (Mode-) Schrei ..................................................................................................... 26
Fall 10: Herzlichen Glückwunsch ..................................................................................................... 31
Fall 11: Rosa Cabrio ohne KfZ-Brief................................................................................................ 35
Fall 12: Das Violinspiel..................................................................................................................... 40
Fall 13: Das Damenrad...................................................................................................................... 46
Fall 14: Ein neues Notebook ............................................................................................................. 50
Fall 15: Das verarbeitende Schneiderlein.......................................................................................... 55
Fall 16: Herren-Los ........................................................................................................................... 59
D.
Das Recht der unbeweglichen Sachen ....................................................................................... 62
Fall 17: Das Berliner Grundstück...................................................................................................... 62
Fall 18: Am (Studien-) Ende dann die Überraschung ....................................................................... 65
Fall 19: Das Berliner Grundstück Teil II........................................................................................... 67
Fall 20: Das Nürnberg Grundstück.................................................................................................... 71
Fall 21: Das Nürnberg Grundstück Teil II ........................................................................................ 74
Fall 22: Das Münchener Grundstück................................................................................................. 77
E.
Die Vormerkung .......................................................................................................................... 80
Fall 23: Alterswohnsitz vom Bauer Boll ........................................................................................... 80
Fall 24: Alte Freunde und Geschäfte................................................................................................. 84
F.
Weitere sachenrechtliche Anspruchsgrundlagen ..................................................................... 90
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Fall 25: Die nervige Nachbarin Frau Inge Müller ............................................................................. 90
G. Weitere sachenrechtliche Anspruchsgrundlagen ..................................................................... 95
Fall 26: Kurzfälle EBV...................................................................................................................... 95
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A.
Trennungs- und Abstraktionsprinzip
Fall 1: Das 50:50 Spiel
FRAGE
RICHTIG
Potentielles Erklärungsbewusstsein genügt nach
h. M. nicht für eine Willenserklärung
×
Beim Nutzen der U-Bahn
unter ausdrücklichen Widersprechen („Ich schließe
keine Beförderungsvertrag“), kommt kein Vertrag zustande
Neutrale Geschäfte sind
für Minderjährige wirksam
Schweigen kann eine Willenserklärung darstellen
FALSCH
×
BEMERKUNG
Nach h.M. genügt auch dies. Der erklärende werde über Anfechtungsregeln geschützt. Rechtssicherheit ist entscheidend
Beförderungsmöglichkeit = Angebot des ÖPNV (offerta ad incertas personas), wobei auf den Zugang der Annahmeerklärung
verzichtet wird (§ 151 S.1 Fall 1)
Einsteigen = Annahme des Kunden (früher: Lehre vom Sozialtypischen Verhalten)
Problem: Widerspruch Aber => unbeachtlich!
Der Kunde erklärt konkludent „Ja ich schließe den Vertrag“ Sein
„Nein“ ist widersprüchliches Verhalten, das nach § 242 unbeachtlich ist (protestatio facto contraria non valet)
√
Die Gefahr einen Rechtsverlust zu erleiden besteht gerade nicht.
Besonderheiten bestehen nach Medicus im Rahmen von § 932.
Nach h.M. solle aber § 107 dem Schutze des Minderjährigen
dienen und nicht vor einem Rechtsverlust schützen.
√
Ja. So gibt es neben dem beredeten Schweigen, auch das gesetzl.
fingierte (als Ablehnung (bspw. §§108 II S.2, § 177 II S.2) bzw.
Zustimmung (§ 516 II, 362 HGB)) sowie das § 242 (KBS)
Ein nach dem Gesetz beurkundungspflichtiges
Rechtsgeschäft ist immer
nichtig
Nein. Es kann zur Heilung kommen (bspw.§ 311b I S.2)
×
×
Grundsätzlich ist die Vollmacht als einseitiges Rechtsgeschäft
gem. §§ 119 ff. anfechtbar. Dies ist unstrittig der Fall, solange
der Vertreter von der Vollmacht noch keinen Gebrauch gemacht
hat. Umstritten ist es nach Gebrauch der VM (m.M.: nicht möglich wegen Gedanken des § 166; h.M.: möglich, Bevollmächtigung = Willenserklärung, ausreichender Schutz gem. § 122)
Kalkulationsirrtümer berechtigen stets zur Anfechtung
×
Hier muss zwischen offenen und verdeckten Kalkulationsirrtümer unterschieden werden. Bei letzterem scheidet eine Anfechtung aus (reiner Motivirrtum).
Dritter i.S.v. § 123 II ist
nicht auch der Vertreter
×
Dritter ist derjenige, der am Geschäft gänzlich unbeteiligt ist. Der
Erklärende ist am Vertragsschluss beteiligt (§§ 164, 166)
Die Vollmachtserteilung
ist nicht anfechtbar, wenn
die Vollmacht noch nicht
gebraucht wurde
Eine SMS genügt der
Textform des § 126b nicht
Eine nichtige Willenserklärung kann nicht angefochten werden
Es ist möglich eine SMS dauerhaft auf dem Mobiltelefon abzuspeichern oder gar auf einen PC zu übertragen. So ist eine dauerhafte Wiedergabe möglich.
√
×
Kippsche Lehre von der Doppelnichtigkeit. Ein weiteres Gestaltungsrecht soll nicht verweigert werden.
Alle §§ beziehen sich auf das BGB. Andere Gesetze sind separat gekennzeichnet
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Fall 2: Das rosa Kofferset
I.
Übersichtsskizze
C
1.) §§ 433 / § 929 S.1
§§ 1626,
1629
K
„NEIN!“
Eltern
II.
Ansprüche in der Übersicht
§ 433 II
§ 985
§ 812 I S. 1 Fall 1
III.
Voraussetzungen
§ 985 BGB*
1.)
Anwendbarkeit (nach h.M. neben vertraglichen Ansprüchen)
2.)
Eigentum des Anspruchsstellers
3.)
Besitz des Anspruchsgegners (unmittelbarer oder mittelbarer)
4.)
Kein Recht zum Besitz (§ 986)
5.)
Einreden (§§ 273, 1000 i.V.m §§ 994ff.)
* §§ ohne nähere Angaben sind solche des BGB
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IV.
Lösungen
Teil 1: Anspruch auf Kaufpreiszahlung
In Betracht kommt zunächst ein Anspruch des K gegen C auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von
450, 00 EUR aus Kaufvertrag, § 433 II BGB*.
Dann müsste ein wirksamer Kaufvertrag zwischen K und C geschlossen worden sein. Ein Kaufvertrag
besteht aus einem Angebot und einer Annahme.
1.)
Vertragsschluss zwischen C und K
a.)
Angebot des K (Abgabe und Zugang)
K hat der C ein Angebot über den Kauf des rosa Koffersets zu einem Preis von 450,00 € gemacht. Die
wesentlichen Vertragsbestandteile (Kaufgegenstand, Preis und Parteien) sind enthalten.
Das Angebot müsste der C wirksam zugegangen sein. Vorliegend ist C 15 Jahre alt und mithin beschränkt geschäftsfähig, §§ 2, 106.
Gemäß § 131 II S.2 BGB kann einem beschränkt Geschäftsfähigen eine Willenserklärung nur dann
wirksam zugehen, wenn sie ihm lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt oder wenn der gesetzliche
Vertreter seine Einwilligung erteilt hat. Die Erklärung des K in Form des Angebots brachte der C jedoch keine rechtlichen Nachteile, da ein Angebot keine Rechte vermindert oder Pflichten vermehrt. Da
das Angebot nicht angenommen werden muss, ist es lediglich rechtlich vorteilhaft. Das Angebot des K
ist der C also wirksam zugegangen (Vernehmungslehre).
b.)
Annahme der C
Fraglich ist, ob eine wirksame Annahmeerklärung der C vorliegt. C ist, wie festgestellt, beschränkt
geschäftsfähig, §§ 2, 106.
aa)
Rechtlich lediglich vorteilhaftes Geschäft, § 107
Die Willenserklärung der C wäre dennoch gemäß § 107 BGB uneingeschränkt wirksam, wenn C
durch sie einen lediglich rechtlichen Vorteil erlangt hat.
Ein rechtlich lediglich vorteilhaftes Geschäft liegt vor, wenn das Rechtsgeschäft weder zu einer Verminderung von Rechten noch zu einer Vermehrung von Pflichten führt. Durch die Annahmeerklärung
der C verpflichtet sich diese gemäß § 433 II, den Kaufpreis zu zahlen (d.h. zu übergeben und zu übereignen).
Anm.: Hier muss das Trennungsprinzip beachtet werden, denn durch den Kaufvertrag wird noch kein
Eigentum am Geld übertragen.
Das schuldrechtliche Rechtsgeschäft (der Kaufvertrag) führt also zu einer Vermehrung von Pflichten
bei der 15 jährigen C und ist daher nicht rechtlich vorteilhaft, § 107
bb)
Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, § 107, 183
Es bedarf damit zur Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters,
§ 107. Gesetzlicher Vertreter der C sind deren Eltern (§§ 1629 I 1, 1626 BGB). Eine Einwilligung
seitens der Eltern (§§ 183, 107) liegt nicht vor.
Die Willenserklärung der C ist damit zunächst unwirksam.
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c.)
Wirksamkeit des Vertrages
aa)
Zustimmung gemäß §§ 108, 184
Der Vertrag könnte jedoch gemäß §§ 108, 184 wirksam geworden sein. Dann müssten die Eltern der C
nachträglich dem Vertragsschluss zugestimmt haben (Genehmigung, § 184 BGB). Das ist bisher aber
nicht geschehen.
Eine Zustimmung liegt daher nicht vor.
bb)
Bewirken der Leistung mit eigenen Mitteln, § 110
Der Vertrag könnte indes nach § 110 auch ohne ausdrückliche Zustimmung der Eltern wirksam sein.
Dann müsste C den Kaufpreis mit Mitteln, die ihr zur freien Verfügung überlassen worden sind, bewirkt haben (§ 110). Unter Bewirkung ist hier die vollständige Erfüllung i.S.v. § 362 BGB zu verstehen. C müsste den Kaufpreis daher sofort gezahlt haben. Das hat C jedoch nicht getan. Vielmehr wollte sie den Rest am 24.04. dem K vorbeibringen.
Der Vertrag ist somit nicht gemäß § 110 BGB wirksam.
Anm.: Zur Erfüllung an Minderjährige (zusätzlicher Erfüllungsvertrag (m.M.) oder Empfangszuständigkeit (h.M.)), siehe dazu: Medicus, BR, Rn.171.
2.)
Ergebnis
Ein Kaufvertrag ist daher nicht wirksam zustande gekommen. K kann folglich die Bezahlung des
Kaufpreises von C nicht verlangen, § 433 II.
Teil 2: (Hilfs-) Anspruch der K auf Herausgabe der Koffer
I.
§ 985
Des Weiteren könnte K gegen C einen Anspruch auf Herausgabe des Koffersets gem. § 985 haben.
Dann müssten die Voraussetzungen des § 985 BGB vorliegen.
1.)
Besitz der C
C ist Besitzerin der Koffer (§ 854 I), da sie die tatsächliche Sachherrschaft ausübt.
2.)
Eigentum des H
Fraglich ist allerdings, ob K noch Eigentümer der Koffer ist.
Anm.: Die Eigentumslage wird – je nach Fallfrage- historisch geprüft;
Step1: Es wird also gefragt, wer ursprünglich Eigentümer war.
Step 2: Sodann wird gefragt, ob das Eigentum an jemanden verloren wurde (in der Regel durch dingliches Rechtsgeschäft, aber auch Gesetz oder kraft Hoheitsakt).
Ursprünglich war K Eigentümer der Koffer. Er könnte sein Eigentum aber gemäß § 929 S.1 BGB
durch Einigung und Übergabe an C verloren haben. Dann müssten sich K und C über den Eigentumsübergang geeinigt haben, K müsste die Koffer an C übergeben haben und K müsste zur Eigentumsübertragung berechtigt gewesen sein.
a.)
dingliche Einigung, §§ 145, 147
Die Einigung über den Eigentumsübergang setzt zunächst Angebot und Annahme voraus, §§ 145 ff.
BGB.
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aa)
Angebot
Ein Angebot zur Eigentumsübertragung hat K ausdrücklich nicht abgegeben. Indem K der C das Kofferset zum Kauf anbot, gibt er C gegenüber zu erkennen, ihr auch das Eigentum daran übertragen zu
wollen.
bb)
Annahme
Fraglich ist, ob eine wirksame Annahmeerklärung der C vorliegt. C hat sich mit K über einen Kaufvertrag geeinigt und die Koffer mitgenommen. Darin liegt zugleich die dingliche Willenserklärung, in der
C gegenüber K zu erkennen gibt, mit dem Übergang des Eigentums einverstanden zu sein.
Allerdings ist C nur beschränkt geschäftsfähig. Ihre Annahmeerklärung könnte jedoch gemäß § 107
wirksam sein. Dann müsste für C die Erklärung rechtliche lediglich vorteilhaft sein. C erlangt durch
ihre Erklärung Eigentum an den Koffern und somit eine Vermehrung von Rechten und damit einen
rechtlichen Vorteil. Auch sind mit dem Erwerb des Eigentums keine Pflichten verbunden.
Die Annahmeerklärung der C ist somit gemäß § 107 BGB wirksam. Eine dingliche Einigung zwischen
C und K liegt daher vor, §§ 145, 147.
b.)
Übergabe
K müsste das Kofferset an C übergeben haben. K hat der C die tatsächliche Sachherrschaft an den
Koffern eingeräumt. Eine Übergabe liegt also ebenfalls vor.
3.)
Berechtigung des Veräußerers
K ist als Eigentümer ferner auch berechtigt, das Eigentum zu übertragen.
K hat sein Eigentum an den Koffern folglich durch Einigung und Übergabe gemäß § 929 S. 1 BGB an
C verloren. K ist demnach nicht mehr Eigentümer des Koffersets. K hat gegenüber C somit keinen
Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe der Koffer.
Anm.: Aufgrund des Abstraktionsprinzips wirkt sich der Mangel, hier die beschränkte Geschäftsfähigkeit der C, nicht auf die dingliche Ebene, die Eigentumsübertragung, aus. C hat daher trotz unwirksamen Kaufvertrages das Eigentum an den Koffern erworben. § 812 I 1, 1. Fall BGB muss in diesen
Fällen unbedingt geprüft werden! Denn gemäß § 812 I 1, 1. Fall BGB wird ein unberechtigter, jedoch
aufgrund des Abstraktionsprinzips wirksamer Eigentumserwerb rückabgewickelt.
II.
§ 812 I S.1 Fall 1
K könnte gegen C einen Anspruch auf Rückgabe und Rückübereignung der Koffer gem.
§ 812 I 1, 1 Fall haben.
1.)
Etwas erlangt
C müsste etwas erlangt haben. „Etwas“ ist jeder vermögenswerte Vorteil. C hat Besitz und Eigentum
(s.o.) an den Koffern erlangt. Dieses stellt einen vermögenswerten Vorteil dar. Das erlangte etwas
(= Kondiktionsgegenstand) ist somit bestimmt.
2.)
Durch Leistung
Dieses „Etwas“ müsste C durch Leistung des K erlangt haben. Leistung bedeutet die bewusste und
zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. K wollte C Besitz und Eigentum an den Koffern verschaffen, mithin das Vermögen der C zweckgerichtet mehren. Eine Leistung des K liegt daher vor.
3.)
Ohne rechtlichen Grund (sine causa)
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C müsste dieses „Etwas“ ohne rechtlichen Grund erlangt haben. K hat die Koffer auf Grund des vermeintlich mit C geschlossenen Kaufvertrages übergeben und übereignet. Dieser Kaufvertrag ist
allerdings aufgrund der beschränkten Geschäftsfähigkeit der C (s.o.) gemäß § 106 ff. nicht wirksam
zustande gekommen. Es lag somit kein rechtlicher Grund für die Einigung und die Übergabe der Koffer an C vor.
4.)
Ergebnis
Folglich kann K Rückgabe und Rückübereignung der rosa Koffer von C verlangen, § 812 I S.1 Fall 1.
Fazit und wesentliche Probleme des Falles
Rechtsgeschäfte mit Minderjährigen
Zustandekommen des Vertrages
Trennungs- und Abstraktionsprinzip
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B.
Der Besitz
Fall 3: Der „geliehene“ Schönfelder
I.
Übersichtsskizze
V
1.) „Leihvertrag“ (§535 BGB)
2.)
Verkauf
E
3.) Ansprüche E D
D
II.
Ansprüche in der Übersicht
III.
§ 861 I
§ 861 I i.V.m. 869
§ 985 (nicht zu prüfen laut Vermerk im Sachverhalt)
§ 1007 I, II
§ 823 I i.V.m. § 249 I
Voraussetzungen
§ 861 BGB
§ 868 BGB
1.)
Anspruchssteller war unmittelbarer Besitzer (§ 854 I)
a) tatsächliche Sachherrschaft (Verkehrsanschauung)
b) getragen von einem nat. Herrschaftswillen
c) keine andere gesetzl. Anordnung (§ 855)
1.)
Bestehen eines Besitzmittlungsverhältnisses – BMV - (rechtsgeschäftlich (bspw. § 598) oder gesetzlich
(bspw. § 677)
2.)
Besitzentzug durch verbotene Eigenmacht bei
Anspruchssteller (§ 858 II)
2.)
Fremdbesitzerwille
3.)
fehlerhafter Besitz bei Anspruchsgegner (§ 858 II S.1, 2)
3.)
Bestehen eines Herausgabeanspruchs
4.)
Kein Ausschluss, § 861 II
5.)
Kein Erlöschen, §§ 863, 864
=> Rechtsfolge ist die „Herausgabe des Besitzes“ / Wiedereinräumung des Besitzes
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IV.
Lösung
Anm.: Ein Anspruch aus § 861 sollte in der Praxis zwingend vor einem Anspruch auf Herausgabe
gem. § 985 geprüft werden, da bei ersterem weniger Voraussetzungen vom Anspruchssteller zu beweisen sind. So müssen nur Besitzfragen und keine Eigentumsfragen geklärt werden.
1.
Anspruch E gegen D gem. § 861 Abs. 1
In Betracht kommt ein Anspruch der E gegen D auf Wiedereinräumung des Besitzes an dem Schönfelder gem. § 861 I. Der Anspruch gem. § 861 I setzt voraus, dass dem unmittelbaren Besitzer der
Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen wurde und der Anspruchsgegner fehlerhaft besitzt.
a)
Unmittelbarer Besitz des Anspruchsstellers, § 854 I
Zunächst müsste E, als Anspruchssteller, unmittelbarer Besitzer im Sinne von § 854 I sein.
Anm.: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Besitzes, ist die (hypothetische) Vornahme der
verbotenen Eigenmacht. Der Besitz ist im Gesetz nicht definiert, wird von der h. M. wie folgt definiert
(vgl. Weber, Sachenrecht I, Rn. 3 ff.):
Besitz ist die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene, tatsächliche Sachherrschaft einer
Person über eine Sache. Vorliegend war E allerdings nicht unmittelbarer Besitzer des Schönfelders, da
sie freiwillig den Besitz auf V übertragen hatte (§ 856 I Alt. 1). Ihre tatsächliche Sachherrschaft endete
daher mit der Übergabe des Schönfelders an V.
b)
Ergebnis
Ein Anspruch E gegen D gem. § 861 I besteht somit nicht.
2.
Anspruch E gegen D gem. § 861 Abs. 1 i.V.m. § 869 S.1
In Betracht kommt allerdings ein Anspruch der E gegen D gem. §§ 861 I, 869 S.1. Gemäß § 869 S. 1
stehen die in §§ 861 I, 862 I benannten Ansprüche auch dem mittelbaren Besitzer zu. Fraglich ist daher zunächst, ob E mittelbarer Besitzer ist.
a)
Mittelbarer Besitz der E, § 868
Voraussetzung ist, dass E mittelbarer Besitzer des Schönfelders ist.
Anm.: Das Gesetz liefert die Definition des mittelbaren Besitzes selbst in § 868: „Besitzt jemand eine
Sache als Nießbraucher, Pfandgläubiger, Pächter, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnis, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet
ist, so ist auch der andere Besitzer (mittelbarer Besitz).“
aa.)
Bestehen eines Besitzmittlungsverhältnisses
Zunächst müsste zwischen E und V ein Rechtsverhältnis i.S.v. § 868 bestehen. Insoweit spricht man
auch von einem Besitzmittlungsverhältnis. Vorliegend vereinbarte E mit V den Schönfelder für 30
EUR zu „verleihen“. Die in dieser Abrede steckende Entgeltlichkeit führt allerdings dazu, dass der
zwischen E und V geschlossene Vertrag nicht als Leihvertrag, sondern vielmehr als Mietvertrag
(§ 535 I) anzusehen ist (§§ 133, 157). Ein Besitzmittlungsverhältnis i.S.v. § 868 besteht somit dennoch
zwischen E und V.
Anm: Aber auch der Leihvertrag (§§ 598ff.) stellt ein Besitzmittlungsverhältnis dar.
bb.)
Fremdbesitzerwille
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Weiterhin müsste V einen Fremdbesitzerwillen haben. Dies hängt entscheidend von der Akzeptanz des
Herausgabeanspruchs durch den unmittelbaren Besitzer ab. Hier kommt es daher auf die Person der V
an. Im Zeitpunkt der Vereinbarung der zwischen V und E, wollte die V „für E besitzen“. Sie erkannte
somit den für E bestehenden Herausgabeanspruch an. Folglich hatte V Fremdbesitzerwillen.
cc.)
Bestehen eines Herausgabeanspruchs
Weiterhin müsste ein Herausgabeanspruch der E gegenüber V bestehen. Hier sind die Parteien von
einem Leihvertrag ausgegangen. Der Herausgabeanspruch ergibt sich dann aus § 604 I. Allerdings
handelt es sich, wie oben festgestellt, um einen Mietvertrag. Der Anspruch resultiert sodann aus
§ 546 I. Ein Herausgabeanspruch der E gegenüber V besteht somit.
Die Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes gem. § 868 liegen daher vor.
b)
Besitzentzug durch verbotene Eigenmacht, § 858 Abs. 1
Darüber hinaus müsste der V, als unmittelbare Besitzerin, der Besitz durch verbotene Eigenmacht
seitens der D entzogen worden sein.
Anm.: Wichtig ist, dass es im Rahmen der Prüfung von §§ 861 I, 869 auf den Besitzentzug durch verbotene Eigenmacht bei dem unmittelbaren Besitzer ankommt. Das ist hier die V.
Voraussetzungen der verbotenen Eigenmacht im Einzelnen:
Voraussetzungen der verbotenen Eigenmacht (§858 I):
1.) Unmittelbarer Besitz (arg. e § 869 BGB)
2.) Besitzbeeinträchtigung durch Entzug / Störung
Die Unterscheidung ist wichtig für § 859; vgl. auch §§ 861, 862 BGB. Entzug setzt die Beendigung der unmittelbaren Sachherrschaft des bisherigen Besitzers voraus. Die Abgrenzung zur Besitzstörung kann im Einzelnen schwierig sein In Betracht
kommen Einwirkungen jeder Art (vgl. BGHZ 106, S. 229 (232 f.) - Briefkastenwerbung; BGHZ 147, S. 45 (51) - Grundstücksvertiefung).
3.) Subjektive Komponente („ohne dessen Willen“)
Das Einverständnis des Besitzers schließt die verbotene Eigenmacht aus. Maßgeblich ist auch hier der natürliche Wille,
weshalb Willensmängel ebenso zu behandeln sind wie bei Besitzerwerb. Auf Seiten des Störers ist weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit erforderlich.
4.) Widerrechtlich
Ausnahmen ergeben sich für Privatpersonen z.B. aus: §§ 227 ff., §§ 562b, 859 oder §§ 904 – 906 BGB, nicht aber aus § 867
BGB (str.).
Hier hat V, als unmittelbare Besitzerin, das Buch an D freiwillig übergeben. Eine Besitzaufgabe erfolgte daher weder gegen noch ohne Willen der V. Ein Besitzentzug durch verbotene Eigenmacht
gem. § 858 I liegt daher nicht vor.
Ein Anspruch der E gegen D gem. §§ 861 I, 869 S.1 auf Wiedereinräumung des Besitzes besteht nicht.
3.
Anspruch E gegen D gem. § 1007 Abs. 1
In Betracht kommt weiterhin ein Anspruch der E gegen D gem. § 1007 I auf Herausgabe des Schönfelders.
Voraussetzungen von § 1007 Abs. 1
1.) Anwendbarkeit (nur bei beweglichen Sachen!)
2.) Anspruchssteller = früherer Besitzer (Besitzart =egal)
3.) Anspruchsgegner = gegenwärtiger Besitzer
4.) Bösgläubigkeit des Besitzers (=Anspruchsgegner) bei
Besitzerwerb, § 932 II ~
5.) Kein Ausschluss gem. § 1007 III
a) Anspruchssteller selbst, bösgläubiger, unrechtmäßiger Besitzer
b) Besitzaufgabe durch Anspruchssteller
c) Gegenrechte des Anspruchsgegners (bspw. § 1000)
=> Rechtsfolge ist zum einen die Herausgabe des Besit-
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a)
Anwendbarkeit
Die Norm des § 1007 I ist auf den vorliegenden Fall anwendbar, da es sich bei dem Schönfelder um
eine bewegliche Sache handelt, § 1007 I, 90 BGB.
b)
Anspruchssteller als früherer Besitzer
Weiterhin müsste die E als Anspruchssteller frühere Besitzerin gewesen sein. Wie bereits oben festgestellt, war die E vor Übergabe des Schönfelders unmittelbare Besitzerin. Mit der Übergabe an V wurde
sie sodann mittelbare Besitzerin, § 868. Da es bei § 1007 I nicht auf die Besitzart ankommt, ist die
Voraussetzung erfüllt.
c)
Anspruchsgegner als gegenwärtiger Besitzer
Des Weiteren ist D auch gegenwärtige Besitzerin des Schönfelders, da sie die von einem natürlichen
Herrschaftswillen getragene, tatsächliche Sachherrschaft über den Gesetzestext ausübt.
d)
Bösgläubigkeit des Anspruchsgegners bei Besitzerwerb
Ferner müsste D bei Besitzerwerb des Schönfelders von V bösgläubig gewesen sein. Die Bösgläubigkeit bezieht sich in diesem Rahmen auf das fehlende Recht zum Besitz und ist am Maßstab von
§ 932 II zu messen. D dürfte daher weder positive Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis vom
fehlenden Recht zum Besitz der V gehabt haben. Hier ist nicht ersichtlich, dass D positive Kenntnis
bzw. grob fahrlässige Unkenntnis gehabt hatte. Die Bösgläubigkeit der D, als Anspruchsgegnerin, liegt
daher nicht vor.
Folglich scheidet ein Anspruch gem. § 1007 I der E gegen D aus.
4.
Anspruch E gegen D gem. § 1007 Abs. 2
In Betracht kommt nunmehr ein Anspruch der E gegen D gem. § 1007 II.
Anm.: Im Unterschied zu § 1007 Abs. 1 gewährt Abs. 2 dem früheren Besitzer auch gegen den gutgläubigen gegenwärtigen Besitzer einen Herausgabeanspruch.
Voraussetzungen von § 1007 Abs. 2
1.) Anwendbarkeit (nur bei beweglichen Sachen -mit Ausnahme von Geld und Inhaberpapieren- anwendbar)
2.) Anspruchssteller = früherer Besitzer (Besitzart =egal)
3.) Anspruchsgegner = gegenwärtiger Besitzer
4.) Abhandenkommen der Sache beim Anspruchssteller
5.) Kein Ausschluss gem. § 1007 III
a) Anspruchssteller selbst, bösgläubiger, unrechtmäßiger Besitzer
b) Besitzaufgabe durch Anspruchssteller
c) Gegenrechte des Anspruchsgegners (bspw. § 1000)
=> Rechtsfolge ist zum einen die Herausgabe des Besitzes und Schadenersatz gem. § 1007 III S. 2 i.V.m. §§989 ff.
a)
Anwendbarkeit s.o. => +
b)
Anspruchssteller als früherer Besitzer s.o. => +
c)
Anspruchsgegner als gegenwärtiger Besitzer s.o. => +
d)
Abhandenkommen der Sache beim Anspruchssteller
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Fraglich ist allerdings, ob der E die Sache abhanden gekommen ist. Der Begriff ist – wie in § 935 Abs.
1 BGB – als unfreiwilliger Verlust des unmittelbaren Besitzes zu verstehen.
Anm.: Handelt es sich bei dem Anspruchsteller um den früheren mittelbaren Besitzer, gilt nach h. M.
§ 935 I S. 2 BGB analog. In Anlehnung an § 935 Abs. 2 macht § 1007 Abs. 2 S. 2 BGB für abhanden
gekommenes Geld und Inhaberpapiere eine (mit § 935 Abs. 2 nicht deckungsgleiche!) Ausnahme.
Abzustellen ist daher auf die unmittelbare Besitzerin V. Diese hat jedoch keineswegs den Besitz unfreiwillig verloren. Im Gegenteil, ihr kam es bewusst darauf an, dass D nunmehr den Schönfelder erhalten sollte.
Ein Anspruch gem. § 1007 II scheidet daher ebenfalls aus.
5.
Anspruch E gegen D gem. § 823 I i.V.m. § 249 I
Letztlich könnte E gegen D einen Anspruch auf Herausgabe des Schönfelders gem. §§ 823 I, 249 I
haben.
Voraussetzungen von §§ 823 I i.V.m. § 249
1.) Anwendbarkeit (grds. nicht im EBV)
2.) Rechtsgutsverletzung
3.) Verletzungshandlung
4.) Haftungsbegründende Kausalität
5.) Rechtswidrigkeit
6.) Verschulden
=> Rechtsfolge ist Schadenersatz, der auch in der Herstellung des status qou ante bestehen kann (§ 249 I Naturalrestitution)
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die D ein von § 823 I zu schützendes Recht- oder Rechtsgut
verletzt hat. Das in § 823 I genannte Eigentum zunächst außer Betracht gelassen, stellt sich die Frage,
ob auch der Besitz ein „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 ist.
Problem: Besitz als „sonstiges Recht“ im Sinne von § 823 I
Sonstige Rechte sind all diejenigen Rechte, die dem Eigentum ähnlich sind und somit eine Nutzungsund Ausschlussfunktion haben. In der Literatur sind daher differenzierte Ansichten bei der Frage zu
finden, ob der Besitz ein „sonstiges Recht“ i.S.v. § 823 I ist.
tvA
h.M.
jedwede Form des Besitzes
rechtmäßigen Besitz
Das Eigentum hat auf der einen Seite eine Abwehrfunktion und gestattet daher dem Eigentümer die
Abwehr gegenüber jedermann ausschließen. Auf der anderen Seite hat es auch eine Nutzungsfunktion
(§ 903). Vergleicht man dies nun mit dem Besitz, so hat durchaus auch der Besitzer eine Abwehrmöglichkeit (§§ 861, 862). Ihm fehlt allerdings grundsätzlich eine dem Eigentum ähnliche umfassende
Gebrauchs- bzw. Nutzungsbefugnis. Diese Befugnis kann einzig der rechtmäßige Besitzer haben, so
dass sich aus dogmatischer Sicht, die Meinung der überwiegenden Ansicht in Literatur und Rechtsprechung vertreten lässt. Die Ansicht, die jede Form des Besitzes für von § 823 I schutzwürdig erachtet,
ist allerdings zu weitgehend. Hier sollen die eingeschränkten Nutzungsbefugnisse des unrechtmäßigen
Besitzers erst im Rahmen der Schadensberechnung zu berücksichtigen sein. Das hätte allerdings auch
zur Folge, dass ein Recht zum Besitz auch für den unrechtmäßigen Besitzer (zunächst) hypothetisch
bestünde. Viele der Argumente aus der Literatur werden aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§
989ff.) begründet, dass an dieser Stelle nicht relevant ist.
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Da der rechtmäßige Besitz eigentumsähnliche Funktionen aufweist, kann der Ansicht der herrschenden Meinung gefolgt werden.
Anm.: Zum Streitstand: Wagner, in: Münchener Kommentar, 5. Auflage 2009, zu § 823, Rn. 157, 158f.
E war vorliegend auch rechtmäßige Besitzerin des Schönfelders.
Der Anspruch aus § 823 I, 249 scheidet aber letztlich deshalb aus, da D von V gutgläubig Eigentum
erworben hatte (§§ 929, 932 II). Die für § 823 notwendige Rechtswidrigkeit besteht infolge des gutgläubigen Erwerbs der D nicht (§ 932 II). Ein Anspruch gem. §§ 823 I, 249 I scheidet daher aus. (vgl.
dazu ausführlicher die Fälle zum Teil „Eigentum“)
Anm.: Anspruch E gegen D gem. § 985
Der Anspruch aus § 985 soll laut Aufgabenstellung an dieser Stelle nicht geprüft werden. Dies resultiert daraus, dass sonst die Problematik des Eigentumserwerbs gem. §§ 929 S. 1, 932 vorgezogen
wird. Vielmehr wird im Teil „Eigentum“ auf die Problematik des gutgläubigen Erwerbs eingegangen.
Zusatzfrage: Wann „verjährt“ der Anspruch aus § 861 BGB?
=> Der Anspruch aus § 861 unterlieg keiner Verjährung, sondern erlischt durch Präklusion (§ 864 I).
Fazit und wesentliche Probleme des Falles
unmittelbare und mittelbare Besitz
Voraussetzungen der possesorischen (§§ 861, 862) und petitorischen (§§ 1007 I II) Besitzschutzansprüche
verbotene Eigenmacht, § 858 I
Besitz als „sonstiges Recht“ i.S.v. § 823 I
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Fall 4: Das leidige Parkplatzproblem Teil
Fall 5: Das leidige Parkplatzproblem Teil II
Fall 6: Das leidige Parkplatzproblem Teil III
I.
Übersichtsskizze
V
B
Teil 1: Ansprüche B gegen V auf Entfernung
des PKW
Teil 2: Ansprüche B gegen V auf Ersatz der
Abschleppkosten gem. § 823 I
Teil 3: Ansprüche V gegen B auf Ersatz der Taxikosten
II.
Ansprüche in der Übersicht
§ 861 I
§ 862 I S.1
§ 823 I i.V.m.§ 249 I
§§ 823 II, 858
III.
Voraussetzungen
§ 862 I S. 1 BGB*
1.)
Anspruchssteller = unmittelbarer Besitzer (§ 854 I)
d) tatsächliche Sachherrschaft (Verkehrsanschauung)
e) getragen von einem nat. Herrschaftswillen
f) keine andere gesetzl. Anordnung (§ 855)
2.)
Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht beim
Anspruchssteller (§ 858 II)
3.)
Anspruchsgegner
4.)
Kein Ausschluss, § 862 II
5.)
Kein Erlöschen, §§ 863, 864
=> Rechtsfolge ist die Beseitigung bzw. das Unterlassen einer
durch verbotenen Eigenmacht erfolgten Besitzstörung
* §§ ohne nähere Angaben sind solche des BGB
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IV.
Lösung
1.
Anspruch B gegen V gem. § 861 Abs. 1
Ein Anspruch des B gegen V auf Entfernung des Cabrio könnte sich zunächst gem. § 861 I ergeben.
a)
Unmittelbarer Besitz des Anspruchsstellers, § 854 I
Zunächst müsste Anspruchssteller B unmittelbarer Besitzer der Parkfläche im Sinne von § 854 I sein.
Besitz ist die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene, tatsächliche Sachherrschaft einer
Person über eine Sache. B ist Mieter der Parkfläche und kann daher faktisch über diese Fläche verfügen. Auch hat er den natürlichen Herrschaftswillen. Er ist mithin unmittelbarer Besitzer der gekennzeichneten Pakfläche. Obgleich er die tatsächliche Sachherrschaft nicht permanent ausüben kann,
bleibt er dennoch unmittelbarer Besitzer.
b)
Besitzentzug durch verbotene Eigenmacht, § 858 I
Fraglich ist allerdings, ob es sich bei dem Zuparken des Parkplatzes von B durch V um eine (von
§ 861 I vorausgesetzte) Besitzentziehung handelt. Unter Besitzentziehung wird die vollständige und
dauerhafte Beseitigung des unmittelbaren Besitzes verstanden.
Problem: Besitzentziehung oder Besitzstörung
Die Besitzentziehung muss zur Besitzstörung abgegrenzt werden. Dies ist, was den vorliegenden Fall
angeht, nicht unproblematisch. Zunächst muss festgehalten werden, dass es einzig auf die Besitzentziehung bzw. Besitzstörung der Parkfläche des B ankommt. Geht man vom Wortlaut aus, könnte man
annehmen, der Besitzentzug hat ein endgültiges-, die Besitzstörung hingegen ein vorübergehendes
Element in seinem Wortstamm. Der Übergang beider ist fließend.
Anm.: An dieser Stelle kann argumentativ sowohl eine Besitzentziehung als auch eine Besitzstörung
vertreten werden. Es kommt i. Erg. nicht wirklich darauf an, da sowohl für den Anspruch aus §861 I
als auch gem. § 862 I S.1, §§ 858, 859 gelten (Vgl. die Ansichten in der Literatur bei Neuner, Sachenrecht, 2. Auflage 2005, Rn. 65, in Fn. 49 m. w. Nachw. für die h. M.)
Hier soll sich für eine Besitzstörung entschieden werden um zu einer Prüfung des § 862 I S.1 zu
kommen. Ein Anspruch E gegen D gem. § 861 I besteht somit nicht.
2.
Anspruch B gegen V gem. § 862 Abs. 1 Satz 1 BGB
In Betracht kommt ein Anspruch des B gegen V auf Entfernung des PKW gem. § 862 I S.1 BGB.
a)
Unmittelbarer Besitz des Anspruchsstellers, § 854 I => s.o. +
b)
Anspruchsgegner als Störer
Fraglich ist, ob V richtige Anspruchsgegnerin ist. Anspruchsgegner ist im Falle des § 862 derjenige,
der die Störung zu verantworten hat. Dabei ist - wie bei § 1004 - zwischen Handlungs- und Zustandsstörer zu unterscheiden. Handlungsstörer ist derjenige, der durch seine Handlung auf den Besitz einwirkt. Zustandsstörer ist, wer durch seine Willensbetätigung mittelbar adäquat (also nicht unmittelbar
durch eine Handlung) einen beeinträchtigenden Zustand herbeigeführt hat, sofern er den Zustand beseitigen oder verhindern kann.
Anm.: Der zu § 1004 entwickelte Störerbegriff gilt entsprechend für den Besitzschutz (Joost, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2004, Rn.9, zum Begriff: Baur/Stürner § 12 RdNr. 12 ff.;
Larenz/Canaris II/2 § 86 III)
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V parkte hier ihr Cabrio auf dem Parkplatz des B. Sie ist als Störerin somit richtige Anspruchsgegnerin.
c)
Besitzstörung, § 858 I
Weiterhin müsste der Besitz durch verbotene Eigenmacht in der Weise gestört worden sein, dass B in
der Ausübung seiner Herrschaftsmacht erheblich beeinträchtigt wurde. Durch das Parken direkt auf
der als Privatparkplatz gekennzeichneten Fläche wurde B in der Ausübung seiner Herrschaftsgewalt
an dem Parkplatz erheblich behindert, da eine Nutzung für seinen eigenen PKW unmöglich gewesen
ist. Die Besitzstörung erfolgte ferner „ohne Willen“ des unmittelbaren Besitzers B. Eine Besitzstörung
an der Privatparkfläche gem. § 858 I liegt daher vor.
d)
Kein Ausschluss gem. § 862 II
Mangels gegenteiliger Angaben im Sachverhalt ist der Anspruch nicht gemäß § 862 II ausgeschlossen.
e)
Kein Erlöschen gem. § 864
Der Anspruch ist ferner nicht gem. § 864 erloschen. Rechtsfolge des § 862 I S.1 ist Beseitigung der
Störung (Alt.1) bzw. das Unterlassen künftiger Störungen (Alt.2).
B hat daher einen Anspruch gegen V auf Entfernung ihres Cabrios von dem Privatparkplatz.
3.
Anspruch B gegen V gem. § 1004 I BGB
Ein Anspruch aus § 1004 I setzt zunächst voraus, dass B seinerseits Eigentümer des Privatparkplatzes
ist. Mangels Angaben im Sachverhalt kann davon nicht ausgegangen werden. Stellt man auf den Besitz als eines nach § 823 I geschützten Rechts ab, könnte § 1004 I analog auch auf den rechtmäßigen
Besitz Anwendung finden. Ob eine Analogie aus Schutzaspekten des Gestörten zu befürworten ist
oder eine Analogie wegen der vorhandenen possesorischen Besitzschutzansprüche
(§§ 861 I, 862 IS. 1) mangels Regelungslücke ausscheidet, soll an dieser Stelle nicht entschieden werden.
4.
Anspruch B gegen V gem. § 823 I i.V.m. § 249 I
Letztlich könnte B gegen V einen Anspruch auf Herausgabe des Schönfelders gem. §§ 823 I, 249 I
haben.
Voraussetzungen von §§ 823 I i.V.m. § 249
1.) Anwendbarkeit (grds. nicht im EBV, arg. 992, 993 a.E.)
2.) Rechtsgutsverletzung
3.) Verletzungshandlung
4.) Haftungsbegründende Kausalität
5.) Rechtswidrigkeit
6.) Verschulden
=> Rechtsfolge ist Schadenersatz, der auch in der Herstellung des status qou ante bestehen kann (§ 249 I Naturalrestitution)
a)
Rechtsgutsverletzung
aa)
Eigentum
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass V ein von § 823 I zu schützendes Recht- oder Rechtsgut verletzt hat.
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Hier war B nicht Eigentümer des Privatparkplatzes. Eine Eigentumsverletzung kommt daher nicht in
Betracht.
b)
Besitz
In Betracht kommt allerdings, dass V den Besitz des B verletzt hat. Dann müsste der Besitz ein Recht
bzw. Rechtsgut i.S.d. § 823 I sein. Zunächst ist festzustellen, dass der Besitz nicht im Tatbestand des
§ 823 I genannt ist. In Betracht kommt daher, dass es sich beim Besitz um ein - von § 823 I ebenfalls
geschütztes- „sonstiges Recht“ handelt. Da das Eigentum das einzig ausdrücklich genannte Recht (Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit sind Rechtsgüter!) im Tatbestand des § 823 I ist, muss das
„sonstige Recht“ daher eigentumsähnlich ausgestaltet sein. Das Eigentum ist ein absolutes Recht und
hat eine Nutzungs- und Ausschlussfunktion (§§ 903, 985). Fraglich ist daher ob auch der Besitz eigentumsähnlich ausgestaltet ist, insbesondere eine Nutzungs- und Ausschlussfunktion hat. In der Literatur
sind daher differenzierte Ansichten bei der Frage zu finden, ob der Besitz ein „sonstiges Recht“ i.S.v.
§ 823 I ist.
Problem: Besitz als „sonstiges Recht“ im Sinne von § 823 I
aa)
Teilweise wird vertreten, der weitgehende Schutz des Besitzers durch die §§ 858ff. und die an
den Besitz knüpfenden Berechtigungslagen (§ 268) lassen es gerechtfertigt erscheinen, den Besitz als
absolute Rechtsposition in den Schutz des § 823 I mit aufzunehmen. Der unberechtigte Besitzer solle
insoweit nur dann geschützt werden, wenn das Gesetz dem nicht berechtigten Besitzer die Nutzungen
zuweist (§§ 987 ff., 721, 765a ZPO).
bb)
Nach der Gegenauffassung können Regelungen wie §§ 987ff., 721, 765a ZPO nichts an der
Einordnung des Besitzes ändern, der gerade kein Recht im dogmatischen Sinne darstellt, was insbesondere auch § 865 verdeutlicht. Der Besitz ist nach dieser Ansicht daher nicht selbst Schutzgut. Allerdings erkennt auch diese Ansicht das praktische Bedürfnis der Einbeziehung des Besitzes im Rahmen des § 823 I. So solle zwar nicht der Besitz selbst, wohl aber die durch ein Recht zum Besitz gestärkte Rechtsposition des berechtigten Besitzers als „sonstiges Recht“ i.S.v. § 823 I eingestuft werden.
Zunächst ist festzustellen, dass die umfassende Gebrauchs- und Nutzungsfunktion einzig der rechtmäßige Besitzer haben kann, so dass sich aus dogmatischer Sicht, die zweitgenannte Meinung vertreten
lässt. Die Ansicht, die jede Form des Besitzes für von § 823 I schutzwürdig erachtet, ist sehr weitgehend. Hier sollen teilweise die eingeschränkten Nutzungsbefugnisse des unrechtmäßigen Besitzers erst
im Rahmen der Schadensberechnung zu berücksichtigen sein. Das hätte allerdings auch zur Folge,
dass ein Recht zum Besitz auch für den unrechtmäßigen Besitzer (zunächst) hypothetisch bestünde.
Anm.: Zum Streitstand ausführlich: Wagner, in: Münchener Kommentar, 5. Auflage 2009, zu § 823,
Rn. 157, 158f.; Medicus, BR, Rn. 607f.;Weber Sachenrecht I, Rn.32f.; Baur/Stürner, § 9, Rn.34, Lopau, JuS 1980, S. 505ff.; Amand, JuS 2001, S.124 ff.; Rspr.: BGHZ 73, S. 355ff.; BGHZ 79, S. 232
(237)
B war vorliegend auch rechtmäßiger Besitzer des Stellplatzes.
Der Besitz ist im vorliegenden Fall als „sonstiges Recht“ i.S.v. § 823 I einzustufen.
In dem V den Parkplatz mit ihrem Cabrio unbefugt blockierte, hat sie den rechtmäßigen Besitz des B
am Stellplatz verletzt.
Die Tatbestandsmäßigkeit indiziert grundsätzlich die Rechtswidrigkeit. Angaben die darauf schließen
lassen, dass durch Notstandsregelungen (§ 904) gerechtfertigt ist, sind nicht ersichtlich. Sie handelte
ferner zumindest fahrlässig und mithin schuldhaft.
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b)
Inhalt und Umfang des Schadens
Der Anspruch des B ist auf Herstellung des vor der Verletzung bestehenden Zustandes gerichtet (status qou) § 249 I. V ist daher im Wege der Naturalrestitution zur Entfernung des Wagens verpflichtet.
Folglich hat B gegen V einen Anspruch gem. §§ 823 I, 249.
Lösung zu Fall 5: Angenommen B lässt den Wagen in seiner Wut sofort abschleppen. Hat B dann
gegen V einen Anspruch auf Ersatz der Abschleppkosten aus § 823?
1.
Anspruch B gegen V gem. § 823 I i.V.m. § 249 I
a)
Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 I => s.o. +
b)
Inhalt und Umfang des Schadens
Der Umfang des Schadensersatzanspruchs umfasst auch die Kosten die notwendig sind, um den aus
der Besitzentziehung entstandenen Schadens zu beseitigen. Das sind vorliegend die Abschleppkosten,
die adäquat kausal durch V verursacht wurden.
Dass B auf eigenen Entschluss hin handelte als er das Auto abschleppen ließ, steht dem insoweit nicht
entgegen, da das Gesetz bereits selbst den Entschluss ausdrücklich gestattet. B war zur Abwehr der
verbotenen Eigenmacht befugt, § 859.
B hat daher gegen V einen Anspruch gem. § 823 I auf Ersatz der Abschleppkosten.
Anm.: In der Praxis wird es in der Regel dazu kommen, dass B die Kosten des Abschleppunternehmers
verauslagen muss. Er wird sich dann erst gegen den Falschparker wenden können, der u.U. nicht zahlungsfähig ist.
2.
Anspruch B gegen V gem. § 823 II i.V.m. § 858
Ein Anspruch könnte sich ebenfalls aus §§ 823 Abs.2 i.V.m. § 858 ergeben.
Nach herrschender Meinung wird § 858 als Schutzgesetz des § 823 II betrachtet. Die Vorschrift dient
auch der Erhaltung des individuellen Besitzstandes. Ferner besteht die Schutzgesetzeigenschaft entsprechend der gesetzgeberischen Regelungsabsicht. Eine Mindermeinung sieht dagegen § 858 nicht
als Schutzgesetz im Rahmen des § 823 an, da dieser nur dem allgemeinen Rechtsfrieden diene und
nicht die Voraussetzungen für ein Schutzgesetz erfülle. Folgt man im Ergebnis der herrschenden Meinung hat B gegen V zusätzlich einen Anspruch gem. § 823 II, 858.
Anm.: Zum § 858 als Schutzgesetz im Rahmen des § 823 II: Wieser, Jus 1970, S. 557, Larenz/Canaris,
Schuldrecht II/2, § 76 II 4f; siehe auch: Neuner, Sachenrecht, Rn. 64, 79.
Lösung zu Fall 6: Die V steht am Tagesende mit übervollen Einkaufstaschen vor dem leeren Parkplatz und erfährt, dass ihr Auto abgeschleppt wurde. Sie ist daher gezwungen ein Taxi zu rufen und
verlangt nunmehr die Kosten i. H. v. 50 EUR ersetzt. Hat V gegen B einen Anspruch gem.
§ 823 Abs 1 BGB?
Anspruch B gegen V gem. § 823 I
V könnte gegen B einen Anspruch auf Ersatz der Taxikosten gem. § 823 I haben.
a)
Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 I
In Betracht kommt die Verletzung des Eigentums der V. Eine Eigentumsverletzung kann zum einen
durch Beschädigung/Zerstörung der Sache (Beeinträchtigung der Sachsubstanz) selbst, durch unbefugte Entziehung oder Belastung des Eigentums sowie auch durch eine Nutzungs- und Verwendungszweckstörung (ohne Eingriff in die Sachsubstanz) in Betracht kommen.
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Hier wurde das Cabrio der V nicht in seiner Sachsubstanz beschädigt. Hier liegt vielmehr eine durch
das Abschleppen hervorgerufene Sachentziehung vor. Auch diese stellt eine Eigentumsverletzung dar.
Anm.: Hätte B die V so zugeparkt, dass diese das Auto nicht hätte nutzen können, läge eine Nutzungsund Verwendungszweckstörung vor (vgl. BGHZ 55, S. 153 (159) (Fleet)). Zur Wiederholung der
Probleme im Rahmen des § 823 vgl. BGHZ 55, S. 153 (159) (Fleet); BGH, NJW 1977, S. 2264 (Tanklager); BGHZ 105, S. 346 (Fischfutter); BGHZ 109, S.297 (Baumaterialien); Medicus, JZ 1007, S.
403.
Die Rechtsgutverletzung war auch von B adäquat verursacht.
b)
Rechtswidrigkeit
Fraglich ist allerdings, ob B rechtswidrig handelte. Hier könnte das Verhalten des B gem. § 859 III
gerechtfertigt sein. Dafür müssen die Voraussetzungen des § 859 III vorliegen:
aa)
Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht
Eine Besitzentziehung des Stellplatzes durch verbotene Eigenmacht (§ 858) liegt vor.
bb)
Gewaltmittel
B hatte das Recht sich der verbotenen Eigenmacht sofort zu entziehen. Indem er das Abschleppunternehmen rief und dieser sodann den PKW der V abschleppte, bemächtigte sich B seines Stellplatzes
wieder.
Anm.: Baur/Stürner, § 9, Rn.15 (zum Merkmal „sofort“); keine besondere Wartefrist zu beachten nach
AG München, NJW-RR 2002, S. 200.
B handelte somit gerechtfertigt als er das Auto der V abschleppen ließ. Ein Anspruch der V gegen B
gem. § 823 I auf Ersatz der Taxikosten besteht daher nicht.
Fazit und wesentliche Probleme des Falles
Abgrenzung Besitzstörung und Besitzentzug
Voraussetzungen § 862 I S.1
Besitz als „sonstiges Recht“ i.S.v. § 823 I
Schadensumfang bei „Abschleppfällen“
§ 858 als Schutzgesetz gem. § 823 II
Rechtfertigung der Abschleppmaßnahme gem. § 859 III
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