Balkonbau als Modernisierungsmaßnahme nach dem

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Balkonbau als Modernisierungsmaßnahme nach dem
Balkonbau als Modernisierungsmaßnahme nach dem WEG
WEG § 22 Abs. 2; BGB § 559
Die Errichtung von Balkonen an der rückwärtigen Hausfassade kann als
Modernisierungsmaßnahme nach dem Wohnungseigentumsgesetz mit doppelt
qualifizierter Mehrheit beschlussfähig sein.
(Leitsatz des Einsenders)
Amtsgerichts Hannover, Urteil vom 26.10.2010 - 463 C 3145/10 - nicht rechtskräftig.
Berufung zzt. beim LG Lüneburg zum Az. 9 S 75/10
Sachverhalt: Ein schlichtes, durchschnittliches Wohngebäude aus der Nachkriegszeit war in
14 Eigentumswohnungen aufgeteilt. Die Wohnungen lagen im Vorder- sowie Hinterhaus. Die
Eigentümergemeinschaft plante das nachträgliche Setzen einer Balkonkonstruktion
(„Ständerbalkone") für maximal 9 Wohneinheiten an der Hofseite in Form von 2 Balkonsträngen
(rechts und links), welche im Hof vor die Hauswand gestellt werden sollten.
Hierzu wurde in der Eigentümerversammlung folgender Beschluss gefasst:
„Die Eigentümer beschließen und vereinbaren, auf dem Grundstück zwei Balkonanlagen zu
errichten. 9 Einheiten können an dieser Maßnahme teilnehmen (rechter Strang: Wohnung Nr. 2,
5, 8, 11 und 14, linker Strang: Wohnungen Nr. 3, 6, 9 und 12). Die Kosten von ca. 11.000,00 €
gehen zu Lasten der Teilnehmer für das Tragwerk, pro Balkon kommen dann ca. 5.000,00
€/Wohnung hinzu. Weiterhin kommen ca. 2.000,00 €/Wohnung für die Balkontür hinzu. Die
Instandhaltung und Wartungspflicht soll ausschließlich von den Balkonbauern getragen werden.
Die Balkone werden nicht dem Gemeinschaftseigentum zugeordnet, sie sind Sondereigentum der
Balkonbauer. Wohnungseigentümer, die sich nicht an dem Balkonbau beteiligen, aber zu einem
späteren Zeitpunkt nachrüsten wollen, müssen anteilige Kosten am Ständerwerk („Grundkosten") an
die Erbauer auszahlen."
Die Wohnung des Klägers lag im Vorderhaus und sollte keinen Balkon erhalten. Der Kläger und
sein Sohn stimmten gegen die Maßnahme. Sie wurden dabei aufgrund schriftlicher Vollmacht
durch den Verwalter vertreten. Die Teilungserklärung sah eine Vertretung nur durch andere
Wohnungseigentümer vor. Der Kläger focht den Beschluss an. In der mündlichen Verhandlung
erklärte sein Sohn ein Anerkenntnis. Der Kläger war der Ansicht, der Beschluss sei zu unbestimmt,
weil nicht klar werde, welche Eigentümer einen Balkon erhalten, Ferner werde er durch die
Maßnahme durch Lärm, Dreck und Folgekosten beeinträchtigt. Außerdem komme es zu einer
Verschattung der Wohnungen. Schließlich ändere sich auch die Eigenart des Gebäudes. Das
Gericht wies die Klage ab.
Begründung: Der Anbau von Balkonen bewirke eine Gebrauchswerterhöhung der
Wohnungen und sei daher eine Modernisierungsmaßnahme i. S. v. § 559 BGB. Die Balkone
veränderten auch nicht die Eigenart des Gebäudes. Zwar ändere sich dessen optisches
Erscheinungsbild, dies würde allerdings nicht ausreichen, weil die Regelung des § 22 Abs. 2
BGB sonst keinen Sinn machen würde. Zudem sei das Gebäude architektonisch nicht
schützenswert. Eine Verschattung der Wohnungen hatte der Kläger nur pauschal behauptet.
Dass eine Wärmedämmung später an der Hofseite möglicherweise teurer werde, sei für die
Rechtmäßigkeit der Maßnahme selbst nicht erheblich. Belästigungen wie Lärm und Dreck durch
die Maßnahme hätten die Eigentümer zu dulden. Die erforderliche doppelt qualifizierte
Mehrheit sei erreicht, da sich der Kläger auf die Vertretungsbeschränkung der Teilungserklärung
nicht berufen könne, nachdem er sich zuvor jahrelang durch den Verwalter habe vertreten lassen.
Auch die Kostentragung sei nicht zu beanstanden, da die Eigentümer sinnvoller Weise eine
Regelung bereits für den Fall getroffen haben, dass zunächst nicht alle Eigentümer einen Balkon
bekommen, sondern evtl. später Balkonplatten in das Ständerwerk nachgerüstet werden. Das
Anerkenntnis eines einzelnen Wohnungseigentümers sei aufgrund der familiären Bindung zum
Kläger nicht zu berücksichtigen, da sich aus den Umständen ergäbe, dass sich die anderen
Eigentümer verteidigen wollten.
Umsetzung für die Praxis: Die Entscheidung betrifft den praktisch höchst relevanten
Problemkreis privilegierter Beschlussfassungen gem. § 22 Abs. 2 WEG. Hinsichtlich des
Beschlusses von Balkonerrichtungen als Modernisierungsmaßnahmen nach der Novelle des
WEG liegen - von vereinzelten Entscheidungen abgesehen (vgl. AG Koblenz, Urt. v.
25.10.2007, Az. 12 C 10/07) - bislang keine Urteile und erst recht keine höchstrichterlichen
Entscheidung vor. Im konkreten Fall hat das Gericht die „Standardargumente" gegen den
Balkonbau (Verschattung, Lärm und Dreck, erhöhte Folgekosten) unter Hinweis auf die
gesetzgeberische Grundentscheidung, Modernisierungsmaßnahmen mit privilegierter Mehrheit
beschließen zu können, verworfen. Insoweit verdient die Entscheidung uneingeschränkt
Zustimmung, da solche Belästigungen in der Regel alle Miteigentümer gleichermaßen treffen und
damit nicht einseitig unbillig benachteiligend sein werden. Der Kläger war hier nicht anders
betroffen, als die anderen Eigentümer auch. Im Gegenteil: Eine Verschattung seiner eigenen
Wohnung, auf die er sich berufen hatte, stand nicht zu befürchten, da diese nicht an der
Maßnahme teilnehmen sollte. Die Entscheidung berührt ferner auch wegen des Anerkenntnisses
eines einzelnen Eigentümers sowie des Verstoßes gegen Vertretungsbeschränkungen der Teilungserklärung weitere Problemfelder. Damit ist das Urteil auf jeden Fall beachtenswert. Ob sich die
Entscheidung insgesamt durchsetzen wird, bleibt indessen abzuwarten.
Dr. jur. Andreas C. Brinkmann, LL.M. Rechtsanwalt, Hannover