Ein Jugendtraum sich in der Pension

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Ein Jugendtraum sich in der Pension
HINTERGRUND 3
SAM ST AG, 13 . AUGUST 20 16
Ein Jugendtraum
erfüllt
sich in der Pension
Als Au-pair-Oma ins Ausland? Warum nicht? Eine 72-Jährige erzählt,
wie es ihr dabei ergangen ist. Und warum sie schon wieder weg ist.
„Nur kein Stillstand!“, sagt
Gitta Trost und spricht über ihre
Pläne: In zwei Tagen kehre sie zu ihrer „zweiten Familie“ zurück, sagt
sie. Die lebt in den USA und Frau
Trost bleibt nach drei Monaten im
Vorjahr diesmal zwei Monate lang
bei der kenianisch-deutschen Familie mit zwei kleinen Buben in
North Carolina. Nach dem „sehr tränenreichen Abschied“ im Vorjahr
sei rasch klar geworden, „dass wir
uns wiedersehen wollen“, sagt sie.
Gitta Trost ist 72 Jahre alt, sehr
rüstig und sehr unternehmungslustig. Das war sie schon immer. Doch
der Jugendtraum, eine Zeit lang als
Au-pair ins Ausland zu gehen, wurde erst einmal ad acta gelegt: Einerseits, weil das Au-pair-Wesen damals noch in den Kinderschuhen
gesteckt sei und sie als studierte
Russisch-Dolmetscherin nicht nach
Russland hätte gehen können. Andererseits, weil sie selbst schon jung
eine Familie gegründet habe.
Erst in der Pension hat sich der
Jugendtraum erfüllt. „Schuld“ dran
war ein Artikel in einer Illustrierten,
wo sie von Granny-Au-pair, einer
deutschen Agentur, gelesen hat. Sofort sei sie Feuer und Flamme für
die Idee gewesen, erzählt sie. Und
kurzerhand setzte sie sich mit der
Agentur in Kontakt.
Rund 1000 Au-pair-Omas hat Michaela Hansen seit der Gründung
ihrer Agentur in Hamburg 2010 verWIEN.
SN-SCHWERPUNKT
Die jungen Alten
mittelt, zehn Prozent davon waren
Österreicherinnen. Mit ihrer Idee
hat sie eine echte Marktlücke gefüllt. Anfangs, sagt sie im SN-Gespräch, sei sie selbst überrascht gewesen, dass niemand vor ihr diese
Idee gehabt und in die Tat umgesetzt habe. Seither jedenfalls können auch Frauen im fortgeschrittenen Alter nachholen, was heute für
viele Junge selbstverständlich ist:
eine Zeit lang als Au-pair ins Ausland zu gehen. „Viele Frauen sehen
BILD: SN/PRIVAT
MARIA ZIMMERMANN
„Unsere älteste
Teilnehmerin
war 79.“
Michaela Hansen,
Granny-Au-pair
das als Chance, mit geringem finanziellen Aufwand eine längere Zeit
im Ausland zu leben, viele wollen
einfach was Sinnvolles tun, das Gefühl haben, gebraucht zu werden“,
sagt Hansen. Manche Frauen hätten
selbst Kinder, andere nicht. Manche
seien verheiratet, andere alleinstehend, verwitwet oder frisch geschieden. Die jüngste Teilnehmerin
war 44 Jahre alt, die älteste war 79
und ging für mehrere Monate nach
Bolivien, um bei einem sozialen
Kinderprojekt mitzuarbeiten. „Ja,
auch das vermitteln wir mittlerweile“, sagt Hansen. Und Sprachreisen.
Das Spektrum werde immer breiter.
Die Agentur stellt übrigens nur
den Kontakt her. Die Bedingungen
schnapsen sich Gastfamilie und Aupair-Oma selbst aus: Wer den Flug
bezahlt, was alles gemacht werden
soll, wie lang man bleibt.
Bei Gitta Trost waren es auch bei
der ersten Familie drei Monate. „Das
ist für mich gerade richtig, ich habe
ja auch in Wien noch ein Leben“,
sagt sie. Ihre eigenen Enkel sind
freilich schon erwachsen. Vor vier
Jahren machte sie sich also auf ins
russische Jekaterinburg. Auch damals war sie bei einer Familie, in der
ein Elternteil deutschsprachig war.
Nur dass sie damals drei kleine Kinder hüten musste, nicht zwei. „Das
hatte ich etwas unterschätzt“, sagt
sie heute und lacht. Aber: „Ich
spring vom Zehn-Meter-Brett und
überleg mir dann, ob ich schwimmen kann.“ Sie konnte. Alles ging
gut. „Da ist man dann schon stolz,
was man alles schafft“, sagt sie.
Nur eines dürfe man nicht: falsche Vorstellungen haben. Eine genaue Abklärung vorab sei zentral:
Eine Familie etwa habe sie schlussendlich abgelehnt, weil sie ihr zu
religiös gewesen sei, eine andere,
weil sie vegan lebt. Trost: „Das wäre
nichts für mich gewesen.“ Gut möglich, dass sie noch bei einer dritten
Familie als Au-pair-Oma andockt.
„Man kann auch daheim im Bett
sterben – aber das will ich nicht.“
Die Wienerin Gitta Trost mit ihren zwei Schützlingen in den USA.
BILD: SN/PRIVAT
Granny-Au-pair –
und wie es dazu kam
Als Granny-Au-pair 2010 gegründet wurde, war es die erste
Agentur dieser Art weltweit. Seither hat Michaela Hansen, Gründerin und Inhaberin der Vermittlungsagentur, mit ihren Mitarbeiterinnen rund 1000 Omas in
die ganze Welt vermittelt, etwa
100 davon aus Österreich.
Die Idee war Hansen gekommen, als sie eine TV-Sendung
über Au-pairs sah. Da meldete
sich eine alte Sehnsucht: Als junge Frau hätte sie das auch gern
gemacht, aber sie heiratete sehr
jung und bekam Kinder. Vor
dem Fernseher kam ihr der Ge-
danke: „Warum gibt’s das nicht für
Ältere?“ Als klar war, dass es so etwas tatsächlich noch nicht gibt, war
die Agentur flugs gegründet. Da
war Hansen selbst 49 Jahre alt.
Heute gibt es bereits mehrere
Nachahmerprojekte. Männer werden übrigens bei Hansen nicht vermittelt. Da gebe es einfach keine
Nachfrage, sagt Hansen. Das könnte sich aber auch ändern.
Neu ist seit heuer der GrannySprachklub. Da werden auch
Sprachreisen für ältere Semester
organisiert. Man wohnt bei Familien
und zahlt dafür – und hat dafür
auch keine Betreuungs- oder sonstige Pflichten.
zim
Herr Karl oder Herr Karl-Heinz? (K)ein Vergleich, Teil 3
Bis 34 war i Sozialist. Das war a ka Beruf. Hat
ma a net davon leben können ... heit wann i
war ... aber heit bin i darüber hinaus ... i hab a
gewisse Reife, wo mir die Dinge abgeklärt sind.
Bis 23 war i Hedonist. Das war auch ka Beruf.
Aber in Kärnten hat ma davon leben können ...
heut wann i wär ... aber heut bin i drüber hinaus ... i hab eine gewisse Reife, wo die Dinge
abgeklärt sind ... bald sogar gerichtlich.
Na – im Vieradreißigerjahr ... wissen S’ eh, wia
des war. Naa, Se san ja z’ jung. Aber Se brauchen’s aa net wissen ... Das sind Dinge, da
wolln ma net dran rührn, da erinnert man sich
nicht gern daran ... niemand in Österreich ...
SCHLI
Helmut
Schliesselberger
Na – im 2000er Jahr ... wissen S’ eh, wie des
war. Naa, Sie sin ja z’ jung. Aber Sie brauchen’s
aa net wissen ... Das warn Sanktionen, da
wolln ma net dran rührn, da erinnert man sich
nicht gern daran ... niemand in Österreich ...
Ich möchte diese Erinnerung nicht missen …
Dabei hab ich ja gar nichts davon gehabt ... Andere, mein Lieber, de ham sie g’sund g’stessn ...
Existenzen wurden damals aufgebaut ... Geschäften arisiert, Häuser, Kinos!
Ich möchte diese Erinnerung nicht missen ..
Dabei hab ich ja gar nichts davon gehabt ... Andere, mein Lieber, die ham sich g’sund g’stessn
... Existenzen wurden damals aufgebaut ... Geschäfte privatisiert, Buwoghäuser, Tabakwerke.
I hab nur an Juden g’führt. I war ein Opfer. Andere san reich worden. I war Idealist. Was war i
scho? NSV … NS-Volkswohlfahrt. Da hat si kaner was denkt, wann er dazua gangen is. Heit
is ma ja aa überall ... bei der Gewerkschaft und
so ... Schaun S’, de Leit in so an Gemeindebau
waren jahrelang unbetreut ... hat si ja ka
Mensch um sie kümmert ... I hab nur versucht,
de Leit zu erziehen ... I hab aber net nur meine
Beiträge kassiert ... des hab i so nebenbei
g’macht ... des hab i ja kennen vom Sparverein.
I hab ihnen Sprüche gebracht – Sinnsprüche –
von Goethe und Hitler … „Gesundheit ist
Pflicht“ und solche aufbauende Sachen, net?
I hab nur a Ministerium g’führt. I war ein Opfer. Andere san reich wordn. I war Idealist. Was
war i schon? FPÖ, ÖVP, Ich-AG … Da hat sich
keiner was dacht, wann er dazu gangen is.
Heut ist ma a überall, wo ma profitier’n kann ...
bei den Friends of Merkur und so ... Schaun S’,
die Leut in so einer Buwogwohnung waren jahrelang unbetreut ... hat sich ja kein Mensch um
sie kümmert ... I hab nur versucht, einen Privatisierungserlös zu erzielen ... I hab aber net
nur Unkosten g’habt ... die hab i so nebenbei
verrechnet ... des hab i ja können von der
Homepage. I hab ihnen Sprüche gebracht –
Sinnsprüche – von Grasser und Schüssel. „Ein
guter Tag beginnt mit einem sanierten GrasserBudget“ oder „Wenn jeder an sich denkt, ist an
alle gedacht“ und so aufbauende Sachen, net?
WIRD FORTGESETZT.
Beide haben es auf ihre Art
zur Kultfigur in Österreich
gebracht. Der Herr
Karl(-Heinz) bleibt aktuell
– und unser vergleichender
Text-Paarlauf geht weiter.