1000 und 1 Buch
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1000 und 1 Buch
Vom Estádio do Maracana fehlt die linke Seite, Mats Hummels (Nr. 494) gibt es vierfach, die von Franz Lettner Mannschaft von Costa Rica ist fast vollzählig, bei den Schweizern herrscht dagegen gähnende Leere. Österreich kommt nicht vor – Fachkundige wissen, ein fußballerisches Großereignis steht bevor, die Panini-Pickerl-Sammler sind wieder unterwegs. So verlässlich wie das Album der Italiener kommen im Zweijahresrhythmus Fußballbücher auf den Markt, viele davon wollen und können in der ersten fußballliterarischen Liga nicht mitspielen. Etwa die neue Serie »Fußball-Haie«, bei Fischer mit gleich vier Bänden gestartet: eine Boltzplatztruppe findet sich zusammen und erobert – mit J. Boateng als Deus ex Machina – den begehrten Spielplatz. Schlüter und Margil sind erfahrene Player mit diversen Fußballbüchern bei unterschiedlichen Verlagen. In ihrer Serie »Fußballprofi« etwa haben sie im abschließenden dritten Band den fußballbegeisterten Niklas mit einem Profivertrag ausgestattet in die erste Liga aufsteigen lassen. Beide Serien sind routiniert erzählt, herausragende Spielerfiguren oder überraschende Spielzüge sucht man allerdings vergeblich. Wer mehr will, muss auf alte Haudegen zurückgreifen. »1000 und 1 Buch« hat 2008 in der »Sportausgabe« eine Auswahl von 12 Büchern aufs Feld geschickt, von denen neun noch immer auf dem Buchmarkt aufgestellt sind. Sie seien an dieser Stelle – für alle, die das alte Heft nicht im Archiv haben – zumindest aufgezählt (altersmäßg von oben nach unten): Mal Peets geheimnisvoller »Keeper« (Carlsen) steht in der Tiefe des südamerikanischen Urwalds zwischen den Pfosten; Mikael Engströms »Brando« (dtv) löst mit einem unerwarteten Tor einen Bandenkrieg aus; Christoph Mauz’ zieht in »1:1 für Tscho« (G & G) das gehobene Scheiberlspiel Wiener Art auf; Zoran Drvenkar und Gregor Tessnow lassen in »Wenn die Kugel zur Sonne wird« (Berlin Verlag) Luxenburg im Halbfinale einer WM auflaufen – warum nicht gleich Österreich; Kjersti Wold inszeniert in »Fußballgötter« (Carlsen) Exakt Jensen und Zweimeter als die Reds aus Norwegen; Kirsten Boies »Lena hat nur Fußball im Kopf« (Oetinger) ist eines der wenigen fußballbegeisterten Mädchen auf dem literarischen Spielfeld; Martin Baltscheits »Kurz, der Kicker« steht zumindest im audiobook immer noch am Elfmeterpunkt (uccello); Antje Neugebauers »Jakobs Elf« kickt nach wie vor in der Fußballtraumweltmeisterschaft (Kinderbuchverlag Wolff ) und Philip Waechter kommt in »Sehr berühmt« (Beltz & Gelberg) zu einem traumhaften Abschluss. Lauter alte Haudegen, aber sie spielen alle in der höchsten Liga. freispiel Ganz aktuell aufgestiegen ist »Kaiser Franz« von Thomas Krüger und Jörg Mühle: Der trotz Starallüren sehr sympathische Kinderkaiser Franz spielte drei Runden in der Pixi- 80 Buch-Liga und ist jetzt ins Hardcover aufgestiegen. Kein Titelanwärter in dieser Klasse, aber den Eintritt jedenfalls wert. Für LeserInnen ab etwa fünf Jahren sind zuletzt zwei politisch sehr korrekte Bilderbücher erschienen. Bei Baobab erzählt die in Deutschland lebende Brasilianerin Eymard Toledo vom kleinen Bené, der nicht nur auf dem Bolzplatz dem Ball nachrennt, wann immer er kann, sondern mit ihm auch seinen Lebensunterhalt verdienen muss. Die Familie lebt davon, Fußbälle zu nähen. Da bleibt keine Zeit für die Schule, da muss auch Bené mitarbeiten. In rauhen, sehr atmosphärischen Collagen und einem dem Lesealter angemessen einfachen, lebhaften Ton wird hier vom ganz anderen Leben in Brasilien erzählt, auch von der Fußballleidenschaft, aber nicht nur. Vom Tanzparkett aufs Fußballfeld schickt AnneKathrin Behl den kleinen Esel Matze, der dort eine überraschend gute Figur macht. Matze ist in fast allem ein normaler kleiner Esel: er spielt gern Pirat oder Autorennen, buddelt im Sand und rollert um die Wette. Am liebsten aber tanzt Matze. Und am allerliebsten tanzt Matze … Ballett! Das finden die Mädchen toll, aber die Jungs meinen: Ballett ist langweilig! Wir wollen nur Ball – Fußball! Am Ende tanzt Matze die Mitspieler auch auf dem Fußballplatz aus, spielt den entscheidenden Pass. Und die Mädchen rufen: Alles BALLETTI. Die Botschaft kommt ziemlich deutlich rüber, aber man ist gar nicht verstimmt. Weil die Figuren mit witzigem Strich in die hellbunten, detailreichen Bilder gesetzt sind. Da gibt es Beifall von allen Rängen. Den gab es auch 1954 in Bern, als Deutschland durch den Sieg über Ungarn Weltmeister wurde. Und auch wenn die deutsche Mannschaft Österreich mit 6:1 im Halbfinale aus dem Turnier geworfen hat, liest man mit Spannung, Respekt und Rührung die wunderbare Geschichte über Sepp Herberger, Fritz Walter, Helmut Rahn und Co. Das liegt an der Autorin Maja Nielsen: Sie entwickelt eine spannende Narration, die trotz Exkursen und Infokästen immer überzeugt, ist sachlich, wo es nötig ist, vermittelt Emotionen, wo es möglich ist. In geradlinigem Layout gestaltet und mit vielen Fotos ausgestattet, hält das Buch, was die Reihe verspricht: »Abenteuer!« Und jetzt ist Schluss mit Lesen, es wird wieder geklebt. Schließlich muss das Album zum Anpfiff voll sein. Andreas Schlüter & Irene Margil: Fußball-Haie 01: Spieler gesucht! Illustriert von Michael Vogt, Frankfurt: Fischer KJB 2014, 96 S. | € 8,30 | ab 7 Andreas Schlüter & Irene Margil: Fußballprofi – Ein Talent wird zum Star (Band 3), ill. v. Markus Spang, Hamburg: Carlsen 2013, 224 S. | € 11,30 | ab 10 Anne-Kathrin Behl: Matze vor, tanz ein Tor! Zürich: Atlantis 2014, 32 S. | € 15,40 | ab 5 Eymard Toledo: Bené, schneller als das schnellste Huhn Basel: Baobab 2013, 32 S. | € 16,40 | ab 5 Thomas Krüger & Jörg Mühle: Kaiser Franz. Die besten Fußballgeschichten Hamburg: Carlsen 2014, 72 S. | € 13,30 | ab 4 Maja Nielsen: Abenteuer! Fußballhelden. Der Weg zur Meisterschaft Hildesheim: Gerstenberg 2014, 64 S. | € 13,40 | ab 9