Ein Mythos Umm Kulthum

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Ein Mythos Umm Kulthum
Ein Mythos
Umm Kulthum - Stimme Ägyptens
Die bedeutendste Sängerin des 20. Jh. im arabischen Raum
Eja Bellmont · Zürich
Diplomprojekt: MAS · Cultural / Gender Studies · 4. Studiengang 2004 - 2006
Hochschule der Gestaltung und Kunst Zürich · Zürcher Fachhochschule
Institut Cultural Studies in Art, Media and Design
http://culturalgenderstudies.hgkz.ch
Ein Mythos
Umm Kulthum - Stimme Ägyptens
Die bedeutendste Sängerin des 20. Jh. im arabischen Raum
Eja Bellmont · Zürich · 1. Juni 2006 (SoSe 2006)
Diplomprojekt MAS · 4 Cultural & Gender Studies · 4. Studiengang 2004 – 2006
Theoriearbeit
Mentorat: Sigrid Adorf, lic.phil. und Dr. Benjamin Marius Schmidt
Hochschule der Gestaltung und Kunst Zürich · Zürcher Fachhochschule
Institut Cultural Studies in Art, Media and Design
http://culturalgenderstudies.hgkz.ch
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
4
Umm Kulthum, ein Schatz des Orients
6
Die Traumgeburt eines Mädchens in Ägypten
8
Die historische und moderne Mythostheorie
10
Die Weibliche Stimme in der Gestalt eines Beduinenjungens
14
Die Poesie der Liebe im Dialog mit dem Kollektiven
21
Die Bewahrerin der arabischen Gesangs- und Musiktradition
21
Die Botschafterin der Liebe
26
Der Liebling der Medien
30
Die Trägerin des Kollektiven in der Epoche des Panarabismus
34
«Es wird etwas bleiben – später, das füllt sich mit mir»
44
Anhang
45
4
Eja Bellmont · Juni 2006
Einleitung
«Ja, Umm Kulthum ist ein Mythos.
Ein Mythos ist etwas fast Heiliges.»1
Im November 2005 stellte mir ein in einer Zürcher Galerie tätiger junger Tunesier volle
Häuser in Aussicht, falls ich Events zu Umm Kulthum organisieren würde. Seine Worte lauteten: "Umm Kulthum ist die beste Sängerin der arabischen Welt." Ich war zunächst nicht fasziniert beim Anhören der geschenkten CD. Als ich allerdings die Lieder wiederholt hörte, erahnte ich zunehmend, warum Umm Kulthum eine so bedeutende Resonanz erzielt. Umm
Kulthum (phonetisch: um kul'sum) gilt in der arabischen Kultur als die berühmteste und verehrteste ägyptische Sängerin aller Zeiten. Sie hat sich tiefgehend und nachhaltig im individuellen und kollektiven Gedächtnis der arabischen Kultur eingeschrieben.
Ich frage mich, welcher Wirklichkeit wir im Mythos von Umm Kulthum begegnen. Welche
Voraussetzungen und Umstände begünstigten und formten ihren Mythos? Wer war diese
Frau? Wie erfolgte ihr Aufstieg. Was faszinierte damals, was fasziniert immer noch an ihr?
Lag es an einer verführerischen Stimme oder an der äusseren Erscheinung? Welche Texte
sang sie, zu welcher Musik? Wie inszenierte sie sich, ihr Leben und ihre Auftritte? Inwiefern
waren politisch-wirtschaftliche und religiöse Einflüsse massgebend? Und wie machtvoll war
ihre Stimme darin? So befasste ich mich mit der Biografie von Umm Kulthum, suchte nach
ihrer Rezeption in der arabischen Literatur und führte erste Interviews durch. Aus diesen
Recherchen ergaben sich folgende Thesen, die unter Zuhilfenahme entsprechender analytischer Ansätze zu überprüfen sind.
Thesen
1. Umm Kulthum aus der Provinz überwindet mit klarer und verführerischer Stimme die
Hürden der islamischen Kultur. Diese Grenzüberschreitung erfährt später mit der Geburtslegende ihre Legitimation.
2. Umm Kulthum unterwirft sich im zarten Mädchenalter den Geboten des Vater. Er
lässt ihre Weiblichkeit mit Jungenkleidern verhüllen und später ihre Gesangsstimme
verbieten. Mit wachsender musikalischer und fraulicher Reife sprengt sie jedoch die
patriarchale Tradition.
3. Als Medium für die 'Poesie der Liebe' wird Umm Kulthum zu einer kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Identifikations- und Projektionsfigur im gesamten arabischen Kulturraum.
1
Manea, Elham: Interview.
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5
Für die Darstellung der Lebensgeschichte von Umm Kulthum orientiere ich mich an den
beiden biografischen Werken von Stefanie Gsell und Gabriele Braune.2 Zusätzlich stütze ich
mich auf Presseartikel und ziehe Werke aus der arabischen Literatur heran, wie nebst anderen die Autobiografie von Jehan Sadat und Romane des Nobelpreisträgers Nagib Machfus. 3
Von Personen aus dem arabischen Raum, die heute in der Schweiz leben, lasse ich aktuelle
Meinungen zu Umm Kulthum einfliessen. Sie bestätigen, ergänzen oder kontrastieren die
überlieferten Texte. Insgesamt habe ich fünf durch Leitfragen gestützte Interviews durchgeführt, in denen das offene Gespräch wichtiger war als die gezielte Fragestellung. Diese Interviews verstehe ich nicht als repräsentative Studie. 4
Gewisse Themenbereiche würden, obwohl ich sie im Text berühre, den Rahmen der
vorliegenden Arbeit sprengen. So kann ich etwa die historische und die aktuelle Entwicklung
im gesamten arabischen Raum, die Bedeutung und Verbreitung des Islam, des Orientalismus oder die aktuelle Reproduktion von Umm Kulthums Liedgut nicht näher behandeln.5 Ich
werde auch nicht auf die 100 Jahre alte Tradition europäischer Musik in Ägypten eingehen. 6
Als analytisches Konzept bediene ich mich der Methode von Roland Barthes, da sich
sein semiologisches Mythosverständnis für die Betrachtung moderner Mythen in der Gesellschaft eignet. 7 Barthes grundlegende These von einer mythischen Naturalisierung des Kulturellen macht diesen Text aus den frühen 1960er Jahren bis heute zu einer Grundlage der
Kulturanalyse mit anderen Worten der Cultural Studies. Ich versuche, die von Barthes entwickelte Theorie auf die kollektive Wahrnehmung von Umm Kulthum durch die Ägypterinnen
und Ägypter anzuwenden, wobei insbesondere auf die kulturellen Unterschiede zwischen der
modernen westlichen Gesellschaft und der islamischen Gesellschaft in Ägypten des letzten
Jahrhunderts geachtet werden muss. Ergänzend zur Veranschaulichung des Mythos
schliesse ich weitere Autoren, wie Slavoj Zizek und Gerhard J. Bellinger mit ein. 8 Als theoretischer Leitfaden für die Untersuchung zur individuellen Identität wählte ich von Eric H. Erikson 'Phasen der psychosozialen Entwicklung' und zur kollektiven Identität von Helmut Berding 'Mythos und Nation'. 9
2
3
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5
6
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8
9
Gsell, Stefanie: Umm Kulthum, Persönlichkeit und Faszination der ägyptischen Sängerin, 1999.
Braune, Gabriele: Umm Kulthum, Ein Zeitalter der Musik in Ägypten,1994.
Autorenbeschreibung siehe im Anhang.
Personenbeschreibung siehe im Anhang.
Die Reproduktion der Interviewpersonen ist im Anhang ersichtlich.
Dazu gehören nicht nur das berühmte Kairoer Opernhaus, die Musikkulturen der vielen mediterranen Bevölkerungsgruppen in Alexandria und Kairo. Vgl. Volker, Michael: Die Zergliederung von Raum und Zeit, taz, die
Tageszeitung, Berlin, 2000.
Barthes, Roland (1915-1980): Mythen des Alltags, 1964.
Zizek, Slavoj: Hamlet vor Ödipus, Die Postmoderne als Mythos der Moderne, 2001.
Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie, 1989.
Erikson, Eric H., Phasen der psychosozialen Entwicklung, Hochschule Hagen, 2006, Website.
Berding, Helmut: Mythos und Nation, Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins in der Neuzeit,
1996.
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Umm Kulthum, ein Schatz des Orients
«Ich finde nur schwer Worte, um die Bedeutung der
göttlichen Oum Kalsoum für die arabische Welt zu
beschreiben. Ich versuche auf eine Künstlerin
aufmerksam zu machen, die so wichtig wie
Maria Callas, Shakespeare und Dalida ist.»10
Umm Kulthum ist seit 31 Jahren tot. Millionen Menschen
füllen am 3. Februar 1975 Kairos Strassen - weit mehr als bei der Beerdigung von Präsident
Nasser fünf Jahre zuvor - und trauern um den 'Stern des Ostens'. Ihr Mausoleum und Museum in Kairo finden heute noch grossen Anklang. "Khaled Seif, ägyptischer Tänzer von Zürich, berichtet: "Umm Kulthum wird wie eine Heilige verehrt. Man kann von ihr ein Abbild machen. Sie hat ihren Status."11 Akchoté Noël beschreibt ihre Stimme als einen orientalischen
Schatz.
12
Die Begriffe Orient, Osten oder arabische Welt lösen im Westen zwiespältige Gefühle
aus. Das orientalisch Fremde assoziieren wir einerseits mit geheimnisvoll und mythisch. Wir
projizieren dabei das romantisierte 'radikale Andere', den Exotismus in nicht-europäische
Kulturen.13 Doch der von uns auch als unterentwickelt definierte Osten irritiert uns gleichzeitig zunehmend. Wir werden konfrontiert mit Migration, Kampf der Kulturen und Terror im
Namen des Islam. Es wird über kulturelle Differenz, fremde und kollektive Identität und fehlende Integration debattiert. Doch unsichtbar bestehen viele Gemeinsamkeiten. 14
Zeigen wir dem sogenannten Fremden gegenüber Interesse und Bereitschaft zum Dialog, nähern wir uns ihm - und damit uns selbst. Eine solche Form der Annäherung sind immer auch kulturelle Anlässe. Musik und Gesang ist meist Kulturen verbindend.
10
11
12
13
14
Akchoté, Noël, Scrug-Journal für Musik, 2003.
Dalida (Yolanda Christina Gigliotti, 1933–1987), aus Kairo, war eine der erfolgreichsten Schlagersängerinnen
in Europa. Ihr Vater, italienischer Abstammung, musizierte als Konzertgeiger an der Oper in Kairo. 1954
wechselte Dalida nach Paris, wo ihre Laufbahn als Sängerin begann. Bruno Coquatrix, Plattenproduzent lobte
sie: "Ihre wandlungsfähige Stimme hat alles, was Männer mögen: Zärtlichkeit, Sinnlichkeit, Erotik.“ Ihr Leben
war gezeichnet von Riesenerfolgen und schweren persönlichen Krisen. Website.
Seif, Khaled: Interview.
Akchoté, Noël.
Lutter, Christina, Reisenleitner, Markus: Cultural Studies, 2002, S. 53.
Fast unser gesamtes philosophisches Weltbild, Christentum und Judentum haben sich im Orient entwickelt,
auch das heutige Zahlen- und Dezimalsystem.
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Ich traf das Fremde vor kurzem an meiner Haustür in Gestalt des Postboten. Ich spreche ihn auf Umm Kulthum an und staune über das Strahlen in seinem jungen Gesicht. "Ja,
ich liebe diese Frau. Ich komme selbst aus Ägypten."
Wer beispielsweise in Kairo durch das bunte Treiben des Khan el-Khalili Basars schlendert, hört aus Lautsprechern die verzaubernde Stimme Umm Kulthums. Ebenso ertönt sie
aus Bussen. Hotels und Caféhäuser sind nach ihr benannt und in einem Hotel ist jedes Zimmer mit einem Liedtitel von Umm Kulthum beschriftet.
«So gehört das Klingeln der Mobiltelephone mittlerweile ebenso zum Klang des
Schams wie das Blubbern der Wasserpfeifen oder die ewigen Sterne der arabischen Musik wie Umm Kolthum oder Abdelhalim Hafez. (...) Begleitet von wunderbaren, scheppernden Streichorchestern singen sie – auch sie – von nichts
anderem als von der immer schon besser gewesenen Vergangenheit.»15
In der Literatur findet man verschiedene Schreibweisen ihres Namens, von Umm
Kalthum, über Oum Kalthum bis Om Kalsoum, abhängig vom jeweiligen arabischen Dialekt.
Ihr Name wird auch heute noch mit Metaphern belegt. Man nennt Umm Kulthum den Stern
des Ostens, die Diva der arabischen Lieder, die Stimme oder das Gesicht Ägyptens, die Mutter oder die Königin Ägyptens. Als ergänzende Attribute fallen die Begriffe des Idols, der Legende, der Heiligen, der Ikone. Allein diese Metaphern verweisen schon auf eine Erhöhung zum Mythos.
So prägnant sich der Todestag von Umm Kulthum eingeprägt hat, so nebulös ist ihre
Geburt zwischen 1898 und 1908. Am häufigsten wird 1904 als ihr Geburtsjahr erwähnt.
15
Schams ist ein volkstümliches Café zwischen zwei sechsstöckigen Kolonialbauten in Kairo.
Kermani, Navid: Schöner neuer Orient, 2003, S. 25.
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Die Traumgeburt eines Mädchens in Ägypten
These 1:
Umm Kulthum aus der Provinz überwindet mit klarer und verführerischer Stimme die Hürden
der islamischen Kultur. Diese Grenzüberschreitung erfährt später mit der Geburtslegende
ihre Legitimation.
«Der Mythos ist ein Wert, er hat nicht die Wahrheit als Sicherung;
nichts hindert ihn, ein fortwährendes Alibi zu sein.
16
or ungefähr 100 Jahren wird ein Mädchen im ländlichen Ägypten geboren. Der Vater
Ibrahim al-Batagi ist Dorfscheich und lebt mit seiner Frau Fatima al-Maligi und zwei Kindern
in ärmlichen Verhältnissen. Die kulthumische Geburtslegende berichtet:
"Die Geburtsnacht Umm Kulthums verbrachte Scheich Ibrahim betend in der
Moschee; es war 'Laylat al Kadr', die Nacht des Ramadans, in der dem Propheten Mohammed die ersten Koranverse gesandt wurden. Der Vater war Imam im
Dorf Tammay az-Zahayra in der Provinz des Nildeltas von Ägypten. Ihre Mutter
Fatima kümmerte sich um die ältere Tochter und den einzigen Sohn Khalid.
Scheich Ibrahim wünschte sich einen weiteren Sohn. Während des Gebets
schlief er ein. Da erschien ihm eine strahlende Frau, welche ihn mit einem in grünes Tuch eingewickelten Gegenstand überraschte. Beim Öffnen musste der
Scheich seinen Blick abwenden, so sehr glänzte der Gegenstand. Bevor die Frau
verschwand, sagte sie: 'Das ist ein Juwel, ein Glücksbringer, den du gut bewahren musst. Ich bin Umm Kulthum, die Tochter des Propheten Mohammeds."17
Die Mutter muss nach der Geburt von den Anwesenden getröstet werden, da sie keinen
Sohn zur Welt gebracht hat – und der Scheich nennt seine neugeborene Tochter Umm
Kulthum. 18 Die Legende widerspiegelt die damaligen traditionell islamischen Verhältnisse in
der Provinz: Der Sohn Khalid und die namenlose Tochter wird von der Mutter betreut.19 Die
Hingabe seiner Frau an die erzieherischen Pflichten und ihre einfache Weisheit hält den
Scheich ab, sich weitere Frauen zu nehmen. Einer der Gründe weitere Frauen zu nehmen
wäre, wenn die Frau keine Kinder oder keinen Sohn bekommt. 20 So werden an die Frauen
elementare Erwartungen gestellt und gleichzeitig grosse Verantwortung übertragen. Erfüllt
16
17
18
19
20
Barthes, Roland, 1964, S. 104.
Gsell, Stefanie: Umm Kulthum, 1999, S. 13.
Vgl. Gsell, Stefanie, S. 13.
Einzig gefundene Quelle zur Schwester mit Namens- und Altersangabe: Sie hiess Sayyidah war zehn Jahre
älter als Umm Kulthum. Probst, Ernst: Umm Kulthum, Der singende Stern des Orients, Website.
Vgl. Gsell, Stefanie, S. 14.
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sie diese, etwa mit dem männlichen Nachwuchs, wird sie mit der Treue des Mannes belohnt.
Verfügt so das männliche Geschlecht über das Weibliche und betrachtet es als Eigentum?
Mit den väterlichen Traumbildern gerät der, betreffend den Geschlechterrollen sozialkodierte, Rahmen ins Wanken. Da erscheinen plötzlich Elemente religiöser Zuschreibung, die
gegenüber der gesellschaftlich religiös tradierten Vorstellung einen Kontrapunkt setzen. Der
bei der Geburt abwesende, in der Moschee betende Vater wird in der heiligsten Nacht vom
Weiblichen und Göttlichen, der Prophetentochter, berührt. Die beiden offenkundigsten Zeichen sind das Juwel und die Namensgebung.21 Das Juwel ist ein Edelstein mit blendender
Strahlkraft und dient als Glücksbringer. Der Name Umm Kulthum deutet auf die Wurzeln des
Islams hin. Die Mutter trägt mit Fatima ebenfalls den Namen einer der Töchter Mohammeds.
Der traditionell islamische Zusammenhang erhöht sich gewaltig, indem die Geburt exakt in
die siebenundzwanzigste, der heiligsten Nacht des Ramadans fällt.22 Der Vater als Imam ist
zudem ein wichtiger Vertreter der islamischen Werte. Diese Metaphern und Symbole erlauben dem Vater die Bejahung des neugeborenen Mädchens, und gleichzeitig erhält er eine
zukunftsweisende Sorgepflicht: Die Prophezeiung für eine ungewöhnliche Zukunft dieses
Kindes, gleich einem Omen.
Das Traumbild des Vaters in der Geburtslegende verleiht der Tochter den Glanz eines
Juwels und einen heiligen Namen. Bedeutende Zeichen hüllen das Mädchen ein. Die islamisch arabische Gesellschaft kann ihm so seine Einzigartigkeit einschreiben, und erlaubt
Umm Kulthum vom Göttlichen und von ihr selbst auserwählte Wegrechte. Auch wenn die
Erzählung der Geburt nicht der Wahrheit entsprechen sollte, liegt in dieser Legende der Mythos begründet. Barthes schreibt: "Der Mythos ist ein Wert, er hat nicht die Wahrheit als Sicherung; nichts hindert ihn, ein fortwährendes Alibi zu sein." Die Geburtslegende legitimiert
früher oder später ihren Mythos.
Legenden von Geburt und Tod spielen bei den historischen Mythen oft eine wichtige
Rolle.
21
22
Ein Juwel. ist ein geschliffener Edelstein Durch den Schliff (Veredelung) wird die Lichtreflexion und der Glanz
des Minerals erhöht. Mit einem hochwertigen Schliff kann sich der Ausgangswert des Edelsteines um ein Vielfaches erhöhen. Website.
In der 27. Nacht des Ramadans empfängt Prophet Mohammed die ersten Koranverse. Seitdem gilt bei den
Muslimen, dass in dieser Nacht die Gebete erfüllt werden. Vgl. Gsell, Stefanie, Fussnote 2, S. 165.
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Die historische und moderne Mythostheorie
«Ohne Mythen, ohne Bilder, die uns erfüllen, können wir nicht existieren.
Wir brauchen glanzvolle Bilder etwa aus unserer eigenen Kindheit (...).
Wir brauchen die Bilder der Dichter als den Grund, aus dem uns Lebenssinn zuwächst. Wir brauchen Bilder, aus denen uns Glaubensinhalte aufleuchten, die kein Logos zu fundieren vermag. Andererseits bedürfen wir
des Logos als ordnendes, klärendes und kritisches Instrument.»23
Was erzählt uns der Mythos? In welchen Formen erscheint das komplexe Phänomen
Mythos und welche Funktionen erfüllt es? Sind historische Mythen heute noch wirksam, etwa
in Bezug auf die Mythosbildung um Umm Kulthum im 20. Jahrhundert. Welchen Sinn ergeben neugebildete Mythen in der Gegenwart.
Die längst vergangenen Mythen wie etwa die der ägyptischen Götter fristen in einem
modernen, säkularisierten Weltverständnis meist ein märchenhaftes und unbedachtes Dasein. Für Gerhard J. Bellinger gehört jedoch ein mythologisches Hintergrundwissen dazu, um
die gegenwärtige Kultur, die auf uns einwirkt, zu verstehen. 24 Verbinden wir nicht etwa die
Liebe mit der Göttin Venus? Wie leicht gehen uns mythische Wörter über die Lippen, wie
Europa, Echo, Eros, Sirene, Ariadnefaden, Achillesferse, Atropin, Narzisse, Olympiade, und
selbst Mythos. 25 Der Mythos ist nach Bellinger die Ausdrucks-, Denk- und Lebensform eines
Volkes mit universaler Wirkung.26 Mythos bedeutet Wort, Rede und Erzählung. Mythen, gegenwärtigem Erzählgut angehörend, weisen auf gesellschaftliche Strukturen und Wertvorstellungen hin, wie etwa Matriarchat und Patriarchat, Aristokratie und Diktatur, Theokratie
23
24
25
26
Klowski, Joachim: Dialektik von Mythos und Logos, 1980, S. 39.
Vgl. Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie, 1989, S. 5. und S. 329.
Vgl. ebd. S. 488-491.
Das griechische Wort Mythologie wird als allgemeiner Begriff für die Gesamtheit der Mythen verwendet, wie
auch für deren wissenschaftliche Sammlung, Erforschung, Vergleiche und systematische Darstellung.
Mythos (m.Sg. griech.), Mythe (w.Sg.) Mythen (Pl.), Mythus (m. lat.). Vgl. Bellinger, Gerhard J., S. 329.
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und Demokratie, Hirten und Bauern. Bildhaft und ereignisreich erzählen sie von Völkern und
verweisen auf Ursprung, Verlauf und Ende der Welt. Sie berichten von Grenzsituationen wie
Geburt und Tod, oder von Göttern und Geistern, welche in der Form von Dramatisierung,
Inszenierung, Personifizierung und Verkörperung von Vorgängen, Erfahrungen und Erlebnissen die Innen- und Aussenwelten des Menschen repräsentieren. Dabei zeigen sie Bilder
vom Kampf zwischen den positiven und negativen Energien, die die Menschen in sich und
ihrer Umgebung erfahren. Historische Mythen und Geschehnisse vermitteln eine über das
Individuum hinausgehende Bedeutung und damit eine allgemeingültige kollektive Aussage.
Sie dienen der Weltdeutung und der Orientierung im Leben. Sie wirken sowohl grenz- als
auch völkerübergreifend.27
Die transmediale und transgressive Eigendynamik von Mythen wird erkennbar, wenn
Personen, Zeiten und Räume miteinander korrespondieren und nicht getrennt zueinander
stehen: Götter werden zu Menschen und Menschen zu Göttern, oder Gott und Mensch verbinden sich zu einem Gottmensch. Ist nicht auch bei Umm Kulthum das Göttliche erkennbar?
Der Mythos, erläutert Bellinger weiter, erzählt konkret und anschaulich, bildhaft und affirmativ, ganz im Gegensatz zum diskursiven, abstrakt definierten, begründeten und rational beweisbaren 'Logos'. 28 Das Charakteristikum des Mythos ist somit das Narrative. Auch wenn er
physisch gesehen nicht Wirkliches erzählt wird, erschliesst er die Realität in ihrer ganzen
Tiefe und Wahrheit. Durch ihn erlebt der Mensch die unmittelbare Wirklichkeit, denn bei zeitlosen Mythen vereinen sich Vergangenheit und Zukunft in der Gegenwart. Besonders in der
Kunst kommt diese Bedeutung zum Ausdruck. Überall finden mythische Ge-stalten und Ereignisse ihre Abbildung als Sinnbilder und vermitteln Botschaften, wie etwa im Film, in der
Fotografie, Oper, Lyrik und im Videoclip. 29
Die Diskussion um den Mythos ist seit der Antike ein Angelpunkt für Kritik und Widerstand. Friedrich Schlegel wertet die abendländische Mythenkultur wieder auf, indem er zwischen Poesie und Mythos eine ästhetische Verbindung herstellt, die zur Vermittlung zwischen Kunst und Natur beiträgt. Dennoch erfährt der Mythosbegriff in den verschiedenen
Debatten nie eine einheitliche Definition. Modelle von de Saussure, Barthes, Levi-Strauss
und Horkheimer werden wiederholt herangezogen, die Bedeutung des Mythos, seine Wirksamkeit und Wandelbarkeit in der Gesellschaft zu reflektieren.
Slavoj Zizek erklärt am Beispiel der abstrakten Thesen von Platon, Freud und Lacan,
wie diese darauf angewiesen sind, sich in einem mythischen Bild vermittelbar zu machen:
27
28
29
Vgl. Bellinger, Gerhard J., S. 5. und S. 328-9.
Logos vom griechischen bedeutet Wort, Vernunft.
Vgl. ebd. S. 6-7.
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"Heidegger verortete den griechischen Durchbruch, die Gründungsgeste der
westlichen Kultur in der Überwindung des vorphilosophischen mythischen 'asiatischen' Universums: Der grösste Gegensatz des Westens ist der 'Mythos im Allgemeinen und der asiatische im speziellen'. Aber dessen Überwindung ist nicht einfach ein Hinter-sich-lassen des Mythischen, sondern ein konstanter Kampf mit (in)
ihm: Philosophie braucht den Rekurs auf den Mythos nicht nur wegen äusserlicher
Gründe, um ihre konzeptionelle Lehre den ungebildeten Massen zu erklären, sondern an sich, um ihr eigenes konzeptuelles Gebäude dort zu 'flicken', wo es darin
fehlt, den innersten Kern zu erreichen: von Platons Höhlengleichnis zu Freuds Mythos des Urvaters und Lacans Mythos der Lamelle. Mythos ist somit das Reale des
Logos: der fremde Eindringling, unmöglich ihn los zu werden und unmöglich, in völlig zu verinnerlichen. Darin besteht die Lehre Horkheimers und Adornos Dialektik
der Aufklärung: Aufklärung vergiftet immer schon die naive mythische Unmittelbarkeit, Aufklärung selbst ist Mythos, das heisst ihre eigene gründende Geste wiederholt die mythische Operation. Und was ist Postmoderne, wenn nicht die ultimative
Vernichtung der Aufklärung in ihrem grössten Triumph: Wenn die Dialektik der Aufklärung ihren Höhepunkt erreicht, generiert die dynamische, wurzellose, postindustrielle Gesellschaft unmittelbar ihren eigenen Mythos."30
Nach diesem dichten und aussagekräftigen Zitat von Zizek über den Mythos in der modernen bzw. postmodernen westlichen Gesellschaft wende ich mich Roland Barthes zu, der
sich als Sprachtheoretiker und Kritiker mit dem Mythos auseinandergesetzt hat. 31
«Was ist ein Mythos heute?» – «Der Mythos ist eine Aussage.»32
Nach Barthes ist der Mythos eine Botschaft, die mit einer bestimmten Bedeutung mitgeteilt wird. Die Botschaft bzw. die Bedeutung bedarf einer passenden Form, um vermittelt
werden zu können.33 Alles kann zum Mythos werden: "Jeder Gegenstand der Welt kann von
einer geschlossenen, stummen Existenz zu einem besprochenen, für die Aneignung durch
die Gesellschaft offenen Zustand übergehen. "(...) Ein Baum ist ein Baum. Gewiss!"34 Ich
übernehme das Beispiel vom Baum in der Gestalt des geschmückten Weihnachtsbaums. Im
leuchtenden Gewand ist seine 'Existenz als Baum' nicht mehr elementar. Seine Wirklichkeit
tritt zurück hinter der kulturellen und religiösen Bedeutung, mit der der Weihnachtsbaum in
30
31
32
33
34
Zizek, Slavoj: Hamlet vor Ödipus. Die Postmoderne als Mythos der Moderne, 2001, S. 114-115.
Barthes ist im 21. Jh. in wissenschaftlichen Disziplinen eine bedeutende Stimme zum modernen Mythosverständnis. Bekannt ist er für seine angewandte Methode kritischer Befragung gesellschaftlicher Verhältnisse.
"Sein umfangreiches Werk enthält bedeutende, massgebende Beiträge zu den verschiedensten Sparten der
Literatur, der Soziologie der Philosophie, des Journalismus, der Politik. (...) Sie behalten weit über die aktuellen Anlässe hinaus ihre Gültigkeit." Frankfurter Rundschau, 1996 in: Barthes, Roland, 1964, S.1.
Ebd. S. 85.
Vgl. ebd. S. 85.
Ebd. S. 85-86 und vgl. ebd. S. 85-88.
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einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext angereichert wird. Damit wird ihm eine neue
'Natürlichkeit' verleiht. 35 In 'Mythen des Alltags' untersucht Barthes aktuelle komplexe Phänomene, wie etwa das Gesicht von Greta Garbo oder den Citroën DS 'Déesse', 'Göttin'. 36
"Erst nachdem ich eine gewisse Anzahl von aktuellen Fakten durchforscht hatte, bemühte
ich mich, den zeitgenössischen Mythos auch methodisch zu definieren.“37 Ein Gegenstand,
eine Person etc. kann auch ersetzt werden, sofern sie als Mythos die beabsichtigte Bedeutung zu vermitteln vermag. Dabei stellt Barthes die These auf, dass sowohl die Presse als
auch die Kunst daran arbeitet, kulturellen Dingen einen natürlichen Auftritt zu verleihen, ohne
dabei ihre Erscheinung zu hinterfragen. Die These von einer Naturalisierung des Kulturellen
wird von ihm als das zentrale Merkmal des Wirkens und der Realitätsmacht des Mythischen
herausgestellt.38
Barthes weiterentwickelte Mythostheorie verhilft, die mythische Durchdringung der Gesellschaft zu erkennen, zu entschlüsseln, zu begreifen und sich Formen ideologischer
Machtverhältnisse zu vergegenwärtigen. 39 Es bedeutet nicht die Aufhebung ihres Gegenstandes. Doch lassen sich die Erkenntnisse der Mythologie sehr wohl politisch instrumentalisieren, durch die revolutionäre Ideologie. "Die Entschleierung, die sie vornimmt, ist also ein
politischer Akt. (...) Es ist sicher, dass in diesem Sinne die Mythologie eine Zustimmung zur
Welt ist, nicht so, wie sie ist, sondern so, wie sie sich schaffen will."40 Beim Übergang vom
eigentlichen Sinn zur mythischen Form verliert das reale Bild von seinem Wissen, damit sich
der Mythos mit seiner beabsichtigten Bedeutung besser einnisten kann. Das im Mythos enthaltene Wissen ist allerdings konfus, aus unbestimmten und unbegrenzten Assoziationen
gebildet.41 Der 'Leser' des Mythos wird demnach, folgt man Barthes weiter, von einer Doppeldeutigkeit des Mythos überrumpelt, die Intention kann sichtbar werden. 42 "Der Mythos ist
weder eine Lüge noch ein Geständnis. Er ist eine Abwandlung." Er zeigt eine feste Absicht,
ist motiviert und wirkt imperativ.43 Und indem er sich ausdehnt und verbreitet, reift er heran.
So hat jeder Mythos seine eigene Absicht, Geschichte und Geografie. 44
Umm Kulthum ist ein historisch verankerter und in die Zukunft greifender Mythos des Alltags. Welche Wirklichkeit liegt ihm zugrunde?
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
Siehe auch Beispiele ebd. S. 94-96.
Barthes, Roland, 1964, S. 73 und 76.
Ebd. S. 7-8. Barthes ordnet den Mythos der Sprache zu. Auf der Basis der Semiologie aufbauend, ordnet und
fasst Barthes systematisch und wesensmässig den Mythos ein. Dabei bedient er sich des dreigliedrigen linguistischen Schemas der Semiotik von de Saussure. Dieses beruht auf einem Zeichensystem erster Ordnung
(Objektsprache). Den Mythos selbst definiert Barthes aus einem dazukommenden Zeichensystem zweiter
Ordnung, woraus die mythische Form entsteht (Metasprache). Er untersucht sowohl mündliche, schriftliche,
bildliche als auch gegenständliche Zeichen auf ihre formale Zusammensetzung hin. Vgl. ebd. S.88-96.
Vgl. ebd. S.112-113.
Vgl. ebd. S.148.
Ebd. S.148.
Vgl. ebd. S.99.
Ebd. S.148.
Ebd. S.112 und vgl. S.106.
Vgl. ebd. S.139.
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Weibliche Stimme in der Gestalt eines Beduinenjungens
These 2:
Umm Kulthum unterwirft sich im zarten Mädchenalter den Geboten des Vaters. Er lässt ihre
Weiblichkeit mit Jungenkleidern verhüllen und später ihre Gesangsstimme verbieten. Mit
wachsender musikalischer und fraulicher Reife sprengt sie jedoch die patriarchale Tradition.
Umm Kulthums Entwicklung in der ägyptischen Provinz
«Identität, das ist der Schnittpunkt zwischen dem, was eine Person sein
will, und dem, was die Welt ihr zu sein gestattet.»45
on ihrer Mutter lernt Umm Kulthum Bescheidenheit, Aufrichtigkeit und das Religiöse.
Obwohl Mädchen vom Lande selten die Schule besuchen, drängt sich Umm Kulthum ihren
Eltern mit ungeduldigem Eifer auf, da sie wie ihr Bruder Khalid die Koranschule besuchen
möchte. 46 Beim Vater entdeckt sie den Gesang, denn sie lauscht an der Tür, während er
Khalid unterrichtet. Sie lernt die religiösen und poetischen Texte in kurzer Zeit auswendig.
Als der Vater ihre Begabung bemerkt, lässt er sie ein erstes Mal an der Dorffeier singen. Das
Publikum applaudiert begeistert, während sie sich lediglich für den versprochenen Milchreis
interessiert. Von nun an schliesst der Vater Umm Kulthum in den Gesangsunterricht mit ein.
Die Kunde des singenden Mädchens verbreitet sich in der Deltagegend, worauf das
Familienensemble selbst weit von ihrem Lebenszentrum entfernte Auftritte bestreitet. Der
Vater und Khalid gehen zu Fuss und Umm Kulthum reitet auf dem Esel. Mit steigendem Einkommen können sie sich die Eisenbahn leisten. 47
Umm Kulthum wächst heran. Der Vater kleidet sie in Jungenkleider, da es sich für Mädchen nicht ziemt, öffentlich aufzutreten. Als nach einer gewissen Zeit jedoch bekannt wird,
wessen Stimme sich hinter den Beduinengewändern verbirgt, verbietet ihr der Vater das
Singen und will sie verheiraten. Umm Kulthum aber weist alle Verehrer zurück, weil diese
von ihr verlangen, das Singen zu lassen.
Als der Vater nur noch für Auftritte gemeinsam mit Umm Kulthum gefragt wird, lenkt er
ein. Das erste Konzert nach dieser Unterbrechung wird zu einem ergreifenden Erlebnis. 48
45
46
47
48
Erikson, Eric H., Identität und Lebenszyklus, 2002.
Vgl. Gsell, Stefanie, S. 14.
Vgl. ebd. S. 17.
Vgl. ebd. S. 19 und S. 166 Fussnote 12.
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Eines Tages begegnet Umm Kulthum dem berühmten Scheich und Sänger Abu I-Ila
Muhammad. 49 Mit ihrer Zielstrebigkeit nähert sie sich ihm und lädt ihn zum Singen in ihr
Haus ein. Als der Scheich ihre talentierte Stimme vernimmt, empfiehlt er dem Vater, mit
Umm Kulthum nach Kairo zu ziehen. 50
Umm Kulthum nimmt die erzieherischen und religiösen Werte der Mutter an und überschreitet gleichzeitig patriarchalgeprägte Vorschriften der Geschlechtertrennung. Eine Schulund Gesangsausbildung ist hauptsächlich den Knaben vorbehalten. Zielstrebig wie Umm
Kulthum ist, öffnen sich ihr auch für Mädchen verschlossene Türen. So dringt sie schliesslich
mit ihrer Gesangsstimme erfolgreich an die Öffentlichkeit, ohne ihr kindliches Wesen zu verlieren, wie das Beispiel mit dem Milchreis zeigt. 51
Laut Erikson ist ein Kind in diesem Alter lernbegierig, sucht kognitive Herausforderung
und möchte Nützliches leisten. Wenn diese Erfolgserlebnisse ausbleiben, können sich Minderwertigkeitsgefühle entwickeln. 52 Beginnt nicht in der folgenden Zeit des Verkleidens und
mit dem Tragen eines Jungennamens eine grosse Irritation in der Identitätssuche des he49
50
51
52
Kasida ist ein gesungener Vortrag jedes Textes im klassischen Arabisch. Langrange, Frederic: Al-Tarab, Die
Musik Ägyptens, 2000, S. 158.
Die seelenvoll gesungenen Kasiden von der religiösen und weltlichen Liebe des Scheichs Abu I-Ila Muhammad hat Umm Kulthum einmal beim Dorfbürgermeister über den Phonographen gehört. Schon da war sie fasziniert von seiner seelenvollen Stimme. Vgl. Gsell, Stefanie, S. 20.
Vgl. ebd. S. 20-21
Vielleicht lernt sie wegen der verschlossenen Türe noch eifriger die Liedtexte. Die Eltern erlauben ihr, der
jüngsten Tochter, den Besuch der kostenpflichtigen Koranschule, genauso wie die Tochter des Dorfpräsidenten.
Vgl. Erikson, Eric H.: Phasen der psychosozialen Entwicklung, 2006.
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ranwachsenden Mädchens?53 In einer Zeit, in der sich die Wertvorstellungen des weiblichen
und des männlichen Geschlechts entwickeln. Erikson erläutert diesbezüglich, dass Jugendliche ihre Identität mit dem Hintergrund sozialer Rollen, wie beispielsweise durch die Auseinandersetzung mit dem anderen Geschlecht finden. "Mit der beschleunigten körperlichen
Entwicklung stellt sich immer mehr die Frage: Wer bin ich? Die Antwort besteht darin, die
bisher gesammelten Erfahrungen (...) zu einer Ich-Identität zusammenzufügen."54
Was bedeutet dieses sich Verstecken müssen für Umm Kulthum?55 Freiheit? Oder bloss
ein goldener Käfig? Diese verunsichernden Umstände verdeutlichen, dass Umm Kulthum
sich auf der Schwelle bewegt von dem, was sie als Frau sein will, und dem, was die Gesellschaft ihr zu sein erlaubt. 56 Umm Kulthum akzeptiert die Bedingung des Verkleidens. Ist es
die Liebe zum Vater oder die Liebe zum Gesang? Oder vielleicht beides? Der Vater tritt mit
zwei Knaben auf und für Umm Kulthum beginnt ein Rollenspiel. Wieweit realsiert sie es, dass
sie ihre sich ankündigende Weiblichkeit vor Männerblicken schützen muss.57 Vielleicht rettet
sie mit dieser Form der Verkleidung ihre Stimme und erhält damit die Möglichkeit, sie zu entwickeln und mit ihr zu experimentieren, ohne dass die Stimme gleich an ihrem weiblichen
Geschlecht festgemacht wird? Eine Form innerer Freiheit? Es bedeutet aber, in der Öffentlichkeit die eigene Wirklichkeit zu verleugnen, in Ohnmacht und in Angst vor der Entdeckung
zu leben. Auch die Ehre des Scheichs als Vorbild und das Einkommen der Familie steht auf
dem Spiel. Dieses Verstecken zugunsten eines Talents – ihrer Stimme!
Der Vater umgeht das öffentliche Singverbot mit der Verkleidung, schützt damit Umm
Kulthum vor den verführerischen Gefahren der Öffentlichkeit und fördert zugleich ihre verführerische Stimme. Schämt sich der Vater der Tochter wegen, hat er Angst vor Ehrverlust oder
gar Schuldgefühle, weil er mit der Tochter Geld verdient? Wie mag es Khalid, dem Bruder, in
der gemeinsamen musikalischen Tätigkeit ergehen - mit einer Schwester oder einem sogenannten Bruder, der eigentlich seine Schwester ist, und der oder die dazu noch eine vom
Publikum geliebte Stimme besitzt. Sicher ist auch seine männliche Identitätsfindung in dieser
Situation Irritationen unterworfen. Von der Mutter ist nicht mehr die Rede. Sie scheint nach
dem klassischen Rollenverständnis bescheiden im Privaten zu wirken. Hat die Mutter zwar
im Stillen, vielleicht entscheidend, an der wichtigen Weichenstellung mitgewirkt? Zur älteren
53
54
55
56
57
Mit welchem Namen sie als Knabe mit der schönen Stimme angesprochen wird, ist nicht bekannt.
Vgl. Erikson, Eric H., 2006.
Zur Thematik, dass Frauen im Iran wegen den 'fremden' Männern bis vor kurzem der Einlass ins Fussballstadions verboten war, drehte der Regisseur Jafar Panahi den Film 'Offside'. Er erzählt von iranischen Mädchen,
die sich im 2005 für das WM-Qualifikationsspiel getarnt als Jungen ins Fussballstadion hineinschleichen. "Offside thematisiert auf intelligente und humorvolle Art die Geschlechtertrennung und die Unterdrückung der
Frau in der iranischen Gesellschaft." Der Bund, Kinoflyers, Mai 2006.
Siehe Zitat Erikson zu Beginn des Kapitel.
Interessant sind Diskussionen über die westliche Koedukation. Knaben nehmen gegenüber Mädchen vermehrt Raum ein, weshalb geschlechtergetrennte Klassen den Mädchen grösseren Entwicklungsraum bieten.
Eine weitere Feststellung sind die aktuellen Debatten über die Frage, ob in unseren Schulen einheitliche Uniformen oder Kleider eingeführt werden sollen. Als Gründe werden aufreizende T-Shirts oder der Druck des
Markenkonsums angegeben.
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Schwester steht nichts in der Literatur. So vermute ich, dass sie nicht massgebend zum Erfolg von Umm Kulthum beigetragen hat. Hingegen muss gefragt werden, wenn Umm
Kulthum die Älteste gewesen wäre, ob die Eltern ebenso gehandelt hätten.
Nachdem das Verhüllungsgeheimnis gelüftet ist, entzieht der Vater Umm Kulthum mit
einem Singverbot der Öffentlichkeit und gleichzeitig beginnt der Heiratsmarkt. Sie soll nun
nach den traditionell islamischen Regeln in die entsprechende Rolle einer Ehefrau eingefügt
werden. Um ihre Stimme behalten zu können, muss Umm Kulthum alle Verehrer abweisen.
Wird eine verheiratete Frau, die öffentlich singt und dabei Gefühle preisgibt und auslöst, ihrem Mann untreu – allein durch ihre Stimme? Oder soll hier das männliche Geschlecht vor
dem verführerischen weiblichen Gesang geschützt werden? Welches sind die zu verbergenden Eigenschaften der weiblichen Stimme? Zu fein, zu zerbrechlich, zu schutzbedürftig, zu
mütterlich oder zu raumergreifend, zu verführerisch und zu gefährlich? – 'Verführerische
Stimmwelten' ist der gemeinsame Titel der drei zusammengefügten Diplomarbeiten. Die
dazugehörige Einleitung beschreibt das Phänomen der Stimme mit seinen Eigenschaften. 58
Die erneuten Auftritte des Familien-Ensembles werden für alle gewinnbringend, im Besonderen erfährt Umm Kulthum trotz vermutlich irritierender Rollenwechsel wiederkehrende
Erfolgserlebnisse, was ihre Weiterentwicklung begünstigt. Wenig später führt sie die Begegnung mit Scheich Abu I-Ila in die Hauptstadt Kairo.
Umm Kulthums Entwicklung in der Hauptstadt Kairo
«Dass man beim Hören ihrer Stimme den Sand der
Wüste auf der Zunge zu schmecken vermeinte.»59
Mit dem Wechsel nach Kairo betreten Umm Kulthum, ihr Vater Scheich Ibrahim und ihr
Bruder Khalid 1923 eine fremde Welt. Alles ist neu und aufregend. Aus ihrem Hotelzimmer
sieht Umm Kulthum zum Beispiel den ersten Kinofilm auf einer Grossleinwand: Ein junger
Mann küsst eine Frau. 60 Die ersten vier Jahre in Kairo verbringt sie isoliert vom öffentlichen
Leben. Scheich Abu I-Ila, der ihr Gesangsunterricht erteilt, beschreibt einmal dem Dichter
Achmed Rami seine Schülerin mit den Worten: "Sie zeigt ihre ganze Seele mit einem einzigen 'Ah'!", worauf Rami eines ihrer Konzerte besucht.61 Abends singt Umm Kulthum mit ihrem Familienensemble in den Ezbekiyyagärten.62
58
59
60
61
62
Siehe gemeinsame Einleitung:
Verführerische Stimmwelten von Blersch Claudia, Böni Fabienne und Bellmont Eja.
Braune, Gabriele, S. 39.
Gsell, Stefanie, S. 21.
Vgl. ebd S. 167, Fussnote 18 und S. 21. Achmed Rami (1892-1981).
Ezbekiyyagärten von den Osmanen angelegte Gärten. Diese gelten als städtisches Musikzentrum.
Vgl. ebd. S. 26 und S. 168, Fussnote 26.
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Es gibt zwei Kategorien von Sängern: Die schön gekleideten, die für die Oberschicht
und die im 'Galabiya'-Gewand, die für das gewöhnliche Volk singen. 63 Umm Kulthum gehört
zur zweiten Kategorie und es fällt ihr schwer, sich beim Publikum durchzusetzen, das lieber
leichte Musik hört. Als Mädchen vom Lande wird sie sogar gelegentlich ausgepfiffen.
Mit der Zeit wird das Publikum und auch die Presse vermehrt auf ihre Stimme aufmerksam. Ein Wendepunkt entsteht als ein negativer Artikel Umm Kulthum zusetzt, und ihr Vater
nur schwer vom Abreisen abgehalten werden kann. Der
Schreiber des Artikels ist ein Verehrer von Munira al-Mahdiya,
eine der beiden führenden Sängerinnen von Kairo, die in Konkurrenz zu Umm Kulthum stehen. Umm Kalthum lässt sich
nicht beirren und singt zielbewusst ihre dem städtischen Publikum leicht angepassten Kasiden weiter. 64 Woraufhin die Presse
ihre starke und klangvolle Stimme anerkennt, sie aber als ungeschult bemängelt. Umm Kulthum erweitert darauf ihren Musikunterricht und bewegt sich zunehmend im Künstlerkreis. 65
Vom Dichter Rami erhält sie Liedtexte und wird in die Poesie
eingeführt. Sie lernt von ihm die hocharabische Sprache, die
nur wenige beherrschen. 66 1926 stellt Umm Kulthum aus den
besten Instrumentalisten ein Takht-Ensemble zusammen und
gibt ihre religiösen Lieder zugunsten eigens für sie komponierter Liebeslieder auf. 67 Von nun an zeigt sie ihre Weiblichkeit
unverhüllt. Sie nimmt sich die vornehmen Frauen als Vorbild,
gewinnt neue Freundschaften und tritt als moderne Frau vermehrt in Konkurrenz. 68 Das Lied 'Araka asiya dam i', 'Ich sehe Dich der Tränen trotzen' wird
zu einem Publikumserfolg, das sie zum Star macht ist. Es erzählt von der treulosen Geliebten, die den Qualen des ihr ergebenen Sklaven der Liebe, nur Hohn entgegenbringt.
Mit dem Wiedererwachen des nationalen Bewusstseins erinnert sich die ägyptische Bevölkerung gerne an die 'Grossen Tage der Araber', als sie noch Herren der Wüste waren,
deren Stammesleben ihrer eigenen Gesetzbarkeit unterlag und den Frauen eine ganz andere gesellschaftliche Position zukam, als es das Leben in der Stadt bewirkt hat.
63
64
65
66
67
68
Die Galabiya ist ein bodenlanges weites Gewand. Vgl. Braune, Gabriele, S. 39 und 44-45.
Kasiden stammen aus dem traditionellen und religiösen Gesangsgut.
Etwa beim damals angesehendsten Komponisten Mohammad al-Qasabgi. Dazu erlernt sie das Spiel auf der
Ud-Laute beim Scheich Mahmud Rami. Ein guter Freund von ihr wird der Lautenspieler Amin al-Mahdi. Vgl.
Gsell, Stefanie, S. 26. Mohammad al-Qasabgi spielt bis zu seinem Tod die Laute im Ensemble von Umm
Kulthum. Vgl. Braune, Gabriele, S. 85.
Ebenfalls ist der Dichter und Zahnarzt Ahmed Sabri an-Nagridi mit seinen Liedtexten am Erfolg Umm
Kulthums beteiligt. Vgl. Gsell. Stefanie S. 25-28.
Das Takht setzt sich aus den Instrumenten Kanun (Trapezzither), Kamandscha (Spiessgeige), Ud (Kurzhalslaute), Nay (Längsflöte) und Rikk (Schellentrommel) zusammen. Vgl. Gsell, Stefanie, S. 150. Der Begriff Takht
aus dem Persischen heisst soviel wie 'Plattform', 'Podium', 'Trohn'. Vgl. Braune, Gabriele, S. 50.
Vgl. Gsell, Stefanie, S. 25-28.
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Ein weiteres Lied 'Ma li futinutu', 'Warum wurde ich von Deinem mörderischen Blick verzaubert' wird so beliebt, dass es die Bauern selbst bei der Feldarbeit singen. Umm Kulthum
singt von einem Liebesrausch, dessen Exaltiertheit in einer wahren Flut hoher Töne ertönt. 69
Das urbane Kairo wird für Umm Kulthum zum Nährboden ihrer Stimme. Schrittweise und
von Künstlern unterstützt fasst sie Fuss. Kontinuierlich assimiliert sie sich an die modernen
städtischen, sowie auch an die elitären Verhaltensweisen und Wertvorstellungen. Der ägyptische Autor Mohammed Abdel Aziz erzählt: "Die sie umgebenden Künstler haben ihr Talent
schnell erkannt. Von den Dichtern erhielt sie die schönsten Texte, die von den besten Musikern vertont wurden. Die Künstler nahmen Umm Kulthum in die Arme, so konnte sie ihr Werk
zur Welt bringen."70 Rasch erweitert Umm Kulthum ihr gesangliches, musikalisches und
sprachliches Repertoire. Dazu die Politologin Elham Manea: "Ich entdeckte den Wert ihrer
poetischen Texte, ihrer Sprache und der Musik. Umm Kulthum selbst zeigte grossen Respekt gegenüber der Kunst."71 Umm Kulthum schafft es zunehmend mit der Wahl ihrer Lieder und Texte einerseits der ägyptischen Tradition gerecht zu werden und anderseits den
modernen Zeitgeist zu treffen.72 Als weiterer Faktor beherrscht sie die Kunst, mit den Gefühlen ihrer Zuhörer zu spielen. Schliesslich wird sie den führenden Sängerinnen in Kairo eine
gefährliche Konkurrenz.
Die irakische Tänzerin Assale Ibrahim erzählt: "Umm Kulthum ist in einer Männergesellschaft aufgewachsen"73 Erst nach einer Weile hat sie mit den Frauen in Kairo Kontakt aufgenommen und dabei deren Stil in ihr eigenes nicht mehr verhülltes Frauenbild aufgenommen.
"Wenn jemand so talentiert ist wie Umm Kulthum, dann spielt es keine Rolle, ob die Person
ein Mann oder eine Frau ist. Die Intensität, die Schönheit, die Qualität, die guten Verbindungen und ihre Überzeugung führten zu ihrer Berühmtheit. Und sie liebte, was sie machte.
Wenn man liebt, was man macht, wird man erfolgreich."74
Die Zeit von zwanzig bis etwa fünfundvierzig Jahren beschreibt Erikson mit der einer
'geklärten' Identität, die eine tragfeste Beziehung erlaubt. Im gegenseitigen 'Sich - verlieren -'
und 'Sich - finden - können' liegt letztlich eine identitätsbildende und stabilisierende Kraft. 75
Was Erikson für die Partnerschaft auf der Beziehungsebene beschreibt, finde ich zunehmend in der Beziehung von Umm Kulthum und ihrem Publikum wieder. Beide Seiten brauchen einander, ja sie lieben sich und geraten immer wieder in Ekstase.76
69
70
71
72
73
74
75
76
Braune, Gabriele, S. 57-61.
Siehe auch gemeinsame Einleitung:
Verführerische Stimmwelten von Blersch Claudia, Böni Fabienne und Bellmont Eja.
Mohamed Abdel, Aziz: Interview.
Manea, Elham: Interview.
Vgl. Braune, Gabriele, S. 82.
Ibrahim, Assale: Interview.
Abdel Aziz, Mohamed: Interview.
Vgl. Erikson, Eric H., 2006.
Siehe gemeinsame Einleitung:
Verführerische Stimmwelten von Blersch Claudia, Böni Fabienne und Bellmont Eja.
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Wie kommt es, dass Umm Kulthum von ihrer Jugend gewohnt, so wenig weiblich wie
möglich zu erscheinen, Männer und Frauen jeden Alters verführt. Liegt hier nicht folgendes
Geheimnis: Das Publikum repräsentiert das Weibliche und das Männliche und Umm Kulthum
verbindet dies gleichermassen – veführerisch und berauschend – auf der Bühne.
Patriarchale Regeln der Geschlechterzuordnung, die auch im modernen Kairo wirksam
sind, überschreitet Umm Kulthum nicht auf rebellische Weise, sondern durch ihre Gesangsauftritte. 77 Kann es sein, dass Umm Kulthums Stimme in einem androgynen und göttlich erhöhendem Gewand, der Gesellschaft, wie auch der Regierungsfühung mehr dient, als
ihre realen emanzipatorischen Schritte als Frau? In dieser Zeit wächst in Umm Kulthum die
Vorstellung, die einzige 'Stimme in Ägypten' zu werden.
Umm Kulthum, das verhüllte muslimische Mädchen vom Lande, in Kairos Zeitgeist die
künstlerische und soziale Karriereleiter emporsteigend, patriarchale Strukturen mit einer
machtvollen Stimme überwindend und die Liebespoesie zur arabischen Kultur herbei singend, gewinnt mit ihrer bezaubernd kometenhaften Ausstrahlung ein wachsend begeistertes
Publikum. "Mythisches Denken ist nicht vergangen, sondern uns jederzeit eigen. Es gilt, das
mythische Denken in der Vergewisserung der Wirklichkeit neu zu gewinnen."78 Das Wissen
um die verloren gegangenen Wirklichkeiten aus dem Leben Umm Kulthums als Mädchen
und als junge Frau, ermöglichen ihren Mythos neu zu schaffen, von Unnötigem gesäubert,
vielleicht mit noch stärkerer Ausstrahlung auf unser Leben und die Gesellschaft; gleich des
Juwels.
Im den folgenden Kapiteln wird ersichtlich, auf welcher Basis sich der Mythos Umm
Kulthum weiter manifestiert, beginnend mit den bedeutenden Elementen der klassisch arabischen Musiktradition.
77
78
Munira al-Mahdiya, eine der Rivalinnen von Umm Kulthum, gutaussehend und westlich gekleidet, ist die erste
Ägypterin, die sich für die Abschaffung des Schleiers einsetzt. Braune, Gabriele, S. 18-19.
Jaspers, Karl zitiert nach Fries H.: Mythos, Mythologie, 1973, S.150.
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Die Poesie der Liebe im Dialog mit dem Kollektiven
These 3:
Als Medium für die 'Poesie der Liebe' wird Umm Kulthum zu einer kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Identifikations- und Projektionsfigur im gesamten arabischen Kulturraum.
Die Bewahrerin der arabischen Gesangs- und Musiktradition
«Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und
worüber zu schweigen unmöglich ist.»79
Die Vertonung metrischer Dichtung betrachten Araberinnen und Araber schon in der vorislamischer Zeit als ihre Musikform. 80 Seit dem sechsten Jahrhundert n. Chr. gelten unter
islamischem Einfluss unterschiedliche Regelungen in der Ausübung von Gesang und Musik.81 In Ländern strenger islamischer Gesetzgebung ist bis heute Gesang verboten, der dem
Genuss und nicht dem Religiösen gewidmet ist. 82 Im siebten Jahrhundert sichert schliesslich
Ali Ibn Abi Talib, vierter Kalif und Dichter, den Stellenwert der Wissenschaft und der Künste.83 Vom neunten bis dreizehnten Jahrhundert erfährt die arabische Musik mit zahlreichen
Mystikern, Philosophen und Musikern einen grossen Aufschwung, etwa in der Vertiefung der
Ethoslehre und mit der Entstehung einer theoretischen Grundlage. 84 Al-Ghazali beispielsweise betont die Wirkung der ins menschliche Herz eindringenden Musik: "Sie brächte ans
Licht, was sich im tiefsten Herzen befindet."85 Ein wesentliches Merkmal der arabischen Musik ist das 'Makam-Phänomen'. 86 Die verschiedenen Gattungen der Makams oder Modis sind
Gefühlen zugeschrieben, aber auch dem weiblichen oder männlichen Geschlecht: 'Rasr' wird
79
80
81
82
83
84
85
86
Victor Hugo (1802-1885).
Braune, Gabriele, S. 2.
In der Hauptsache orientiere ich mich an der Literatur von Gsell. Hinzugezogene Textstellen, wie auch Fussnotenstellen von Gsell, sind angegeben. Gsell, Stefanie, S. 135-155.
Lediglich die Koranrezitation und die täglichen Pflichtgebete sind erlaubt. Dabei entsteht eine Art akustisch
einhüllende, religiös geprägte Gesangsatmosphäre, erzeugt durch eine kunstvoll ausgeübte Artikulation und
einer Wiederholung der poetischen Texte.
Ali Ibn Abi Talib ist mit Fatima der Tochter des Propheten Mohammeds verheiratet. Aus der Anhängerschaft
Alis entwickelt sich die Schia Ali, die zweitgrösste Glaubensrichtung im Islam. Website.
Teilweise stammt sie aus der kulturellen Blütezeit Bagdads und 'al-Andalus'. Es seien hier nur Al-Kindi, AlFarabi, Al-lsfahani und Ishak al-Mausili, lbn Dschami, Ibrahim und Ishak al-Mausili, sowie Ziryab erwähnt. AlFarabi etwa erweiterte das von Al-Kindi begonnene wissenschaftliche Fundament. Ishak al-Mausili legte die
Genres der Tonarten und der Rhythmen fest. Die Ethoslehre beschreibt den Einfluss der Musik auf die Seelenstimmung des Menschen, verbunden mit dem Himmlischen und Göttlichen.
Gsell, Stefanie, S. 136.
Ähnlich beschreibt Platon die Wirkung der Musik: "Rhythmen und Töne dringen am Tiefsten in die Seele und
erschüttern sie am Gewaltigsten."
Das Makam ist ein musikalisches Konzept einer modalen Struktur, das improvisierend eingesetzt wird. Das
Können eines Musikers wird daran gemessen, wie in den verschiedenen Melodien die jeweilige Stimmung
herausgearbeitet wird und wie die Melodien miteinander kombiniert werden.
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mit Stolz, Macht, geistiger Gesundheit und Männlichkeit assoziiert, 'Bayati' mit Lebenskraft,
Freude und Weiblichkeit, 'Sikah' mit Liebe und 'Saba' mit Traurigkeit und Schmerz.87
Nach dem Zerfall des islamischen Reichs der Abbasiden im 16. Jh. verbleibt die Musiktradition dank dem Sufiorden im Umlauf.88 Sie leben eine ekstatische, tranceartige Musik,
verbunden mit religiösem Gesang und Tanz. Michel Poizat erklärt, dass sämtliche lyrische
Techniken, von der Polyphonie bis zum Singen der Sufisten das Ziel haben, den Gottesgenuss ausserhalb von Wort, Raum und Zeit zu erleben: "All das aus dem Wort, dem Signifikanten herauszulösen, was sie an das menschliche Wesen und insbesondere an dessen
profanen Sinn kettet, um schliesslich die unaussprechliche göttliche Transzendenz wiederzufinden."89 Der Gesang vermag sonach den sehnsüchtigen Menschen durch ein Loslösen
vom Irdischen universale Glücksgefühle verleihen.
Im 19. und 20. Jh. bereichern weitere Gelehrte die arabische Musik. 90 Die in dieser Zeit
aufkommende 'Nahda' führt auf die Entstehung eines politischen Bewusstseins in den arabischen Provinzen zurück und beinhaltet einen dualen Prozess des Strebens nach politischer
Emanzipation einerseits und kultureller Regeneration andererseits.91 Viele Araberinnen und
Araber besinnen sich wieder vermehrt auf traditionelle Kulturgüter, auch was ihre Vorliebe für
die Musik betrifft.92 So gelten koranrezitierende Scheichs als die einflussreichsten Sänger.
Scheich Abduh al-Hamuli ist einer der bekanntesten.93 Scheich Abu l-Ila Muhammad lässt
sich von ihm unterrichten und wird ein führender Sänger und Träger der arabischen Musiktradition. Umm Kulthum ist seine Schülerin. Er möchte sie zur Bewahrerin des klassisch
arabischen Liedes ausbilden. 94
Ein weiteres Merkmal der arabischen Musik ist das 'Taswir al-ma'na', wie es in der Koranrezitation verwendet wird. Es bezeichnet eine den Gefühlen zugeordnete Gesangsqualität: Vokalisch ausgelöste Stimuli der Traurigkeit ('Huzn'), verbunden mit Feinheit ('Rikka')
sollen Weinen ('Buka') auslösen. Dieses Weinen soll der Wahrheit und Schönheit antworten.
Ein Liedtext kann mit dem 'Taswir al-ma'na' bedeutungsvoller gestaltet werden. Dies führt zu
den Gefühlen von Freude und Ekstase, was die Araber als die Essenz von Musik empfinden.
87
88
89
90
91
92
93
94
Umm Kulthums Erfolgslied' Araka asiya dam i', 'Ich sehe Dich der Tränen trotzen' beruht auf dem BayatiMakam. Vgl. Braune, Gabriele, S.57.
Der Sufiorden ist ein Zweig des Islams.
Poizat, Michel: Teuflisch oder göttlich, Der lyrische Genuss, 2002, S. 222.
Ausgehend von Al-Farabis Grundlage, zergliedern Musiktheoretiker, voran der libanesische Mikha'il Mischaka,
die Oktave und beginnen mit der Aufzeichnung der Melodien. Die Oktave wird in vierundzwanzig gleich grosse Intervalle unterteilt. Das heutige Tonsystem besteht nun aus siebzig Tonleitern, den Makamreihen, die
wiederum aus sieben Makamgattungen zusammengesetzt werden.
Nahda wird auch als das Erwachen der arabischen Völker beschrieben.Mohammad Ali, Vizekönig von Ägypten und Khediven Isma'ils sind massgebend am Interesse des Dialogs mit dem Westen, die Entsendung von
Studenten nach Europa usw. beteiligt.
Es werden Kompilationen zu den traditionellen Gesangsgattungen mit Anleitungen für ihre Intonation mit passenden Makamat (pl. von Makam) erstellt.
Scheich Abduh al-Hamuli (1841-1901), Sänger, Komponist und Gründer einer Gesangsschule, singt religiöse
Lieder und komponiert auf der Makamat-Grundlage mit Texten der altarabischen Dichtung.
Bergmann, C., Neue Zürcher Zeitung, 2000.
Scheich Abu l-Ila Muhammad hat Umm Kulthum nach Kairo geführt.
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Manea spricht dieses Gefühl an: "Wenn ich Umm Kulthum höre, kann ich es nicht fassen, mit
Worten schildern, es geht mir unter die Haut. Auf Arabisch sagen wir diesem Gefühl 'alTarab'." Das Tarab beschreibt Machfus als "(...) den Paroxysmus der Aufregung, der Liebe
im Genuss der Schönheit."95 Umm Kulthum erklärt selbst einmal, Tarab wäre, wenn der Hörer die Musik fühlt.96 Auch Kafka hat die Verbindung von Hören und Fühlen mit 'Hören als
Fühlen' betont.97 Doris Kolesch meint hierzu: "Gehörtes lässt sich weit weniger beherrschen
als Gesehenes oder Ergriffenes. Eine Stimme wahrzunehmen, ist immer ein raumergreifendes, ja raumschaffendes akustisches Geschehen. Dabei werden Sprechende und Hörende
gleichermassen in einen affektiven Prozess involviert. (...) Hören steht – wie die Sexualität –
im Verdacht zu verführen und abhängig zu machen."98 Der Zuhörer ist demgemäss einerseits empfänglich für den verführerischen Gesang, und anderseits begibt er sich in ein wechselseitiges emotionales Verhältnis mit der singenden Person. Es ist die Fähigkeit des TarabKünstlers, musikalische Kompositionen neu zu interpretieren und die Melodien im direkten
emotionalen Austausch mit dem Publikum unendlich auszuschmücken. Auch nach Barthes
ist der Raum des Liedes affektiv.99 Es scheint, dass die intensive Beziehung zwischen Umm
Kulthum und dem Publikum eng mit dem Tarab-Erleben zusammenhängt.
Eine Besonderheit des Liedes liegt auch darin, dass es von der einen zur anderen Aufführung variieren soll. Die ideale Aufführung eines auf fünf Minuten komponierten Liedes
kann so zwanzig bis dreissig Minuten dauern. Nach den klassischen Regeln muss nicht nur
der Mund- und Halsbereich, sondern auch der Oberkörper bis tief in den Bauch mitsingen. 100
Geliebt wird auch die 'Bahha', eine Art Heiserkeit. Die schönste 'Bahha' ist erreicht, wenn die
Stimme auf dem höchsten Ton bricht. Während der musikalischen Darbietung steht die Sängerin oder der Sänger im Mittelpunkt und behält nach dem 'Turath'-Konzept die Führungsrolle.101 Das typisch traditionelle Begleitensemble 'Takht' ist im Laufe der Zeit unter Einbezug
westlicher Instrumentalisten zu einer orchesterartigen Besetzung erweitert worden, wie das
auch Umm Kulthum bei ansteigender Karriere in Kairo verwirklicht hat. 102
95
96
97
98
99
100
101
102
Ein Paroxysmus ist eine Folge von sich steigernden Ausbrüchen. Website.
Vgl. Gsell, Stefanie, S. 388, Fussnote 47.
Kolesch begründet es mit der nahen Verbindung von Haut und Ohr, die sich bereits im Mutterbauch entwickelt: "Nur wenige Tage nach der Befruchtung einer weiblichen Eizelle beginnt der Fötus (...), die Organe des
Ohres aus der gleichen Zellschicht zu bilden, aus der er auch seine Haut bildet. Sie beschreibt das Hören als
eine gerichtete Aktivität. Erklingt ein Ton, richten sich zugleich etwa 30'000 Haarzellen im Hörorgan auf; ähnlich den Menschen, die sich aufrichten, um besser hören zu können.
Kolesch, Doris: Die Spur der Stimme, 2003, S. 272-273.
Barthes, Roland: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn,1990, S. 289.
Bergmann C.: Schauplatz Ägypten, Neue Zürcher Zeitung, 2000.
Das kulturelle Erbe wird 'Turath', bzw. 'Turath-Konzept' genannt. Vgl. Gsell, Stefanie, S. 145.
Die Streichinstrumente sind beliebt. Die Geige ist mit der Ankunft Napoleonseingeführt worden. Vgl. ebd. S.
190, Fussnote 55.
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Eja Bellmont · Juni 2006
Die Bewahrerin des Turath-Erbes
«Zu kleiner Orchestrierung (Streicher, Gesang und Ud) sang
sie ihre Gedichte und Lieder von seltener Qualität. Zugleich
gefühlvoll und verhalten, verspielt und reserviert.»103
Umm Kulthums Aufenthalt in Kairo ab 1923 ist geprägt von einem Klima grosser politisch wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Veränderung in Ägypten und im gesamten arabischen Raum. Zu ihrer Gesangskunst selbst lasse ich in erster Linie die interviewten Personen sprechen: "Umm Kulthum wurde von ihrem Vater (...) in der Rezitation des Korans geschult. Dabei lernte sie jeden Buchstaben klar und deutlich ausdrücken. Zudem beherrschte
sie die zirkuläre Atmung."104 "Jeden Buchstaben ihrer Lieder kannst du hören!"105 Umm
Kulthum kreiert ihren eigenen Stil in Zusammenarbeit mit sorgfältig ausgewählten Komponisten.106 Sie hat wie alle Sänger eine Führungsrolle gegenüber den Musikern und dem Publikum.107 Ihr Gesang erfüllt den Raum abwechselnd zwischen modaler Ordnung und Eigenschöpfung. "Ihr Trick war, dass sie die Melodiesequenzen nicht wie üblich viermal, sondern
dreimal wiederholte. Daraus entstand eine Spannung: Sie sang den ersten Teil, wiederholte
diesen mit kleinen Phrasierungen, um ihn dann noch einmal mit stärkerer Phrasierung zu
singen."108 "Das moderne 'lange Lied' war ein Phänomen. (...) Es war ihr sozusagen auf den
103
104
105
106
107
108
Akchoté, Noël, 2003.
Salah Eddine, Haissam: Interview.
Seif, Khaled: Interview.
Muhammad al-Kasabgi, Zakariya Ahmad (1896-1961) und Riyad as-Sunbati (1906-1981).
Ausserhalb der Bühne nimmt Umm Kulthum ebenfalls eine exklusive Haltung ein. "Sie ging nicht immer fair
und manchmal auch geizig mit ihren Musikern um.", äussert sich die Politologin Manea und Musiker Haissam:
"Ein Dichter hat einmal ein Lied getextet (Die Liebe ist zerronnen, durch den Trennungsschmerz ist jeder Tag
wie ein Jahr). Umm Kulthum war sich gewohnt, von den Dichtern die Texte geschenkt zu bekommen. Er aber
erwiderte: 'Du schläfst auf einem goldenen Bett. Ich aber muss mein Brot mit meinen Gedichten verdienen.'
Als schliesslich Umm Kulthum sein Lied sang, musste sie vor Rührung weinen, da der Text so stimmungsvoll
und lebensnah war." Abdel Aziz: " Wenn sie sich beispielsweise mit Ehrgeiz durchsetzte, hat das sicher gewisse Leute gestört. Am ehesten die, welche neidisch auf ihren Erfolg waren. Jeder Mensch hat seine negativen Seiten, so sicher auch Umm Kulthum. Ich betrachte das aber nicht als negativ. "
Salah Eddine, Haissam: Interview.
Phrasierung bezeichnet die Behandlung und Beziehung verschiedener Töne innerhalb einer musikalischen
Phrase hinsichtlich verschiedener Aspekte wie zum Beispiel Lautstärke und Rhythmik. Website.
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Leib geschneidert."109 Sie singt keine Stimmlinie zweimal. Jede ihrer Aufführung gilt als einzigartig. Umm Kulthum bringt dem Publikum die Gefühle des 'Taswir al-ma'na' eindringlich
nahe. 110 Rami, der Dichter schwärmt vom 'Bahha' als das Schönste im Gesang Umm
Kulthums. 111 "Nachdem Umm Kulthum zur künstlerischen Spitze vorgedrungen ist, werden
ihre Aufführungen für gewöhnlich von drei bis vier 'Applausorkanen' des Publikums unterbrochen."112 Anfangs der 30er Jahre steht die arabische Musik an einem Wendepunkt und 1932
wird unter der Schirmherrschaft von König Fu'ad zum ersten Mal ein Kongress für arabische
Musik abgehalten. 113 Es treffen sich in Kairo Musikwissenschaftler, Orientalisten, Folkloristen
und europäische Komponisten mit ihren arabischen Kollegen. 114 Es kristallisieren sich zwei
Pole heraus, Umm Kulthum als Traditionalistin und Abd al-Wahhab als Hauptvertreter der
Modernisten. 115 Beide wirken als künstlerische Leitfiguren. Lange Zeit liegen sie im Wettstreit. In den 50er Jahren kommt es in der Zusammenarbeit von Umm Kulthum mit jüngeren
Komponisten vermehrt zu tänzerischen Kompositionen, teilweise auch mit lateinamerikanischen und europäischen Einflüssen.116
Als 1964 endlich die Zusammenarbeit von Umm Kulthum und Abd el-Wahhab entsteht,
ist es eine kulturpolitische Sensation. Der Höhepunkt ihrer Modernität ist erreicht, was beiden
auch Kritik einbringt.117 Umm Kulthums Rang als wichtigste arabische Stimme des 20. Jahrhunderts bleibt davon jedoch unberührt. Eines der bekanntesten Lieder dieser Zusammenarbeit ist 'Inta Omri', 'Du bist mein Leben'. 118
Es zeigt sich hier, dass die musikalische Entwicklung Ägyptens immer auch ein wenig
panarabische Musikgeschichte ist!119
Auf die Frage, was berührt Sie am meisten bei Umm Kulthum, Gesang, Poesie oder
Musik, antwortet Manea: "Ich mag am liebsten ihre Poesie und Musik. Nicht wegen der
Stimme."120 Und Abdel Aziz: "Alle drei zusammen, Stimme, Musik und Poesie sind optimal
aufeinander abgestimmt. Die Lieder sind so harmonisch, dass sie weiter bestehen werden."121 – Was fasziniert an poetischen Liedtexten, die der Liebe gewidmet sind?
109
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121
Langrange, Frederic, S. 127.
Vgl. Gsell, Stefanie, S. 190, Fussnote 31.
Etwa im Lied 'Zu Deiner Zufriedenheit' Bi-Ridak' oder 'Die Ruinen', Al-Atlal'. Vgl. ebd. S. 189, Fussnote 36.
Gsell, Stefanie, S. 189, Fussnote 43.
König Fu'ad regiert von 1922-1936. Mohammad Ali (1805-1948) führt die europäische Militärmusik ein, Khediven Isma'il eröffnet die Kairoer Oper 1869. Vgl. ebd. S.169 Fussnote 38.
Sie wollen die arabische Musik erfassen, festhalten und deren Weiterentwicklung planen.
Langrange, Frederic, S. 122-122.
Einer der Komponisten ist Baligh Hamidi.
Vgl. Gsell, Stefanie, S. 190-191, Fussnote 60 und 61. Langrange, Frederic, S. 130.
Siehe Liedtext und CD im Anhang.
Volker, Michael: Die Zergliederung von Raum und Zeit, taz, 2000.
"Die früh verstorbene Sängerin Asmahan hatte eine wunderschöne paradiesische Stimme." Manea, Elham:
Interview.
Abdel Aziz, Mohamed: Interview.
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Die Botschafterin der Liebe
Die romantische Liebe
«Jemanden feurig, glühend, heimlich, innig, zärtlich, leidenschaftlich,
heiss, abgöttisch, hemmungslos, eifersüchtig, (un)glücklich, wahnsinnig,
von ganzem Herzen lieben.»122
Was bringt uns dazu, uns mit einer singenden Stimme der Liebeslyrik zu identifizieren? Was ist Liebe? Ist Liebe ein fassbares, ein unbegreifliches Phänomen oder ein Konstrukt? Ein Ganzes oder ein Fragment? Günther Burkart äussert sich hierzu: "Liebe galt lange Zeit als Unbegriff, als alltagssprachliches Konstrukt ohne klare soziale Dimensionierung
und wissenschaftliche Kontur."123 Roland Barthes entwirft in 'Fragmente einer Sprache der
Liebe' eine Art Topik des Liebeslebens. Fragmente von 'Abhängigkeit' bis 'Zugrundegehen'
konstruiert er in Einbeziehung namhafter Autoren, um das Phänomen Liebe neu zu rekonstruieren. 124 Die Liebe ist über alle Kontinente bedeutungsvoll, im individuellen, wie auch im
öffentlich politischen Raum und sie ist stets im Wandel begriffen. In der Postmoderne und
auch in der Popkultur ist das Phänomen der Liebe ein begehrtes Sujet und präsentiert sich in
schillernden Farben, sei es als Motor für den Kommerz, in der Musikproduktion, in den Medien oder in unseren Träumen. Die romantische Liebe, wenngleich eine Utopie oder Metapher, ist verführerisch und unsterblich. Für Barthes ist sie historisch ungreifbar, taucht auf,
verschwindet, beugt sich einmal den Bestimmungen der Geschichte und widersetzt sich ihnen ein andermal. 125 Unbeirrt dessen lassen wir das romantische Lied in uns erklingen. Barthes begründet es mit der menschlichen Sehnsucht nach dem unwiderruflichen Abwesenden:
«Welcher Körper singt nun das Lied? Was singt mir, der ich höre, in meinem Körper das Lied? Alles, was in mir widerhallt, mir Angst macht oder
mein Begehren erweckt. Ganz gleich woher diese Verwundung oder diese
Lust kommt: für den Verliebten wie für das Kind singt der romantische Gesang immer die Erschütterung des verlorenen, verlassenen Subjekts.»126
Das romantische Herz ist der Brennpunkt unseres Körpers. Es ist ein starkes Organ, in
dem sich Begehren, Zärtlichkeit, das Verlangen nach Liebe und Wolllust heftig vermi-
122
123
124
125
126
Der Grosse Duden: Stilwörterbuch der deutschen Sprache, 1989, S. 449.
Burkart, Günther: Auf dem Weg zu einer Soziologie der Liebe, 1998, S. 27.
Seine 'Philosophie der Liebe' stützt sich auf die Lektüre Goethes 'Die Leiden des jungen Werther' und gewinnt
mit den Autoren wie Nietzsche, Plato und Tao Te King eine Vielschichtigkeit, die der Komplexität der Liebe
entspricht. Roland Barthes: Fragmente einer Sprache der Liebe, 1988.
Vgl. Barthes, Roland,1990, S. 290
Ebd. S. 288.
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schen. 127 Ist es nicht faszinierend, wenn eine Stimme der Liebe in mich dringt, mich einnimmt? Klingt das Lied über Stimme und Wort gefühlsmässig an, identifiziere ich mich mit
ihm. Dann ist es unwesentlich, ob ich mich in der Liebeslyrik, in der singenden oder der besungenen Person finden kann, oder ob die Stimme weiblich oder männlich ist. Es scheint,
dass das Publikum die gefühlsstarke und voluminöse Stimme Umm Kulthums und deren
Worte ungehindert in sich 'einziehen' kann. Zeitlos, universal und geschlechtsneutral beschreibt die Sopranistin Jessye Norman die Liebe: "Ich finde, dass Liebe und Verlust universale Gefühle sind, die weder von der Zeit noch vom Geschlecht abhängen. Texte aus der
griechischen Antike haben eine ganz ähnliche emotionale Tiefe wie Texte, die heute geschrieben werden."128
Zu den Liebesworten 'Ich liebe Dich' meint Barthes: "Wessen Lippen sich kein ich-liebedich entlocken lässt, ist dazu verurteilt, die multiplen, unsicheren, zweifelhaften, kargen Zeichen der Liebe auszusenden, ihre Indizes, ihre 'Beweise': Gesten, Blicke, Seufzer (...) er
muss sich deuten lassen; er wird von der reaktiven Instanz der Liebeszeichen beherrscht, ist
der dienstbaren Welt der Sprache eben darin entfremdet, dass er nicht alles sagt. "129
Die romantische Liebe in der arabischen Kultur
Michael Lüders schreibt: "Aus hunderten geöffneter Fenstern hört man am Ruhetag in
Kairo 'Ana behibbak awwi awwi' von aus den fünfziger und sechziger Jahren abstammenden
ägyptischen Spielfilmen, was soviel bedeutet wie 'Ich liebe Dich'." Die arabische Sprache
allein ist schon sinnlich und poetisch: "Man kann wunderbar flirten, weil der Poesie auch im
Alltag kein Grenzen gesetzt sind. Wie etwa: 'Sie sei eine Verheissung des Paradieses, ihre
Augen mit Mandeln vergleichen, in ihrer Anmut die Grazie einer Gazelle entdecken.' 130 Das
Arabische kennt über einhundert verschiedene Wörter für die Liebe, für ihre Spielarten und
Seelenzustände. Diese Tatsache ist für Rüdiger Lohlker allein schon Ausdruck für eine Kultur des Islam, die sich der Toleranz verschreibt. 131 Nagib Machfus erzählt im Roman 'Zuckergässchen': "Es war klar, dass das Getuschel der Mädchen sie dazu gebracht hatte, verschämt das Gesicht zu verbergen. Was konnte sonst dahinter stecken? Vielleicht hatten seine Augen wie in Umm Kulthums Lied 'flammende Liebe enthüllt'? War er zuweit gegangen?
(...) Er wartete darauf, dass sie sich umdrehte (...)."132
Die Bevölkerung erlebt in der arabischen Dichtung, die der Lyrik verschrieben ist, eine
Individualität, die ihr kollektives Bewusstsein und ihre Identität mitprägt. Es ist eine sinnliche,
auch tränenreiche Romantik, die die Verherrlichung der Schönheit beflügelt. Die arabische
127
128
129
130
131
132
Vgl. Barthes, Roland,1990, S. 288-289.
Kreye, Andrin: Oper erklärt das Leben, Das Magazin, 2006, Seite 30.
Roland Barthes, 1988, S.144.
Lüders, Michael: Im Herzen Arabiens, Stolz und Leidenschaft, 2004, S. 16-17.
Vgl. Lohlker, Rüdiger, Liebe und Religion, Institut für Orientalistik, Website.
Machfus Nagib: Zuckergässchen, Kairo-Trilogie III, 1996, S. 340.
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Romantik verkörpert die arabische Gesellschaft und ist die Fortsetzung ihrer Tradition. Sie
hat sich aus der Tiefe ihrer Seelenqual in die Inbrunst der Leidenschaft erhoben und ruft zur
Revolte der Gefühle und zum Erwachen aus der Lethargie. Dies im Unterschied zur europäischen Romantik, die einen allumfassenden Befreiungsanspruch erhebt. Der arabische Romantizismus ist das Produkt einer Gesellschaft, die einen Ersatz für ihre Wirklichkeit sucht, in
der das Individuum Fragen nach der Gültigkeit und Bedeutung traditioneller Werte stellt. 133
Die ägyptische Liebesgöttin des 20 Jahrhunderts
In der frühen ägyptischen Mythologie ist die Liebesgöttin Hathor die Göttin der Musik
und des Tanzes und galt als die Beschützerin des Nil und des weiblichen Wesens - eine
Muttergöttin. 134 Verblüffend ähnlich präsentiert sich Umm Kulthum im 20. Jahrhundert. So
wird auch sie mit Metaphern von Pyramide und Nils belegt, und sie besingt den Nil. Die
meisten ihrer nahezu 300 Lieder handeln von der Liebe. 135 "Umm Kulthum sang so gefühlvoll
von Liebe und Leid, dass viele Zuhörer im Saal oder zu Hause in Tränen ausbrachen."136
schreibt Jehan Sadat und Stimmen aus den Interviews ergänzen: "Umm Kulthum bedeutet
für mich Liebe. Als ich verliebt war, hörte ich viel Umm Kulthum. Sie singt von allen Facetten
der Liebe, von den guten und schlechten Zeiten. (...) Wenn ich meiner Frau etwas Liebes
sage kommen mir Worte von Umm Kulthum in den Sinn, die ich dann ins Deutsch übersetzt
meiner Frau sage."137
"Die ganze Liebe' und 'Liebesnacht' sind meine Lieblingslieder. Umm Kulthum ist wie ein
antiker, vertrauter Balsam. Ist man traurig, genügt es, ihre Lieder zu hören und man kommt
wieder in Form und gewinnt neue Lebenslust. Ich fühle mich mit Umm Kulthum seelisch verbunden, obwohl ich sie nicht näher gekannt habe."138
"Als Kind wirkten die Lieder auf uns langweilig und altmodisch. Je älter ich wurde, desto
mehr lernte ich Umm Kulthum lieben und schätzen. Ich entdeckte den Wert ihrer poetischen
Texte, ihrer Sprache und der Musik. Meine sechsjährige Tochter tanzt manchmal mit mir
dazu. Meine Mutter nahm sich jeden Tag Zeit für sich. Mit einem grossen Topf Tee und einem Radiorecorder sass sie jeweils im Haus oder im Garten und hörte ein Lied von Umm
Kulthum, eine Kassette lang. Dabei wollte sie ungestört sein. Mein Vater stammt vom Je-
133
134
135
136
137
138
Vgl. Braune, Gabriele, S. 127.
Vgl. Bellinger, Gerhard J., S. 177.
Die bekanntesten Lieder im ägyptisch-arabischen Dialekt sind 'Inta Omri', 'Ugniyat' und 'Amal Hayati'. Die
Texte stammen von Ahmad Safiq Kamil und vom Komponisten Muhammad Abd al-Wahhab.
Über 130 stammen vom Dichter Ahmed Rami. Vgl. Leutloff, Jens: Hamburgische Orientblätter, Universität
Hamburg, 2004, Website.
Sadat, Jehan: Ich bin eine Frau aus Ägypten, 1989, S. 43.
Seif, Khaled: Interview.
Abdel Aziz, Mohamed: Interview.
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men. Er hörte am liebsten die beiden Lieder: 'Inta Omri' und 'El-Hobb Keda', 'Die Liebe ist
so'. 'El-Hobb Keda' rührte ihn jeweils zu Tränen."139
"Sogar die Lieder im Hocharabisch lernten die Leute auswendig."140
"Die Jungen heute hören Umm Kulthum eher nicht – erst wenn sie verliebt sind." 141
Es lässt sich sagen, dass, je mehr Identifikationspotential die Stimme trägt bzw. enthält,
desto mehr kann sie über das Individuum hinaus eine Gruppe oder ein ganzes Volk sowohl
erfassen, als auch verbinden. Die Stimme ist nicht nur Verführerin, sondern auch Führerin.
Erikson beschreibt die Zeit von fünfundvierzig und fünfundfünfzig Jahren mit dem Bedürfnis, Werte für die kommende Generationen zu schaffen, weiterzugeben und abzusichern,
sei es als Eltern oder sonst in einer Form, die dieses Ziel vor Augen hat. 142 Bei Umm
Kulthum ist es mehr als nur ihr Liedgut, das sie weiterträgt. Umm Kulthum trifft das Innerste
von Frauen und Männern mit der seelenvollen Intensität, die sie den Textgehalten verleiht,
und indem sie die Komponisten und Dichter einbindet. Sie modernisiert die traditionelle arabische Musik behutsam und verschafft dem Publikum intensiven lyrischen und musikalischen
Genuss. Sie erlaubt Ägypterinnen und Ägyptern, sich mit ihr zu identifizieren.
Umm Kulthum, selbst ein Mythos, verzaubert die Zuhörer, versetzt sie gar in einen mythischen Zustand. Barthes beleuchtet ein solch sinnliches Erleben: "Ein ganzes Bündel von
Wahrnehmungen bringt plötzlich einen verführerisch blendenden Eindruck hervor (Blenden
heisst im Grenzfall Verhinderung von Sehen, von Sprechen). (...) Über einem nächtlichen
Eindruck erwache ich sanft von einem glücklichen Gedanken gewiegt: "X ... war gestern Abend anbetungswürdig." Eine Erinnerung woran? An das, was die Griechen 'charis' nannten:
"Das Leuchten der Augen, die schimmernden Schönheit des Körpers, das Strahlen des begehrenswerten Wesens."143
Vielleicht meint er ein Blenden gleich des Juwels. 144
Zum Mythos Umm Kulthum sehe ich eine interessante Übereinstimmungen mit dem historischen Mythos der Liebesgöttin Hathor. Die Geschichte von Hathor gehört in der überlieferten Erzählung zum verinnerlichten Volksgut Ägyptens und könnte so ein günstiger Nährboden zur Bildung eines neuen Mythos gewesen sein.
Michael Lüders erzählt über ein Kinoerlebnis mit Hoda in Kairo: "Anfangs liess Hoda den
Sitz zwischen uns frei, aber am zweiten Tag fanden wir uns nebeneinander wieder. Sahen
Filme mit Umm Kulthum, der grossen ägyptischen Diva (...)"145
139
140
141
142
143
144
145
Manea, Elham: Interview.
Ibrahim, Assale: Interview.
Manea, Elham: Interview.
Vgl. Erikson, Eric H., 2006.
Barthes, Roland, Fragmente einer Sprache der Liebe, 1988, S. 37-38.
Siehe Geburtslegende
Lüders, Michael: S. 56
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Der Liebling der Medien
«In der Tat erklären Mythen nicht nur, sie bewältigen auch.»146
Der mediale Träger, die Schallplatte, soll den Ägypterinnen und Ägyptern mit einem
neuen Kulturstil, in der Bewältigung ihrer Geschichte eine eigene Identität verschaffen. 147
Umm Kulthums Gesang auf der ersten Plattenaufnahme 1924 erfüllt dieses Anliegen und
beschleunigt ihren Durchbruch. 148 Anfangs der 30er Jahre etabliert sie sich unter den führenden Sängerinnen. Sie managt sich nun selbst. Die neu komponierten, populär romantischen Lieder sind virtuos und entsprechen ihrer frisch geschulten und starken Stimme. 149
Während der Wirtschaftskrise anfangs der 30er Jahre geht die Anzahl Konzertbesucher
zurück. Und Umm Kulthum ist erst ungefähr dreissig Jahre alt, als ihr Vater stirbt. Trotz der
Rückschläge ist es für sie die musikalisch schaffensreichste Zeit. Die Presse rühmt Umm
Kulthum aus dem Munde eines namhaften Komponisten, worauf die negativen Artikel verschwinden. 1934 wird das Nationale Ägyptische Radio 'Saut al-Kahira' eingeweiht. An der
Eröffnungsfeier singt Umm Kulthum und ab 1937 hält sie über den Sender während der
Sommersaison mit jeweils einem neuen Lied jeden ersten Donnerstag im Monat ein Konzert.150 Aber der Zugang zum Radio war nicht problemlos: Erst als Umm Kulthum erfährt,
dass Muhammad Abd al-Wahhab eingewilligt hat, unterschreibt sie den Vertrag. 151 Dieser
Anlass bedeutet für die meisten Ägypter, in den folgenden Jahren im Freundeskreise einige
Stunden vor dem Radio zu verbringen.152 "Es waren jene Momente, zu denen sich eine
wachsende Menge in allen arabischen Ländern vor den Radios versammeln, um dieser
Stimme teilhaftig zu werden, die auf neue Art ihnen so wunderbar von den arabischen Wurzeln berichtet.153
"Am ersten Donnerstag des Monats machten wir es jeweils wie Millionen andere Ägypter
und viele Menschen in der ganzen arabischern Welt. Wir versammelten uns in Port Said, in
Kairo oder wo immer wir uns gerade aufhielten um unser Batterieradio und lauschten dem
146
147
148
149
150
151
152
153
Berding, Helmut: Mythos und Nation, 1996, S. 18.
Vgl. Braune, Gabriele, S.26.
Als früheste erhaltene Schallplatten-Aufnahme von 1924/1925 gilt die Kasida 'Ma li funtint' - 'Warum wurde ich
verzaubert'. Vgl. Gsell, Stefanie, S. 28.
Die erste produzierte Kasida heisst 'As-Sabbu tafdahahu uyunahu', 'Seine Augen spiegeln die glühende Liebe
wieder'. Der Text stammt von Ahmed Rami. Vgl. Braune, Gabriele, S.52.
Diese Lieder entstehen in Zusammenarbeit mit dem Dichter Ahmad Rami und dem Komponisten Muhammad
al-Kasabgi. Al-Kasabgi lässt auch westliche Instrumente (Cello und Contrabass) und die europäische Harmonie in die Kompositionen einfliessen.
Vgl. Gsell, Stefanie, S. 29-30.
Sie will mit Abd al-Wahhab nicht ins Hintertreffen kommen. Vgl. ebd. S.169 Fussnote 39.
Von klein auf an die direkte Reaktion eines Publikums gewöhnt, bekommt sie bei ihrer ersten Studioaufnahmen Schwierigkeiten. Der Dichter Rami mimt ihr den begeisterten Zuhörer nach. Das ersetzt ihr aber nicht
das weit über tausendköpfige Publikum, seinen Zwischenrufen, Forderungen, Kommentaren und seinem Applaus. Vgl. ebd. S. 172, Fussnote 2.
Diese Nacht wird auch die 'Umm Kulthum-Nacht' genannt.
Vgl. Braune, Gabriele, S. 80.
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allmonatlichen Live-Konzert von Umm Kulthum. So war es auch mit Umm Kulthums Konzerten, zu denen ihre treuen Anhänger aus der ganzen arabischen Welt nach Kairo strömten.
Von libanesischen Geschäftsleuten bis zu Scheichs aus Kuwait und Saudi-Arabien kamen
sie allmonatlich per Flugzeug, nur um diese Frau singen zu hören."154
"Als Kind liebte ich diesen Donnerstagabend, als Umm
Kulthum am Radio sang. Die Leute sassen in Gruppen vor den
Radiogeräten und hörten manchmal bis in den Morgen hinein
ihre Stimme. An diesen Abenden waren alle Strassen frei und
wir konnten Fussballspielen."155 "Früher hörte man Umm
Kulthum am Donnerstag um 17 Uhr am Radio, ab 1983 sogar
jeden Tag. Heute gibt es einen speziellen ägyptischen Sender
'Umm Kulthum', der ihre Lieder ausstrahlt."156 Die DonnerstagÜbertragung wird zu einem Hauptereignis der ägyptischen
Volkskultur und dauert 36 Jahre. 157
Al-Bissati schreibt zu seiner Romanfigur Saadja: "Ein kleines Radio mit Kopfhörer hatte sie dabei. Die Lieder von Umm
Kulthum und Abd-al Halim Hafis liebte sie. Ihre Augen waren
auf ein Stück leuchtendweisse Wolke gerichtet, die leicht dahinflog."158 Im Roman 'Der Honig' berichtet die Autorin Zeina B. Ghandour von einem Mädchen:
"Sie dachte an Umm Kulthum, die ägyptische Diva, deren Gesang die Macht besass, eine
ganze Nation verstummen zu lassen. (...) Ruhiyas Grossmutter hatte ihr erzählt, dass selbst
in Jerusalem ganze Stadtviertel still wurden, wenn Umm Kulthum im Radio kam, von Ras alAmud bis zum orthodoxen Viertel in der Altstadt, alte Männer sassen da und lauschten ihren
Balladen, während sie nachdenklich ihre Schnurrbärte zwirbelten und ihre Wasserpfeifen
drehten. Sie erzählte Ruhiya, dass jedermann verträumt die Augen schloss, wenn ihre Lieder
erklangen, in den Wechselstuben und Friseurläden der Salaheddin-Strasse ebenso wie in
den Universitäten von Bethlehem und Birzeit. Und dass es nie Ärger mit den Soldaten gab,
wenn Umm Kulthum sang. Denn ihre Lieder kamen aus dem Herzen. 159
Im Jahre 1936 kommt Umm Kulthums erster Musikfilm 'Widad' auf die Leinwand. Er wird
ein Riesenerfolg und im internationalen Filmfestival in Venedig vorgeführt. Weitere Filmrollen
folgen, in den traditionellen spielt Umm Kulthum meist eine Gesangssklavin, in den
zeitgemässen die einer modernen Frau. 160 Als 1942 der Musikfilm 'Aida' ins Kino kommt,
154
155
156
157
158
159
Sadat, Jehan, S. 43.
Abdel Aziz, Mohamed: Interview.
Seif, Khaled: Interview.
Vgl. Gsell, Stefanie, S. 28-31.
Al-Bissati, Muhammad: Häuser hinter den Bäumen, 2005, S. 71.
Ghandour B. Zeina: Der Honig, 2004.
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mässen die einer modernen Frau. 160 Als 1942 der Musikfilm 'Aida' ins Kino kommt, missfällt
er dem sonst begeisterten Publikum angesichts des unromantischen Ausklangs, den europäischen Opernpassagen und der schwarz geschminkten Umm Kulthum.
Umm Kulthum blüht in ihrer Gesangskarriere auf. Ist es Zufall, dass der Vater in dieser
Zeit stirbt? Hat er die Gewissheit, dass Umm Kulthum am höchsten Ziel angekommen ist, die
Prophezeiung des Traums sich erfüllt hat und er sich zur Ruhe legen kann? Scheich Ibrahim
al-Batagi stirbt als Vater der umworbendsten Sängerin in Kairo. Der Scheich vom Dorf hat
ein aufregendes Leben mit zahlreichen Veränderungen durchlebt. So allein schon der Wechsel von der Provinz in die Stadt und von der Armut zum Reichtum, verbunden mit einem Aufstieg in eine höhere Gesellschaftsschicht.
Die modernen Medien des Westens treffen auf Interesse im kulturellen Zentrum von Kairo. Sie fallen Umm Kulthum direkt in den Schoss. Ihre Stimme der Poesie, inszeniert und
reproduziert, kann nun beliebig vervielfältigt werden. Umm Kulthum muss den Verlust der
Einzigartigkeit ihrer Live-Konzerte in Kauf nehmen. Dafür sind die Medien in ihrem Sendungs- und Wirkungsfeld gewaltige Multiplikatoren. So erreicht Umm Kulthums Stimme weitere Kreise, wie etwa die ländliche ärmere Bevölkerungsschicht, die ferne von einem Konzertbesuch stehen. Kostet ein Billett für ein Live-Konzert im Jahr 1965 immerhin 800 Dollar,
erwähnt der Musiker Haissam. 161 Mit der Stimme, dem Bild und dem Ton können Wissen
und Erinnerungen auf materielle Gedächtnisträger ausgelagert werden. Diese gehören laut
Aleida und Jan Assmann zu den Grundmedien einer kultureller Bedeutungs- und Wahrnehmungsproduktion. In sie gehen Techniken und Materialitäten ein, die sie ebenso begründen
wie ermöglichen. Dadurch werden sie allgemein zugänglich. Das kulturelle Gedächtnis erhält
so einen erweiterten Horizont. 162
Der Musikfilm zum Beispiel avanciert rasch zum beliebtesten Medium, das wie die vorangegangenen die arabische Welt von Kairo aus erobert. 163 Ohne schauspielerisches Talent
dehnt sich Umm Kulthums Stimme über das visuelle Medium aus. Dabei setzt Umm Kulthum
repräsentative Zeichen, welche die Tradition darstellen und gleichzeitig ein modernes Denken vermitteln. Mit der filmischen Inszenierung verkörpert sie vertraute Frauenbilder, welche
eine neue Identifikationsmöglichkeit von Rollenmustern erlauben. Dass ’Aida’ nicht zu einem
Publikumsliebling wird, lässt sich mit der fehlenden Identifikation erklären. Gleich drei fremde
160
161
163
Vgl. Gsell, Stefanie, S. 34. Kurzbeschreibung der Musikfilme im Anhang.
Salah Eddine, Haissam: Interview.
A.und J. Assmann prägten die beiden Begriffe 'kommunikatives' und 'kulturelles Gedächtnis' unserer Gesellschaft. Das kommunikative Gedächtnis umfasst 80 bis 100 Jahre, also drei miteinander lebende Generationen, die eine Erzähl- und Erinnerungsgemeinschaft bilden, während das kulturelle Gedächtnis weiterreicht.
Nach den ersten Stumm- und Tonfilmen etabliert sich der Musikfilm. Muhammad Abd al-Wahhab hat 1933
Premiere mit 'al-Warda al-bayda', 'die weisse Rose' und damit durchschlagenden Erfolg. Ägyptens Einfluss
als kulturelles Zentrum des Films, der Literatur etc. ist über die arabische Welt hinaus bekannt. Das 'Cairo International Film Festival' findet seit der Eröffnung 1976 jährlich statt. Vgl. Gsell, Stefanie, S.38. und Website.
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Komponenten sind in diesem Film zu finden. Wie könnte man sich nur mit einer schwarz
geschminkten Umm Kulthum identifizieren? Dieses Fremde kann nicht in das klar definierte
Bild von Umm Kulthum aufgenommen werden. Diese Filmkritik kann ihrem Ruhm nichts
mehr anhaben.
Als grösstes mediales Ereignis gelten die grenzüberschreitenden und beliebten Donnerstag-Livekonzerte am Radio. "Umm Kulthum hat es über das Kurzwellenprogramm von
Radio Kairo, in dem sie jeden ersten Donnerstag des Monats eine fünfstündige Sendung
bestritt, zu einer der wichtigsten Integrationsfiguren der arabischen Welt gebracht, was man
im Westen kaum verstanden hat."164
"Das Mädchen aus dem Nildelta ist die reichste Frau der arabischen Welt geworden."165
Frederic Langrange hält fest: "Ab 1930 war Umm Kulthum die unangefochtene Herrscherin
der arabischen Musikwelt und blieb es bis zu ihrem Tod."166
Umm Kulthum ist an ihrem Höhepunkt angekommen.
Umm Kulthum – Ägyptens Stimme – ein Mythos.
Der Autor Lüders vermittelt einen Augenschein in die gegenwärtige Zeit beim Weitererzählen seines Kinobesuchs in Kairo: "(...) Wir sahen Filme mit Umm Kulthum, der grossen
ägyptischen Diva, mit Mohammed Abd al-Wahhab und Abd al-Halim Hafiz, den beiden grossen Schmacht-Tenören, die in der arabischen Welt jeder kennt, aber wirklich jeder. Sie singen von der grossen, der unbefleckten, der reinen Liebe. Das, was Madonna 'true love' nennen würde – mit dem Unterschied, dass Madonna ihren Lover noch im Verlauf des Videos
verschlingt, was in der
arabischen Welt so nicht
geht. Dort hält man sich
lieber bedeckt."167
U
Umm Kulthum im Film Widad/1936
164
165
166
167
Kunisch, Hans-Peter: Warten hat keine Bedeutung, Süddeutsche Zeitung, 1997.
Ein Konzerthonorar für Umm Kulthum beträgt in den 50er Jahren circa 7000 Dollar.
Vgl. Braune, Gabriele, S. 45 und 79.
Langrange, Frederic, S. 125.
Lüders, Michael: S. 56.
in Dananir/1940
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Die Trägerin des Kollektiven in der Epoche des Panarabismus
«Immer dann, wenn Nationen entstehen oder nationale Bewegungen sich entfalten, scheinen einheitsund identitätsstiftende Mythen am Werk zu sein.»168
Wenn man in die Geschichte zurückblickt, schreibt Helmut Berding in 'Mythos und Nation', besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Mythos und der nationalen Idee. Mit
wandelnden nationalen Ideen werden Mythen konstruiert. So findet man auch bei der Bildung von Nationen in Europa Schöpfungs-, Abstammungs- und Heilsmythen, die einer nationalen Gemeinschaft göttliche Erwähltheit und/oder eine weltgeschichtliche Mission zuschreiben. Gründungs- und Revolutionsmythen rechtfertigen Umstürze, die neue Gesellschaftsordnungen begründen sollen.169
Mit prägnanten Worten verweist General Muhammad Nagib vor dem Sturz der Monarchie 1952 auf die verschiedenen hegemonialen Einwirkungen auf Ägypten: "Nachdem man
uns iranisiert, hellenisiert, romanisiert hatte, wurden wir im 7. Jahrhundert arabisiert, nur um
im 13. Jahrhundert osmanisiert zu werden. Sechs Jahrhunderte später wurden wir gallisiert
von Napoleon und anglisiert von einer Reihe britischer Konsuln."170
Ägypten zur Zeit von Umm Kulthum steht im Zeichen politischer, kultureller und sozialer
Wandlung. Die 'Nahda' lockert das traditionsverhaftete Denken der Gesellschaft und fördert
die Verbreitung der Ideen von Freiheit und Respekt gegenüber dem Individuum und der konstitutionellen Monarchie. 171
Seit der Wirtschaftskrise der 30er Jahre, die mit der Modernisierung einhergeht, wird die ägyptische Bevölkerung zunehmend unzufriedener. Die koloniale Besetzung wirkt sich negativ
sowohl auf ländliche wie auf städtische Bevölkerungsteile aus. 172 Aufgrund der anhaltenden
instabilen ökonomischen Wirtschaftslage formieren sich im Hintergrund liberale bis traditio-
168
169
170
171
172
Berding, Helmut: Mythos und Nation, 1996, S. 8.
'Mythos und Nation' beschäftigt sich mit Nationalen Mythen der Neuzeit seit dem Mittelalter, unter anderem
auch mit der nationalen Identität in England. Vgl. ebd. S. 8–9.
Naghib erwähnt die turko-tscherkessische Dynastie unter Mohammad Ali nicht, womöglich weil dieser und
seine Nachfolger dem europäischen Einfluss nichts entgegenbrachte. Gsell, Stefanie, S.46.
Die Höhepunkte der sozialen und kulturellen Entwicklung sind die Kairoer Revolution 1919, die ägyptische
Unabhängigkeitserklärung 1922 und schliesslich 1924 die erste konstitutionelle Regierung der Wafd-Partei
unter dem Revolutionsführer Sa'd Zaghlul. Durch die Teilnahme an der Weltwirtschaft etablieren sich Europäer in Kairo und Alexandria, deren westlicher Lebensstil hauptsächlich die einheimische Elite beeinflusste.
Begriffserklärung Seite 22: Die Bewahrerin der traditionellen Gesangs- und Musiktradition.
Grossgrundbesitzer profitieren beispielsweise von den mit den Briten entstandenen Monokulturen. Verarmte
Kleinbauern suchen in der Stadt bei der neuen Muslimbrüder-Bewegung Unterstützung, welche ihnen ein
Zentrum sozialer Infrastruktur bietet. Selbst eine muslimische Frauenorganisation gehört dazu. Die Muslimbrüder orientieren sich an traditionellen islamischen Werten und wehren sich gegen die europäischen Einflüsse. Hasan al-Banna ist ihr Führer.
In den Zentren der Grossstädte entstehen Vergnügungslokalitäten für britische Soldaten sodass sich Ägypter
und auch die Kunst zurückgedrängt werden. Vgl. ebd. S.39-40 und S.168 Fussnote 23.
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nell-islamische Bewegungen. König Fu'ad (im Amt 1922-1936) und sein Sohn Faruk (19361952) kooperieren mehr mit den Kolonialherren und weniger mit dem ägyptischen Parlament. Dabei vernachlässigen sie die Interessen der Bevölkerung. 173 Der von König Faruk
1936 unterzeichnete Anglo-Ägyptische-Vertrag beinhaltet zwar grundsätzlich eine Unabhängigkeit Ägyptens, dennoch behalten die Briten den Sudan unter ihrer Kontrolle. 174
Als König Faruk an die Macht kommt, singt Umm Kulthum einen Lobgesang an der Krönungsfeier, wofür sie 1946 einen Orden erhält. Ebenfalls singt sie am Königshof zu Faruks
Geburtstag und zu seiner Hochzeit, während sich in dieser Zeit die meisten Ägypter frustriert
von der Regierung abwenden. Breite Massen hegen grosses Verlangen nach alternativen
Ausdrucksmöglichkeiten der arabischen Ideale. Umm Kulthum trifft den Puls der Bevölkerung, indem sie auf ihre modernen Lieder verzichtet und mit einem echt ägyptischen Stil eine
neue Richtung einschlägt. Sie ermöglicht dem unzufriedenen Volk, sich im traditionellen Gesang wiederzufinden und damit ihre Identität zu stützen. 175 In einem unausgewogenen
Machtgefüge spielen offensichtlich Mythen eine bedeutende und sinngebende Rolle. Auch
Umm Kulthums intuitive Eigenschaft, sich dem Volk anzunähern, führt Umm Kulthum ins
'Goldene Zeitalter' ihrer musikalischen Karriere.
Neuen Aufschwung erlebt Ägypten nach der Krise des 2. Weltkriegs. Ägypten tritt den
Vereinten Nationen bei und es kommt zur Gründung der arabischen Liga. Umm Kulthum
singt erstmals über das Arabertum: 'Zahr ar-Rabi', 'Die Blüten des Frühlings' mit folgender
Aussage: Ägypten streckt seinen arabischen Brüdern die Hände entgegen.176 Im Zusammenhang mit dem Anglo-Ägyptische-Vertrag greift sie mit drei sozial-politischen Kasiden die
Stimmung des Landes auf: 'Salu kalbi', 'Fragt mein Herz' mit einem Lobgesang auf den Propheten Muhammad und auf das Verlangen der Ägypter nach Selbstbestimmung. 177 Das
zweite Lied heisst 'Wulida l-huda', 'Die Rechtleitung wurde geboren'. Da die Macht der Wörter zu stark sind, möchte der ägyptische Rundfunksender die letzen zwei Zeilen streichen. 178
Die dritte Kaside 'As-Sudan', das Ägypten als paradiesische Gärten und den Sudan als die
Augen dieser Gärten und Buchten besingt, wird ein Erfolg. 179 Es zeigt sich erneut, dass die
patriotischen Lieder eine über die Grenze Ägyptens reichende Tragweite haben.
173
174
175
176
177
178
179
König Faruk I. (1920–1965).
Schon über fünfzig Jahren kontrolliert die britische Regierung Ägypten. Das bleibt bis in die 50er Jahre unverändert bestehen. Vgl. Gsell, Stefanie, S. 23-25 und S. 39-40 und 43.
Es sind Lieder des Komponisten Zakariyya Ahmad und des Volksdichters Bayram at-Tunsi. Weiter engagiert
Umm Kulthum den jungen Komponisten Riad as-Sunbati (1907-1981), der einige Kasiden des Dichterfürsten
Schauki vertont. Vgl. ebd. S. 40-41.
Zur Gründung der arabischen Liga 1945 erhält Umm Kulthum ihren ersten nationalen Auftrag. Die Völkerversammlung des Ostens wird mit dem Aufblühen des Frühlings verglichen. Vgl. ebd. S. 40-43.
Dichter: Ahmad Schauki, Komponist: Riyad as-Sunbati.
"Du (Muhammad) bist der Führer der Sozialisten (...) Du gibst den Armen vor den Reichen das Recht." Umm
Kulthum ist gegen eine Streichung, worauf das Lied bis zur Revolution 1952 nicht mehr gesendet wird. Vgl.
ebd. S. 44.
Trotz den Warnungen, die alten hocharabischen Hofgedichte mit moralisch und religiöser Färbung kämen
beim Volk nicht an.
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Der Palästinakrieg von 1948 trifft König Faruk völlig unvorbereitet und endet in einem
Fiasko.
180
Er legt dabei die ägyptische Politik in ihrer Korruption frei. Der König hat seine
Soldaten am Gaza-Streifen kaltblütig in den Untergang geschickt. Während der israelischen
Belagerung dringt Umm Kulthums Stimme übers Radio zu den eingeschlossenen Soldaten.181 Die Sängerin des Königs und gleichwohl des Volks sorgt gleich einer Mutter für die
gefährdeten Männer. Mythen sind es, hier der Mythos Umm Kulthum, die das Gefühl der
Zusammengehörigkeit stärken, emotionale Bindungen erzeugen, solidarisches Handeln fördern, das Selbstverständnis mit Inhalt füllen und das kollektive Gedächtnis prägen.182
Davon nährt sich vermutlich auch der sich im Hintergrund anbahnende politische Umsturz. Bei den jüngeren 'Freien Offizieren' der Armee, die mehrheitlich aus der mittleren
Oberschicht stammen, kommt es zu einer Verschwörung. Schliesslich ergreifen die 'Freien
Offiziere' 1952 unter der Führung von General Nagib und Nasser in einem unblutigen Umsturz die Regierungsmacht. Gamal Abd el-Nasser, ein Offizier aus ärmlichen Verhältnissen
wird zum Vorsitzenden gewählt. Durch militärische Erfahrung und solidarischen Zusammenhalt überwinden die 'Freien Offizieren' innere Differenzen und einigen sich auf nationale Ziele, wie die Beendigung der britischen Okkupation.183
Umm Kulthum hat Verbindungen mit der Königsfamilie gepflegt, weswegen Regierungsbeamte sie jetzt vom Thron stürzen wollen. Aber Abd el-Nasser beendet das verhängte
Singverbot mit den Worten: "Ging nicht auch die Sonne jeden Morgen auf - zur Zeit der Monarchie?"184 Der Musiker Haissam berichtet dieses Ereignis folgendermassen: "Umm
Kulthum sang für den König Faruk. Nach der Revolution wurde sie von Generalen als Leiterin des Musikvereins entlassen und durfte nicht mehr auftreten. Nasser fragte den General,
ob die Pyramiden noch stehen und ob es den Nil noch gebe. Der General bejaht die Frage.
Darauf Nasser: 'Wenn die Pyramiden und der Nil noch da sind, dann gehört auch Umm
Kulthum dazu'."185 Nasser weiss anscheinend, dass Umm Kulthum das Volk mit ihren Liedern nährt, und er nimmt sie mit in die neue Ära.
Von 1952 bis 1954 konsolidiert der Revolutionsrat seine Macht mit der Umstrukturierung
der alten hegemonialen Ordnung. Universitäten, Presse, Unternehmen etc. werden von Regimegegnern gesäubert, ein westlich-liberales und marxistisches Denken werden verbannt.
Dafür werden einem reformistischen Islam die Türen geöffnet.186 Die Ägyptisierung hat einen
180
181
182
183
184
185
186
Als England sein Mandat über Palästina 1948 abgibt, erklären alle arabischen Länder dem neuen Staat Israel
den Krieg.
Mit den Liedern: 'Ghalibit asalih fi ruhi', 'Ich erlangte Frieden für meine Seele' und 'Ana fi-ntizarak', 'Ich warte
auf dich'. Vgl. Gsell, Stefanie, S. 44-45.
Vgl. Berding, Helmut, S. 8.
Gamal Abd el Nasser (1918–1970). Bislang haben die 'Freien Offiziere' die Monarchie unterstützt. Vgl. Gsell,
Stefanie, S. 46-47.
Vgl. ebd. S. 47.
Salah Eddine, Haissam: Interview.
Die Wirtschaft lässt sich hingegen nur schwer ankurbeln. Die Ausländer haben die Unternehmen dominiert.
Die Einheimischen sind darin nun zu unerfahren.
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Massenexodus der Ober- und Mittelschicht zur Folge und führt zu neuen sozialen und kulturellen Strukturen. 187 Trotz Krisen unterstützt die Mehrheit der Bevölkerung die Revolutionsführer und bezeichnet sie als 'die echten Söhne des Landes'. Sie orientiert sich an den positiven Veränderungen, wie die Exilierung des Königs, Landreform, Einstellung gebildeter Ägypter, die sich nach der Flucht der Ausländer und der Beendigung der britischen Besetzung
der Suezkanalzone im Jahre 1956 vollzieht. Nach Berding verbindet sich der nationale Mythos mit bestimmen sozialen Gruppen und politischen Kräften und mit unterschiedlichen religiösen und ideologischen Auffassungen. Er verdeckt indessen auch ungewollte Zustände
und Entwicklungen.188
Der Attentatversuch auf Nasser 1954 verweist auf die im Hintergrund wirksamen Gegenkräfte. 189 Kurze Zeit später wird die Muslimbrüderschaft verboten. 190 1956 tritt die neue
Verfassung in Kraft, der Islam ist Staatsreligion und die arabische Identität Ägyptens wird
betont. Die Parlamentsmitglieder wählen Nasser zum Präsidenten.191 Umm Kulthum entscheidet sich vermehrt für nationalistische Lieder und singt für den Präsidenten 'Ya Gamal
ya mithal al-wataniyya': "Das Beste unserer ägyptischen Feste - ist deine Präsidentschaft der
Republik (...) Der mit seinem Licht alle arabischen Länder erleuchtet."192 Nasser erhält weitgehende Rechte und führt schrittweise ein diktatorisches Regime mit sozialistischer Prägung
ein. Im selben Jahr im Zusammenhang mit dem Suezkrieg mit Grossbritannien, Frankreich
und Israel singt Umm Kulthum das Lied 'Wa-Ilah zaman ya silahi', 'Bei Gott, seit langem,
meine Waffe', das zum Kampflied der ägyptischen Soldaten wird und später zur ägyptischen
Nationalhymne.193
1958 schliessen sich Ägypten und Syrien unter Nassers panarabischen Bestrebungen
zur Vereinigten Arabischen Republik zusammen.194 "Somit übernahm Ägypten wieder die
187
Ägyptisierung bedeutet ein Ende der Diskriminierung durch Ausländer, deren Enteignung und dadurch Hoffnung auf nationale Unabhängigkeit. Vgl. Gsell, Stefanie, S. 170, Fussnote 55.
188
Vgl. Berding, Helmut, S. 8.
189
Bis 1959 pflegt Nasser enge Beziehungen zu den Muslimbrüdern. Diese unterstützen die neue Regierung. Als
sie bemerken, dass Nasser sie nicht an der Macht beteiligen lässt, fühlen sie sich betrogen. Vgl. Gsell, Stefanie, S. 170, Fussnote 54 und 57.
Nach dem Attentatsversuch singt Umm Kulthum das Lied 'Ya Gamal ya mithal al-wataniyya': "Der Beste unserer nationalen Feste - War dein Überleben am Tag von al-Manschiyya." Vgl. ebd. S. 49.
190
Vgl. ebd. S. 170, Fussnote 57.
191
Die Nationale Union ist die einzig erlaubte Partei, womit die Wahl Nassers gesichert ist.
192
"Das Beste unserer ägyptischen Feste - ist deine Präsidentschaft der Republik (...) - erhieltst du deinen Platz
in unseren Herzen - Heute in Ägypten - Liessest du einen Leuchtturm erstrahlen - Der mit seinem Licht alle
arabischen Länder erleuchtet - Und du hast die arabische Nation versammelt." Ebd. S. 50.
193
"Meine Waffe – du hast mir gefehlt in meinem Kampf – Sprich und sag ich bin wach. (...) Das Volk bricht vor
wie das Licht (...) ein wütender Vulkan, ein Vulkan der spuckt (...)." Die vom Gazastreifen heimkehrenden Soldaten empfing sie mit 'Radschi'in bi-kuwwit is-silah': "Wir kehren heim mit der Kraft der Waffe – (... ) Herr des
Arabertums – Du Held, Gott ist mit dir (...) Palästinas Tragödie lässt dich zu den Grenzen drängen (...) Und
der Sieg ist dein, was der Feind für Listen ersinnen mag (...)." Ebd. S. 51.
194
Panarabismus wird definiert als Zusammenschluss und Vereinheitlichung aller arabischen Staaten. Der Gedanke eines gemeinsamen arabischen Staates ist die arabische Antwort auf das Bestreben europäischer Besatzer „Teile und herrsche“. Die jetzigen Staaten wurden von den Besetzern während der Kolonialisierung unterteilt und somit wurde die arabische Gesamtheit auseinander gerissen. Nasser wurde in Europa, aufgrund
seiner sozialistischen und verstaatlichenden Politik diffamiert. Ihm wurde die Verstaatlichung des in britischem
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Funktion einer Schutzmacht der arabisch-islamischen Kultur, die es im Mittelalter innehatte.
Der Panarabismus ist mit dem 'charismatischen' Mythos Nassers eng verknüpft."195 Für das
Volk ist er der 'neue Saladin', der Retter der arabischen Welt. Auch Jemen schliesst sich
an. 196 Nasser ist am Höhepunkt seiner Popularität angekommen. Vom Volk göttlich verehrt,
kommt ihm nahezu eine weltgeschichtliche Mission zu. 197 Zusammen mit Nasser, dessen
Reden sich im ägyptischen Radio mit Umm Kulthums Liedern abwechseln, steigt Umm
Kulthum in diesen Jahren zum verbindenden Idol der arabischen Massen auf.
Im September 1961 zieht sich Syrien aus der Vereinigung zurück, da es sich durch die
Einmischung Nassers in seiner Identität gefährdet sieht. Danach versucht Nasser erfolglos
Ägypten in einen sozialistischen Staat umzuwandeln mit dem Ziel, sich so dem Panarabismus zu nähern. Zur Verwirklichung eines gelenkten Kapitalismus verstaatlicht er den Suezkanal und realisiert den Bau des Assuan-Staudamms. 198 Nassers wissenschaftlicher Sozialismus meint nicht den Klassenkampf des Proletariats, sondern die Einbeziehung der Wissenschaft in den Wirtschaftsprozess. So lehnt er auch die Diktatur des Proletariats ab. Er will
seinen Sozialismus als ausreichende Versorgung und Gerechtigkeit verstanden wissen. 199
"Nasser gelingt es, Umm Kulthum im Jahr 1963 mit ihrem grossen Konkurrenten, dem
Sänger und Komponisten Mohammed Abd el-Wahhab, zu verbinden. Sie setzen gemeinsam
einen leuchtenden Höhepunkt."200
Am 5. Juli 1967 gewinnt Israel den Sechs-Tage-Krieg gegen Ägypten. Die Armee überwältigt die ägyptischen Truppen und steht am Suezkanal. Für die Ägypter bedeutet dies eine
Tragödie. Ein Traum wird zerstört und sie sind zutiefst verbittert und verunsichert. Mit den
Veränderungen in den sozialen und ökonomischenen Strukturen des Landes haben sie an
ein neues Ägypten mit mehr Gerechtigkeit geglaubt. Sie fühlen sich von der Regierung fehlgeleitet. So sendet 'Saut al-arab' noch Berichte einer erfolgreichen, in Tel Aviv einrückenden
ägyptischen Armee. In Wahrheit ist sie aber schon besiegt. Nasser zutiefst erschüttert tritt
über das Fernsehen an die Öffentlichkeit. Er übernimmt die Verantwortung und gibt seinen
Rücktritt bekannt. Millionen Menschen strömen auf die Strassen Kairos und verlangen
schreiend und weinend von Nasser, seine Abdankung rückgängig zu machen. 201
Nasser hält seine Abschiedsrede. Er erklärt den Kriegeshergang mit einem Zusammenwirken verschiedener Faktoren, hauptsächlich mit dem Imperialismus, der als wichtigste
195
196
197
198
199
200
201
Besitz gewesenen Suez-Kanals vorgeworfen und das Recht abgesprochen, die Besetzer aus seinem Land zu
isolieren, um ihnen damit die Macht zu entziehen. Website.
Vgl. Braune, Gabriele, S. 110.
Vgl. Gsell Stefanie, S. 52.
Vgl. Berding, Helmut, S. 8.
1960 beginnt der Bau, Umleitungskanäle werden gebaut. Umm Kulthums Lied: 'Tahwil in-Nil'. 1971 fand die
Einweihung des Staudamms statt. Vgl. Gsell, Stefanie, S. 170, Fussnote 59.
Vgl. Gsell Stefanie, S. 53-55.
Vgl. Bergmann, Neue Zürcher Zeitung, 2000.
Mit dem Lied: Inta Omri. Vgl. Gsell Stefanie, S. 57-58.
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Kraft hinter dem Feind Israel stehe und dessen Ziel, die Zerschlagung des Panarabismus
sei: 202
"Ich sage euch aufrichtig und ohne Berücksichtigung aller Faktoren,
auf die ich vielleicht meinen Standpunkt während der Krise stützte, dass
ich bereit bin, die gesamte Verantwortung auf mich zu nehmen, und ich
bitte euch alle, mir bei meinem Beschluss zu helfen; ich werde mich (...)
zurückzuziehen (...) und meine Pflicht wie alle anderen Bürger mit ihr erfüllen. Der Imperialismus denkt, Gamal Abd el-Nasser wäre sein Feind,
aber ich will, dass klar wird, dass es die gesamte arabische Umma und
nicht nur Gamal Abd el-Nasser ist (...), denn der Prozess der arabischen
Einheit begann vor Gamal Abd el-Nasser und wird nach Gamal Abd elNasser weiter voranschreiten. (...)."
Nasser beschwört die Revolution, das Erreichte und fordert sein Volk auf, das naturgemäss so authentisch und ehrlich, aufrichtig und gläubig sei, nach Vorne zu blicken:
"Dies ist die Stunde der Hoffnung und nicht des Leides; es ist die Zeit
für ein hohes Ideal und nicht für Egoismus und negative Gefühle. Mein
Herz ist mit euch, und ich will, dass eure Herzen ganz mit mir sind und
dass Gott unseren Herzen Hoffnung gibt und Zuversicht und Rechtleitung.
Der Friede und die Gnade Gottes sei mit euch!"
Personen, die über die Macht des Wortes verfügen wirken meinungsbildend, erzählen
Geschichten über die Herkunft oder entwerfen Bilder über die Zukunft einer sozialen Gruppe.
Dazu kommt gemäss Berding, dass wie verschieden der Kontext auch ist, die Grundstruktur
immer dieselbe bleibt. Es resultiert ein kollektives Bewusstsein und eine nationale Identität,
wie etwa durch die Rede Nassers und mit dem folgenden Lied von Umm Kulthum. 203
Nasser stirbt 1970. An der Trauerfeier beteiligen sich über eine Million Ägypter. Umm
Kulthum singt 'Risala', 'Botschaft'.204
Umm Kulthum tritt 1967 zum ersten Mal ausserhalb der arabischen Welt im OlympiaStadion in Paris auf. Bis 1970 verläuft ihre Tournee über Tunesien, Libyen, Marokko, Libanon, dem Sudan und Kuwait. 205 Danach hält sie Konzerte im Irak, in Bahrein, Abu Dhabi und
Pakistan. Umm Kulthum sammelt Geld für die Armee. Ihre patriotischen Aktivitäten tragen ihr
den Beinamen 'Jeanne d'Arc der Araber' ein. 206 So gibt Umm Kulthum im Sechstagekrieg
202
203
204
205
206
Vgl. ebd. S. 171 Fussnote 63. Kassete Az-za'im al-khalid Gamal Abd an-Nasser (Der ewige Führer).
Vgl. Berding, Helmut, S. 9.
Aus dem Lied: "An unsern Vater Gamal Abd an-Nasser - Ich habe eine dringende Rede an dich. – Von der
guten ägyptischen Erde (...) – Von den Millionen, die dich sehen wollen... – Aber, aber, mein Lieber, ich weiss
die Anschrift nicht (...)." Vgl. Gsell, Stefanie, S. 59-60.
1968 stellte Nasser Umm Kulthum einen Diplomatenpass aus, was ihren Reisen den Charakter von Staatsbesuchen verlieh und ihr somit Begleitschutz zukam. Vgl. ebd. S. 59.
Vgl. Braune, Gabriele, S. 112.
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Millionen Gineh der ägyptischen Staatskasse, worauf sie 1972 von Präsident Sadat zur
'Künstlerin des Volkes' ernannt wird. 207
M. Nagib, G. Abd an Nasser, Umm Kulthum
und S. Salim 1955.
Für die ägyptische Gesellschaft nahm Nasser als nationale Führungsfigur mit seinen revolutionären Ideen eine bedeutende Stellung ein. Mit der Kulturrenaissance erwachte der
ägyptische Nationalstolz wieder. 208 Das Volk vergötterte ihn deswegen. Die Niederlage von
1968 hingegen traf seine 'Achillesferse' und er musste vom hohen Stand fallen. Gabriele
Braune sieht den Grund darin, dass er 'einer von ihnen' war, der seit Jahrhunderten wieder
aus dem eigenen Volk hervorgegangen ist. Die letzten autochthonen Herrscher Ägyptens
waren die Pharaonen zwischen 525 und 332 vor Chr. 209 Die Identitätssuche spielt in der
ganzen arabischen Welt eine Rolle, wie Michael Volker schreibt. Jede Form von Ablösung
und Abgrenzung gegenüber Kräften und Strukturen, sei es vom eigenen oder einem fremden
Staat, sichert und verdichtet die Bildung von Identität. "Es waren schliesslich die ägyptischen
Nationalisten des 20. Jahrhunderts selbst, die die Ideologie des Pharaonismus kreierten, um
sich zu gleichen Teilen von Europa und den anderen arabischen und islamischen Ländern
abzugrenzen."210 Das politisch teilweise radikale Befreiungsprogramm Nassers löste Hoffnungen und Zuversicht in der Gesellschaft aus, war hingegen nicht überall beliebt, sondern
auch umstritten. 211 Nach der Ansicht von Elham Manea waren Nassers Entscheidungen und
Handlungen irrational und unreflektiert: "Nasser gab dem Volk leere Versprechen und suchte
die Konfrontation mit Grossbritannien. Voreilig wollte er den Suez-Kanal nationalisieren, obwohl die Engländer sich ohnehin nach zehn Jahren zurückgezogen hätten. Im Weiteren insistierte Nasser in Israel, anstelle sich für den Aufbau und die Modernisierung Ägyptens einzusetzen. Seine Energie verschwendete er durch unnützliche Konflikte, Konfrontationen bis
hin zum Sechstagekrieg."212
207
208
209
210
211
212
Gineh = Ägyptisches Pfund.
Braune, Gabriele, S. 76.
Vgl. ebd. S. 110.
Volker, Michael, taz, 2000.
Vgl. Gsell, Stefanie, S. 58-59.
Manea, Elham: Interview.
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Die Kritiker Nassers, vor allem aus intellektuellen Kreisen, warfen Umm Kulthum vor, mit
ihren langen Konzerten zur kollektiven Verblendung beigetragen zu haben. Im Gegensatz zu
Nasser, blieb das Wirken von Umm Kulthum in der Gesellschaft hingegen unversehrt. Denn
sie berührte mit ihrer Stimme das Innerste des Volks, deren Gefühle und verhalf ihm einerseits seine Identität zu stärken, Orientierung zu finden, anderseits aber auch einer politischen beunruhigen Realität fernzubleiben.
Die wenigen kritischen Stimmen zu Umm Kulthum versandeten in der Wüste - sie schuf
zunehmend, so möchte ich es nennen, einen 'kulturellen Panarabismus'. "Menschen von
ethnisch und sozial unterschiedlicher Herkunft und politisch divergierender Ansicht, fanden
einen Konsensus in ihrer Begeisterung für Umm Kulthum."213 Man vergegenwärtige sich nur
alleine schon die Millionen Menschen, die am Donnerstag auf Umm Kulthum warteten. "Ihre
Stimme hallte durch die arabische Welt und wurde als Stimme der potentiellen arabischen
Einheit empfunden."214 Das Wissen aus den vorangehenden Kapitel gibt den Eindruck, dass
Umm Kulthum das ägyptische Volk miteinander verband, indem sie mit ihrer in der Tradition
verwurzelten Gesangstimme und den lyrischen Texten ein unsicheres Vakuum im nationalen
und politischen Feld füllte. Sie verbreitete ein friedliebendes, kollektives Bewusstsein und
Zusammengehörigkeitsgefühl, zunehmend auch den Arabern im ganzen Osten und auch im
Westen. 215 Die irakische Tänzerin Assale beschreibt dies mit den folgenden Worten: "Umm
Kulthum war die einzige Frau, vor der alle im arabischen Raum von Marokko bis in den Irak
in die Knie gehen würden."216 Elham Manea: "Es ist nichts besonderes, dass Umm Kulthum
als Frau berühmt geworden ist, das Besondere ist: Sie war wie ein 'Unifying Factor'. Sie wirkte vereinigend für Marokko, Ägypten, Jemen etc." Diese Leistung konnte vor und nach ihr
kein arabischer Politiker erfüllen. Umm Kulthum als 'universaler' Mythos verband die gesamte arabische Kultur. Sie wirkte im nationalen und panarabischen Feld, das ihren Mythos zunehmend sicherte und verstärkte, sei dies durch die emotionale Bewegtheit, aber auch durch
Bilder der gesellschaftlichen Geschlossenheit. "Heute ist Umm Kulthum auch eine Art Symbol für die vergangene Ära unter Präsident Nasser Gamal. Es war damals an der Zeit, die
Zukunft Ägyptens zu formen. Es war eine gute Zeit. Viele Leute erhofften sich Freiheit, die
Unabhängigkeit von der kolonialen Macht, ein neues Ägypten."217
213
Vgl. Braune, Gabriele, S. 111.
Vgl. Braune, Gabriele, S. 111.
215
Aleida Assmann berichtet, dass auch wir mit unserem westlichen individuellen Weltbild wieder vermehrt die
Gemeinschaft suchen. Der Einzelne sucht im Kollektiven mehr Einbindung, Zugehörigkeit und Bezogenheit:
"Man versteht sich nicht mehr ausschliesslich aus sich selbst heraus, sondern zunehmend auch als Mitglied
von Gruppen, (...) wie der Familie, der Generation, der Ethnie, der Kultur." Assmann, Aleida: Erinnern und Erinnert werden, Strategien und Mechanismen des autobiographischen Gedächtnisses, Internationales Symposium, 2006.
216
Ibrahim, Assale: Interview.
217
Manea, Elham: Interview.
214
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Es wird etwas bleiben – später, das füllt sich mit mir
"Umm Kulthum verkörperte mit ihrem Gesang Hoffnung!
Aber so manche Zuversicht aus dieser Zeit starb
ebenfalls mit dem Tod Umm Kulthums."218
"Der Punkt ist nicht, die Entstehung eines Meisterwerks zu zeigen, sondern einfach seinen Gehalt als Darstellung einer sozialen Realität zu akzeptieren und dann ein umfassenderes Stück dieser Realität darzubieten."219 Da der Mythos Einsicht in den Grund aller Erscheinungen des Daseins vermitteln will, erschliesst er eine Realität in ihrer Tiefe und Wahrheit. 220
Der Mythos von Umm Kulthum wurde ins Natürliche eingebunden und auch so wahrgenommen, fast wie ein Naturwunder. Sie hat sich im Stillen mit ihrem Gesang der übernationalen
und individuellen Sehnsüchte angenommen und diesen Sehnsüchten gab sie eine, ihre
Stimme als Medium für die Poesie der Liebe. Sicher zuweilen eingebunden in der Enge einer
patriarchalen Ordnung schaffte es Umm Kulthum mit einer klaren und verführerischen Stimme, Gegensätze auf eindrückliche Weise zu vereinen: Einerseits die Hochhaltung von traditionellen Werten und anderseits deren Sprengung, zwei Gegensätze, die sich normalerweise
ausschliessen.
Durch die Suche und das Wissen von Zusammenhängen in der Geschichte soll nicht der
Mythos negiert oder geschwächt werden, sondern im Gegenteil der Mythos kann danach
noch überzeugender strahlen. Nach Erikson kommt es in dieser Lebensphase im idealsten
Fall zur vollen Reife, zur Bereitschaft, seinen eigenen und einmaligen Lebenszyklus anzunehmen, als etwas, das mit all seinen Erlebnissen sein musste und das zwangsläufig keinen
Ersatz zuliess.
221
So nimmt auch das schaffensreiche Leben von Umm Kulthum ein Ende.
Während sie im Sterben liegt, berichten die Medien täglich minutiös über ihren Krankheitsverlauf.222 Im ägyptischen Radio läuft wiederholt: 'A-Ghadan alkak?', 'Treff ich dich morgen?'.223 Während ihres Todeskampfes stöhnt sie "Masr – Masr – Masr", gleich dem Herzschlag. Am 4. Februar 1975 stirbt Umm Kulthum. 224
218
219
220
221
222
223
224
Manea, Elham: Interview.
Zizek, Slavoj, S. 108.
Vgl. Barthes 1964, S. 6-7.
Vgl. Erikson, Eric H., 2006.
Das Lied 'Hakam alena l-hawa', 'Die Liebe richtete über uns', soll Umm Kulthums Premiere zum Frühling 1973
werden. In der Studioaufnahme muss sie sitzend singen. Das Konzert wird abgesagt. Es wird ihr letztes Lied.
Vgl. Gsell, Stefanie, S.60.
Bei den semitischen Völkern hieß Ägypten 'Misr'. In seiner arabischen Gestalt 'Masr' ist dieses Wort der einheimische Name Ägyptens und seiner Hauptstadt Kairo geworden. Website.
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Millionen füllen Kairos Strassen. Der Zug wird angeführt von Präsident Sadat und anderen arabischen Führern.225 Das trauernde Volk nimmt den Trägern den Sarg ab und trägt ihn
abwechselnd drei Stunden durch Kairo bis zur Sayyid Husayn Moschee. 226
Umm Kulthums Mythos wird bleiben – das Juwel strahlt weiter.
Mit dem Tod von Farid al-Atrash 1974, Umm Kulthum 1975, Abd al-Halim Hafiz 1978,
später dann des Komponisten Abd al-Wahhab 1991, Baligh Hamdi 1993 und Muhammad alMawgi 1995 geht eine Künstler-Ära zu Ende. "Umm Kulthum verkörperte mit ihrem Gesang
Hoffnung. Aber so manche Zuversicht aus dieser Zeit starb ebenfalls mit dem Tod Umm
Kulthums. Mit ihrem Tod trat eine Zeit von Ungewissheit auf."227 Der 76-Jährige bekannte
libanesische Komponist und Texter Mansour Rahbani, formuliert poetisch, während er seinen Blick ruhig über die Berge und das Meer schweifen lässt: "Die Erde kann schwanger
sein wie eine Frau. Erst wenn sie reif ist, wird sie wieder wahre Künstler gebären. Mohammed Abd el-Wahab, Umm Kulthum und Fairuz oder Pavarotti und Beethoven waren seltene
Größen, und das ist gut so: Gäbe es einen zweiten Shakespeare, wir könnten den einen gar
nicht richtig verehren."228
Die vorliegende Arbeit hat wie jedes ausklingende Lied ein Ende. Ich hoffe, sie wird da
und dort nachwirken, sei es mit 'verklärender' und auch 'erklärender' Bedeutung.
225
226
227
228
Vgl.Gsell, Stefanie, S.172 Fussnote 68.
Vgl. ebd. S. 60-61.
Manea, Elham: Interview.
Burkhalter, Thomas, taz, 2002.
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Es wird etwas bleiben – später, das füllt sich mit mir
Umm Kulthum 1904 – 1975
Verzaubern will ich.
Verführen.
Mit meiner Stimme verführen.
Und die Sprache der Dichter
trag ich ins Volk.
Und den Atem der Luft
in die Himmel
den Atem der Luft
in die Wüsten
den Atem der Luft
ins flüchtige Blau.
Doch die Erfüllung von Wünschen macht Angst.
Jetzt
wo Erfolg sich häuft
entgleitest du meinen Händen
doch ich trage ihn aus.
Aus meinem Mund nahmt ihr die Liebe.
Sie wird bleiben – später
wenn kein Ton mehr meine Lippen verlässt.
Sie wird bleiben
wenn eure Tränen durch eure Träume wehen.
Es wird etwas bleiben – später
das füllt sich mit mir.
229
Pickhardt-Benassa Karin, März 2006
229
Freundlicherweise hat sich die Zürcher Autorin Karin Pickhardt-Benassa der Biografie von Umm Kulthum angenommen und
ihr ein Gedicht gewidmet. Pickhardt-Benassa lebt als Autorin und Künstlerin mit Familie in Zürich. Im Jahr 2000 erschien:
Entzauberung - Entfremdung - Entdeckung, Frauenbilder, Verlag Nimrod, Zürich.
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Anhang
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Abdel Aziz, Mohamed:
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Internationales Symposium, zu Fragen von Biografie, Biologie
und Biopolitik, Cultural/Gender Studies an der Hochschule für
Gestaltung und Kunst Zürich/ICS, April 2006.
Eja Bellmont · Juni 2006
47
Abbildungen
Titelbild
S. 6
S. 7
S. 10
S. 15
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S. 23
S. 29
S. 31
S. 40
S. 44
S. 43
S. 48
<almashriq.hiof.no/egypt/700/780/umKoulthoum>, 15. Dez. 06.
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Das Idol: Gsell, Stefanie, S. 201, siehe Literaturliste.
Das junge Mädchen UK (aus Ni'mat Fu'ad, UK Kairo 1983) in:
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Umm Kulthum ca. 1935, in: Gsell, Stefanie, S. 214, siehe
Literaturliste.
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by Studio Misr September 29, 1940 and director was Ahmad
Badr Khan. <almashriq.hiof.no/egypt/700/780/umKoulthoum>
15. Dez. 2006.
Umm Kulthum 1967 im Olympia-Stadion in Paris in: Gsell,
Stefanie, S. 111. siehe Literaturliste.
Von links Muhammad Nagib, Gamal Abd an Nasser, Umm
Kulthum und Salah Salim 1955. S. 103, in: Ebd.
Umm Kulthum 1967 im Olympia-Stadion in Paris, in: Gsell,
Stefanie, S. 110, siehe Literaturliste.
Fotograf: David Haberlah.
Illustration: Rabia Eltayar in: Abdel Aziz,Mohammed, S. 39,
siehe Literaturliste.
Eja Bellmont · Juni 2006
Dichter: Ahmed Shafik Kamel
Nachdichtung: Mohamed Abdel Aziz
Deine Augen führten mich zurück
Zu den vergangenen Tagen
Sie lehrten mich die Vergangenheit
Und ihre Verletzungen zu bedauern
Was ich gesehen habe
Bevor ich dich sah
Ist ein verlorenes Leben
Wie kann man mir dies anrechnen
Du bist mein Leben
Mit deinem Licht
Hat mein Leben
Seinen Morgen begonnen
48
Eja Bellmont · Juni 2006
Oh du bist teurer als mein Leben
Warum hat deine Liebe mich nicht früher getroffen
Was ich gesehen habe
Bevor meine Augen dich sagen
Ist ein verlorenes Leben
Wie kann man mir dies anrechnen
ieviel Zeit von meinem Leben
Ist vorbeigegangen
Vor der Zeit mit dir
Oh Liebling
Wieviel Zeit von meinem Leben
Ist vorbeigegangen
Keine einzige Freude
Vor der Zeit mit dir
Sah mein Herz
Im Leben erfuhr mein Herz
Nur Verletzungen
Erst habe ich angefangen
Mein Leben zu lieben
Erst jetzt
Habe ich angefangen Angst zu haben
Dass das Leben zu schnell vorbei geht
Jede Freude
Die meine Phantasie
Vor der Zeit mit dir ersehnte
Bekamen mein Herz
Und meine Gedanken
Oh du bist das Leben meines Herzens
Und teurer als mein Dasein
Warum hat deine Liebe
Oh Liebling
Mich nicht früher getroffen
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Eja Bellmont · Juni 2006
Die schönen Nächte
Die Sehnsucht und Liebe
Wurden seit langem
Von meinem Herzen für dich aufbewahrt
Geniesse mit mir die Liebe Schritt für Schritt
Sehe mich an
Damit meine Augen mit den Gedanken
In deiner Welt versinken können
Gib mir deine Hände
Damit meine Hände mir ihrer Berührung
Sich erholen können
Oh Liebling
Wir haben schon genug Zeit verpasst
Oh Liebling
Ist dies wenig
Was wir verpasst haben
Was ich gesehen habe
Bevor meine Augen dich sahen
Ist ein verlorenes Leben
Wie kann man mir dies anrechnen
Du bist mein Leben
Mit deinem Licht
Hat mein Leben
Seinen Morgen begonnen
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Eja Bellmont · Juni 2006
Oh teurer als meine Tage du
Oh süsser als meine Träume du
Hülle mich in deine Zärtlichkeit
Nimm mich weit weg vom Dasein
Weit weg
Du und ich
Ganz allein
Auf der Liebe erwachen unsere Tage
Auf der Sehnsucht schlafen unsere Nächte
Mit dir habe ich mich mit meinen Tagen versöhnt
Mit dir verzieh ich die vergangene Zeit
Mit dir habe ich meine Schmerzen vergessen
Und über meine Sorgen will ich nichts mehr wissen
Deine Augen führten mich zurück
Zu den vergangenen Tagen
Sie lehrten mich die Vergangenheit
Und ihre Verletzungen zu bedauern
Was ich gesehen habe
Bevor ich dich sah
Ist ein verlorenes Leben
Wie kann man mir dies anrechnen
Du bist mein Leben
Mit deinem Licht
Hat mein Leben
Seinen Morgen begonnen
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Eja Bellmont · Juni 2006
52
Erläuterung zu den Interviews mit Personenbeschreibung
Die durchgeführten Interviews verteilten sich über den Zeitraum von März bis Mai 2006.
Ich entschied mich für fünf Personen, zwei Frauen und drei Männer, die im künstlerischen
oder im wissenschaftlichen Bereich tätig sind. Ihr Herkunftsland ist Ägypten, Irak oder Syrien.
Die unten aufgeführten Fragen verwendete ich als Leitfaden. Im Verlaufe der Interviews verifizierte ich gewisse Fragen und liess Raum für freies Erzählen. Beeindruckt war ich über die
Offenheit aller Interviewpersonen. Der Personenbeschreibung füge ich noch InterviewFragmente an, die nicht in der Arbeit vorkommen.
Fragenkatalog
1. Wer ist Umm Kulthum?
2. Was hat sie so berühmt gemacht?
3. Was bedeutet Ihnen Umm Kulthum?
4. Was berührt Sie am meisten: der Gesang, die Poesie oder die Musik?
5. Welches sind ihre Lieblingslieder?
6. Warum ist Umm Kulthum noch heute so bekannt im arabischen Raum?
7. Wie war es möglich, dass eine Frau so berühmt wurde?
8. Kann Umm Kulthum als Mythos angesehen werden?
9. Gibt es auch negative Kritik zu Umm Kulthum?
10. Singen/musizieren/tanzen oder verändern Sie Umm Kulthums Lieder?
11. Würden Sie eine vergleichbare Sängerin oder einen Sänger in der heutigen Zeit im arabischen Raum begrüssen?
Eja Bellmont · Juni 2006
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Personenbeschreibung Interview
Assale Ibrahim, Interview, Zürich, 9. Februar 2006.
Assale Ibrahim ist Choreografin, Solo-Tänzerin und Tanzlehrerin in Frauenfeld, wohnhaft
in der Schweiz seit 1993. Assale ist mit der arabischen Musik und dem orientalischen Tanz,
dem Raqs Sharqi, im Irak aufgewachsen. Ihr Stil beim Tanzen ist sehr authentisch und ausdrucksvoll. In Ihrem Tanz verbindet sie Vergangenheit und Gegenwart und erschafft daraus
Neues und Vertrautes. Assale hat 2005 am Gypsy-Festival zu Umm Kulthums Lied 'Daret El
Ayam', 'die Tage sind vergangen' getanzt, mit der Musik von Mohamed Abdel Wahhab. Dazu
beschreibt sie ihre Eindrücke: "Wer sich tänzerisch mit Umm Kulthums Liedern befasst,
taucht tief in die arabische Erlebniswelt ein, von Kopf bis Fuss mit allen Sinnen, mit Herz und
Geist. So verstehe ich den Tanz mit ihren Liedern. Es war für mich eine schwierige und fast
heilige Aufgabe, die Gefühle in das Lied mit meinem Körpern zu interpretieren. Einige Zuschauer haben mir nach der Vorstellung gesagt, dass mein Tanz sie so berührt hat und sie
geweint haben. Es war nicht nur die Musik, die mir diese Ausdrucksstärke gegeben hat, sondern auch Ihre Stimme, die in meinem Kopf beim Tanzen so lebendig und so präsent war. Es
war ein Genuss, gleichzeitig eine Herausforderung für die Musiker und für mich, mit Umm
Kulthums Lied zu arbeiten."
Elham Manea, Dr. phil., Zürich, 10. März 2006.
Manea ist 1966 in Ägypten geboren. Ihre Mutter stammt von Ägypten, ihr Vater von
Jemen. Seit elf Jahren lebt Manea in der Schweiz. Sie ist Politologin, Autorin und Dozentin
der Philosophischen Fakultät Zürich. Ihre Forschungsinteressen sind interne Politik der arabischen Länder, die Demokratisierung im Mittleren Osten und die Rolle der Frauen in der
islamischen Welt. Manea lebt in Bern, ist mit einem Schweizer verheiratet und hat eine
sechsjährige Tochter. Elham Manea: "Umm Kulthum wird noch heute durch den Film verbreitet und vermarktet: "Die Serie, eine dramaturgische Verfilmung von Umm Kulthums Leben,
eine Art Soap Opera, hatte riesigen Erfolg. (...) Es gibt keine vergleichbare Person wie Umm
Kulthum im arabischen Raum. Ja, ich würde es begrüssen und zwar in der gleichen qualititativen Konstellation mit Poesie, Musik und Gesang."230
Haissam Salah Eddine, Zürich, Interview, 4. Mai 2006.
Haissam, Musiker, Komponist und Produzent für orientalische Musik, ist 1953 in Damaskus geboren. Er studierte am Konservatorium in Beirut orientalische und westliche Musik. Seit 1986 lebt er in der Schweiz, ist mit einer Schweizerin verheiratet und hat zwei Töchter. Seine neuste CD 'Aus der Tiefe meiner Seele', 'From the Depeths of my Soul', 2006 erschienen, enthält das Lied von Umm Kulthum: 'Enta omri', 'Du bist mein Leben', das 8:34
Minuten dauert. Haissam: Salah Eddine: "'Du bist mein Leben', sang Umm Kulthum vor fast
230
Manea, Elham: Interview, 10. März 2006.
Eja Bellmont · Juni 2006
54
fünfzig Jahren. Sie wiederholte traditionsgemäss die Strophen mehrmals und variierte dabei
mit ihrer Stimme. Dies habe ich im Arrangement gezeigt, indem ich die Geige, die Laute und
die Flöte in dieser Art die Strophen spielen lasse."
Khaled Seif Abou Zeid, Zürich, 23. Februar 2006.
Khaled Seif ist 1963 in der Stadt Mahalla geboren, etwa 100 Kilometer nördlich von Kairo. Khaled lebt seit 17 Jahren in der Schweiz. Seit seiner Kindheit fühlt er sich mit dem Tanz
verbunden, was ihn unter anderem zu Auftritten im ägyptischen Fernsehballett führte. Sein
Studium absolvierte er an der Kunstakademie Kairo (Bühnenbild und Dekoration). In Zürich
gründete er eine Tanzschule und im Badener Tanzzentrum bildete er sich zum Tanz- und
Sportpädagogen aus. Mit neun seiner besten Schülerinnen bildet er die Khaled-Seif-Gruppe
mit Auftritten in der ganzen Schweiz. Khaled ist ein Meister des orientalischen Tanzes, der
über umfassende Kenntnisse sämtlicher Aspekte und Stilrichtungen verfügt. Er hat eine Familie mit einer Tochter und einem Sohn. Khaled Seif: "Ich arbeite auch mit den Tanzliedern
von Omm Kalthum. Sie sind schwierig und mache ich erst mit den Profitänzerinnen." - "Mein
Bruder, Nasser Seif, ist Schauspieler in Ägypten und hat in der Fernsehserie 'Om Kalsoum'
Umm Kulthums Bruder Khaled gespielt. Diese Serien sind vor gut drei Jahren täglich während der Ramadanzeit im Fernseher ausgestrahlt worden. Dann wurde die Serie in andere
arabischen Länder weiterverkauft, wo sie noch heute zu sehen ist."
Mohamed Abdel Aziz, Dr., Zürich, Interview, 5. April 2006.
Abdel Aziz, 1945 in Alexandria geboren, ist Elektroingenieur, Autor, Gründer (1998) und
Leiter des Kulturzentrum Diwan in Zürich. Das Zentrum bietet unter anderem Arabischkurse,
orientalische Veranstaltungen und Reisen in die arabische Welt an. Abdel Aziz versteht rund
25 arabische Dialekte und hat eine Vorliebe für die ägyptische Poesie. Daneben interessiert
er sich für Sport, wobei er selbst in Ägypten Leichtathletikmeister wurde und 1964 eine
Goldmedaille an der arabischen Olympiade gewann. Abdel Aziz lebt seit 1985 in der deutschen Schweiz, ist verheiratet und hat eine Tochter und zwei Söhne. Abdel Aziz: "Sie ist eine
Frau, die mich inspirieren kann. Beim Hören ihrer Stimme, bin ich in der Lage zu schreiben.
Umm Kulthum übermittelt mir schöne Gefühle, dabei kommen mir neue Bilder und Ideen und
je nach Stimmung schreibe ich unterschiedliche Texte. Bei all den schönen Liedern, kann ein
einzelnes Wort für die Entstehung eines Gedichts genügen, wie zum Beispiel das Wort
'Hoffnung'. Meine erstes Gedicht schrieb ich nach dem Vorfall in Luxor. Mit diesem Gedicht
'Unfassbar' schöpfte ich wieder Hoffnung. Zu meinem Erstaunen wurde es in den Zürcher
Zeitungen gedruckt." (Gedicht siehe folgende Seite)
55
Eja Bellmont · Juni 2006
Unfassbar
Auch wenn im Dunkel
Das Lächeln wird wieder
Das Herz zerbricht
Den Weg finden
Auch wenn der Verstand stirbt
Zum Gesicht
Und nur die Gewalt spricht
Ich werde an Dich
Wenn das Gewissen schläft
Wie immer denken
Und nur der Wahnsinn herrscht
Und beim Sonnenaufgang
Wenn man die Ruhe
Schreibe ich Dir ein Gedicht
Der Götter stört
Wir müssen lernen
Wenn das schlechte Wetter
Die Schmerzen zu vergessen
Nicht aufhört
Wir müssen denken
Wenn die Erde überall bebt
Morgen wird es besser
Wenn eine graue Wolke
Denn die Sonne
Den Himmel des Friedens abdeckt
Wird wieder erscheinen
Wenn die Gefühle sich zerreissen
Und die Liebe
Und die Hoffnung sich umbringt
Wird uns wieder vereinen
Wenn uns etwas
Unfassbares überströmt
Und der Fluss der Traurigkeit
Mohamed Abdel Aziz
Unsere Ufer entdeckt
(nach dem Attentat in Luxor, November 1997)
Eja Bellmont · Juni 2006
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Repräsentation und Rezeption Umm Kulthum in der Literatur
Im Laufe meiner Arbeit interessierte mich, wie Umm Kulthum in der arabischen Literatur
rezipiert wird. Dabei beschränkte ich mich auf die Autoren Jehan Sadat, Nagib Machfus, Muhammad Al-Bissati, Michael Lüders, Zeina B. Ghandour und Navid Kermani. Sie stammen
aus Ägypten, Libanon, dem Iran oder Deutschland und sind zwischen 1911 und 1967 geboren. Die Autoren stellen Umm Kulthum mit nahezu identischen Aussagen als die faszinierendste Sängerin der ganzen arabischen Halbinsel dar. Die literarische Einbindung Umm
Kulthums widerspiegelt Stimmungen, sei dies in der Teilnahme der arabischen Bevölkerung
am Politischen oder sei dies im Liebesschmerz oder in der Liebesfreude. Ihre Rpräsentation
weist auf die Künstlerära der arabischen Musik ab den 30er Jahren und des Filmschaffens
seit den 50er Jahren in Ägypten.
Jehan Sadat ist 1938 geboren. In der Biografie 'Ich bin eine Frau aus
Ägypten' erzählt Jehan Sadat aus ihrem bewegten und einflussreichen
Leben auf der Seite des Präsidenten Anwar Sadat. Mit grossem Engagement
in der Öffentlichkeit setzte sie sich vor allem für die Rechte der muslimischen
Frauen ein.
Machfus Nagib ist am 11. Dezember 1911 in Kairo geboren. Studium
der Philosophie, Drehbuchautor, Literatur-Nobelpreisträger 1988 und gegenwärtig freier Mitarbeiter bei der halbamtlichen ägyptischen Tageszeitung
Al-Ahram. Machfus ist der Romancier von Kairo. Man nennt ihn den Balzac
Ägyptens und rückte ihn in die Nähe von Tolstoi, Dickens und Thomas
Mann. Treffender ist es jedoch, Machfus den Vater des ägyptischen Romans zu nennen.
Al-Bissati Muhammad ist 1937 in Gamalija bei Port Said in Ägypten geboren. Er studierte Wirtschaftwissenschaft und lebt als Schriftsteller in Kairo. Sein Werk 'Häuser hinter
den Bäumen, Roman aus Ägypten' ist 2005 erschienen.
Michael Lüders,1959 geboren, lebt in Berlin. Er studierte arabische Literatur und Islamwissenschaft. Lüders ist Kenner und gleichzeitig Liebhaber der arabischen Welt. 2004
erschienen das Buch 'Im Herzen Arabiens, Stolz und Leidenschaft'.
Zeina B. Ghandour, geboren 1966 in Beirut/Libanon. Sie lebt und arbeitet in London. Im
Jura-Studium war ihr Schwerpunkt das jüdische und islamische Recht. Sie ist Wahlbeobachterin für die UN in verschiedenen Ländern Asiens, Afrikas und des Nahen Ostens und Dozentin am London College of Legal Studies. 2004 ist ihr Roman 'Der Honig' herausgekommen.
Eja Bellmont · Juni 2006
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Navid Kermani, geboren 1967, deutscher und iranischer Staatsbürger, ist Islamwissenschaftler, Philosoph und Theaterwissenschaftler und lebt in Köln. 2003 erschien seine Reiseberichte im Band 'Schöner neuer Orient, Berichte von Städten und Kriegen
Musikfilme von Umm Kulthum231
Nach den ersten Stumm- und Tonfilmen etablierte sich der Musikfilm mit grosser Beliebtheit. Muhammad Abd al-Wahhab brachte im Jahre 1933 mit 'al-Warda al-bayda', 'die
weisse Rose' den ersten Musikfilm heraus und hatte damit durchschlagenden Erfolg.
1936 wurde ’Widad’ mit Umm Kulthum uraufgeführt. In diesem Film spielt Umm Kulthum
die Rolle von Widad, einer mamlukischen Gesangssklavin, die von ihrem Herrn geliebt wird.
Durch ein Unglück verliert er eines Tages sein Vermögen und muss Widad einem neuen
Herrn verkaufen. Mit diesem führt sie ein trauriges Leben. Als ihr alter Herr wieder zu Reichtum gelangt, holt er sie zurück. Widad hatte einen Riesenerfolg und wurde schliesslich im
internationalen Filmfestival in Venedig vorgeführt.
1937 erschien ’Naschid al-amal’, 'Hymne der Hoffnung': Umm Kulthum spielt darin eine
moderne Frau, die Ehefrau eines verhafteten Kriminellen. Um die Kosten ihrer kranken Tochter zu decken, arbeitet sie als Sängerin und Schauspielerin. Es entwickelt sich eine Liebesbeziehung mit dem Kinderarzt. Als ihr Ehemann aus dem Gefängnis entlassen wird, will er
seine Gattin ermorden. Dabei wird er von der herbeigerufenen Polizei getötet. Sie und der
Kinderarzt heiraten und sie kann als Filmstar Karriere machen.
Im dritten Film ’Dananir’ um 1940 spielt Umm Kulthum wiederum eine berühmte Sklavensängerin aus der Abbasidenzeit unter Dscha'far al-Barmaki.
In der Oper 'Ayida’, 1942, übernimmt Umm Kulthum die Rolle eines ägyptischen Bauernmädchens, das Opernsängerin werden möchte. Der Sohn des Landbesitzers, in dem Ayidas Vater arbeitet, verliebt sich in sie. Doch es stehen ihm zu viele Hindernisse im Weg.
Dank eines Stipendiums des Instituts für arabische Musik erhält die junge Ägypterin die
Hauptrolle einer arabischen Version der Oper Aida. Dabei erntet sie grosse Anerkennung.
Einer der ersten Gratulanten ist der Sohn des Landbesitzers.
1945 erschien erneut ein Film mit Umm Kulthum als Gesangssklavin ’Sallama’ aus der
Ummayyadenzeit. In dieser Rolle rezitiert sie als erste Muslimin im Film Koranverse.
’Fatma’, 1947, spielt wie 'Naschid al-amal' im damaligen Kairo. Umm Kulthum stellt eine
Krankenschwester dar und pflegt in der Rolle von Fatma einen Pascha. Dessen Bruder ver231
Vgl. Gsell, Stefanie, S. 33-38.
Eja Bellmont · Juni 2006
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heiratet sich mit ihr, obwohl sie Widerstände zeigt. Schon bald verlässt er sie wieder. Fatma
aber gebärt einen Sohn von ihm. Da greift der Pascha ein. Er möchte einen Handel mit Fatma abschliessen und sie davon abhalten, seinem Bruder vom Kind zu erzählen. Durch die
Unterstützung der Nachbarn bringt Fatma den Fall vor Gericht und gewinnt.
Diese beiden letzterwähnten Filme gehören zu den beliebtesten Filme von Umm
Kulthum. Nach einer Pause übernahm sie mit dem weiblichen Gesangspart im Filmes 'Rabi'a
al-Adawiyya' 1955 wieder eine Rolle. Der Film erzählt das Leben einer islamischen Mystikerin des 8. Jahrhunderts. Als Waisenkind wird Rabi'a früh eine singende und Nay spielende
Sklavin. Ihr Herr behandelt sie schlecht und sie fleht zu Gott. Als dann ihr Herr sie von einem
Heiligenschein umhüllt sieht, schenkt er ihr die Freiheit. Rabi'a weiht von diesem Zeitpunkt
an ihr Leben der Verehrung Gottes.
CD als Beilage
Ein Mythos - Umm Kulthum - Stimme Ägyptens
INTA OMRI
1. Inta Omri von Umm Kulthum & Abd el-Wahhab (1964) 59:21
2. Inta Omri von Haissam Salah Eddine (2006) 8:34
Siehe zum Lied Inta Omri Kapitel 'Die Bewahrerin des Turath-Erbes' S. 25 und 'Die Trägerin
des Kollektiven in der Epoche des Panarabismus' S. 38; Liedtext S. 48-51.
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Eja Bellmont · Juni 2006
Herzlichen Dank an
Frau Prof. Dr. Marion Strunk (Studienleiterin)
Sigrid Adorf, lic.phil. (Mentorat)
Dr. Benjamin Marius Schmidt (Mentorat)
Fabienne Böni, Claudia Blersch (Diplomprojekt Verführerische Stimmwelten)
Elham Manea, Assale Ibrahim (Interviewpersonen)
Haissam Salah Eddine, Khaled Seif, Mohamed Abdel Aziz (Interviewpersonen)
Beat Funk (Inputs)
Dagmar Kopse, Stefan Hilbrand in Pakistan, (Gegenlesen)
Louis A. Voellmy (Layout)
Widmung
An alle Personen aus dem arabischen Raum, die in der Schweiz leben
und im Speziellen meinen drei Kindern
Ariane und Miro und Xenia