THBG-4912 Innenseiten - Thüringer Behälterglas GmbH
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THBG-4912 Innenseiten - Thüringer Behälterglas GmbH
150 Jahre Glaswerk Schleusingen 150 Jahre Glaswerk Schleusingen Die Geschichte von der Entwicklung einer Glashütte zum modernen Glaswerk. „Ich hatte mir die Glasherstellung etwas anders vorgestellt. Jedenfalls habe ich die größte Hochachtung vor diesen Leuten, die einen so unentbehrlichen Stoff herstellen. Ich war immer schon der Ansicht, dass es wichtigeres gibt als Gold. Glas zum Beispiel halte ich für nützlich.“ (Theodor Fontane) Herausgeber: Thüringer Behälterglas GmbH Schleusingen © 18. Oktober 2003 Redaktion: Gerhard Holzinger, Schleusingen Die Autoren: Walter Gratz, Breitenbach Andreas Mastaler, Schleusingen Volker Pfau, Breitenbach Ortwin Schlott, Schleusingen Eberhard Sittig, Steinbach Wilfried Stöcklein, Hinternah Hartmut Walter, Zella-Mehlis Hasso Zimmermann, Schleusingen Satz und Layout: Rittweger & Team Werbeagentur GmbH Erfurt, Suhl Inhaltsverzeichnis Vorwort 2 Von Dipl. Ing. oec. Hartmut Walter, Geschäftsführer, und Dipl. Ing. Andreas Mastaler, Betriebsleiter, der Thüringer Behälterglas GmbH Schleusingen Schon seit Jahrtausenden gibt es Glas 3 Zur Geschichte des Glases Zeittafel der Geschichte der Glastechnik 9 Von 7.000 vor unserer Zeitrechnung bis 1927 Die Glasindustrie im Thüringer Wald 11 Besiedlung und Glashüttengründung in Thüringen Wie aus dem „Friedrichswerk“ eine Glashütte wurde 22 Die Entwicklung des Glaswerkes Schleusingen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Mit der Eisenbahn weiter voran 28 Weitere Glashütten entstehen rings um Schleusingen Die „Hütte“ in der Zeit des Nationalsozialismus 33 Vollautomatische Glasmaschinen und Kriegsgefangene Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte 43 Zunächst waren Nachkriegsnöte zu überwinden Das Glaswerk nach der politischen Wende 63 Die „Hütte“ nun unter der Treuhandanstalt Ein notwendiges Nachwort Anhang Lageplan alter Thüringischer Glashütten Stammtafel der wichtigsten Hüttengründungen des Thüringer Waldes Glas = Taxa; Preisliste der 1735 gegründeten „Handelskompanie“ Thüringer Glashütten Ahnentafel zur Heinz´schen Glasfabrik Erste urkundliche Erwähnung des Glaswerkes im „Henneberger Kreis-Blatt“ Standortentwicklung „Friedrichswerk“ Zeittafel zur Entwicklung der Glashütte Schleusingen Glasmacherzeichen Übersicht über die Betriebsjubiläen Gesellschafter und Geschäftsführer des Glaswerkes Schleusingen Quellenangaben 71 Vorwort Vor 150 Jahren – am 18. Oktober 1853 – wurde im Friedrichswerk bei Schleusingen eine Glashütte gegründet. Grund genug, diese wechselhafte Unternehmensgeschichte in Wort und Bild zu würdigen. Nur wenigen Industrien ist es gegeben, überhaupt auf eine Jahrtausend alte Tradition zurückzublicken. Das Glasmacherhandwerk gehört dazu. Wir wollen Ihnen in der folgenden Chronik auf anschauliche Weise die Entwicklung der Glashütte Schleusingen vorstellen. Erleben Sie eine lebendige Firmengeschichte hautnah. Eins wurde uns beim Schreiben dieser Chronik deutlich: Immer war das Wohl und Wehe der Hütte gebunden an die verschiedenen geschichtlichen Epochen unterschiedlicher Ausprägung. Ebenso unterlagen die vielen Glasmacherfamilien in ihrer Existenz diesen Einflüssen. Dennoch war das „Glasmachen“ für die Region Südthüringen und insbesondere für Schleusingen ein Segen. Und noch etwas bestätigt sich heute: Nach dem Zeitalter von Versailles, Locarno, Dawes ziehen keine „Venezianer Mandln“ (Männlein) mehr durch Thüringens Wälder, klopfen Moose und Flechten von den Gleichbergen ab und versuchen aus ihrem Basalt Glas zu machen (Sage im Mareile). Wenn man von Thüringen spricht, darf man nicht außer acht lassen, dass die Glasindustrie hier einen ihrer Hauptsitze schon seit Jahrhunderten hat. Neben den Hohlglashütten gab es schon immer eine Vielzahl von Glasinstrumentenfabriken und Glasschmuckbetrieben. Die Firmengründer der Glashütte von 1853, Daniel Wiegand und Adam Heinz, stammen aus bedeutenden Glashüttengeschlechtern bzw. Glasmacherfamilien, benannt seit der beurkundeten Glashüttengründung Langenbach im Jahre 1525. Ihr geistiges Erbe, die gesellschaftlichen Sitten des Hütten- und Familienlebens, lassen sich bis in die aktuelle Gegenwart des Glaswerkes nachweisen. Die damals vorherrschende familiäre „Werkgenossenschaft“ der Hütte bildete die Grundlage für die aus ihr herauswachsende Ortsgemeinde. Noch heute fühlen sich unsere Glasmacher mit dem Werkstoff Glas und der Hütte eng verbunden. Aus dieser Tradition konnte sich in den letzten Jahren wieder ein leistungsfähiges und erfolgreiches Glaswerk im Friedrichswerk bei Schleusingen entwickeln. Hinter diesem Erfolg stehen die Technik, die Technologie sowie vor allem die Mitarbeiter. Wir denken, es darf uns vergönnt sein, darauf stolz zu sein. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Studieren unserer Geschichte. Hartmut Walter Andreas Mastaler Geschäftsführer Betriebsleiter 2 Vorwort Schon seit Jahrtausenden gibt es Glas Zur Geschichte des Glases Das Glas entstand zuerst im Feuerfluss der Vulkane. Die ausgeworfene und erstarrte Lava bildete riesige Massive natürlichen Glases mit verschiedenen Farbtönungen. Die Härte und Schärfe dieses natürlichen Glases (Obsidian) hatte der Mensch bereits in der Steinzeit schätzen gelernt und daraus allerlei für ihn Nützliches hergestellt, u. a. Pfeil- und Speerspitzen, Schmucksteine und Amulette. Über den Zeitpunkt der ersten Herstellung von Glas durch Menschenhand gibt es verschiedene Angaben. Man kann jedoch davon ausgehen, dass Glas eher entdeckt als erfunden wurde; so als (ungewollter) glasiger Überzug von keramischen Gegenständen beim Brennen oder als Nebeneffekt bei der Kupferverhüttung in Form von Schlacken. So wie Bronze und Eisen, die Zeiten der Menschheitsgeschichte ihre Namen gegeben haben, verdanken auch Glasuren und Gläser ihre zunächst zufällige, später aber bewusste Herstellung der größten Erfindung der Menschheitsgeschichte, der Nutzbarmachung des Feuers. Wahrscheinlich sind aus Glasuren – die älteste Glasur ist grün, wurde in Ägypten gefunden und entstammt etwa aus der Zeit 12.000 v.u.Z. – die Gläser entwickelt worden. Das Glas, welches als das Älteste angesprochen wird, ist ein blaues Amulett, gefunden in Ägypten, aus der Zeit von 7.000 v.u.Z. Wahrscheinlich aber wurde in Mesopotamien, dem Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, schon viel früher als in Ägypten Glas erzeugt. Bei Asmar, nordwestlich von Bagdad, wurde ein Zylinder aus lichtblauem Glas mit erstaunlicher Reinheit gefunden, offenbar aus der Zeit 2.600 – 2.700 v.u.Z. Um 1.500 v.u.Z. fertigten ägyptische Glashandwerker die ersten Fläschchen mit der Sandkerntechnik an. Sie formten tonhaltigen Sand zum Kern des künftigen Gefäßes und überschichteten ihn mit Glas. Entweder durch Eintauchen des Sandkerns in die Glasschmelze oder durch kontinuierliches Umwickeln des Kerns mit hochviskosen Glas- Vermeintliche ägyptische Glasbläser nach einer Zeichnung von J.G. Wilkinson fäden, die auch schon unterschiedliche Farben aufweisen konnten, bildete sich das Gefäß. Nach der langsamen Kühlung in einem Fach des Ofens entfernten sie den Sandkern, ein wertvolles Hohlgefäß aus Glas war geschaffen. Die Ägypter und, nach den neuesten Anschauungen, auch die Bewohner Mesopotamiens konnten schon 3.000 bis 4.000 v.u.Z. Glas herstellen. In Ägypten nahm die Glasherstellung in den Jahren 1.560 bis 1.350 v.u.Z. einen großen Umfang an, als Theben die Hauptstadt des ägyptischen Staates und zugleich ein Zentrum der Glasproduktion war. Von hier kam die Glasmacherkunst im 1. Jahrhundert v.u.Z. nach Italien. In der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung begann die Gründung von Glasmacherwerkstätten in Rom, das bald zur Metropole der Glasmacherkunst wurde und erfolgreich mit Alexandrien in den Wettbewerb trat. Rom verbreitete die Glaskunde über das ganze römische Imperium. In Spanien, Gallien, Südengland, Germanien und am Nordufer des Schwarzen Meeres entstanden viele Glasmacherwerkstätten. Revolution in der Glastechnik war die Glasmacherpfeife Glasofen und Glasblasen im 9. Jahrhundert nach Amelli Eine Revolution in der Technik der Glasherstellung war die Erfindung der Glasmacherpfeife. Sie soll zunächst den Ägyptern zugeschrieben, nach weiteren Forschungen aber den Syrern zu verdanken sein, die kurz vor Beginn unserer Zeitrechnung dieses einfache, in seiner glastech- Schon seit Jahrtausenden gibt es Glas 3 Modell des Glasschmelzofens nach Theophilus, 10./11. Jh. nologischen Auswirkung aber epochemachende Werkzeug ersonnen haben. Die Glasmacherpfeife besteht aus einem 100 bis 150 cm langen Eisenrohr mit rund 1 cm lichter Weite. An einem Ende ist es zu einem Mundstück ausgebildet und mit einem wärmeisolierenden Griff versehen. Am anderen Ende befindet sich eine knopfartige Erweiterung. Damit holt der Glasmacher aus der Schmelze einen Posten flüssigen Glases und bläst ihn zu einem Hohlkörper auf. Seit dieser Zeit ist die Glasmacherpfeife trotz technischen Fortschritts aus der Glasfertigung nicht mehr wegzudenken. Das Blasen mit der Pfeife ermöglichte es, nicht nur einfache, bauchige Gefäße zu fertigen, sondern auch dünnwandige, feinere, mannigfach verformte Gläser. Durch das Einblasen in hölzerne Formen ließen sich Produkte standardisieren und in gleichmäßigen Serien herstellen. In die Formen eingearbeitete Vertiefungen wie Rillen, Rauten oder Netze schufen Dekore auf den Oberflächen der Gläser. Zugleich bedeutete der Einsatz der Glasmacherpfeife die Vorstufe für Flachglas. Dazu wurde das Glas zu größeren zylindrischen Körpern aufgeblasen, anschließend aufgeschnitten und im noch warmen Zustand gestreckt. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass sich seit jener Zeit auch an der Zusammensetzung des künstlichen Glases im Großen und Ganzen nicht viel geändert hat. Das älteste Glasrezept enthält die Tontafelbibliothek des assyrischen Königs Ashurbanipal (668 – 626 v.u.Z.). Da heißt es: „Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen, 5 Teile Kreide und du erhältst Glas.“ Die heutige Zusammensetzung des Glases: 70% Sand = Glasbildner, 14% Soda und Sulfat = Flussmittel und 14% Dolomit und Kalk = Stabilisatoren. Von diesen fünf angegebenen Bestandteilen ist der eigentlich glasbildende Teil der Sand mit der Kieselsäure. Soda und Sulfat fördern die Verflüssigung, Kalk und Dolomit verleihen dem Glas Glanz und Härte gegen Feuchtigkeitseinflüsse. 4 Schon seit Jahrtausenden gibt es Glas Die zwei letzteren Zusätze geben der Glasschmelze ein für die Fabrikation geeignetes Verhalten. Einschlüsse in der Grundmasse lassen sich nicht völlig ausschließen. Sie bestimmen später die Stichigkeit (z. B. grünstichig) des Glases. Die restlichen etwa 2% sind Glasmacherseifen, wie z. B. Braunstein, Ceroxid oder Salpeter als Färbeoder Entfärbemittel. Französische Glashütte um 1340 Glasschmelz- und Kühlofen nach Agricola, 16 Jh. In den ersten Jahrhunderten nach dem Beginn unserer Zeitrechnung waren die Glashütten von Alexandrien und Rom berühmt. Später entwickelte sich die Glasmacherkunst besonders schnell in Venedig. Im 9. Jahrhundert konnte Venedig schon erfolgreich mit Konstantinopel in den Wettbewerb treten und das byzantinische Glas vom Markt verdrängen. Einen besonders starken Anstoß zur weiteren Entwicklung erhielt die venezianische Glasmacherkunst im Jahre 1204 nach der Einnahme Konstantinopels durch die Kreuzritter, unter denen sich auch Venezianer befanden. Die zwangsweise Umsiedlung von Glasmachern nach Venedig stärkte die dortige Produktion erheblich. So wurde Venedig Mittelpunkt der Glasmacherkunst und bewahrte sich diese Stellung bis ins 16. und 17. Jahrhundert. Venezianische Glaswaren zeichneten sich durch Vielfalt der Formen und hohen künstlerischen Wert aus. Als stärkste Seemacht des Mittelmeeres führte Venedig mit den Ländern des Westens und des Ostens einen ausgedehnten Handel, wobei das Glas einen ansehnlichen Teil ausmachte. Kombinierter Schmelz- und Kühlofen, Ende des 16. Jh. Im Jahre 1291 wurden alle Glasmacher unter dem Vorwande des Feuerschutzes, in Wirklichkeit aber wegen der Erleichterung ihrer Beaufsichtigung, auf die Insel Murano, zwei Kilometer von Venedig entfernt, umgesiedelt. Ihnen war es verboten, die Grenzen der venezianischen Republik zu überschreiten. Der Verrat von Berufsgeheimnissen wurde mit dem Tode bestraft. Der Gipfel venezianischer Glasmacherkunst war die Schaffung reinsten Kristallglases, das sich durch den unnachahmlichen Glanz und absolute Farblosigkeit Glasschmelzofen mit 3 Kammern auszeichnete. Reiner Quarz- nach Agricola, 16 Jh. sand und aus Meerespflanzen gewonnene Pottasche waren die Voraussetzungen dafür. Charakteristisch für den Höhepunkt venezianischer Glasfertigung sind Pokale mit Hohlstielen und Fußschalen mit Reliefs des Markuslöwenkopfes. Anfangs Waldglas-, später Dorfglashütten Sieht man von den ältesten Glashütten auf deutschem Boden einmal ab, die vermutlich in Germanien von den Römern in den Jahren 40 und 50 n.u.Z. bei Trier und Köln ins Leben gerufen worden sind, so beginnt die Geschichte der deutschen Glasproduktion im engeren Sinne im Mittelalter. Deutsche Glasmacher ließen sich in den verkehrsfernen Waldgebieten der Mittelgebirge nieder, also dort, wo Holz – der Brennstoff – in unmittelbarer Nähe vorhanden war. Im Spessart, Thüringer Wald, Solling, Schwarzwald, Bayerischen Wald, Fichtelgebirge, Böhmerwald, Erzgebirge, Riesen- und Isergebirge entstanden Glashütten, die in wachsendem Maße Glas erzeugten. Später befanden sich die Hütten dort, wo Braunkohle und Sand frachtgünstig zu haben waren, beispielsweise in der Lausitz. Die Glashütten Thüringens sind deshalb und aus Tradition an ihren Plätzen geblieben. Die alten Glasmacher bauten nicht nur ihre Öfen selbst, sondern fertigten auch die Steine dazu aus geeigneten Tonen selbst an. Sie suchten sich auch die mineralischen Rohstoffe, die sie aufbereiteten, und die geeigneten Pflanzen, deren Asche sie als Gemengebestandteil verwendeten. Erschmolzen wurde zunächst ein grünliches, nicht gefärbtes Glas auf der Grundlage von Sand und Pottasche. Für die Gewinnung von Pottasche (Kaliumkarbonat) Schon seit Jahrtausenden gibt es Glas 5 Preis des Produktes in die Höhe getrieben hätte. In der Neuzeit, etwa ab Mitte des 16. Jahrhunderts, fand ein Übergang von der Wald- zur Dorfglashütte statt, da den Glasmeistern gestattet wurde, Wohn- und Gerätehäuser zu bauen und durch wohlüberlegte Waldrodungen Äcker und Wiesen anzulegen. Überhaupt drang das Glas mehr und mehr in Gebiete der aufstrebenden Wissenschaft und Technik ein. Galileo Galilei entwickelte 1529 ein Thermoskop, das als Vorläufer des 1550 in Venedig vorgestellten Thermometers gilt. Ebenfalls zu dieser Zeit hielt die Lampenglasbläserei als Glasnachbearbeitungsmethode zur Herstellung komplizierter Apparaturen durch Charnock ihren Einzug. 1607 entstand in Jamestown (Virginia) die erste Glashütte Amerikas und 1635 die erste russische in Duchanino. Die gesamte Glasgeschichte ist von dem Bemühen einzelner geprägt, Fertigungsverfahren und Produkt zu vervollkommnen und weiterzuentwickeln. 1679 faßte Johann Kunckel (1630 – 1703), Leiter der von Friedrich Wilhelm von Preußen bei Potsdam errichteten Glashütte, Überlieferungen und eigene Erfahrungen in seinem Handbuch „Ars vitraria experimentalis“ zusammen, das bis ins 19. Jahrhundert als wissenschaftliche Grundlage deutscher Glasmacherkunst anerkannt war. Berühmter jedoch wurde Kunckel durch die Herstellung eines Rubinglases unter Verwendung von Gold. Sein Rezept dazu hat er nie preisgegeben. Glasmacherwerkzeuge eignete sich am besten Buchen- und Eichenholz. Die Glasmacher verbrannten die Stämme in großen Feuern und laugten die Asche in Gefäßen, in den „Pötten“, aus. So gewannen sie Pottasche. Außerdem lieferten die Wälder Brennmaterial für die Glasöfen. Das fertige Produkt nannte man Waldglas. Daraus entstanden die meisten mittelalterlichen deutschen und böhmischen Gläser vor Einführung des Kristallglases. Die Waldglashütten waren Wohn- und Produktionsstätten. Typisch war: das Hauptgebäude mit einem oder mehreren Öfen, Wohn- und Schlafhäuser für den Meister und dessen Gesellen, ein Stall für das Vieh, meist waren das Zugochsen für den Holztransport, ein Schuppen für Gerätschaften, Wagen, Material, Glasware usw. Sofern der Glasmacher nicht mit der ganzen Familie dort wohnte, hatte er einen festen Wohnsitz in einem der umliegenden Dörfer. Die Hüttengebäude waren in leichter Holzbauweise gefertigt, da die Produktionsstätte in waldreichere Gebiete verlegt wurde, wenn alles Holz um sie herum verbraucht war. Aus diesem Grund wurden sie auch „Wanderhütten“ genannt. Die Waldglashütten produzierten Trinkgläser, Ringel- und Warzenbecher, Daumengläser, Flaschen, Fensterglas, Labor- und Apothekengläser. Die typische Farbe des Waldglases war grün. Dieser Farbton ergibt sich aus dem hohen Eisengehalt des Glases. Die zum Entfärben des Glases notwendigen Glasmacherseifen hätten aus anderen Gegenden importiert werden müssen, was den 6 Schon seit Jahrtausenden gibt es Glas Noch zur Zeit der französischen Revolution veranlasste der Nationalkonvent, in der Annahme, rotes Glas sei in jedem Fall durch Gold gefärbt, dass rote Scheiben aus mittelalterlichen Kirchen in die Pariser Münze zu liefern seien, damit aus ihnen wieder Gold gewonnen werden könnte. 1683 wird Böhmisches Kristallglas in Form von Kreideglas erfunden. 1686 führt man Ätzungen mit Fluss-Säure durch und 1688 gelingt das Gieß-Walzen von Spiegelglas. 1742 schlägt der schwedische Astronom Anders Celsius eine Temperaturmessung von 100 Graden zwischen dem Kochpunkt des Wassers und dem Schmelzpunkt des Eises vor. Inneres einer Glashütte nach Joh. Kunckel, 17 Jh. Glasschmelzofen in alter Zeit Im 18. Jahrhundert war das Königreich Großbritannien führend in der Produktion optischen Glases. Seit 1806 war das europäische Festland durch die napoleonische Kontinentalsperre von der Lieferung solcher Gläser abgeschnitten. Der Schweizer Optiker Pierre Louis Guinand (1748 – 1824) baute im Kloster Benediktbeuren eine optische Glasschmelze auf und lieferte Linsen, die eine bis dahin nicht gekannte Homogenität besaßen. Sein Nachfolger wurde 1813 Joseph von Fraunhofer, Sohn eines Glasmeisters und gelernter Spiegelmacher, der das auf Guinand zurückgehende Rührverfahren optimierte und Gläser erhielt, die es möglich machten, erstmals Brechkraft und Streuvermögen exakt zu bestimmen. Nach mannigfachen Versuchen gelang ihm die Erzeugung von Gläsern für leistungsfähige optische Geräte. Seine Fernrohre und Oberflamm-Hafenofen mit Regenerativ-Gasbeheizung, Siemens, 1861 Mikroskope waren berühmt. 1823 wurde er Professor der Physik und später in den Adelsstand erhoben. Fraunhofer starb im Alter von 39 Jahren. Justus von Liebig bekam 1824 in Gießen eine Professur für Chemie übertragen. Er beherrschte die Kunst des Glasblasens und fertigte seine gläsernen Laborgeräte selbst an. „Die wunderbaren Eigenschaften des Glases kennt jedermann, durchsichtig, hart, farblos, unverwüstlich durch Säuren und die meisten Flüssigkeiten, in gewissen Temperaturen geschmeidiger als Wachs, nimmt es in der Hand des Chemikers, vor der Flamme einer Öllampe, die Form und die Gestalt aller zu seinen Versuchen dienenden Apparate an“, schwärmte Liebig. Böhmischer Glasschmelzofen für Steinkohlebetrieb (oben: Außenansicht, unten: Innenansicht) Vermehrte Förderung von Stein- und Braunkohle machten die Glashütten vom Holz unabhängig. Die Standorte der Glashütten waren nicht länger an das waldreiche Mittelgebirge gebunden, sondern konnten in verkehrsmäßig erschlossene Gebiete verlegt werden. Der seit Urzeiten benutzte Hafenofen, in dem die Glasrohstoffe in einzelnen keramischen Gefäßen, den Häfen, geschmolzen wurden, reichte für die Massenerzeugung nicht aus. Die Erfindung des Wannenofens mit einem Fassungsvermögen bis zu mehreren hundert Tonnen ermöglichte die kontinuierliche Fertigung und den Einsatz von Maschinen. Die Ofentechnik wurde von Grund auf verbessert durch das Regenerationsverfahren, bei dem die Abluftwärme des Schmelz- Schon seit Jahrtausenden gibt es Glas 7 ofens das Heizgas und die Frischluft vor der Verbrennung erhitzt, so dass der Sauerstoff besser genutzt und höhere Schmelztemperaturen erzielt werden können. Kurz vor 1900 erfand der Amerikaner Michael Owens (1859 – 1923) die automatische Flaschenblasmaschine, die nach der Jahrhundertwende auch in Europa eingeführt wurde. Etwas später waren Verfahren zur maschinellen Herstellung von Flachglas verfügbar, ohne die der rasch wachsende Bedarf an Bauglas nicht hätte gedeckt werden können. Für den 1851 von Paxton in London zur Weltausstellung erbauten „Kristallpalast“ wurden 300.000 genormte Glasscheiben als Wandelemente verbaut. Ernst Abbe und Otto Schott legten Fundament für moderne Glastechnologie Das Fundament für die moderne Glastechnologie legten zwei deutsche Wissenschaftler. Otto Schott (1851 – 1935), Chemiker und Glastechniker, ging der Abhängigkeit der physikalischen Eigenschaften des Glases von seiner Zusammensetzung nach. Im väterlichen Kellerlaboratorium untersuchte er den Einfluss fast aller Elemente auf die Glasschmelze. 1876 kam Otto Schott mit Ernst Abbe (1840 – 1905), Professor in Jena und Mitinhaber der Firma Carl Zeiss, in Kontakt. Abbe brauchte für seine hochwertigen optischen Instrumente geeignete Gläser. Otto Schott gelang nach jahrelangen, zunächst enttäuschend verlaufenden Versuchen mit der 93. Schmelzprobe ein Glas von idealer Beschaffenheit. Er siedelte nach Jena über und gründete zusammen mit Ernst Abbe, Carl Zeiss und dessen Sohn Roderich das Glastechnische Laboratorium Schott und Genossen, das spätere Jenaer Glaswerk Schott & Gen. Weitere neuartige Glasarten und Schmelzverfahren wurden erdacht und gegen Hitze, Druck und che- Dorfglashütte 8 Schon seit Jahrtausenden gibt es Glas mische Angriffe erprobt. Im Laufe der kommenden Jahre gab es kaum noch einen Bereich der Industrie, der nicht mit Qualitätsgläsern aus Jena versorgt wurde. Feuerfestes Glas zum Kochen und Braten zog außerdem in die Haushalte ein. Glas in einfacher Form lässt sich heute theoretisch überall auf der Welt produzieren. Seine wichtigsten Rohstoffe und Heizenergie sind nahezu immer vorhanden, und die erforderliche Technologie steht weltweit zur Verfügung. Es gibt kaum ein Kulturland ohne Glasproduktion auf der Erde. Die Herstellung von Glas zur Verpackung von Lebensmitteln und Getränken und als Gebrauchsgegenstand im Haushalt ist nicht selten der Beginn der Industrialisierung der Entwicklungsländer. So treten immer mehr Völker in die viele tausend Jahre alte Glasgeschichte ein. Nichts deutet darauf hin, dass diese Entwicklung abreißt, denn Glas kann sich auf reiche Rohstoffreserven stützen und steht im Begriff, andere, knapper gewordene Materialien zu ersetzen. Hafenofen mit Halbgasfilterung Zeittafel der Geschichte der Glastechnik Von 7.000 v. u. Z. bis 1927 Vor unserer Zeitrechnung Nach unserer Zeitrechnung Um 7.000 Entstehungszeit eines in Ägypten gefundenen blauen Glasamuletts. 14 Gründung der Glasmacherwerkstätten in Rom. Um 2.500 Glasfunde in Syrien zeugen vom Bestehen von Glasmacherwerkstätten. 1. Jh. 2.350 Die Ägypter erzeugen durch Gießen flüssigen Glases in Hohlformen künstlich die heiligen, glückbringenden „Skarabäus-Käfer“. In den Provinzen des Römischen Imperiums, in Gallien, England, Spanien, am Rhein entstehen Glasmacherwerkstätten. 330 Konstantin l. zieht Glasmacher aus Ost und West nach Byzanz. 375 – 476 Untergang der westeuropäischen Glasindustrie in den Stürmen der Völkerwanderung. Bewahrung und Weiterentwicklung der Glaskunst in Byzanz. 11. Jh. Theophilus Presbyter gibt in seinem „diversarum artium schedulae“ eine Bauvorschrift für einen Glasschmelzofen und eine Beschreibung der Tafelglasherstellung durch Blasen von Walzen und Strecken. 1196 Erste urkundliche Erwähnung einer Thüringer Glashütte (bei Klosterlausnitz). Nach 1204 Aufschwung der Glasindustrie in Venedig nach dem Zerfall des oströmischen Imperiums. 1442 Erste Erwähnung einer Glashütte in Böhmen. 1525 Gründung der Glashütte Langenbach (Thüringen), Stammhütte der Hüttengruppen Fehrenbach und Lauscha 1556 Georg Agricolas „De re metallica“ mit Angaben über Glasschmelzöfen und -geräte erscheint. 16. Jh. Blütezeit der venezianischen Glasmacherei. 2.172 Im Grab von Mait in Ägypten finden sich blaue Glasperlen. 2.000 In China entstehen die ersten Glasgefäße, die in weicher Masse mit Bimssteinen ausgehöhlt werden. 1.900 Nach phönizischen Vorbild errichten die Ägypter Bildsäulen und Obelisken aus wetterfestem Glas. 1.750 Die Assyrer schöpfen die Glasmasse mit einem Metallstäbchen aus dem Tiegel und modellieren sie mit Zangen. Um 1.500 In Alexandria (Ägypten) entwickelt sich eine ägyptische Glasindustrie mit Zweigen in Kleinasien, Griechenland und Italien. Es werden farbige Perlen z.T. durch Überfangen und Auflegen farbiger Glasfäden sowie Hohlgefäße durch Modellieren um einen Tonkern hergestellt. Mit dem Schleifrad werden Inschriften eingeschliffen. Um 1.200 In Ägypten wird das Pressen bekannt. 54 Cicero erwähnt als erster Römer das Glas. 30 Die Glasmacherpfeife wird vermutlich in Syrien erfunden. Sidon und Tyrus sind Zentren der Glasmacherkunst. Zeittafel der Geschichte der Glastechnik 9 Nach unserer Zeitrechnung 1607 Gründung der ersten amerikanischen Glashütte in Jamestown (Virginia). 1609 Galileo-Galilei konstruiert mit von ihm errechneten Glaslinsen ein verbessertes Fernrohr. 1615 Beginn der Verwendung von Steinkohle an Stelle von Holz als Brennstoff für Glasschmelzöfen in England. 1683 M. Müller führt das Kreideglas in der Glashütte zu Winterberg ein. Das böhmische Kristall verdrängt das venezianische Glas. 1764 Einführung der Steinkohlenfeuerung in Deutschland (Minden/Westfalen). 1857 Fr. Siemens wendet die von ihm erfundene Regenerativfeuerung auf die Glasschmelze an. 1867 Fr. Siemens erfindet den kontinuierlich arbeitenden Glasschmelzwannenofen. 1886 J. Arnall regt Ashley zum Bau der ersten Flaschenblasmaschine an. Roirant Werbung, 1934 10 Zeittafel der Geschichte der Glastechnik 1899 M. J. Owens meldet ein Patent an auf eine Einrichtung zum Ansaugen von Glas in eine Vorform und entwickelt hieran anschließend die nach ihm genannte automatische Flaschenblasmaschine. 1902 In Deutschland wird die Glasflaschenblasmaschine patentiert. Der Amerikaner Pröger konstruiert eine Mehrfachglasblasmaschine. 1903 Von Bolten erfindet die Metallfadenglühlampe aus Glas. 1906 Die Owens-, Karussell-, Roirant- und Speiser-Maschinen finden in allen Glashütten der zivilisierten Welt Eingang. 1908 Robert Koch richtet sein Laboratorium gänzlich mit Glasinstrumenten ein. 1915 Die Owen’sche Flaschenblasmaschine wird in Serie erzeugt. 1927 Die deutsche Glaserzeugung deckt ein Drittel des Weltbedarfs. Die Glasindustrie im Thüringer Wald Besiedlung und Glashüttengründungen in Thüringen Im Thüringer Gebiet reichen die Nachweise über die Gründung von Glashütten bis in das 12. Jahrhundert zurück. Sie stehen in Verbindung mit Klöstern, da sie zur Herstellung von sakralen Gefäßen dienten. Urkundlich ist schon 1196 eine erste Glashütte in der Umgebung von Klosterlausnitz durch den von 1196 bis 1198 waltenden vierten Propst dieses Klosters, Dietrich von Weißenfels, erwähnt. Eine Glashütte bei Suhl weist ein Erbzinsbuch der Zeit zwischen 1350 und 1365 nach. Im 15. Jahrhundert befand sich bei Bermbach im Amt Steinbach-Hallenberg oberhalb der Mühle eine Glashütte. Ein Grund für die ältesten Niederlassungen in unmittelbarer Nähe der Wälder war der Bedarf am wichtigsten Rohstoff dieser Zeit, dem Holz. Die Gründungen waren vom Willen des Landesherren abhängig und der bestimmte sich nach wirtschaftlichen und finanziellen, nach kameralistischen Rücksichten. Am Glasbach, unterhalb Judenbach, wurde eine Glashütte um 1450 betrieben, die Vogtei Schleusingen bezog, wie für 1455 bezeugt, Glas von ihr. Die Entstehung des Ortes Fischbach (heute Ortsteil von Schleusingen) geht auf zwei Glashütten aus dem 15. Jahrhundert zurück. Eine der beiden hatte im Nebental des Fischbachgrundes, Richtung „Dreiherrenstein“, ihren Platz, die andere an der Keulroder Straße, am sogenannten „Geringsteich“. An die erste erinnert jetzt der „Hüttgrund“. Dieser Flurname ist schon 1530 aktenkundig. 1906 fand man beim Wegebau im Hüttgrund Scherben von Tontöpfen, alte Glasschmelzstücke und harte weiße Sandsteinklumpen sowie kleine Mauerreste. Ähnliche Funde machte der Lehrer Hanf 1958 beim Holzeinschlag am „Geringsteich“. Beide Hütten, die gemeinsam einem Besitzer gehörten, hatten nur kurze Lebensdauer. Nach den Vogtei-Rechnungen des Amtes Schleusingen bestanden sie von 1452 bis 1455. Spätere Rechnungen erwähnen die Glashütten nicht mehr. Schleusingen, 1700 Holzreichtum des Thüringer Waldes Die Glasindustrie im Thüringer Wald 11 Piesau (1622), Klein-Tettau (1661), Ernstthal (1707) und Alsbach (1711) waren unmittelbar mit den Ortsgründungen bzw. deren Erweiterung verbunden. Damit waren die Glashütten in dieser Gegend verantwortlich für die Urbanisierung, Besiedlung, Gründung von Ortschaften und für die wirtschaftlich soziale Stellung der Menschen. Der Holzreichtum des Thüringer Waldes, die heimischen Rohstoffe wie Sand und andere Zuschlagstoffe, die Herstellung von Aschen aus Holz und die Fertigkeiten der Menschen trugen zum Aufblühen der Glashüttenindustrie in dieser Zeit bei. Glashüttenstandorte befanden sich in den Gebieten der sächsisch-ernestinischen Ämter Eisfeld, Gräfental, Neustadt, Sonneberg, Ilmenau, des preußischen Amtes Lobenstein, des sächsisch-albertinischen Amtes Schleusingen. Während bis Glashütte Fehrenbach Im holzreichen Zillbachtal gewährt nach Neujahr 1461 Graf Wilhelm von Henneberg den Brüdern Retig und Cunz Kungkel das Recht, eine Glashütte zu bauen, die bis 1545 bestand. Kaum eine halbe und dreiviertel Wegstunde nördlich und westlich von Zillbach, bei den Meininger Dörfern Helmers und Eckardts, befanden sich im 15. Jahrhundert ebenfalls Glashütten. In Helmers erinnern sich die Einwohner noch heute an eine Glashütte. Die zweite Hütte wird dadurch nachgewiesen, dass im Jahre 1481 „vom Glaser aus Eckerichs“ ein Gulden Steuer erhoben wurde. Mit „Eckerichs“ ist Eckardts gemeint. Auch Gießübel wird im Zinsverzeichnis des Amtes Eisfeld von 1486 erwähnt (Schmelzen im Grund). 1525 gründeten Glasmacher aus Schwaben, Hans Greiner und sein Gehilfe Jacob Poffinger, in Langenbach, einem Seitental des Schleusegrundes, nahe Lichtenau, oberhalb Waldau eine Glashütte. Diese Glashütte gilt als Stammhütte vieler bis ins 18. Jahrhundert im Thüringer Wald gegründeten Hüttengruppen Fehrenbach und Lauscha (Anlage Stammtafel). Im Altendambacher Forst an der Silbacher Wand, zwischen Hirschbach und Erlau bei Schleusingen, liegt „ein Rod“ (eine Rodung), „Hüttstadt“ genannt. Dort war von 1530 bis 1543 eine Glashütte im Gang. Hans Breitenbach, gebürtig aus Schleusingen, ersuchte am 5. September 1564 den Herzog Johann Friedrich den Mittleren um Erlaubnis zur Anlage einer Glashütte in Fehrenbach (nahe Heubach). Die Genehmigung wird beurkundet am 8. Dezember 1564. Als 1583 Henneberg an Sachsen fiel, war der Holzmangel (eine Henneberger Waldortbeschreibung von 1587 gibt das Langenbacher Revier als „verhauen“ an) so fühlbar geworden, dass das Fortbestehen der Hütten in Frage stand. Wegen des Mangels an Holz und Asche zogen die Glasmacher nach Gräfental unter dem Grafen von Poppenheim und bauten um 1590 im „Marktiegel“ und später 1597 aus gleichem Grund in Lauscha eine Glashütte auf. Bis ca. 1700 wurden in Thüringen insgesamt 17 Glashütten gegründet, im Verlaufe des 18. Jahrhunderts weitere 19 Glashüttenbetriebe. Die Eröffnung der Glashütten 12 Die Glasindustrie im Thüringer Wald Mundglasmacher beim Fertigblasen Die Glashütten-„Compagnie“, das älteste Glashüttensyndikat Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, gründeten am 11. März 1735 auf der damaligen Glashütte Allzunah am Rennsteig 17 Glasmeister in einem vom Notar Johann Christoph Persch beglaubigten Vertrag eine Glashütten„Compagnie“. Es dürfte das älteste Glashütten-Syndikat auf dem Thüringer Wald gewesen sein. Die 17 Glasmeister vertraten acht Glashütten, die in Stützerbach, Allzunah, Alsbach, Friedrichshöhe, Siegmundsburg und Lauscha ihre Standorte hatten. Am 23. März 1735 erklärten weitere vier Glasermeister, die an der konstituierenden Sitzung nicht teilnehmen konnten, ihren Beitritt zu der „Compagnie“, womit nun auch die Glashütte Altenfeld zum Syndikat gehörte. In der sehr umfangreichen Gründungsurkunde ist ausführlich Zweck und Sinn des Syndikats dargelegt. Wegen der Länge dieser Urkunde ist es an dieser Stelle nicht möglich, sie im vollen Wortlaut wiederzugeben. So beschränken wir uns darauf, ein paar Punkte zu zitieren, die aber sehr aufschlussreich sind. In der Urkunde schreibt der Notar, dass ihm, „dem unterschriebenen Kaiserlichen Notar“ die anwesenden namentlich genannten 17 Glasmeister „mündlich vorgetragen haben, daß sie sich zur Deckblatt Glashüttensyndikat Ende des 17. Jahrhunderts die Waldglashütten, abhängig vom Baumbestand der Wälder, ständig ihren Standort wechselten, beginnen mit Anfang des 18. Jahrhunderts diese Hütten sesshaft zu werden. Die für die Wanderglashütten aus vorwiegend forsttechnischen Gründen auferlegte Verpflichtung, nur für die Zeit von Ostern bis zu Martini, d. h. von Anfang April bis 11. November, „zu schüren“, entfällt mit der Sesshaftwerdung. Die hierdurch mögliche ganzjährige Arbeitszeit brachte eine verstärkte Produktion, die noch erhöht wurde durch eine veränderte Ofenkonstruktion. Während bis zum 15. und 16. Jahrhundert noch allgemein der Rundofen mit zwei und vier Häfen üblich war, ist durch bahnbrechende Arbeiten der alten thüringischen Glashüttenleute im 18. Jahrhundert der längliche Ofen mit sechs und zwölf Hafenständen immer stärker im Vormarsch. Allenthalben entstehen in den deutschen waldreichen Gebieten Manufakturen und Glashütten, teils unter fürstlicher Regie – weil sie Geld brauchten – teils auch als Privatbetriebe der Glasmachermeister, die sich um diese Zeit bereits Fabrikanten nennen. Es ist verständlich, dass durch die oben gegebenen Entwicklungen die Überproduktion schnell zunimmt und dadurch auch ein entsprechender Preisverfall, ein ruinöser Wettbewerb. Die Glasindustrie im Thüringer Wald 13 1735 Bericht über Glassyndikat 14 Die Glasindustrie im Thüringer Wald Glashütte Gießübel bei Schönbrunn Die Glasindustrie im Thüringer Wald 15 Besserung des neuerdings zu sehr niedergegangenen Glashandels über gewisse Punkte verständigen und die Verständigung eidlich bekräftigen wollen. Ich sollte ihren Beratungen beiwohnen, die Punkte aufnotieren und sodann ihnen, sowie dem von ihnen erwählten Faktor (d. i. Syndikus) den Eid abnehmen. Ich habe demnach die Herren Anton Valentin Ewald, Stadtmusikant zu Schleusingen, und Johann Caspar Wiegand, Hufschmied zu Stützerbach, zu Zeugen geladen und mich mit ihnen auf die sogenannte Franzens-Hütte zu Allzunahe, in des dortigen Glasmeisters, Herrn Johann Heinrich Wenzels Haus, und zwar in die obere Stube, deren Fenster z. T. gegen Mittag, z. T. gegen Abend gehen, begeben, die oben erwähnten Herren Glasmeister daselbst angetroffen, und diese sind über folgende Punkte einig geworden: 1. Um der bisherigen Überproduktion, der Ursache des Geschäftsniedergangs zu steuern, sollen sämtliche um und auf dem Thüringer Wald gelegenen Glashütten jährlich nur 26 Wochen lang arbeiten. Die Altenfelder sollen 28 Wochen arbeiten und die Lauschaer 3/4 Jahr, da sie nicht ständig nur holländisches Glas verfertigen. 2. Es soll nach Möglichkeit nur reines, feines und tüchtiges Glas verfertigt werden, 3. Zur Hebung des gefallenen Handelspreises für Glaswaren soll der Glashandel einem tüchtigen und gewissenhaften als Faktor anvertraut werden. Dieser soll für den Absatz sorgen und die von den Hütten an ihn gelieferten Glaswaren gegen einen bestimmten, dem jetzigen Kurs entsprechenden Preis in Empfang nehmen. im Glashandel erfahrener Mann sein. Er soll mit seinem Vermögen für die Waren haften, diese mit Gewinn verkaufen und im Notfall gegen landesübliche Zinsen Vorschüsse geben.“ In den übrigen der insgesamt 14 Punkte sind weitere Maßnahmen festgelegt, so zum Beispiel haben die Glasmeister dafür zu sorgen, dass ihre Frauen und Kinder nicht heimlich Glaswaren verkaufen, dass alle Handelsleute an den Faktor zu verweisen sind, der Faktor ein besonderes „Contobuch“ anzulegen hat und nach Ablauf jeden Jahres Rechnung legen sowie den Überschuss an sämtliche Hütten auszahlen muss. Wer war nun dieser Faktor, dem eine so weitgehende Vollmacht innerhalb der „Compagnie“ erteilt wurde? Er hieß Heinrich Gottlieb Wentzel (1697 – 1766). Der Vater Franz Wentzel (1652 – 1705) kam aus dem Hannover’schen und gründete im Jahre 1691 die Hütte von Allzunah. Nach dem Tod von Franz Wentzel übernimmt 1705 der Sohn mit seinem Schwager Johann Nikolaus Gundelach den Betrieb. Diese Wentzel-Familie muss als besonders tüchtig bezeichnet werden. Denn der jüngere Bruder von Heinrich Gottlieb Wentzel geht 1742 nach Norwegen und wird von dort als befähigter Glasmeister, Formenmacher und Graveur in Noste Tangen bei Kongsberg besonders bekannt. Kein Wunder, dass die Glasmeister der „Compagnie“ dem Heinrich Gottlieb Wentzel die Aufgabe des Faktors übertrugen. Und er löste sie gut, gab er doch sofort 1735 eine Preisliste (Taxa-Liste, siehe Anhang) heraus, der bis 1737 zwei weitere folgten. Die Taxa-Liste ist eine der ältesten, vielleicht sogar die älteste Kartell- und Preisliste des europäischen Raumes. Sie gewährt bemerkenswerte und inter- 4. Die Beschaffung des dazu erforderlichen Kapitals soll dem künftigen Faktor anheimgegeben werden. Alle beteiligten Glasmeister haften solidarisch für dieses Kapital und sind damit einverstanden, daß seine Verzinsung aus der gemeinsamen Kasse geschieht. 5. Die beteiligten Glasmeister verpflichten sich unter Verpfändung ihres Vermögens, ihre Ware an niemanden anders als an den Faktor zu liefern, bzw. nach seiner Anweisung zu ‘spedieren’. Von diesem werden sie zu den für jede einzelne Gläsersorte festgesetzten Taxen bezahlt. Alle vom Faktor bestellten Sorten sollen sie so schnell wie möglich liefern und sich mit ihm für außerordentliche neue Modesorten über einen angemessenen Preis verständigen. Besonders soll das den Lauschaern allein überlassene Beinglas von diesen ordentlich geliefert und nach bestem Gewissen berechnet werden. Auch soll dafür im Verhältnis zum Preis dieselbe Abgabe für den Faktor geleistet werden, die ihm die anderen Hütten zahlen. 6. Jede Glashütte soll an den Faktor sogleich für 200 Thlr. Glaswaren liefern, deren Bezahlung nach Maßgabe der Vertragserfüllung erfolgt. 7. Um die beteiligten Glasmeister gegen Unterschlagung durch den Faktor zu sichern, soll dieser ein eingesessener, 16 Die Glasindustrie im Thüringer Wald Glashüttensyndikat Unterschriftenblatt Kupferhammer, 1819 essante Einblicke in die damalige Glasproduktion und die Reichhaltigkeit der alten Glasformen, der besonderen Bezeichnungen und der damals gehandhabten Herstellungsmethoden. Die etwa 430 Artikel umfassende Liste zeigt das Gesamt-Produktionsprogramm der damaligen Glashütten. Nach der heutigen Nomenklatur sind deutlich zu unterscheiden: Kelche, allgemeine Wirtschafts- und Behältegläser einschließlich „Bouteillen (veraltet für Flasche) und Fläschgen“, Flachglas/Fensterglas und erste Anfänge der sich in den späteren Jahrhunderten entwickelnden chemisch-technischen Hohlglas-Industrie. Nur die kartellmäßige Zusammenfassung der Produktion von acht Glashütten gab dem Faktor die Möglichkeit, ein so reichhaltiges Programm der damaligen Öffentlichkeit in der TaxaListe vorzulegen. Erstaunlich sind nicht nur die Bezeichnungen und die Fülle der Formen, sondern auch die große Kunstfertigkeit der damaligen Glasmeister auf den thüringischen Stuhlglashütten. stube wirklich ein Kupferhammer und danach ein Eisenhammer. Auch wenn die Bezeichnung Kupferhammer durch die spätere Bezeichnung „Friedrichswerk“ mit der Zeit verdrängt wurde, lebte dessen Name aber noch um 1910 in dem Kinderverschen „0, wi is die Welt so gruß, Dommich, Eärle, Bräteboch, Spittel, Roose, Kopferhomer, Hömühl, Ölmühl-Amen“ weiter. Das Straßennetz förderte die Entwicklung der Glashütten Um 1800 waren wegen der wirtschaftlichen Konkurrenz der Glashütten untereinander nur noch 15 in Betrieb. Deshalb verlor die Glaserzeugung in diesen Gebieten an Bedeutung. An Stelle der Glashütten traten in zunehmendem Maße Sägewerke sowie Kupfer- und Eisenhämmer. Aus einem solchen Kupfer- und Eisenhammer ging im Jahre 1853 auch die Glashütte Schleusingen hervor. Von 1466 – 1778 befand sich im Bereich der unteren Hafen- Hohlglas, Glasinstrumente, Thermometer, Glasemballagen, Kunstglas, Laboratoriumsbedarf – Produkte Thüringer Glashütten (historischer Stich) Die Glasindustrie im Thüringer Wald 17 Wesentliche Voraussetzung für eine günstige Existenz der verbleibenden Glashütten war die leichte Beschaffung der Rohstoffe und wohlfeile Deckung ihres Holzbedarfes, die sich daraus ergebenden Glaspreise und die Erweiterung des Absatzgebietes. Durch Öffnung der Zollgrenzen und den Ausbau der Fuhrstraßen wurden die Bedingungen für die Entwicklung der Glashütten besser. Von alters her haben Straßen und Wege aller Art einen Nerv des wirtschaftlichen, aber auch des politischen und kulturellen Lebens dargestellt. Die Überproduktion an Nahrungsmitteln und Gebrauchsgütern einer Landschaft mussten in jene Gebiete, in denen sie fehlten, befördert und die dort nur mangelhaft vorhandenen eingeführt werden. Unterhändler und Gesandte souveräner Staaten lösten auf vielen Reisen politische Aufgaben, und Künstler und Wissenschaftler trachteten danach, ihre Ideen und Werke allen Menschen zukommen zu lassen. Die weitaus größten Forderungen an ein möglichst weitverzweigtes Straßennetz stellte aber entschieden die Wirtschaft. Sie vor allem brauchte gute und feste Verkehrswege, um die Massen der Güter rasch und sicher zu befördern. Für Thüringen war das Straßenproblem von besonderer Bedeutung, bildete es doch das Herzstück Deutschlands, ja, das Zentrum Mitteleuropas. Darum galt es von jeher als vielberührtes Durchgangsland. Zwar erschwerten Gebirge der Randgebiete – Harz und Thüringer Wald mit Frankenwald – den Nordsüdverkehr, umso leichter aber konnte man von Westen oder Osten nach Thüringen kommen oder es in dieser Richtung durchziehen. So wird schon um 768 die Königstraße, die strata regia, genannt. Sie umging das Vogelsgebirge nördlich und führte von Frankfurt durch die Wetterau über Gießen, Treysa, Creuzburg nach Eisenach. Sie stand unter dem Königsbann und dem öffentlichen Frieden und kam deshalb zu ihrem Namen. Sie zog dann durch das Hörseltal über Gotha, Erfurt, Kösen, Naumburg weiter und 18 Die Glasindustrie im Thüringer Wald Eisenbahnverbindung Schmiedefeld – Schleusingen Werkseigener Gleisanschluss Glaswerk Schönbrunn endete in Leipzig. Von dieser Straße profitierte aber der Raum Schleusingen kaum. Erst als sich der Nordsüdverkehr mehr und mehr durchsetzte, fand auch Schleusingen immer besseren Anschluss, wurde sogar ein Zentrum, da sich hier dann eine ganze Reihe Verkehrswege trafen. Besonders die verkehrsfeindliche Barriere „Thüringer Wald“ wurde durch immer zahlreichere Übergänge überwunden. Im Osten verbanden zwei Straßen Nürnberg mit Leipzig. Die eine zog über Coburg, Judenbach, Gräfenthal, Saalfeld, Jena, die andere über Münchberg, Hof, Plaue, Zwickau, Altenburg. Doch auch diese beiden Straßen waren für den Raum Schleusingen von keinem großen Nutzen. Wohl aber der kürzeste Weg, der über den zentralen Gebirgsteil von Thüringen nach Franken führte. Darum entstanden hier schon im Mittelalter mehrere vielbenutzte Verkehrsstraßen. Die „Frauenstraße“ erreichte von Ilmenau aus über das „Steinerne Kreuz“ Frauenwald und gabelte sich hier in die „Würzburger“ und in die „Nürnberger Straße“, die sich zum Nahetal wendet und von dort aus über Unterneubrunn (heute Ortsteil von Schönbrunn) nach Eisfeld, Coburg, Bamberg bis nach Nürnberg führt. Die „Würzburger Straße“ durchlief Schleusingen und Bad Königshofen und endete in Würzburg. Zu erwähnen ist noch die „Suhler Leubenstraße“, die von Schleusingen kam, hinter Hirschbach in den Wallersbach einlenkte, den Alten Friedberg überschritt, Suhl erreichte und von dort aus über den „Fröhlichen Mann“ hoch zur Ausspanne und auf dem Rennsteig nach Oberhof führte. Ihr fernes Ziel war Erfurt. Die Handelsstraßen über den Thüringer Wald vereinigten sich am fünfarmigen Wegweiser an der „Hohen Straße“, der „Frauen- waldstraße“. Von Coburg über Eisfeld nach Schleusingen, von Coburg über Hildburghausen nach Schleusingen, von Würzburg über Römhild nach Schleusingen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass diese Straßen natürliche Straßen und in zumeist sehr schlechtem Zustand waren. Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert, als die Kunststraßen gebaut wurden. Eine der ersten, aber auch schwierigsten und kunstvollsten war die den Thüringer Wald überquerende Oberhofer Straße, die von Gotha nach Hildburghausen führt. Das Teilstück von der Suhler Struth bis nach Schleusingen war 1830 vollendet, im August 1831 auch das Teilstück bis zur Hildburghäuser Grenze fertiggestellt. Auf der Gesamtstrecke rollte dann seit 1832 der Verkehr. Von da an kam der moderne Straßenbau zügig voran. 1833/37 entstanden die Straßen Themar – Schleusingen, 1838/39 Schleusingen – Ilmenau, 1848/49 Schleusingen – Wiedersbach. Nicht nur der Bau der Kunststraßen, sondern mehr noch der Bau der Eisenbahnlinien war ausschlaggebend, dass die Thüringer Industrie und damit auch die Glasindustrie eine höhere Wirtschaftskraft erreichten. So ging am 2. November 1858 die Werrabahn mit 130 km Länge von Eisenach über Bad Salzungen, Meiningen Themar, Hildburghausen und Eisfeld nach Coburg in Betrieb. Auf der 59,2 km langen Bahnstrecke Arnstadt – Schleusingen rollten am 6. August 1879 die ersten Züge auf der Teilstrecke bis Ilmenau, am 15. August 1904 von Ilmenau bis Stützerbach, ab 1. September 1904 dann durchgehend von Mundglasherstellung um 1850 Die Glasindustrie im Thüringer Wald 19 Etliche dieser Glashütten sind noch heute im Thüringer Wald in Betrieb und fertigen auf modernen Produktionsanlagen sowie mit neuester Technologie Hohl- und Röhrenglas, Glasinstrumente, Glasschmuck und anderes technisches Glas. Es ist in diesem Zusammenhang durchaus interessant, einmal etwas über die Entwicklung und die Geschichte des Glasofens zu erfahren. Der Glasmacherofen, so alt wie die Kunst des Glasmachens selbst, hatte eine runde Form. Beheizt wurde er mit dem Holz, das man aus den Wäldern und Abholzungen rings um das Glashüttendorf holte. Gefeuert wurde an den beiden Enden des Ofens, wo für diesen Zweck Öffnungen ausgespart blieben. Die eine Öffnung nannte man das „Schürloch“, welches tief in den Glasofen hineinreichte. An der Stelle, an der das Schürloch zu Ende ging, befand sich ein quadratischer Ausschnitt, durch den man das Holz in den Ofen selbst befördern konnte. Auf der anderen Seite des Ofens befand sich ebenfalls eine Öffnung, die jedoch viel größer und geräumiger war, vergleichbar eher einem Stollen, der mit einem Gewölbe überdacht war. Dieser Raum nun wurde als Mundglasmacher beim Fertigblasen Arnstadt bis Schleusingen. Am 28. Oktober 1888 bereits war die 11 km lange Strecke Themar – Schleusingen eröffnet worden, so dass damit der Raum Schleusingen an das große Eisenbahnnetz Deutschlands Anschluss gefunden hatte. Schließlich folgte noch am 15. November 1911 die Eröffnung der knapp 16 km langen und landschaftlich äußerst reizvollen Bahnstrecke Schleusingen – Suhl. Natürlich profitierten davon auch die Glashütten im Schleusinger Raum und darüber hinaus. Als der Holzmangel kritisch zu werden drohte, wurde die Holzfeuerung durch die Kohlefeuerung ersetzt. Glasherstellung mit Braunkohle wird 1812/13 erwähnt. Aber die Steinkohlefeuerung in Thüringen gab es erst nach 1860. 1856 erfand Friedrich Siemens den Regenerativgasofen. Dies führte zur Industriealisierung der Glasindustrie. Die Entwicklung der thüringischen Glasindustrie im 19. Jahrhundert wurde gefördert durch neue Techniken. Diese ermöglichten neue Waren, neue Waren brachten weiteren Erwerb. Notwendigkeit und alte Arbeitsfreude schufen neue Betriebsformen. Laut statistischem Handbuch von 1922 befassten sich im Land Thüringen 1861 Gewerbebetriebe mit der Herstellung und Veredlung von Glassachen. Fabrikbetriebe für Glas zählte man am 31. Dezember 1921 rund 90 mit 6.000 Arbeitern, darunter 1.000 weiblichen. 20 Die Glasindustrie im Thüringer Wald Glasmacher auf dem Auftriebsstuhl „die Schür“ bezeichnet und war gesellschaftlicher Mittelpunkt in der Hütte. In der Schür herrschte wohlige Wärme. Aus diesem Grunde fanden sich hier die Leute ein, die es zu Hause nicht so warm hatten oder gar Leute, die überhaupt kein „Zuhause“ hatten. Hier konnten sie sich ausruhen, hier konnten sie sich sogar zur Übernachtung einrichten. Selbst alte und gebrechliche Leute trafen sich an diesem Ort. Platz war genügend vorhanden. Schon in alten Beschreibungen heißt es, „dass auf jeder Seite drei Leute der Länge nach hintereinander liegen konnten“. Auch Glasmacher kamen, um hier zu nächtigen, oder andere Glasmacher, die gerade auf Wanderschaft waren und anderswo keine Bleibe fanden. Die Schür gewährte allerlei Leuten Unterschlupf. Arbeitssuchende, die keiner geregelten Arbeit nachgingen, durften dann in der Schür verweilen, wenn sie bereit waren, die weniger feinen Arbeiten in der Glashütte zu übernehmen. Nicht selten versuchten die Glasmacher, ihre Frauen oder Kinder, Krankheiten in der Schür auszukurieren. Die Schür ist zu einem zentralen Punkt innerhalb der Glashütte geworden. Sie wirkte gerade für die Kinder recht einladend, wohl wegen ihrer düsteren und unheimlichen Ausstrahlung. Das Innere der Schür war verrußt, war schwarz. Wegen des finsteren Aussehens hat sich ein Hüttenspruch herausgebildet, der auch auf andere „unsaubere“ Orte angewandt wurde: „Da sieht es aus wie in der Schür!“ Für die Glasherstellung hatte der Ascheofen seine besondere Bedeutung. Er nahm z. B. die überschüssige Wärme auf und konnte damit zur Abkühlung des Glases verwendet werden. Zugleich diente er als Trockenkammer für das Holz und er wurde zum Erhitzen von Quarz verwendet, aus dem dann der feine Sand hergestellt wurde. Neben diesen für die Glashütte praktischen Nutzbarkeiten stand für die Dorfbewohner und für die Glasmacher selbst ein kulinarischer Genuss im Vordergrund: das Braten von Kartoffeln. Diese wurden in die heiße Asche geworfen und nach der entsprechenden Zeit wieder herausgeholt. Es gab angeblich keine Kartoffeln, die besser schmeckten, als die in der Schür gebratenen! Sogar für das Schälen der Kartoffeln entwickelten die Glasmacher eine besondere Technik. Sie holten die fertig gebratenen Kartoffeln aus dem Ascheofen und legten sie in eine Schale, die mit einer Menge Glasscherben angefüllt war. Darin schüttelten und rüttelten sie die Kartoffeln hin und her, so lange, bis die Haut durch die scharfen Kanten recht fein und säuberlich entfernt war. Heutzutage sind natürlich weiterentwickelte moderne Glasschmelzöfen in Betrieb. Die Hafenöfen enthalten bis 14 runde oder ovale Häfen (Schmelzgefäße aus Schamotte); sie werden nachts mit Glasgemenge gefüllt und tagsüber wird das Schmelzgut entnommen. Bei den kontinuierlich arbeitenden Wannenöfen wird an einem Ende des länglichen Wannenbeckens Gemenge eingelegt (Schmelzwanne), am anderen fertiges Glas entnommen (Arbeitswanne); diese beiden Teile der Wanne sind meistens durch eine Wand mit tiefliegendem Durchlass getrennt. Hafenofen Erlau Die Glasindustrie im Thüringer Wald 21 Wie aus dem „Friedrichswerk“ eine Glashütte wurde Die Entwicklung des Glaswerkes Schleusingen bis zum 19. Jh. vom 29. September 1853, folgende Mitteilung der PolizeiVerwaltung, unterschrieben von Bürgermeister Thielow: „Anlage einer Glashütte betreff. Die Glasfabrikanten, Herren Wiegand und Heinz hier beabsichtigen, in dem zu dem Eisenhüttenwerke Friedrichswerk gehörigen, isoliert gelegenen Kohlen-hause eine Glashütte mit einem Glasofen zu errichten. Etwaige Einwendungen gegen das Unternehmen sind binnen vier Wochen hier anzumelden.“ Es gab offensichtlich keine Einwände und so kaufte 1853 Herr Daniel Wiegand aus Altenfeld in Gemeinschaft mit Herrn Friedrich König aus Langewiesen das Werk. Herr Daniel Wiegand errichtete auf dem Betriebsgelände eine Eisenhammer im „Friedrichswerk“, 1850 Die Glashütte in Schleusingen wurde im Jahre 1853 auf dem Gelände eines Eisenwerks errichtet. In noch früherer Zeit, nämlich 1466, war an derselben Stelle („in der Hell“) von Meister Martin Semler und seinen beiden Söhnen Moritz und Matthes ein Kupferhammer eingerichtet worden, der 1535 durch Verkauf an den hennebergischen Rentmeister Joh. Jäger und seine Gattin Christina überging. Meister Martin Semler hatte schon 1461 vom Grafen Wilhelm III. zu Henneberg die Erlaubnis erhalten, vor dem Schleusinger Obertor („an der Maßen“) eine Kupferschmelzhütte anzulegen. 1552 gibt „Johann Jäger vom Hammer unter dem Spital ober Schleusingen, in der Hell, 3 fl. Erbzins It. Erbbriefe von den Jahren 1486, 1524 und 1535“. Kupfer- und Eisenhammer entstanden in jener Zeit meist nur dort, wo eigenes Erz gewonnen und verhüttet wurde. Es waren umfangreiche Anlagen, ihre Errichtung und Unterhaltung war natürlich sehr kostspielig. Und so wurde bereits 1547 der Kupferhammer in ein Gießwerk mit Zainhammer (Zain = ldsch. für Metallstab) umgewandelt. Platzbesitzer und Verwendungszweck wechselten im Laufe der Jahrhunderte oft, aber immer diente das Werk der Eisenverarbeitung. Der im Jahre 1827 erfolgte Übergang des Betriebes in die Hände des Senators Friedrich Schlundt trug Werk und Platz den Namen „Friedrichswerk“ ein, den es fast 100 Jahre behielt. Obwohl der Name „Friedrichswerk“ bereits seit Mitte vorigen Jahrhunderts in der Firmenbezeichnung des Glaswerkes nicht mehr enthalten ist, trägt ein Wohngebiet in Betriebsnähe weiterhin diesen Namen. Erstmalig ist von einem Glaswerk in Schleusingen im September 1853 die Rede. Im „Henneberger Kreisblatt“, 18. Jahrgang, Ausgabe Nr. 40, erschien unter dem Abschnitt „Bekanntmachungen durch die landräthliche Behörde“, datiert 22 Wie aus dem „Friedrichswerk“ eine Glashütte wurde Glashüttengründer Adam Heinz, 1893 seinerzeit aus zwei Wohnhäusern, einem Lagergebäude, dem großen Hammergebäude mit einem Glasofen und unterhalb desselben befand sich ein anderes Gebäude mit ebenfalls einem Glasofen. An beiden Wohngebäuden gab es zwei schöne, wohlgepflegte Blumen- und Gemüsegärten. Die ganze Fabrik beschäftigte damals 72 Personen, wovon 37 aus den umliegenden Orten und 35 „Ausländer“ (nicht im Kreis wohnhafte Arbeitskräfte) waren. Die Glashütte trug zur damaligen Zeit mehr oder weniger den Charakter eines Handwerksbetriebes, denn neben dem Besitzer Adam Heinz arbeiteten sowohl dessen Frau als auch Robert und Carl Heinz, 1903; Besitzer des „Friedrichswerkes“ seit 1897 Glasfabrik, welche mit Glück betrieben wurde. Das „Friedrichswerk“ begann 1853 mit 30 Arbeitern und einem Ofen in der sogenannten unteren Hafenstube. 1854 erwarb Herr Adam Heinz von Herrn Daniel Wiegand, seinem Schwiegervater, dessen Anteil an der Hütte und fünf Jahre später ebenso käuflich den Anteil von Herrn König. Die Glasmacherfamilie Heinz kam aus Langenbach und Fehrenbach, errichtete 1621 in Piesau eine Glashütte und in der Folgezeit weitere Glashütten in Altenfeld, Neustadt a.R., Gehlberg, Stützerbach, Schmalenbuche, KleinTettau, Grumbasch und Carlsfeld. Damit ist die Familie Heinz eines der bedeutendsten Glasmachergeschlechter Thüringens. Johann Adam Heinz kam am 8. März 1821 zu Alexanderhütte in Oberfranken als Sohn des 1776 geborenen Glasmeisters Joh. Christoph Tobias Heinz daselbst und der Wilhelmine Elisabeth Christiane (geb. Heinz) zur Welt. Er verheiratete sich 1848 mit Lina Rosalie Wiegand aus Altenfeld. Johann Adam Heinz starb am 28. Juni 1897 zu „Friedrichswerk“. Seine Nachfolger wurden seine Söhne Carl (geb. 1859) und Robert (geb. 1858). Nach dem Ableben von Robert Heinz im Jahre 1907 war Carl Heinz alleiniger Besitzer des „Friedrichswerkes“. Herr Adam Heinz baute bereits 1861 den zweiten Glasofen, und zwar in dem früheren großen Hammergebäude, der sogenannten oberen Hafenstube. Das Werk bestand Ansicht Herrenhaus mit Garten und Brunnen die größeren Kinder im Betrieb mit. Herr Heinz war als Glasmacher und Sortierer tätig, während die Frau das Glas in Stroh verpackte. Die Söhne wurden als Sortierer beschäftigt. Der Transport des in größeren Mengen benötigten Brennholzes erfolgte ausschließlich mit Ochsenund Pferdegespannen. Diese transportierten auch die Schmelzmaterialien sowie das gefertigte Glas. Der Sand wurde am Altendambacher Berg gegraben und im Mühlgraben des Werkes gewaschen. Herrenhaus der Familie Heinz Wie Turmknopfaufzeichnungen aus St. Kilian, geschrieben am 26. Oktober 1867 von dem damaligen Buchhalter der Glasfabrik, Herrn Adalbert Bonsack, zu entnehmen ist, hoffte der Besitzer, Herr Adam Heinz, wenn Gottes Segen noch ferner damit ist, das Werk noch bedeutend vergrö- Wie aus dem „Friedrichswerk“ eine Glashütte wurde 23 Holzfeuerung in den Glashütten Platz griff. Bereits fünf Jahre später und zwar 1892 konnte ein weiterer Glasschmelzofen, die Hütte II mit Ofen II, in Betrieb gehen. Dieser folgte im Jahre 1896 der Bau der Hütte III mit Ofen III. Den Abschluss dieser rasanten Entwicklung bildete 1899 der Bau der Hütte IV mit Ofen IV. Die Inbetriebnahme des Ofens IV erlebte Herr Adam Heinz nicht mehr. Er starb 1897 im Alter von 76 Jahren nach einem arbeitsreichen und erfolgreichen Leben. An diesen Ofenanlagen wurden hauptsächlich mundgeblasene Verpackungsgläser für die Industrie und Kosmetika produziert. In den Schleifereien besorgten die dort Beschäftigten das Einschleifen der angefertigten Eng- und Weithalsflaschen. Ab diesem Zeitpunkt fertigten im Werk Schleusingen ca. 400 Beschäftigte in drei Hüttengebäuden an vier Glasschmelzöfen (Hafenöfen) vorwiegend Behälterglas, das an viele Firmen in Deutschland und dem Ausland geliefert wurde. Wie einem alten Warenausgangsbuch zu entnehmen ist, gehörten dazu zum Beispiel die Firmen Ferd. Nagel Söhne in Hamburg, L. Phannemann & Co. in München, Caesar & Lortz in Halle, Dr. P. Raschig in Ludwigshafen, A. Jannowitze in Wien und R. B. Turne in London. Siegel der Firma Adam Heinz ßern zu können. Diese Hoffnung ging in Erfüllung, denn die um sich greifende Industrialisierung, nicht zuletzt begünstigt durch den gewonnenen deutsch-französischen Krieg von 1870/1871, sowie der Fleiß der Arbeiter und Angestellten ermöglichten es, dass Herr Adam Heinz nicht nur 1878 mit seinen mehr als 100 Arbeitern das 25-jährige Betriebsjubiläum feiern, sondern bereits im Jahre 1887 ein neues Hüttengebäude mit einem weiteren Glasschmelzofen bauen und in Betrieb nehmen konnte. Es handelt sich dabei um die Hütte I mit Ofen l, erstmalig mit Braunkohlenbriketts beheizt, weil infolge Nachlassens des Holzreichtums der Wälder die Verfeuerung von Kohlen anstelle der Rechnungsbriefkopf der Glashütte „Friedrichswerk“ ab 1880 24 Wie aus dem „Friedrichswerk“ eine Glashütte wurde Mit dem Bau der Eisenbahn von Themar nach Schleusingen im Jahre 1888 trat für das „Friedrichswerk“ auf verkehrstechnischem Gebiet eine wesentliche Erleichterung ein, weil die für die Glasproduktion erforderlichen Rohund Brennstoffe von da ab nur noch vom Bahnhof in Schleusingen abgeholt werden mussten. Auch die Fertigerzeugnisse konnten nunmehr dort verladen werden. Es bleibt noch nachzutragen, dass Herr Adam Heinz und sein Sohn Carl Heinz als sehr tüchtige und umsichtige Fabrikbesitzer stets dafür sorgten, sich selbst und das Glaswerk harmonisch in das gesellschaftliche Umfeld einzubetten. So war Herr Carl Heinz vom 22. November 1903 bis 2. Januar 1917 als Stadtverordneter und vom 17. September 1919 bis 1933 als Senator in Schleusingen tätig. Glaswerk Waldau Diese allgemein geschätzte Tätigkeit fand insofern Anerkennung, dass Herr Carl Heinz am 18. September 1928 zum Ehrenbürger der Stadt Schleusingen ernannt wurde. Sowohl Adam als auch Carl Heinz sowie das Glaswerk gehörten zudem zahlreichen Vereinen oder Vereinigungen an. Die im Betriebsarchiv aufgefundenen Unterlagen sind unvollständig, so dass eine umfassende Darstellung nicht möglich ist. Die Firma war aber zum Beispiel Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kaufmanns-Erholungsheime e.V. Sie musste 1929 einen Jahresbeitrag von 250.- Reichsmark zahlen. Die Gesellschaft teilte dabei mit, dass die Verpflegungssätze für den kommenden Sommerbetrieb wie folgt gestaffelt sind: Preisgruppe A (9 Heime) 3,70 RM täglich, Preisgruppe B (18 Heime) 4,00 RM täglich, Preisgruppe C (13 Heime) 4,40 RM täglich; für Kinder von 2 bis 10 Jahren gelten entsprechend niedrigere Sätze (2,00 bis 3,20 RM, im Kinderheim Schwelm 2,75 RM). Die Firma war ferner Mitglied der Deutschen Glastechnischen Gesellschaft und des Verbandes der Mitteldeutschen Industrie. Herr Adam Heinz war Mitglied der Reichsunfallversicherung, einer Versicherungsgenossenschaft der Privatfahrzeug- und Reittierbesitzer. Er gehörte gleichsam dem Zentralverband deutscher Kriegsbeschädigter und Kriegshinterbliebener sowie dem Reichsverband zur Unterstützung deutscher Veteranen an. Herr Carl Heinz war mit einem Jahresbeitrag von 100.- RM Mitglied des Reichsverbandes für Kriegspatenschaften, der sich der Kriegerwaisen annahm. Mitgliedschaften Wie aus dem „Friedrichswerk“ eine Glashütte wurde 25 Mitgliedschaften 26 Wie aus dem „Friedrichswerk“ eine Glashütte wurde Hafenöfen I und II „Friedrichswerk“ nach 1892 Wie aus dem „Friedrichswerk“ eine Glashütte wurde 27 Mit der Eisenbahn weiter voran Weitere Glashütten rings um Schleusingen 1903 konnte die Familie Heinz zusammen mit den Arbeitern das 50. Jubiläum der Glashütte begehen und mit Zuversicht den Betrieb weiter ausbauen. Die günstige wirtschaftliche Entwicklung im Kaiserreich sowie der wachsende Bedarf an Behälterglas veranlassten Herrn Carl Heinz, im Jahre 1905 im Nachbarort Hinternah eine weitere Glashütte zu bauen, welcher bereits ein Jahr später, also 1906, der Bau der Hütte in Schleusinger-Neundorf folgte. In diesem Zusammenhang ist ein Brief interessant, den die „Königliche Gewerbe-Inspektion zu Erfurt“ am 11. Juli 1905 an Herrn Adam Heinz, Glashütte „Friedrichswerk“ Schleusingen schrieb, weil er zeigt, dass auch im kaiserlichen Deutschland Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeiter nicht unbeachtet blieben. Der von einem Herrn Niemeyer unterschriebene Brief lautet: „Auf Ihr wertes Schreiben von gestern erwiedere ich Ihnen ergebenst, Zur Erinnerung an das 50-jährige Geschäftsjubiläum 1903 28 Mit der Eisenbahn weiter voran dass die Concessionsunterlagen für Ihre neue Glashütte in Schleusingen-Neundorf schon am 8. Juli von mir nach Prüfung an den Kreisausschuss zurückgereicht sind. Als Concessionsbedingungen sind wie früher aufgenommen: 1. Im Gemengeraum ist das Mischen der einzelnen Sätze mit solchen Vorrichtungen zu besorgen, dass die Arbeiter nach Möglichkeit gegen Staubentwicklung geschützt sind. 2. Die unter V Absatz 1 und 2 der Bekanntmachung des Herrn Reichskanzlers betr. die Beschäftigung von Arbeiterinnen und Arbeiter in Glasshütten, Glassschleifereien und Glassbeizereien vom 5. März 1892 (Reichsgesetzblatt Nr. 13 Seite 65) vorgeschriebenen Aushänge sind im Ofengebäude, in den Bindestuben etc. an gut sichtbarer Stelle in deutlich lesbarer Schrift anzubringen. 3. Um der Weiterverbreitung der Tuberkulose nach Möglichkeit entgegenzuwirken, sind sämtliche Arbeiter in Zwischenräumen von einem halben Jahre einer ärztlichen Untersuchung auf ihren Gesundheitszustand zu unterwerfen. Der Befund ist in ein Krankenbuch einzutragen. Zu demselben Zwecke müssen auch die Wassertröge und anderen Behälter, in denen die Glassbläser ihre Pfeifen kühlen, mit Vorrichtungen zur ständigen Zuführung frischen und zur Abführung des gebrauchten Wassers versehen werden; ausserdem sind diese Wasserbehälter einer häufigen und grünlichen Reinigung zu unterziehen. 4. Die Essräume sind am besten mit kleinen Tischen und festen Stühlen auszustatten, damit die Arbeiter sich beim Essen nach Belieben zusammensetzen können, wie es ihr Wunsch ist. Glashütte Schleusinger-Neundorf mit Gasthaus Engertal, 1906 – 1929 5. Die Waschgelegenheiten sind so einzurichten, dass den Arbeitern nach Bedarf frisches Wasser zu- und das Schmutzwasser unten abfliesst. 7. In dem vorgesehenen Arztzimmer ist für ausreichendes Verbandmaterial und für die Beschaffung der erforderlichen chirurgischen Hülfswerkzeuge Sorge zu tragen.“ 6. Sollte später mit der Glasshütte eine Glasschleiferei verbunden werden, so sind über die Anlage derselben besondere Zeichnungen einzureichen und es ist dabei zu berücksichtigen, das die Abwässer der Glassschleiferei vor Eintritt in den Flusslauf in genügend großen Absatzbassins gereinigt werden. Ebenso sind, wenn Arbeiterwohnungen auf dem Werk später errichtet werden sollen, neben Erwirkung der baupolizeilichen Erlaubniss genaue Zeichnungen und Beschreibungen der Räume an die Gewerbe-Inspection einzureichen. Im Werk Schleusingen gründete der Glasarbeiterverband 1907 eine Zahlstelle, die allerdings nur kurze Zeit bestand. Im gleichen Jahr wurde im Werk Schleusingen die erste Turbine zur Erzeugung von elektrischem Strom in Betrieb genommen. Nicht zuletzt ausschlaggebend dafür war auch der Aufbau und die Inbetriebnahme der Eisenbahnstrecke von Ilmenau nach Schleusingen und von Suhl nach Schleusingen. So wie in einzelnen Etappen die Bahnstrecke in Betrieb ging, so entstanden auch jene Glashütten. In Verbindung mit dem Bau der Eisenbahnstrecke von Glashütte Hinternah bei Schleusingen, 1905 – 1945 Mit der Eisenbahn weiter voran 29 Glashütte Schmiedefeld 1923 – 1931 (Hafenofens) in der Nachbargemeinde Erlau. Dieser Betrieb musste jedoch nach nur einjähriger Produktion wieder stillgelegt werden, weil infolge des am 1. August 1914 ausgebrochenen 1. Weltkrieges nicht mehr in ausreichendem Maße Arbeitskräfte für die Glasherstellung zur Verfügung standen. Aus gleichem Grunde konnten auch die Glashütten in Hinternah und Schleusinger-Neundorf, die am 4. August 1914 stillgelegt wurden, nicht mehr betrieben werden. Ferner musste die Kapazität der Schleiferei in „Friedrichswerk“ eingeschränkt werden. Aus nachvollziehbaren Gründen war Herr Carl Heinz in starkem Maße daran interessiert, in den umliegenden Ortschaften möglichst keine andere Industrie aufkommen zu lassen. Aus diesem Grunde und begünstigt durch die Möglichkeit eines Gleisanschlusses erfolgte im Jahre 1913 auch der Bau einer Hütte und eines Glasschmelzofens Erst nach der Novemberrevolution 1918 war es im Jahre 1919 erstmals möglich, dass sich die Glasarbeiter gewerkschaftlich zusammenschließen konnten, so auch in der Firma Adam Heinz. In der Firma selbst erfolgte unmittelbar nach Kriegsende im Jahre 1918 zunächst eine volle Auslastung der Schleiferei im Werk Schleusingen. 1920 nahm auch die Hütte in Schleusinger-Neundorf wieder den Betrieb auf. In den Werken Erlau und Hinternah lief erst in den Jahren 1921 und 1923 die Produktion wieder an. Im Jahre 1923 wurde noch die Glashütte Neuwerk AG Schmiedefeld erworben, an welcher Herr Carl Heinz mit einem Anteil von ca. 51% die Aktienmajorität besaß. Dieser Umstand begünstigte den Kauf der Hütte, welcher jedoch in erster Linie aus Gründen der Ausschaltung der Konkurrenz erfolgte. Blick zur oberen Hafenstube und Glockenturm Im Interesse der Deckung des ständig steigenden Bedarfs an Behälterglas wurde die Anfang der 20er Jahre eingeführte halbautomatische Fertigung auf Kutzscher-Maschinen stark forciert. Diese funktionierten in der Form, dass der „Anfänger“ einen entsprechenden Glasposten mittels Anfangeisen aus dem Ofen holte und in die Vorform brachte. Der „Meister“ oder „Motzer“ schnitt mittels Glasschere den Glasposten in der erforderlichen Glasmenge ab. Es wurde zunächst die Glasmündung geformt und gleichzeitig mit Hilfe von Vakuum in die Vorform angesaugt und zum sogenannten „Külbel“ kurz vorgeblasen. Bei diesem Vorgang stand das Külbel noch auf dem Kopf. Der Motzer hängte dann das Külbel in entgegengesetzter Richtung in die Fertigform. Der „Ausbläser“ gab dann wiederum mittels Pressluft in der Fertigform dem Glasartikel das gewünschte Aussehen. Danach wurde das noch rotglühende Fertigerzeugnis vom „Einträger“ auf seiner „Eintragschau- Verwaltung und altes Pförtnergebäude am Friedrichswerk Schleusingen nach Suhl erhielt „Friedrichswerk“ im Jahre 1911 einen Gleisanschluss. Dies war für das Werk, zu dieser Zeit waren dort etwa 400 Leute beschäftigt, ein außerordentlich großer wirtschaftlicher Vorteil, weil die Entladung der Roh- und Brennstoffe sowie die Verladung der Produktion nunmehr unmittelbar vor Ort erfolgen konnten. 30 Mit der Eisenbahn weiter voran Herstellung von Pressglasartikeln Mundglasherstellung, Anfangen eines Külbels fel“ zum „Kühlofen“ getragen. Dort erfolgte eine nochmalige Erhitzung auf 560 – 600 Grad Celsius und die allmähliche Abkühlung. Dadurch wurden die aufgetretenen Spannungen im Glas weitestgehend abgebaut und eine hohe Stabilität des Glaskörpers erreicht. Die Firma Adam Heinz Glashütte „Friedrichswerk“ Schleusingen stand um 1925 – was die Anzahl ihrer Werke, der in diesen produzierenden Werkstellen sowie die Anzahl der ca. 840 beschäftigten Arbeitskräfte anbetrifft – auf dem Zenit ihrer Entwicklung. In den Jahren 1925/26 entstand ein Wohlfahrtsgebäude mit Ledigenwohnheim. In den einzelnen Produktionsstätten des Betriebes fertigten die Glasmacher überwiegend mundgeblasene Flaschen und Gläser, aber auch maschinengeblasenes Glas für die verschiedensten Industriezweige. Darüber hinaus enthielt die Produktpalette auch eine Anzahl von Pressglasartikeln sowohl für den industriellen Einsatz als auch für den unmittelbaren Hausgebrauch. Die Folgen von Inflation und Weltwirtschaftskrise Am 11. November 1923 legten die Arbeiter der Glashütte Adam Heinz die Arbeit nieder, da ihr Wochenverdienst von mehreren Millionen Mark nicht mehr ausreichte, um ein einziges Brot zu kaufen. Dieser Lohnstreik ging aber für die Arbeiter verloren, acht von ihnen wurden entlassen. Mundglasherstellung, Vor- und Fertigblasen Mit der Eisenbahn weiter voran 31 Auf Grund der außerordentlich schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse, welche nach der Inflation und der Weltwirtschaftskrise in Deutschland herrschten, mussten die Glashütte in Schleusinger-Neundorf Mitte 1929 und das Werk Hinternah gegen Ende des Jahres 1930 stillgelegt werden. Ein Teil dieser Glasmacher kam nach „Friedrichswerk“. Dort waren inzwischen kontinuierlich arbeitende Wannen, neue Glasschmelzöfen mit Voll- und Halbautomaten installiert worden. Die Glasmacher arbeiteten nun im Dreischichtbetrieb. Die beiden stillgelegten Glashütten wurden im Zuge der Zentralisierung der Produktion auch nicht wieder in Betrieb genommen. Das gleiche Schicksal erlitt die Hütte in Neuwerk, deren Stilllegung Ende 1931 erfolgte. Welche enormen Auswirkungen die Wirtschaftskrise in den Jahren 1929 bis 1931 auf die Firma Adam Heinz hatte, verdeutlicht in treffender Weise auf dieser Seite untenstehende Übersicht. Im Verlaufe von nur zwei Jahren sind also drei Hütten mit vier Glasschmelzöfen und 43 Werkstellen zum Erliegen gekommen, was die Entlassung von 513 Belegschaftsmitgliedern zur Folge hatte. Arbeitslosigkeit und damit verbunden sozialer Abstieg waren für viele der betroffenen Menschen die traurige Begleiterscheinung der krisengeschüttelten Wirtschaft. Eigentlich verständlich, dass unter diesen Verhältnissen das 75-jährige Jubiläum der Glashütte nicht begangen wurde. Jedenfalls liegen keinerlei Informationen über eine solche Feier vor. Mundglasherstellung Datum 04. November 1929 13. November 1931 32 Mit der Eisenbahn weiter voran Mundglasherstellung Anzahl derBetriebe Anzahl der Öfen Anzahl der Werkstellen Anzahl der Arbeiter 5 2 8 4 112 69 1053 540 Die „Hütte“ in der Zeit des Nationalsozialismus Vollautomatische Glasmaschinen und Kriegsgefangene Der Aufwärtstrend in der deutschen Wirtschaft Mitte der 30er Jahre, die hohe Qualität der in „Friedrichswerk“ und Erlau hergestellten Erzeugnisse sowie der gute Ruf, welchen das Werk genoss, führten dazu, dass die Entwicklung der Fa. Adam Heinz nach der Weltwirtschaftskrise sehr positiv verlief. So befanden sich 1935 im „Friedrichswerk“ neben dem Hafenofen Erlau ständig zwei kontinuierliche Durchlasswannen, eine Tages-wanne und zeitweise ein Vier-Hafen-Ofen in Betrieb, wobei die Durchlasswannen bereits zwei- bzw. dreischichtig besetzt waren. Doch auch zu jener Zeit gab es hinsichtlich der Entlohnung der Glasmacher immer wieder Auseinandersetzungen mit der Firmenleitung. Dazu sei von den wenigen Unterlagen, die zur Lohnpolitik in der Glashütte noch existieren, aus einem Protokoll über die Betriebsratssitzung am 19. September 1933 zitiert: „Die beiden Punkte der letzten Sitzung ‘Regelung der zum Teil niedrigen Glasmacherverdienste und Regelung des Ausbläserverdienstes’ kommen nochmals zur Aussprache. Es wurde festgestellt, dass am Ofen III die Verdienste heute noch als normal zu bezeichnen sind, trotzdem es ein alter Ofen ist, während an den anderen Öfen die Verdienste zum Teil unter dem Richtlohn liegen. Aber auch eine ganze Reihe Stühle mit gleichen Sorten am gleichen Ofen haben sehr verschiedene Verdienste, was doch zeigt, dass nicht die Akkordsätze und Arbeitsbedingungen an den niederigen Verdiensten schuld sind, sondern es an den betreffenden Werkstellen selbst liegt.“ manuelles Einlegen von Gemenge am Hafenofen Einträgerin am Halbautomaten Einträgerin am Kühlofen in Erlau Die „Hütte“ in der Zeit des Nationalsozialismus 33 Herstellen von Flaschen durch Mundblasen Eintragen von Gläsern in den Kühlofen Endkontrolle der Gläser 34 Die „Hütte“ in der Zeit des Nationalsozialismus Eintragen von Glasdeckeln in den Kühlofen Fertigung mit Halbautomaten, Vier-MannBesatzung: Anfänger, Vorbläser (beide im Bild), Ausbläser und Einträger Die „Hütte“ in der Zeit des Nationalsozialismus 35 Fertigung mit Halbautomaten, Vier-Mann-Besatzung: Anfänger, Vorbläser, Ausbläser und Einträger 36 Die „Hütte“ in der Zeit des Nationalsozialismus Anfänger und Vorbläser Die „Hütte“ in der Zeit des Nationalsozialismus 37 Halbautomatenfertigung Einschleifen von Flaschen und Stopfen Halbautomatenfertigung Vollautomat „Roirant“ 38 Die „Hütte“ in der Zeit des Nationalsozialismus Vollautomatische Fertigung auf Roirantmaschinen (einarmige Maschinen) Um den nunmehr vorhandenen Mangel an Arbeitskräften, hervorgerufen durch Abwanderung in andere Industriezweige sowie durch behördliche Arbeitsverpflichtungen von Werktätigen in die Rüstungsindustrie, zu überbrücken, importierte das Werk bis 1944 aus Belgien 13 vollautomatische Glasblasmaschinen des Typs „Roirant“ (einarmige Maschinen) und nahm sie in Betrieb. Damit fabrizierten die Glasmacher im „Friedrichswerk” 1925 das erste maschinengeblasene Glas. Das erste maschinengeblasene Glas, das ist schon einer Erläuterung der Arbeitsweise dieser Maschinen wert. Bei der Roirant-Maschine handelt es sich um einen in Belgien hergestellten Vollautomaten für die Behälterglasproduktion. Die Konstruktion der Maschine war relativ einfach. Der Automat war nur mit je einer Vor- und Fertigform ausgestattet. In der Regel wurden jeweils vier Maschinen nebeneinander an einer Arbeitswanne aufgestellt und von einem Maschinenfahrer beaufsichtigt. Der Automat bestand im wesentlichen aus eine schienengebundenen Fahrgestell mit Rädern, einem rechteckigen Rahmen (Aufbau) sowie mehreren vertikal rotierenden Kurvenscheiben von ca. 1 m Höhe. Diese Scheiben (Räder), deren Antrieb über Zahnräder und Zahnkränze erfolgte, waren mit Kurvenbahnen versehen. Dazwischen befanden sich eine Anzahl von Gestängen, welche an einer Stelle einen Festpunkt hatten und an anderer Stelle durch Zapfen und Kugellager in den Kurven (auch Geraden) zwangsgeführt wurden. Hieraus ergaben sich Bewegungen, die über solche Bauteile wie Schließarme, Hebel, Schienen, Schlitten, Gelenke usw., die für die Formgebung erforderlichen Bewegungen im Bereich der Mündungsform, Pegel, Vor- und Fertigform ausgelöst haben. Bei den Bewegungsabläufen hat es sich im wesentlichen um folgende gehandelt: Schließen der Mündungs- und Vorform, Einfahren dieser Form einschließlich Pegel in die Arbeitswanne, Absenken der Form auf die Glasbadoberfläche, Ansaugen des Glases, Anheben und Zurückfahren der Form bei gleichzeitigem Abschneiden des überschüssigen Glases, Anheben des Pegels, Vorblasen des Külbels, Öffnen der Vorform und Übergabe in die Fertigform, Schließen der Fertigform, Aussaugen/Ausblasen des Külbels zum fertigen Glasbehälter (Flasche, Glas), Öffnen der Fertigform und Freigabe des Glasbehälters für den Heißglastransport über eine Rutsche sowie Bänder. Die Glasfabrik fertigte in dieser Zeit – wie schon zuvor – diverse eng- und weithalsige Flaschen und Dosen in den verschiedensten Größen und Formen für die chemischpharmazeutische, chemisch-technische, kosmetische sowie Nahrungs- und Getränke-Industrie, ferner spezielle Eng- und Weithalsflaschen ohne und mit eingeschliffenem Stopfen von 5 bis 20.000 ml für die unterschiedlichsten Abfüllzwecke in der Industrie sowie als Standflaschen in Labors und Apotheken. Zur Versorgung der Apotheken mit Flaschen und Dosen für die seinerzeit noch in stärkerem Maße praktizierte Eigenherstellung von Arzneimitteln wurde außerdem ein breites Sortiment an Medizinflaschen und Salbenkruken produziert. Neben einer größeren Anzahl von Klein- und Mittelbetrieben der verschiedenen Branchen sowie einer Reihe von Glasgroßhändlern gehörten seinerzeit solche namhaften Firmen, wie E. Merck in Darmstadt, C.H. Boehringer in Mannheim und Ingelheim, Knoll in Ludwigshafen, Degussa in Frankfurt, Bayer in Leverkusen und andere zu den Kunden. Der größte Abnehmer war die Fa. E. Merck in Darmstadt, welche ein außerordentlich breites Sortiment in zum Teil sehr großen Stückzahlen bezog. Für diese Firma erfolgte sogar eine für die damalige Zeit ungewöhnliche Lagerhaltung von Reservebeständen im sogenannten Merck’schen Lager, Die „Hütte“ in der Zeit des Nationalsozialismus 39 Ansprache Carl Heinz vor NS-Kapelle welches im Bereich der jetzigen Formeninstandsetzung bzw. des Formenlagers untergebracht war. Am 01. August 1937 wurde die Gemeinschaftskantine der Glashütte „Friedrichswerk” gegründet, die bis zum 31. Dezember 1948 als selbstständiges Unternehmen fungierte. Der Reinertrag der Kantine wurde jährlich in Form einer Rückvergütung an die Beschäftigten des Betriebes gezahlt. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 gingen die überseeischen Märkte sowie der europäische Markt verloren. Ausgenommen war die Schweiz, in welche auch während des Krieges Exporte in größerem Umfang erfolgten. Hauptabnehmer war die Fa. Müller & Krempel in Zürich. Dieser Großhandelsbetrieb bezog ein außerordentlich breites Sortiment an Verpackungsgläsern für den Schweizer Markt. Neben der Fa. Müller & Krempel zählten auch große Schweizer Chemiefabriken wie die weltbekannten Firmen Hoffmann-La-Roche in Basel sowie Ciba-Geigy in Basel zu den Kunden. Betriebsveranstaltung im „Friedrichswerk“ Eine restriktive Maßnahme des nationalsozialistischen Staates stellte die Herausgabe einer sogenannten Kriegssortimentsliste dar, welche die für den Binnenmarkt zugelassenen Sortimente festlegte. Erhebliche Einschränkungen ergaben sich dabei im Bereich der kosmetischen Flaschen und sonstigen Spezialformen. Als Ersatz wurden die sogenannten Einheitsverpackungsflaschen 5 bis 1.000 ml eingeführt, welche übrigens in einigen Größen noch Jahrzehnte nach dem Krieg gefertigt wurden. Die Einberufung fast sämtlicher wehrdiensttauglicher Männer zum Kriegsdienst führte zu einer weiteren Verschärfung der Arbeitskräftesituation im Betrieb. Eine Folge war, den Hafenofen in Erlau 1939 stillzulegen. Carl Heinz (mitte) und Erich Heinz-Schäfer (rechts) 40 Die „Hütte“ in der Zeit des Nationalsozialismus Im Interesse der Aufrechterhaltung der Produktion war die Zuführung von Arbeitskräften von außerhalb unerlässlich. Unter diesen Umständen erhielt das Werk 1940 ca. 55 französische Kriegsgefangene zugeteilt, welche bis zum Jahre 1942 im Einsatz waren. Nach Umsetzung dieser Gefangenen in andere Betriebe des Handwerks und der Industrie sowie in die Landwirtschaft erhielt das Glaswerk 1942 ca. 60 sowjetische Kriegsgefangene, welche bis zum Kriegsende als Hilfsarbeiter, vorwiegend als Einträger, Ausbläser usw. beschäftigt waren. Ferner arbeiteten von 1942 bis 1945 ca. acht bis zehn belgische Staatsbürger und von 1943 bis 1945 auch 16 russische Zwangsarbeiterinnen im Betrieb. Von 1939 bis 1945 waren auch einige polnische Staatsbürger im Werk tätig, wobei es sich um entlassene Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter gehandelt hat. In den letzten Kriegstagen war nur noch eine Tageswanne, der Ofen III, in Betrieb. Wegen des Kohlenmangels musste er mit in der Umgebung gewonnenem Stockholz beheizt werden. Anfang April 1945 marschierten die amerikanischen Truppen in Schleusingen ein und besetzten auch das Glaswerk. Im Zusammenhang mit den noch anwesenden sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiterinnen entstand dabei vorübergehend eine sehr kritische Situation im Betrieb. Durch Kriegshandlungen hat der Betrieb keine nennenswerten Schäden erlitten. Lediglich der Schornstein im Werk Erlau wurde vom gegenüber liegenden Höhenzug, von der „Eisernen Hand“ aus, von der amerikanischen Artillerie beschossen. Er wies danach in der oberen Hälfte ein großes Loch auf, ohne dass er einstürzte. Der so beschädigte Schornstein bestimmte noch einige Zeit nach Kriegsende das äußere Erscheinungsbild des Werkes Erlau. Von den zum Kriegsdienst einberufenen Werktätigen des Betriebes mussten 38 auf den Schlachtfeldern des faschistischen Reiches ihr Leben lassen. Außerdem kehrte eine Anzahl junger Männer mit zum Teil erheblichen Verwundungen aus dem furchtbaren Krieg zurück. Diese Kriegsversehrten wurden – soweit möglich – in geeigneter Weise in die Belegschaft des Werkes integriert. Während des Krieges erfolgte im stillgelegten Werk Erlau sowie in einem Teil der Schleiferei in Werk Erlau sowie in einem Teil der Schleiferei in Schleusingen durch einen Suhler Zulieferer für die Rüstungsindustrie die Einrichtung von Produktionsstätten, in welchen Teile für die Rüstung gefertigt worden sind. Im Rahmen der Reparationsleistungen wurde nach Kriegsende jener Maschinenpark, der der Rüstungsproduktion diente, unter Aufsicht der Besatzungsmacht demontiert und in die Sowjetunion verfrachtet. Die Maschinen jedoch, die ausschließlich der Glasproduktion dienten, blieben unangetastet. Möglicherweise war der Umstand der während des Krieges teilweise erfolgten Rüstungsproduktion auch ausschlaggebend, die Firma Adam Heinz zu enteignen. Bild rechts: Herr Erich HeinzSchäfer vor seinem Wohnhaus mit Verpackung der Glaswaren mit Stroh Frau Clara Bader (Pastorin), 1943 französische Kriegsgefangene Die „Hütte“ in der Zeit des Nationalsozialismus 41 Ausflug der Belegschaft zur Festhalle Imenau, Carl Heinz (vorne mitte) Bild unten: Festtafel der Geschäftsleitung: Betriebsrat Kranich (hinten mitte), Kaufmännischer Direktor Endres Degussa-Kunde für Dosierfläschchen 42 Die „Hütte“ in der Zeit des Nationalsozialismus mit Frau (hinten links), Technischer Direktor Eschert (hinten 2. v. rechts) Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte Zunächst waren Nachkriegsnöte zu überwinden Hütte I, II und III sowie Gemengehaus von der Werkstraße gesehen Die im Potsdamer Abkommen beschlossene Aufteilung Deutschlands unter den alliierten Siegermächten führte dazu, dass Thüringen – zunächst von den Amerikanern besetzt – am 3. Juli 1945 in die sowjetische Besatzungszone einbezogen wurde. Damit war eine Entwicklung verbunden, welche sich grundlegend von der in den amerikanischen, englischen und französischen Besatzungszonen unterschied. Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg hatte Ostdeutschland für die von den faschistischen Armeen während des Krieges auf sowjetischem Boden angerichteten Schäden außerordentlich hohe Reparationsleistungen an die Sowjetunion zu erbringen. In diese wurde auch das Glaswerk Schleusingen einbezogen. Auf Anweisung der Sowjetischen Militäradministration mussten über einen längeren Zeitraum zig Millionen weiße Penizillinflaschen gefertigt werden. Außerdem musste der Betrieb kleinere Mengen brauner Salbenkruken in verschiedenen Größen sowie weiße rechteckige Flaschen mit eingeschliffenem Stopfen für Schiffsapotheken in die Sowjetunion liefern. Fertigwarenlager warscheinlich in Erlau Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte 43 Wie ein Zeitzeuge berichtete, erfolgte die Fertigung der Flaschen damals neben Mundblasen fast ausschließlich halbautomatisch. Für die Produktion der Penizillinflaschen waren über längere Zeit mehrere Halbautomaten eingesetzt, deren Bedienungsmannschaften untereinander im Wettbewerb standen. Die Schichtleistung pro Werkstelle betrug damals etwa 4.500 Stück. Daraus folgert, dass beispielsweise der sogenannte Anfänger der HalbautomatenBesatzung die gleiche Anzahl entsprechender Glasposten aus der Arbeitswanne zu entnehmen und über die Vorform zu halten hatte. Damit waren auch ca. 4.500 Drehungen des Körpers um fast 180 Grad verbunden. Die Herstellung der Penizillinflaschen stellte deshalb sehr hohe physische Anforderungen an die Glasmacher. Der Versand der Flaschen durfte erst nach vorausgegangener Abnahme und Freigabe durch sowjetische Kontrolloffiziere erfolgen, welche die Einhaltung der vorgegebenen Qualitätsparameter zu überprüfen hatten. Zur Sicherheit der Transporte, welche ausschließlich per Reichsbahn nach Berlin erfolgten, musste ein Mitarbeiter des Betriebes die einzelnen Waggons im Bremserhäuschen begleiten und am Bestimmungsort übergeben. Nach Erledigung der Aufträge wurden alle diesbezüglichen Dokumente von Offizieren einer sowjetischen Dienststelle in Suhl eingezogen. Das Glaswerk Schleusingen befand sich bis 1945 im Besitz von Herrn Erich Heinz-Schäfer. Wie aus der Ahnentafel (siehe Anhang) zur Heinz’schen Glasfabrik ersichtlich ist, sind alle Söhne von Adam Heinz, und zwar Max, Carl, Robert und William, nicht verheiratet gewesen und mit Ausnahme von Carl relativ früh verstorben. Die Töchter Frieda und Wanda blieben ledig. Nur die Töchter Clara, Hedwig, Minka und Selma waren verheiratet. Die Ehen von Clara und Hedwig blieben kinderlos. Minka, verheiratet mit Geheimrat Varrentrapp aus Königsberg, gebar drei Mädchen. Aus der Ehe von Selma mit dem Amtsgerichtsrat Schäfer gingen zwei Söhne hervor. Der älteste, Hans, Hof, Hütte I und Verwaltung 44 Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte Lehrausbildung in der Schlosserei verstarb mit 32 Jahren, der jüngere hieß Erich. Somit blieb in dieser Zeit als einziger männlicher Nachfahre der kinderreichen Familie Adam und Rosalie Heinz nur der Enkelsohn Erich übrig. Angesichts seines hohen Alters hat der Glashüttenbesitzer Carl Heinz etwa 1939 seinen Neffen Erich Schäfer unter dem Familiennamen Heinz-Schäfer adoptiert und ihn somit zum Erben seines Vermögens, dem „Friedrichswerk“, gemacht. Mit dem Ableben von Carl Heinz im Jahre 1941 ist die Fa. Adam Heinz, Glashütte „Friedrichswerk“ Schleusingen in den Besitz von Erich Heinz-Schäfer übergegangen. Auf der Grundlage des Befehls Nr. 124 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland vom 30. Oktober 1945 wurde der Betrieb beschlagnahmt und unter Sequester gestellt. Mit Befehl Nr. 64 der gleichen Dienststelle vom 17. April 1948 erfolgte die Bestätigung der Enteignung der beschlagnahmten Vermögenswerte. Ende Juni 1948 wurde der Betrieb in Treuhandschaft der VVB Glas/Keramik Ilmenau, Land Thüringen, genommen. Verpackung von Linn-Gläsern Damit ging das Werk mit Wirkung vom 01. Juli 1948 in Volkseigentum über. Als Sequesterverwalter fungierte der bisherige Eigentümer, Herr Erich Heinz-Schäfer. Nach der Enteignung übernahm der ehemalige Glasmacher und Betriebsratsvorsitzender, Herr Artur Fabig, die Leitung des Betriebes. Am 01. Januar 1950 wurde der Betrieb in die zonale Verwaltung übernommen und unterstand bis Anfang 1953 dem Verwaltungsbereich der VVB „Westglas”, Hauptdirektion Ilmenau. Für die Glasindustrie standen unmittelbar nach dem Krieg die Brenn- und Rohstoffe über längere Zeit nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Die Wiederinbetriebnahme der Schmelzaggregate im Glaswerk Schleusingen war daher nur schrittweise möglich, wobei es immer wieder zu vorübergehenden Produktionsstill-ständen wegen Fehlens von Braunkohlenbriketts, Soda usw. gekommen ist. Die Tageswanne III mit drei Halbautomaten konnte am 22. Oktober 1945 wieder in Gang gesetzt werden, während an der Durchlasswanne l erst 1946 mit sechs Roirant-Maschinen sowie zwei Halbautomaten und an der Durchlasswanne II ein Jahr später, 1947, die Produktion wieder aufgenommen werden konnte. Die Wiederinbetriebnahme des Hafenofens Erlau, bestückt mit Mundblasstühlen und Halbautomaten, war sogar erst 1949 möglich. Die folgende Zeit war dann gekennzeichnet von der Notwendigkeit, das technische Niveau der Ausrüstungen zu erhöhen, die Arbeitsorganisation zu verbessern, die Arbeitsproduktivität zu steigern sowie den Materialverbrauch und die Selbstkosten zu senken. Als Mittel zur Erreichung dieser Ziele haben die staatlichen Leitungen der Betriebe den sozialistischen Wettbewerb und die Neuererbewegung gewählt. Die sozialistischen Brigaden der Betriebe gemeinsam mit ihrer Gewerkschaft FDGB wurden zum Träger des sozialistischen Wettbewerbes. Die in den einzelnen sozialistischen Brigaden jährlich erarbeiteten Wettbewerbsprogramme hatten die Ziele für solche Initiativen zum Inhalt. Insgesamt wurde diese Bewegung als breite Masseninitiative aller Werktätigen abgerechnet und kollektiv honoriert. Verladung von Linn-Gläsern Heißglas-Transport Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte 45 In den 50er Jahren mit besserer Technik nun Wirtschaftsaufschwung Anfang der 50er Jahre hatte der VEB (Volkseigener Betrieb) Glaswerk Schleusingen folgende Schmelzkapazitäten: Die Wanne I produzierte Braunglas. Sie war bestückt mit sechs Roirant-Maschinen. Die Wanne II produzierte Weißglas. Sie war ebenfalls mit sechs Roirant-Maschinen ausgestattet. Die Wannen III a und b sowie die Wanne IV produzierten Weißglas; zu den Wannen III a und b gehörten Halbautomaten, zur Wanne IV Roirant-Maschinen. Im Betrieb Erlau stand ein Hafenofen. Gearbeitet wurde dort mit Halbautomaten, zudem erfolgte auch Mundglasherstellung. Die Vorkriegsproduktion des Jahres 1939 konnte erst 1952 wieder erreicht werden. 1946 waren es 43% der Produktion des Jahres 1939. Im Jahre 1947 waren es 28% und steigerte sich 1948 auf 51%, im Jahre 1949 auf 70%, 1950 auf 76% und schließlich 1951 auf 81% bis 1952 dann 104% erreicht waren. Altes Gemengehaus An allen Öfen und Wannen des Glaswerkes waren Wagen-Zug-Kühlbahnen vorhanden. Das Glas wurde manuell durch den Einträger eingetragen. Die Glasmacher produzierten bis 1951 Einheits-, Meplat- und Arzneimittelflaschen sowie Flakons und Weinballons. Zur Veredlung waren in Erlau und Schleusingen Glasschleifereien vorhanden. Die Verpackung erfolgte in Wellpappe, Holzkisten oder lose im Waggon. Hauptkunden waren Arzneimittelwerke in Leipzig und Dresden, die Versorgungskontore Industrieglas in den Bezirken der DDR, das Chemiekombinat Bitterfeld sowie Exportkunden in der Schweiz, in der Bundesrepublik Deutschland und in der Sowjetunion. In den 50er und 60er Jahren erfolgte im Glaswerk eine umfassende Rekonstruktion der Wannen und der Maschinentechnik. Das Grundverfahren dieser Technik, die maschi- Neue Trafostation Kantine und Kulturhaus, 1954 Kultursaal 46 Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte nelle Heißformung von Hohlgläsern, funktioniert wie folgt: Bei der maschinellen Formgebung von Hohlgläsern wird genau wie bei der manuellen Fertigung ein Glasposten aus der geschmolzenen Glasmasse entnommen. Das geschieht durch Ansaugen oder durch einen Speiser. Der Glasposten wird zweckentsprechend vorgeformt und dann durch Ausblasen fertig geformt. Die Bezeichnung der Grundverfahren der maschinellen Hohlglasformgebung erfolgt nach der Art der Vor- und Fertigformung des Glases. Danach werden drei Verfahren unterschieden: das Saug-Blas-, das Press-Blas- und das Blas-Blas-Verfahren. Durch die erste Silbe wird die Methode der Vorformung und durch die zweite Silbe die Methode der Fertigformung angegeben. Für die maschinelle Heißformung von Hohlgläsern gibt es eine große Anzahl Maschinen, die sich außer nach der Art der Glaszuführung und dem angewendeten Grundverfahren nach weiteren, technologisch bedingten, maschinentechnischen Merkmalen unterscheiden. Diese Maschinen (Halbautomaten und Vollautomaten) fanden in zunehmenden Maße Eingang in die Fertigungslinien des Werkes. Damit steigerten die Glaswerker die Arbeitsproduktivität, zudem wurde ihre schwere körperliche Arbeit erleichtert. Im Jahre 1953 blickten die Glasmacher auf das 100-jährige Bestehen des Werkes zurück und feierten aus diesem Anlass gebührend. Im gleichem Jahr konnte auf dem Gelände des ehemaligen Schuttabladeplatzes dank großzügiger Förderung der demokratischen Sportbewegung ein Sportplatz anglegt werden. Dieser erhielt am 24. Mai 1953 bei einer feierlichen Nutzungsübergabe den Namen „Sportstätte des Friedens”. 1954 konnten sie dann endlich ihr Kulturhaus in Besitz nehmen, mit dessen Bau ein Jahr zuvor begonnen worden war. Nachdem wie in allen größeren Betrieben der DDR auch im VEB Glaswerk Schleusingen schon 1947 eine Betriebsparteiorganisation der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) mit 150 Genossen gebildet worden war, wurde 1954 eine KampfgruppenEinheit aufgestellt, in der auch Kämpfer aus anderen Schleusinger Unternehmen integriert waren. Behälterglas-Vollautomat Der 74. Kampfgruppenzug des VEB Glaswerk Schleusingen Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte 47 Einsatz von Kleinbehälter-Saug-Blas-Maschi-nen KB 38 und KS 6. Diese Maschinen, die in der DDR der VEB Glasmaschinenbau Freital herstellte, sind mechanisch betätigte, kontinuierlich umlaufende Karussellmaschinen mit sechs Stationen und arbeiten nach dem Owensprinzip für die Produktion von Kleinfläschchen. Hierbei erfolgt die Aufnahme und Vorformung des Glaspostens durch Ansaugen in die Saugform. Neben der Saugform sind noch Mündungsform und Fertigform als formgebende Teile notwendig. Die Fertigform erfolgt durch festes Anblasen in der Fertigform. Das Verfahren wird ausschließlich zur Herstellung von Flaschen, besonders Kleinfläschchen eingesetzt. Schürerei, eine schwere körperliche Arbeit Am 8. November 1958 produzierten die Glaswerker an der Wanne II in Schleusingen zum letzten Mal mit sechs Roirantmaschinen und zwei Halbautomaten. Danach erfolgte der Neubau der Wanne, der am 7. Januar 1959 abgeschlossen war. An dieser Wanne, die auf Speiserbetrieb und Gasbeheizung umgestellt war, produzierten sie erstmalig mit einem Automaten FA 62 und zwei Halbautomaten dreischichtig. Auch den Automaten FA 62 entwickelte der VEB Glasmaschinenbau Freital. Dieser arbeitete nach dem Blas-Blas-Verfahren. An den noch eingesetzten Halbautomaten herrschten aber sehr ungünstige Arbeitsbedingungen, so dass die Fluktuation von Arbeitskräften groß war. Deshalb ordnete die Werkleitung an, am 5. Mai 1959 die Produktion mit den Halbautomaten einzustellen zu Gunsten eines zweiten Automaten FA 62, der am 23. Mai 1959 in Produktion ging. Mit dem Einsatz der Speisertechnik konnten voll automatisierte Maschinen (Vollautomaten) FA 62 zur Hohlglasherstellung betrieben werden. Bei diesen Maschinen fällt der Glastropfen über eine Rinne oder frei aus dem Speiser in die Vorform. Eine ähnliche Entwicklung wie an der Wanne II gab es an der Wanne III b. Die Werkleitung beschloss, die dort vorhandene Halbautomaten-Produktion (vier Maschinen, zweischichtig ausgelastet) stillzulegen und die Wanne umzu- Blick vom Turm der Kantine auf Ofen I und II Die Kampfstärke dieser Einheit schwankte zwischen 30 bis 45 Mann. Der 74. Kampfgruppenzug war dem Volkspolizei-Kreisamt Suhl unterstellt. Die Gliederung des Zuges bestand aus drei Schützengruppen à zehn Mann, bewaffnet mit MPi, lMG, Panzerbüchse, sowie einer Fla-MGGruppe (Flugzeugabwehr-Maschinengewehr), bewaffnet mit überschweren MG 12,7 mm. Die Ausbildung erfolgte an fünf Tagen im Jahr, jährlich fand eine ganztägige Abschlussübung statt. Aufgrund sehr guter Ausbildungsergebnisse erhielt dieser Kampfgruppenzug des Glaswerkes u.a. am 7. Oktober 1978 den Ehrennamen „Fritz Köhler“ (das war ein in Ichtershausen von den Nazis ermorderter Kommunist) verliehen. Anfang 1990 wurde dieser Kampfgruppenzug aufgelöst. Schrittweise erfolgte ab 1954 während der folgenden Jahre die Einstellung der Mundglasfertigung in Erlau, die Einstellung der halbautomatischen Produktion, die Außerbetriebnahme der einarmigen Roirantmaschinen und der 48 Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte Vollautomat KB 38 Wanne III bauen. Diese Arbeiten begannen am 20. Dezember 1958. Die Wanne III b wurde dabei für die Fertigung mit einem Automaten KB 38 (sechs Stationen) umgebaut und am 19. Januar 1959 in Betrieb genommen. Neue Automaten und rollende Schicht Die umfassende Rekonstruktion stand wie in den 50er auch in den 60er Jahren auf der Tagesordnung, wobei schrittweise der generelle Einsatz von Speisermaschinen U 8 G 12 und U 12 G 32 (Weiterentwicklungen des FA 62) des VEB Glasmaschinenbau Freital erfolgte. Eine weitere wichtige Aufgabe bestand darin, den Betrieb schrittweise an das Stadtgasnetz anzuschließen. Denn Glasschmelzwannen, Arbeitswannen und Kühlbahnen wurden mit Generatorengas aus Braunkohlenbriketts beheizt. Es gab keine zentrale Generatorgasanlage, sondern jede Wanne besaß einen eigenen Gaserzeuger mit nachfolgenden Typen. Wanne Erlau: Planrostgaserzeuger; Wanne III a und III b: Treppenrostgaserzeuger; Wanne l, II und IV: je einen Drehrostgaserzeuger. Der große Nachteil dieser dezentralen Anlagen war, dass bei Ausfall eines Gaserzeugers die Wannen- und Nebenanlagen nicht beheizt werden konnten, was natürlich zum Produktionsstillstand führte. Diese Situation und der schlechte Zustand der Gaserzeuger Veredlung (Schleifen und Polieren von kosmetischen Flaschen) waren wesentlicher Anlass, das Gesamtwerk schrittweise auf stabile Stadtgasbeheizung umzustellen. Da die Ferngasverbundleitung nur ca. 200 m südlich des Werkes Schleusingen vorbeiführte, war der Anschluss kostengünstig. Von der Gasübernahmestation Glaswerk Schleusingen wurde eine Leitung zum Werk Erlau gebaut mit der Möglichkeit, die Orte St. Kilian, Breitenbach und Erlau mit Stadtgas zu versorgen. Die Wannen und Kühlbahnen konnten ab 1963 mit Stadtgas beheizt werden. Bei dem Neubau der Wannen wurden ihre Schmelzflächen vergrößert. Sie waren jetzt voll isoliert sowie ihre Schmelzkapazität durch Stadtgasbeheizung und elektrische Zusatzheizung erhöht. Auch der Anteil an Fremdscherben wurde auf ca. 30% erhöht. Die Wannenreparaturzeiten konnten wesentlich verkürzt werden, indem die Schmelzwanne in ein Wasserbad abgelassen und der Wanneninhalt gefrittet wurde. Ein konzentrierter Abriss und Wiederaufbau der Wannen war somit möglich. Außerdem setzten die Glaswerker hochwertigeres Feuerfestmaterial ein und verlängerten damit die Wannenlaufzeiten. All diese Maßnahmen ermöglichten, die im Betrieb vorhandenen Schmelzkapazitäten voll auszunutzen. Hüttenschlote „Friedrichswerk“ Die umfassende Rekonstruktion begann im Werk Erlau damit, 1960 den Hafenofen auf eine kontinuierliche Durchlasswanne umzustellen und die Wanne mit fünf Halbautomaten zu bestücken sowie im Zweischichtbetrieb auszula- Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte 49 Demonstration der Glaswerker am 1. Mai in Schleusingen sten. Am 13. November 1963 wurde die Wanne in Erlau abgelassen, neu aufgebaut und auf Stadtgas umgestellt. Am 16. Dezember 1963 konnte die Produktion wieder aufgenommen werden. An der Wanne I in Schleusingen produzierten die Glaswerker am 30. Dezember 1965 zum letzten Mal mit sechs Roirantmaschinen und einem Automaten KS 6. Danach erfolgte der Neubau der Hütte 1, die Umstellung der Wanne auf Speiserbetrieb und der Einsatz eines Automaten FA 62. Schon am 21. April 1966 konnte die Produktion an der neuen Fertigungslinie aufgenommen werden. Die Modernisierung ging weiter, indem ein Jahr später am 12. Juni 1967 an Stelle des Automaten FA 62 ein Automat U 8 G 12 (eine 8-Stationen-Rotationsmaschine) zu produzieren begann. Anfang 1968 arbeiteten die Glaswerker dann an dieser Wanne (Buntglas, Schmelzfläche 14,6 m2) in rollender Schicht. Qualitätskontrolle 50 Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte 1963 erfolgte der Neubau der Wanne II mit Speiserbetrieb. Vom 6. bis 12. Dezember 1965 wurden an dieser Wanne zwei Speiser vom Typ 96 (gasbeheizte Deckenbrenner) angesetzt und danach die Fertigung mit zwei FA 62 wieder aufgenommen. Zwei Jahre später, am 28. Januar 1967, wurde die Wanne gelöscht und der Schmelzprozess auf Stadtgas umgestellt. Am 6. März 1967 konnten die Glaswerker wieder an dieser Wanne (Weißglas, Schmelzfläche 16,32 m2) Glas schmelzen. An der Wanne III b ersetzten die Techniker am 24. Januar 1966 den Automaten KB 38 durch den an der Wanne I freigewordenen Automaten KS 6. Er tat seine Dienste noch bis zum 20. Januar 1968. Dann stellte das Werk die Produktion auf diesem Automaten ein, die Wanne III b wurde abgerissen. Dieses Schicksal traf auch die Wanne III a, neugebaut im Oktober 1965. Denn am 13. Januar 1968 stellte die Werkleitung die Produktion mit dem Automaten Gefüllte Gemengekarren KB 38 ein und ordnete den Abriss der Wanne an. Damit war nun der Weg frei, am 20. Januar 1968 mit der umfassenden Rekonstruktion der Hütte 3 zu beginnen. Es erfolgte der Bau einer größeren Wanne (Weißglas, Schmelzfläche 12,0 m2) anstelle der bisherigen zwei kleinen Wannen, der Einsatz eines Automaten FA 62 und der Anschluss der Wanne und der Kühlbahn an das Ferngasnetz. Drei Monate später konnte am 16. März 1968 die Produktion an der neuen Fertigungslinie (Hauptsortiment waren 100-ml-Rhönlackflaschen) aufgenommen werden. Später trat an Stelle des Automaten FA 62 ein leistungsfähigerer Automat U 8 G 12. Ab 3. Juli 1977 arbeiteten die Glasmacher auch an dieser neuen Wanne III in rollender Schicht. Am 13. Juli 1968 lief die Produktion mit sechs Roirantmaschinen an der Wanne IV (Weißglas, Schmelzfläche 17,2 m2) aus. Die Glaswerker begannen mit dem Abriss der Wanne und mit dem Bau einer neuen regenerativ beheizten Wanne mit Speiserbetrieb und dem Einsatz eines Automaten U 8 G 12. Nach einem Monat, am 27. August 1968, konnten die Glaswerker an der neuen Fertigungslinie (Hauptsortiment 1.000-ml-Medizin-Flaschen) wieder produzieren, ab 4. Januar 1971 in rollender Schicht. Vom 15. November bis zum 30. Dezember 1971 erfolgte die Stilllegung des Gas-Generators. Die Wanne wurde auf Stadtgas umgestellt sowie eine elektrisch beheizte Kühlbahn installiert. Am 9. Juni 1973 löschten die Glaswerker diese Wanne erneut und stellten sie auf Stadtgas um, vergrößerten die Schmelzfläche auf 19,2 m2 und nahmen die Produktion am 24. Juli wieder auf, nun aber mit einem Automaten U 12 G 32 (12 Stationen). Am 23. April 1975 konnte sie mit einer elektrischen Zusatzheizung ausgestattet werden. am 24. Dezember 1970 das Werk Erlau stillgelegt werden. Es fehlten im gesamten Betrieb Arbeitskräfte und Investitionsmittel, die für eine dringend notwendige Erneuerung des Werkes Erlau nötig waren. Am 1. Januar 1971 war das Werk beräumt und an den VEB Elektrogerätewerk Suhl verkauft worden. Der komplette Anschluss an das Ferngasnetz und die damit verbundenen hohen Kosten führten aber dazu, dass der Betrieb 1972 mit Verlust produzierte. Der Generaldirektor des Kombinates kündigte daraufhin die Stillegung des Werkes Schleusingen an. Doch die Einführung der rollenden Schicht, laufende Maßnahmen zur Produktionssteigerung sowie die erforderliche Schließung des Werkes Erlau konnten diesen Schritt abwenden. Am 1. Dezember 1966 stellte das Werk Erlau die Halbautomaten-Produktion ein und begann mit dem Umbau der Wanne auf Speiserbetrieb. Es erfolgte der wechselweise Einsatz von zwei Automaten für Flaschen bis 500 ml und über 500 ml. Bereits am 5. Januar war es möglich, die Fertigungslinie in Betrieb zu nehmen. Allerdings musste Rohstoffentnahme mit Staubmaske Gemengetransport Rohgasleitung, Gemengebahn und Briketts zur Gaserzeugung Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte 51 Einarmige Rotationsmaschine „Roirant“ Rotationsmaschine U 8 G 12 Einschleifen von Pulvergläsern manuelle Gemengeeinlage 52 Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte Nach umfassenden Investitionsmaßnahmen produzierten in den 70er Jahren die Glaswerker an den Wannen l, II und III im wesentlichen Glasflaschen 0,5 l und zwar Bierflaschen, Euroflaschen, Spirituosenflaschen und pharmazeutische Flaschen. Das Glaswerk lieferte diese Produktion an Exportbierbrauereien wie Radeberg, Leipzig, Berlin und Wernesgrün, an Fruchtsaftbetriebe in Sohland und Laucha, an Spirituosenbetriebe in Nordhausen (Nordbrand Nordhausen war größter Kunde), Bärensiegel Berlin, Likörfabrik Altenburg und Aromatique Neudietendorf sowie an das Pharmazeutische Werk in Gröditsch, auch an Esparma Magdeburg und viele weitere Kunden im Inland. Eine weitere Maßnahme, die Produktion zu steigern, war 1973 die Rekonstruktion des alten Gemengehauses. Nun erleichterten auch Rammermischer und schienengebundene Gemengetransportwagen sowie Gemengebunker die Arbeit. Im Werk Schleusingen entstand eine neue Trafostation. Der Heißglastransport wurde mechanisiert. Die Verpackung wurde von Wellpapp-Paketen, Einstellkisten und Gitterboxpaletten auf Industrieverpackung umgestellt. Trotz der Modernisierung des alten Gemengehauses war es in Folge Arbeitskräftemangels erforderlich, 1976 ein modernes halbautomatisches Gemengehaus zu errichten. Jetzt lösten Transportbänder die Gemengetransportwagen ab und ein Portalkran diente der Rohstoffentladung und Beschickung der Arbeitsbunker. Es folgte eine weitere Mechanisierung und Automatisierung der Sortier- Rotationsmaschine U 6 G 12 im Glaswerk Piesau und Verpackungsprozesse. Den innerbetrieblichen Glastransport übernahmen nun auch Gabelhubwagen, Elektrokarren, Diesel- und Elektro-Gabelstapler. Mitte der 70er Jahre wurde das Anschlussgleis zum Netz der Deutschen Reichsbahn erweitert. In der 80er Jahren wurde es umfassend ausgebaut und eine werkseigene Diesellok eingesetzt. Die nächste bedeutende Investitionsmaßnahme in Schleusingen begann am 1. Juli 1977 mit der Stilllegung der Wannen I und II. Das Werk baute ein neues Wannengebäude und eine neue Wanne mit Schornstein. Dazu eingesetzt wurden neue Sortier- und Verpackungslinien sowie zwei 12-Stationen-Rotationsmaschinen U 12 G 32. Am 27. Februar 1978 nahmen die Glaswerker die moderne Fertigungslinie in Betrieb. Die durchgeführten Maßnahmen zur Erhöhung des technischen Niveaus hatten jedoch auch zu Konsequenzen hinsichtlich der Entwicklung der Sortimentsstruktur geführt. Während die frühere Sortimentsbreite zunächst noch über Jahre hinweg aufrechterhalten werden konnte, waren mit der Aufgabe der Mundglasproduktion, der Einstellung der halbautomatischen Fertigung, der Aufgabe der Schleifglasproduktion und der Inbetriebnahme immer leistungsfähigerer Behälterglasautomaten Einschränkungen im Sortiment nicht zu umgehen. Die Produktion konzentrierte sich deshalb zunehmend auf mittleres Behälterglas in den Größen 250 bis 1000 ml. In den ersten Jahren nach dem Bau Hüttengebäude I, 1978 Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte 53 Krieg fanden noch in größerem Umfang Exporte in die Schweiz sowie Lieferungen in die Bundesrepublik Deutschland statt, doch sind diese Märkte später für das Glaswerk verloren gegangen. Der Absatz der Produktion erfolgte daher in den 70er Jahren – von kleineren Lieferungen in die Tschechoslowakische Republik und die Sowjetunion abgesehen – auf dem DDR-Binnenmarkt. Erst im Jahre 1980 gelang dem VEB Glaswerk Schleusingen der Wiedereinstieg in den NSW-Export (Export in das Nicht-Sozialistische Wirtschaftsgebiet). An den Wannen l und II wurde Braunglas geschmolzen. Jährlich exportierte das Glaswerk bis zu 100 Mio Stück Bierflaschen 0,33 l und 0,5 l. Der Verkauf erfolgte über einen Händler an renommierte Brauereien wie Dinkelacker Stuttgart, Eichbaum Mannheim, Henninger Frankfurt, Spaten München u.a. VEB Glaswerk Waldau, 1975 Veränderte Wirtschaftsstrukturen und Bildung des Kombinates Glaswerk Schönbrunn Wanne II, 1989 Ab 1. März 1979 wurden die VEB Glaswerke Waldau und Schönbrunn sowie die beiden Formenbaubetriebe in Schönbrunn an das Glaswerk Schleusingen angegliedert. Sitz der Leitung des nun größer gewordenen Betriebes war der VEB Glaswerk Schleusingen. In Waldau stellten die Glaswerker mit zwei tschechischen Reihenmaschinen AL 106 und einer Rotationsmaschine WW 12 Gläser und Flaschen für die Kindernahrungsindustrie her. Der Bedarf der Kunden Havelland Beelitz, Kina Ellefeld, Nordfrucht Conov und Ogis Laucha wurde fast zu 100% abgedeckt. In Schönbrunn produzierten die Glaswerker an zwei Wannen Weiß-, Braun- oder Grünglas. Neben Flaschen für Fußbodenpflegemittel des Werkes Wittol in Wittenberge produzierten sie Bier-, Saft- und Sektflaschen in Braunsowie Grünglas und lieferten sie an die Exportbierbrauerei in Radeberg sowie an die Sektkellerei Freyburg. 1984 beschäftigte der Glaswerkverbund Schleusingen/Waldau/ Schönbrunn 784 Personen, davon waren 57 Hoch- und Fachschulkader, 31 Industriemeister, 540 Facharbeiter, 105 Angelernte und 51 Lehrlinge. Zu jener Zeit wurde auch der gesamte Güterverkehr für die Rohstoffe und Fertigwaren, mit Ausnahme der Exportproduktion, auf die Schiene verlagert, der Transport erfolgte durch die Deutsche Reichsbahn. Gleichzeitig führte das Werk den Personenberufsverkehr mit werkseigenen Fahrzeugen ein, um damit die Arbeitskräfte für die Rollschichten zu befördern. Anlässlich des 35. Jahrestages der DDR erhielt der VEB Glaswerk Schleusingen 1984 als Auszeichnung das Ehrenbanner des ZK der SED, des Ministerrates der DDR und des Bundesvorstandes des FDGB. Im gleichen Jahr gab es für gute Leistungen zwei Mal die Wanderfahne des Ministerrates der DDR und des Bundesvorstandes des FDGB. Siedlung „Friedrichswerk“ 54 Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte Im Jahre 1985 hatte der VEB Glaswerke Schleusingen größere Schwierigkeiten, weil der planmäßige Transportraum der Deutschen Reichsbahn nicht ausreichend bereitgestellt werden konnte. Dennoch belieferte Schleusingen die Glashütten in Fehrenbach, Katzhütte und Mellenbach mit Fertiggemenge. Der sich immer mehr abzeichnende Mangel an Arbeitskräften sollte dadurch gemildert werden, dass im Jahre 1986 insgesamt 40 Staatsbürger aus Mosambik eingesetzt wurden, denen später kubanische und vietnamesische Arbeitskräfte folgten. Mitte August 1981 wurden die Mosambikaner in Berlin-Schönefeld abgeholt. Es waren ein Dolmetscher namens Antonio und 40 Jugendliche im Alter von 18 bis 22 Jahren. Ihre vom Glaswerk eingesetzten Betreuer waren Hubert Zimmermann, Werner Siegel und Hartmut Fitz. Die Jugendlichen erhielten ein halbes Jahr Unterricht im Fach Deutsch sowie hinsichtlich der Lebensgewohnheiten in Deutschland. Sie wurden als Sortierer und Maschinenfahrer angelernt. Untergebracht waren diese Jugendlichen in einem Wohnblock am „Friedrichswerk” neben dem Verwaltungsgebäude. Nachdem der sechsmonatige Unterricht vorüber war, erfolgte ihr Einsatz in den drei Betriebsteilen des VEB Glaswerk in Schleusingen, Waldau und Schönbrunn. Sie arbeiteten insgesamt vier Jahre in der DDR. In jenen Jahren gab es vom Generaldirektor des Kombinates immer wieder auch Führungsaufträge, so auch, um nur ein einziges Beispiel zu nennen, mit Schreiben vom 9. April 1986 an den Betriebsdirektor des VEB Glaswerk Schleusingen: „Werter Genosse Kreußel! Vor allem im Monat des XI. Parteitages der SED sind weitere Anstrengungen notwendig, um das bisherige gute Ergebnis, welches wir am 31.3.1986 ausweisen konnten, Flakons und Verpackungsglas aller Art weiter auszubauen. Die derzeitigen Voreinschätzungen zur Erfüllung der Kennziffern IWP (industrielle Warenproduktion) und Export lassen erkennen, dass in einigen Kombinatsbetrieben eine Stagnation eintreten wird bzw. sich Leistungsverschiebungen andeuten. Damit auch im Monat April eine maximale Planerfüllung in den bereits genannten Kennziffern erreicht wird, erhalten sie nachstehende Führungsaufträge: Die IWP/IAP mit 23.000 TM und den Export mit 990 TVM (VM = Valutamark) zu erfüllen. Bei Erreichung dieser Zielstellung wird Ihnen für Ihre persönliche Leistungen eine Prämie in Höhe von 300.- Mark und für Ihre Betriebsleiter eine Prämie von 500.- Mark ausgezahlt. Ich bin davon überzeugt, dass Sie mit Ihrem Kollektiv auch im Monat April 1986 diese Führungsaufträge erfüllen werden.“ Mosambikaner, 1981-1985 Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte 55 Einige Produkte des VEB Glaswerke Schleusingen Katalog Glaswerk Schleusingen Apotheke Haarpflege Kräuterliköre 56 Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte Bambino (Export) Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte 57 Körperpflege und Chemie Pharma-Industrie Bier- und Spirtuosen-Hersteller Reinigungsmittel 58 Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte Lebensmittel-Industrie Kühlbahnausgang Glasmacher an einer Rotationsmachine U 12 G 32 Das Jahr 1987 begann im Januar damit, dass wetterbedingt die Produktion nicht voll lief. Hinzu kamen wiederum auch Transportengpässe, besonders konnten Großcontainer nicht ausreichend bereitgestellt werden. Dennoch holten die Glaswerker die eingetretenen Rückstände auf und erfüllten in jenem Jahr den Exportplan mit 103,6%. Gleichzeitig begann die Betriebsleitung damit, Personalcomputer 8 und 16 Bit einzusetzen. Den ersten Rechner erhielt im August 1987 die Abteilung Planung. 26 Werktätige des Glaswerkes wurden in Lehrgängen für die Anwendung von Personal-Computer qualifiziert. Um die Plan- aufgaben zu erfüllen, mussten 191.000 Überstunden geleistet werden. Nach wie vor war auch die weitere Qualifizierung der Werktätigen eine ständige Aufgabe. So wurden 1987 sechs Glaswerker zu Hochschulen, acht zu Fachschulen und 286 zu speziellen Lehrgängen (Meisterlehrgang, Schweißerlehrgang, Gabelstaplerfahrerlehrgang) delegiert. 1987 wurde die Wanne III in Schleusingen gelöscht. Grund für diese Stillegung waren die erhöhten Anforderungen an die Qualität pharmazeutischer Glasprodukte, die an diesem Produktionsstandort keinesfalls gesichert werden konnte. Rotationsmaschine U 12 G 32 im Glaswerk Schönbrunn Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte 59 Der Kultur- und Sozialfonds des VEB Glaswerk Schleusingen en (die sogenannte 2. Lohntüte). Diese Mittel konnten vom Gewinn einbehalten werden, der Rest des Gewinns war an den Staatshaushalt abzuführen. Und so verwandte das Glaswerk 1989 diese Mittel: 50% zur Arbeiterversorgung, Werkküche, Konsum-Verkaufsstelle, 20% für Betriebswohnungen und Berufsverkehr, 10% zur Unterstützung der Verteidigungsbereitschaft, Kampfgruppen, Zivilverteidigung und Betriebsfeuerwehr, die übrigen 20% für geistig-kulturelles Leben, Kulturhaus, Brigadearbeit, betriebliches Erholungswesen, Kinderferienlager, gesundheitliche Betreung, Arztstation, sportliche Aktivitäten und Betriebssportgemeinschaft Chemie Schleusingen-Erlau (mit den Sektionen Fußball und Kegeln), das Betriebssportfest sowie die Unterstützung der werktätigen Frauen. Mitarbeiterinnen Küche In den Jahren nach 1980 war das Bemühen der Werkleitung und Gewerkschaft besonders stark, die soziale und kulturelle Betreuung der Glaswerker ständig zu verbessern. Es gab eine eigene Werkküche, Pausenversorgung, besondere Versorgung der Glaswerker, die in rollender Schicht arbeiteten und eine Konsum-Verkaufsstelle. So war es zum Beispiel 1985 möglich, die Mitarbeiter rund um die Uhr in allen drei Betriebsteilen mit warmen Essen zu versorgen. Zur gesundheitlichen Betreuung diente ein Arztzimmer für die Sprechstunden des Betriebsarztes sowie eine ständig besetzte Sanitätsstelle. Über den Feriendienst des FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) versorgte die Gewerkschaft die Glaswerker mit Ferienschecks für einen 14-tägigen sehr kostengünstigen Ferienaufenthalt. Da die Zuteilung jedoch bei weitem nicht ausreichte, den Bedarf zu befriedigen, schuf sich der VEB Glaswerk Schleusingen eigene Ferienunterkünfte. Er baute auf dem Campingplatz Breitenbach zwei Ferien-Bungalows, die dann zum Austausch mit Bungalows in anderen Bezirken dienten. Ein solcher Urlauberaustausch erfolgte 1985 auch mit Polen. In den großen Schulferien im Sommer jeden Jahres organisierte der VEB Glaswerk Schleusingen stets ein Kinderferienlager, an dem nicht nur die Kinder der Glaswerker, sondern auch von Werktätigen anderer Betriebe teilnehmen konnten. Es gab drei Durchgänge zu je 14 Tagen, wobei für den Aufenthalt pro Kind nur wenige Mark zu entrichten waren. Für die Versorgung der Glaswerker sowie für deren kulturelles und sportliches Leben standen finanzielle Mittel bereit, die in den 50er Jahren noch gering waren, dann aber von Jahr zu Jahr stiegen. So erhielt der VEB Glaswerk Schleusingen mit seinen Betriebsteilen 1989, vorgegeben vom Kombinat über die Staatliche Auflage, die erhebliche Summe von ca 2.900 TMark (der DDR) für den Kultur- und Sozialfonds. Das waren ca. 1239.- DDR-Mark/Beschäftigt- 60 Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte Kinderferienlager des Glaswerkes Schleusingen Während der DDR-Zeit wurden die Betriebe mehrfach neuen, größeren Wirtschaftseinheiten zugeordnet, was in der Regel auch eine Änderung des Firmennamens zur Folge hatte. Das Glaswerk Schleusingen war in diesem Zeitabschnitt folgenden zentralen wirtschaftsleitenden Organen unterstellt. • von 1948 bis 1950 der Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) Glas/Keramik Ilmenau; • von 1950 bis 1954 der VVB Westglas, Ilmenau; • von 1954 bis 1956 der Industriezweigleitung Glas, Weißwasser; • von 1956 bis 1958 der Hauptverwaltung Glas, Dresden; • von 1958 bis 1964 der VVB Glas, Großbreitenbach; • von 1964 bis 1979 der VVB Haushalts- und Verpackungsglas, Weißwasser; • von 1979 bis 1985 dem Kombinat Behälter- und Verpackungsglas, Bernsdorf; • von 1985 bis 1990 dem Kombinat Lausitzer Glas, Weißwasser. Die Bezeichnung „Westglas“ resultiert aus der geographischen Lage der Thüringer Glaswerke innerhalb der DDR. Blick auf die alte Hütte II (Mitte) Schleusingen Der thüringische Großbetrieb hörte 1990 auf zu bestehen Die wirtschaftleitenden Organe der DDR ordneten an, mit Wirkung vom 1. Januar 1986 den Großbetrieb VEB Thüringer Behälterglas zu bilden. Zu ihm gehörten das Glaswerk Schleusingen mit den Werken Waldau und Schönbrunn, das Glaswerk Großbreitenbach mit dem Werk Masserbrück, das Glaswerk Ernstthal/Piesau und das Glaswerk Oelze mit den Werken Fehrenbach und Mellenbach sowie die beiden Formenbaubetriebe Schönbrunn. Die insgesamt 2.200 Beschäftigten, darunter 145 Lehrlinge, hatten 1986 laut Plan 180.449 Tonnen Glaswaren zu produzieren. Der Sitz des Betriebes befand sich ebenfalls in Schleusingen. Der Großbetrieb umfasste nunmehr die gesamte BehälterglasIndustrie des Thüringer Raums. Die Glaswerke Schleusingen, Großbreitenbach, Ernstthal/Piesau und Oelze mit den angeschlossenen Werken behielten ihre relative Selbstständigkeit. Es erfolgte im wesentlichen nur eine zentrale Leitung, Planung und Abrechnung der Betriebe, was das übergeordnete wirtschaftsleitende Organ, das Kombinat Lausitzer Glas, Weißwasser, verwaltungsseitig entlastete. Grundsteinlegung „REKO“ Hütte II, 1985 ter dem Namen „REKO“ Hütte II. Diese Investitionsmaßnahme wurde aufgrund der guten Ergebnisse beim Export und der Forderung der Kunden nach leichtgewichtigen Einwegflaschen durchgeführt. Die Einzelobjekte umfassten: Neubau der Hütte II, Neubau eines Sortier- und Verpackungsgebäudes, Neubau einer Lagerhalle, Neubau eine Trafostation und zweier Unterstationen, Neubau einer Gasübernahmestation, Bau einer gemischtbeheizten Glasschmelzwanne mit geplanter Schmelzleistung von 4,5 t/m2, Einsatz einer 10-Stationen-Reihenmaschine System Emhart mit Doppeltropfenbetrieb, Blas-Blas- und EnghalsPress-Blas-Technik sowie eines Speisers mit kombinierter Gas- und Elektroheizung. Am 26. April 1988 ging dann die sogenannte Forschungswanne des WTI Jena mit einer schwedischen Reihen-maschine IS 10 vom Typ Emhart als neue Fertigungslinie in Betrieb. In diesem Zusammen- Im VEB Glaswerk Schleusingen erfolgte auch die Berufsausbildung für alle im Werk vorkommenden Berufe. Zeitweise waren 45 Lehrlinge in der Ausbildung, wobei die Dauer der Ausbildung für einen Lehrling, der den Abschluss der 10. Klasse hatte, im allgemeinen zwei Jahre betrug. Die Ausbildung war praxisbezogen und vermittelte dem Lehrling die erforderlichen Kenntnisse für seinen späteren Einsatz. Die wichtigsten Lehrberufe waren: Glastechniker, Instandhaltungsmechaniker, Schlosser, Dreher, Werkzeugmacher, BMSR (Betriebs-, Mess-, Steuer- und Regeltechnik) Techniker, Elektroniker, Schreibtechniker, Wirtschaftskaufmann und Koch. Ab 1983 erfolgte im VEB Glaswerk Schleusingen die Planung der umfassenden Rekonstruktion der Wanne II un- Altes und neues Gemengehaus Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte 61 hang wurden dringend benötigte Kontroll- bzw. Werkzeugmaschinen importiert. Die Qualifikation unserer Arbeitskräfte im Aus-land war ebenfalls Bestandteil dieser Investition. Obwohl der Anlauf der Forschungswanne katastrophal verlief (es wurden drei Monate lang nur Scherben produziert), war diese Gesamtinvestition ein wesentlicher Schritt für den technischen Fortschritt im Glaswerk. Am 26. Juli 1988 gab es eine große Havarie, hervorgerufen durch eine deformierte Schmelzelektrode im Boden der Schmelzwanne. Durch das entstandene Leck lief die Wanne vollständig aus. Danach musste die Forschungswanne abgerissen werden und eine neue, die in der Konstruktion der Wanne I glich, gebaut werden. Dazu gab es sogar einen 13 DIN A4-Seiten umfassenden Beschluss des Ministerrates der DDR vom 28. Oktober 1988 „Beschluss zur Information und Maßnahmen zur Überwindung der Auswirkungen aus der Havarie an der Glasschmelzwanne II a im VEB Thüringer Behälterglas Schleusingen“. Anlässlich des 40. Jahrestages der DDR konnte diese neue Wanne II im Oktober 1989 in Betrieb genommen werden. Mit der neuen, modernen Wannen-, Maschinen-, Kontrollund Verpackungstechnik sowie dem geschulten Personal war nunmehr die Grundlage für eine stabile Produktion gegeben. Das Werk exportierte die produzierten EinwegBierflaschen fast ausschließlich in die Bundesrepublik Deutschland. Während der politischen Wende löste die DDR-Regierung mit Wirkung vom 1. Januar 1990 den Großbetrieb VEB Thüringer Behälterglas auf. Die Glaswerke Großbreitenbach, Katzhütte und Ernstthal/Piesau erhielten wieder ihre Selbständigkeit. das Glaswerk Großbreitenbach wurde von Wiegand Glas Steinbach am Wald übernommen. Der Betrieb Masserbrück wurde geschlossen, wie auch die Betriebsteile Mellenbach und Fehrenbach sowie das Werk Katzhütte 1993. Ernstthal und Piesau wurden selbständige GmbHs und erfolgreich privatisiert. Im Glaswerk Schleusingen mit den Betrieben in Waldau und Schönbrunn arbeiteten am 30. Juni 1990 noch 789 Beschäftigte. An fünf Schmelzwannen schmolz das Werk ca. 295 Tonnen Glas pro Tag. Einsatz einer Reihenmaschine IS10 Typ Emhart, 1989 62 Mit dem Frieden kam das Glaswerk nach 1945 zu neuer Blüte Das Glaswerk nach der politischen Wende Die „Hütte“ nun unter der Treuhandanstalt Am 1. Juli 1990 hielt die Treuhandanstalt Berlin sämtliche Gesellschafteranteile. Der im Register der volkseigenen Wirtschaft, Bezirk Suhl, eingetragene VEB Thüringer Behälterglas Schleusingen wurde nach § 1 Absatz 4 des Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisierung des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) durch gesetzliche Umwandlung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt. Gemäß § 11 Absatz 2 des Treuhandgesetzes ging das Vermögen der bisherigen Wirtschaftseinheit sowie der in Rechtsträgerschaft befindliche Grund und Boden in das Eigentum der Thüringer Behälterglas GmbH i.A. Schleusingen über. Die Registrierung im Handelsregister unter der Nr. 385 erfolgte am 3. September 1990. Damit gehörten ab 1. Juli 1990 weiterhin die Betriebsteile Waldau und Schönbrunn zum Hauptwerk Schleusingen. Im 2. Halbjahr 1990 produzierte die Thüringer Behälterglas GmbH Schleusingen an zwei Wannen 145 t/Tag mit einer Reihenmaschine IS 10 Typ Emhart und zwei Rotationsmaschinen U 12 G 32, in Waldau an einer Wanne 80 t/Tag mit einem Rundläufer WW 12 Doppeltropfen, einer tschechischen AI 106 und einer Reihenmaschine IS 6 Typ Emhart sowie in Schönbrunn an zwei Wannen jeweils 35 t/Tag mit zwei Rotationsmaschinen U 12 G 32 folgendes Sortimentsprogramm: Bierflaschen, braun 93,4 Millionen Stück/ Jahr; Saft- und Spirituosenflaschen, weiß 14,0 Millionen Stück/Jahr; Weitmundgläser, weiß 3,5 Millionen Stück/Jahr; Kindernahrungsgläser, weiß 17,4 Millionen Stück/Jahr; Medizinglas, braun 2,0 Millionen Stück/Jahr; insgesamt 130,3 Millionen Stück/Jahr. Aus dieser Ausgangssituation heraus begann die Thüringer Behälterglas GmbH Schleusingen, sich an die neuen Marktverhältnisse anzupassen. Dieser Sanierungsprozess dauerte mehrere Jahre und sollte erst im Jahre 1998 weitestgehend beendet sein. Durch die hohe Anzahl der Beschäftigten, per 31. Dezember 1990 noch 612, durch die überwiegend veralterte Wannen-, Maschinen- und Kontrolltechnik und die damit verbundene niedrige Produktivität, durch die hohen Kosten bei der Beheizung der Wannen mit Stadtgas (plus 60% gegenüber Erdgas) sowie durch den Zusammenbruch der ostdeutschen Kundenstruktur war das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt nicht profitabel. Glaswerk Schönbrunn, Wanne I, August 1991 Das Glaswerk nach der politischen Wende 63 Einsatz moderner Kontrolltechnik an der Wanne II, das Bild zeigt eine CO-Maschine, 1989 Glaswerk Schleusingen nach 1990 64 Das Glaswerk nach der politischen Wende Rotationsmaschine U 12 G 32, Wanne I in Schleusingen Reihenmaschine IS 10, Wanne II in Schleusingen In der Folgezeit leitete die Geschäftsführung zur Sicherung der Fortführung des Betriebes drastische Sanierungsmaßnahmen ein. So war es im IV. Quartal 1991 möglich, durch Inbetriebnahme der Ferngasleitung die Thüringer Behälterglas GmbH Schleusingen mit Erdgas zu beliefern. Die Umstellung von Stadtgas- auf Erdgasbeheizung hatte die Stilllegung des Standortes Schönbrunn am 31. Juli 1991 zur Folge. ABM-Kräfte rissen alle Gebäude auf dem gesamten Betriebsgelände ab und sanierten das Gelände. Danach erhielt dieses Gelände die Gemeinde Schönbrunn übertragen und es ist inzwischen teilweise wieder bebaut. Nach dem Scheitern einer Produktions- und Absatzkooperation mit einem Behälterglashersteller aus den alten Bundesländern war der Absatz dieser Produkte (40% des Gesamtabsatzes) gestoppt. Hinzu kamen vielfältige Kundenreklamationen wegen mangelnder Qualität. Deshalb entschied der Gesellschafter, die Treuhandanstalt Berlin, den Betriebsteil Waldau stillzulegen. Außerdem wurden am 6. März 1992 Hartmut Walter zum Geschäftsführer berufen und Andreas Mastaler als Betriebsleiter eingesetzt. Der ehemalige Geschäftsführer, Egon Kreußel, wurde in den Ruhestand versetzt. Wannengebäude Wanne I, 1994 nach Teilsanierung Das Glaswerk nach der politischen Wende 65 Einer der ersten Aufgaben der neuen Geschäftsleitung war es, in einer Belegschaftsversammlung im Werk Waldau den dortigen 110 Mitarbeitern die Schließung des Standortes zu begründen. Die letzte Schicht fuhren die Glaswerker in Waldau am 30. März 1992. 30 Mitarbeiter konnten in Schleusingen ihre Arbeit fortsetzen. Das Betriebsgebäude wurde später abgerissen und das Grundstück partiell an Gewerbetreibende verkauft. Nach der Schließung des Glaswerkes Waldau wurde die Wanne l in Schleusingen von Braun- auf Weißglas umgeschmolzen und an Stelle einer Rotationsmaschine U12G32 eine Reihenmaschine IS 6 durch eigenes Personal installiert. Damit wurde eine wesentliche Voraussetzung zum Ausbau des Standortes Schleusingen geschaffen. Die weitere Sanierung der Thüringer Behälterglas GmbH Schleusingen erfolgte durch die Neustrukturierung der Organisation der Beschaffungs- und Einkaufsprozesse, durch die Anpassung des Produktionsprofils an die Erfordernisse des Marktes sowie durch den weiteren Abbau von Personal mit dem Ziel der Privatisierung des Betriebes. 1993 war der indische Stahlproduzent Haryana Steel & Alloys Limited, New Delhi, an der Übernahme des Unternehmens interessiert. Der Kaufvertrag wurde jedoch nicht rechtskräftig wegen sich ständig verschärfender Bestimmungen der Treuhandanstalt Berlin. Privatisierung und Erneuerung Nach mehrjährigen, langen und schwierigen Verhandlungen mit der Treuhandanstalt in Berlin und Suhl übernahm schließlich ein Beteiligungsfonds der amerikanischen Beteiligungsgesellschaft Advent International, Boston, MA, über eine Zwischengesellschaft (3. Advent Beteiligungsgesellschaft mbH) am 1. Januar 1994 alle Geschäftsanteile der Thüringer Behälterglas GmbH. Wie üblich war auch diese Privatisierung vertraglich mit Auflagen der Treuhandanstalt (Beschäftigungsgarantie für Mitarbeiter, Investitionsgarantien usw.) vertraglich verknüpft. Zu diesem Zeitpunkt schmolzen die Glaswerker in Schleusingen an zwei Wannen 185 t/Tag Weiß- und Braunglas. Die Belegschaftsstärke umfasste am 31. Dezember 1993 insgesamt 215 Arbeiter und Angestellte. Zielstellung der neuen Gesellschafter, die mit dem Kauf des Glaswerkes unternehmerische Weitsicht bewiesen, war die Sicherung des Standortes Schleusingen und der schrittweise Ausbau des Werkes zu einem modernen und leistungsfähigen Behälterglasproduzenten. Die Privatisierung der Thüringer Behälterglas GmbH war die Voraussetzung und leitete einen entscheidenden Abschnitt für die Entwicklung des Betriebes ein, womit gleichzeitig auch ein konkreter Beitrag zum Aufbau der ostdeutschen Wirtschaft geleistet wurde. Anbau Hütte I für 3 Fertigungslinie Reihenmaschine IS8 Typ Heye, 1998 Havarie Wanne I am 16. Februar 1994 66 Das Glaswerk nach der politischen Wende Neubau Wanne I mit zwei Reihenmaschinen Typ Heye, 1994 Wenige Tage nach der Übernahme durch Advent, am 16. Februar 1994 (Aschermittwoch), ereignete sich ein Wannendurchbruch im Bodenbereich der Wanne l. Schleusinger und Erlauer Feuerwehrleute konnten das in den Keller ausfließende Weißglas nur noch durch Abkühlung eindämmen, um weiteren Schaden zu verhindern. Eine hochmotivierte Belegschaft förderte unmittelbar nach dem Erkalten des Glases dieses aus dem Keller, reparierte die Wanne und ersetzte die Technik, so dass bereits nach vier Wochen der volle Schmelzbetrieb wieder aufgenommen werden konnte. Eine für das Unternehmen bedeutende Investition begann am 26. August 1994 mit dem Löschen und Abriss der Wanne l. Der Neubau der Wanne l war verbunden mit der Neuausstattung zweier Reihenmaschinen IS 8/6 vom Typ Heye, der Erneuerung der Bandanlagen am Kalten Ende sowie dem Aufbau moderner Kontroll- und Verpackungstechnik. Selbst der Ministerpräsident des Landes Thüringen, Dr. Bernhard Vogel, ließ es sich im Rahmen seines Besuches in Schleusingen nicht nehmen, die Wannenbaustelle im Glaswerk zu besichtigen. Nach nur sieben Wochen ging die Wanne l mit zwei Fertigungslinien wieder in Produktion. Damit war es den Glasmachern möglich, an der Weißglaswanne mit modernster Technik in allen Fertigungsverfahren in Leichtglastechnologle qualitäts- und kundengerecht zu produzieren. Sie stellten Einweg- und Mehrwegflaschen bis 0,75 l Inhalt sowie Weithalsgläser bis 0,7 l her. Die Anzahl der aktiven Sortimente überstieg erstmalig die Marke 100. Namhafte Kunden im In- und Ausland zählten zu den Abnehmern dieser Produkte. Im Januar 1995 errichteten die Glaswerker die Lagerhalle l für Fertigwaren neu. Im Zuge dieser Baumaßnahme war es notwendig, die alte Hütte III sowie das Kantinen- und Kulturgebäude zu entfernen. Bereits am 24. März 1995 begann eine weitere Großinvestition: die Erneuerung der Wanne II. Am 3. Mai 1995 produzierten die Glaswerker mit einer neuen Reihenmaschine IS 10 vom Typ Emhart sowie mit neuer Kontroll- und Verpackungstechnik. Durch die Erweiterung des Hüttengebäudes ging am 25. März 1996 die beim Wannenneubau bereits geplante weitere Fertigungslinie mit einer Reihenmaschine IS 8 Typ Heye in Betrieb. Damit konnten die Braunglasprodukte über den Standardbereich hinaus auf kundenspezifische Flaschen und Gläser erweitert werden. Heute beliefert die Thüringer Behälterglas GmbH Schleusingen einen Großteil der Abfüllbetriebe in der Bundesrepublik Deutschland sowie Kunden in der Europäischen Union, in Österreich, Schweden, Canada u.a. Gleichzeitig mit dem Anbau des Hüttengebäudes 1996 errichtete das Glaswerk die Werkstätten für die Schlosser und Handwerker sowie das Magazin. Neue Sozialräume ergänzten das Bauvorhaben und verbesserten die Arbeitsbedingungen der Arbeiter erheblich. Abriss Sozialgebäude und Kulturhaus, August 1991 Das Glaswerk nach der politischen Wende 67 Gemengehaus und Lagerhalle I, 1997 Luftaufnahme des Glaswerkes Schleusingen mit angrenzender Gemeinde St. Kilian, 2002 68 Das Glaswerk nach der politischen Wende aktuelles Produktionssortiment Die Inbetriebnahme eines neuen vollautomatischen Gemengehauses im Jahre 1997 ersetzte das mit Krananlagen halbautomatisch betriebene Gemengehaus. Über Bandanlagen und elektronisch gesteuert wird seit dem die Beschickung der Schmelzwannen mit Gemenge und Altglas gesichert. Am 26. April 1998 ging die dritte Fertigungslinie mit einer Reihenmaschine IS 8 Typ Heye an der Weißglaswanne in Betrieb. Das marode Gebäude des Kalten Endes wurde durch eine moderne Halle ersetzt, so dass sich auch hier die Arbeits- und Produktionsbedingungen verbesserten. Die Erweiterung der Lagerkapazitäten um die Lagerhalle III flankierte die Neuinbetriebnahme. Die beiden Schmelzglaswannen erhielten 1999 bzw. 2000 Elektrofilter. Damit produziert die Thüringer Behälterglas GmbH Schleusingen im höchsten Maße umweltfreundlich. Die kundengerechte Lagerung der Fertigwaren erforderte den Bau einer weiteren, der IV. Lagerhalle, die auf dem Gelände des alten Gemengehauses und der Außensilos entstand und im Januar 2001 zur Nutzung übergeben wurde. Nach knapp acht Jahren Laufzeit der Wanne I begann am 5. April 2002 deren Komplettneubau nach modernsten energetischen und konstruktiven Erkenntnissen. Eine umfassende Modernisierung der Maschinentechnik und des Kalten Endes schloss dieses Investitionsvorhaben ein. Termingerecht am 24. Mai 2002 begann der Produktionsstart dieser neuen Wanne l. Gleichzeitig wurde auch die Sanierung des Hüttengebäudes (Dach und Fassade) abgeschlossen. Heute fertigt die Thüringer Behälterglas GmbH Schleusingen an fünf hochmodernen Fertigungslinien mit 185 motivierten Beschäftigten 250 aktive Sortimente für das Inund Ausland. Das Unternehmen hat 2002 also innerhalb von 12 Jahren das Produktionsniveau auf Basis Tonnen des Jahres 1990, die Wendezeit, erreicht. Neben der Erneuerung der Technik und Technologie wurde in dieser Zeit viel Wert auf eine umfassende Qualifizierung der Beschäftigten und ein gutes Betriebsklima gelegt. Jährlich werden drei eigene Nachwuchsfacharbeiter in Regie des Betriebes ausgebildet. Den Wünschen der Belegschaft entsprechend, richtete das Glaswerk wieder eine kleine, aber schmucke Hüttenkantine ein und eröffnete sie am 19. Februar 2003. Am 01. Juli 1999 verkaufte der von Advent International, Boston, MA, betreute Beteiligungsfonds seine Geschäftsanteile an der 3. Advent Beteiligungsgesellschaft an den schweizerischen Beteiligungsfonds GTH Glastechnik Holding AG, Zürich, der damit neuer Eigentümer der Thüringer Behälterglas GmbH wurde. Beide Beteiligungsfonds haben in ihrer Funktion als Gesellschafter die nach der Privatisierung erforderliche Restrukturierung und Repositionierung der Gesellschaft im gesamtdeutschen Behälterglasmarkt mit Geduld und Tatkraft unterstützt, so dass die Privatisierung heute als ein voller Erfolg gewertet werden darf. Damit bleiben die positiven Rahmenbedingungen für die allseitige und kontinuierliche Entwicklung der Thüringer Behälterglas GmbH Schleusingen bestehen. Das Glaswerk nach der politischen Wende 69 Ein notwendiges Nachwort In Vorbereitung der Feierlichkeiten anlässlich des 150-jährigen Bestehens des Glaswerkes Schleusingen gab es innerhalb der Geschäftsführung Überlegungen, ob es nicht möglich sei, aus diesem Anlass auch eine Jubiläumsschrift zu erarbeiten. In Beratung mit weiteren Mitarbeitern gab es schnell Einigung, die Entwicklung von einer Glashütte zu einem modernen Glaswerk mit Wort und Bild in einer Broschüre darzustellen. Allerdings wäre noch mehr Zeit nötig gewesen, um die 150-jährige Geschichte von der Entwicklung einer Glashütte zum modernen Glaswerk umfassend zu erzählen. So erhebt diese vorliegende Chronik keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es bleiben Lücken. Sie entstand durch das Sammeln von Informationen, Daten und Bildern, durch Geschichten und Ereignisse, die viele Angehörige des Glaswerkes übermittelten. Auch das leider nur kleine und sehr lückenhafte Betriebsarchiv konnte mit genutzt werden. Dagegen stand für die Darstellung der allgemeinen Geschichte des Glases umfangreiches Material zur Verfügung, so dass die richtige Auswahl für diese Chronik schwer gefallen ist. Der 150-jährige Wandel der Schleusinger Glasfabrik zeigt, dass der Werkstoff Glas alle gesellschaftlichen Epochen, alle technischen Umwälzungen sowie alle Marktentwicklungen nachhaltig prägte und auch künftig eine große Akzeptanz behalten wird. Wir danken an dieser Stelle allen Mitarbeitern, die durch Beiträge, Bilder und Hinweise bei der Erarbeitung dieser Chronik geholfen haben. Sollte trotzdem ein Name oder eine Begebenheit zu kurz gekommen oder gar vergessen worden sein, bitten wir um Nachsicht. Großer Dank gilt gleichfalls allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Glaswerkes für ihre guten Leistungen, ihre hohe Einsatzbereitschaft und ihr Engagement, welches mit dazu beigetragen hat, dass die Thüringer Behälterglas GmbH Schleusingen heute wieder eine solide und geachtete Marktposition einnimmt. Dank auch unseren Gesellschaftern, die diese Entwicklung ermöglichten und uns stetig mit Rat und Tat zur Seite standen. Ein notwendiges Nachwort 71 Anhang • Lageplan alter Thüringischer Glashütten • Stammtafel der wichtigsten Hüttengründungen des Thüringer Waldes • Glas = Taxa; Preisliste der 1735 gegründeten „Handelskompanie“ Thüringer Glashütten • Ahnentafel zur Heinz´schen Glasfabrik • Erste urkundliche Erwähnung des Glaswerkes im „Henneberger Kreis-Blatt“ • Standortentwicklung „Friedrichswerk“ • Zeittafel zur Entwicklung der Glashütte Schleusingen • Glasmacherzeichen • Übersicht über die Betriebsjubiläen • Gesellschafter und Geschäftsführer des Glaswerkes Schleusingen Stammtafel der wichtigsten Hüttengründungen des Thüringer Waldes Ur-Urgroßvater Adam Heinz um 1865 mit Tochter Selmann und Enkel Erich Schäfer um 1870/71 aufgenommen in Paris Geschwister von Urgroßmutter Varrentrapp, geb. Heinz Geschwister von Urgroßmutter Varrentrapp, geb. Heinz Carl Heinz 1859 – 1941 Erich Heinz-Schäfer Entwicklung und Nutzung des späteren Friedrichswerks Filialen/Werkteile äußere Einflüsse 1196 älteste nachgewiesene thür. Glashütte bei Jena - Zeitalter der Waldglashütten 1350 Glashütte bei Suhl 1481 oder 86 Fam. Semler aus Nürnberg darf in Schleusingen oberhalb der Hainmühle in der Hell Kupferhammer anlegen (und Wasser von Erle in Breitenbach leiten) 1524 Verkauf des Hammers an den Schleusinger Bürger Jäger (= "Jägerhammer") 1547 Besitzerwechsel und Umwandlung in Gießwerk und Zain (= Eisenstab-)hammer 1789 Johann Daniel Keiner wird oder ist Besitzer des Eisenhammers (Weißblechhammer) und anderer Hämmer der Umgebung 1. Hälfte des 16. Jhd. Übergang zu Dorfglashütten 1665 Heizungsversuch in Manebach mit Kohle erfolglos 1735...39 Thüringer Glashüttensyndikat 1789...94 französische (bürgerliche) Revolution, vorerst nur Auswirkungen im Grenzgebiet zu Frankreich 1806...13 Napoleonische Besetzung deutscher Gebiete, Befreiungskrieg, bürgerlicher Einfluss auf die dt. Gesellschaft (z.B. Gesetzbücher) 1821 Adam Heinz der spätere Besitzer der Glashütte geboren. 1827 Übergang des Eigentums des Hammers an Senator Friedrich Schlundt, der Name "Friedrichswerk" entsteht) 1830 Kunststraße Suhl-Schleusingen fertiggestellt, damit ist die Hütte an das leistungsfähige Fernstraßennetz angeschlossen 1834 Dt. Zollverein als Vorläufer einer Reichseinigung gegründet 1853 Daniel Wiegand aus Altenfeld und Friedrich König aus Langewiesen kaufen das Werk, Wiegand und sein Schwiegersohn Adam Heinz richten dort eine Glashütte ein, lassen Hammer vorerst in Betrieb, Glasschmelze mit 30 Arbeitern in einem holzbeheizten Hafenofen 1854 der Glasmeister Adam Heinz übernimmt den Anteil seines Schwiegervaters und kauft 5 Jahre später auch den Anteil von Friedrich König 1859 Adam Heinz legt Hammer still. 1861 Im Hammergebäude wird ein weiterer 1863 Glashütte UnHafenofen errichtet terneubrunn (später Schönbrunn) wird auf Gelände eines ehemaligen Eisenhammers gegründet. Viel später, in der DDR, wird diese erst Waldau, dann Schleusingen angegliedert. ab 1860 Kohleheizung für Glasschmelzöfen, 1865 Siemensscher Regenerativofen, 1867 Siemensscher Gasgeneratorofen, vielen dt. Hütten fehlt das Kapital für diese Neuerungen Entwicklung und Nutzung des Filialen/Werkteile späteren Friedrichswerks 1870...71 Deutsch-Französischer Krieg, 1871 Gründung des Dt. Reiches, Wirtschaftsaufschwung auf Basis der franz. Reparationen, Gründerjahre 1871Glashüttenindustriellenverband und 1875 Verband der Glasmacher werden gegründet 1878...90 Reichskanzler Bismarck versucht mit Sozialistengesetz die Bevölkerungsmehrheit von Beteiligung an der Macht abzuhalten und scheitert politisch. 1886 1. englische Flaschenblasmaschine, 1889 engl. Patent über automat. Herstellung von Gläsern, auch hier fehlt in Dt. zur Übernahme vorerst das Kapital 1888 Bahnstrecke ThemarSchleusingen wird fertiggestellt, Schleusingen erreicht nun leicht den europäischen Markt 1878 25-jähriges Geschäftsjubiläum wird gefeiert, mehr als 100 Mitarbeiter 1887 wird Ofen I, 1892 Ofen II, 1896 Ofen III, 1899 Ofen IV gebaut, die Öfen haben Kohle-Gasgeneratoren, damit ist Übergang von handwerklicher zur industriellen Fertigung vollzogen 1897 Adam Heinz stirbt, die Söhne Robert und Carl übernehmen die Leitung 1903 50-jähriges Geschäftsjubiläum wird groß gefeiert 1907 mit dem Tode von Robert Heinz wird sein Bruder Alleinbesitzer 1907 eine Turbine zur Stromerzeugung am Mühlgaben wird in Betrieb genommen 1914...18 Schleiferei in Schleusingen wegen Arbeitskräftemangel geschlossen äußere Einflüsse 1892 droht Besitzer Witter in 1895 Kleinbahn Eisfeld Unterneubrunn in Bismarckscher Unterneubrunn fertiggestellt Manier mit Entlassung bei sozialistischen Bestrebungen, 1896 hat Unterneubrunner Hütte ca. 300 Arbeiter 1898 Glasarbeiterverband entsteht als Nachfolger des Verbands der Glasmacher 1905 Glashütte Hinternah errich- um 1900 stellen letzte Dorfglastet (ca.150 Beschäftigte), 1906 hütten Betrieb ein, 1904 BahnSchleusinger-Neundorf (ca. 120 strecke Schleusingen-Ilmenau fertiggestellt Beschäftigte) 1913 Filiale Erlau errichtet 1911 Bahnstrecke SchleusingenSuhl und Werksanschluss fertiggestellt 1914 Filialen Erlau, 1914...18 I. Weltkrieg, DeutschSchleusinger-Neundorf und land wird nach Zusammenbruch Hinternah werden wegen kriegs- des Kaiserreiches Republik,Verbedingtem Arbeitskräftemangel sailler Vertrag bürdet Deutschland geschlossen gewaltige Reparationslasten auf 1923 13 Wochen erfolgloser Streik 1920...23 Wiederinbetriebnahme 1918...23 Inflation als Spätfolge um höhere Löhne, 8 Arbeiter entlas- der Filialen nach dem Weltkrieg der Kriegskosten lässt weite Teile sen der Bevölkerung verarmen, politische Lage ist instabil 1925 erstes maschinell geblasenes 1923 neue Glashütte Neuwerk in 1923 wirtschaftlicher Aufschwung Glas in Schleusingen, 1929 1053 Schmiedefeld wird erworben, nach Währungsreform Beschäftigte in allen Filialen 1925 Der Fabrikant Bulle gründet Glaswerk Waldau (Fensterglas). Dieses wird später, in der DDR, Schleusingen angegliedert. Entwicklung und Nutzung des späteren Friedrichswerks Filialen/Werkteile 1928 75-jähriges Geschäftsjubiläum wurde wegen schlechter Geschäftslage wahrscheinlich nicht gefeiert 1931 nur noch 530...540 Beschäftigte 1930...31 Die Filialen Neuwerk, Hinternah, Schleusinger-Neundorf werden wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage stillgelegt ab 1932 werden 13 belgische Vollautomaten gekauft, Bezahlung zieht sich bis nach Kriegsende hin, weiteres Absinken der Beschäftigtenzahlen, diese wechseln in die Rüstungswirtschaft 1937...48 Gemeinschaftskantine gegründet und als selbständiges Unternehmen betrieben 1939 oder 40 adoptiert Carl Heinz seinen Neffen Erich (-Heinz) Schäfer und macht ihn zum Alleinerben ab 1939 Einsatz von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern, es wird noch exportiert, Rohstoffe werden aber immer knapper, Kriegsproduktion wird aus Suhl wegen Bombengefahr auch nach Schleusingen und Erlau verlagert 1941 stirbt Carl Heinz, der Adoptivsohn erbt das Werk 1939...45 38 Mitarbeiter gefallen, viele schwer verwundet, 1945 Stillegung infolge der Kriegsereignisse, Rohstoffe und Brennmaterial fehlen. 1945/46 Beschlagname des Werkes durch die Sowjetische Militäradministration, SMAD, Erich Heinz-Schäfer wird Sequester-Verwalter 1945...47 Wiederinbetriebnahme der einzelnen Wannen, Reparationslieferungen, Mangel an Roh- und Brennstoffen 1949 Erich-Heinz-Schäfer wird endgültig enteignet, behält aber vorerst das "Herrenhaus" das nicht zum Betriebsvermögen gehört. Dies muss er später wegen seiner Lage auf dem Werksgelände verkaufen 1929...33 Weltwirtschaftskrise, ausgelöst durch Ereignisse in den USA, Arbeitslosigkeit steigt auf 6 Mio. Menschen in Deutschland 1933 Die NSDAP übernimmt die Macht, profitiert vom Ende der Weltwirtschaftkrise, konjunktureller Aufschwung auch durch Kriegsvorbereitungen 1933...39 Bis Kriegsbeginn sozialer Aufschwung ("Kraft durch Freude") aber auch Judenverfolgungen in Dt. und Schleusingen 1939 Stillegung der Filiale Erlau wegen kriegsbedingtem Arbeitskräftemangel 1939...45 II. Weltkrieg Masseneinsatz von Zwangsarbeitern und Gefangenen, um eingerükkte Soldaten mindestens teilweise zu ersetzen 1945 Geringer Beschussschaden in Erlau 1945 Schleusingen wird erst amerikanisch, dann sowjetisch besetzt 1948 Werk wird "Volkseigentum", VEB, 1949 WiederinbetriebBezeichnungen und Unterstellung unter wirt- nahme der Hütte in schaftsleitenden Organe wechseln mehrfach, Erlau (1 Hafenofen) Arbeit unter Bedingungen einer Planwirtschaft, moderne Technik kommt nur sehr zögerlich 1948...52 1. Betriebsleiter wird Artur Fabig (ehem. Betriebsratsvorsitzender) 1952 Die Vorkriegsproduktion wird wieder erreicht und leicht übertroffen. 1952...57 Betriebsleiter Ernst Volkmar äußere Einflüsse ab 1945 enteignet SMAD über allierte Absprachen hinausgehend, Vermögen in ihrer Besatzungszone 1948 Gründung der DDR, Deutschland wurde im Interesse der Kriegssieger gespalten. Der "Kalte Krieg" beginnt. Die DDR wird in wachsendem Maße von der Weltwirtschaft isoliert. Entwicklung und Nutzung des späteren Friedrichswerks Filialen/Werkteile 1953 100-jähriges Geschäftsjubiläum wird trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage gefeiert. Es gibt wieder kleine Investitionen. 1954 Kulturhaus wird gebaut 1957...73 Betriebsleiter Willy Hartleb 1968 der ehemalige Besitzer Erich HeinzSchäfer stirbt kinderlos in Schleusingen 1968...71 Umstellung auf Ferngas, die dadurch entstandenen Kosten können nur durch Einführung der rollenden Schicht abgefangen werden 1973...79 Betriebsleiter Georg Gratz 1976 neues halbautom. Gemengehaus in Betrieb 1978 125-jähriges Betriebsjubiläum wird nicht gefeiert. Nach Neubau der Wanne 1 werden an 3 Wannen, 3 Rotationsmaschinen U12G32 und 1 Rotationsmaschine U8G12 über 100 Mio. Flaschen/Jahr hergestellt, Schmelzkapazität 112 t/d 1978 Da die Öfen bzw. Wannen 2 und 1 vereinigt werden, wird aus Wanne 4 nun Wanne 2 1980...83 Direktor Uli Ledermann, Forcierung des Exports in die Bundesrepublik 1983...91 Direktor und später Geschäftsführer Egon Kreußel 1987 Hütte 3 ist veraltet, wird stillgelegt und vorläufig als Lager genutzt 1988 Rekonstruktion der Hütte 2 mit Einsatz einer IS10 für Leichtflaschen, um weltmarktfähig zu werden, Rückschlag bei Schmelzaggregat, ca. 420 Beschäftigte, weiterer Ausbau der Hütte geplant 1990 Betrieb geht an "Treuhandanstalt" über, kurze Periode der Stagnation 1992 Hartmut Walter wird als Geschäftsführer eingesetzt, Werk wird für Marktwirtschaft umstrukturiert, stabilisiert und sukzessiv mit staatlicher Förderung weiter modernisiert 1994 Betrieb wird von "Treuhand" an AdventGruppe verkauft, ca. 175 Beschäftigte 1996 Maschine 4 wird an Wanne 2 zusätzlich angesetzt, Bau zusätzlicher Fertigwarenläger verändert das Aussehen des Betriebes Schritt um Schritt völlig 1997 Bau eines vollautomatischen Gemengehauses 1998 Maschine 5 wird bei einer Rekonstruktion der Wanne 1 zusätzlich angesetzt äußere Einflüsse 1953 Die DDR erringt ein gewisses Maß an Souveränität. Lebensmittel sind aber noch knapp und rationiert. Der Volksaufstand im Juni erreicht den ländlichen Raum nicht. 1969 Stilllegung der Hütte Erlau, da Arbeitskräfte und Investmittel fehlen 1978 Glaswerk Waldau (1 Wanne, 3 Maschinen), das schon vorher mit Schönbrunn (2 Wannen, 2 Maschinen) vereinigt wurde, wird Schleusingen angeschlossen Angespannte wirtschaftliche Lage in der DDR verzögert immer wieder Investitionen. 1989/90 politische Wende in der DDR, Anschluss an die BRD 1991 Stillegung von nach 1990 Die Bahnstrecken um Schönbrunn und 1992 Schleusingen verlieren an von Waldau, da sich Bedeutung und werden eingekeine Interessenten für stellt. Kauf und Sanierung finden lassen. Entwicklung und Nutzung des späteren Friedrichswerks 1999 Verkauf an Schweizer Kapitalgesellschaft 2003 150-jähriges Geschäftsjubiläum, 185 Beschäftigte stellen an 2 Wannen auf 5 IS-Maschinen ca. 400 Mio. Gläser und Flaschen/Jahr her, Schmelzkapazität ca. 300 t/d Filialen/Werkteile äußere Einflüsse 2003 Die Autobahn erreicht Suhl, Strecken Schleusingen-Suhl und Schleusingen-Eisfel-CoburgLichtenfels-(Bamberg) im Bau ABSCHRIFT PROGRAMM zur Feier des FÜNFZIGJÄHRIGEN GESCHÄFTS’-JUBILÄUMS der Firma Adam Heinz, Glashütte “Friedrichswerk“, am 17., 18. und 19. Okt. 1903. Sonnabend, den 17. Oktober: Fackelzug – Danklied. (Nun danket alle Gott) Ansprache Schlussgesang Gemeinschaftlicher Abendschoppen im “Gasthaus zu Rassen“. Sonntag, den 18. Oktober Nachmittag ½ 2 Uhr Gottesdienst in der Kirche zu St. Kilian nach dem Gottesdienste Zug nach Schleusingen in die Gasthöfe Schiesshaus und Krone. Daselbst um 4 Uhr: Tafel. Im Anschluß daran Liedervorträge. Feuerwerk im Garten des Schiesshauses. Abends: Ball. Montag, den 19. Oktober Schlussfeier Abends 8 Uhr: Kommers mit Musik im Schiesshaus. Vorfeier am Abend des 17. Oktober: _____________________________ ½ 7 Uhr Aufstellung des Fackelzuges, dessen Spitze ein Herold und zwei Knappen bildeten. Um 7 Uhr setzte sich derselbe hinter der dritten Hütte in Bewegung und passierte unter den Klängen der städtischen Kapelle alle Wege des ganzen Grundstückes, dann Gruppierung desselben auf dem Herrenhofe. Überreichung der Geschenke an Herrn Carl H e i n z, darauf gemeinschaftlicher Gesang: “Nun danket alle Gott“ usw.Ansprache des Herrn Carl H e i n z, in welcher u.A. die Stiftung eines Fonds von 10.000.-RM zur Unterstützung arbeitsunfähiger Arbeiter bekanntgegeben wurde. Übergabe einer von Herrn H e i n z gestifteten herrlichen Fahne mit dem Hinweis, dieselbe jederzeit als sichtbares Zeichen der Zusammengehörigkeit zu betrachten und derselben untereinander in Freud und Leid eingedenk zu sein. Unter Böllerschüssen, Rotfeuer und schmetternden Musikklängen wurde die Fahne, deren goldgestickte Seidenpracht im hellen Lichte der vielen hundert Lampionkerzen schimmerte, jubelnd in Empfang genommen. Nun folgte unter Begleitung der Musik gemeinschaftliches Singen des Festliedes nach der Melodie: “Deutschland, Deutschland über alles“Ansprache des Hüttenmeister Strobel Hochverehrter Herr Chef! Hochverehrte Mitglieder des Hauses H e i n z ! Heute am Vorabend des seltenen, grossen bedeutungsvollen Tages, des 50 jährigen Geschäftsjubiläums Ihrer werten Firma, war es uns allen ein rechtes Bedürfnis, Ihnen eine Huldigung darzubringen. Mein schon lange gefasster Plan und mein diesbezüglicher Wunsch bzw. Vorschlag, einen Fackelzug zu veranstalten, und das Fest aufs Herrlichste zu gestalten, wurde mit Begeisterung aufgenommen, und wir Ich spreche wohl aus dem Herzen aller, wenn ich Ihnen die Versicherung geben, dass sich ein Jeder an dem Arrangement dieses Festes mit Liebe und Eingebung zu seinem Herrenhause beteiligt hat. War es denn aber auch anders möglich? Hat doch Ihr sel. Herr Vater, als er vor 50 Jahren dieses Geschäft gründete, Güte und Liebe unter seine wenigen Leute gesäet. Diese Güte und Liebe haben Wurzel gefasst, haben sich weiter gepflanzt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bis auf den heutigen Tag, und heute nach 50 Jahren sehen Sie ein grosses Erntefeld der Güte und Liebe vor sich. 50 Jahre reicher Arbeit, reichen Schaffens! Was mag sich nicht in dieser langen Zeit sowohl Ihrem Herrn Vater als auch Ihnen über den Weg gelegt haben ! Was war da wohl nicht alles aus dem Wege zu schaffen und zu beseitigen, um auf geebnetem Pfade vorwärts schreiten zu können. Aber wohl Ihr sel. Vater als auch Sie haben es verstanden, mit Fleiss so bis hierher zu gelangen. Als Sie vor nahezu 15 Jahren die Zügel des Geschäfts in die Hand nahmen, war es Ihr sehnlichster Wunsch mit den alten Einrichtungen der Holzfeuerung zu brechen und den Betrieb der Neuzeit entsprechend einzurichten und es wahrte auch nicht lange, so wurde der erste der vier heute noch in Betrieb befindlichen Öfen mit Gasfeuerung gebaut. Durch diese Gasfeuerung wurde es ermöglicht, nicht allein mehr sondern auch schöneres Glas zu erzeugen. Die Bestellungen mehrten sich dann so, dass in kurzer Zeit ein zweiter Ofen gebaut werden musste. Auch dieser zweite Ofen genügte nicht, und so ergab es sich, dass noch ein dritter und vierter Ofen gebaut werden musste, und vor kaum drei Wochen durchflog den Kreis Schleusingen die Kunde, dass die Firma Adam Heinz beabsichtige, in Hinternah ein Zweiggeschäft, einen fünften Ofen zu bauen. Ein Geschäft zu vergrössern deutet nur auf einen guten Geschäftsgang hin und dem ist es auch so, und wir alle hoffen und wünschen von ganzen Herzen, dass dies weithin hochangesehene Firma Adam Heinz weiter blühen und gedeihen möge, und dass wir in 25 Jahren wieder hier aber noch zahlreicher versammelt sein werden wie heute! Diesen meinem, unseren Wunsch Ausdruck zu geben, ersuche ich Sie Alle einzustimmen: “Die Mitglieder des Hauses H e i n z mit Herrn Carl H e i n z voran, sie leben hoch, hoch, hoch ! ---Während der ganzen Vorfeier waren die Fenster der zum Friedrichswerk gehörigen Gebäude illuminiert und der unvergessliche Abend wurde durch gemeinschaftlichen Abendschoppen im ebenfalls festlich geschmückten Gasthause zu Rassen fröhlichst beschlossen! Sonntag den 18. Oktober: Morgenständchen. --- 1 Uhr Abholung der Fahne im Gasthaus zu Rassen. --Aufstellung der Beamten und Arbeiter. Mit Herrn H e i n z gemeinschaftlicher Kirchgang --Festgottesdienst mit Chören. Predigt von Herrn Pastor Neidhold zu St. Kilian --Schlusschoral: “Nun danket alle Gott“ --Nach dem Gottesdienst Zug nach Schleusingen in die Gaststätte Schiesshaus und Krone. Vor Beginn der Tafel Prolog gesprochen vom Hüttenmeister Strobel, dessen 18. Strophe: Von “Friedrich“ ist dein Name, Ein “Friedrichswerk bist du Es fliesst des Nächsten Segen Dir unaufhörlich zu ! Als bleibendes Andenken, als Transparentspruch an der Giebelseite der Hafenstube, welche vor 50 Jahren die erste Hütte war, unter Glas gebracht ist. Während der Tafel wurden mehrere Toaste ausgebracht, und zwar zuerst von Herrn H e i n z auf Er. Majestät unseren Kaiser, auf die Firma, * ferner auf den Hüttenmeister Strobel, Herrn Cantor Holland, als den Dirigenten der Sänger, und dankte mit sehr warmen Worten Herrn Pastor Neidhold. Dieser feierte mit wärmsten Worten die Familie H e i n z und der Hüttenmeister Strobel Herrn H e i n z als freundlichsten Gastgeber. * Ansprache des Herrn H e i n z: Ich möchte noch einmal das Wort ergreifen, um des Anlasses des heutigen Zusammenseins zu gedenken, nämlich der Jubilarin, der Firma “Adam H e i n z – Glashütte Friedrichswerk“. Fünfzig Jahr sind mit dem heutigen Tage seit ihrem Bestehen verflossen und als der Mitinhaber der Firma danke ich zunächst Gott, dass er bis hierher geholfen! Gestatten Sie nun, dass mit einigen Worten die Entstehung und das Werden unserer Firma vorführe, mein leider schon verstorbener Vater, der Gründer der Firma, der ihr auch seinen Namen gab, siedelt im Jahre 1853 von Alexanderhütte, wo er Teilhaber einer Glashütte war, nach Friedrichswerk über, um daselbst eine neue eigene Hütte zu errichten. Auf dem Friedrichswerk bestand damals noch ein Eisenhammer, der sogenannte Kupferhammer. Getrennt von diesem wurde der neue Glasofen mit Holzfeuerung errichtet. Nach vollendetem Bau wurden am 17. Oktober die ersten Glasgemenge zur Schmelze gebracht und am Tage darauf am 18. Okt., nachdem die Arbeit mit dem Gesang des Liedes “Nun danket alle Gott“ eingeleitet worden war, wurden die ersten Flaschen in kunstgerechter Weise geblasen. Das Fabrikat waren chemisch pharmazeutische Artikel. Einem grösseren Teil der Anwesenden sind noch die Schwierigkeiten bekannt, mit denen die damaligen Holzöfen zu kämpfen hatten. Um ihnen zu begegnen bedurfte es langanhaltender, anstrengender Arbeitsschichten,die sich von frühester Morgenstunde bis zum Abend hinzogen. Vor allem aber bedurfte es, neben der intensiven Arbeit den Arbeitsherrn und dessen aufopfernd mitsorgenden Gattin einer treuen Arbeiterschaft! Und auf diese hatte der Gründer der Glashütte, wie er mir gegenüber oft mit Dank und Anerkennung erwähnt hat, Gott sei Dank rechnen können. Ich erwähne hierbei trefflicher damaliger Mitarbeiter, des noch der Firma befreundeten Herrn Bonsack aus Schleusingen und des verstorbenen in Thüringen in Berufskreisen wohl bekannt gewesenen Glasmachers Wilhelm Stauch, des ebenfalls verstorbenen Glasmachers Paul Peterhänsel, ferner nenne ich die Namen Schott, Wiegand, Penn, Siegling, Sorg und noch mehr könnte ich aufzählen, die teils als Glasmacher, teils in anderer Eigenschaft getreu zur Firma gehalten. Mit Freuden constatiere ich auch, dass aus jenen ersten Jahrzehnten noch eine ganze Anzahl treuer Arbeiter im Dienst der Glashütte sind. Ich nenne folgende Namen: Ernst Siegling 49 Jahre August Möhring 46 Jahre Eduard Sorg 44 J. Huge Hartleb 41 J. Friedrich Kühner 41 J. Christian Fritz Louis Amarell 39 J. Robert Hellmuthhäuser 38 J. Caspar Hofmann 37 J. Gottlieb Kühner 37 J. Ferdinand Sillmann 32 J. August Sorg 32 J. Valtin Sittig 32 J. Gottlieb Blaurock 31 J. Louis Sorg 30 J. Gottlieb Schott 28 J. August Störmer 27 J. Gustav Brand I 25 J. Gustav Sorg 24 J. Eduard Möhring 23 J. Andreas Möhring 22 J. Moritz Luther 21 J. Ludwig Brandt 21 J. Albert Hofmann 20 J. Christian Koch 20 J. Hermann Möhring 19 J. Gustav Kleinschmidt 19 J. Friedrich Kummer 18 J. Gustav Büttner Wilhelm Wietzmann 17 J. Emil Siegling 17 J. Wilhelm Koppe 17 J. Gustav Sittig 16 J. Gustav Kummer 15 J. Heinrich Möhring 15 J. Albert Siegling 15 J. August Fabig 15 J. Reinhold Hellmuthhäuser 15 J. Herrmann Moeller 15 J. August Müller 15 J. Albert Hofmann 15 J. Albert Lenz 15 J. Carl Kummer 15 J. August Klett 15 J. Ferdinand Strubelt 15 J. Gustav Lenz Gustav Brandt II 15 J. Wilhelm Reich Ferdinand Hartleb 14 J. Friedrich Florschütz 14 J. Das getreue Ausharren dieser Männer wird hierdurch mit Stolz und Anerkennung hervorgehoben. Mit Gottes Hilfe kam die Firma vorwärts und wurde der zweite Holzglasofen erbaut. Nachdem inzwischen der Eisenhammer eingegangen war, wurden die hierdurch freigewordenen Gebäude hierzu verwendet und für den Hauptbetrieb eingerichtet. Die Glashütte arbeitete nun mit diesen zwei Holzöfen bis zum Jahre 1887. In diesem Jahre wurde eine wesentliche Betriebsänderung eingeführt, nämlich die Gasfeuerung mittels böhmischer Braunkohle, und diese wurde Anlass zu einer nicht unerheblichen Betriebserweiterung. Mit dieser erfolgte der Ausbau der Schleiferei mit Wasserbetrieb und deren wesentliche Vergrösserung, ferner der Schlosserei für die Werkzeuge der Fabrik. Während die Hütte bis zum Jahre 1887 an 100 Arbeiter beschäftigte, erhöhte sich deren Zahl nun mehr und mehr und hat gegenwärtig, bei einem Betrieb mit 4 Öfen die Zahl 400 überstiegen. Hand in Hand hiermit wurde Vervollkommnung der Technik und Fabrikation erzielt. An Stelle der früheren freihändigen Arbeit trat die Formen-Arbeit und hiermit die Massenfabrikation der bisherigen und neuer ähnlicher Artikel. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat die Firma naturgemäss ihr Beamtenpersonal vermehrt, sowohl im Conptoir, in der Hütte sowie in den Nebenbetrieben und sie erkennt an dieser Stelle mit Freuden dessen Aufopferung und Tüchtigkeit an. Schliesslich gedenke ich auch mit Wehmut all der tüchtigen Männer, die ihre Kräfte in den Dienst der Jubilarin gestellt, aber nicht mehr unter den Lebenden weilen. Ich erinnere in diesem Sinne an den Gründer der Firma und dessen tüchtigen Mitarbeiter in den 70er und 80er Jahren, meinen verstorbenen Bruder Max H e i n z, dessen ganzes Sinnen und Trachten auf Hebung des Glashüttenwerkes gerichtet war - - ich gedenke ferner aller der Arbeiter, die zur Glashütte gehörten und nicht mehr auf dieser Erde weilen - - Ehre sei Ihrem Gedenken ! Noch liegt mir die schmerzliche Pflicht ob, zu beklagen, dass der Mitinhaber der Firma, mein Bruder Robert H e i n z durch andauernde Krankheit an der Ausübung meines Berufes gehindert wird und es ihm nicht vergönnt ist, heute unter uns zu weilen. Wenn nun Gott bis hierher geholfen, so vertrauen wir auch für die Zukunft auf seinen Beistand ! Nächst Gott, danke ich aber allen Angestellten und allen Arbeitern für ihre Dienste, die sie der Firma geleistet. Ich weiss es sehr wohl als ein Glück zu schätzen, dass sich so viele langjährige Arbeiter in dem Personal der Firma befinden, dass sie so viele tüchtige Männer zu den Ihrigen rechnet. Im Hinblick hierauf kann ich aber nicht umhin, unserer arbeitenden Jugend zuzurufen "Nehmt Euch ein Beispiel an Jenen und eifert den Alten nach, damit auch Ihr dereinst, sei es nun im Dienste der Jubilarin oder anderswo mit gleicher Genugtuung auf Euer Arbeitsfeld zurückblicken könnt," In diesem Sinne lasse ich die Beamten und die Arbeiterschaft der Jubilarin kräftig hochleben ! Sie leben hoch , hoch, hoch ! Montag den 19. Oktober Schlussfeier - Kommers mit Musik , 12 Lieder wurden gesungen An diesem Abend herrschte, wie während des ganzes Festes, schönste Harmonie, ungetrübte Fröhlichkeit. Es wurden wiederum verschiedene Hochs ausgebracht, u.a. von Herrn Kunze auf Herrn H e i n z , als dem gültigen Geber der Arbeiterunterstützungsspende, sowie sogar von einem der Einbindmädchen auf Herrn Heinz, als allverehrten Arbeitgeber. Zum Schluss hielt der Hüttenmeister Strobel eine Schlussansprache, in welcher er Herrn H e i n z herzlichst dankte für die überreichen Gaben, die er anlässlich des Festes seinen Beamten und Arbeitern zu Teil werden liess. Es wurde nicht nur für die materiellen Gaben gedankt, sondern auch hauptsächlich für die Herzlichkeit, mit welcher alles gegeben wurde. Alsdann wurde die Fahne zusammengerollt und an ihren Aufbewahrungsort, der Wohnung des Herrn Strobel, gebracht, wo sie ruhen wird bis zur nächsten hoffentlich freudigen Gelegenheit, Festdekoration 3 Ehrenpforten die mit 3 Transparenten am Wege vom Contoir zum Wohnhaus mit Bildnissen der Familie H e i n z und mit Sprüchen reich geschmückt waren, am Contoir und am Wohnhaus waren an den Eingängen je zwei aus Glasröhren zusammengestellte, durch Illuminationslämpchen erleuchtete Säulen angebracht, ausserdem über jedem Eingang ein Transparent und Inschriften. Auch die 4 Hüttenzugänge waren geschmückt und mit Guirlanden und Kränzen und dieselben mit Sprüchen versehn, ebenso die Schleiferei, die Packhalle, die Tagelöhnerstube und Hafenstube. Im Fackelzug wurden ein Banner und 5 Transparente ebenfalls mit Inschriften getragen. - - - - 100 Jahrfeier auf der Bergwiese Gesellschafter und Geschäftsführer des Glaswerkes Schleusingen Eigentümer/Gesellschafter Direktoren/Geschäfsführer 1853-1854 Daniel Wiegand 1853-1858 Friedrich König 1853-1854 Daniel Wiegand 1854-1897 Adam Heinz 1854-1897 Adam Heinz 1897-1907 Robert Heinz 1897-1907 Robert Heinz 1907-1941 Carl Heinz 1907-1941 Carl Heinz 1941-1945 Erich Heinz-Schäfer 1941-1946 Erich Heinz-Schäfer 1945-1948 SMAD-Befehl Sequester Erich Heinz-Schäfer 1945-1948 Erich Heinz-Schäfer 1948-1950 VVB Glas/Keramik, Ilmenau 1948-1952 Artur Fabig 1950-1954 VVB Westglas, Ilmenau 1952-1957 Ernst Volkmar 1954-1956 Industriezweigleitung Glas, Weißwasser 1956-1958 Industriezweigleitung Glas, Dresden 1957-1973 Willy Hartleb 1958-1964 VVB Glas, Großbreitenbach 1964-1979 VVB Haushalts- und Verpackungsglas, Weißwasser 1973-1979 Georg Gratz 1979-1985 Kombinat Behälter- und Verpackungsglas, Bernsdorf 1980-1983 Uli Ledermann 1983-1991 Egon Kreußel 1985-1990 Kombinat Lausitzer Glas, Weißwasser 1990-1993 Treuhandanstalt, Berlin 1994-1999 3. Advent Beteiligungsgesellschaft mbH, Frankfurt/Main 1999-dato GTH Glastechnik Holding AG, Zug 1993 1991-dato Thomas Reimers Hartmut Walter Quellenangaben Staatsarchivar Dr. Felix Pischel: „Thüringische Glasgeschichte“, Verlag „Glas und Apparat“ R. Wagner Sohn, Weimar · 1928 · Herbert Kühnert: „Urkundenbuch zur Thüringischen Glasgeschichte“, Franz Steiner Verlag GmbH Wiesbaden · 1973 · Redaktionskollegium Dipl. Germ Rudolf Funk, Dipl. phil. Bernd W. Bahn: „Südthüringer Forschungen – Mühlen und Hämmer im Schleusegebiet“, Herausgegeben von den Staatlichen Museen Meiningen in Zusammenarbeit mit dem Bezirksmuseum Suhl · 1979 · Louis Heinz: „Die Geschichte der Glashütten des Thüringer Waldes“, Kulturbund der DDR, Bezirksleitung Suhl · 1983 · „Heimatbuch für das obere Werratal II. Heft“, Gadow & Sohn Hildburghausen · 1928 · „Sozialistisches Dorf“ 2/41 · 1961 · „Suhler Kreis-Echo“ 2/41 · 1962 · Karl-Heinz Reimeier: „Hüttenstaub“, Eigenverlag des Heimatvereins d' Ohetaler Riedlhütte e.V. Ernst Volkmar: „Rede zur Feier des 100-jährigen Bestehens“, unbveröffentlicht · 1953 · Walter Gratz: Chronik zum 100-jährigen Bestehen des Glaswerkes, unveröffentlicht · 1953 · Brigade „Jupp Angenforth“: „Chronik des VEB Glaswerke Schleusingen“ (handschriftlich), unveröffentlicht · 1978 · „Henneberger Kreisblatt“: verschiedene Artikel vom 01.10. und 20.10. 1853 TB Thüringer Behälterglas GmbH Schleusingen Suhler Straße 60 · 98553 Schleusingen Internet: www.thueringer-behaelterglas.de