Lebensberatung
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Lebensberatung
Lebens-Beratung als kreativer Prozeß Gottfried Freudmann Lebens-Beratung als kreativer Prozeß Abschlußarbeit von Gottfried Freudmann für die Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater bei Sympaideia INHALT Was bewegt Menschen? 4 Idee 6 I. Leben und Lebens-Beratung 7 1 Leben 7 1.1 Was ist Leben? 7 1.2 Ein Modell des Lebens 8 2 Bewegung Kräfte Individualität 7 7 8 Modelle und Methoden Der Film des Lebens Fünf Dimensionen des Lebens Störungen Ausgeglichenheit Entwicklung 8 9 9 10 10 10 Lebens-Beratung 12 2.1 Das Leben als Ganzes 12 2.2 Der Lebensberater im Film des Klienten 13 Das Wesentliche erkennen Vereinigung von Logik und Intuition Einstieg Meilensteine und Wendepunkte finden Störungen aufspüren Ein Wunschbild schaffen Drehbuch, Inszenierung und Spiel - 1 - 12 12 13 13 13 14 14 II. Lebensberatung ist wie ein Tanz 15 1 Begegnung 15 2 Signale 15 3 Einladung 16 4 Führen und führen lassen 17 5 Ein Bild Deiner Welt 17 6 Vertrauen 17 7 Beziehung 18 8 Ermutigung 18 9 Zeit und Aufmerksamkeit 19 10 Kontakt 19 11 Nähe und Distanz 19 12 Berührung 19 13 Bewegung 20 14 Impulse 20 15 Schritte 20 16 Feedback 20 17 Unter-Stützung 21 18 Hindernisse 21 19 Auch ins Dunkel 22 20 Erleben 22 21 Emotionen 22 22 Veränderung 22 23 Selbständigkeit 23 24 Loslassen 23 - 2 - III. Das Familien-Spiel 24 1 Einleitung 24 2 Phasen 25 3 Genogramm 25 4 Spiel 25 4.1 Auswahl 25 4.2 Aufstellung 26 4.3 Veränderungsimpulse 27 4.4 Abschluß 27 5 6 Resumee 28 5.1 Absichten und Wirkungen 28 5.2 Abgrenzung zur Familienaufstellung nach Hellinger 30 Bewusstseinsentwicklung Erkenntnisse über Zusammenhänge, Wechselwirkungen Kreativität Identitätsfindung und Orientierung Ermutigung Stärkung von Selbstwert und Sicherheit Empfindsamkeit Berater 28 28 28 29 29 29 29 29 Beispiele 31 6.1 Holly – Abgrenzung (März 97) 32 6.2 Emily - Kräfte (Mai 98) 35 6.3 Romy – Nähe (Mai 98) 40 6.4 Linda – Druck (Juli 98) 43 6.5 Hilary - Nahrung (Juli 98) 47 6.6 Gloria - Versöhnung (Oktober 98) 54 6.7 Simone - Mißbrauch (Oktober 98) 59 6.8 Elvira – Söhne (März 99) 66 6.9 Helen – Männer (April 99) 75 Übersichtstabelle 80 - 3 - Was bewegt Menschen? Was bewegt Menschen, Lebens-Beratung in Anspruch zu nehmen? Neugier? Wunsch nach Veränderung? Probleme, mit denen man selbst nicht zurecht kommt? Der Traum von einem besseren Leben? Wunsch nach erfüllten Beziehungen? Was bewegt Menschen, Lebens- und Sozialberater zu werden? Der Wunsch nach einem neuen, erfüllenden Beruf? Nach neuen Methoden, nach neuen Umgangsformen mit Menschen? Der Wunsch, anderen zu helfen, ihre Probleme in den Griff zu bekommen? Der Anspruch, die Welt ein kleines bißchen lebenswerter und liebevoller zu machen? Der Wunsch, selbst ein „neuer“ Mensch zu werden? Was lernen Lebens- und Sozialberater? Sich selbst und ihren Klienten zu helfen, neue Möglichkeiten, Fähigkeiten, Sichtweisen, Handlungsmöglichkeiten in ihrem Leben zu finden. Lebens- und Sozialberatung betrifft also das Leben des Menschen als Individuum in seinem sozialen Umfeld – sowohl das des Klienten als auch das des Beraters. Beratung wird dann erfolgreich und befriedigend sein, wenn möglichst alle Beteiligten daraus Nutzen ziehen können. Auf den Punkt gebracht könnte man sagen, Beratung soll ermöglichen, Neues durch Veränderung zu schaffen: Für den Klienten beispielsweise Ängste und Unsicherheiten überwinden und in Lebensmut und Lebensfreude zu transformieren mit Problemen besser zurechtkommen: besser damit leben oder sie selbst lösen können Grenzen setzen und ihre Respektierung verlangen eigene Bedürfnisse erkennen und artikulieren eigene Ziele formulieren und Schritte zur Erreichung setzen neue Sichtweisen eröffnen, die zu mehr Verständnis und mehr Zufriedenheit führen neue Möglichkeiten zu leben und zu handeln mit anderen Menschen befriedigende Beziehungen eingehen können durch eigene Veränderung Veränderungen im sozialen Umfeld bewirken Für den Berater beispielsweise abwechslungsreiche und befriedigende Arbeit Erfolgserlebnisse durch Fördern und Miterleben von menschlicher Entwicklung neue Erfahrungen und Erkenntnisse die eigene Kompetenz sichern und verbessern eigene Methoden der Beratung und Begleitung entwickeln - 4 - Was liegt also näher, die Beratung als kreativen Prozeß zu verstehen, in dem Berater und Klient gemeinsam versuchen, die erwünschten neuen Elemente in ihrem Leben zu finden, zu erschaffen und zu gestalten. Der Berater hat dazu das notwendige Handwerkszeug gelernt. Er erkennt schon vorhandene und noch erforderliche Ressourcen sowie bestehende Hindernisse und hat Ideen, die dem Klienten weiterhelfen können. Der Klient kennt seine eigene Welt am besten. Es fehlt oft nur an kleinen Impulsen, sie aus einer anderen, höheren Perspektive zu betrachten, die eigenen, oft verborgenen Fähigkeiten aufzuspüren, zu stärken und zu nutzen, seinen eigenen Wert zu finden, neue Handlungsmöglichkeiten und Verhaltensweisen zu erschaffen, die Veränderungen einleiten und nachhaltig absichern. - 5 - Idee Im Leben des Menschen können also Probleme auftauchen, die er nicht mehr alleine bewältigen kann oder will. Lebens-Beratung ist eine Möglichkeit professioneller Hilfe. Sie soll dem Hilfesuchenden ermöglichen, durch Veränderungen seinen momentanen Problemen gewachsen zu sein, seinen eigenen Weg durchs Leben zu finden und selbständig weiterzugehen. Die Lebens-Beratung selbst ist ein Teil seines Weges, und ein Teil des Weges des Lebens-Beraters. Deshalb ist auch eine gute Beziehung zwischen Berater und Klient enorm wichtig. Es gibt sicherlich unterschiedliche Ansätze für Lebens-Beratung. Ich möchte sie als kreativen Prozeß sehen: Mein Wunsch ist, daß der Klient seine verborgenen Ressourcen entdecken, entwickeln und nutzen kann, um seinen weiteren Lebensweg kreativ und selbstbestimmt zu gestalten. Als Lebens-Berater möchte ich mit kreativen Impulsen die Kreativität des Klienten fördern und dadurch bewirken, daß der obige Prozeß in Gang kommen kann. Die vorliegende Arbeit habe ich in drei Abschnitte gegliedert: I. Leben und Lebens-Beratung. Einleitend möchte ich mich mit dem Leben beschäftigen, dem eigentlichen Arbeitsgebiet des LSB. II. Lebensberatung als Tanz. Meine Arbeit als Lebensberater möchte ich metaphorisch als kreativen Tanz mit dem Klienten beschreiben. In der Metapher soll mein Selbstverständnis als Lebens- und Sozialberater und das Wesentliche meiner Arbeitsweise deutlich werden. III. Das Familienspiel. Zu einer speziellen Methode der Beratung, die diesem Ansatz entspricht, hat mich eine Klientin inspiriert. Ich möchte sie „Familienspiel“ nennen: Die Aufstellung der Familie mittels Figuren. Diese Methode und damit gewonnene Erfahrungen möchte ich hier beschreiben. - 6 - I. Leben und Lebens-Beratung 1 Leben Leben ist per definitionem das Arbeitsmedium des Lebens- und Sozialberaters. Deshalb finde ich es wichtig, mir darüber einige grundsätzliche Gedanken zu machen, und zwar speziell über jene Aspekte, die mir für die praktische Arbeit als Lebens- und Sozialberater bedeutsam scheinen. 1.1 Was ist Leben? Bewegung Ein wichtiges Charakteristikum von Leben ist Bewegung. Unbelebte Dinge bewegen sich zwar auch, allerdings kommen da Energie, Bewegungs- und Steuerungsimpulse von außen. Das ist ein wichtiges Unterscheidungskriterium zu lebenden Organismen: Die Bewegung kommt von innen, vom Organismus selbst. Das gilt für den Einzeller ebenso wie für einen aus Milliarden hochspezialisierter Einzelzellen und Zellgruppen aufgebauten Organismus wie den Menschen. Wenn lebende Wesen zusammenleben, entsteht eine weitere Bewegung, die sich aus den von innen kommenden Bewegungen der Einzelorganismen und den Reaktionen auf die Begegnung und Verbindung mit anderen Organismen ergibt. Die gesamte Bewegung eines einzelnen Lebewesens setzt sich also zusammen aus der inneren Bewegung und der Reaktion auf oder Anpassung an äußere Bewegungen. Die Bewegung von innen schafft Veränderung, ist also schöpferisch, kreativ. Kräfte Die Bewegung entsteht durch das Wirken von Kräften wie Anziehung oder Abstoßung, Kontraktion oder Expansion, Füllung oder Entleerung, Kampf oder Flucht. Auf den Menschen bezogen ist Leben ein Spiel von verschiedenen Kräften innerhalb eines Menschen, zwischen zwei Menschen und in kleinen und großen Gruppen von Menschen. Je freier diese Kräfte wirken können, umso schneller und besser wird sich ein Gleichgewicht einstellen können, das sich selbst regelt und weiterentwickelt. Dadurch entsteht im Wechsel Leere und Überfülle. Diese Extremzustände versuchen sich langfristig gesehen auszugleichen: Leere will gefüllt werden, Fülle will Leere auffüllen. Neues entsteht durch „Krisen“, das heißt durch ein Überschreiten einer quantitativ „kritischen“ Grenze, die nur durch eine neue Qualität wieder ins Gleichgewicht gebracht werden kann. Je mehr ein Organismus „aus dem Gleichgewicht“ ist – ein einzelner Mensch, ein Paar, eine Familie, ein Arbeitsteam, ein Verein, ein Volk, ein Staat, die gesamte Menschheit, die Natur – umso größer werden die Probleme und umso schwieriger wird es, das - 7 - Gleichgewicht wieder zu finden. Je größer gewisse Defizite sind, umso größer sind Ängste, Unsicherheit, Mutlosigkeit – aber umso größer ist auch der Wunsch, das Bedürfnis, der Drang, diese Defizite auszugleichen und so das Gleichgewicht zu erreichen. Um ein Gleichgewicht zu finden in diesem Spiel von Kräften bedarf es gewisser Voraussetzungen und Fähigkeiten. Der Mensch braucht eine Idee, eine Vorstellung, ein Bild von einem Wunschzustand, und Ideen, Möglichkeiten und Fähigkeiten, diesem Wunschzustand näherzukommen. Individualität Jeder Mensch ist einzigartig. Er hat ganz individuelle Zustände in körperlicher, seelischer, geistiger Hinsicht. Seine Ressourcen, Defizite, Blockaden, Ängste, Bedürfnisse, Verhaltensweisen usw. können zwar mit jenen anderer Menschen verglichen werden und lassen sich bis zu einem gewissen Grad kategorisieren, analysieren, berechnen, ja sogar vorhersagen. Die dynamische Entwicklung des Menschen durch Zeit und Raum unter dem Einfluß von Umweltfaktoren und seine innere Entwicklung möchte ich jedoch immer individuell sehen. 1.2 Ein Modell des Lebens Modelle und Methoden Jedes Modell eines komplexen Systems ist notwendigerweise vereinfachend und kann nur einen kleinen Teil oder Teilaspekte des Systems und seiner dynamischen Entwicklung darstellen. Ein Mensch und sein Leben ist ein sehr komplexes System. Jede therapeutische oder beratende Methode kann ebenfalls nur einen kleinen Teil oder Teilaspekte des menschlichen Systems beeinflussen, kann jedoch dazu beitragen, dem Menschen große Veränderungen zu ermöglichen. Modelle und Methoden sind für mich nur Hilfsmittel und daher nicht auf jeden Menschen zu jedem Zeitpunkt gleichermaßen anwendbar. Unpassend angewendete Modelle und Methoden können sehr leicht zu unzutreffenden Hypothesen und in der Folge zu unpassenden Interventionen (ver)führen. In der Praxis ist es aber gar nicht anders möglich, als sich an gewissen Modellen zu orientieren und mit gewissen Methoden zu arbeiten. Gleichzeitig ist es mir aber ganz wichtig, darüber nicht die Einzigartigkeit jedes Klienten zu vergessen, mit dem ich arbeite, seine Lebenssituation, seine Möglichkeiten zu berücksichtigen und gegebenenfalls meine Modelle und Methoden zu relativieren, anzupassen, zu korrigieren. Man könnte sagen, daß Modelle und Methoden der linken Hemisphäre entspringen und die Wahrnehmung und Berücksichtigung des Klienten als individuelle Ganzheit der rechten. Das Zusammenspiel dieser beiden Aspekte unter Nutzung der jeweiligen Stärken von Logik und Intuition ist mein Ziel. Es gibt zwar schon viele Modelle des menschlichen Lebens, auch viele brauchbare, ich möchte aber trotzdem für mich ein möglichst einfaches und doch möglichst umfassendes Modell definieren, an dem ich mich orientiere – mit dem Bewußtsein der Problematik von Modellen im Hintergrund. - 8 - Der Film des Lebens Um das Leben modellhaft beschreiben zu können, möchte ich es mir wie einen Film vorstellen. Der Film des Lebens besteht aus einer zeitlichen Abfolge von Bildern. Die Bilder geben Momentaufnahmen der Lebenssituation zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder. Zwei aufeinanderfolgende Bilder unterscheiden sich in der Regel voneinander kaum. Einschneidende Ereignisse, die quasi einen Schnitt im Film des Lebens darstellen, können jedoch große plötzliche Veränderungen verursachen. Abgesehen von solchen Schnitten wird jedoch Veränderung bzw. Entwicklung nur über einen längeren Zeitraum sichtbar. Auf dem Einzelbild ist der Körper des Menschen sichtbar und die Umgebung, in der er sich befindet. Erscheinungsbild, Gesichtsausdruck, Körperhaltung und die Beziehungen zur Umgebung wiederspiegeln vielleicht seine momentane seelische Verfassung. Seine Gedanken sind weitestgehend unsichtbar. Schon ein solcher Film ist eine Reduzierung auf einzelne Momentaufnahmen. Aus dieser Vorstellung leite ich das folgende Modell ab, das mir helfen soll, mich in der Beratung zu orientieren. Fünf Dimensionen des Lebens Das Leben eines Menschen möchte ich in fünf Dimensionen abbilden: Drei Dimensionen für sein Innenleben, die vierte für sein Außenleben, die fünfte als zeitliche Dimension seines Lebens. Körper (K): Sein körperlicher Gesundheitszustand – wie gut funktioniert sein Organismus Seele (S): Seine seelische Verfassung – was fühlt und empfindet er Geist (G): Seine geistige Verfassung – wie denkt er Umfeld (U): Seine Lebenssituation – wo, wie, mit wem lebt er Biografie (B): Seine Lebensgeschichte – was hat er alles erlebt; der Film seines Lebens bis zum heutigen Tag B Die ersten vier Dimensionen K, S, G und U sind auf jedem einzelnen Bild aus seinem Lebensfilm für den jeweiligen Zeitpunkt abgebildet. G G S S K K Die fünfte Dimension B kennzeichnet sein bisheriges Leben, seinen Lebenslauf, also die Folge dieser Einzelbilder. Die zeitliche Dimension ist durch ein ganz bestimmtes Datum selbst linear, also durch eine ganz bestimmte Datums- und Zeitangabe zu charakterisieren. Die anderen Dimensionen sind selbst wieder aus vielen Elementen zusammengesetzt, also nicht - 9 - U einfach und schon gar nicht vollständig zu beschreiben. Daher möchte ich mich hier in diesen Dimensionen bewußt auf einen „unscharfen“ Gesamteindruck beschränken. Diese Dimensionen stelle ich mir wie übereinanderliegende Schichten des Einzelbildes vor, wie einzelne Ebenen, die natürlich nicht ganz klar voneinander zu trennen sind. Störungen Diese 5 Dimensionen hängen natürlich zusammen und beeinflussen sich gegenseitig: Gesundheitliche Probleme beschäftigen den Geist, belasten die Seele, beeinflussen vielleicht auch sein Umfeld. Seelische Störungen können körperliche Symptome auslösen, beschäftigen den Geist und haben ebenfalls Auswirkungen auf das Umfeld. Denkweise, Gedanken können den Körper krankmachen oder heilen, die Seele niederdrücken oder aufmuntern, und haben über die Handlungen des Menschen Auswirkungen auf sein Umfeld Extreme Schwierigkeiten auf einer Ebene wirken auch belastend oder störend auf andere Ebenen. Wenn in einer dieser Dimensionen ernsthafte Störungen vorliegen, dann wird es ohne deren Behebung kaum möglich sein, die Gesamtsituation zu verbessern. Unter Störung verstehe ich hier ein Ungleichgewicht, einen extremen, akuten oder chronischen Mangel oder Überfluß auf einer oder mehreren Ebenen oder auch eine Spaltung oder Disharmonie zwischen zwei oder mehreren Ebenen. Ausgeglichenheit Je harmonischer der Zustand der einzelnen Ebenen ist und je besser die Ebenen untereinander harmonieren, also sich in Übereinstimmung entwickeln, umso besser wird sich der Mensch an die sich verändernde Umwelt anpassen können, umso besser wird er seine Wünsche erfüllen, seine Ziele erreichen können in einem gesunden Körper, mit geistig/seelischer Zufriedenheit und ohne unüberwindlichen Widerstand seiner Umwelt. Entwicklung Wie das nächste Bild im Lebensfilm ausfällt, hängt also vom momentanen Zustand ab und von den Veränderungen, die Körper, Seele, Geist und Umfeld ausgehend vom IstZustand hin zum gewünschten Zustand vornehmen. Stark vereinfacht könnte man sagen, die Seele hat Wünsche, der Geist gibt die Befehle, der Körper führt sie aus und die Umwelt, die ja auch wieder aus ähnlich „funktionierenden“ Menschen besteht, „reagiert“ darauf. Über längere Sicht gesehen ergibt sich daraus die Prägung des Innen- und Außenlebens durch die bisherigen Lebenserfahrungen. Personen verschwinden, neue Menschen tauchen auf. Es gibt Schnitte und Szenenwechsel im Film des Lebens, schmerzliche und befreiende. Wie sein Film vom betreffenden Menschen wahrgenommen wird, ist sehr unterschiedlich. Er kann unbewußt ablaufen, der Mensch kann das Gefühl haben, machtlos dem Schicksal ausgeliefert zu sein, er kann fremdbestimmten Zielen und Ideen nachlaufen. Jeder Mensch kann selbst sehr großen Einfluß darauf nehmen, wie die nächsten Bilder seines Lebens ausfallen. Es hängt von seinem Denken, Fühlen, Wollen und Handeln ab, - 10 - also vom jeweiligen Zustand und dem Übereinstimmungsgrad der 3 inneren Dimensionen in meinem Modell, nicht nur von den äußeren Umweltfaktoren. Er selbst kann Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller im restlichen Film seines Lebens sein. Er muß sich nicht damit begnügen, in einem Film weiterzuspielen, den andere erdacht, inszeniert und gespielt haben. Er muß nicht ihm von anderen zugewiesene Rollen in einem fremden Film spielen, sondern er kann versuchen, er selbst in seinem eigenen Film zu sein. Ich bin überzeugt, daß diese grundlegende Wandlung viele Folgeprobleme wie von selbst löst, weil sie zu Selbständigkeit, Eigenverantwortung, Handlungsfähigkeit, Bewußtheit und damit zu Erfolg, Zufriedenheit und Glück führt. Ich habe diese Erfahrung selbst erlebt und Ähnliches auch bei einigen meiner KlientInnen bemerkt. - 11 - 2 Lebens-Beratung 2.1 Das Leben als Ganzes Mir ist es wichtig, das Leben des Menschen ganzheitlich zu sehen – möglichst viele Aspekte, Zusammenhänge, Hintergründe von Systemen und Prozessen, und doch als Ganzes, als lebende Gestalt. Das ist für mich die Voraussetzung, mir ein möglichst umfassendes Bild vom Klienten, seiner Welt, seinem Momentanzustand, seinen Bedürfnissen und Wünschen, seinen Fähigkeiten und Defiziten zu machen und ihn möglichst als ganzen Menschen eingebettet in seine momentane Lebenssituation vor dem Hintergrund seiner Lebensgeschichte wahrnehmen zu können. Das Wesentliche erkennen So wird es mir leichter möglich, das Wesentliche für die Beratung zu erkennen oder zu erspüren, und möglichst zu verhindern, mich in Oberflächlichem, Vordergründigem oder Unwesentlichem zu verzetteln. Das ist natürlich ein hoher Anspruch, aber ich glaube gerade in der heutigen Zeit angesichts der Überbewertung des Spezialistentums gegenüber ganzheitlichen Sicht- und Handlungsweisen eine große Chance für den Beruf des Lebens- und Sozialberaters. Dieser Ansatz bringt natürlich die große Herausforderung mit sich, aus der Informationsflut an verbalen und nonverbalen Botschaften sowohl in der Interaktion mit dem Klienten als auch in Vor- und Nachbereitung Wesentliches herausfiltern und in hilfreiche Impulse, Interaktionen und Interventionen umsetzen zu können. Vereinigung von Logik und Intuition, von System und Gestalt Daher ist mir das im vorigen Kapitel umrissene, auf Wesentliches reduzierte und doch möglichst umfassende Modell des wirklichen Lebens wichtig. Es soll mich sowohl in meinen logisch-planerisch-reflektierenden als auch in meinen intuitiv-emotionellkreativen Arbeitsphasen im Hinterkopf leiten und begleiten. Ich habe nämlich die Erfahrung gemacht, daß während der Beratungssitzung meine Intuition im Vordergrund, das logische, planende, analysierende, reflektierende Denken im Hintergrund stehen. Bei der Vorbereitung einer Sitzung und der Nachbereitung bzw. Reflexion ist es genau umgekehrt. Dem Anspruch der Ganzheitlichkeit glaube ich mich am besten annähern zu können, wenn es mir gelingt, systemischen Ansatz und Gestalt-Ansatz zu verbinden. Das wäre auch eine Vereinigung von logisch-analysierender und der intuitiv-holistischer Arbeitsweise. Der systemische Zugang ist ja eher logisch, analysierend, planend, der Gestalt-Zugang eher intuitiv, ganzheitlich, phänomenologisch. Eine Möglichkeit, diese beiden Zugänge parallel zu nutzen ist beispielsweise das in Teil III beschriebene „Familienspiel“. - 12 - 2.2 Der Lebensberater im Film des Klienten Einstieg Als Berater steige ich zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Film des Lebens meines Klienten ein, spiele eine Zeitlang in dem Film mit und steige wieder aus, wenn die Beratung beendet ist. Anfangs habe ich nur ein Bild von dem Bild, das den Ist-Zustand kennzeichnet. Ich versuche so viel über den bisherigen Film zu erfahren, als erforderlich ist, um den jetzigen Zustand des Menschen zu verstehen, jene markanten Bilder aus seiner Vergangenheit zu finden, deren besonderen Inhalte seinen Zustand und seine weitere Entwicklung noch beeinflussen. Meilensteine und Wendepunkte finden Vorerst ist es für mich als Berater wichtig, dem Klienten zu helfen, aus der langen Kette von Einzelbildern jene markanten Bilder und Schnitte herauszufinden, die für ihn so etwas wie Meilensteine, Weggabelungen oder Wendepunkte in seinem bisherigen Leben waren. Das kann ihm auch helfen, zu erkennen oder zu erleben, wie sein Film bisher gelaufen ist. Interessant sind Fragen wie: wer hat das Drehbuch geschrieben? wer hat die Inszenierung geplant? wer ist für die Dramaturgie zuständig? wer führt Regie? welche Schauspieler spielen welche Rollen? wo ist der Klient selbst in diesem Film? und auch Zukunftsfragen wie: wie könnte der Film weitergehen? wo liegen Möglichkeiten, den weiteren Ablauf günstig zu beeinflussen? was hindert mich noch daran, meine eigene Rolle zu spielen? wie könnte ein Happy-End aussehen? Schon die Beschäftigung mit solchen Fragen kann den Klienten animieren oder ermutigen, die weitere Gestaltung seines Lebensfilms in die eigene Hand zu nehmen. Störungen aufspüren Wie schon im vorigen Kapitel ausgeführt, ist es mir also wichtig, mögliche Störungen zu erkennen und vorrangig zu bearbeiten – jedoch immer im Gesamtzusammenhang aller 5 Dimensionen. Schon die Milderung oder Beseitigung einer Störung kann eine wesentliche Verbesserung der Gesamtsituation bewirken. Wichtig ist mir auch zu unterscheiden zwischen primärer und sekundärer Störung, also zwischen Quelle und Folgewirkung. - 13 - Für die Behandlung der Störungen im Detail sind die jeweiligen Spezialisten wie Ärzte und Therapeuten zuständig. Als Lebensberater sehe ich meine Aufgabe darin, dem Klienten zu helfen, sich selbst zu helfen, wo er kann, und Hilfe zu suchen und anzunehmen, wo er selbst sie zu brauchen glaubt. Ein Wunschbild schaffen Jeder Mensch hat Träume und Wünsche von seiner Zukunft. Sie können unbewußt sein, ungeordnet, nebulos, unrealistisch erscheinen. Ich möchte es meinem Klienten ermöglichen, sein Wunschbild von seinem Leben zu erschaffen, zu gestalten und Schritte zur Realisierung zu finden und zu setzen. Dazu ist Fantasie und Kreativität erforderlich, vom Klienten, aber auch von mir als Berater. Also versuche ich diese Fähigkeiten beim Klienten zu fördern. Wir gehen vom momentanen Lebens-Bild aus und orientieren uns am Wunschbild des Klienten, das es entweder schon gibt oder das in der Beratung zu entwickeln ist. Drehbuch, Inszenierung und Spiel Also gilt es für den Klienten, sein Drehbuch zu überprüfen, gegebenenfalls zu korrigieren oder neu zu schreiben, zu überlegen, wie dieses neue Drehbuch zu inszenieren ist, ob und wie die Bühne zu verändern ist, was vom bisherigen Bühnenbild brauchbar oder überholt ist, ob und wie die Rollenbesetzung zu verändern ist, welche vorhandene oder neue Requisiten nötig sind. Und dann kommt das Spiel des Lebens selbst: die eigene selbstgewählte, veränderte oder neue Rolle auch wirklich zu spielen. Die Rolle des Beraters Dabei kann ich als Lebens-Berater sehr hilfreich sein. Ich habe einen großen Werkzeugkoffer an wirksamen Methoden, ich habe einen Rucksack voll Erfahrungen, ich habe die Kraft und die Behutsamkeit, den Klienten auf seinem Weg ein Stück zu begleiten. Meinen Werkzeugkoffer und meinen Erfahrungsrucksack möchte ich so sparsam wie möglich einsetzen, um den jeweils aktuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten des Klienten gerecht zu werden und nicht durch ein Zuviel seine eigene Kreativität zu behindern. Mir ist es auch ganz wichtig, allen Versuchungen zu widerstehen, das Drehbuch nach meinen Vorstellungen umzuschreiben, die Regie an mich zu reißen, oder eine für mich selbst wichtige Rolle zu besetzen. Dieser Prozeß ist natürlich nicht einfach und allgemein im Konkreten zu beschreiben. Ich versuche es durch ein weiteres Modell: Die Lebens-Beratung als eine Art Tanz mit dem Klienten. - 14 - aus meinem Werkzeugkoffer Familienspiel Fantasiereisen Traumarbeit Märchenarbeit Tests Zielarbeit Identität und Selbstwert Beziehungsarbeit Rollenspiele Psychodrama Gedichte und Texte Zeichnen und Malen Musizieren/Trommeln Körperübungen Tanzen II. Lebensberatung ist wie ein Tanz Du möchtest, daß ich Dich auf einem Stück Deines Lebensweges begleite. Du willst ihn mit mir gehen, weil Du von mir etwas erwartest oder erhoffst, vielleicht Hilfe oder Ratschläge für die Lösung Deiner Probleme, vielleicht Anregungen für Veränderungen. Ich möchte Dich einladen, dieses Stück gemeinsamen Lebensweges als Tanz zu sehen, miteinander zu tanzen, ich als Berater, Du als Klient, als Klientin, jedoch als Tanz-Paar. 1 Begegnung Wir begegnen uns. Du kommst zu mir, ich komme zu Dir, oder wir treffen uns. Wir kommen ins Gespräch. Es kann sein, daß Du mir gleich Dein Herz ausschüttest, weil Du merkst, ich habe Interesse für Dich, ich nehme mir Zeit für Dich. Du vertraust mir. Du vertraust mir Dein Leid an, Deine Ängste, Deine Unzufriedenheit, vielleicht auch Deine Ziele, Deine Wünsche, Deine Träume. Ich höre Dir zu, ich versuche, dem Inhalt zu folgen und gleichzeitig Deine Botschaften aufzufangen. Bleibt es bei einer Begegnung, bei einem Austausch über die Befindlichkeit, einer Erleichterung durch Aus-Sprechen und Mit-Teilen? Oder möchtest Du mehr, eine Beratung, eine Begleitung? 2 Signale Wenn ich Signale vermute wie: Komm näher, nimm Kontakt mit mir auf, verstehe mich, hilf mir, laß mich nicht im Stich, dann versuche ich auf meine innere Stimme zu hören: Will ich das, traue ich mir das zu, bin ich sicher, daß Du das willst? Wenn es für mich paßt, dann gehe auf Deine Signale ein, ich gehe auf Dich zu, wie um einen Tanz mit Dir zu beginnen. Es kann auch sein, daß Du mich nicht zum Tanzen einlädst. Vielleicht weißt Du nicht, daß ich tanzen kann, daß ich mit Dir tanzen könnte, daß ich Zeit und Interesse hätte für einen Tanz mit Dir. Vielleicht möchtest Du mich nicht weiter „belästigen“. Vielleicht glaubst Du nicht, daß Dich ein Tanz mit mir ein Stück weiterbringen könnte auf Deiner Suche nach Deinem Weg. Wenn ich das Gefühl habe, Du möchtest mit mir tanzen, schickst mir aber keine eindeutigen Signale, dann lade ich dich ein zu diesem Tanz: Ich strecke dir meine Hand entgegen. Du nimmst sie an - oder auch nicht. Wenn Du meine Einladung nicht annimmst, ist es auch gut - Du brauchst mich nicht, zumindest nicht jetzt. - 15 - 3 Einladung Wenn ich Deine Einladung annehme oder Du meine, beginnt ein Tanz, ein Tanz von uns beiden in Deine Welt. Wenn Du schon in Bewegung bist, versuche ich mich Deiner Bewegung anzupassen. Wenn Du stehst und ich ein Bewegungsbedürfnis bei Dir verspüre, versuche ich Dich ganz sanft in Bewegung zu bringen. Wenn Du sitzt und ich einen Aufwärtsdrang merke, versuche ich Dir auf die Beine zu helfen. Wenn Du liegst und Dich aufrichten möchtest, versuche ich Dir zu helfen, Dich in eine bessere Position zu bringen. Ich will Dich dort abholen, wo Du gerade bist. Ich will nicht Dein Lehrer sein, der Dich lehren will, wie Du zu leben hast. Ich will kein Guru sein, der Dir sagt, was Du tun sollst, um Dein Schicksal zu wenden. Ich will nicht Dein Führer sein, dem Du blind hinterherläufst. Ich will nicht Dein Trainer sein, der Dich so lange üben läßt, bis Du mich perfekt kopieren kannst. Ich will kein Professor sein, der Dir genau erklärt, was Dir fehlt. Ich will kein Doktor sein, der Dir Rezepte verschreibt. Ich will kein Pfleger sein, der Dir Deine Verletzungen heilt. Ich will und kann kein Therapeut für Dich sein, der Dir hilft, weil Du dir selbst nicht mehr helfen kannst. Die Welt meiner Klienten in meiner Farbe zu streichen möchte ich tunlichst vermeiden Ich kann nicht Dein Geliebter sein, der Dir schenkt, was Du Dir ersehnst. Ich will auch nicht Dein Tanzlehrer sein, der Dir die Art des Tanzes und die einzelnen Schritte vorzeigt, die Du nachmachen und üben sollst, bis Du sie perfekt kannst. Von einigen diesen Rollen, vielleicht sogar von allen, steckt aber doch ein bißchen in mir. Ich möchte darauf achten, daß ich mich nicht dazu verführen lasse, in diese Rollen zu fallen, vor allem nicht unbewußt. Ich möchte mich nicht verführen lassen von meinen eigenen Anteilen an diesen Rollen, nicht von einer Situation im Beratungsprozeß, und nicht von Dir, Deinen Bedürfnissen, Deinen Signalen. Andererseits kann es sehr hilfreich sein, bewußt und für eine begrenzte Zeit in die eine oder andere Rolle zu schlüpfen und in angebrachter Dosis anzuwenden. Wenn es beispielsweise darum geht, einen Stillstand zu beenden und Dich in Bewegung zu bringen. Und dann sofort aus dieser Rolle auszusteigen, wenn diese Wirkung eingetreten ist. Bevor sie Dich zu Abhängigkeit verleitet, bevor sie für mich zum Selbstzweck wird. - 16 - 4 Führen und führen lassen Ich will Dein Tanzpartner sein, der sich führen läßt von Dir und Deiner Geschichte und von dem Du Dich führen läßt, solange Du ein bißchen Führung nötig hast. Führung, das heißt hier Schutz und Halt geben, Vertrauen vermitteln, Hindernissen ausweichen, die Richtung wiederfinden, Sicherheit gewinnen, damit Du Deinen Weg erkennen und ihm folgen kannst. Zuerst in Begleitung, dann alleine. Ich will einfach Dein Begleiter sein auf einem Stück Deines Weges durch Dein Leben. Wenn ich mit Dir tanze, ist die Hierarchie aufgehoben. Ich stehe nicht über Dir wie ein übermächtiger Vater, ich stehe nicht vor Dir wie ein bestimmender Chef, ich bin einfach bei Dir und bewege mich in Deinem Rhythmus, Du kannst mich spüren und Dich doch frei bewegen. Ich will mit Dir vielleicht verschiedene Tänze ausprobieren, um herauszufinden, welchen Du am liebsten tanzt. Es gibt ja beispielsweise systemische Tänze, Gestalt-Tänze, neurolinguistische Tänze. Es ist meine Aufgabe, für Dich passende Tänze vorzuschlagen, die mir für Dein Wesen, Deine Problematik, Deine Verfassung, die momentane Situation geeignet und hilfreich erscheinen. 5 Ein Bild Deiner Welt Indem ich Deinen Bewegungen folge, versuche ich mir ein Bild von Deiner Welt zu ertanzen. Indem ich mit dir tanze, bekomme ich eine Idee, wie Deine Welt für Dich sein könnte, wie Du sie erleben könntest. Ich versuche, Dich als ganzes Wesen zu erfassen, Dich im Rahmen Deines Umfeldes zu verstehen und mich davon leiten zu lassen. Ständig versuche ich, mein Bild von Dir und Deiner Welt zu ergänzen, zu vervollständigen, zu korrigieren, meine Ideen von Deinen zutagetretenden Mustern, Bedürfnissen, Ressourcen, Wünschen, Zielen, Möglichkeiten und möglichen Wegen zu Deinen Zielen im Kopf zu behalten. 6 Vertrauen Es ist mir wichtig, daß Du Vertrauen zu mir haben kannst. Nur so können wir gemeinsam tanzen. Nur so wird es Dir möglich, mit mir zu tanzen, Dich dem Kontakt mit mir anzuvertrauen, meinen Bewegungen, vielleicht meiner Führung. Du kannst die Augen schließen, wenn es für Dich besser ist, um besser auf Deine innere Stimme hören zu können. Ich achte auf Dich, solange Du sie geschlossen hast. Du kannst die Augen öffnen, wenn Du wieder Deinen Blick auf Deine Welt richten willst, um wahrzunehmen, was auf Dich zukommt, und Deine Bewegungen daran anzupassen. - 17 - 7 Beziehung Während wir miteinander tanzen, befinden wir uns in einer Beziehung. Ich kann üben, mit Dir in Beziehung zu sein, du kannst üben, mit mir in Beziehung zu sein. Meine Kompetentz und Sicherheit in Beziehung mit meinen Klienten wird sich festigen. Deine Fähigkeit, mit anderen Menschen in einer Beziehung zu leben, wird sich verbessern. Wir kommen uns durch unseren gemeinsamen Tanz nahe, vielleicht sehr nahe. Unsere Beziehung ist eine Beziehung zwischen zwei Menschen. Das ist ganz wichtig für unseren Tanz, wenn es für Dich ganz wichtig ist, daß Dir ein Mensch begegnet, der es Dir ermöglicht, wirklich weiterzukommen, Deinem Ziel näherzukommen. Weil er sich die dafür erforderliche Zeit nimmt, Dir Aufmerksamkeit, Interesse, Verständnis, Engagement, Kompetenz und Verantwortung entgegenbringt. Daher ist es auch eine Beziehung zwischen Berater und Klient. Das wollen wir beide nicht vergessen, um unser Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Ich will mich nicht von Dir verführen lassen und Dich nicht verführen zu etwas, was in unserer Beziehung keinen Platz haben kann. Ich will auf meine eigenen Grenzen, auf meine eigene Energie achten und auch auf Deine Grenzen achten, und darauf, daß auch Du Deine eigenen und meine Grenzen respektierst. Ich will nicht mit Dir einen Raum betreten, wo es für Dich oder für mich gefährlich werden kann. Der Tanz der Beratung kann immer nur ein Weg, nicht selbst das Ziel sein. Es liegt vor allem an mir, darauf zu achten. Im Tanz, in der Bewegung kommen wir auch in Kontakt mit anderen Menschen. Auch die Beziehung zu diesen Menschen, die Du schon kennst, oder kennenlernen wirst, wird sich vielleicht verändern oder anders gestalten. Du kannst diese Beziehungen anders gestalten. 8 Ermutigung Vielleicht hast Du als Kind nicht tanzen können, nicht tanzen dürfen. Vielleicht hättest Du dürfen, aber nicht können. Vielleicht bist Du ausgelacht, beschimpft, bedroht, geschlagen worden, als Du zu tanzen versucht hast. Vielleicht hat man Dir Tänze aufgezwungen, die Dir fremd waren, Die Du nicht mochtest, so daß Du jetzt auch nicht tanzen willst. Doch tief in Dir drin ist wohl der Wunsch, Deinen eigenen Tanz zu tanzen, tanzen zu dürfen, tanzen zu können. Ich möchte Dir helfen, diesem Wunsch nachzuspüren. Und wenn Du diesen Wunsch spüren kannst, dann will ich Dir helfen, diesen Wunsch zu verwirklichen. Ich werde Dich nicht auslachen, wenn es auch anfangs komisch aussehen sollte. Vielleicht gelingt es mir, Dich zu diesem Deinen eigenen Tanz zu ermutigen, wenigstens zu ersten vorsichtigen Schritten. Ich werde versuchen, Dich dabei zu schützen, zu begleiten, zu stützen, vielleicht auch ein wenig zu führen – solange, bis Du sicher wirst, bis es Dir Spaß macht, bis Du Deinen eigenen Tanz tanzen kannst. - 18 - 9 Zeit und Aufmerksamkeit Ich will mir Zeit nehmen für den Tanz mit Dir. Soviel Zeit als nötig ist für Dich, so viel Zeit als möglich ist für mich. Ich lausche Deinen Worten, ich horche auf den Klang Deiner Stimme, dem Tempo Deiner Worte, achte auf Deine Gesten, Deine Gesichtszüge, Deine Bewegungen, Deine Haltung, Deine Kleidung. Deine Augen, Deine Hände, Deinen Atem. Ich erfahre von Deinen Belastungen, Überforderung, Veränderungen, Verlusten, Schmerzen, von anderen Personen, von Deinen Gefühlen, Empfindungen, von Symptomen, Gesundheitsstörungen, von Erlebnissen. 10 Kontakt Wenn wir guten Kontakt haben, wenn ich Dich spüren kann und Du mich, wenn du Dich gehalten, sicher, bereit fühlst, dann beginnt unser Tanz. Ich schaue Dich an, ich schaue auf Dich, ich versuche Deine Worte, deine Gesten, Deine Signale, Deine Gedanken, Deine Gefühle, Deine Stimmung, Deine Impulse, Deine Wünsche, Deine Hemmungen zu erfassen. Ich versuche dem Inhalt Deiner Worte zu folgen, aber darüber nicht die vielen anderen Signale und Botschaften zu übersehen, die Du mir vermittelst. Wenn wir in Kontakt sind, fühlst Du Dich nicht allein. Du kannst Dich gestützt, gehalten, geschützt, gestärkt, sicherer fühlen. Vielleicht so viel sicherer, daß Du nun den Mut aufbringen kannst, Dinge auszuprobieren oder gar zu verändern, die Dir alleine undenkbar oder zu riskant erschienen sind. Ich versuche dir soviel Halt und Sicherheit zu geben, dass du selbst in Bewegung kommen willst und kannst und bleibst. 11 Nähe und Distanz Unsere Distanz können wir beide bestimmen. Sie soll nicht zu groß sein, sonst geht der Kontakt verloren. Sie soll nicht zu klein sein, sonst verletzen wir unsere Grenzen. Wir können die Distanz im Tanz auch verändern, sie kann mal größer werden, um mehr Freiheit und Selbständigkeit zu versuchen, sie kann mal enger werden, um mehr Schutz und Sicherheit zu bieten. Wichtig ist, daß die jeweilige Distanz für uns beide und die Situation paßt. 12 Berührung Wir sind in Berührung gekommen. Unser Lebensweg berührt sich, Deine Geschichte berührt mich. Berührung kann Wärme geben, Vertrautheit, Vertrauen, Geborgenheit, Sicherheit. Damit kann Dein Mut steigen, das zu wagen, was Du alleine vielleicht nicht riskierst. - 19 - 13 Bewegung Tanz bringt Dich in Bewegung. Bewegung bedeutet Veränderung, bedeutet Veränderung des Standpunktes, bedeutet Veränderung des Blickwinkels, Veränderung der Perspektive, bedeutet Auflösung von Stillstand, bedeutet Entwicklung. Deine Bewegung bringt Bewegung in Deine Welt, in Dein Umfeld, bedeutet Veränderung Deines Umfelds. Durch die Bewegung kommst Du weiter, du bewegst Dich durch den Raum und durch die Zeit. Die Bewegung für sich bewirkt schon Veränderung – subtil, unmerklich, aber oft wirksam. Wenn wir in Bewegung sind, dann folge ich Dir. Ich lasse mich ein auf Dich, ich folge Deinen Worten, Deinen Gesten, Deinen Emotionen, Deinen Bewegungen. Deine Bewegungen bewegen mich. Ich versuche, mit Dir Schritt zu halten, mich auf Dein Tempo einzustellen, mich Deinen Bewegungen anzupassen. Wenn Du Dich drehst, drehe ich mich mit. Wenn Du innehältst, versuche auch ich innezuhalten. Wenn ich das Gefühl habe, Du möchtest einen Schritt machen, dann versuche ich Dir einen kleinen Impuls zu geben. 14 Impulse Ich versuche Dich nicht zu ziehen und nicht zu schieben. Meine Impulse sind minimal, so dass du sie vielleicht gar nicht merkst, sie jedenfalls nicht als unangenehm, bevormundend, dominierend, bedrohlich, oder gar beängstigend empfindest. Sie sollen Dich nicht von Deinem Weg abbringen, nicht in eine ungewünschte Richtung lenken. Sie sollen Dich aktivieren und mobilisieren, wenn ich merke, dass Du danach verlangst. Es sollen Möglichkeiten sein, denen Du folgen kannst oder auch nicht. Es soll Deine Entscheidung sein, ob, wie, wohin wir tanzen. Es ist ja Dein Tanz in Deiner Welt. 15 Schritte Ich achte auf Deine Schritte. Große oder kleine, langsame oder schnelle. Ich versuche, Dir nicht auf die Zehen zu treten, Dich nicht zu verletzen, mit Dir im Rhythmus zu bleiben. Schritt für Schritt tanzen wir durch Deine Welt. 16 Feedback Um in gutem Kontakt zu bleiben, versuche ich auf Dein Feedback zu achten, versuche zu spüren, worauf Du reagierst. Ich will Dich nicht drängen, nicht bedrängen. Ich möchte Dir Deine eigenen Bewegungen ermöglichen. Wenn Du eine Bewegung andeutest, mache ich sie mit. Wenn sie mir unsicher erscheint, versuche ich sie zu stützen und ganz leicht zu verstärken. - 20 - Wenn Du Dich nicht bewegst, versuche ich zu spüren, ob Du Dich eben jetzt nicht bewegen willst oder kannst. Oft ist es wichtig, innezuhalten, den Moment festzuhalten, in dem etwas Wesentliches passiert, die Entscheidung zu treffen, wie und wohin es weiter gehen soll. Wenn ich aber das Gefühl habe, Du möchtest weiter, kannst aber nicht, oder Du weißt nicht die Richtung, die Du einschlagen sollst, versuche ich Dir kleine Impulse zu geben, die Dir diese Entscheidung erleichtern oder ermöglichen können. Der erste Schritt nach dem Stillstand soll von Dir kommen, dann ist es Dein Weg und nicht meiner. 17 Unter-Stützung Wenn Du unsicher wirst, versuche ich Dir Sicherheit zu vermitteln. Wenn Dich die Kraft verläßt, versuche ich Dich zu halten. Wenn Dich der Mut verläßt, versuche ich Dich zu ermutigen. Wenn ich das Gefühl habe, Du überforderst Dich, versuche ich Dich zu bremsen. Es kann vorkommen, daß Du den Halt verlierst, daß Du zu stürzen drohst, daß es momentan zuviel wird für Dich, daß es zu schnell geht. Es kann passieren, daß Du mir entgleitest, daß Du die Kontrolle verlierst, daß Du am Boden liegst. In diesem Moment ist es mir ganz wichtig, einfach bei Dir zu sein, Dir das Gefühl zu vermitteln, daß ich Dich nicht im Stich lasse, daß ich Vertrauen zu Dir habe, daß Du wieder aufstehen möchtest, Dich zu schützen vor der Umwelt, vielleicht auch vor Deinen eigenen momentanen Gedanken. Unseren gemeinsamen Tanz fortzusetzen, verliert momentan an Bedeutung. Es geht zuerst einmal darum, daß Du selbst Dich wieder aufrichten kannst und willst, daß Du mit oder ohne meine Hilfe wieder aufstehen kannst, daß Du wieder Lust bekommst, weiterzutanzen. Vielleicht in einem anderen Rhythmus, vielleicht in eine andere Richtung, vielleicht mit anderer Körperhaltung. Dein Sturz kann Dir vielleicht bewußt machen, daß es so nicht weiter gehen kann, daß Du etwas verändern möchtest, und daß Du erkennst, was Du verändern möchtest und wie Du das angehen könntest. Und das kann Dir neue Kraft, neuen Mut geben und die nötige Portion Kreativität, diesen neuen Weg einzuschlagen. 18 Hindernisse Der Tanz in Deiner Welt ist vielleicht nicht ganz einfach: es kann Hindernisse geben, große und kleine, starre und bewegliche, es kann eng sein, wir können anstoßen, wir können anstehen. Es tauchen Personen auf, Erinnerungen, Gefühle. Es kann zu unangenehmen Begegnungen, Berührungen, Erlebnissen kommen, unangenehm für Dich, vielleicht unangenehm auch für mich. Ich versuche zu spüren, wie es für Dich sein könnte, diesen Dingen zu begegnen. Wenn ich merke, dass es für Dich unangenehm ist, versuche ich Dir Schutz und Sicherheit zu geben. Damit Du den Mut fassen kannst, Dich diesen Konfrontationen zu stellen. - 21 - 19 Auch ins Dunkel Wenn es mir gut gelingt, mit Dir in Kontakt zu bleiben, dann merke ich, es ist gut für Dich, mit mir gemeinsam in Deiner Welt zu tanzen. Du bekommst das Gefühl, verstanden zu werden, begleitet zu werden, vielleicht sogar gestützt oder beschützt zu werden. Nur ganz selten mache ich eine Bewegung, um dich in eine andere Richtung in Deiner Welt zu lenken. Vielleicht sehe ich ein Hindernis auf uns zukommen, dem ich mit Dir momentan lieber ausweichen möchte. Vielleicht bekomme ich einen kurzen Blick auf einen Teil Deiner Welt, den du mir noch nicht gezeigt hast. Es kann sein, dass es dir schwerfällt, dorthin zu tanzen. Vielleicht ist es unangenehm dort, dunkel, unheimlich, eng, weit, gefährlich. Deshalb hast Du diesen Teil bisher gemieden. Begleitet, gestützt, geschützt möchtest Du Dich aber doch auch in diese Landschaft vorwagen. Du möchtest diesem Bereich Deines Lebens den Schrecken nehmen, damit er Dich nicht weiter behindern kann auf Deinem Weg. Monster werden klein, wenn man auf sie zugeht. Das ist leichter, wenn man jemand neben sich weiß, der es gelernt hat, mit Monstern umzugehen. Aus Monstern können sogar Freunde werden. 20 Erleben Durch den Tanz kannst Du vieles versuchen, Du kannst es erleben, nicht nur drüber nachdenken oder reden. Das Erleben gibt Dir mehr Sicherheit. Was Du bereits erlebt hast, gerade wenn Du Angst davor gehabt hast, unsicher warst, was Du Dir aber gewünscht hast, das kannst Du bei der nächsten Gelegenheit mit weniger Angst und Unsicherheit, mit mehr Bewußtheit und Freude erleben, ja genießen. Und Du wirst nicht versuchen, solche Erlebnisse bewußt oder unbewußt zu vermeiden, sondern sie zulassen oder sogar aktiv suchen. 21 Emotionen In der Bewegung und durch die Bewegung kannst Du Emotionen leichter ausdrücken. Die Bewegung kann Emotionen auslösen, lösen. Du bekommst ein Gefühl für Deine Bewegungen, ein Gefühl für Deine Gefühle. Emotionen, die Du zulassen kannst, die Du ausdrücken kannst, brauchst Du nicht mehr zu unterdrücken, können Dich nicht mehr niederdrücken. Sie können Dein Leben bereichern. 22 Veränderung Beim Tanz kann auch etwas passieren. Zum Beispiel ein Stromausfall: Das Licht geht plötzlich aus, die Begleitmusik verstummt. Das gewohnte Muster wird unterbrochen. Das kann Angst machen, doch Du bist nicht allein. Aber es kann auch die Chance bieten zum Nachdenken, zum Wahrnehmen auf anderen Ebenen, zur Neuorientierung. Neue Perspektiven können neue Möglichkeiten eröffnen, die neue Motivation, neue Lebenslust, neuen Mut bringen können. Und die Energie, die neuen Möglichkeiten auch anzupacken. - 22 - 23 Selbständigkeit Im Tanz kannst Du Deine eigenen Bewegungen finden, kreative, intuitive Bewegungen statt stereotypen, eingelernten Bewegungen, die vielleicht nicht Deine eigenen sind. Der Tanz kann einen Rahmen schaffen, der viel Neues ermöglicht. Er kann Dir eine Idee vermitteln, Dich inspirieren und ermutigen, neue Möglichkeiten ausprobieren. Du kannst die Richtung wechseln, den Blickwinkel ändern, deine Körperhaltung, das Tempo variieren. Du kannst Deine Position so wählen, daß Du Dein Ziel und den Weg vor Augen bekommst. Das Erleben von Veränderung kann verborgene oder ungenutzte Ressourcen freilegen und fördern. Das kann Deine Kreativität anregen. Du kannst Dir Raum schaffen für Deine Bewegungen, Dir Mut und Kraft holen für weitere Veränderungen. Beim Tanzen kannst Du Dein Ziel anvisieren, hintanzen, dabei aber auf mögliche Hindernisse achten. Dieser Tanz kann Dich ermutigen, selbständig Entscheidungen für Dein Leben zu treffen. 24 Loslassen Wenn Du alleine weiter tanzen kannst und willst, dann lassen wir uns los und tanzen jeder für sich weiter. Es ist schön, Dir aus der Distanz zuzusehen, wie Du nun selbständig tanzt. Ich kann Dich jetzt leichter als Ganzes wahrnehmen, Deine Gestalt, Deine Bewegungen, Dein Umfeld. Vieles hat sich verändert seit unserer ersten Begegnung. Deine Bewegungen sind sicherer geworden, schöner, ausdrucksvoller, lebendiger, fröhlicher. Wer weiß es schon, was alles passiert ist seither, was Dir alles geholfen hat, nun besser tanzen zu können. Es ist mir nicht wichtig, wie groß mein Beitrag dabei war. Ich freue mich an Deiner neuen Beweglichkeit, und ich erinnere mich gerne daran, wie wir eine zeitlang gemeinsam getanzt haben, jeder auf seinem Weg, aber eben ein Stück gemeinsam. Es hat uns beide weiter gebracht. Unsere Wege trennen sich, Du kannst vielleicht mit neuem Mut, mit neuer Hoffnung, mit Neugier, mit Freude Deinen neuen Weg beschreiten. Auf mich wartet vielleicht wieder ein Mensch, den ich ein Stück auf seinem Weg begleiten darf. Wir verabschieden uns, aber es ist kein Abschied für immer. Vielleicht begegnen wir uns wieder, aber unter anderen Umständen, wie zwei alte Freunde. - 23 - III. Das Familien-Spiel 1 Einleitung Meine erste Bekanntschaft mit Familienaufstellung machte ich bei einem für mich ganz wichtigen Kommunikationsseminar. Ich durfte den Vater spielen für drei Seminarteilnehmerinnen, konnte sie in den Arm nehmen, trösten und ihnen das sagen, was ich gerne meinen eigenen drei Töchtern gesagt hätte. Meine eigene Aufstellung war für mich sehr berührend, weil die Rollenspielerin meiner Mutter mit meiner Mutter frappante Ähnlichkeiten in Aussehen, Bewegungen, Ausdruck und auch in Erlebnissen und gesprochenen Worten hatte. Es war unglaublich für mich, was bei solchen Aufstellungen zutage kam und wieviel an „Heilung“ passierte. Ganz entscheidend war für mich die einfühlsame Art der Leiterin der Aufstellung (einer Lebens- und Sozialberaterin), die immer mit dem arbeitete, was von den Rollenspielern kam, nie Suggestivfragen stellte, der es also in bewundernswerter Weise gelang, ihre eigenen Ideen und Vorstellungen von der Familiensituation zurückzuhalten und den Ablauf der Ereignisse nicht zu kontrollieren. Im Rahmen eines Seminars mußte ich eine gegenteilige Erfahrung machen. Der Leiter der Aufstellung versuchte, seine Idee durchzusetzen, entsprechende Äußerungen den Rollenspielern in den Mund zu legen und Bert Hellinger zu imitieren. Die Rollenspieler machten aber einfach nicht mit. Der Leiter erkannte das offenbar nicht und versuchte immer wieder, sein Drehbuch durchzudrücken. Es war für mich als Zuschauer schwer auszuhalten. Weitere Aufstellungen auf diesem Seminar waren aber total beeindruckend. Rollenspieler bekamen sogar massive körperliche Symptome jener Personen, die sie verkörperten. Was da ablief, war eine Möglichkeit, wie es gewesen sein könnte. Immer wieder passiert es naturgemäß, daß die eigene Lebensgeschichte der Rollenspieler ihr Verhalten im Spiel beeinflussen, ja prägen kann. Das kann sehr hilfreich sein, wenn es Assoziationen, Erkenntnisse oder „heilende Reaktionen“ beim Aufstellenden auslöst. Es kann aber auch hinderlich sein, wenn er eine für ihn unpassende Geschichte vorgespielt bekommt. Und genau das ist beispielsweise in dem oben geschilderten Fall passiert, wo der Leiter die Aufstellung in seine Richtung lenken wollte. Auch ein mir bekanntes Ehepaar hat von sehr negativen Erlebnissen durch autoritäre Aufstellungsleiter berichtet. Diese Erfahrungen brachten mich auf die Idee, die Familienaufstellung den Klienten nur mit Figuren machen zu lassen. Damit können Fremdeinflüsse durch Rollenspieler ausgeschlossen werden. Ein weiteres wichtiges Element hat sich dann eher durch die Praxis ergeben: Mir ist es wichtig, den systemischen Aspekt der Familienaufstellung mit dem Gestalt-Aspekt zu verbinden: Die Gestalten der Familie – aus der Erinnerung des Klienten zum Aufstellungszeitpunkt – herausarbeiten und in Beziehung treten zu lassen. So entsteht auch so etwas wie eine eigene Gestalt der Familie, des Systems. Diese Gestalt des Systems ist aber veränderbar, zumindestens das Bild, das der Klient von ihr hat. Fast immer tritt der Wunsch des Klienten nach einem neuen Bild zutage. Fast immer gibt es eine kreative Lösung, die von den Klienten spontan selbst geschaffen wird, die ihm Kraft gibt, ihn glücklich, ja manchmal sogar euphorisch macht, also ein großes Veränderungspotential beinhalten kann. - 24 - 2 Phasen Üblicherweise gliedere ich die Arbeit in 3 Phasen: Erstellung des Genogramms Das eigentliche Spiel: die Aufstellung mit Figuren Feedback und Reflexion Manchmal (bei großen Systemen) ist für die Erstellung des Genogramms eine eigene Sitzung erforderlich. Wenn möglich, versuche ich aber alle 3 Phasen in einer geschlossenen Einheit abzuwickeln, um die Energie und die Atmosphäre zu nutzen, die bei dieser Arbeit entsteht. Dafür sind fast immer um die 3 Stunden nötig. Es kann auch sein, daß sich im Zuge der Arbeit eine Fragestellung herauskristallisiert, die ein eigenes Spiel mit einem Teil der Personen oder zusätzlichen Figuren nahelegt. 3 Genogramm Die Erhebung des Genogramms gestalte ich als geführte Erinnerung an die (wichtigen) Personen der Herkunftsfamilie. Ich beschränke mich nicht auf ein Abfragen der bloßen persönlichen Daten wie Geburts- und Sterbejahr, Geschlecht , sondern lasse auch die oft umfangreichen Erzählungen zu, die vom Klienten kommen können. Sie enthalten meist wichtige Informationen und können auch spontan zu Erinnerungen an wichtige Eigenschaften, Beziehungen, Erlebnisse und auch schon zu Erkenntnissen führen. Die Figuren bekommen so für mich, der sie ja erst eben kennenlernt, aber auch für den Klienten eine oft sehr lebendige Gestalt. Das erleichtert und verkürzt dann die eigentliche Arbeit mit den Figuren. Ich bekomme so auch einen Überblick und gewisse Zusammenhänge der beteiligten Personen. 4 Spiel Erfahrungsgemäß hat jedes Spiel eine eigene, individuelle Note, die ihm vom Klienten, seiner Situation, seinen Wünschen, seinem kreativem Potential und den äußeren Gegebenheiten wie Raum und Zeit gegeben werden. Daher versuche ich im folgenden eine Art Standardablauf zu schildern, der sich im Einzelfall natürlich anders ergeben kann. 4.1 Auswahl Meine Mutter brachte mir einmal aus Kleinasien ein Schachspiel mit. Die Figuren sind rot und gelb und haben eine eigenwillige Gestalt. Die Figuren haben unterschiedliche Größe, mit Ausnahme des Turms haben sie Gesichter, die Bauern sind kleine Matrjoschkas. Die unterschiedliche Gestaltung der Figuren läßt die Klienten spontan wichtige Charakteristika der Personen in die Auswahl der passenden Figur einfließen, was ich als Berater einfach nur wahrnehmen kann oder auch zum Anlaß der Nachfrage nach der - 25 - Bedeutung für den Klienten nehmen kann. Man kann, ja muß die Figuren bei der Aufstellung in eine bestimmte Richtung blicken lassen (Die Türme haben von mir Augen bekommen). Dieses Spiel schien mir geeignet für die Arbeit. Weiters biete ich eine zweite Möglichkeit an: Tierfiguren. Damit können Personen auf eine andere, vielleicht intensivere Art und Weise charakterisiert und gegebenenfalls mit (eigenen) Emotionen besetzt werden. Weiters lasse ich dem Klienten die Auswahl der Arbeitsfläche (Tisch oder Boden), wobei ich bei Unschlüssigkeit den Boden vorschlage, da erfahrungsgemäß viel Platz vorteilhaft ist. 4.2 Aufstellung Nach der Auswahl des Spiels rege ich den Klienten an, für die für ihn wichtigen Personen passende Figuren auszuwählen und aufzustellen. Schon die Reihenfolge und die Selektion kann interessante Aufschlüsse geben. Auf jeden Fall die Auswahl der Figuren. Dabei spielen folgenden Elemente eine Rolle: Größe, Farbe, Figur, gewisse Gestaltungselemente der Figuren (Spitzen, Hörner), Ähnlichkeiten mit bereits stehenden Figuren. Meist sagen die Klienten etwas Wichtiges, während sie die Figur hinstellen. Manchmal verändern sie sofort die Position, weil sie merken, daß Ort oder Blickrichtung nicht stimmen oder die Gruppierung mit den bereits stehenden Figuren. Fast immer bleiben aber die Figuren so stehen, wie sie spontan hingestellt wurden, und das hat sehr oft eine tiefe Bedeutung oder Beziehung zu der betreffenden Person und ihrem Platz im gesamten System. Diese Bedeutung wird manchmal sofort bewußt und gelegentlich auch angesprochen, meist aber erst im Lauf der Arbeit oder nach Abschluß der Aufstellung deutlich. Am klarsten wird das beim Aspekt, welche Figur welche Blickrichtung hat, welche andere(n) Figuren sie ansieht oder zumindest im Blickfeld hat. Ganz wichtig ist auch die Entfernung, die meist die wirkliche Nähe oder Distanz ausdrückt. Interessant sind auch die Gruppenbildung und die Anordnung (z.B. in Linien, Kreisen oder Dreiecken). Das Beziehungsgeflecht des Systems nimmt durch die spontane, oft intuitive Arbeit des Klienten eine deutliche Gestalt an. Oft bekommen die Klienten während der Aufstellung der Figuren schon Impulse nach Korrektur, die ich natürlich zulasse, gegebenenfalls den Auslöser oder die Bedeutung nachfrage. Fast immer kommen aber schon während der Arbeit Aussagen der Klienten, die auf Erkenntnisse, neue Sichtweisen, bisher nicht erkannte Zusammenhänge oder auf - 26 - Beweggründe für Verhalten von Personen hindeuten oder sogar klar ausgesprochen werden. Meist ist es ziemlich klar, wann alle wichtigen Figuren stehen. Manchmal kommen später noch „Vergessene“ hinzu, entweder spontan auf Wunsch des Klienten oder auf meine Nachfrage hin. Wenn die Figuren stehen, frage ich meist nach, ob es jetzt so paßt und lasse ihm Zeit, sein Werk zu betrachten. Oft kommen vom Klienten bei dieser Betrachtung schon sehr interessante Aussagen, die auf wesentliche Punkte hindeuten. Wenn nichts kommt, oder wenn es mir wichtig erscheint, fordere ich den Klienten auf, sich hinter „seine“ Figur zu setzen (gleiche Blickrichtung) und versuchen zu fühlen, wie es ihr an diesem Platz in diesem System geht. Wenn es mir wichtig erscheint, lade ich den Klienten auch ein, sich in andere Personen einzufühlen, z.B. um Verständnis für sie zu wecken und ihm zu ermöglichen, andere Menschen so annehmen zu können, wie sie nun mal sind. 4.3 Veränderungsimpulse Falls nicht der Klient selbst den Wunsch äußert, etwas an diesem Bild verändern zu wollen, stelle ich die Frage nach Veränderungsimpulsen oder –wünschen. Dabei treten zwei spezielle Wünsche besonders oft auf: Der Wunsch, aus diesem System herauszugehen und der Wunsch, die Familie solle einen Kreis bilden. Ich vermeide es, den Klienten nach irgendwelchen „Lösungen“ suchen zu lassen oder gar irgendwelche Lösungen anzubieten. Meist ergeben sich Lösungsansätze oder Lösungsmöglichkeiten aus dem Veränderungsimpuls und dessen kreativer Umsetzung im Spiel. 4.4 Abschluß Abschließend bitte ich den Klienten um Feedback, wie es ihm bei der Arbeit gegangen ist, was es ihm gebracht hat, falls das nicht von selbst vom Klienten kommt. Wichtig ist mir einfach, daß der Klient ein von ihm gewünschtes neues Familienbild erschafft und vor sich sieht, daß er selbst merkt, daß er Veränderungen vornehmen oder sich zumindest wünschen kann. Mehreren Rückmeldungen einige Zeit nach der Aufstellung konnte ich entnehmen, daß Veränderungen, die Klienten in ihrem Leben vorgenommen haben, sich auch tatsächlich verändernd (im positiven Sinn) auf einige andere Familienmitglieder und deren Beziehungen ausgewirkt hat. - 27 - 5 Resumee 5.1 Absichten und Wirkungen Ergebnis ist eine Kreation eines neuen Familienbildes: - eine neue Sichtweise des Ist-Zustandes - eine Idee vom Wunsch-Zustand mehr Verständnis für andere Familienmitglieder neue Handlungsmöglichkeiten Bewußtwerden und Ausdrücken von Bedürfnissen Gefühl für Zusammenhänge und Komplexität – und wie man damit umgehen kann Bewusstseinsentwicklung Konsequenzen von Damals und Dort zum Hier und Jetzt Bewusstwerden noch bestehender Fesseln Erkennen von bisher unerkannten und unerfüllten Bedürfnissen Bewusstwerden von Prozessen und Zusammenhängen Erkennen von der Bedeutung des eigenen Handelns (z.B. durch gezielte Rückmeldungen über Beobachtungen des Beraters) Erkenntnisse über Zusammenhänge, Wechselwirkungen Darstellung der Familiengeschichte in einer verständnisschaffenden Weise für die beteiligten Personen und die Prozesse (nicht be- und verurteilend, sondern beschreibend, darstellend, gestaltend), die Versöhnung und Loslösung erleichtern und ermöglichen kann Gewinnen einer Übersicht, eines Überblicks, einer übergeordneten Perspektive, die wichtig sein kann auch für das aktuelle Verhalten Erkennen von Familienmustern, von Verstrickungen, von Abhängigkeiten, von Ursachen und Auswirkungen Kreativität eigene Aktivität gefühlsbetonte oder lustvolle Arbeit weitestmöglicher Ausschluß von äußeren Einflüssen Entwicklung von Lösungsansätzen oder Lösungswegen Förderung der Kreativität und der Auseinandersetzung, der Entscheidungsfreudigkeit, der Gewinnung von Sicherheit - 28 - Identitätsfindung und Orientierung Beschäftigung mit der eigenen Herkunftsfamilie Entstehung eines Gesamtbildes der eigenen Familienstruktur bestimmende Personen und Erlebnisse treten in den Vordergrund klare Struktur für den Beratungsprozeß auch für Klienten Förderung der Standortbestimmung und Orientierungsfähigkeit Ermutigung Figuren ermöglichen Externalisierung, aber auch Identifizierung und Charakterisierung Möglichkeit, unangenehme und unbewußte Dinge darzustellen und klarzumachen Stärkung von Selbstwert und Sicherheit Erfolgserlebnisse Aha-Erlebnisse mit großem Veränderungspotential Würdigung des eigenen Schicksals durch den Berater Gewinn von Sicherheit in der Charakterisierung und Einordnung von Personen und Prozessen mehr Raum und Platz nehmen, mehr im Geschehen drin sein, bessere Übersicht von oben haben durch Arbeit auf dem Boden Empfindsamkeit Entwicklung und Förderung des Gefühls für sich selbst und andere Menschen Berater Zugang zum Klienten und seinem System umfassendes und detailliertes Bild des Klientensystems Erkennen von Eigenheiten, Stärken und Defiziten des Klienten - 29 - 5.2 Abgrenzung zur Familienaufstellung nach Hellinger Die Methode ist dem Familienbrett nachempfunden. Zur Familienaufstellung (nach Bert Hellinger) bestehen größere Unterschiede, auch wenn es um dasselbe Thema Familiensystem geht und der Ablauf ähnlich erscheint. Wichtig ist, welche Methode für den jeweiligen Klienten besser paßt. Das Erleben eines Schauspiels von selbst ausgesuchten Rollenspielers aus der Zuschauerperspektive und/oder das Einsteigen in dieses Geschehen kann sehr viel bewußt machen und in Bewegung bringen. Auch die Feststellungen des Therapeuten und das Durchspielen wichtiger Situationen. Vielleicht ist eine Aufstellung mit lebenden Personen für Menschen besser geeignet, die selbst eher unsicher, wenig bewußt, wenig kreativ sind, unter einem großen Leidensdruck stehen, denen es hilft, ihre Familiendynamik vorerst aus der Zuschauerperspektive zu erleben, oder auch aus der Sicht eines Spielers. Beim Spiel mit Figuren hat der Klient mehr die Rolle des Regisseurs, des Dirigenten, er hat die Möglichkeit den Ablauf zu steuern, Tempo, Themen, Aufmerksamkeit, Zeit zu bestimmen - was ihm auch helfen kann bei dem Versuch, Ohnmacht, Hilflosigkeit und Abhängigkeit im realen Familiensystem überwinden zu lernen durch eigenes aktives und selbstbestimmtes Tun im spielerischen Prozeß. Vieles wird vielleicht deutlicher bewußt, weil die Ablenkung durch andere Personen und deren Handlungen, Aussagen, Empfindungen, Emotionen fehlen. Die Figuren erleben erst etwas, wenn sich der Klient selbst in die Figur einfühlt. Er kann dadurch selbst besser nachfühlen, was in den anderen vorgegangen sein könnte als beim Betrachten von Rollenspielern und Rollenspielen. Auch das Tempo und die Richtung wird vom Klienten bestimmt und nicht vom Therapeuten, den Rollenspielern oder dem Gruppenprozeß. - 30 - 6 Beispiele Die folgenden Beispiele aus meiner Übungspraxis sind chronologisch gereiht. Männliche Klienten konnte ich bisher für eine solche Arbeit leider nicht gewinnen. Die Vornamen der Klientinnen sind Pseudonyme. Ansonsten habe ich nichts verändert. Das erste Beispiel war eigentlich keine Aufstellung der Herkunftsfamilie, sondern eine Aufstellung des derzeitigen Kernsystems. Das beeindruckende Erlebnis und Ergebnis des zweiten Beispiels war für mich der Anstoß, diese fantastische Methode auch bei anderen Klienten zu versuchen. Verlauf und Ergebnis waren jedesmal einzigartig, jedoch immer tief berührend, ästhetisch, kreativ, fruchtbar und motivierend. Es ist mir wichtig, hier die jeweiligen Prozesse einfach zu beschreiben. Ich habe versucht, mich dabei auf das Wesentliche mit dem Fokus auf Bewegung und Veränderung zu beschränken, jedoch die Entstehung dieser wesentlichen Passagen nicht zu vergessen und die Gestalt der Klientin lebendig werden zu lassen. Dadurch erscheinen manche Beschreibungen vielleicht lang. Wichtige Passagen habe ich möglichst wortgetreu dokumentiert. Es soll sichtbar werden, welche Kreativität und Kraft in den Menschen steckt, die sich dieser Aufgabe stellen, und was an intuitivem Wissen um Veränderungen und Lösungswegen schon vorhanden, wenn auch oft verborgen ist. Die Energie, die oft mit traumatischen Erlebnissen oder chronisch bedrückenden und angstmachenden Lebensumständen verbunden ist, kann befreit und transformiert die Einleitung einer Selbstheilungsphase bewirken und mit der erforderlichen Kraft versorgen. Ich habe versucht, die Beispiele ähnlich zu strukturieren. Im Text sind meine Fragen fett und kursiv gedruckt, die Antworten bzw. Erzählungen der Klientin in normaler Schrift, Beschreibung von Ereignissen oder Anmerkungen kursiv. Unter Tanz ist der gesamte Beratungsprozeß charakterisiert, nicht bloß das hier beschriebene Familienspiel. Weiters habe ich jedem Beispiel das Genogramm sowie Schaubilder des Aufstellungsprozesses beigefügt. Abschließend habe ich versucht, einige wichtige Aspekte dieser Beispiele in einer Übersichtstabelle darzustellen: Motiv: Spiel: Themen: eigene Position: Dynamik: Wunsch: Impuls: Schlußbild: Hinderungsgründe: Ereignisse: Wirkungen: Feedback: Besonderheiten: Motivation, diese Arbeit zu machen Art der Spielfiguren vorgebrachte oder während des Spiels aufgetauchte Themen Position der eigenen Spielfigur innerhalb des Systems Dynamik, mit der Klientin arbeitete Wünsche, die im Spiel auftauchten Veränderungsimpulse, spontan oder auf Nachfrage Charakterisierung des Bildes des Systems am Ende der Arbeit ..., die Wünsche oder das Schlußbild zu verwirklichen besondere Ereignisse während der Arbeit beobachtete oder erklärte unmittelbare Wirkungen der Arbeit nach Abschluß der Arbeit einige Beobachtungen oder Strukturierungen - 31 - 6.1 Holly – Abgrenzung (März 97) Aus ihrem Lebensfilm Holly hat Existenzängste, z.B. die Angst, ihre ungeliebte Arbeitsstelle zu verlieren. Sie fühlt sich außer für ihre Tochter auch für ihren Vater, ihre Chefs und deren Aufgaben und für viele Verwandte und Bekannte verantwortlich, zerbricht sich den Kopf für andere Leute, will ihnen helfen und Gutes tun. Dabei fühlt sie sich aber ständig unter Druck (Zeit, Geld, körperliche Symptome, Angst vor Krankheiten und Tod). Sie überfordert sich oft und fühlt sich dann schlecht und deprimiert, wenn nicht alles so läuft wie sie sich das vorstellt. Recht leicht fühlt sie sich persönlich angegriffen, ausgenutzt, schlecht behandelt, teilweise auch verfolgt. Sie äußert hin und wieder unter starker Belastung oder unter dem Eindruck mehrerer zusammentreffender frustrierender Erlebnisse Todessehnsucht, allerdings klingt das eher wie ein Hilferuf. M † V Holly Ex FEx Astrid Es ist ihr sehr wichtig, daß ihre Tochter Astrid (11) in der Schule gut lernt, weil sie möchte, daß sie einmal eine bessere Arbeitsstelle bekommt als sie selbst hat. Sie traut Astrid wenig zu, so wenig, wie ihr selbst offenbar zugetraut wurde, als sie so alt war, und so wenig, als sie sich selbst jetzt zutraut. Die Tochter wehrt sich jedoch gegenüber Bevormundung und Drill durch Mutter und Großvater, durch Widerstand und Gegenangriff oder Anruf bei ihrem Vater. Den Vater ihrer Tochter (Ex) hat Holly aus mehreren Gründen nicht geheiratet. Er besucht Astrid häufig (oft auch unangemeldet und gegen ihren Willen, wobei ihm von ihrem Vater die Stange gehalten wird) und verwöhnt sie oft durch teure Geschenke, Urlaube und Belohnungen für Schulerfolge. Das kann sich Holly nicht leisten, was ihr Astrid im Streit dann vorwirft (von ihrem Vater bekommt sie alles). Von ihrem Vater wurde Holly gedrillt. Lernen bedeutet für sie Drill, sie tut das auch mit ihrer Tochter, obwohl sie sagt, daß sie das nicht will. Ihren Vater braucht sie, um auf ihre Tochter aufzupassen, wenn sie noch in der Arbeit ist und hin und wieder am Abend fortgeht. Er behandelt sie immer noch wie ein kleines Kind, mischt sich immer wieder in ihre Angelegenheiten ein, verlangt pünktliches Essen und Aufmerksamkeit und Folgsamkeit, ist andernfalls beleidigt. Sie will ihn nicht verletzen und auch nicht als Aufsichtsperson verlieren. Sie wünscht sich zwar einen Mann, dem sie vertrauen kann, der sie beschützt, der ihr praktische Arbeit im Haus erledigt, träumt auch davon, wenn ihr eine Wahrsagerin das voraussagt, unternimmt aber keine ernsthaften Versuche, jemand kennenzulernen. Sie hat große Angst, daß sie wieder auf jemand hereinfällt, der sie verletzen und betrügen könnte. Sie versucht, Kontakt mit jenen Menschen zu vermeiden, die ihr „nicht gut tun“, und sich mit jenen zu umgeben, die ihr wohlgesonnen sind. Dabei verwendet sie die - 32 - Charaktereigenschaften der Sternzeichen als Orientierung, unpassenden Sternzeichen gibt sie keine Chance. Sie beklagt sich zwar oft über ihre Situation, ist sich aber offenbar nicht bewußt, daß sie selbst sich wohl am meisten im Wege steht. Alle Versuche, ihr dabei zu helfen, bewußter zu werden, haben kaum nachhaltige Wirkung. Allerdings sind kleine Veränderungen sichtbar, vielleicht ist es meine eigene Ungeduld, die diese kleinen Schritte nicht antsprechend zu würdigen weiß. Das Spiel Einer dieser Versuche war eine spontane Aufstellung mit Spielfiguren (nicht zufällig aus dem Spiel „Mensch ärgere Dich nicht“), als sie sich wieder über die Ausweg- und Hoffnungslosigkeit ihrer Situation beklagte. Ich lud sie ein, für sich, ihre Tochter, ihren Vater, den Ex (Vater ihrer Tochter) und dessen Freundin Spielfiguren auszusuchen und auf dem Tisch aufzustellen. Sie spürte sehr gut, wie sie sich bedroht fühlte, daß ihr Vater zu nahe war und sich zwischen sie und ihrer Tochter stellte. Auch gegen ihren Ex konnte sie sich nicht nachhaltig wehren. Als erster Veränderungswunsch sollte der Ex samt Freundin weg (sie in Ruhe lassen). Der zweite Wunsch war, den Vater nicht so nahe zu haben – aber sie bräuchte ihn doch noch und möchte ihn nicht verletzen. Sie stellt ihn schräg hinter sich. Nun fühlt sie sich viel leichter, weniger unter Druck, vom Vater spürt sie jetzt Rückhalt. Sie hat intuitiv ein gutes Bild für sich gestellt. Auf die Frage, was sie tun kann, um einen solchen Zustand zu erreichen, kommt aber das typische „Weiß ich nicht“. Interessant ist, daß sie – auf mögliche Strategien zur Verbesserung ihrer Situation angesprochen – immer wieder antwortet: Etwas Kreatives. Sie möchte gerne malen, hat ein sehr gutes Gefühl für Farben und Farbkompositionen, ihre Bilder ähneln einer impressionistischen Gemälden mit auffallend wenig klaren Formen und wenig Dynamik. Sie wünscht sich, gegenständlich zu malen, traut es sich aber nicht zu. Wirkung Die Abgrenzung gegenüber ihrem Ex hat sie nach dieser Aufstellung deutlich verbessern und auch eine Zeitlang durchhalten können. Der Tanz Der Tanz mit ihr ist sehr mühsam und langwierig. Mir kommt es so vor, daß wir uns ständig im Kreise drehen. Meine Versuche, mit ihr vorsichtig aus ihrem Kreislauf herauszutanzen, waren nur kurzfristig erfolgreich. Sie folgte mir zwar, war aber bei nächster Gelegenheit wieder in ihren eingefahrenen Geleisen. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, alleine um sie herumzutanzen, während sie in der Mitte auf dem Boden saß und ihre Situation beklagte. Allerdings ist mir immer klarer geworden, daß sie wirklich noch nicht in der Lage ist, nachhaltige Veränderungen anzugehen. Ihre Ängste könnten noch zu groß sein, ihre Ressourcen noch nicht ausreichend zugänglich. Oft fühlt sie sich hilflos, ausgeliefert, abhängig, handlungsunfähig, total überfordert, manchmal äußert sie Todeswünsche. Vielleicht braucht sie noch mehr Zeit oder therapeutische Hilfe. - 33 - 1. Bild 2. Bild 3. Bild V V Holly V Holly Astrid Holly Astrid Ex Astrid Ex FEx Möchtest Du noch etwas verändern?Ja, V ist zu nahe, aber ich möchte ihn nicht verletzen, ich brauche ihn auch Wo würdest Du ihn hinstellen, wenn es nur nach Dir ginge, wenn er das verstehen-würde? 34 -( Stellt V hinter sich - 3. Bild) FEx Was fühlt Holly jetzt? Es ist viel leichter, weniger Druck Was spürst Du jetzt vom V? Rückhalt Was kannst Du tun, um einen solchen Zustand zu erreichen? Weiß nicht Vorschläge: Andere Aufgaben für V mit Astrid, z.B. er solle ihr etwas lernen, was ihm und ihr Spaß macht; er solle sich nicht selbst und den andern (Astrid und Holly) Streß machen, ohne das eigentliche Ziel zu erreichen ... Holly Bemerkenswert, wer wen ansieht; paßt das? Ja Wie fühlt sich Holly? umringt, bedrohlich FEx steht knapp hinter Ex? Ist von ihm abhängig, sitzt ihm im Genick Wie steht V zu Dir? Zu nahe Und zu Dir und A? in der Mitte, dazwischen Was möchtest Du am liebsten verändern?Ex samt Fex sollten weg sein Wer hätte was dagegen? - A? ja, sie hat ihn gern, sie bekommt von ihm alles, was sie will Wo würdest Du ihn sonst hinstellen?(Stellt beide weiter weg - 2.Bild) Ex FEx 6.2 Emily - Kräfte (Mai 98) Elfi 1937 VV 1906-1976 † MV 1909 Ulli 1944 V 1938 GVM M 1943 VM 1908-74 † Kurt 1937 MM 1911 Klaus 1939 Hans 1941 † 1963 KT Emily 1966 Birgit 1969 FB Vorgeschichte Emily fragte mich nach Möglichkeiten von Familienaufstellungen. Nach einem Seminar sie hat schon viel Einzel- und Gruppen-Selbsterfahrung - sei sie nun reif dafür. Ich gab ihr ein paar Adressen und erwähnte beiläufig, daß ich Ähnliches schon einmal mit Spielfiguren gemacht habe. Das wäre ihr eigentlich lieber als mit lebenden Menschen, zumindest als erster Schritt. Und so vereinbarten wir eine Aufstellung mit Figuren. Das Spiel Ich lasse Emily die Wahl, die Aufstellung auf dem Tisch oder am Boden zu machen. Sie geht auf den Boden. Emily wählt die Figuren sehr sorgfältig aus, versucht, das Wesen der jeweiligen Person zu berücksichtigen. Sie stellt sie spontan auf den Boden, fühlt dann nach und korrigiert öfters, bis die Position in Relation zu den bereits am Boden stehenden Figuren für sie paßt. Sie versucht von selbst, sich in die Figuren einzufühlen, das gelingt ihr auch sehr gut: Sie setzt sich hinter die jeweilige Figur, um das System aus ihrer Perspektive zu betrachten und zu spüren. Es kommen ihr immer wieder spontane Erkenntnisse, die sie zu überraschten Ausrufen („das gibt’s ja nicht“, „schau Dir das einmal an“, „ja bist du...“, „na das ist aber stark“ usw.) veranlassen. Mehrmals kommen Emotionen hoch, meist Traurigkeit. Vor allem, als sie sich damit beschäftigt, was ihre Eltern ihr nicht geben konnten und was sie daran hinderte. In ihren Formulierungen wird Verständnis und Verzeihen für das Verhalten der Eltern hörbar: Sie schildert die Verhaltensweisen von Eltern und Großeltern, dabei fallen ihr die familiendynamischen Kräfte und Verstrickungen ein, aber auch die guten Absichten, die diesen Mustern - 35 - zugrundelagen und die Schutzfunktion, die damit für die betreffenden Personen verbunden war. Als alle Figuren stehen, hält Emily inne und betrachtet das ganze System schweigend. Dann sagt sie mit tiefer Traurigkeit in der Stimme: Das ist ja ein riesiger Saustall. Es ist bedrückend, es hängt eine drohende schwarze Wolke über der Familie. Anfangs will sie aus der Familie weg, aber etwas hält sie zurück. Sie kommt drauf, daß sie ihrer Schwester helfen möchte, sich ebenfalls aus den Verstrickungen zu befreien. Dann merkt sie jedoch, daß ihre Schwester diese Hilfe gar nicht braucht, da sie schon früher begonnen hat, Distanz zur Familie aufzubauen und sich langsam zu entfernen. Da ist sie erleichtert und wandert mit ihrer Figur weit weg. Sie braucht viel Platz auf dem Boden, um die gewünschte Distanz zu erreichen, die für sie gut ist (Auf dem Tisch hätte sie diesen Platz nicht gehabt). Einen unerwarteten, aber sehr berührenden Beitrag liefert Emilys Hase, der während der ganzen Arbeit im Zimmer bleiben durfte und sich lange Zeit diskret im Hintergrund hielt. Als Emilys Figur weit weg und ziemlich alleine auf weiter Flur steht, hoppelt er genau zu dieser Figur hin, beschnuppert sie und schleckt sie liebevoll ab. Emily ist ganz gerührt – ihren Hasen hat sie mir als ihren neuen Freund vorgestellt, von ihrem menschlichen Freund hat sie sich vor kurzem im Einvernehmen getrennt. Sie läßt nun alle anderen Figuren dorthin gehen, wohin es sie in ihrer Vorstellung ziehen könnte. Es entsteht ein sehr schönes Bild: Die „zusammengehörigen“ Paare sind vereint, fast alle stehen in einem geometrisch ziemlich exakten Kreis, im Zentrum Ulli, die jüngere Schwester ihres Vaters. Außer ihr ist nur die mütterliche Großmutter innerhalb des Kreises. Für Emily hat Ulli die Kraft und die Fähigkeit, diesen Kreis zustandezubringen und die negative Energie der Großmutter zu neutralisieren. Außer Klaus haben zwar alle die Gesichter nach außen gerichtet, aber die fesselnden Kräfte scheinen aufgelöst, das Ganze verliert seinen bedrohlichen Charakter. Die Konfrontationssituation ist aufgelöst: Ihre Eltern sind hinausgegangen und stehen nebeneinander ohne trennende Schwiegermutter dazwischen. Die väterliche Großmutter hat sich zu ihrem verstorbenen Mann gestellt, der mütterliche Großvater bekommt seine heimliche Geliebte. Die Schwester hat ihren Freund, auch Emily stellt sich einen Partner zur Seite, den sie bald zu finden hofft. Sie betrachtet dieses Bild, ist selbst fasziniert davon. Sie sagt, die drohende Wolke ist weg, jetzt ist es wie eine umgekehrte Pyramide, deren Spitze am Boden Ulli ist, in der sich die ganze heilende Energie konzentriert, wie eine Projektion der göttlichen Energie auf die Erde. Auch ich bin total fasziniert von der Arbeit, die sie in diesen 3 Stunden geleistet hat. Mein Beitrag war eher bescheiden, ich habe neben meinen Aufzeichnungen hin und wieder ein paar Verständnisfragen gestellt, sie aber weitgehend selbständig tun lassen, was wie von selbst geschah. Es kam mir vor, als ob sie gleichzeitig zwei Rollen spiele: Eine Klientin und gleichzeitig ihre Therapeutin mit viel Einfühlungsvermögen und Erfahrung in der Arbeit mit Familiensystemen. Feedback 1 Nachdem ich gegangen war, habe sie eine Dreiviertelstunde alleine zu lauter Rock-Musik getanzt und sich unglaublich gut und befreit gefühlt. Das erzählt sie mir bei unserer - 36 - nächsten Sitzung eine Woche danach. Sie habe die Aufstellung alleine noch einmal gemacht unter dem Aspekt, wie es ihr selbst mit der jeweiligen Person gehe. Die Dreiecksbeziehungen sind ihr nicht aufgefallen, aber sie sieht das auch so. Ihre früheren Beziehungen zu Männern waren kurz, intensiv, die Partner weit weg, der Abschied tränenreich - so brauchte sie nicht Schluß zu machen und auch nicht ihr Partner. Jetzt weiß sie, daß ihr Traumpartner kommen wird. Sie braucht ihn nicht, damit er sie aus ihrem Familiensystem herausholt, das mache sie jetzt alleine. Am meisten in der Familie liebe sie ihre Schwester, sie habe zwar Angst vor der Entfernung, wüßte aber andererseits, daß die Liebe sie beide zusammenhält – Liebe in Freiheit und gegenseitigem tiefen Vertrauen. Feedback 2 Emily erzählt mir, daß sie ziemlich exakt neun Monate nach diesem Familienspiel eine Familienaufstellung bei einem Seminar gemacht habe. Es war sehr tiefgehend für sie und auch für die anderen Teilnehmer (10 Männern und 10 Frauen), sie habe nachher zwei Tage gebraucht, um wieder ihrer Arbeit nachgehen zu können. Die Themen waren für sie wieder Partner und Loslösen aus der Familie. Erst jetzt war sie wirklich imstande, aus der Familie zu gehen. Ihre Mutter hatte eine schlimme Woche hinter sich, ein Krebsverdacht bestätigte sich jedoch nicht, ihr Vater habe erstmals weinen können. Während dieser schlimmen Woche hatte sie ihren Eltern beistehen können. Der Tanz Ich habe sie nie als mögliche Klientin für eine Beratung gesehen, da sie mir von sehr erfolgreicher Selbsterfahrung erzählt hat. Sie strahlt große Freude und Zuversicht aus, die ansteckend wirken kann. Mein Tanz mit ihr in der Rolle eines Beraters beschränkt sich also alleine auf dieses Familienspiel. Emily wollte tanzen, in einer größeren Gruppe, einen sehr tiefgehenden Tanz (Familienaufstellung). Ich habe ihr angeboten, zu zweit zu tanzen, sie hat das Angebot sofort angenommen. Im Tanz hat sie ein Furioso hingelegt und mich so mitgerissen, daß ich nie die Führung zu übernehmen brauchte. Sie hat keinerlei Impulse gebraucht, da sie genau fühlte, was sie wollte, wohin sie wollte. Ich war für sie wohl ein idealer Begleiter, der ihr das gewünschte minimale Maß an Sicherheit und Struktur geboten hat. Der Tanz mit ihr war so beeindruckend, daß er mich dazu inspiriert hat, diese Methode öfter anzubieten. - 37 - Emily – Aufstellung H an † s Emily MM M MV VV VM † Emily V † GVM Ulli Klaus VM † Birgit drohende schwarze Wolke Gott Elfi rt Ku - 38 - FE Emily V H an † s M Emily – Schlußbild MV VV † MM Klaus Ulli VM † Elfi GVM FB Birgit t r Ku - 39 - 6.3 Romy – Nähe (Mai 98) ? ? Walter 1933 ? Christl 1937 ? VV † 1975 Herta 1935 ? 4 Kinder von vier versch. Männern mind. 2 Abtr. † MV † 1965 ? ? 1952 ? ? V 1931 Brigitte 1954 Romy 1958 VM † 1946 SVM Emmerich 1912 MM † 1982 Fanny Berta M 1936 Hartwig Max Fritz Elfi 1933 Erwin 1960-76 Robert 1968 Abtr. Jürgen 1970 Abtr. // Christoph Markus Aus ihrem Lebensfilm Romy hat viele Männerbekanntschaften, aber sie kann nach ihrer Aussage keinen Mann wirklich in ihre Nähe lassen. Sie sucht sich immer wieder Männer, die auch keine Nähe zulassen können und dabei entsteht bei ihr der Wunsch, solchen Männern zu helfen. Mit Romy hatte ich vor diesem Familienspiel schon einige sehr tiefgehende Gespräche geführt, war in sehr gutem Kontakt und habe schon einiges von ihrer Lebensgeschichte erfahren. Das hat mich bewogen, ihr dieses Spiel anzubieten. Hier möchte ich einige mir wichtig erscheinende Passagen wiedergeben. Das Spiel Wie fühlt sich die Romy in dieser Aufstellung: schrecklich, eng; sie ist im Zentrum Was möchte sie sagen: Laßt mich in Ruhe, ich kann nicht immer, wenn ihr das wollt Wie spürt sie V: er beobachtet mich, wie ich bin und was ich tue; er war nie da für mich Und M: M steht bedrohlich nahe vor mir, sie tut so, als ob sie schützend vor mir stünde; sie schaut zu Robert, der vermittelt ihr das Gefühl gebraucht zu werden (Sorgenkind); auch V nach seinem Unfall braucht sie jetzt, das mag sie; mich hat sie zum Aufpassen auf die kleinen Brüder gebraucht Hast Du auf jemanden im Familiensystem Wut? Nur auf M, ich glaube, weil sie streng und lieblos zu mir war Was wünscht Du Dir? ein Happy-End - 40 - † im Krieg Erwin 19.. Klaus 19.. Hast Du einen Impuls für die Romy in der Aufstellung? sie möchte ein bißchen hinaus (zieht ihre Figur Richtung Fanny). Das war eine tolle Frau, ein Diamant in dieser Familie, Einzelgängerin, weit in ihrer persönlichen Entwicklung, bescheiden, frei von Neid und Haß, wurde von den anderen belächelt und als „arm“ bezeichnet; ihre ruhige Art fasziniert mich; sie hat als erste und Einzige zu mir von Frau zu Frau geredet, mir Tips gegeben (Aufklärung, Kleidung, Frisur, ...) Was hält Dich zurück, hinauszugehen? das tut man nicht, die Familie läßt man nicht im Stich, um ein eigenes Leben zu führen. Woher kommt das? Von den Eltern; V sagte einmal, das wichtigste im Leben ist, von der Gesellschaft akzeptiert zu werden; er tut alles um den Schein zu wahren. Fühlst Du Dich für irgendwen oder irgendwas verantwortlich? Nein, aber irgendwie doch. Wie ist das mit Deiner „Angst“ vor Nähe? ich habe keinen Freiraum, das Gefühl, ich muß da sein, muß mich auf die anderen einstellen. In meiner Ehe war es dasselbe: ich hätte mich aufopfern sollen für den Mann, wie meine M. Familie ist Haufen von Egoisten. Egoismus: da stellt es mir die Haare auf. Ich versuche, nicht verletzend zu sein. Ich brauche mehr Distanz, um Nähe zulassen zu können. Feedback Ihr Gesicht war nachher verändert, die kaum merkliche Maske der „Gefalltochter“ war weg, sie wirkte etwas nachdenklich, vielleicht ein wenig traurig (Augen, Mund), aber sehr gelöst. Mehr sie selbst? Anruf am nächsten Morgen (ihr 40. Geburtstag !): sie fühlt sich sehr gut, hat gestern noch viel aufgeschrieben, die Aufstellung war für sie „toll“ und wichtig gewesen. Der Tanz Wir kamen gut in Kontakt und harmonierten in der Bewegung anfangs sehr gut. Allerdings war für sie eine gewisse Distanz sehr wichtig, um die von ihr gewünschte Art von Nähe zulassen zu können. Immer wenn ich diese Grenze überschritt, bewußt oder unbewußt, machte sie eine Art von Abwehrbewegung. Anfangs kaum merklich, später sehr deutlich. Zumindest das hat ihr der Tanz mit mir gebracht, ihre Grenzen deutlich zu signalisieren. Ich hatte jedoch immer wieder das Gefühl, daß sie vor dem, was sie sich am meisten wünscht, auch am meisten Angst hat, und daß sie entsprechend reagiert. Das deckt sich auch recht gut mit ihren Aussagen während des Familienspiels. Mit diesem Widerspruch zwischen Wunsch und Verhalten habe ich sie unbewußt immer wieder konfrontiert. Bei einer Übung während eines Seminars entstand eine Situation, die sie möglicherweise an ein traumatisches Erlebnis erinnert hat. Jedenfalls war diese Konfrontation dann für sie so stark, daß sie mich um Zeit und Abstand bat und auch über das, was passiert war, nicht mit mir sprechen wollte. Sie hat mir nur versichert, daß es für sie wichtig war. Sie zog sich immer mehr von mir zurück und brach schließlich den Kontakt gänzlich ab. Sie gab mir keine Chance mehr mit ihr weiterzuarbeiten und zu erfahren, was wirklich dahintersteckte. Vielleicht habe ich ihr durch unseren oberflächlich betrachtet misslungenen Tanz aber die Möglichkeit geboten, zu erkennen, was sie will, was sie nicht will, und dass sie das auch deutlich genug artikulieren kann. Auch wenn es für mich nicht angenehm ist, bin ich bereit, diese Rolle auf mich zu nehmen. - 41 - Romy – Aufstellung Fanny Renate in Erw † R ob er t in w Er MM M SV erich m Em Romy us Jürgen Kla Elfi Herta M Wa lte V MV VV Chris tl - 42 - r VM † 6.4 Linda – Druck (Juli 98) VV † 1961 VM Josef 1898-78 MV † 1953 MM Maria † 1962 Altersreihenfolge unbekannt, V war jedoch der Jüngste Karl Peter Sepp Maria Barbara Theresa Franziska V Franz 1930 atin Erhard 1952 Veronika 1956 Martha 1957 unehel. Christoph Barbara 1977 Geschiedener Rudolf 1962 1980-81 Anna 1981 Linda 1958 Rudi 1941 M Maria 1936 Franz 1938 Hannes 1966 Klemens 1968 1955 ufp Ta ? als Baby † Felix 1961 Monika Stefan 1964 Martin 1976 1986 Simon 1987 unehel. Sara Aus ihrem Lebensfilm Linda stammt aus einer sehr streng religiösen Familie, war lange von der Religion geprägt, versuchte aber von Anfang an irgendwie ihren eigenen Weg zu finden, was ihr die Eltern aber absolut schwer gemacht haben. Sie hat einen wesentlich älteren Mann geheiratet, der selbst massive Probleme hat. Linda hat einen starken inneren Konflikt, das zuzulassen, was sie sich wünscht und was ihr guttut, weil sie glaubt, sie dürfte das nicht tun. Sie ist sehr besorgt um ihren Mann und ihre Kinder, vor allem um den Sohn, der auch große Probleme hat (Neurodermitis, Bettnässen, Aggressivität gegenüber Vater). Ihre Tochter ist ihr eine große Stütze. Obwohl ihr Mann ihr nicht helfen kann, sogar „gegen“ sie arbeitet in Partnerschaft und Kindererziehung, sie oft sehr schlecht behandelt, steht sie zu ihm und versucht ihm zu helfen. Sie steht unter einem Dauerdruck von außen und von innen. Das macht ihr natürlich viel Angst, die auch zu einem guten Teil aus ihrer Lebensgeschichte erklärbar ist. Es ist bewunderswert, wie sie für sich, für ihren Mann, für ihre Beziehung, für ihren Sohn kämpft, wie sie dazu die Kraft aufbringt (durch ihren Glauben an Gott aber auch an sich selbst). In dem Jahr, seit ich sie kenne, hat sie sich gewaltig zu ihrem Vorteil verändert. Sie konnte einige Ängste abbauen oder verringern, leichter auf andere Menschen zugehen und mit ihnen in Kontakt kommen. Ich habe das Gefühl, sie hat sich geöffnet für sich selbst und andere und ist irgendwie aufgeblüht. Sie kann den zeitweise massiven Druck dadurch leichter aushalten. Und langsam werden auch die Probleme mit Mann und Sohn kleiner. Das Familienspiel habe ich ihr angeboten, nachdem sie mir von ihren Problemen erzählt hat und von der faktischen Wirkungslosigkeit der Paartherapie mit ihrem Mann. - 43 - Bernadette 1977 Das Spiel Willst Du mit Schachfiguren oder mit Tieren arbeiten? Gibt es einen Igel? Ich bin ein Igel. Die Stacheln sind Schutz. Als Skorpion habe ich auch einen Stachel, den ich jetzt nur selten brauche, ich verletze mich auch selbst damit, früher habe ich das oft gemacht. (Entscheidet sich dann für die Schachfiguren). Ich schlage vor, die Aufstellung chronologisch zu machen, also mit der Situation zu beginnen, wo Du auf die Welt kamst: Du, Deine Eltern, Deine beiden Schwestern. Ich bin ein Turm. V redet, predigt, macht mir Angst – M tut (Barmherzigkeit, Nächstenliebe), ich wollte immer so werden wie sie – jetzt bin ich schon so: bin gerne Mutter und Hausfrau, habe ihre Schrift, mag alte Leute. Mit 16 wollte ich weg von zu Hause, hatte aber sehr Heimweh. Die jüngeren Schülerinnen waren selbstbewußter, ich beneidete sie. Diesen Neid habe ich in die Ehe mitgebracht, jetzt ist er weg, ich weiß nicht seit wann. Richtige Freundschaften hatte ich erst seit 15 Jahren, auch eine eigene Meinung. Das Erzkonservative zu Hause habe ich nicht ausgehalten. Zu V kann ich nicht hin, er ist ein guter Kerl, aber vom Krieg gedanklich eingenebelt, er hat Angst vor einem neuen Krieg. Er hat sehr strenge Maßstäbe (z.B. über Priester), ist aber selbst zu feige. Es hat kaum Zärtlichkeiten zwischen den Eltern gegeben, V hat M kaum gelobt. M ist streng, hat Angst vor V. Sie hat viel Arbeit gehabt (Haushalt, Kinder, Landwirtschaft, Gemüsegarten), schaffte das mit festem Glauben und Beten, war kaum krank. Ich bin das 3. Mädchen und hätte schon ein Bub sein sollen, das bekam ich immer wieder zu spüren. Felix, mein erster Bruder: Habe jetzt jemand, der mich schützt, aber er kam mit 10 ins Internat, ich war in der 2. HS. Du stehst ziemlich im Zentrum. Ich wollte als Kind im Mittelpunkt stehen, habe mich aber nicht so gefühlt. Felix ist eher schnell selbständig geworden, hat sich schneller lösen können. Was man mir zuwenig zugetraut hat, hat man Felix aufgehalst. M hat mir kaum etwas zugetraut. Den Eltern war christliche Erziehung wichtig (Felix Internat, Veronika+Martha Internat HS). Ich war nur im 2. Klassenzug, daher kam ich nicht ins Internat. Ich wurde zur Arbeit herangezogen, Veronika und Martha nicht. Ich hatte verschiedene Arbeitsstellen, das wurde bei anderen viel mehr toleriert als bei mir. Stefan hat Ähnlichkeiten mit Simon (Widerstand und Aggression). Ich habe an ihm viel herumgenörgelt, er hat sich aber durch seine Freundin ziemlich geändert. Ich glaube, daß ich das jetzt bei Simon wieder gutmachen kann. Simon heißt ja auch Simon Stefan – er mag Verwandte nicht. Ich habe mir eine kleine Schwester gewünscht. In der Familie wurde immer ein Geheimnis um die Schwangerschaften der M gemacht. V sagte mir: Ja keine unehelichen Kinder – prompt hatte ich eines. Dann sagte er, ich käme deswegen in die Hölle. - 44 - Zu Karl habe ich besondere Beziehung, ist schwarzes Schaf, nicht konservativ. Es sieht so aus, als ob sich keine 2 Personen anschauen. Ja, niemand wollte zuviel Nähe. Das war die Distanz, wir gaben uns nur die Hände, es gab keine Umarmungen oder Küsse. Simon hat sogar das Handgeben lange verweigert. Er kann aber sehr herzlich sein, wenn er sich über etwas sehr gefreut hat oder beim Abschied, auch meinem Mn gegenüber. Spontan stellt sie die Personen um – „wer mir näher steht“. Feedback Wie war diese Arbeit für Dich? witzig, viele Parallelen wurden deutlich. Es gab kaum Bewegung bei der Aufstellung, die Figuren blieben meist so stehen, wie sie hingestellt wurden. Der Tanz Der Tanz mit Linda ist sehr anstrengend und zeitaufwendig – allerdings auch sehr fruchtbar, sodaß ich die Mühen gerne in Kauf nahm. Sie zeigt einen unglaublichen Mut, genau die Schritte zu machen, vor denen sie am meisten Angst hat. Sie hat sehr viel Vertrauen zu mir, ich gebe ihr Schutz, ihr halte sie, wenn sie fällt, und das passierte mehrmals. Sie weiß, daß ich ihr wieder aufhelfe, sie kommt auch sehr schnell wieder auf die Beine, und das meist fast alleine. Sie weiß ziemlich genau, wo sie hinwill, vor allem was sie hinter sich lassen möchte, sie weiß daß es für sie stark und alles andere als einfach ist – aber sie läßt sich davon nicht abschrecken und ihr Erfolg gibt ihr immer wieder recht. Sie sagt immer wieder, daß sie in Entscheidungssituationen auf ihre innere Stimme zu hören versuche und sie immer passende Antworten bekomme. Sie konnte vieles an sich selbst und dadurch ein wenig auch an ihrem Umfeld verändern. Sie beklagt sich nicht, daß sie den größten Teil der Belastungen tragen muß. Sie ist zwar eine anstrengende, aber doch für einen LSB sehr motivierende Tanzpartnerin aufgrund der sichtbaren tiefgreifenden positiven Veränderungen und des schmeichelhaften, aber ehrlichen und realistischen Feedbacks. - 45 - Linda – Aufstellung Bernadette Martin Felix Linda Veronika Martha M Stefa n V Hannes Klemens Wer mir näher steht Linda M Klemens Bernadette Felix Veronika V Stefa n Martha - 46 - Martin 6.5 Hilary - Nahrung (Juli 98) 1MMV † MV Josefa † VV † VM † 1940 MM Hilde † 1942 2MMM Karl † Fritz Josefa † 1996 Karoline V Franz 1919-1993 M Hilde 1926 Tante Berti 1926 Anna Franzi 1952 Andrea 1957 rsa a-E K Om K "Oma" Adele † 1976 tz Sepp † 1994 TP Paula † 1992 Franz Ta uf pa tin noch 5 Kinder, alle früh † 3FK † Maria 1957 Elisabeth 1958 Robert 1960 Hilary 1960 1978-1984 Anna 1985 Norbert 1949 PK Fritz 1985 Bernhard 1986 Nikolaus 1995 Josefine 1997 Genogramm Was ist Dein Motiv, diese Familienaufstellung zu machen? ich glaube, von M sehr geprägt zu sein. Immer wieder spiele ich ihre Muster, mache ihre Bewegungen, obwohl ich es vermeiden möchte. Die Vorgänge mit M übertrage ich auf meinen Mn, obwohl ich weiß, daß er nichts dafür kann. Er reagiert mit Schuldzuweisungen. Wenn ich meiner Mutter nicht entsprach, reagierte sie mit Schweigen und Liebesentzug; ich mußte immer erraten, was in ihr vorging, bekam ein schlechtes Gewissen und traute mich nie zu fragen. Wir 3 Schwestern wurden Lehrerinnen, wobei ich „das letzte“ mache, Sonderschule (in den Augen der M), aber wenigstens Lehrerin. M wollte, daß wir schnell Matura machten und Lehrerin würden. M war Buchhalterin (mit HaSch). Franz ist Techniker, V sagte zu ihm, Lehrer sei kein „gescheiter Beruf“. Er spricht das aus, was M nicht sagen kann, er ist beinhart. Das Spiel Möchtest Du Aufstellung mit Schachfiguren oder mit Tieren machen? (Nach kurzer Überlegung) mit Tieren. Ich wollte Krankenschwester werden, hätte auch gerne Psychlogie studiert. - 47 - Habe mit Robert noch nicht wirklich abgeschlossen. Obwohl er mir sehr viel bedeutet hat, wollte ich ihn nicht heiraten. Seine Familie ist sehr nett, die hätten sich auch über mich als Schwiegertochter gefreut. Ich habe aber Angst gehabt, wie meine M zu werden. Er hat es nicht verstanden, daß ich mich getrennt habe, ist jetzt irgendwie abweisend und kühl. Er ist jetzt auch verheiratet. V hatte Parkinson, etwa seit ich 15 war, es wurde lange verheimlicht. Er ist im Krankenhaus gestorben; der Sterbekult um meinen V störte mich, es war wie eine Bewachung, man wollte ihn nicht alleine lassen (vor allem Maria und M). Er wurde immer „ruhiggestellt“, wenn ich bei ihm war, hatte ich das Gefühl, er bekommt alles mit. Ich bin traurig, daß ich die Zeit mit V nicht genutzt habe. Ich hatte keine männliche Bezugsperson. Alles was ich will, muß ich heimlich tun, kann nicht dazu stehen, es könnte ja der Familie bekannt werden, das wäre eine „Schande“. Zum Psychotherapeuten ging ich z.B. mit Sonnenbrille. Die Familie war sehr katholisch, alles was dem nicht entsprach, tat ich mit schlechtem Gewissen wegen Mutters drohendem Zeigefinger Ich war kein geplantes Kind; meine ersten 6 Wochen war ich von M getrennt (im Krankenhaus wegen Harnröhrenknick). M war gemein zu mir (weint), und ich habe ihr heimlich viel zufleiß getan. Mit der Drohgebärde schützt sich der Gorilla (M) selbst, seine fiktive Welt, die auf sehr wackeligen Beinen steht. Wo hätte dich die M gerne: hinter den Kindern (stellt Esel da hin, fühlt sich dort nicht gut, stellt sich wieder zurück) Feedback Diese Arbeit war wohl ziemlich gut für sie: Sie hat mich zum Schluß spontan umarmt und lange fest gedrückt und gehalten. Sie konnte offenbar viel aussprechen, was sie sonst nicht sagen kann. Ich habe nur die wichtigsten Personen aufstellen lassen, dadurch ist das für sie momentan Wesentliche klarer herausgekommen (Befreiung von M und Robert, Distanz zur Familie, Verabschiedung von V, Zuwendung zu Norbert). Und habe sie alles erzählen lassen und wenig lenkend eingegriffen, sie hat viel selbst getan (Veränderungen von Standort und Ausrichtung der Figuren, Figurenwechsel). - 48 - Der Tanz Es ist faszinierend, wie kreativ, selbstsicher und erfolgreich sie diese Arbeit machte in Anbetracht der massiven Defizite, die sie in ihrer Kindheit erleiden mußte. Die Nachwirkungen sind zwar noch spürbar, sie spürt sie ja selbst auch, und doch ist sie fähig zu einem kreativen und zielstrebigen Tanz. Sie brauchte fast keine Impulse, ich fühlte mich in ihrer Welt sicher, weil sie sich so sicher darin zu bewegen wußte. Auch wenn ihre Welt, vor allem der Teil ihrer Kindheit, von viel Dunkel und Kälte gezeichnet war. Ihre jetzige Welt ist sie dabei ihren Bedürfnissen anzupassen, und dazu trugen wohl dieses Spiel und auch noch nachfolgende Tanzschritte mit ihr bei. Sie hat die Fähigkeit, sich aus dem Angebotenen das für sie passende zu nehmen und auch sehr viel Einfühlungsvermögen, um anderen Menschen schöne und wichtige Dinge zu sagen und zu schenken. t er ob f R cha S Hilary Esel Hilary – Aufstellung 1. Bild rt be l or e N am K M Gorilla Hilary und ihr Mann Norbert schauen zuerst parallel zu M Elisab. Pferd Maria Elefant M steht zuerst zwischen Kindern und V, dann zwischen Hilde und Geschwistern Franzi Löwe M Gorilla Hilary V M Elisabeth Maria Franz Robert Norbert Andrea Esel Giraffe Gorilla Pferd Elefant Löwe Schaf Kamel Hahn schwarz gelb/braun schwarz braun grau hellbraun weiß braun weiß groß groß groß klein klein klein groß groß klein trägt brav seine Lasten steht über den Dingen, ist nicht präsent Drohgebärde, schirmt V ab V e aff Gir emotionell trägt einiges mit sich (Höcker) wichtig - 49 - t er ob f R cha S Hilary Esel Hilary – Aufstellung 2. Bild No r Ka bert me l M Gorilla Elisab. Pferd Andrea Hahn Maria Elefant Franzi Löwe Hilary Esel V Andrea kommt hinzu - ihre Blickrichtung trennt Hilary und die beiden Männer vom Rest der Familie. Robert wendet sich von Hilary ab: sie sagt, sie braucht ihn nicht mehr, er ist eher abweisend zu ihr. Hilary und Norbert wenden einander zu, Norbert weicht leicht zurück von M. Auf die Frage, wo hätte Dich M gerne, stellt sich Hilary hinter Maria und sagt, dort war sie wohl früher, dort ist es nicht angenehm. Sie stellt sich wieder zurück, geht dann (mit Norbert) ein Stück von der Familie weg. - 50 - e aff Gir t er ob f R cha S Hilary Esel Hilary – Aufstellung 3. Bild No r Ka bert me l M Gorilla Elisab. Pferd Andrea Hahn Maria Elefant Franzi Löwe V e aff Gir Hilary und Norbert drehen sich von der Familie weg, Robert dreht sich von Hilary weg. Hilarys Blick fällt auf den freien Raum vor ihr. - 51 - Hilary – Aufstellung 4. Bild Andrea Hahn t er ob f R cha S Hilary Esel No r Ka bert me l M Gorilla Elisab. Pferd Maria Elefant Franzi Löwe V Hilary nimmt Robert und legt ihn sich über den Rücken - es ist für sie keine Belastung, sondern wie eine Hilfe. Robert fällt aber immer wieder vom Rücken, sie läßt ihn dann daneben stehen. Hilary und Norbert bewegen sich von der Familie weg in den freien Raum. Andrea rückt in Richtung Hilary, der Raum zwischen der bewegten Gruppe und der Restfamilie wird groß. - 52 - e aff Gir Hilary – Aufstellung Schlußbild Hilary Pferd No r Ka bert me l Andrea Hahn t er ob f R cha S M Elch M Gorilla Elisab. Pferd Maria Elefant Franzi Löwe Hilary und Norbert gehen noch weiter weg, Robert bleibt zurück. Der Wunsch, die Mutter möge bewußter werden, drückt sich in einer Verwandlung des Gorilla in einen Elch (mehr Wärme, kann auch geben) aus, der ihr ein Stück nachkommt. Hilary verwandelt sich in ein kleineres braunes Pferd (leichter), den Esel stellt sie zu ihrem V und spricht vom weichen Fell und dem langen Hals der Giraffe. - 53 - V Hilary Esel e aff Gir 6.6 Gloria - Versöhnung (Oktober 98) MV "Großmama" 1906-1988 VV † SVV 1901-1968 VM 1914-1944 MM "Oma" 1921-1985 SVM "Opa" Hubert ?? 1942-1942 // 1936 Ida 1928-1990 V 1930-1993 1963/64 Loise 1988-1993 M 1940 Tante 1958-1964 Gloria 1958 Hermann Susi 1956 Roland 1964 1988 Sandra 1985 Christoph 1989 Aus ihrem Lebensfilm Gloria hat selbst ziemliche Ängste und den Wunsch nach Harmonie. Wenn andere Menschen leiden, geht ihr das sehr nahe und weckt den dringenden Wunsch ihnen zu helfen. Das versucht sie privat und beruflich umzusetzen, ich glaube es gelingt ihr auch recht gut. Sie lernt immer mehr, sich selbst dabei nicht zu vergessen. Das Spiel Wie geht es Dir, wenn Du das Bild ansiehst? Ich möchte M und V zusammenbringen. Durch Oma und Opa bin ich sehr gestärkt. (Ihre M ruft an). Mich zieht es zum echten Opa (VV) hin, ich weiß nichts von ihm, einfach nur aus Neugierde. Wer sieht wohin, wer sieht wen an? SVV sieht M an – er hat sie so mögen wie sie ist. Aus den Familienstreitereien hat er sich herausgehalten. Ich schaue in die Leere, das paßt. Ich könnte mich zu Oma umdrehen (dreht die Figur um). M braucht mich nur, wenn sie mit den anderen zerstritten ist; ich fange nach zehn Minuten mit ihr zu streiten an, meist nur über Kleinigkeiten. Sie akzeptiert nur das, was für sie richtig ist, sie ist narzißtisch, kann keine andere Meinung zulassen. Zwischen 6 und 12 Jahren habe ich fast nichts gegessen (wenn die Eltern dabei waren), bin abgemagert. Ich wollte, daß sich die Eltern um mich kümmern. Ich war gerne krank, - 54 - da konnte ich von der Schule daheimbleiben und bei der Oma auf dem Sofa liegen. Auch später, als ich schon gearbeitet habe, war ich gerne krank. Der Schulweg war sehr lang, durch einen steilen Wald, im Winter viel Schnee, in der Schule, war ich die erste Stunde meist ganz fertig. Die Scheidung kam „sauber“ überraschend für mich. An dem Tag, als sie es mir sagten, hatte ich ein Schlüsselerlebnis; Wie waren im Garten in Hallwang, der hat zwei Gartentüren, V und M standen bei je einer der Türen, beide sagten, „Komm her zu mir“! Ich wußte nicht, was ich tun sollte und bin zu einem Nachbarn gelaufen und habe mich hinter der Waschmaschine versteckt. Einen Tag bin ich dann in Hallwang noch in die Schule gegangen, dann hat mich M nach Braunau zur MM gebracht. Am 1. Abend meiner Ausbildung habe ich dieses Bild erzählt, ich glaube, ich habe das schon verarbeitet, aber die Kursleiterin meinte, wenn ich es so emotionell erzählte, hätte ich es noch nicht verarbeitet. Glaubst Du das? Nein. Ich habe meinen Eltern verziehen, es ist zwar schwer für mich gewesen, aber es hat mich stark gemacht, das auszuhalten. Und jetzt habe ich die Kraft, mich selbst zu heilen. Ich habe meine Eltern in mir vereint. Das Essen ist jetzt ein Genuß für mich, ich richte auch für mich selbst etwas her. Ich habe mir lange die Schuld gegeben, daß sie wegen mir heiraten mußten. Ich wollte als Kind schon immer meine Eltern zusammenbringen. V und M haben nach der Scheidung nicht mehr miteinander gesprochen, nur schriftlich verkehrt. Bei meiner Hochzeit wollte ich keine Geschenke, sondern nur, daß V und M miteinander reden. Und dann haben sie auf meiner Hochzeit miteinander getanzt und fast nur über mich geredet, diskutiert, nicht gestritten! Es war für mich wie ein Traum der in Erfüllung geht. Ich habe lange das Gefühl gehabt, es will mir wer etwas Böses antun, es verfolgt mich wer. Feedback Wie war es für Dich? Es war sehr interessant und es ist gut, nicht immer nur anderen zu helfen, sondern wenn sich einmal jemand meine „Kacke“ anhört. Der Tanz Lange Zeit hatte sie auf mich den Eindruck gemacht, sehr gut mit ihrem Leben zurechtzukommen. Das Familienspiel machte sie eher aus Neugier, sagte sie. Was ich dadurch von ihrer Lebensgeschichte erfahren habe, hat mich sehr berührt, vor allem das Gefühl des Verfolgtseins. Ihre Geschichte hat mir deutlich gemacht, wie sehr Gefühlssituationen und sogar körperliche Symptome der eigenen Lebensgeschichte, vor allem der eigenen Kindheit, durch das analoge Alter von nahestehenden Personen, beispielsweise der eigenen Kinder, wieder an die Oberfläche kommen können. Und das kann so schnell und überwältigend sein, daß man momentan nicht weiß, woher das kommt. Vielleicht war es Zufall, aber kurze Zeit nach diesem Spiel hatte sie eine ziemliche Krise mit massiven körperlichen und seelischen Symptomen. Dabei konnte ich ihr mehrmals beistehen und auch einen kleinen Beitrag leisten, daß sie sich selbst wieder herausrappeln konnte. - 55 - Einmal rief ich sie in einem für sie kritischen Moment an und machte mit ihr eine Fantasiereise zur Stärkung von Selbstwert und Sicherheit, wies sie auf die Parallelen ihrer eigenen Kindheitserlebnisse mit dem aktuellen Alter ihrer Kinder hin. Kurz darauf informierte ich sie über eine ehrenamtliche Tätigkeit im sozialen Bereich, die sie begeistert annahm und die für sie offenbar momentan ganz wichtig ist. Gloria – Aufstellung 1. Bild VM MM "Oma" M SV a" p "O Gloria V Ida MV "Großmama" M SVV Roland Roland VV - 56 - Gloria – Aufstellung 2. Bild VM MM "Oma" M SV a" p "O Gisi V Ida MV "Großmama" M SVV Roland VV - 57 - Gloria – Schlußbild VM MM "Oma" M SV a" p "O Gloria V Ida MV "Großmama" Gl ori a V M SVV M Roland VV - 58 - 6.7 Simone - Mißbrauch (Oktober 98) VV † MV † V Johann 1896-81 ?? 1886-? ?? jünger ?? jünger VM † MM † ?? älter M Sabina 1917-84 im Krieg † 2/1936 Bruno 1934-71 Berta 1936 Johann 1937 Josef 1939 Lunge, Alk. Leopold 1941-97 Maria 1943 Frieda 1945 Fritz 1948 Herz Angela 1949-96 Simone 1950 Walter Agnes 1953 Christine 1954 Unfall 1971-73 Robert 1972 Genogramm Deine Geschwister? Wir waren insgesamt 15 Geschwister, 3 sind gleich bei der Geburt gestorben, 2 dürften Zwillinge gewesen sein. Tut sich schwer beim Erinnern an Namen und Geburts- und Todesjahre. Alle Großeltern haben im selben Ortgelebt. Hast Du auch in dem Ort gelebt? Bis zu meinem 10. Lebensjahr, dann bin ich in den nächsten Ort gezogen. Du bist gezogen? Ich hab müssen, bin zu einem anderen Bauern gekommen. Bis zu mir haben die Kinder alle zu fremden Bauern müssen. Eltern haben kleine Landwirtschaft gehabt, konnten sich so viele Kinder nicht leisten. Von dem Bauern bin ich ausgerissen nach einem halben Jahr, war dann kurz wieder zu Hause, bin dann zu einem anderen Bauern gekommen und von dort nach Wien, war also nie mehr zu Hause, außer im Urlaub. Wie war denn das für Dich, als Du von zu Hause wegmußtest? Ein Schock. Ich kann mich an nichts erinnern, erst wieder – der Bauer hat mich mit dem Moped geholt – wie wir fast bei ihm zu Hause waren. Ich sehe mich da von oben auf dem Moped sitzen. Das Wegkommen von zu Hause war ausgeblendet - erst bei einer Therapie ist mir ein Bild gekommen, wie es hätte gewesen sein können; da ist viel Wut herausgekommen. Hast Du dann noch Kontakt gehabt zu Eltern? Ja, bis zum Schluß. Gibt es sonst noch wichtige Personen, die nicht zur Familie gehören? Personen, die für mich eine besondere Bedeutung haben? Ja, an die Du dich gut erinnern kannst! Nicht gute Erinnerungen? Ja, auch. Beim ersten Bauer habe ich es nicht ausgehalten, sie haben kein Verständnis gehabt für mich. Nach der Schule mußte ich in Landwirtschaft arbeiten oder auf Kinder aufpassen. Da bin ich ausgerissen und nach Hause marschiert. Am nächsten Tag hat mich Bauer am - 59 - ? 1955 † bei Geburt gestorben Schulweg abgepaßt und mir gedroht. Die Eltern stellten mich vor die Alternative, entweder zu dem Bauern zurückzugehen oder zumindest meine Sachen zu holen. Ich holte sie und war dann ein halbes Jahr zu Hause. Dann bin ich zu einem anderen Bauern im selben Ort wie der erste Bauer gekommen. Dort habe ich mich noch schlechter gefühlt, obwohl ich 2 Jahre dort war. Dort habe ich sexuellen Mißbrauch erlebt. Selbst erlebt oder mitangesehen? Er an mir. Ich habe gerade einen Vortrag über sexuellen Mißbrauch an Kindern angehört, beim Vortrag ist es mir ganz gut gegangen, aber auf dem Heimweg habe ich gemerkt, daß ich es nicht wirklich verarbeitet habe, (weint), habe noch irrsinnig viel Wut in mir gespeichert habe. Er lebt ja nicht mehr. Habe mir Gedanken gemacht, wie ich die an den Mann bringen könnte, damit sie an die richtige Adresse kommt. Weiß nicht, wie ich das anstellen werde und ob ich da überhaupt noch hineingehen soll oder eine Wutarbeit. Habe geglaubt, es schon verarbeitet zu haben, aber das habe ich nur verstandesmäßig gemacht (es ist mir nicht wirklich was passiert, jetzt kannst du das endlich einmal loslassen oder fallenlassen), aber gefühlsmäßig sitzt die Wut noch tief. Behindert dich das jetzt noch, wenn du mit Männern zu tun hast? Komme auch jetzt noch schwer zu meinen sexuellen Gefühlen, da muß ich schon in eine sehr positive Stimmung kommen, um da reingehen zu können. Und dann passiert es mir auch noch, daß ich plötzlich wieder draußen bin aus dem Gefühl, hinauskatapultiert, irgendwie im Kopf, wahrscheinlich damit ich mich mit den negativen Gefühlen nicht auseinandersetzen muß. Wie lange warst Du bei dem Bauern? 2 Jahre, und das ist gleich am Anfang passiert, und dann immer wieder. Ich habe das zum ersten Mal erzählt einer Therapeutin, da war ich 43. Du hast es 20 Jahre mit Dir herumgetragen. Hat er dich irgendwie bedroht, damit Du nichts erzählst? Bei dem Vortrag wurden die Mechanismen aufgezeigt, da habe ich mich total wiedergefunden, die eigenen Schuldgefühle. Das Ende: der Bauer war sehr dominant; er hat auf den Amboß geklopft, dann mußte ich in die Schmiede kommen. Einmal dürfte ich es überhört haben, da kam er fuchsteufelswild in die Küche und hat mir eine Watsche angedroht. Das dürfte den Widerspruchsgeist in mir geweckt haben, ich sagte: „Dann hauen Sie her!“ – nichts war. Und von diesem Zeitpunkt an ließ er mich in Ruhe, vielleicht hat er Angst gekriegt. Früher habe ich mich irgendwie eingelassen drauf, habe keinen Widerspruch gehabt. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, daß das nicht in Ordnung war, war damals total unaufgeklärt. Die Eltern waren kirchlich sehr beeinflußt, über Sex ist nicht gesprochen worden. ... Habe einen Freund gehabt, habe mich von dem aber getrennt, der hat mich finanziell ausgenutzt. Als ich Abendhandelsschule begonnen habe, hat das „ihr“ nicht gepaßt, daraufhin habe ich aufgehört und bin zu meinem späteren Mann gezogen. Habe ihn geheiratet, als mein Sohn Robert unterwegs war. Nach der Scheidung habe ich 12 Jahre einen Partner gehabt, der mich schlecht behandelt hat, hat mich belogen und betrogen, finanziell ausgenutzt, aber nicht geschlagen. Danach war ich einige Jahre allein, bin dann bei einer Sekte gewesen, in dieser Zeit habe ich Georg kennengelernt (damals nur Freundschaft). Mit ihm bin ich noch heute beisammen – seit etwa 3 Jahren in einer Liebesbeziehung. Anfangs war er homosexuell, aber Sex war bei uns damals völlig ausgeklammert. Nach einigen Lügengeschichten habe ich ihn hinausgeworfen, nach einigen Jahren haben wir uns wieder getroffen, haben dann auch - 60 - sexuell miteinander begonnen. Es war zeitweise eine Katastrophe, er hatte keinerlei Erfahrungen mit Frauen, auf Berührungsebene; das hat sich inzwischen sehr positiv verändert, Wachstum bei beiden. Er hat mit seiner Homosexualität gekämpft, er spürt offenbar immer weniger, daß er das will. Es geht uns gut miteinander, wir können über alles reden, er ist sehr offen, das habe ich von ihm gelernt. Jetzt geht es mir ganz gut, aber ich habe irre lang gebraucht, um halbwegs meinen Weg zu finden. Ich weiß, daß ich da noch einiges aufzulösen habe, um das wirklich zu befreien. Dieser Vortrag hat mich unbewußt angezogen, weil ich da noch etwas zu tun habe. Das ist Dir sehr wichtig? Ja, aber der Mann, der mich mißbraucht hat, ist schon verstorben, aber sein Sohn lebt noch. Das war komisch, der hatte sich damals die Hand gebrochen, er war zu Hause und ich mußte ihn waschen, er war schon erwachsen. Mit dem möchte ich Kontakt aufnehmen und ihm das von seinem Vater erzählen, obwohl er das nicht verantworten muß. Wie könntest Du Deine Wut am besten loswerden? Würde versuchen, den Sohn ausfindig zu machen. Wie würde der reagieren? Möchte wissen, warum ich ihn damals waschen mußte, den Körper, das habe ich nicht freiwillig gemacht. Magst Du da weitermachen, es ist ja eine eigene Geschichte, obwohl es für dich wichtig ist. Nein, das ist eine eigene Geschichte. Wie ist Dein Verhältnis zu Deinen Schwestern? Außer zu Agnes habe ich zu niemand Kontakt. Zu Frieda schon, aber ich bin jetzt sehr distanziert. Zu Maria habe ich schon Kontakt gehabt, aber anläßlich des Todes von Leopold gab es harte Diskussion. Ich habe zu ihm keinen Kontakt und keinen Gefühlsbezug gehabt und bin daher auch nicht zum Begräbnis gefahren. Das tragen sie mir bis jetzt nach, ich wollte es ihnen erklären, sie haben es nicht verstanden. Bei Gesprächen mit Geschwistern ist es nie um Gefühle gegangen, es war nur sehr oberflächlich. Am ehesten kann ich noch mit Agnes reden, bei anderen ist das nicht möglich. Vielleicht läuft da aber bei mir etwas, daß ich das nicht zustandebringe. Hast Du geschwisterliche Gefühle? Für Fritz, er war mein liebster Bruder, auch zur jüngsten Schwester denke ich mir, aber es treibt mich doch nichts, nach Hause zur Schwester fahren. Ich will schon eine Schwester, aber es kommt kein wirkliches Gespräch zustande, es blockt jeder ab, außer Agnes. Die ist aber krank, hat eine Psychose. Sie hat jahrelang Wahnvorstellungen gehabt, fühlt sich beobachtet und verfolgt, sagte einmal zu mir, ich sei ein Mörderin. Hast Du vielleicht auch solche Gedanken gehabt, die Menschen wollen mir etwas Böses tun? Eigentlich nicht, ich will die positiven Sachen sehen, ich kann Leuten locker verzeihen, obwohl immer noch Wut da ist, aber die möchte ich auflösen. Wäre noch Wut da, wenn Du diesem Mann wirklich verzeihen könntest? Ich weiß nicht. Vielleicht muß ich noch so einen Prozeß durchgehen, ein bewußtes Setting, um die Energien zu befreien. Nach ewigen Rachegedanken ist mir nicht, ich will nach vor, nicht mich ewig hinten in der Vergangenheit festnageln. Es gibt auch den Wunsch, macht doch alle, was ihr wollt, es geht mich nichts an, und dann gibt es wieder Gedanken, warum können wir viele Geschwister uns nicht besser verstehen? Ich könnte doch den Versuch machen, irgendwie an mir zu arbeiten. Aber man muß es den anderen frei lassen, auch an sich zu arbeiten oder nicht. Über die Kindheit wollen sie nicht reden, sie sagen, das war eben so bei uns. Die schlechtesten Eltern haben wir auch nicht gehabt. Es war eben eine große Familie, wo aber einer mit dem anderen nicht wirklich reden konnte über die - 61 - eigenen Gefühle, das wird total abgeblockt. Das habe auch ich gemacht, auch heute teilweise noch, oder ich transportiere sie sofort in den Verstand. Das Spiel Du hast jetzt zwar schon viel erzählt, aber stellen wir die Familie doch auf, vielleicht wird noch einiges sichtbar. Ein Satz ist in mir aufgetaucht von Agnes: Sei doch eine Mutter für mich! Was mir aufgefallen ist: Alle schauen nach vorne, keine 2 Personen schauen sich an. Ja, es gab wenig Kontakt zwischen uns. Fast alle Kinder Eltern stehen hinter den Eltern, als ob sie die Kinder hinter sich gelassen haben (Sie mußten sie ja weggeben). Nur die Kinder, für die der Hof vorgesehen war, stehen vorne? Sepp war vorgesehen für den Hof. Christl hat das übernommen. Die Eltern haben die Kinder weggeschickt, die Kinder wollten den Hof nicht, die meisten weggezogen. Habe mich mehr zum V hingezogen gefühlt, aber keinen wirklichen Zugang gehabt. Möchtest Du etwas verändern? Sie zögert. Fühlst Du Dich an der Stelle einigermaßen wohl oder möchtest Du Dich woanders hinstellen? Ich möchte raus. Stellt ihre Figur raus und dreht sie um. Du schaust genau auf die Agnes. Sie bleibt im Moment mein Bezugspunkt zu der Familie. Sie hat den meisten Kontakt zu Frieda. Frieda steht irgendwie im Zentrum. Sie will sie dirigieren. Wenn sie mich fragt, was soll ich tun, habe ich ihr gesagt, laß Dir nicht alles gefallen von Frieda, du mußt dich nicht rechtfertigen. Agnes will schon Kontakt zu Frieda, aber Frieda kommandiert sie herum. Versucht sie das auch bei anderen? Auch bei mir, aber ich lasse es jetzt nicht mehr zu. Sie bricht den Kontakt zu mir immer mehr ab. Beim letzten Geburtstag habe ich gesagt, ich möchte auch über unsere Gefühle reden können, wie es uns wirklich geht. Diese Versuche scheiterten, außer bei Agnes, da bestehen noch Chancen. Wo stehst Du jetzt wirklich? Ein bißchen außerhalb, aber ich habe noch nicht losgelassen. Was? Ambivalente Gefühle: Schaut her, ich habe euch meinen Weg anzubieten (vielleicht auch Wunsch nach Anerkennung); andererseits, macht was ihr wollt, ich gehe meinen Weg. Was ist dein Weg? Keine Angst zu haben, über Gefühle reden zu können. Ich bewundere Dich, nach allem was Du erlebt hast, daß Du den Wunsch hast, Deinen Geschwistern zu helfen, Dir ist ja offenbar wenig geholfen worden. Vielleicht habe ich schon von Kindheit an diese Elemente in mir gehabt, wie beim Tanzen der große Kreis, und daß ich das in der Familie immer wollt oder unbewußt noch immer will. In dieser großen Familie sollten wir einen großen Kreis machen. Eltern leben nicht mehr, aber unter Geschwistern möglich. Was müßte passieren, damit es ein Kreis wird? Du kannst es ja einmal versuchen. Zuerst alle wegstellen, die nicht mehr leben. Du kannst jetzt einmal selbst etwas machen, dich selbst irgendwo hinstellen. (Stellt sich wieder neben Agnes, wo sie anfangs stand). - 62 - Wo würdest Du Dich hinstellen, damit Du die anderen dazu bringst, einen großen Kreis zu bilden? (Stellt sich wo hin). Du schaust jetzt genau in die andere Richtung wie alle anderen. (Dreht sich). Jetzt schaust Du die Frieda an. (sie lacht). Was würde die Frieda machen, wenn Du sie anschaust? Da fällt mir jetzt nur Tanz ein. Wie würden die anderen jetzt reagieren? Schau mal von oben, was müßte geschehen, damit ein Kreis entsteht, ohne daß sich allzu viel bewegen müßte? Es ist ja gar nicht so viel. Hans sehr weit weg, den herholen, bei ihm wird es schwierig sein. Der Sepp müßte sich nur umdrehen. Würde er das machen? Schwierig. Die Agnes müßte ein bißchen hineinkommen in den Kreis. ... Die Berta muß sich auch ein bißchen drehen (Maria?) Die Christl da her und der Kreis ist fertig. Die müssen ein bißchen zusammenrücken, damit der Kreis runder wird. Du willst ihn perfekt haben. Eine Gruppe mit neun Leuten, das ist ja gar nicht so schlecht. ... Bei einer Familienfeier könntest Du das ja einmal vorschlagen, daß ihr Euch im Kreis aufstellt und die Hände gebt und gar nichts sagen müßt. Im Jahr 2000 zu meinem 50. Geburtstag, da lade ich dann alle ein. Das ist eine gute Idee. Werde schauen, was ich mit meiner Vision mache und doch bei mir bleibe und meinen Weg gehe. Feedback Es hat mir wohlgetan, diese Arbeit zu machen, es war gut, über meine Geschichte reden zu können. Der Tanz Wir haben relativ viel Zeit gemeinsam bei Seminaren verbracht, sie hat ziemlich großes Vertrauen in mich. Öfters konnte ich ihr beistehen, wenn bei ihr Schmerz und Trauer hochkam. Sie hat mein Angebot angenommen, dieses Familienspiel mit mir zu machen. Darüber hinaus gab es keine ausdrückliche Beratung. Und doch kommt das, was zwischen uns in den Seminaren immer wieder passiert, dem beraterischen Tanz ohne Worte phasenweise ziemlich nahe – vielleicht hat mich das sogar auf die Idee gebracht, diese Metapher in dieser Arbeit zu verwenden. - 63 - Springer 65 Springer 1 Ohr Simone – Aufstellung An g ela ld Leopo † † Läufer 61 ann Ag n Turm Simone Bruno † es Joh Si mo n e Springer z Frit 68 Fr ied a König 63 Turm Maria V Läufer 69/70 M † (S 63 Jo s ep ef p) † Berta Christl hat Hof übernommen - 64 - Simone – Schlußbild ann Simone Ag ne s Joh z Frit Fr ied a Agnes Frit z Ma ria Maria Ch rist l Be rta Josef (Sepp) Sim one n Johan Simone möchte ihre (lebenden) Geschwister in einem Kreis vereinen - 65 - 6.8 Elvira – Söhne (März 99) VV Karl 1901-69 MV Maria 1900-86 VM Josef 1902-67 V Alfred 1926-85 Rudolf 1920 MM Maria 1899-76 M Anna 1929-80 Hilde 1925 Paula 1930 1951-72 Elvira 1952 Kurt 1952 Manfred 1957-58 Ulli 1954 (10 Monate) Christine 1960 Anita 1963 1964 (Abtr.) 1978 Sabine 1978 Robert 1981 Manuel 1992 VorgeschichteElvira hat mir erzählt, daß ihr Vater lieber einen Sohn an ihrer Stelle gehabt hätte. Das hat in mir Erinnerungen an die Geschichten zweier anderer Klientinnen mit derselben Konstellation ausgelöst und die furchtbaren inneren Konflikte, die in solchen Fällen beim betroffenen Kind entstehen können. Daher bot ich ihr das Familienspiel an. Wie sich herausstellte, war es aber bei Elvira etwas anders, als ich vermutet hatte ... Das Spiel 1: Die Herkunftsfamilie Schach oder Tiere? Schach. Sie nimmt zuerst die Figur für MM, dann V und M, danach erst die Figur für sich selbst, und zwar zuerst die gleiche wie für ihren V (mit Spitz), nach der Auswahl der Figur für Anita tauscht sie sich aus gegen einen Bauer: Weil wir 2 (ich und Ulli) haben uns gleich geschaut und die 2 (Christine und Anita), vom Gesicht und von allem, auch vom Wesen. Als alle stehen, sagt sie: Das paßt überhaupt nicht, das gehört so... und stellt V zu seiner Mutter Es paßt noch immer nicht; ich habe sie jetzt aufgestellt, damit ich jeden einzeln sehen kann, und so wie sie zusammengehören; wir waren nie als ganze Familie zum Ansehen - 66 - (beinand): wir waren ganz viel mit M allein, V war viel bei seiner Mutter, weil VV schon bald gestorben. Sie hat ihn oft auch in der Nacht angerufen, und er ist zu ihr gefahren. Nach der Scheidung war ich mit Anita und V allein im Haus. Hat V Frauengeschichten gehabt? davon weiß ich nichts, hat nur von neuer Partnerin gesprochen, davon geträumt, aber das hat er nie verwirklicht. Anita war viel mit V zusammen, hatte aber schlechtes Verhältnis zu ihm. Es gab sexuelle Übergriffe, wir mußten uns zu ihm ins Bett legen, er hat uns überall angegriffen. Habe es zwar nicht mögen, aber geduldet, war folgsames Kind und wollte mir keinen Krieg anfangen. Heute weiß ich, es war verkehrt. Es ist mir schon als Kind komisch vorgekommen, aber mir sind viele Dinge komisch vorgekommen. Wenn mir mein Mann auf eine bestimmte Stelle über der Brust unter der Schulter gelangt hat, habe ich ihn weggetaucht, das habe ich überhaupt nicht leiden können, habe nur Wut bekommen. Habe ganz lange gebraucht, um draufzukommen, wo das herkommt (durch Tantra). Wie alt warst Du damals? etwa 18. Nach dem Fortgehen mußte ich mich zu ihm ins Bett legen und ihm alles genau erzählen. Das habe ich getan, so dumm war ich damals. Was hat Anita erzählt? Sie hat ein ganz schweres Schicksal, da ist es mir ja noch gut gegangen. Sie wurde auf der Maturareise vergewaltigt und schwanger. Das habe ich nicht mitbekommen, obwohl wir in einem Haus lebten. V hat darauf bestanden, daß es abgetrieben wird. Anita sagte, das war das Allerschlimmste, was ihr passiert ist. Von da weg war sie eigentlich tot. Sie ist ausgezogen und ganz verkommen, hat Jobs auf unterstem Level angenommen, hat aber dann studiert und es geht ihr jetzt nicht schlecht. Sie hat einen Freund, sie leben aber wie Bruder und Schwester, mit Sex hat sie Probleme. Wann hat M mit Alkohol begonnen? Die Eltern haben immer gestritten, dann hat V begonnen, sich selbst zu verwirklichen (Artikel, Glossen schreiben für Zeitung, kleine Geschichten), hat dadurch freies Leben kennengelernt. Wollte mit 40 etwas erreicht haben, hat es aber nicht geschafft, bekannt zu werden. Was hat er geschrieben? Er hat einfach menschliche Begebenheiten verarbeitet, hat das lustig verpackt. Z.B. daß Paula sexy war; Frauen haben ihn schon immer fasziniert. Er ist in andere Kreise gekommen, damals hat es in der Ehe schon gekriselt, ich habe es nicht mitgekriegt. Ich bin mit 16 nach Holland gekommen (Ausbildung 9 Monate). Zwischen 18 und 19 habe ich den Alkohol bei M bemerkt, sie hat einen „Dackelinen“-Blick bekommen. Vorher hat sie es vertuschen können. Möchtest Du bei Figuren etwas umstellen? Ich würde mich sicher allein stellen, bin immer allein gewesen. Ich habe zwar getan, was von mir verlangt wurde, war aber im Prinzip allein. Mein Verhältnis zu Anita war sehr zwiespältig. Habe sie als kleines Mädchen sehr mögen. Aber dann konnte ich mit ihr gar nicht reden. Ich konnte nicht einsehen, daß sie mir überhaupt nicht helfen wollte und brauchte V als Vermittler. Ich weiß fast nur negative Erinnerungen an Anitas Kindheit, ich war auch böse zu ihr, habe so eine Wut und Haß gehabt auf sie, sie hat das tun können, was sie wollen hat und ich nicht. Ich habe ihr nicht gekocht. Sie hat nicht das getan, was ich von ihr wollte und ich nicht das, was sie vielleicht wollte. Wir haben uns gegenseitig das Leben schwer gemacht. Hat V viele Frauen gehabt? Er wollte zuerst Paula heiraten, auch MV hat ihn sehr mögen. Er hat alles für Frauen getan. - 67 - Warum wollte V einen Sohn? Nur als Nachfolger für die Firma. Deswegen hat er mich immer traktiert, wollte, daß ich die Firma einmal übernehme. Zuerst gab es massive Vorwürfe, daß ich kein Bub geworden bin, das schlagt immer wieder bei mir durch (z.B. daß ich nicht schnaufen kann, daß ich einfach nicht will). Ich habe auch eine ganz schwere Geburt gehabt, war ganz blau. V wollte, daß wir abgehärtet sind, M das Gegenteil, sie verwärmte uns. Er stellte unsere Kinderwagen im Winter ins Freie und ließ uns schreien, hat uns mit dem Polster den Mund zugehalten, wenn wir laut geschrien haben. Wenn ich jetzt noch dran denke, wird mir ganz anders. Er war furchtbar jähzornig, wenn ihm etwas gegen den Strich ging, auch mit Kunden. Wir Kinder haben Rivalitäten zwischen Godi und V gespürt. Heute geht es, ich kann mich gegen Godi ein wenig behaupten, tue nicht mehr alles, was sie will, und traue mir das auch zu sagen. Aber ich habe immer noch ein ungutes Gefühl bei ihr, es sind noch so viele Sachen von früher. Sie hat mit mir lernen müssen, und hat mich immer so gedrückt wie ich meinen Buben jetzt drücke, also furchtbar, hat mich als blöd hingestellt, weil sie ist ja so gescheit. Wir waren nur bei der Oma (MM), bei der anderen waren wir nie, da waren wir nicht erwünscht, die hat kein Herz gehabt für uns, es war eiskalt. Tiefschläge und Konkurse gehen durch die ganze Familie (V). Ich hätte Godi gerne über die Vergangenheit gefragt, aber sie sagt nichts, will das nicht wahrhaben. Paula habe ich schon lange nicht gesehen, das ist ein Kapitel für sich. Habe Ulli gegenüber immer Schuldgefühle gehabt, weil ich ihr das Schönere weggenommen habe, sie hat es mir oft freiwillig gegeben. Habe diesen Anspruch auch heute noch, möchte mir oft als erste aussuchen, dann bin ich zufrieden. Ich habe viel mit meinen Schwestern gespielt, habe keine Freundinnen haben dürfen als Kind. Haben uns recht gern gehabt, aber auch viel gestritten. Unser Geschäft haben wir 1984 übernommen und 1993 Konkurs gemacht. V hat es uns krankheitshalber übergeben (Rauchen, Zucker). Ich will genau das nicht machen, was meine Eltern taten (Rauchen, Trinken). Auch Ulli nicht. Du und Ulli sind die „Starken“, die Christine und Anita die „Schwachen“? Wir sind immer unter der Knute der Eltern gestanden, die 2 Jungen haben V nicht mehr gefolgt, sie seien mißraten oder er habe versagt in der Erziehung, sagte er. Christine und ich waren mehr Mama-Kinder (uns hat er so hergerichtet, wie er wollte), C & A mehr Papa-Kinder (ihm ähnlich). M hatte viel Arbeit zu Hause, V war viel auswärts (bei Kunden), dadurch hatte er viel Freiheit. Ich tue mir heute noch sehr schwer, Kurt im Wirtshaus anzurufen, wenn ich ihn brauche, obwohl ihm das gar nichts ausmacht. Aber ich weiß noch, wie mein V das gehaßt hat, wenn M sämtliche Wirtshäuser angerufen hat, wenn sie ihn brauchte. Ich habe mich immer gewundert, wenn Kurt anders reagierte als mein V. Kurt war für mich VErsatz. Ich war bis 25 total unselbständig, V hat alles für mich gemacht, hat mir gesagt was ich tun soll. Behindert Dich heute noch etwas aus der Familie? Godi. Ulli hilft mir, wenn ich etwas brauche. Aber ich habe bei ihr das Gefühl, sie ist nicht echt; sie hat eher - 68 - Mütterlichkeit statt Weiblichkeit, obwohl sie keine Kinder hat. Ich weiß nicht, ob ich sie herzlich gern habe, das weiß ich bei niemand, ich stehe alleine da. Wie hast Du Kindheit empfunden? Ich war viel für die kleinen Geschwister da, sie waren so laut. Für mich selbst habe ich zu wenig Platz und Zeit gehabt, jetzt bin ich schon dabei, es mir zu genehmigen. Aber auch jetzt ist es noch so: Ich bin den ganzen Tag zu Hause, könnte das tun, was ich gern mag, aber was tue ich: Waschen, Putzen, Kochen, nur damit ich das nicht tue, was mir guttut. Ich bin mir selbst im Weg, überliste mich selbst. Wer ist das in Dir? Da kommen so Befehle, wie von V und M, du hast das zu tun. Ich lebe viel mit meinem inneren Programm. Für mich war der Bub, der gestorben ist, nie wichtig. Für Ulli schon, sie hat gemeint, daß sein Tod die Eltern entzweit hat, und sie hat daran gearbeitet und für sich die Eltern versöhnt. Ich war damals schon traurig wie er gestorben ist, aber ich war nicht erwünscht, am Grab nicht, ich wußte nicht, wo ich hinschliefen sollte. Es ist auch nie über den Tod geredet wurde, wer starb war weg und aus basta. Wie V gestorben ist, sind wir im Bett gelegen, und es war ein Loch, eine Leere, weil er uns immer gesagt hat, was wir tun sollten. Ich dachte, jetzt muß ich mich am Kurt halten, weil selbst weißt Du ja nichts. Kann ich mir gar nicht vorstellen, so wie Du jetzt auf mich wirkst! Ja , aber das war sicher so, ich habe es auch jetzt immer wieder, daß ich das kleine schwache Mädchen bin, das immer gehalten werden will, weil es nichts weiß und nichts kann. Und was tust Du dann? Dann gebe ich mir einen inneren Ruck, gebe mir Power und tue und werke. M hat mir nie etwas von ihrem Leben erzählt, sie hat das mit Alkohol weggespült, ich war ihre Stütze. Aber über ihre Gefühle hat sie mir nichts erzählt. Mit V habe ich viel Spaß gehabt, obwohl er so streng war, das habe ich damals nicht gemerkt. Auch wie ich im Internat war, ist es mir so gut gegangen, alle anderen haben geschimpft. Ich habe alle recht gern mögen, besonders Frauen. M konnte nicht verstehen, daß ich mit 17 noch gar nicht ausgehen wollte. Daß Du ein Bub hättest sein sollen, war wegen dem Geschäft? Das habe ich nicht gern hören wollen. V ist mit mir auch zum Frauenarzt gegangen, er war sogar bei den Untersuchungen dabei. Wir mußten V immer baden und rasieren; wir haben V immer verwöhnt, Ulli und ich, das haben wir mögen. Weißt Du, wie das sexuelle Verhältnis der Eltern war? Denkbar schlecht. M hat nach der Abtreibung gesagt, sie will keine Gebärmaschine sein. Sie war als Frau nicht geachtet, V hat immer etwas gefunden an ihr, was ihm nicht paßte, sagte, sie sei frigid. Sie war aber als junges Mädchen sehr fesch und sehr lustig. V hat sich in sie verknallt, als sie Arbeitskleidung anhatte. Er hat auch mit MM recht gut können, VM hat ihm mißtraut. Wie er gestorben ist, waren sie total zerstritten wegen Geld. Ich habe das damals nicht verstanden. Ist Dir Besitz nicht so wichtig? Ich habe eh keinen mehr. Aber ein Haus hätte ich schon gern, ich weiß nicht, ob wir es erhalten können. Wenn wir einmal gehen müßten, wär mir das ein großer Kummer, weils da so schön ist, aber ich kenn ja auch nichts anderes. Bin schon gern woanders, bin aber am liebsten zu Hause. Mit Christine war ich schwer zerkriegt wegen einer Kleinigkeit (sie hat einmal mein Sofa beschmutzt, es aber nicht zugegeben). Ich war damals selbst schwanger zum Robert und leicht angerührt, wir waren dann lange Jahre verfeindet, aber seit sie einen anderen Mann - 69 - hatte und Kinder, ist es wieder normal. Vielleicht war ich so stur damals. Christine wirkt auf mich auch unecht (unehrlich?), aber sie ist eben so. Was ist mit Godi? Das sind alte Leute, es geht ihnen schlecht, sie lassen sich nicht helfen, und wenn, muß es genau so sein, wie sie wollen. Ich mag aber schnell fertig werden. Ich möchte ihnen nicht schön tun wegen der Erbschaft. Man geht hin, weil man hingehen muß, aber ich gehe nicht oft hin, sie erzählen immer von anderen Leuten, wollen nicht hören, wie es mir geht. Alles was ich tue ist nichts, und das will ich nicht hören, das geht sie nichts an. Was ich schon geleistet habe, hat Godi nie anerkannt. Sie tut gerne andere Leute ausrichten, schaut aber nicht bei sich selbst. Mit ihm mag ich nichts zu tun haben, er möchte gerne abgebusselt werden. Mir ist es ein Problem, bei ihnen so zu tun, wie ich früher getan habe. Wenn ich bei ihnen so bin, wie ich jetzt bin, verstehen sie es nicht. Und wenn Du nicht hingehst? Dann jammert sie, warum kommst du nie? Und wie geht’s dir? Ich denke mir, es ist eine Verpflichtung, sie ist die Schwester meiner M. Godi hat V nie mögen, vielleicht hat ihr M erbarmt und sie wollte sie vom Alkohol wegbringen. Was war eigentlich Dein Motiv, diese Aufstellung zu machen? Ich habe es schon einmal gemacht, es hat mich wieder interessiert, weil ich schon mehr weiß. Ich habe mich auch nicht mehr gefürchtet davor, die meisten Leute sind schon gestorben. Nur die zwei (Godi) sind mir ein Problem. Ich nehme das so ernst, was sie sagt, obwohl ich das nicht will. Sie hat mich geschulmeistert und ist sehr neidig. Dein V sagt Dir, was Du tun sollst, und was sagt sie (Godi)? Wie ichs noch besser machen könnte, oder ich muß das tun, was die Leute sagen. Habe immer noch leichten Schiß, daß sie etwas weiß, was ich nicht weiß. Daß es nicht gut genug ist für sie, was Du tust? Daß ich Dessous, verkaufe, habe ich ihr gar nicht gesagt, das ist ja nichts für sie. Aber für mich schon. Ich ringe immer noch um Anerkennung, ich komme mir ja so nicht schlecht vor. Den Eindruck habe ich auch. Von wem wirst Du anerkannt? Von mir selber, von meinem Mann hoffe ich und auch von meinen Schwestern, vom Opa weiß ich nicht, ist mir egal. Und von den Kindern? Ja auch. Vom Bub weiß ich nicht, weil er mich immer verarscht, aber ich glaube, daß er mich doch recht gern mag. Hat Godi etwas, was Du an Dir selbst nicht magst? Nein. Aber sie ist recht scheinheilig. Machst Du auch noch Dinge, die Du nicht magst? Ja, aber immer weniger. Wie ich zu sein hätte, aber selbst nicht will. Für ihn (Rudolf) ist Arbeit das Wichtigste. Genau, vielleicht ist es das, wenn ich nichts arbeite oder ichs mir besser gehen lasse. Ich bin jahrelang hingegangen und habe erzählt, was ich arbeite. Jetzt nicht mehr, weil ich das Gefühl habe, es interessiert sie nicht. Lassen wir es dabei? Ja. Aber ich möchte gerne wissen, was Dir jetzt durch den Kopf geht. Meine Gedanken: Dein Vater hat es nicht leicht gehabt. Er hat die Firma für die Eltern weiterbetrieben. Vielleicht hätte er auch deswegen gerne einen Sohn gehabt, der das macht, was er selbst nicht konnte. Vielleicht wollte er keine starke Frau (wie seine Mutter), sondern selbst ein starker Mann sein. Oder er hätte sich - 70 - einen starken Vater gewünscht. Er ist an Lungenkrebs gestorben. Vielleicht hat er keine Luft bekommen. Er hat alles getan, was seine Mutter wollte, alle 2 waren so, auch sein Vater, sie haben ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen, haben sie vergöttert. V hat es nicht geschafft, sich von ihr zu lösen. Vielleicht hätte er sich von Dir gewünscht, daß Du als Bub das schaffst, was er nicht konnte, sich von der Mutter lösen. Er hat immer gesagt, Du sollst 2 Berufe haben. Er selbst wollte studieren. Er hat es nicht geschafft seinen Eltern zu sagen, die Firma mag ich nicht übernehmen. Er ist von seinem Vater streng erzogen worden, der hat in geschlagen. Wir mußten auf Nudelwalker knien, V wollte unseren Willen brechen, er hat uns oft schikaniert: „Du darfst erst aufstehen, wenn Du um Verzeihung bittest.“ Wenn ich weinte, sagte er: „das Wasser gehört für die Mäuse“. Vielleicht hat er mit euch gemacht, was er sich seinen Eltern gegenüber nicht getraut hat. Ich tue das Gleiche mit meinen Kindern. Manuel hat sich bei der Aufgabe so gespielt. Der kann mich so reizen, wenn er seine Aufgabe nicht macht, da weiß ich oft nicht wie ichs anders machen soll. Er hat schon geweint und sich vor mir gefürchtet, da habe ich aufgehört zu schreien, weil das bringt ja nichts. Die Godi hat mich auch so sekkiert, und ich gebe es weiter. Wenn es kracht, tue ich mir so schwer, aufzuhören, da geht es mir dann schlechter wie ihm. Mein V hat für mich einen Heiligenschein gehabt. Möchtest Du Dir die Situation mit Manuel noch anschauen? Ja. Das Spiel 2: Lernen mit Manuel Sie stellt sich und Manuel auf, dazu noch V und Godi. Erst steht Godi neben V, dann stellt sie sie neben sich. V, Godi und E sehen in eine Richtung, Manuel schaut in die Querrichtung. Ich mache Druck auf Manuel, aber ich fühle mich angeschoben. Ich möchte nicht angeschoben werden, aber das bin ich von früher gewöhnt. Ist das der Druck von V und Godi? Ja, ich sollte das Ganze lockerer nehmen. Manuel geht jetzt in die erste, vor Weihnachten wars besser, seither ist es ganz schlecht. Genau in diesem Moment kommt Manuel leibhaftig bei der Türe herein – direkt aus der Schule! Sie begrüßt ihn sehr herzlich und stellt mich vor. Ich spreche zu ihm: Jetzt haben wir gerade von Dir geredet, Manuel, und Du kommst bei der Türe herein. Eine von den 4 Figuren bist Du. Möchtest Du raten welche? Er überlegt lange und gewissenhaft und sagt: Der! Genau!! E: Super!! Und wo ist die Mama? Manuel zeigt auf ihren V. E: Nein! Manuel: Auch bei den 4? E: Ja. Manuel zeigt auf Godi. Er weiß genau, daß das nicht Du selbst bist beim Lernen mit ihm! E: Ach so, ja, genau! Zu Manuel: Du bist ganz gescheit! Welches Manderl soll Deine Mama sein? Manuel nimmt die richtige Figur. Das Spiel 3: Manuel Manuel übernimmt das Spiel! Steht die Mama da gut oder möchtest Du sie woanders hinstellen? Manuel stellt sie sich gegenüber, so daß sie ihn ansieht. Rückt die Figur von V näher zu sich. E: Wer ist denn das? Manuel: Robert. E: Du kannst Dir auch den Papa holen, wo täte denn er stehen? Nimmt eine Figur für Kurt und stellt ihn hinter Robert. Er sieht an der Szene vorbei. E: So weit weg? Aha. Und Sabine? Er nimmt die Figur von Godi und dreht sie so, daß sie ihn ansieht. Du machst das ja ganz schön! - 71 - E: Stimmt das schon, daß Du so weit weg bist vom Papa? Manuel: Okay, er kann da zuwe gehn. Stellt Kurt schräg hinter E, so daß er sie ansieht. E zu Manuel: Weißt Du, daß wir zwei ganz beinand sind, hätte ich mir nicht gedacht! Du hast es auch so schön hingestellt, daß Dich alle anschauen! Manuel stellt die Figuren plötzlich um, wir müssen wieder fragen, wer wer ist. Manuel: Jetzt paßt Mama auf mich auf und Papa auf Robert und Sabine. Das ist super wie Du das machst. Manuel zeigt auf die restlichen Figuren von der ursprünglichen Aufstellung: Und die da hinten? E: Die vergessen wir da hinten! - - - Und wie ist das beim Aufgabenmachen? Manuel: Mit mir? Wenn ich Aufgabe mache? Mama tut nähen, Robert wird wieder telefonieren, und der Papa – der ist draußen. Manuel gefällt das Spiel mit den Figuren. Er stellt mit fast allen Figuren seine (halbe) Schulklasse auf. Feedback Bin wieder auf sehr viel draufgekommen. Mit Manuel geht es jetzt super, er macht die Aufgaben wie von selbst, es gibt keine Probleme mehr. Der Tanz Der Tanz mit Gloria fällt mir sehr leicht, ich fühle mich sehr sicher. Sie hat schon einen langen und steinigen Weg erfolgreich hinter sich gebracht, die Defizite der Vergangenheit gut auf sehr kreative Weise aufgeholt. Bei der Aufstellung war wohl der Anfang mit ihrer Herkunftsfamilie sicher nicht unwichtig, das Wichtigste passierte durch das Auftauchen ihres Sohnes im genau passenden Moment und die „Arbeit“, die er dann in ihrer Gegenwart vollendete. Nachdem bei ihr alte Existenzängste massiv aufgetaucht waren (sie konnte kaum mehr schlafen), bat sie mich um Hilfe. Ich machte daraufhin mit ihr eine Fantasiereise zur Stärkung von Selbstwert und dem Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Verbundenheit. Auch an diesem Tag kam der Sohn genau in dem Moment (10 Minuten später als sonst) aus der Schule bei der Tür herein, als sie von der Fantasiereise zurückkehrte. Es war sehr gut für sie, ihn gleich in ihre Arme nehmen zu können. - 72 - Elvira Spiel 1 die Herkunftsfamilie 14 VV † 9 VM † 1 13 MM † V MV † † 2 V † 8 Anita 3 M † 7 ne Christi 6 ed Manfr † 5 Pa ula Ul li 10 11 Hilde (Godi) 4 Elvira Ru dol f 12 Die Ziffern geben die Reihenfolge bei der Figurenauswahl an - 73 - Elvira Spiel 2 Lernen mit Manuel V † Hilde (Godi) Elvira Hilde (Godi) el Manu Spiel 3 -Manuel 1. Bild K ( V urt ) El ( M vira ) Spiel 3 - Manuel 2. Bild Auf wen M und V aufpassen t Elvira (M) el Ku ( V rt ) Manu Sab ine Sab ine K ( V urt ) Rober - 74 - Robert Manu el 6.9 Helen – Männer (April 99) VV August 1913-58 Gustl 1933 MV Theresia 1915-89 V Johann 1938 Walter 1943 Hilde 1935-99 VM Franz 1915-98 MM Hilde 1917 M Christine 1940 Margit 1944 Rosmarie 1946 1961 Hansi 10/1961 Helen 11/1962 Karl-Heinz 1962 Abortus 19?? 2. Monat Abortus 19?? 2. Monat Christian 1967 Rafael 1997 Vorgeschichte: Helen bat mich, eine Familienaufstellung mit ihr zu machen, da sie das Gefühl hatte, ihre Familie sei ein ziemliches Durcheinander. Genogramm Ich bin mit Peter bei MV aufgewachsen, weil M arbeiten gehen mußte, als ich 2 war; habe mich vor Peter ein bißchen gefürchtet; im Haus von VV+MV waren außer Eltern noch Walter und die 2 Brüder Hans und Christian. MV hat mich bevorzugt, wie eigene Tochter behandelt, hat sich um Hansi wenig gekümmert. Er war auf mich aggressiv. Beide Omas wollten mich vor Hansi beschützen. Hansi war manchmal ganz gemein zu mir, ich habe dann geweint, die Luft angehalten und blau geworden. Er hat mich verletzt, ich habe Wut auf ihn gehabt, die aber gegen mich gerichtet. M ist nach der Geburt von Christian wieder daheim gewesen - 75 - Peter 1957 von MV adoptiert Aufstellung Schach oder Tiere? mit Tieren wäre es lustig. Wir geben Rafael Schach zum Spielen, er kommt aber bald, dann tauschen wir. Vielleicht ist es doch besser mit Figuren. Sie stellt die Figuren ziemlich schnell auf, Rafael kommt immer wieder dazwischen, dann auch noch die Katze; Rafael geht dann hinaus spielen, aber Helen muß immer wieder nachschauen gehen, weil Rafael zur Straße gehen will. Die Figur von M macht am meisten mit: erst steige ich fast drauf, dann wirft sie Rafael um, zuletzt geht die Katze auf sie los. Dann stehen die Figuren doch. Fällt Dir etwas auf? Es ist keine richtige Ordnung, ich kann aber nicht sagen, wie – zusammenhanglos. Du hast 3 Springer genommen, für M und Deine Brüder Sie haben Hörndl, das ist Aggression; M hatte unterschwellige, unterdrückte Wut. Worauf? Auf ihre frühere Lebenssituation, sie war nicht gern Hausfrau; sie war künstlerisch (malte, schrieb Gedichte), hätte gerne den Beruf weitergemacht (Friseurin gelernt, dann im Büro mit Buchhaltung). Nachdem Christian kam, hat sie nicht mehr gearbeitet. Du bist eine Königin Das ist eine Königin? Ich bin die Prinzessin, ich fühle mich so würdevoll. Walter ist der König Von der Figur stimmt es nicht, er ist eher klein und ein Dickerl, aber gelassen, wohltuend, er hat viel gespielt mit uns Kindern, da gab es wenig Spannung, es war gut, daß er da war. Also von der Haltung her ein König? Ja. V ist ein Turm Weil er verschlossen war, nicht zugänglich. Die Oma (MV) ist eher klein, lieb, rund, häuslich, mütterlich, nicht bewußt, ihrem Mann gegenüber klein; sie war weicher, liebevoller, gütiger als andere in der Familie. M und V stehen extrem weit auseinander Ja, M war so weit weg durch ihr Berufsleben. Auch emotionell? Ja, und sie wollte nicht Mutter und Hausfrau sein. V war mir näher, aber verschlossen. Ich habe auch die Eltern als weit auseinander empfunden, sie passen eigentlich gar nicht zusammen. Die Brüder waren aggressiv auf mich, weil mich Oma bevorzugt hat, auch die Eltern haben mich etwas hervorgehoben, M war aber auf Gerechtigkeit bedacht. Ich war trotz (Geburts-)Trauma ein liebes Kind, offen, ein Sonnenschein. Wie geht es der Helen (Figur)? Wie ein Vorreiter, wie die Spitze, sie ist alleine, bewußtseinsmäßig stimmt das. Wer kann Dir da folgen? Christian, Hansi, V in gewisser Weise auf andere Art, auch M. Was hat sich bei den Brüdern dadurch verändert? Weitsicht, Dinge hinterfragen, Gedanken machen, wie geht es ihnen und anderen Menschen; das gilt auch für die Eltern. V macht viel über Vernunftüberlegungen, wirft mir aber vor, daß ich überhaupt nicht denke. M hat starke Gefühle, unterdrückt sie aber. Sie wäre gerne eine gute Mutter gewesen, weint jetzt oft plötzlich und heftig, wenn von Kindheit die Rede ist Hat M über ihre Kindheit erzählt? Sie ist in Tschechien geboren, auf Bauernhof, im Krieg ist ihre Mutter mit 2 kleinen Kindern nach Österreich geflüchtet; sie war bei fremden Bauern und wurde dort schlecht behandelt (mit 4-6 J). Oma hat wegen ihrer - 76 - Arbeit ihre Kinder vernachlässigen müssen. Sie konnte auch ihre Kinder nie stillen, nicht einmal ein paar Tage. Das machst Du jetzt wieder gut (Helen stillt Rafael immer noch, er ist fast 2. Auch sonst scheint er fast ihr Lebensmittelpunkt zu sein). Und ihr Vater (VM)? hat eine schwierige Kindheit gehabt, ist auf einem Bauernhof großgeworden, mußte als Kind viel arbeiten. Er war ein starker Mensch, ist im Krieg desertiert, war dann schwer krank, wäre fast umgekommen (Durchfall); hat immer wieder vom Krieg erzählt, war sehr sensibel. V war immer ein Einzelgänger, Einzelkämpfer, er läßt kaum jemand an sich heran (in Familie und Beruf). Den Männern ist es nicht besonders gut gegangen in dieser Familie Gerade habe ich genau den gleichen Gedanken gehabt, es stimmt. Besonders Deine Brüder: Du und die Oma zeigen ihr den Rücken, auch die Eltern sind weit weg. Nur Walter hat irgendwie Übersicht und schaut auf sie, war er den Brüdern näher? Ja. Möchtest Du gerne etwas verändern? Ich möchte, daß die Familie einen Kreis bildet. Sie tut es auch gleich. Hansi steht erst zwischen V und MV, dann stellt sie ihn zwischen sich und die M. Sie nimmt auch die restlichen Onkel und Tanten dazu. Peter steht erst außerhalb, dann paßt er genau in die Lücke zwischen der väterlichen und mütterlichen Seite, genau Helen gegenüber. Helen muß nun weg, wir sind trotz der Störungen rechtzeitig fertig geworden. Für ein Feedback bleibt keine Zeit mehr. Feedback Nach ein paar Tagen ruft sie mich an, ich frage sie nach dem Familienspiel: Es hat eine starke Wirkung gehabt, vor allem der Kreis. Es hat mich glücklich gemacht, in mir ist Harmonie entstanden. Dieses Bild war gut für mich, auch wenn es wahrscheinlich nicht passieren wird. Ich sage ihr noch, daß ich glaube, daß Rafael in ihrem Leben momentan ziemlich im Mittelpunkt steht. Sie bestätigt das, er gibt ihr das, was sie von Männern (von denen sie enttäuscht ist), nicht bekommen kann. Er gibt ihr das Gefühl, gebraucht zu werden und ist auch oft ganz lieb zu ihr, wenn sie traurig ist. Der Tanz Der Tanz mit ihr ist bisher wie mit einer guten, vertrauten Bekannten. Sie hat viel Vertrauen zu mir. Vielleicht konnte ich ihre Enttäuschung über „die Männer“ ein bißchen relativieren. Sie erzählte mir von einem Traum, den sie hatte, nachdem sie ein homöopathisches Mittel gegen Traurigkeit genommen hatte: In diesem Traum gab es Teufel, die anderen Menschen Verletzungen zufügten, und diese verletzten Menschen wurden auch zu Teufeln, die dasselbe taten. Sie selbst war aber kein Teufel, sie hat das Ganze beobachtet, sich selbst aber nicht wahrgenommen. Kurz danach erzählte sie mir von einem schweren Autounfall, den sie selbst in Eile durch Unachtsamkeit verursacht hatte. Sie und Rafael blieben wie durch ein Wunder unverletzt. - 77 - Helen – Aufstellung V Helen MV M V Hansi Christian Peter Walter VV Königin=Prinzessin Bäuerin Springer Turm Springer Springer Läufer König Läufer 4 VV † MV † 2 len He Han si 1 5 Christi an 6 Wa lter Pet 8 er 7 VM † M 3 MM - 78 - Helen – Schlußbild MV † VV † Hansi V Gu stl M Walte r Hansi Peter Helen VM † Ch rist MM arie sm Ro Hilde † Margit Peter - 79 - ian Motiv Spiel Themen eigene Position Dynamik Wunsch Impuls Schlußbild Holly Emily Romy Linda Hilary Gloria Simone Elvira Helen Wunsch nach Verbesserung ihrer Situation Spielfiguren Mißtrauen Bedrohung Abgrenzung Bereitschaft zu Familienaufstellung Neugier Erfolglosigkeit von Paartherapie Ablösung von Mutter Neugier Neugier Familie ziemliches Durcheinander Schach Ablösung Partner Schach Nähe zu Männern Erfüllung der Erwartungen anderer vom V benutzt Schach Religion Selbstwert Ängste Mangel an Wärme Schuldgefühle zentral (Wunsch) Tiere Ablösung von M Abschluß mit Jugendfreund Essen Trennung von V Rand, nach innen gerichtet sehr viel Bewegung und häufige Verwandlung der Figuren Schach Krankheit als Appell Angst vor Verlassenwerden und Verfolgg. Kindheitstraumen Schuldgefühle Am Rand, doch dort in der Mitte anfangs wenig Schach Kindheitstraumen Mißbrauch Ängste Aufarbeiten Neugier, keine Angste mehr Problem Tante/Onkel Schach Identität als Mädchen und Tochter Abhängigkeit von V und Tante Pflichtgefühle Rand ziemlich allein viel Bewegung und Veränderung Sohn übernahm das Spiel Muster loswerden Projektion auf Mann beenden Zuwendung zu Mann Abwendung von Fam. Bewegung zum V mit Mann von M gelöst Trost beim V und für den V Eltern versöhnen über Gefühle reden Schwester helfen Familienkreis hinausgehen (nach Zögern) Muster durchbrechen Besseres Lernen mit Sohn keine eigenen Familienkreis Lernen mit Sohn Kreis Pflichtgefühle noch nicht nachgefragt zentral Rand, nach außen gerichtet Veränderungen nur nach spontan Aufforderung viel aus probiert und verändert in Personen eingefühlt Distanz weg aus dem „Saustall“ Rückhalt Kreativität andere sollen sich weggehen ändern Schwester helfen zentral (eng) mehr Distanz Hinderungs- Mutlosigkeit Abhängigkeit gründe Kreis Neutralisierung der „Bösen“ Paarbildung Kraft der „Guten“ Sorge um Schwester kaum Veränderungen viel erzählt kaum Bewegung Happy-End Ablösung von Eltern hinausgehen, zu Vorbild wer mir näher steht keines wer mir näher steht Familie läßt man nicht im Stich eher zentral wenig Zur Oma hinwenden Eltern vereinen und selbst dazustellen Vereinigung von V und M Kreis mit ihr im Zentrum Schuldgefühle Schach Beziehung zu Männern Sohn als Lebensmittelpunkt vorne, alleine viel Unruhe und Veränderung Familienkreis Existenzangst ihr Hase schleckt ihre Figur liebevoll ab Ereignisse Wirkungen bessere Abgrenzung Gefühl des Befreitseins Feedback interessant Liebe zur Schwester Partnerbeziehungen Besonderheiten viele Dreieckskonstellationen (2 Frauen 1 Mann) M ruft an, als sie Thema ist „Maske“ der Gefalltochter abgelegt toll gefühlt, viel aufgeschrieben viele uneheliche Kinder auf V-Seite Mut für Veränderungen eigene Kreativität, eigenen Wert gespürt witzig spontane Umarmung viele Parallelen deutlich geworden Figuren sehen sich nicht für sie wichtige an Menschen stehen ihr näher – außer V - 81 - Selbstwertstärkung Sohn kommt genau in dem Moment. als wir von ihm sprechen Sohn übernimmt Aufstellung wichtig, über ihre Lernen mir Sohn Gefühle reden zu können wesentlich verbessert hat ihr wohlgetan neue Erkenntnisse interessant gut, sich helfen zu lassen gespaltene Familie (V und alle sehen nach vorne Generationslinien M-Seite) Kinder hinter den Eltern außer HofaspirantInnen Sohn dominiert die Aufstellung Mutter wird mehrmals umgeworfen Harmonie- und Glücksgefühl Bild des Kreises war gut, wenn auch unrealistisch ungünstige Positionen der Männer (außer 1 Onkel)