zipien guter Gesetzgebung

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zipien guter Gesetzgebung
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Novellierung der Verpackungsverordnung und Grundprinzipien guter Gesetzgebung
Stellungnahme im Auftrag des
Bundesverbandes der Selbstentsorger von Verkaufsverpackungen e. V. (BSVV)
März 2007
1
Inhaltsverzeichnis
I.
Ausgangslage
3
II.
Grundprinzipien guter Gesetzgebung
3
III.
Feststellung des Regelungsbedarfs und Bestimmung des Regelungsziels
4
Gefährdung der haushaltsnahen Erfassung von Verkaufsverpackungen
4
1.
2.
a)
Trittbrettfahren
4
b)
Tätigkeit von Selbstentsorgergemeinschaften
5
Bekämpfung von Wettbewerbsverzerrungen bei der Erfassung von
Verkaufsverpackungen
8
IV.
Regelungsmaßnahmen
9
V.
Gesetzesfolgenabschätzung
10
VI.
Regelungsalternativen
12
VII.
Resümierende Schlußbetrachtung
16
2
I.
Ausgangslage
Im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) wird
derzeit an der Novellierung der Verpackungsverordnung gearbeitet. Auf der Grundlage von Eckpunkten, Arbeitspapieren und Arbeitsentwürfen aus dem Jahr 2006 ist
unlängst der Referentenentwurf zur 5. Novelle der Verpackungsverordnung vom 2.
März 2007 (VerpackV-E) vorgelegt worden.1 Wenngleich das BMU die ursprünglich
angekündigten zeitlichen Zielvorgaben für die Veröffentlichung des Entwurfs nicht
einzuhalten vermochte, so kann doch ohne weiteres festgestellt werden, daß die Reformarbeiten zügig voranschreiten. Dies wäre durchaus zu begrüßen, wenn nicht
konkrete Anhaltspunkte bestünden, daß bei dem eingeschlagenen Reformtempo den
Prinzipien guter Gesetzgebung nur unzureichend Rechnung getragen wird. Es sollte
indes nicht versäumt werden, den aktuellen Novellierungsprozeß verstärkt an diesen
Prinzipien auszurichten, um seine sachlichen Ergebnisse zu optimieren.
II.
Grundprinzipien guter Gesetzgebung
Zur guten fachlichen Praxis der Gesetzgebung (einschließlich der Verordnungsgebung) gehört, daß beim Normierungsvorgang einige grundlegende Anforderungen
eingehalten werden. Im näheren geht es bei diesen Anforderungen darum, daß zunächst der Regelungsbedarf festgestellt wird (Erforderlichkeitsprüfung). Besteht ein
entsprechender Bedarf, ist daraus das Regelungsziel abzuleiten. Des weiteren gilt es
zu klären, welche Regelungsmaßnahmen zur Zielerreichung ergriffen werden sollen.
Außerdem ist eine Gesetzesfolgenabschätzung vorzunehmen. Und schließlich sind
Regelungsalternativen zu bedenken, wobei auch eine zumindest partielle Nichtregelung (Nullvariante) in Betracht zu ziehen ist.
1
Abrufbar unter http://www.bmu.de/abfallwirtschaft.
3
III.
Feststellung des Regelungsbedarfs und Bestimmung des Regelungsziels
1.
Gefährdung der haushaltsnahen Erfassung von Verkaufsverpackungen
Bei der aktuellen Novellierung der Verpackungsverordnung geht es zuvörderst um
die „Sicherung der haushaltsnahen Erfassung von Verkaufsverpackungen.“ 2 Hinzu
kommt vor allem auch die Bekämpfung von „Wettbewerbsverzerrungen“ und „beobachteten Marktverwerfungen,“ um zu einem „fairen Wettbewerb bei der Erfassung
von Verkaufsverpackungen“ zu gelangen.3 Verordnungsrechtliche Neuregelungen
sind jedoch allein dann angezeigt, wenn tatsächlich Wettbewerbsverzerrungen bzw.
Marktverwerfungen vorliegen 4 und Sicherungsbedarf besteht. Sicherungsbedürftig ist
nur, was sich in einer Gefährdungslage befindet. Die Gefährdung der haushaltsnahen
Erfassung von Verkaufsverpackungen wird im wesentlichen auf zwei Ursachen zurückgeführt, und zwar einmal auf das Trittbrettfahren 5 sowie zum anderen auf die
Tätigkeit von Selbstentsorgergemeinschaften. 6
a)
Trittbrettfahren
Trittbrettfahrer sind Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen, die sich
ganz oder teilweise den Verpflichtungen der Verpackungsverordnung entziehen.7 Sie
kommen ihrer rechtlichen Produktverantwortung weder durch Beteiligung an einem
dualen System noch durch Beteiligung an einer Selbstentsorgergemeinschaft oder die
2
Hinweise des BMU zur 5. Novelle der VerpackV (Stand: 05.03.2007), S. 3. Vgl.
auch die Erklärung des BMU vom 5. März 2007 zur Veröffentlichung des Referentenentwurfs: „Wesentliches Ziel der Novelle ist die Sicherung der haushaltsnahen
Entsorgung von Verkaufsverpackungen.“ Die zitierten Dokumente sind unter der
oben in Fn. 1 genannten Internetadresse abrufbar.
3
Hinweise des BMU (Fn. 2), S. 3 f.
4
Näher dazu unten Gliederungsabschnitt III 2.
5
Hinweise des BMU (Fn. 2), S. 2.
6
Hinweise des BMU (Fn. 2), S. 3.
7
LAGA-ad-hoc-Arbeitsgruppe, Lösungsansätze zur Verbesserung der Situation und
der Wettbewerbsbedingungen bei der Entsorgung von Verkaufsverpackungen, Berichtsentwurf (Stand: 28.08.2006), S. 31.
4
sonstige Erfüllung von Selbstentsorgerpflichten (vollständig) nach. Der von Trittbrettfahrern an den Markt gebrachte Anteil an Verkaufsverpackungen hat in den vergangenen Jahren zugenommen und wird für das Jahr 2005 auf ca. 25 % der Gesamtmenge geschätzt.8
Unabhängig davon, ob das Trittbrettfahren die haushaltsnahe Erfassung von Verkaufsverpackungen bereits gefährdet, ist hervorzuheben, daß es sich um rechtswidriges Verhalten handelt. Dieses Verhalten ist somit schon aufgrund seiner Rechtswidrigkeit zu unterbinden. Als Gegenmaßnahme kommt beispielsweise die Verpflichtung der Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen zu testierten Nachweisen über die in Verkehr gebrachte Verpackungsgesamtmenge in Betracht. Außerdem
ist an eine verstärkte behördliche Kontrolle sowie an wirksame Sanktionen zu denken.9 Festzuhalten bleibt jedenfalls, daß im Hinblick auf das Trittbrettfahren Regelungsbedarf besteht.
b)
Tätigkeit von Selbstentsorgergemeinschaften
Im Gegensatz zum vorstehend angesprochenen Trittbrettfahren ist die Tätigkeit von
Selbstentsorgergemeinschaften rechtmäßig. Das gilt insbesondere auch für die gemeinschaftliche Erfüllung der Verwertungspflichten, den sog. Mengenausgleich.
Darunter ist der interne Ausgleich der bei den einzelnen Teilnehmern einer Selbstentsorgergemeinschaft erfaßten und der Verwertung zugeführten Verkaufsverpackungsmengen zu verstehen. Der Ausgleich erfolgt in der Weise, daß die Übererfüllung der rechtlich vorgegebenen Verwertungsquoten durch einen Teilnehmer mit der
Untererfüllung eines anderen Teilnehmers verrechnet wird. Es geht mithin um die
gemeinsame Erfüllung der Verwertungsquoten.
Die Zulässigkeit des Mengenausgleichs ist unlängst durch die vierte Novelle zur
Verpackungsverordnung10 im Sinne einer Klarstellung ausdrücklich geregelt wor-
8
LAGA-ad-hoc-Arbeitsgruppe (Fn. 7), S. 21, unter Hinweis auf eine Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM).
9
Vgl. dazu LAGA-ad-hoc-Arbeitsgruppe (Fn. 7), S. 31 ff.
10
Vierte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung vom 30.12.2005
(BGBl. I 2006 S. 2).
5
den.11 Daß es sich hierbei lediglich um eine deklaratorische und keine konstitutive
Regelung handelt, ergibt sich sowohl aus der Regelungsbegründung12 als auch aus
der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der BGH hat den Mengenausgleich bereits
aufgrund der Rechtslage, die vor dem Inkrafttreten der vierten Novelle zur Verpackungsverordnung bestand, als zulässig erachtet.13
Gleichwohl könnte durch die Tätigkeit der Selbstentsorgergemeinschaften, namentlich im Hinblick auf den von diesen organisierten Mengenausgleich, die von den
dualen Systemen vorgenommene haushaltsnahe Erfassung von Verkaufsverpackungen gefährdet sein. Eine derartige Gefährdung wird seit einiger Zeit von interessierter Seite behauptet und nunmehr offenbar auch – wie an den entsprechenden Inhalten
der aktuellen Novelle zur Verpackungsverordnung zu erkennen ist – vom BMU angenommen, obwohl erhebliche Zweifel bestehen. Die Zweifel beruhen vor allem
darauf, daß der Anteil der Selbstentsorger am Entsorgungsmarkt für Verkaufsverpackungen nach Untersuchungen der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung
(GVM) nur ca. 5 % beträgt.14 Mit einem derart geringen Marktanteil dürften die dualen Systeme (und damit die haushaltsnahe Erfassung von Verkaufsverpackungen)
kaum gefährdet sein. Ein Stabilitätsindiz stellt nicht zuletzt die günstige Ertragslage
des Marktführers, der DSD GmbH, dar.15
Die Gefährdungsthese wird zudem durch die Tatsache in Frage gestellt, daß bereits
zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwei weitere Unternehmen bundesweit über die behördliche Feststellung verfügen, ein duales System flächendeckend eingerichtet zu
haben (§ 6 Abs. 3 Satz 11 VerpackV). Andere Unternehmen bemühen sich darum,
11
Nr. 2 Abs. 1 Sätze 6, 7 Anhang I (zu § 6) VerpackV.
12
BR-Drucks. 591/05 (Beschluß), S. 3.
13
BGH, Urt. v. 29.6.2006 – I ZR 171/03, Rn 13 ff.
14
In der von der LAGA-ad-hoc-Arbeitsgruppe (Fn. 7), S. 21, zitierten GVM-Studie
wird der (für das Jahr 2005 prognostizierte) Marktanteil der „Selbstentsorger“ mit
11,3% angegeben, doch ist hierbei zu berücksichtigen, daß dieser Wert neben den
Selbstentsorgern und deren Gemeinschaften auch die sonstige gewerbliche Rückführung (außerhalb der dualen Systeme) umfaßt.
15
Vgl. zum Geschäftsjahr 2005 beispielsweise DSD-Online (30.10.2005): „DSD 2005
trotz Umsatzverlusten erfolgreich.“ FAZ vom 30.10.2006: „Der Grüne Punkt wirft
hohe Gewinne ab.“ Handelsblatt vom 31.10.2006: „Duales System schafft Gewinnmarge von zehn Prozent.“
6
ebenfalls eine Systemfeststellung zu erhalten.16 Diese Entwicklung spricht dagegen,
daß eine Gefährdung der flächendeckenden haushaltsnahen Erfassung gebrauchter
Verkaufsverpackungen vorliegt oder in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Auf die kartellrechtliche Problematik, die entsteht, wenn große, überregional tätige Entsorgungsunternehmen über eigene duale Systeme verfügen, sei in dem hier behandelten
Zusammenhang lediglich hingewiesen.
Auch langfristig ist eine Gefährdung der dualen Systeme durch Selbstentsorgergemeinschaften kaum zu befürchten, da das Wachstum dieser Gemeinschaften begrenzt
ist. Die Wachstumsbegrenzung resultiert aus dem Umstand, daß sich die den privaten
Haushaltungen rechtlich gleichstehenden, vom Zustellhandel belieferten Großanfallstellen (Kantinen, Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen etc.),17 auf deren hohes
Aufkommen an gebrauchten Verkaufsverpackungen die Selbstentsorgergemeinschaften für den Mengenausgleich angewiesen sind, nicht ohne weiteres vermehren lassen.
Der potentielle maximale Marktanteil der Selbstentsorgergemeinschaften wird auf
ca. 15 % geschätzt. Dies gilt jedenfalls unter der Voraussetzung, daß sich die Selbstentsorgergemeinschaften nicht an der haushaltsnahen Erfassung von Verkaufsverpackungen beteiligen. Doch scheidet eine derartige Beteiligung aus, da sie sich nach
der Rechtsprechung des BVerwG als unzulässig erweist.18
Angesichts dieser Sachlage besteht für den Verordnungsgeber in besonderem Maße
Anlaß, der Klärung des Regelungsbedarfs erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen und
gründlich zu untersuchen, ob die dualen Systeme aufgrund der Tätigkeit von Selbstentsorgergemeinschaften tatsächlich gefährdet sind. Dabei wäre auch der Frage
nachzugehen, wie es sich mit einer etwaigen Gefährdung verhält, wenn das rechtswidrige Trittbrettfahren unterbunden wird und infolgedessen dem Entsorgungsmarkt
16
Vgl. EUWID vom 24.5.2006: „Remondis-Tochter als duales System zugelassen.“
EUWID vom 23.8.2006: „Kölner Reclay-Gruppe stellt sich mit eigenem Dualen
System breiter auf.“ EUWID vom 29.8.2006: „ Mittelstandskooperation Zentek baut
ein eigenes Duales System auf.“ EUWID vom 20.2.2007: „Zahl der dualen Systeme
steigt weiter an.“
17
§ 3 Abs. 11 Satz 2 VerpackV.
18
BVerwG, NVwZ 2006, 688 ff. Kritisch dazu Hendler, Haushaltsnahe Erfassung von
Verkaufsverpackungen durch Selbstentsorgergemeinschaften, GewArch. 2006, 353
ff.
7
für gebrauchte Verkaufsverpackungen vermehrt finanzielle Mittel zufließen, von
denen vor allem die dualen Systeme profitieren. Entsprechende systematische Regelungsbedarfsanalysen liegen bisher nicht vor. Sie sind jedoch unerläßlich, und zwar
nicht zuletzt deshalb, um dem bloßen Anschein zu entgehen, das BMU lasse sich von
interessierter Seite instrumentalisieren. Immerhin werden Spekulationen dieser Art
bereits von den Medien angestellt. 19 Eine fundierte Regelungsbedarfsanalyse im
Hinblick auf eine von den Selbstentsorgergemeinschaften ausgehende etwaige Gefährdung der dualen Systeme und der von diesen wahrgenommenen Entsorgungsaufgaben ist im übrigen nicht nur eine Frage guter fachlicher Praxis der Gesetzgebung,
sondern auch des Verfassungsrechts, da die angestrebten Reformmaßnahmen mit
erheblichen Grundrechtsbeeinträchtigungen verbunden sind.
2.
Bekämpfung von Wettbewerbsverzerrungen bei der Erfassung von Verkaufsverpackungen
Die Selbstentsorger des Einzelhandels sind verpflichtet, die von ihnen in Verkehr
gebrachten Verkaufsverpackungen vom privaten Endverbraucher am Ort der tatsächlichen Übergabe oder in dessen unmittelbarer Nähe wieder zurückzunehmen und
einer Verwertung nach Maßgabe der vorgegebenen Quoten zuzuführen (§ 6 Abs. 1
Satz 1 VerpackV). Allerdings tragen die privaten Endverbraucher die gebrauchten
Verkaufsverpackungen größtenteils nicht in die Einzelhandelsgeschäfte zurück, sondern geben diese in die Sammelgefäße der dualen Systeme („gelbe Tonne“ bzw.
„gelber Sack“) oder der öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger („Restmülltonne“
bzw. „graue Tonne“). Ungeachtet dessen erfüllen die betreffenden Selbstentsorger im
Rahmen des bereits erwähnten Mengenausgleichs ihre Verwertungsquoten. Doch
wird geltend gemacht, daß die Entsorgungskosten für die nicht in die Einzelhandels-
19
Vgl. z. B. FAZ vom 15.08.2006: „Die Müll-Rechnung des amerikanischen Finanzinvestors KKR scheint glänzend aufzugehen. Die bevorstehende Novelle der deutschen Verpackungsverordnung ebnet den Weg für einen lukrativen Ausstieg aus dem
Dualen System Deutschland (DSD) … Sobald der Entwurf im Gesetzbuch steht, ist
der richtige Zeitpunkt für den Verkauf gekommen.“ Handelsblatt vom 31.10.2006:
„Wenn alles gut geht, boxt der Gesetzgeber damit für das DSD die unliebsame Ko nkurrenz der so genannten Selbstentsorger aus dem Markt.“ Frankfurter Rundschau –
online.de (31.10.2006): „Das DSD macht seit Monaten Druck auf das Bundesumweltministerium, um über eine Novellierung der Verpackungsverordnung die Stabilisierung des eigenen Geschäfts zu erreichen.“
8
geschäfte zurückgebrachten gebrauchten Verkaufsverpackungen von Dritten getragen werden. Dies wird als Wettbewerbsverzerrung betrachtet. 20
Allerdings darf hierbei nicht übersehen werden, daß die privaten Endverbraucher
auch solche Verpackungen in die Sammelgefäße der öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger geben, die bei einem dualen System lizenziert sind. Die Befüllung der
Restmülltonnen mit gebrauchten Verkaufsverpackungen stellt mithin kein spezielles
Phänomen der Selbstentsorgung dar. Entscheidend ist jedoch, daß die Verbraucher
nach Maßgabe ihres Restmüllaufkommens Gebühren an die öffentlichrechtlichen
Entsorgungsträger zu entrichten haben. Wer daher sein Restmüllaufkommen mit gebrauchten Verkaufsverpackungen vermehrt, zahlt auch entsprechend hohe Gebühren.
Dies bedeutet, daß bei den öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgern keinerlei Zusatzkosten hängenbleiben.
Soweit von Selbstentsorgern in Verkehr gebrachte Verkaufsverpackungen bei den
dualen Systemen Entsorgungskosten verursachen, weil sie von den Verbrauchern in
die gelben Tonnen (bzw. gelben Säcke) gegeben werden, sollte nicht unberücksichtigt bleiben, daß bei den Systemen aufgrund der Tätigkeit von Selbstentsorgergemeinschaften auch Entlastungseffekte entstehen. Insoweit ist bedeutsam, daß die
Selbstentsorgergemeinschaften bei den Großanfallstellen21 auch solche Verkaufsverpackungen erfassen, deren Entsorgung den Systemen obliegt, weil sie bei diesen lizenziert sind. Die entsprechenden Entsorgungskosten werden indes von den Selbstentsorgergemeinschaften getragen.
IV.
Regelungsmaßnahmen
Zu den wesentlichen Regelungsmaßnahmen des Verordnungsentwurfs gehört die
Trennung der Tätigkeitsfelder von dualen Systemen und Selbstentsorgergemeinschaften. Dieses Trennungsmodell stellt – wie das BMU selbst ausführt – den „zen-
20
Vgl. dazu die Hinweise des BMU (Fn. 2), S. 3 f.
21
Vgl. dazu oben Gliederungsabschnitt III 1 b bei und mit Fn. 17.
9
tralen Kern der Novellierung der Verpackungsverordnung“ dar.22 Umgesetzt wird es
in der Weise, daß Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen, die für den
privaten Endverbraucher bestimmt sind, verpflichtet werden, sich an einem oder
mehreren dualen Systemen zu beteiligen.23 Ihre herkömmliche Freiheit, zwischen
Selbstentsorgung und Systembeteiligung wählen zu können, entfällt. Damit wird
zugleich der Mengenausgleich hinfällig.
Das Tätigkeitsfeld der Selbstentsorger und ihrer Gemeinschaften beschränkt sich
nach dem Neuordnungskonzept auf solche Verkaufsverpackungen, die nicht beim
privaten Endverbraucher, sondern im gewerblichen Bereich anfallen. Eine Verwertungsquote ist insoweit nicht vorgesehen, vielmehr besteht die Verwertungspflicht
nur im Rahmen der allgemeinen Anforderungen.24 Der Kreis der Anfallstellen, die
neben den privaten Haushaltungen zu den privaten Endverbrauchern gehören,25 wird
im Vergleich zur bisherigen Rechtslage eingeengt.
V.
Gesetzesfolgenabschätzung
Zwar wird durch die vom BMU geplanten Regelungen der Wettbewerb zwischen den
dualen Systemen und den Selbstentsorgergemeinschaften insofern entzerrt, als zwei
verschiedene Märkte mit jeweils gleichartigen Wettbewerbsteilnehmern entstehen.
Doch ist es bisher versäumt worden, eine Gesetzesfolgenabschätzung26 vorzunehmen, die sich im übrigen sogar auf EU-Ebene bereits als Grundprinzip guter Gesetz-
22
Hinweise des BMU (Fn. 2), S. 10.
23
§ 6 Abs. 1 VerpackV-E.
24
§ 7 Abs. 1, 2 in Verb. mit § 4 Abs. 2 VerpackV-E und § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG.
25
§ 3 Abs. 11 Sätze 4, 5 VerpackV-E.
26
Zur Bedeutung von Gesetzesfolgenabschätzungen vgl. z. B. Redeker, Auf der Suche
nach besserer Gesetzgebung, NJW 2002, 2756 (2757 f.); Blum, Wege zu besserer
Gesetzgebung – sachverständige Beratung, Begründung, Folgeabschätzung und
Wirkungskontrolle, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.),
Verhandlungen des 65. Deutschen Juristentages, Bd. I, Gutachten (Teil I), 2004, S.
51 ff.; Dieckmann, Referat, ebenda, Bd. II/1, Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse (Teil S), 2004, S. 19 ff.
10
gebung etabliert hat.27 Hierbei geht es nicht um die in der Gesetzgebungslehre vielfach erörterten aufwendigen Verfahren, sondern um eine dem Novellierungsprojekt
angepaßte Prüfung. An dieser Prüfung fehlt es. Es gibt keine fundierten Untersuchungen darüber, wie es sich auf den Markt für die Entsorgung der bei den privaten
Endverbrauchern anfallenden Verkaufsverpackungen auswirkt, wenn der Marktzutritt nur noch den dualen Systemen und nicht mehr (auch) den Selbstentsorgergemeinschaften möglich ist.
Da es derzeit nur wenige duale Systeme gibt, drängen sich in diesem Zusammenhang
vor allem folgende Fragen auf: Nimmt die Zahl der dualen Systeme künftig zu oder
eher (etwa aufgrund von Fusionen und Übernahmen) ab? Wie hoch ist die Gefahr,
daß sich ähnlich wie in der Elektrizitäts- und Mineralölwirtschaft oligopole Marktstrukturen herausbilden? Erhöht sich diese Gefahr dadurch, daß es im Bereich der
Wertstofferfassung keinen Wettbewerb geben wird, weil die dualen Systeme auf
Verlangen der kommunalen Gebietskörperschaften eine gemeinsame Erfassungslogistik betreiben? Können die Selbstentsorgergemeinschaften in dem Fall, daß sie
auch weiterhin mit den dualen Systemen konkurrieren, einen belebenden Faktor auf
dem Entsorgungsmarkt für Verkaufsverpackungen bilden, der es den dualen Systemen erschwert, den Markt unter sich faktisch aufzuteilen und es sich in dem jeweiligen Marktsegment mehr oder minder bequem einzurichten? Zu beachten ist hierbei,
daß die Selbstentsorgergemeinschaften in der Vergangenheit erheblich dazu beigetragen haben, daß Bewegung in diesen Markt gekommen ist und preisdämpfende
Effekte wirksam geworden sind.
Zu den Gesetzesfolgen gehören insbesondere auch Freiheitsnachteile. Diese bestehen
darin, daß die Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen durch die geplante Novellierung der Verpackungsverordnung gezwungen werden, sich einem
dualen System anzuschließen. Hierdurch wird ihnen die traditionelle Möglichkeit
genommen, zwischen Systembeteiligung und Selbstentsorgung zu wählen. Außerdem werden die Selbstentsorgergemeinschaften vom Entsorgungsmarkt für die beim
privaten Endverbraucher anfallenden Verkaufsverpackungen verdrängt. Wettbewerb
27
Vgl. dazu Hofmann, Die europäische Folgenabschätzung in der Umweltpolitik, ZUR
2006, 574 ff.
11
stärkt man jedoch nicht, indem man Anbieter aus dem Markt nimmt, sondern indem
man den Markt für möglichst viele Anbieter öffnet.
Hinzu kommen ökologische Nachteile insofern, als für einen Teil derjenigen Verkaufsverpackungen, welche nicht bei den privaten Haushaltungen und diesen rechtlich gleichstehenden Einrichtungen anfallen, die bisher geltenden Verwertungsquoten entfallen, so daß nur noch die weniger strengen allgemeinen Verwertungspflichten zu erfüllen sind. Dies hängt damit zusammen, daß der Kreis der den privaten
Haushaltungen gleichstehenden Einrichtungen durch das Novellierungsvorhaben
eingeengt wird.28 Ferner könnten durch die vorgesehenen Regelungen ökologisch
unerwünschte Verlagerungseffekte in den quotenfreien Bereich ausgelöst werden.
In der öffentlichen Diskussion zum Reformgeschehen ist des öfteren von einer
„schlanken“ oder „kleinen“ Novelle die Rede.29 Dieser Sprachgebrauch mag zutreffend sein, soweit rein quantitativ auf die bloße Anzahl der geänderten Vorschriften
abgestellt wird. Doch darf er nicht darüber hinwegtäuschen, daß Kernvorschriften
der Verpackungsverordnung betroffen sind, die inhaltlich in der Weise umgestaltet
werden sollen, daß sich das verordnungsrechtliche Grundkonzept verändert.
VI.
Regelungsalternativen
Nach den Grundprinzipien guter Gesetzgebung ist auch zu prüfen, ob Alternativen zu
den geplanten rechtlichen Neuregelungen in Betracht kommen. Auszugehen ist hierbei davon, daß eine Gefährdung der dualen Systeme (und damit der haushaltsnahen
Sammlung von Verkaufsverpackungen) angesichts des geringen, nur begrenzt steigerungsfähigen Anteils der Selbstentsorgergemeinschaften am Entsorgungsmarkt für
Verkaufsverpackungen kaum zu befürchten, jedenfalls aber nicht durch entsprechende Untersuchungen (Regelungsbedarfsanalysen) belegt ist. Hinzu kommt, daß die
sich abzeichnenden Novellierungsinhalte nicht nur mit ökologischen Nachteilen verbunden sind, sondern auch einen weitreichenden Eingriff in grundrechtliche Freihei-
28
Vgl. dazu die Ausführungen oben bei und mit Fn. 24.
29
Vgl. z. B. EUWID vom 14.6.2006, S. 22; Pressemitteilung des Verbandes Kommunale Abfallwirtschaft und Stadtreinigung im VKU e. V. vom 28.9.2006.
12
ten (der Selbstentsorger und deren Gemeinschaften) sowie in gewachsene Wettbewerbsstrukturen darstellen, wobei die Folgen noch nicht hinreichend geklärt sind.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Frage, ob Regelungsalternativen zur strikten
Trennung der Tätigkeitsfelder von dualen Systemen und Selbstentsorgergemeinschaften bestehen, als besonders dringlich.
Das BMU zieht sich dagegen auf den Standpunkt zurück, daß die im Verordnungsentwurf vorgesehene Systembeteiligungspflicht erforderlich sei, da geeignete, aber
weniger einschneidende Modelle nicht ersichtlich seien und sich das bisherige Modell mit seinen Wahlmöglichkeiten als nicht mehr ausreichend erwiesen habe.30 Eine
nähere Auseinandersetzung mit Regelungsalternativen hält das BMU offenbar für
überflüssig, jedenfalls findet sie nicht statt, was ebenso auffällig wie bedauerlich ist.
Soweit kritisiert wird, es sei nicht auszuschließen und behördlich kaum zu verhindern, daß von den Selbstentsorgergemeinschaften namentlich an den Großanfallstellen auch Transport- und Umverpackungen erfaßt und in die Erfüllung der Verwertungsquoten für Verkaufsverpackungen einbezogen werden,31 bleibt beispielsweise
zu überlegen, ob dem durch detailliertere Dokumentationspflichten begegnet bzw.
vorgebeugt werden kann. Außerdem ist in Betracht zu ziehen, die Unterscheidung
zwischen Verkaufs-, Transport- und Umverpackungen aufzugeben und einheitliche
Verwertungsquoten vorzusehen. Erwägungen dieser Art sind bereits angestellt worden,32 sie könnten wieder aufgegriffen werden.
Häufig wird zudem darauf hingewiesen, daß sich selbstentsorgende Letztvertreiber
von Verkaufsverpackungen nicht ausreichend um die Erfüllung ihrer Rücknahmepflichten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 VerpackV) bemühten.33 Insoweit liegt es nahe, die be-
30
Hinweise des BMU (Fn. 2), S. 13.
31
LAGA-ad-hoc-Arbeitsgruppe (Fn. 7), S. 17.
32
LAGA-ad-hoc-Arbeitsgruppe, Zwischenbericht über die Vollzugserfahrungen der
Länder und die Situation des Wettbewerbs im Bereich der Entsorgung von Verkaufsverpackungen, Teil I – Sachstandsbericht, 3. Entwurf (Stand: 04.04.2006), S.
30.
33
Vgl. z. B. Hinweise des BMU (Fn. 2), S. 2; Wendenburg, Weiterentwicklung der
Abfallwirtschaft in Deutschland, in: Urban/Halm/Morgan (Hrsg.), Schriftenreihe des
Fachgebiets Abfalltechnik, Universität Kassel, 2006, S. 10 (15).
13
treffenden Selbstentsorger durch entsprechende Regelungen und behördliche Kontrollen zu einer Verbesserung der Rücknahmeeffizienz zu veranlassen. Allerdings
kann nicht übersehen werden, daß sie selbst im Fall größter Kraftanstrengung keine
reale Chance besitzen, bei der Rücknahme gebrauchter Verkaufsverpackungen auf
Mengen zu kommen, welche es ermöglichen, die rechtlich vorgegebenen Verwertungsquoten zu erreichen. Der Mengenausgleich wird daher auf diese Weise nicht
entbehrlich. Der Grund hierfür besteht letztlich darin, daß sich die Bereitschaft der
Kunden des Einzelhandels, gebrauchte Verkaufsverpackungen in die Geschäfte zurückzubringen, nur in begrenztem Maße steigern läßt. Daran könnte allenfalls die
Einführung einer Pfandpflicht auf grundsätzlich alle Verkaufsverpackungen etwas
ändern, doch wird eine derartige Maßnahme zu Recht allenthalben abgelehnt.
Das BMU macht geltend, es habe „sich gezeigt, daß bei Verpackungsabfällen, die in
privaten Haushalten anfallen, die sog. Selbstentsorgung, die die Rücknahme am Ort
der Übergabe voraussetzt, in aller Regel nicht praktikabel“ sei. Daher sei eine „deutliche Trennung der Tätigkeitsfelder“ von Selbstentsorgern und dualen Systemen die
„logische Konsequenz der praktischen Entwicklung.“34 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß niemals die Erwartung bestand, die Einzelhandelskunden könnten gebrauchte Verkaufsverpackungen in einer für die Quotenerfüllung ausreichenden
Menge in die Geschäfte zurückbringen. Das vom BMU indirekt angesprochene Kundenverhalten gehörte von Anfang an zu den einkalkulierten Implikationen des der
Verpackungsverordnung zugrunde liegenden Steuerungskonzepts. Die in § 6 Abs. 1
VerpackV erfolgte Normierung von Primärpflichten erweist sich als zentraler Bestandteil der Umsetzung dieses Konzepts, das dem ökologischen Ziel der Vermeidung und Verwertung von Verkaufsverpackungen dient. Entscheidend ist, daß dieses
ökologische Ziel durch die Selbstentsorger (unter Einsatz des Mengenausgleichs)
ebenso erreicht wird wie durch duale Systeme.
Unabhängig hiervon sind nach dem zuvor Dargelegten erwägenswerte Regelungsalternativen zum vorliegenden Novellierungsentwurf vorhanden, die es ermöglichen,
Nachteile des gegenwärtigen Zustands zu beheben oder wenigstens einzudämmen.
34
Hinweise des BMU (Fn. 2), S. 3 f.
14
Diesen Alternativen wäre näher nachzugehen, bevor eine Radikallösung zum Zuge
kommt, die darin besteht, daß ein freiheitliches Grundelement der Verpackungsverordnung, nämlich das Recht der Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen, zwischen Selbstentsorgung und Systembeteiligung wählen zu können, beseitigt
und der Entsorgungsmarkt für die beim privaten Endverbraucher anfallenden Verkaufsverpackungen gegenüber den Selbstentsorgergemeinschaften abgeschottet wird.
Wie hiernach als Zwischenergebnis festgehalten werden kann, bestehen zu der vom
BMU angestrebten Radikallösung zwar weiterführende Regelungsalternativen, doch
vermögen diese nicht zu bewirken, daß sich der Mengenausgleich erübrigt. Vielmehr
werden lediglich seine Auswirkungen abgeschwächt, nicht aber – abweichend von
der Radikallösung – seine Fundamente demontiert. Daher lautet die entscheidende
Frage, inwieweit sich die Beseitigung des Mengenausgleichs zum gegenwärtigen
Zeitpunkt sachlich rechtfertigen läßt.
Bei der Beurteilung dieser Frage ist zu berücksichtigen, daß der Verordnungsgeber –
wie bereits erwähnt35 – den Mengenausgleich erst Ende des Jahres 2005 ausdrücklich
klarstellend normiert hat, und zwar in voller Kenntnis der mehrjährigen rechtlichen
und unternehmenspolitischen Auseinandersetzungen, die um dieses Selbstentsorgerinstrument geführt worden sind. Nur wenige Monate später erscheint der Mengenausgleich plötzlich als großes Übel der Verpackungsverordnung und soll ohne vertiefende wissenschaftliche Untersuchungen gleichsam im Schnellverfahren abgeschafft
werden. Dies soll geschehen, obwohl
die Abschaffung mit weitreichenden
Eingriffen sowohl in grundrechtliche Freiheiten als auch in bestehende Wettbewerbsstrukturen verbunden ist und der Mengenausgleich von seiner wirtschaftlichen Größenordnung her nur eine Randerscheinung des Entsorgungsmarkts für Verkaufsverpackungen ist und voraussichtlich auch bleiben wird.
Angesichts dieser Zusammenhänge entsprechen die aktuellen Novellierungsbestrebungen des BMU insoweit, als sie darauf gerichtet sind, den Mengenausgleich zu
beseitigen, offenkundig nicht den Anforderungen guter Gesetzgebung. Es erweist
sich allemal als vorzugswürdig, zunächst solche Maßnahmen zu ergreifen und deren
35
Vgl. oben Gliederungsabschnitt III 1 b bei und mit den Fn. 10-13.
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Wirkung abzuwarten, die das Trittbrettfahren unterbinden, die Transparenz der
Wahrnehmung der Produktverantwortung erhöhen, die behördlichen Kontrollmöglichkeiten verbessern etc. Nach einer Monitoringphase könnte sodann auf der Grundlage der erworbenen Erkenntnisse und Erfahrungen fundiert geprüft werden, ob tiefere Eingriffe in grundrechtliche Freiheiten sowie das Wettbewerbsgeschehen unerläßlich sind, etwa im Sinne einer strikten Trennung der Tätigkeitsfelder von dualen Systemen und Selbstentsorgern bzw. Selbstentsorgergemeinschaften. Bei derart weitreichenden Eingriffen besteht hinreichend Anlaß zu behutsamem Vorgehen und gründlicher Vorbereitung. Dies gilt um so mehr, als sich der Markt für die Entsorgung gebrauchter Verkaufsverpackungen aufgrund des Zutritts weiterer dualer Systeme gerade in einer Umbruchsituation befindet. In einer derartigen Situation dürfte eher
Marktbeobachtung als Marktintervention die gebotene Maxime staatlichen Verhaltens sein.
Wer den Mengenausgleich als Wettbewerbsverzerrung begreift, die eiliger Korrektur
bedarf, sollte nicht übersehen: Der Mengenausgleich ist der Preis für die Freiheit,
zwischen Systembeteiligung und Selbstentsorgung wählen zu können. Die begrenzte
wirtschaftliche Bedeutung dieses Ausgleichs spricht dafür, daß der Preis nicht zu
hoch ist.
VII. Resümierende Schlußbetrachtung
Werden an die aktuelle Novellierung der Verpackungsverordnung die Maßstäbe guter fachlicher Praxis der Gesetzgebung angelegt, so sind auf der Grundlage der erfolgten Darlegungen insbesondere nachstehende Ergebnisse festzuhalten:
1) Es fehlt an einer Regelungsbedarfsanalyse. Zu den Hauptprämissen des Novellierungsvorhabens gehört, daß die den dualen Systemen obliegende haushaltsnahe
Erfassung von Verkaufsverpackungen nicht nur aufgrund des rechtswidrigen
Verhaltens von Trittbrettfahrern, sondern auch aufgrund der rechtmäßigen Betätigung von Selbstentsorgergemeinschaften gefährdet ist. Die Prämisse wird jedoch nicht verifiziert, obwohl erhebliche Zweifel daran bestehen, daß sie zutrifft.
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Die Zweifel resultieren vor allem daraus, daß der Anteil der Selbstentsorgergemeinschaften am Entsorgungsmarkt für Verkaufsverpackungen nur etwa 5 % beträgt und das Wachstum dieser Gemeinschaften aus technischen bzw. strukturellen Gründen begrenzt ist. Ferner darf nicht übersehen werden, daß durch die geplante (uneingeschränkt zustimmungswürdige) Unterbindung des rechtswidrigen
Trittbrettfahrens den dualen Systemen vermehrt finanzielle Mittel zufließen, die
eine stabilisierende Wirkung auf die haushaltsnahe Sammlung von Verkaufsverpackungen ausüben.
2) Ferner liegt keine Gesetzesfolgenabschätzung vor, obwohl das Novellierungsvorhaben mit schwerwiegenden Eingriffen in grundrechtliche Freiheiten und bestehende Wettbewerbsstrukturen verbunden ist. Insoweit gilt es zu beachten, daß
den Herstellern und Vertreibern von Verkaufsverpackungen die Pflicht auferlegt
wird, sich an einem dualen System zu beteiligen. Damit entfällt die ihnen traditionell zustehende Freiheit, zwischen Selbstentsorgung und Systembeteiligung zu
wählen. Entsprechendes gilt für den Mengenausgleich (Verrechnung der Überund Untererfüllung der Verwertungsquoten bei den verschiedenen Teilnehmern
einer Selbstentsorgergemeinschaft). Zugleich werden die Selbstentsorgergemeinschaften vom Entsorgungsmarkt für die beim privaten Endverbraucher anfallenden Verkaufsverpackungen ausgeschlossen. Daß es sich hierbei um grundlegende
Reformmaßnahmen handelt, dürfte ohne weiteres erkennbar sein. Dennoch fehlt
es an fundierten Untersuchungen darüber, welche Folgen es für den betreffenden
Entsorgungsmarkt hat, wenn dort möglicherweise nur wenige duale Systeme unter sich bleiben und keine Konkurrenz mehr mit den Selbstentsorgergemeinschaften besteht, von denen in der Vergangenheit erhebliche marktbelebende Impulse
ausgegangen sind.
3) Das aktuelle Novellierungsgeschehen leidet des weiteren an der Vernachlässigung von Regelungsalternativen. Vielmehr wird sogleich eine Radikallösung angestrebt (Verbot der Selbstentsorgung durch Anordnung einer Systembeteiligungspflicht, Ausschaltung des Mengenausgleichs, Verdrängung der Selbstentsorgergemeinschaften vom Entsorgungsmarkt für die beim privaten Endverbraucher anfallenden Verkaufsverpackungen). Es geht hierbei vor allem darum, den
Mengenausgleich zu beseitigen, der insbesondere von den dualen Systemen als
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korrekturbedürftige Wettbewerbsverzerrung begriffen wird und von ihnen auch
bereits (wenngleich erfolglos) gerichtlich bekämpft worden ist. Daß der Mengenausgleich nunmehr verordnungsrechtlich abgeschafft werden soll, vermag aus
folgenden Gründen nicht zu überzeugen:
a) Der Verordnungsgeber hat den Mengenausgleich erst Ende des Jahres 2005
mit der 4. Novelle zur Verpackungsverordnung im Sinne einer Klarstellung
ausdrücklich normiert, und zwar in voller Kenntnis der mehrjährigen rechtlichen und unternehmenspolitischen Auseinandersetzungen.
b) Es gibt keine wissenschaftlich abgesicherten Untersuchungen darüber, ob es
dringlich ist, von dieser Normierung innerhalb kurzer Zeit wieder abzurücken.
c) Im Hinblick auf seine wirtschaftliche Größenordnung ist der Mengenausgleich lediglich eine Randerscheinung des Entsorgungsmarkts für Verkaufsverpackungen und wird es aller Voraussicht nach auch bleiben.
d) Die verordnungsrechtliche Abschaffung des Mengenausgleichs ist mit weitreichenden staatlichen Eingriffen sowohl in grundrechtliche Freiheiten (der
Selbstentsorger und deren Gemeinschaften) als auch in gewachsene Wettbewerbs- und Marktverhältnisse verbunden.
Vor diesem Hintergrund besteht besonderer Anlaß zur verstärkten Prüfung von
Regelungsalternativen. Ein behutsameres Vorgehen drängt sich – nicht zuletzt
auch im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
– geradezu auf. Die gebotene Vorgehensweise zeichnet sich dadurch aus, daß zunächst Maßnahmen insbesondere zur Unterbindung des Trittbrettfahrens getroffen und weiterreichende Maßnahmen erst dann ergriffen werden, wenn diese sich
nach einer Monitoringphase auf der Grundlage der erworbenen, wissenschaftlich
aufbereiteten Erfahrungen als erforderlich erweisen sollten.
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4) Nach alledem kann das Fazit nur lauten: Da die aktuelle Novellierung der Verpackungsverordnung deutliche Defizite bei der Regelungsbedarfsanalyse, der Gesetzesfolgenabschätzung sowie der Prüfung von Regelungsalternativen aufweist,
entspricht sie in mehrfacher Hinsicht nicht den Grundprinzipien guter Gesetzgebung.
(Professor Dr. Reinhard Hendler)
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