November 2015

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November 2015
Chrilly's Goldpreis-Report
November 2015
von
Dr. Chrilly Donninger
Chief-Scientist, Sibyl-Project
. Anni Donninger, Illustration&Lektorat.
When men start to sound like boy's, you know it's for real.
(Kapitän der „Havhingsten Fra Glendalough“ während eines Sturmes mit Ruderbruch,
www.youtube.com/watch?v=Q8jhnrNHk3g, bei 1:28:50).
Gegen den Wind kreuzen – Die Wikinger und ihre Schiffe:
Der Begriff „Wikinger“ bezeichnet im Alt-Norwegisch keine Volksgruppe oder Stamm,
sondern ein Gewerbe: Die Seeräuberei. Die historisch belegte Gesellenprüfung legten die
Wikinger am 8. Juni 793 ab. Sie überfielen die an der Nordostküste Englands vorgelagerte
Klosterinsel Lindisfarne. Klöster waren auch in der Folge ein bevorzugtes Beuteobjekt. Die
Wikinger waren heidnische freie Bauern. Als solche hatten sie eine Abneigung gegen das
Christentum. Die Christianisierung bedeutete die Stärkung der Zentralmacht und das Ende des
freien Bauerntums. Der Missionierungsdruck war jedoch 793 noch nicht besonders hoch. Das
primäre Motiv für derartige Überfälle war fette und einfache Beute. In der Lehrzeit waren die
Wikinger in den eigenen Gewässern sowie im Baltikum aktiv. Es gibt dafür keine
schriftlichen Belege. Die Wikinger hatten zwar eine Runenschrift. Diese wurde jedoch nur für
kurze (Grab-)Inschriften verwendet. Für längere Texte sind Runen ungeeignet. Es gibt für die
gesamte Wikinger-Periode – bis auf diese Inschriften - keine von den Wikinger selbst
gemachten Aufzeichnungen. Wir kennen sie nur aus Fremdbeschreibungen und aus
posthumer Isländischer Idealisierung. Es gibt jedoch zahlreiche archäologische Funde, die die
Anwesenheit der Wikinger im Baltikum bereits vor 793 belegen. Das Piratentum ist eine
organisatorisch und technisch komplexe Tätigkeit. Es wäre unlogisch, wenn man diese
Fertigkeit aus dem Nichts heraus entwickelt hätte. Für die christlichen Chronisten war es
jedoch ein Blitz aus heiterem Himmel. Die Wikinger waren die von Gott gesandte Strafe für
das sündhafte Leben der damaligen Christenheit. Dementsprechend werden die Wikinger in
diesen Schriften als hünenhafte, teuflische Monster geschildert. Wesentlich nüchterner und
detaillierter sind die Arabischen Aufzeichnungen. Die Wikinger haben nicht nur Klöster
geplündert, sondern entlang der russischen Flüsse ein bis nach Bagdad reichendes
Handelsnetz aufgebaut. Man nannte sie dort Rus oder Waräger. Für die Araber waren sie
interessante Handelspartner. So gibt es eine detaillierte arabische Beschreibung eines
Waräger-Begräbnisses in Kiew. Besonders angetan waren die Araber von der Körpergröße
„so lang wie eine Dattelpalme“ und der sexuellen Freizügigkeit ihrer Handelspartner. Laut
diesen Berichten war es üblich, dass der Geschäftspartner zwischendurch und vor den Augen
aller Geschlechtsverkehr mit einer Sklavin hatte. Man könnte dies auch als Produktvorführung interpretieren. Sklaven und vor allem Sklavinnen waren neben Pelzen die
wichtigste Handelsware der Kiewer Niederlassung.
Der vornehme Wikinger trat die Überfahrt über den Styx in einem eigenen Boot an. Als
Grabbeigabe hat man neben Hunden, Pferden – in Übereinstimmung mit den arabischen
Berichten – auch die Gebeine von jungen Frauen gefunden. Der vornehme Wikinger benötigte
sogar im Jenseits seine (Sex-)Sklavin. Es gibt derartige Funde auch von Wikinger-Frauen. Die
Frauen litten meist an starker Arthrose. Sie haben ihre Altenbetreuerin mitgenommen. Es ist
allerdings unklar, ob die Wikinger tatsächlich ein Konzept der Überfahrt hatten. Es könnte
auch sein, dass das Begräbnis in einem Schiff und die Grabbeigaben – so wie bei uns der
Marmorgrabstein oder die Familiengruft - nur ein Zeichen von Reichtum war und keine
spezielle religiöse Bedeutung hatte. Vermutlich hatten die Wikinger mangels einer eigenen
Priesterkaste überhaupt keine einheitlichen religiösen Vorstellungen. Mit Sicherheit gab es
keinen einheitlichen Begräbnisritus. Sehr häufig wurde der/die Tote samt Schiff und Sklavin
beim Begräbnis verbrannt. In diesem Fall bleiben – sehr zum Kummer der Archäologen - vom
Schiff nur mehr die eisernen Plankennägel über. Man findet aber auch gut erhaltene GrabSchiffe.
Die Körpergröße der Wikinger ist auch in einem geschichtsträchtigen Namen dokumentiert.
Karl III, der Einfältige (eigentlich der Geradlinige), machte im Jahr 911
den Wikinger-Anführer Rollo zum Herzog der Normandie. Als
Draufgabe bekam Rollo noch eine Prinzessin zur Braut. Als
Gegenleistung musste Rollo der Piratenplage Herr werden. Angeblich
soll sein Name Rollo der Wanderer daher stammen, weil er so groß war,
dass ihn kein Pferd tragen konnte und er daher zu Fuß gehen musste.
Laut den archäologischen Funden betrug die Durchschnittsgröße eines
Wikingers 1,74 (Männer) und 1,61 (Frauen). Vornehme und damit
wohlgenährte Wikinger waren etwas größer. Bei 1,85 war aber Schluss.
Die Wikinger-Hünen waren 5cm kleiner als ein heutiger Österreicher,
aber wohl um einen (halben) Kopf größer als unsere
frühmittelalterlichen Ahnen. Das typische Wikinger-Pferd war ein Island-Pony mit einer
Schulterhöhe von 1,25m. Insofern könnte die Rollo Geschichte auch wieder ein Körnchen
Wahrheit enthalten. Man darf nur die damalige Berichte nicht mit den heutigen Augen lesen.
Die Lebenserwartung betrug 40 (Männer) und 50 (Frauen). Arthrose war – speziell bei den
Frauen - eine weit verbreitete Krankheit. Die Wikinger hatten eine hohe genetische
Disposition für Multiple Sklerose. Man geht davon aus, dass sie im Zuge ihre Kriegs- und
Handelsaktivitäten diese Disposition großräumig verbreitet haben.
Bis zum Jahr 843 war die Piraterie saisonaler Nebenerwerb. Es wurde durch Crowd-Funding
eine kleine Flotte zusammen gestellt und der freie Bauer ging unter der Leitung eines lokalen
Anführers im Frühsommer auf Viking. Im Herbst kehrte er zu Frau und Hof zurück, zeugte
über den Winter ein Kind und im nächsten Frühjahr ging es wieder los. Wir wissen, dass die
Organisationsform „felag“ hieß. Über die rechtlichen Details – wie wird das Schiff finanziert,
wie wird im Verhältnis dazu die Beute aufgeteilt, wer sorgt wie für die Hinterbliebenen –
weiß man nichts. Im Laufe der Zeit entwickelten sich aus diesen felags eigene Seeräuber- und
Handelsgilden, wobei eine Gilde in beiden Geschäftsbereichen tätig sein konnte. Auch der
Ehrsame Kaufmann musste seine Hauptware – die Sklaven – erst irgendwo rauben bzw.
rauben lassen. Die Wikinger waren mit dem durch Handel erzielbaren Gewinnen durchaus
zufrieden. Sie haben nur dann geraubt, wenn es leicht ging. Nachdem die Araber militärisch
überlegen waren, hatte man zu Ihnen ein leidliches Geschäftspartner-Verhältnis.
Im Jahr 843 wurde Nantes geplündert. Man erbeutete eine Reihe von hohen kirchlichen und
weltlichen Würdenträger. Um die Lösegeldforderungen in aller Ruhe abwickeln zu können,
überwinterten die Wikinger auf der Klosterinsel Noirmoutier im Loire-Delta. Im Frühjahr 844
zogen sie gegen Süden weiter und kamen über die Straße von Gibraltar in das Mittelmeer. Sie
probierten ihr Glück auch bei den spanischen Mauren. Nach Anfangserfolgen zogen sie aber
den Kürzeren. Weil man aber schon da war, wurde der Raubzug im Rhone-Delta sowie
entlang der Italienischen Küste fort gesetzt.
Einmal auf den Geschmack gekommen wurde die Überwinterung auf einer Flussinsel ein
fixer Bestandteil späterer Raubzüge. Man ersparte sich die weite Heimreise und den kalten,
finsteren Skandinavischen Winter. Das Risiko war relativ gering, da man auf Grund der
überlegenen Schiffstechnik noch immer das Weite suchen konnte. Christliche Machthaber
engagierten die nun über einen längeren Zeitraum anwesenden Wikinger als Söldner zur
Austragung interner Konflikte. Manchmal waren auf beiden Seiten Wikinger im Sold.
Vermutlich hat auch Graf Lambert II v. Nantes beim Überfall auf Nantes mit den Wikingern
kooperiert. Bei einem geschlossen und gut organisierten Gegner – wie z.B. die Mauren –
zogen die Wikinger den Handel der Piraterie vor.
Parallel dazu begann um diese Zeit die Kolonisierung der Shetlandinseln, Irlands und der Isleof-Man. Der nächste Schritt waren die Färöer und Island. Und als einmal jemand im Sturm
Island verfehlte, landete und siedelte man in Grönland und erkundete von dort aus
Neufundland. Das Thing, die Recht gebende Versammlung der freien Männer, war eine
fundamentale Einrichtung der Wikinger-Gesellschaft. Das Thynwald auf der Isle-of-Man ist
das älteste durchgehend tagende Parlament der Welt. Heute lebt diese Wikinger-Insel von der
Steuerflucht und veranstaltet ein berühmt-berüchtigtes Motorradrennen. Seit 1911 haben bei
der Tourist-Trophy 242 Motorradrennfahrer die allerletzte Ziellinie passiert.
Von diesen Kolonien aus organisierte man bei Gelegenheit auch Raubzüge nach
Skandinavien. Man bekämpfte sich gegenseitig um den Besitz dieser wichtigen Stützpunkte.
Im Jahr 867 eroberten die Wikinger Nordost-England. Das war aber kein privates
Unternehmen mehr, sondern ein – für damalige Verhältnisse – groß angelegter Feldzug des
Dänischen Königs Harald Schönhaar. Sein Heer hatte eine Stärke zwischen 2000 und 5000
Mann. Mit der schrittweisen Stärkung der Zentralmacht und der damit
verbundenen Christianisierung wurden die Aktionen der Wikinger zentral
organisierte Kriegszüge wie sie auch von anderen Mächten durchgeführt
wurden. Dieser Prozess war in Dänemark unter Harald Blauzahn (910 bis 987)
im Wesentlichen abgeschlossen. Seine Initialen zieren heute viele
elektronische Geräte. Der Bluetooth Übertragungsstandard ist nach ihm
benannt. In Norwegen war der Übergang zu einem christlichen Feudalstaat
kurz nach 1000 abgeschlossen. In der Geschichtsschreibung markiert das Jahr 1066 das Ende
der Wikinger-Zeit. Der norwegische König Harald Haralde wurde in der Schlacht von
Stamford Bridge vom englischen König Harald Godwinson vernichtend geschlagen.
Godwinson verlor anschließend das Finale in Hastings gegen Wilhelm dem Bastard/Eroberer.
Wilhelm hatte als Urenkel von Rollo zwar Wikinger-Blut in den Adern. Die Normannen
waren inzwischen jedoch vollständig romanisiert. Man könnte aber auch die abgeschlossene
Christianisierung rund um die Jahrtausendwende als Ende des Wikinger-Zeitalters wählen.
Der Isländische Gelehrte und Politiker Snorri Sturluson hat 1225 mit der Snorra-Edda seinen
Vorfahren eine bleibendes literarisches Denkmal gesetzt. Allerdings ist dieses Werk eine
romantische Verklärung mit geringem historischen Wert. Die in der Edda geschilderte
Götterwelt ist wohl primär eine posthume Schöpfung von Sturluson. Oder wie es Gwyn Jons
in seinem Standardwerk ausdrückt: „Almost certainly no one man living at any one time did
or could believe in the entire Norse eschatology as it has been preserved for posterity“. Das
Walhalla eines Richard Wagners fügt Sturluson noch eine kräftige Dosis DeutscherRomantik-Kitsch hinzu.
Die Schiffe:
Es gibt zahlreiche Hypothesen für die Entwicklung des Vikings. Die einfachste ist: Weil sie es
konnten. Ohne die Fischerei hätte man in vielen Skandinavischen Gebieten nicht überleben
können. Die Schifffahrt spielte daher bereits sehr früh eine wichtige Rolle. Der entscheidende
Durchbruch war Mitte des 8. Jahrhunderts die Entwicklung von seetauglichen Segelschiffen.
Der Schiffsbau war dezentral organisiert. Es hatte jedes Klein-Königreich/Stamm seine eigene
Werft. Es war eine Handwerks-Kunst, die durch Tätigkeit weitergeben wurde. Es gab keine
Pläne, die Schiffbauer hatten von der ersten Planke an ein genaues Abbild des Schiffes im
Kopf. Selbst nach Errichtung des Zentralstaates ist diese Struktur beibehalten worden. Es
musste jeder Distrikt eine bestimmte Anzahl von Schiffen und Besatzung für die königliche
Flotte stellen. Es gibt stilisierte Darstellungen von Schiffen. Die beste historische Quelle ist
der Wandteppich von Bayeux. Es wurde – als Teil der Kriegsvorbereitung – der Bau von
Schiffen sehr detailliert gestickt. Die ersten Archäologischen Funde waren Grab-Schiffe. Der
Erhaltungsgrad war jedoch bescheiden. Bei Brandbestattungen konnte man überhaupt nur aus
der Lage der eisernen Plankennägel auf die Größe und Form des Schiffes schließen. In den
1960er Jahren entdeckte man bei Skuldelev im Fjord von Roskilde (Dänemark) 5 Schiffe.
Diese Schiffe wurden einst versenkt, um bei einem Angriff auf den Hafen die Schiffsroute zu
blockieren. Das Meerwasser hat den Schiffsrumpf sehr gut konserviert. Segel hat man jedoch
bisher nicht gefunden. Sie sind in Skuldelev wohl schon vor der Versenkung entfernt worden.
Man kann nur auf Grund der übrigen Konstruktion – und des Wandteppichs von Bayeux – auf
seine Form schließen. Rund um die Skuldelev-Funde entwickelt sich eine eigene SchiffsRekonstruktions-Wissenschaft. Roskilde beherbergt ein sehr schönes Schiffsmuseum.
Die Wikinger kannten keine für den Schiffsbau geeignete Säge. Die Schiffsplanken wurden
mit dem Wikinger-Universalwerkzeug – der Axt – aus dem Eichenstamm geschlagen. Das ist
zwar sehr mühsam, hat aber den unschätzbaren Vorteil, dass man nur entlang der Maserung
arbeiten kann. Entlang der Maserung gehauene Planken sind wesentlich stabiler als gesägte,
bei denen die Maserung (fast) unweigerlich verletzt wird. Die Schiffe konnten daher sehr
leicht gebaut werden. Bei den ersten Rekonstruktionen wollte man sich diese Mühe ersparen.
Die Folge war Schiffbruch. Der Arbeitsaufwand für eine Rekonstruktion beträgt bis zu 40.000
Arbeitsstunden. Man vermutet, dass die Original-Werkstätten mit 10 Mann ein Schiff in 6
Monaten oder in ca. 10.000 Stunden herstellten.
Eine wichtige Erfindung war ein durchgehender aus Eiche hergestellter Flachkiel. Der
Flachkiel stabilisierte das Schiff – analog wie bei einem Fahrrad – allerdings nur bei voller
Fahrt. Der Tiefgang betrug rund 1m. Damit konnte man überall landen und Flüsse befahren.
Man verwendete ein aus Wollbahnen zusammengenähtes rechteckiges Rahsegel. Die
Schiffsform war eine Doppelender-Konstruktion. Bug- und Heck liefen in derselben Form
zusammen. Man konnte dennoch nur in eine Richtung schiffen, weil das Steuer in der
Fahrrichtung gesehen rechts-hinten angebracht war. Die rechte Schiffsseite heißt bis heute
„Steuerbord“. Die linke „Backbord“, weil der Rücken des Steuermann nach Links zeigte.
Es gab zwei grundlegende Schiffstypen. Für militärische Einsetze verwendete man das
Langschiff. Der oben abgebildete Originalgetreue Nachbau „Havhingsten Fra Glendalough“
auf Basis des Fundes Skuldelev 2 ist 29,26m lang, 3,75m breit. Der Tiefgang ist 1m. Es hat
2x30 Ruderplätze und eine Gesamtbesatzung von 80-100 Mann. Wie man bei Versuchen mit
modernen Nachbauten sieht (siehe Link), ging es ziemlich beengt zu. Beim Nachbau brach
auf der Reise von Roskilde nach Dublin zweimal das Steuer. Die Anbringung an der Seite
erhöht zwar die Manövrierfähigkeit, es macht das Steuer jedoch anfälliger. Der Nachbau hatte
wahrscheinlich nicht die Qualität des Originals. Konstruktionsdetails wie die Befestigung des
Steuers sind nicht erhalten geblieben. Der Mast ist 14,5m hoch, die Segelfläche beträgt
112m2. Die normale Fortbewegung war Segeln. Man erreicht eine auch für heutige
Verhältnisse beachtliche Spitzengeschwindigkeit von 20 Knoten (37km/h). Gerudert bis 4
Knoten. Die Durchschnittsgeschwindigkeit war 5-6 Knoten. Man konnte pro Tag daher rund
120 Knoten (220km) zurück legen. Im Seegefecht wurde der Mast umgelegt und der
Vortriebe erfolgte nur noch mit den Rudern. Im Gegensatz zu den Römern kannten die
Wikinger keine Unterscheidung in Rudersklaven und Soldaten. Wenn die Keilerei los ging,
wurden mehrere Schiffe zu einer Plattform zusammen gebunden und es griffen alle zur Axt.
Auch bei den Landpartien war die gesamte Besatzung beteiligt. Die Sklaven verwendet man
zur Haus- und Feldarbeit. Piraterie war ein ehrsames Gewerbe von freien Bürgern.
Das obige Bild zeigt die Siga Siglar, mit der der norwegische Abenteurer Ragnar Thorset von
1983 bis 1986 erfolgreich eine Weltumseglung unternahm. Das Schiff war der Nachbau der
Skuldelev I und vom Schiffstyp eine Knorr. Das war der Lastesel der Händler und
Kolonisatoren. Die Saga-Siglar ist 16,5m lang, 4,8m breit, hatte einen Tiefgang von leer 0,6
und voll beladen von 1,3m, eine Masthöhe von 13m und eine Segelfläche von 96m2. Das
Schiff hatte nur 4 Ruderplätze. Sie wurden nur im unmittelbaren Ufer bzw. Hafenbereich
verwendet. Den Mast konnte man – auf hoher See – nicht umlegen. Der Frachtraum betrug
35m3, oder max. 17 Tonnen Last. Eine Knorr war mit max. 12,5 Knoten langsamer als ein
Langschiff. Die Saga-Siglar sank 1992 bei einem Sturm im Mittelmeer. Es ist ungeklärt, ob
dies an der mangelnden handwerklichen Qualität der Nachbauten oder an der Konstruktion
selbst liegt. Eine gewisse Ausfallsquote hat man aber wohl auch in der Wikinger-Zeit
hingenommen.
Man konnte mit einem Wikinger-Schiff gegen den Wind
kreuzen. Der Winkel zum Wind war mit 60° nicht berauschend.
Moderne Sportyachten bringen es auf bis zu 30°. Allerdings
hatten selbst Segelschiffe des 18. Jahrhunderts keine besseren
sondern eher schlechtere Kreuzeigenschaften. Kommt der Wind
von hinten, dann treibt der direkte Druck des Windes in den
Segeln das Schiff nach vorne. Beim Kreuzen sollte nach dieser
Logik das Schiff nach hinten-rechts abdriften. Beim Kreuzen
gelten daher gänzlich andere aerodynamische Gesetze. Man
kann nur kreuzen, wenn das Segel dieselbe Form wie die
Tragfläche eines Flugzeuges hat. Bei einer Tragfläche muss die
Luft durch die Wölbung an der Oberseite einen längeren Weg
zurück legen. Dadurch entsteht gegenüber der Unterseite ein
Unterdruck. Das Flugzeug wird nicht von unten nach oben
gedrückt, es wird vielmehr nach oben gesaugt. Das Segel muss
beim Kreuzen daher diese Form haben. Es muss der Wind an
der Wind-abgewandten Lee Seite einen längeren Weg zurück
legen. Die rechteckigen Rahsegeln eignen sich dafür nicht. Die
Wikinger haben das Rahsegeln nach vorne und an die Luv-Seite
gespannt. Es bekam damit die Form eines modernen Vorsegels.
Man entwickelte dazu einen zusätzlichen Halsbaum sowie
zusätzliche Leinen an der Unterkante (Liek) des Segels. Damit
wurde das Rahsegel in die Tragflächen Form gebracht.
In natura hat das Kreuzen beim Langschiff Havhingsten Fra
Glendalough so ausgesehen: Das Wenden war sehr mühsam
und ineffektiv. Man konnte nicht einfach wie bei modernen
Booten den Schwung ausnutzen und auf die andere Seite
manövrieren. Man musste sich zurücktreiben lassen, den
Rumpf wenden, das Segel in die neue Position bringen und
erst dann ging es wieder weiter. Man verlor beim Wenden
einige Meter und musste vom Rückwärtsdrift aus wieder
Fahrt aufnehmen. Am offenen Meer ist das nicht so tragisch.
Man kann lange in eine Richtung segeln. Die Wikinger
haben aber auch Flüsse wie den Rhein, die Loire oder den
Dnjepr befahren. In diesem Fall hat man auf bessere Winde
gewartet.
Man konnte mit den Schiffen im Prinzip in jede beliebige
Richtung segeln. Die Frage ist nur, was ist die richtige. Wo
liegt Island? Die Wikinger kannten keinen Kompass. Ihre
einzige Orientierungshilfe war der Sonnenstand und der Polarstern. Damit kann man relativ
gut den Breitengrad bestimmen. Für den Längengrad hilft die Sonne nur weiter, wenn man
genaue Uhren hat. Diese wurden erst im 17. Jahrhundert entwickelt. Die Wikinger lösten das
Problem auf eine andere Weise. Bei der Überfahrt nach Island segelte man zuerst an der
Norwegischen Küste Richtung Norden, bis man die Breite von Island erreicht hatte. Dann
ging es schnurstracks nach Westen. Eine andere Route war das von Insel-zu-Insel-Hanteln
über die Orkneys und den Färöer. Man musste Island auch nur irgendwie treffen. In einem
Epos wird ein Steuermann besungen, weil er immer im richtigen Hafen ankam. Das war ein
im realen Steuermann-Leben nicht erreichbares Ideal.
Genderperspektive:
Die Wikinger haben in der Populärkultur den Ruf von saufenden, raufenden und rülpsenden
Machos. Der Arabische Diplomat Al-Ghazal (Die Gazelle) wurde 845 an den dänischen Hof
geschickt. Al-Ghazal war so etwas wie der arabische Casanova. Er wird in christlichen
Chroniken als elegante Erscheinung beschrieben. Er berichtet von einem Techtelmechtel mit
der dänischen Königin Nod. Als er sie fragte, ob er damit nicht Kopf und Kragen riskierte, hat
sie ihn ausgelacht. Die Wikinger sind für Eifersucht viel zu aufgeklärt und nordische Frauen
können sich immer noch ihre Liebhaber aussuchen. Möglicher Weise wollte Al-Ghazal mit
diesem Bericht nur seinen Ruf als Verführer mehren.
Tatsache ist, dass man in 30% der Schiffsgräber Frauenleichen gefunden hat. In einer
Gesellschaft in der Frauen nichts gelten, wird man wohl schwerlich ein Schiff für das
Begräbnis eines „alten Weibes“ opfern. Aus Runen-Inschriften ist belegt, dass Frauen geerbt
haben. Der Haupterbe war der erste männliche Nachkomme. Falls jedoch alle Buam vorzeitig
das Zeitliche gesegnet hat, ist das Erbe an die Mutter zurück gefallen. Diese war in der Regel
in zweiter oder dritte Ehe wieder verheiratet (die Lebenserwartung von Frauen war wesentlich
höher). Auf diese Art und Weise ist das Erbe vom ersten auf die Nachkommen des
zweiten/dritten Ehemanns über gegangen. Ab 843 waren die Männer jahrelang auf Viking.
Die Ehefrau war in dieser Zeit die Chefin am Hof. Die Viking war auch nicht immer
erfolgreich. In diesem Fall hat die Frau mehr zum Überleben der Familie beigetragen als der
Mann. Man kann davon ausgehen, dass die Frauen während der jahrelangen Abwesenheit
einen Ersatzsamenspender gefunden haben. Jedenfalls gibt es keine Anzeichen für einen
Rückgang der Geburtenrate. Wahrscheinlich war es wie in fast allen anderen Gesellschaften:
Die Stellung der freien Frau war in der heidnischen Kultur relativ hoch. Sie wurde erst im
Christentum zur Magd des Herren und des Mannes.
Verwendete Literatur und Links:
Gwyn Jones: A History of the Vikings, Oxford Univ. Press. Ein ausführliches Standardwerk.
Rudolf Simek: Die Wikinger. C.H. Beck. Leicht lesbare, kompakte Darstellung.
Rudolf Simek: Die Schiffe der Wikinger. Reclam. Kompakte, gut verständliche Darstellung.
Simek behandelt sowohl den technischen als auch den kulturellen Aspekt der Schiffe.
Jochen von Fircks: Wikingerschiffe. Hinstorff. Schöne Abbildungen. Empfehlenswert falls
man an den technischen Details interessiert ist.
Viking-Voyage – BBC TimeWatch, 2008. Bericht über die Reise der Havhingsten Fra
Glendalough von Roskilde nach Dublin im Jahr 2007. Guter Einblick in das harte Leben auf
einem Langschiff. www.youtube.com/watch?v=Q8jhnrNHk3g
Rollo: de.wikipedia.org/wiki/Rollo_(Normandie)
Wikinger: de.wikipedia.org/wiki/Wikinger
Wikingerschiffsmuseum Roskilde: www.vikingeskibsmuseet.dk/de/
Gegen den Wind kreuzen: de.wikipedia.org/wiki/Kreuzen_(Segeln)
Das Böse und die Börse:
Die brutalste Terrorgruppe der neueren Geschichte ist die Lord's Resistance Army (LRA) von
Joseph Kony. Die LRA wurde ursprünglich in Uganda gegründet. Sie kämpft heute im
Grenzgebiet zwischen der Zentralafrikanischen Republik, der Demokratischen Republik
Kongo und dem Südsudan für die Errichtung eines Gottesstaates, der auf den christlichen
Zehn Geboten basieren soll. Auf Konto der LRA gehen mindestens 100.000 Tote. Die
Kämpfer der LRA plündern, morden, foltern und vergewaltigen praktisch planlos. Auf die
Existenz der LRA bin ich erst durch meine Rattenmuse Petra Mittelbach aufmerksam
geworden. Petra engagiert sich auch für afrikanische Elefanten (siehe ihren schönen Bericht
„Afrikas Dickhäuter – Hautnah erlebt“ im Feb. und März 2015 Goldreport). Neben Menschen
schlachtet die LRA bevorzugt Elefanten ab. Der Elfenbeinhandel stellt – nachdem sie
militärisch zurückgedrängt werden konnte – heute ihre wichtigste Einnahmequelle dar. Die
Frage ob das Wüten der LRA auf die Börse einen Einfluss hat ist müßig. Wahrscheinlich
haben die meisten Händler noch nie von der LRA gehört.
Unter dem Eindruck der Anschläge vom 11. September 2011 haben sich A. Chen und Th.
Siems von der Federal Reserve Bank of Dallas (eine Zweigstelle der FED) die Frage gestellt,
welche direkten Auswirkungen terroristische Attacken und militärische Überfalle auf die
Börse haben. Der Artikel wurde 2004 geschrieben. Er erfasst daher nicht die neuesten
Ereignisse. Table 1 zeigt die aus amerikanischer Sicht wichtigsten terroristischen und
militärischen Ereignisse von 1915 bis 2004 und ihre Auswirkungen auf den Dow Jones Index.
Die Spalte Event-day AR gibt die Kursänderung am Anschlagstag an. Der Wert unterhalb
in Klammern ist ein Maß für die statistische Signifikanz. Die Sterndl neben dem Wert
enthalten im Grunde dieselbe Information. Je mehr Sterndl ein Ereignis hat, desto sicherer ist
man, dass der Ausschlag des Dow Jones kein Zufall ist, sondern auf das Ereignis zurück zu
führen ist. Falls bei einem Ereignis kein Sterndl dabei steht, ist der Einfluss nicht signifikant.
Es könnte sich auch um das übliche aufi- und obi der Börse handeln.
Die nächste Spalte 6-day CAR ist die kumulative Änderung des Kurses über die nächsten 6
Tage. 11-day CAR ist der Wert für die nächsten 11 Tage. Days to rebound zeigt an, wie lange
es gedauert hat, bis sich die Börse vom Schock erholt hat und der Dow-Jones wieder seinen
Wert vor der Attacke erreicht hat. Beim 6-day und 11-day CAR werden die Sterndl schon
deutlich weniger. Die Börse hat zwar unmittelbar heftig reagiert, nach 6 bzw. 11 Tagen war
aber schon wieder alles verdaut und vergessen.
Die linke Grafik zeigt die Reaktion
nach 11 Tagen. Langfristige
Auswirkungen hatte nur der Angriff
Deutschlands auf Frankreich im Mai
1940. Zu Beginn des Korea Krieges
war der Dow Jones nach 11 Tagen
noch signifikant im Minus. Nach 2
Monaten wurde der ursprüngliche Wert
wieder erreicht. Selbst Pearl Harbour
fand die Börse nicht besonders
tragisch. Die Reaktion auf den 11. September 2001 war kurz und heftig. Aber bereits nach 11Tagen war wieder alles im normalen Bereich. Manchmal reagiert die Börse auf einen
Anschlag auch positiv. In diesem Fall kann man davon ausgehen, dass der Anschlag einfach
keine Auswirkungen hat und sich der Kurs auf Grund von anderen Faktoren nach oben
bewegt hat. Bei den drei Fällen in der obigen Grafik sind auch keine Sterndl dabei.
Den Anschlag vom 11. September 2001 haben hunderte Millionen von Menschen auf der
ganzen Welt live miterlebt.
Table 2 zeigt die globalen
Auswirkungen. Es haben viele
internationale Börsen
wesentlich heftiger reagiert als
der Dow Jones. Die meisten
Börsen haben sich vom ersten
Schock aber sehr schnell erholt.
Hoch signifikante Effekte über
11 Tage und länger gab es nur
in Singapur und vor allem in
Riad. Der Anschlag war auch
Made by Saudis. Osama bin
Laden war ursprünglich ein
Mitglied der saudischen Elite.
„Mein“ Scheich war auch – als
Bin Laden noch zur Jeunesse
dorée gehörte – mit Bin Laden
auf Antilopenjagd. Ich habe
daher einen Bin Laden Index
von 2. Ich kenne jemanden, der
Bin Laden direkt gekannt hat.
Die Grafik zeigt die Entwicklung der
wichtigsten Börsen nach 11 Tagen.
Angesichts der weltweiten politischen
und moralischen Erschütterungen die
dieser Anschlag ausgelöst hat, ist die
Reaktion im Grunde eine matte Sache.
Der Ausschlag ist nur mehr an der
Mailänder Börse schwach signifikant.
Bei allen anderen Börsen ist man bereits
im „es könnte auch reiner Zufall sein“
Bereich.
Paris 13. Nov. 2015:
Grafik 1 zeigt die Reaktion des Dow-Jones auf den Anschlag im Paris in der Nacht am Freitag
13. November. Der Anschlag fand nach Börsenschluss statt. Die Reaktion erfolgte erst am
darauffolgenden Montag. Die Börsen legten an diesem Tag relativ stark zu. Man freute sich
nicht über den Anschlag. Er war einfach wurscht. Das aus Sicht der amerikanischen Börse
wichtige Ereignis waren neue Aussagen von FED-Mitgliedern. Man werde sich die schon
länger im Raum stehende Erhöhung der Zinsen vielleicht doch noch überlegen. Möglicher
Weise wurden diese Aussagen auch gemacht, um den Paris-Effekt abzufedern.
Grafik 1: Dow-Jones ETF DIA vom 12. bis 27.Nov. 2015
Man könnte die Nicht-Reaktion mit der typisch amerikanischen Weltsicht erklären. Alles was
auf dieser Welt nicht direkt die USA betrifft, existiert gar nicht. Wie man aus der Grafik 2
sieht, hat sich jedoch auch der DAX genauso verhalten. Die blauen Balken unterhalb geben
das Handelsvolumen an. Falls die Marktherde unruhig wird, geht das Volumen steil nach
oben. Montag der 16. November war jedoch auch vom Volumen her ein ganz gewöhnlicher
Handelstag. Der DAX ging im Einklang mit der US-Börse nach oben. Die Anschläge in Paris
spielten für die Deutsche Börse ebenfalls keine Rolle.
Verwendete Literatur und Links:
Lord's Resistance Army: de.wikipedia.org/wiki/Lord’s_Resistance_Army
A. Chen, Th. Siems: The effects of terrorism on global capital markets. European Journal of
Political Economy. Vol. 20, 2004
Grafik 2: DAX vom 12. bis 27. Nov. 2015
Vom Ersten zum Letztn san ma wirklich ålle gleich?
von Isolde Kerndl
Da Påpst
de Kardinäle,
de Erz-Bischöf',
da Monsengiore,
de Dechanten,
de geistlichn Räte,
da Pfårra,
da Kaplan,
da Diakon,
und dånn nu Vorbeter und Mesner, åber, … åber dånn kimm i! Na, mei Mau'
und dånn erst i, denn i bin weiblich.
Davorfreude:
Chief, hast du dich als Kind auf Weihnachten gefreut?
Auf davor.
Chief, das ist schon logisch, es gibt eine Vor- aber keine Nachfreude. Nur Nachwehen.
Seniora, ich habe mich vorher auf davor gefreut.
Chief, wenn Diotima dir ins Ohr flötet: Ich wollt immer schon wissen, wie Wikinger-Schiffe
gegen den Wind segeln konnten, kaufst du dir von Amazon einen Meter Wikingerbücher,
schaust stundenlang auf youtube Wikingerschiff Videos. Aber wenn ich eine einfache Frage
stelle, bringst den Mund nicht auf.
Seniora, wenn du willst, erzähl ich dir, wie die Planken der Wikingerschiffe konstruiert
waren.
Chief, du bist wie mein Vater. Egal was man gefragt hat, er hat über den Krieg zu erzählen
begonnen. Du kennst seit Wochen nur ein Thema: Wikinger.
Seniora, das stimmt nicht. Ich red auch über die Waräger.
Chiieef, Waräger sind auch Wikinger.
Ja, Seniora, aber...
Stopp, Chiiiieefff. Wenn Diotima dir schon solche Fragen stellt, dann soll sie sich in deine
Wikinger-Vorlesungen setzen. Aber verschone mich damit. Ich bin schon genug Ostfront
geschädigt. Beantworte endlich meine Frage.
Seniora, der Papa ist – damit wir das Christkind
nicht stören - mit dem Dirndl und dem Buam
am Weihnachtstag auf den Wachtberg gefahren.
Es gab dort einen Schilift. Wie es finster
geworden ist, sind wir noch in der Jausenstation
zu FraFru eingekehrt. Unten hat man die Lichter
von den Orten rund um den Attersee gesehen.
Auf das habe ich mich immer schon gefreut.
Chief, was ist FraFru?
Frankfurter mit Frucade.
Chief, wie alt warst du denn da?
Seniora, ich habe das Schifahren mit fünf
gelernt. Aber da war der Wachtberg noch zu steil. Es muss ab 6 gewesen sein.
Chief, die Ila ist doch deine kleine Schwester. Ist die von Anfang an mit gewesen?
Natürlich, Seniora. Die Ila hat bis auf das Reden alles gemeinsam mit dem großen
gelernt.
Chief, jetzt sagt nicht, dass die Ila als Dirndl mundfaul war.
Seniora, zuerst beschwerst du dich, dass ich nix red, dann hörst du mir nicht zu. Ich hab mit
keinem Wort gesagt, dass die Ila nach mir das Reden gelernt hat. Sie hat es nicht mit dem
großen Bruder gelernt, weil sie es schon vorher konnte. Nur beim 1x1 war sie später dran.
Chief, und du hast das Geschichtl vom „Christkind nicht stören“ wirklich geglaubt?
Seeenniorra, diese Frage würde Diotima nie stellen. Der Papa hat uns gefragt „Fahren wir
heuer wieder auf den Wachtberg, damit wir das Christkind nicht stören?“. Ja, Papa, aber die
Mama muss daheim bleiben, um dem Christkind zu helfen.
Chief, hat die Ila auch nicht ans Christkind geglaubt?
Seniora, der große Bruder hat sie aufgeklärt. Aber sie hat im typisch weiblichen
Pragmatismus gemeint: Sie glaubt lieber dran, weil sonst bringt es nichts mehr. Wie sie bei
mir gesehen hat, dass es keine negativen Folgen hat, ist sie auch vom Christkind abgefallen.
Chief, von wegen der große Bruder hat sie aufgeklärt. Wie ich dich kenne, wird das nach dem
Motto „horch zua, deppertes Mensch, dein genialer großer Bruder sagt dir jetzt was“
abgelaufen sein. Da hätte ich schon aus Protest weiter ans Christkind geglaubt. Ich bin mir
inzwischen sicher, dass es keine Wikinger gegeben hat. Und auch keine Waräger, Rus oder
was immer du mir vorgeschwafelt hast.
Seniora, hast du dich auf Weihnachten gefreut?
Nein, Chief, das war mehr ein Vorhorror. Es ist am Weihnachtstag eine Sau abgestochen
worden. Sie sind jedes Jahr mit dem Verarbeiten nicht fertig geworden, es ist gestritten
worden, wer Schuld ist, dass es so lange dauert. Wo doch heute Christtag ist. Wir mussten
natürlich mithelfen. Das war nur Stress und Unfriede.
Seniora, da ist es ja wie bei den Wikinger zugegangen. Die haben zum Julfest auch ein
Schlachtopfer gebracht.
Haha, Chief. Dem Papa ist nur bei jedem zweiten Satz was zur Ostfront eingefallen. Du
übertriffst ihn schon. Ich möchte dich aufklären: Wir haben die Sau nicht den Göttern
geopfert, sondern sie selber gegessen.
Seniora, das war bei den Wikinger auch so. Sie haben die Sau nur zu Ehren der Götter
geschlachtet. Dort wo es keine Pfaffen gibt, haben die Götter auch keinen Hunger.
Chief, und freust du dich heuer auch schon auf davor?
Seniora, heuer freue ich mich auf beides. Auf davor und auf Weihnachten.
Chief, aber heuer feiern wir doch gar nicht Weihnachten.
Ja Seniora. Ist der Ruf des pöhszen Onkelz einmal ruiniert, lebt es sich ungeniert. Die ersten
Weihnachten meines Lebens ohne Weihnachten. Ich bekomm beim Gedanken darauf schon
rote Wangerl.
Chief, vielleicht wird es gar nicht so super.
Seniora, das ist so mit der Vorfreude. Man
sieht auf einer Party eine fesche Frau. Träumt
so, wie das wär mit der, reißt all seinen Mut
zusammen und spricht sie an. Und auf einmal
ist man 34 Jahre verheiratet, und muss sich
dauernd vorhalten lassen, dass man ärger als
der Papa ist.
Chief, wäre dir ein Whiter-Shade-of-PaleSchicksal lieber gewesen?
Seniora, der war selber Schuld. Er hätt sie
anreden können anstatt sich anzusaufen und weg zukiffen. Und dann noch jammern, dass er
sich wie seekrank fühlt. Nach 34 Jahren Ehe hätte er sich aber nicht mehr die Frage gestellt,
ob sie eine von den 16 vestal-virgins ist. Da spukt einem mehr Puff, the magic dragon durch
den Kopf.
Chief, du hast die Weihnachtslücke aber sofort geschlossen und der Maria ein Jultrommeln
vorgeschlagen. Der aufgeklärten Welt geht der rituelle Zauber dann doch wieder ab.
Seniora, die Wintersonnenwende ist ein astronomischer Fakt und kein Gschichtl vom
Jesukind im Stall.
Chief, wenn zum Vortrag in die Pfarre mitgegangen wärst, dann wüsstest du, dass es nicht
einfach ein Gschichtl ist.
Ah, hat der eingeflogene Pfaff den frommen und naiven Hochlandfrauen erzählt, dass das
alles genau so gewesen ist?
Nein, Chief. Der sehr gebildete und elegante Diakon Zidar hat uns erklärt, wie raffiniert das
Weihnachtsevangelium ist. Es gab bei den Römern das Motiv der Geburtserzählung. Laut
diesen Erzählungen war bei Cäsar oder Augustus vom Anfang an klar, dass die zu Höherem
geboren sind. Zusätzlich musste Jesus auch noch in Bethlehem zur Welt kommen, weil in der
Jüdischen Vorstellung der zukünftige Messias aus Bethlehem stammt.
Na gut, Seniora, das ist schon mehr als ein Gschichtl. Diese beiden Motive unter einen Hut zu
bringen ist wirklich nicht leicht.
Ja Chief, die haben sich ein bisserl mehr gedacht wie du beim Goldreport.
Seniora, es ist auch der Goldreport und nicht die Goldbibel. Ich
glaub nicht, dass sich der Willie Dixon soviel gedacht hat, als er
den Hoochie-Coochie-Man geschrieben hat.
Chief, es freut mich zwar, dass du einmal nicht mit den
Wikingern daher kommst. Aber der Hoochie-Coochie-Man hat
mit der römische Geburtslegende sicher nix zu tun.
Seniora, der Hoochie-Coochie-Man beginnt mit einer
Geburtslegende:
The gypsy woman told my mother, before I was born
You got a boy-child comin', he's gonna be a son-of-a-gun
He gonna make pretty women's, jump and shout
Then the world wanna know, what this all about.
Na gut, Chief. Nennen wir es eine Geburtslegende für sprachlich
Zurückgebliebene. So ein nüchterner wissenschaftlicher Fakt ist
die Jultrommlerei aber auch wieder nicht. Die Maria plant eine Feuerzeremonie und will die
Geister austreiben.
Seniora, für das Geister Austreiben bin ich auch nicht so. Man soll keine Geister austreiben,
sondern nett zu ihnen sein und sich mit ihnen anfreunden. Das Vertreiben hilft auf Dauer nix,
sie kommen wieder zurück und führen sich erst recht auf. Der Weg zum Blad-werden ist mit
Diäten gepflastert. Die Maria hat außerdem eh beides vor.
Chief, ich weiß, du drückst dich auch vorm Kloputzen mit dem Argument: Man scheißt es
doch eh gleich wieder an. Mit derselben Ausrede drückst du dich vorm Geistervertreiben. Ein
aufgeklärter Mensch muss weder Geister vertreiben, noch sich mit ihnen anfreunden.
Seniora, der Geist von deinem Papa, und von deiner Schwester Maria, von meinem Papa und
von meinem Tischtennis-Doppelpartner Hans sind bei uns anwesend. Wir reden doch dauernd
von und mit ihnen. Und wenn ich einmal mit der Mama nicht einer Meinung bin, versuchen
wir herauszufinden, was der Geist vom Papa dazu sagt.
Chief, eins muss man der Schwimu lassen. Raffiniert ist sie. Sie weiß, wie man dir kommen
muss. „Der Papa hätte dazu gesagt“ und aus Weibergeschwätz werden Weisheiten.
Seniora, so einfach ist es nicht. Die Mama kann mir nicht alles hinein drucken. Es muss schon
authentisch klingen. Aber ich gebs zu, in der Papa-Exegese ist sie ziemlich geschickt.
Chief, glaubst nicht, dass deine Trommel-Zweitfrau Evelyn eifersüchtig wird, wenn die Maria
die Julfeier-Priesterin ist und sie nur ein bisserl mit trommeln darf?
Seniora, mein Scheich hat mir schon vor Jahren gebeichtet, dass er uns westliche Männer
beneidet. Sein Papa, der König Zayed, war ein Held. Der hat sogar 7 ausgehalten. Es sind
schon vier ein pain in the ass. Ich bin auf die Schwierigkeiten einer Trommelvielehe seit
Jahren mental voll vorbereitet. Der Höhepunkt der Julfeier wird eine grandiose Cover Version
von A Whiter Shade of Pale sein.
Nein, Chief, das darfst du der Evelyn nicht antun. Das meld ich der Frauenberatung. Der
vorjährige Weihnachtsauftritt mit dir war ärger wie Sau-Abstechen. Du trommelst stur wie
eine Maschine dahin und wenn man sagt, wir sind aus dem Takt, schnauzt du einen an: Die
Djembe ist der Takt. Es kann nur die Sängerin aus dem Takt sein.
Seniora, du trommelst wie eine Maschine ist das größte Kompliment, das du mir jemals
gemacht hast. Ich kenn einen ehemaligen Punk-Schlagzeuger. Der hat im Kopfhörer ein
Metronom mitlaufen lassen, damit er im Takt bleibt. Außerdem habe ich an der Stelle, bei der
du immer statt dem Achtel- eine Viertel-Note Pause gemacht hast, einen Takt mehr gespielt
damit es sich zum Schluss wieder ausgeht.
Chief, aber sonst warst du gnadenlos.
Seniora, ich bin nicht der Cosme McMoon und ich will aus Swing
Low, Sweet Chariot kein chaotisches Take 5-7-9 machen.
Chief, das du nicht der Cosme bist, hättest du mir nicht extra
sagen müssen. Ich habe Augen im Kopf. Der Cosme war ein
schöner Mann, bei dir steht frau höchstens versteinert da.
Seniora, ihr habt nichts besseres verdient. Weil das Universum
gerecht ist, sind die schönen Männer schwul und ihr müsst euch
mit Basilisken zufrieden geben.
Chief, und wie willst du das mit der Evelyn anlegen?
Seniora, die Evelyn ist nicht die Florence Foster Jenkins. Sie
beherrscht drei Tonlagen. Die Chief-Machine wird den Takt
vorgeben und die Evelyn wird glücklich sein, endlich einmal nach
einem ordentlichen Rhythmus singen zu können.
Chief, und dann bist du mit Nachwehen aufgewacht.
Seniora, das ist wie beim Mixed-Doppel im Tennis. Man soll mit
seiner Ehefrau nur Mixed-Doppel spielen, wenn man auf einen
Scheidungsgrund aus ist. Mit anderen Partnerinnen funktioniert
das meistens problemlos.
Chief, wenn das so ist, dann wünsch ich euch viel Vergnügen.
Danke Seniora. Denn Liebe ist, wenn sie ihm viel Vergnügen mit
seiner Trommel-Zweitfrau wünscht.
Ja Chief, denn Liebe ist, wenn sie ihm viel Vergnügen wünscht, nur damit sie nicht selber zu
seiner manisch-mechanischen Trommlerei singen muss.
Verwendete Literatur und Links:
Isolde Kerndl, Georg Fessl: Aus'n hintersten Eck und da vordersten Reih'. Steinverlag.
Diakon Zidar: Diakon Mag. Peter Zidar, Maria Anzbach: Das Weihnachtsevangelium Kritik
und Verheißung. Vortrag vom 27.11.2015, Katholisches Bildungswerk Arbesbach.
A Whiter Shade of Pale: en.wikipedia.org/wiki/A_Whiter_Shade_of_Pale
www.youtube.com/watch?v=CJIVz9nYx7I
Puff, the Magic Dragon: www.youtube.com/watch?v=Vg2RcXC8KSk
Hoochie-Coochie-Man: www.youtube.com/watch?v=p-Ua1kqcmaY&list=RDp-Ua1kqcmaY
Cosme McMoon: en.wikipedia.org/wiki/Cosmé_McMoon
Florence Fost Jenkins: en.wikipedia.org/wiki/Florence_Foster_Jenkins