Zinslose Kredite aus der Schweiz – Jodelkredite

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Zinslose Kredite aus der Schweiz – Jodelkredite
Wer hat's erfunden? Zinslose Kredite aus der Schweiz
Martin Langenbahn, Caritasverband Karlsruhe e.V.
Der Artikel beschäftigt sich mit den Auswirkungen eines aktuellen Urteils des
Bundesverwaltungsgerichts auf sog. “SCHUFA-freie Kredite”, die von Schweizer
Kreditunternehmen angeboten werden.
I. Der Ausgangspunkt
Wer schon etwas länger in der Schuldnerberatung tätig ist, kennt den Briefkopf von
Gläubigerschreiben nur zu gut:
“Fidium Finanz AG, St. Gallen”.
Der Schweizer Finanzdienstleister hatte gezielt in Deutschland mit der Vergabe
“SCHUFA-freier” Kredite Kunden geworben.
Insgesamt haben sich über die Fidium Finanz AG rund 65.000 Kunden mit 108 Millionen
Euro verschuldet. 90 Prozent der Kunden wohnen in Deutschland.
In der Tat wurden offenbar auch Personen Kredite vermittelt, die aufgrund negativer
SCHUFA-Einträge bei Kreditdienstleistern in Deutschland keinen Kredit mehr erhalten
hätten.
Natürlich tat das Schweizer Unternehmen dies nicht aus reiner Nächstenliebe, sondern
unter Konditionen und in Verbindung mit Kosten, die man nicht unbedingt als
verbraucherfreundlich bezeichnen kann (über die Praxis der “SCHUFA-freien Kredite” ist
auf der Internetseite des Infodienst-Schuldnerberatung ein Gutachten von Prof. Hugo
Grote verlinkt: http://www.infodienstschuldnerberatung.de/infos/studie_kredite_ohne_schufa/AA_Gutachten_31052007_End_l
ogo.pdf).
Die Fidium Finanz AG vergab Kredite im Umfang von bis zu 3 500 € zum einen über das
Internet, zum anderen über in der Bundesrepublik Deutschland tätige, selbstständige
Kreditvermittler.
II. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Nun hat in einem schon jahrelang und durch alle Instanzen geführten Rechtsstreit das
Bundesverwaltungsgericht ein Urteil gefällt (AZ 8 C 2.09;
www.bundesverwaltungsgericht.de/media/archive/7636.pdf), das wohl für die Fidium
Finanz AG – und andere ausländische Finanzdienstleister, die ähnlich agieren – das Aus
für das Geschäft mit in Deutschland wohnenden Kunden bedeuten dürfte. Die Rechtsfolge
die sich aus diesem Urteil für in Deutschland ansässige Kreditnehmer ergibt, ist jedoch
aus Verbrauchersicht überaus erfreulich. Doch dazu später mehr.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatte es der Fidium
Finanz AG durch Verwaltungsakt untersagt, weiter Kreditgeschäfte mit in Deutschland
ansässigen Kunden zu betreiben. Hierfür fehle es an der erforderlichen Erlaubnis nach §
32 Abs.1 S.1 Kreditwesengesetz (KWG). Dort heißt es:
“Wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer
Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder
Finanzdienstleistungen erbringen will, bedarf der schriftlichen Erlaubnis der
Bundesanstalt.”
Eine solche Erlaubnis hatte die Fidium Finanz AG natürlich nicht. Sie war ja auch der
Meinung, dass keine entsprechende Tätigkeit “im Inland” vorliege, weil sie ja ihren Sitz in
der Schweiz hat, und daher eine Erlaubnis der BaFin nicht erforderlich sei.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) sah dies anders. Es genüge, dass einem
ausländischen Institut zurechenbare Teilakte des Betreibens eines Bankgeschäfts im
Inland stattfinden. Das setze weder einen inländischen Sitz des Instituts noch dessen
sonstige physische Präsenz im Inland voraus. Erforderlich und ausreichend sei, dass
wesentliche zum Vertragsschluss hinführende Schritte im Inland vorgenommen werden.
Das könne sowohl durch im Inland tätige Dritte (Kreditvermittler) als auch mittels
Telekommunikationsmedien (Internet) geschehen. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG verlange
weder eine Beschränkung noch eine Konzentration der Geschäftstätigkeit auf das Inland.
Der Tatbestand sei schon erfüllt, wenn ein ausländisches Institut Teilakte des Betreibens
seines Geschäfts im Inland vornimmt oder durch Dritte vornehmen lässt. Es war daher
ausreichend für die Annahme einer inländischen Tätigkeit, dass die Fidium Finanz AG
sich zur Kreditvergabe selbständiger Kreditvermittler bediente und auf ihrer
deutschsprachigen Seite ein Kreditantragsformular zur Verfügung stellte.
III. Unwirksamkeit der vergebenen Kredite?
Welche Auswirkung hat aber nun dieses Urteil für bereits in der Vergangenheit von der
Fidium Finanz AG vergebene Kredite. Sind diese etwa unwirksam?
Auf diese Idee könnte man durchaus kommen, wenn man sich den § 134 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) anschaut:
“Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich
nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.”
Das Bundesverwaltungsgericht hat ja festgestellt, dass die von der Fidium Finanz AG
abgeschlossenen Kreditverträge gegen den Erlaubnisvorbehalt des § 32 KWG also
gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen.
Ob dies zur Unwirksamkeit der Kreditverträge führt oder nicht, hängt also davon ab ob
sich – wie § 134 BGB bestimmt - “aus dem Gesetz etwas anderes ergibt”.
Entscheidend ist dabei die Zielrichtung des Gesetzes, also ob es sich nicht nur gegen
den Abschluss des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seine privatrechtliche
Wirksamkeit und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg (BGHZ (offizielle
Entscheidungssammlung der BGH-Urteile in Zivilsachen), Band 118, S. 142,144).
Das, so der BGH, sei bei § 32 KWG nicht der Fall: das Gesetz habe die Zielrichtung,
ungeeignete Personen von der Erbringung von Finanzdienstleistungen in Deutschland
abzuhalten. Die Unwirksamkeit der abgeschlossenen Verträge sei zur Erreichung dieses
Zieles nicht erforderlich.
Die von der Fidium Finanz AG mit in Deutschland ansässigen Kreditnehmern
abgeschlossenen Verträge sind daher nicht nach § 134 BGB unwirksam.
IV. Praktische Konsequenzen und Auswirkung auf die Schuldnerberatung:
Schadensersatzanspruch des Kreditnehmers nach § 831 Abs.2 BGB i.V.m. § 32 Abs.1 S.1
KWG
Was heisst das nun aber für den Schuldner, der sich Rat suchend an uns wendet? Muss
er den Kredit an die Fidium Finanz AG zurückzahlen?
Ja, das muss er.
Muss er auch Zinsen und Kosten – wie im Kreditvertrag vorgesehen – in voller Höhe
zahlen?
Der Titel des Artikels lässt es schon erahnen: das muss er nicht!
Auch wenn es zur Verwirklichung des Regelungsziels von § 32 KWG wie oben ausgeführt
der Unwirksamkeit des Kreditvertrages nicht bedarf, muss dennoch der
verbraucherschützenden Funktion des § 32 KWG Rechnung getragen werden. Dies wird
dadurch erreicht, dass man dem Kreditnehmer einen Schadensersatzanspruch gem. §
823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 KWG zubilligt. § 823 Abs. 2 BGB ist
Schuldnerberatern oft aus einem anderen Zusammenhang geläufig, nämlich wenn es um
die Frage geht, ob im Insolvenzverfahren Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer
vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stammen und daher von der
Rechtsschuldbefreiung auf Gläubigerantrag ausgenommen werden können.
Entscheidende Voraussetzung für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch des
Kreditnehmers ist dabei, dass es sich bei § 32 KWG um ein Schutzgesetz zugunsten des
Kreditnehmers handelt. § 32 KWG müßte also vom Gesetzgeber mit der Absicht
geschaffen worden sein, den Kreditnehmer selbst zu schützen und nicht nur öffentliche
Interessen, nämlich den Schutz der Kreditwirtschaft zu gewährleisten.
Letzeres wurde zwar von der juristischen Literatur teilweise erwogen, weil § 4 Abs. 4
FinDAG (Vorsicht Zungenbrecher!:Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz) bestimmt, die
BaFin nehme ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr.
Der Bundesgerichtshof (Az: VI ZR 339/04; zu finden über www.bundesgerichtshof.de)
sieht das aber anders: Hierdurch sollte lediglich der Fiskus vor der Gefahr einer
Inanspruchnahme wegen Amtspflichtverletzungen (vgl. Art. 34 GG, § 839 BGB) von
Bediensteten des Aufsichtsamtes für das Kreditwesen geschützt werden. Daraus ergebe
sich aber nicht, dass der Gesetzgeber dem Erlaubniszwang nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG
den Schutzgesetzcharakter im Verhältnis der Betreiber von Bankgeschäften zu ihren
Kunden nehmen wollte (vgl. Auch BGH, Urteile vom 21. April 2005 - III ZR 238/03 - und
vom 19. Januar 2006 - III ZR 105/05).
Man wird wohl auch davon ausgehen können, dass die Fidium Finanz AG, vertreten durch
ihre Organe, zumindest fahrlässig verkannt hat, dass die Kreditgeschäfte mit in
Deutschland ansässigen Kunden genehmigungspflichtig sind. Denn angesichts der
umfangreichen gewerbsmäßigen – wenn auch nur mittelbaren – Tätigkeit auf deutschem
Boden hätte ihr zumindest die Möglichkeit eines Erlaubnisvorbehalts klar sein müssen.
Was ist aber nun die Rechtsfolge?
Der Kreditnehmer ist im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs aus unerlaubter
Handlung so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die nicht genehmigten Bankgeschäfte
nicht zustande gekommen wären.
Ein Kreditnehmer, der in Deutschland aufgrund negativer SCHUFA-Einträge keinerlei
Kredit erhalten hätte, hätte zwar den Kredit-Nettobetrag nicht erhalten, er müsste aber
auch keinerlei Zinsen und Kreditkosten aufbringen.
Das bedeutet, dass der Kreditnehmer den Kredit zwar zurückzahlen muss und zwar zu
den vereinbarten monatlichen Raten. Er muß jedoch keinerlei Zinsen und Kosten sondern
nur den reinen Kreditnettobetrag, also den Betrag, der ursprünglich an ihn ausgezahlt
worden war, zurückzahlen.
Mit anderen Worten: der teure Fidium-Kredit hat sich de facto in ein zinsloses Darlehen
verwandelt! Man sollte also unbedingt sofort eine Forderungsaufstellung anfordern, um zu
ermitteln, ob der Kredit bereits in Höhe des Nettobetrages zurückbezahlt worden ist.
Ist dies der Fall, sollten die Zahlungen sofort eingestellt werden und dies entsprechend
und unter Hinweis auf das Urteil des BVerwG mitgeteilt werden.
Sollte die Fidium Finanz AG oder ihre Rechtsnachfolger daraufhin gerichtliche
Maßnahmen ergreifen, muss unbedingt ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden!
Kunden, die bereits mehr oder sogar den kompletten Kredit inklusive Zinsen und Kosten
zurückgezahlt haben, können den Betrag, der auf Zinsen und Kosten entfällt, notfalls im
Wege einer Klage zurückverlangen.
Dies Klage muss nicht in der Schweiz am Sitz der Fidium Finanz AG erhoben werden. Der
Verbraucher kann auch am deutschen Gericht seines Wohnsitzes klagen!
Diese Erleichterung zugunsten des Verbrauchers ergibt sich aus dem “LuganoÜbereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen”, genauer aus
Artikel 16, 15 Nr.1 Buchstabe b):
“Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor
den Gerichten des Vertragsstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser
Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor den Gerichten des Vertragsstaats, in
dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.”
Art. 15 Nr.1 b) bestimmt ausdrücklich, dass sich diese Vorschrift auch auf
Verbraucherdarlehen bezieht.