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Inhalt Herausgeber Priv.-Doz. Dr. Esther von Stebut, Universitäts-Hautklinik Mainz Autoren Dr. Isabel Fell, Ärztin, Neurodermitis-Trainerin, Universitäts-Hautklinik Mainz Thomas Müller, Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und Neurodermitis-Trainer, DRK-Schmerzzentrum Mainz Dr. Imke Reese, Diplom-Ökotrophologin und Neurodermitis-Trainerin, Ernährungsberatung und -therapie Schwerpunkt Allergologie, München Priv.-Doz. Dr. Esther von Stebut, Fachärztin für Hauterkrankungen, Universitäts-Hautklinik Mainz Lektorat Dr. Elke Ruchalla Gestaltung b gestaltung, Berlin und Hamburg bb Verlag © akademos Wissenschaftsverlag GmbH Strindbergweg 57, 22587 Hamburg www.akademos.de Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich. 1. Auflage 2008 ISBN 978-3934410-89-3 4 Einleitung 6 1. Neurodermitis – das Krankheitsbild Genetische und sonstige Ursachen Häufigkeit Symptome Verlauf Provokationsfaktoren und Auslöser 13 2. Neurodermitis und Allergien Allergieformen Allergietests Therapie von Allergien 19 3. Ernährung und Nahrungsmittelunverträglichkeiten bei Neurodermitis Nahrungsmittelallergien bei Neurodermitis Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien Vorgehen bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergie Perspektive bei Nahrungsmittelallergie Nicht-allergische Nahrungsmittelunverträglichkeiten bei Neurodermitis Neurodermitis und Zucker Grundsätzliches 26 4. Neurodermitis und Psyche Psychische Einflussfaktoren Auswirkungen der Erkrankung Therapiemöglichkeiten 35 5. Hautpflege und Baden Hautpflege bei Neurodermitis Baden bei Neurodermitis? 40 6. Äußerliche Behandlung Hautbilder bei Neurodermitis Therapie der einzelnen Stadien Corticoidhaltige Cremes Antibiotische Cremes Tacrolimus und Pimecrolimus Therapie mit ultravioletter Strahlung 51 7. Innerliche Behandlung Antihistaminika Cortison und Immunsuppressiva: Creme oder Tabletten? Antibiotika 55 8. Neurodermitis und Schwangerschaft Bedenken in der Schwangerschaft? Atopieprävention beim Neugeborenen 60 9. Hilfreiche Tipps für den Alltag Urlaub und Sport Kleidung Schulungen und Selbsthilfegruppen 63 Anhang Literaturempfehlungen 5 4 Einleitung Esther von Stebut Die Diagnose Neurodermitis ist für die meisten Menschen zunächst ein Schock. Man hört so viel über diese Erkrankung: dass sie nicht heilbar ist, dass die Haut unansehnlich wirkt und extrem juckt und vieles mehr. Das löst bei vielen Betroffenen und den Angehörigen Hilflosigkeit aus. Der Besuch beim Haut- oder Kinderarzt ist oft der nächste Schritt, um mehr über die Krankheit zu erfahren, und natürlich auch, um zu lernen, was man gegen Neurodermitis tun kann. Dort erhalten Sie eine gute Therapie, meist in Form von Salben oder Cremes und sehr selten Tabletten. Jedoch reicht die Zeit in der Sprechstunde oft nicht aus, um alle Fragen zu beantworten. Und kaum hat man die Arztpraxis verlassen, fallen all die Fragen wieder ein, die man hatte stellen wollen. Und vielleicht haben Sie schon jetzt Schwierigkeiten, sich zu erinnern, welche Creme für welche Körperstelle gedacht war, wie oft Sie sie anwenden sollen und was bei ihr zu beachten war. Und eine Information, inwieweit die Ernährung bei Neurodermitis eine Rolle spielt oder nicht, haben Sie auch nicht bekommen. Nicht zuletzt hätten Sie vielleicht auch gerne gefragt, wie man am besten mit dem Juckreiz umgehen kann. Das alles ist frustrierend – zumal die Informationen, was außerdem noch gegen Neurodermitis wirksam ist und was diese Erkrankung überhaupt auslöst, nur schwer zu bekommen sind. Eine solche Situation ist häufig und nicht ungewöhnlich. Die betroffenen Familien sind durch die vielen Informationsquellen heutzutage leicht verunsichert. Zu den erklärenden Worten des Arztes findet man weitere Informationen im Internet, in der Apotheke und in Faltblättern. Freunde und Bekannte scheinen alle Experten zu sein: Sie kennen bestimmt jemanden, der eine Neurodermitis hat und bei dem nichts geholfen habe. Und jemand anderes habe ein Wundermittel eingenommen und dann sei alles ganz plötzlich wieder verschwunden etc. Welche dieser vielen Auskünfte ist jetzt richtig und sinnvoll und welche nicht? Verlasse ich mich allein auf den Ratschlag des Arztes, oder sollte ich die Sache selbst in die Hand nehmen und aktiv werden? Welcher Information kann ich vertrauen? Jetzt ist die Verwirrung komplett! Neurodermitis ist eine komplexe Erkrankung. Die Ursachen sind schon weitgehend bekannt, jedoch gibt es eine Reihe von Faktoren, die – neben der genetisch festgelegten Neigung, die Krankheit zu bekommen – einen Krankheitsschub auslösen können. Und diese Auslösefaktoren sind so individuell verschieden, wie wir alle verschieden sind. Was für den einen Neurodermitispatienten eindeutig ein Problem für die Haut darstellt, ist für den anderen gut verträglich. Auch diese Vielfältigkeit trägt zur Verunsicherung bei. Es lässt sich eben nicht einfach sagen „Wenn ich nur die eine Sache in meinem Leben ändere, dann heilt die Neurodermitis einfach wieder ab.“ Hier ein Prinzip hinter all den Auslösefaktoren zu entdecken, ist nicht einfach und für einen Ungeübten fast nicht möglich. Nur mit Übung und detektivischer Genauigkeit findet man die richtigen Auslösefaktoren, die man dann meiden kann. All das erklärt, warum eine pauschale Empfehlung zur Behandlung von Neurodermitis nicht einfach ist. Wegen der Vielfältigkeit kann es keine einheitliche Diät gegen Neurodermitis geben oder eine Creme, die für jeden Neurodermitispatienten gleich gut geeignet ist. Wie aber kann man sich helfen? Wir haben in dem vorliegenden Ratgeber versucht, die bestehenden Informationen zu Neurodermitis kurz und umfassend darzustellen. Dabei haben wir uns an die Fragen gehalten, die uns in unseren Sprechstunden immer wieder begegnen. Wichtig war uns auch, die vorhandenen Informationen für Sie zu sichten und zu bewerten. Welche der Therapien sind wissenschaftlich untersucht und als wirksam eingestuft worden und welche nicht? Wie steht es mit Nahrungsmittelallergien und Neurodermitis? Sie finden Informationen zu den folgenden Themen: Ursache für die Erkrankung, Allergien und Ernährung, Neurodermitis und Psyche sowie Hautpflege und Therapie. Wir wissen natürlich, unser Ratgeber kann Ihnen den Besuch beim Arzt nicht ersparen. Aber er kann Ihnen helfen, sich zu informieren, sodass Sie beim nächsten Arztbesuch gezielter nachfragen können. Untersuchungen haben gezeigt, dass Patienten, die gut über die Krankheit und ihre Ursachen Bescheid wissen, besser mit Neurodermitis umgehen können. Das ist gar nicht erstaunlich: Denn wenn man weiß, warum man gerade einen Neurodermitisschub bekommt und was man dagegen tun kann, ist man von vornherein entspannter. Nun also hoffen wir, dass wir mit diesem Ratgeber über Neurodermitis Ihre wichtigsten Fragen zu der Krankheit beantworten werden und dass Ihnen die Lektüre unseres Büchleins vielleicht sogar Spaß macht. 6 7 Der Begriff „Neurodermitis“ leitet sich aus dem Griechischen ab (aus neuron = Nerv, derma = Haut und der Endung – itis = Entzündung). Die Neurodermitis ist unter vielen verschiedenen Namen bekannt – je nachdem, was man im Verlauf der letzten 150 Jahre über die Ursache der Krankheit wusste: • atopisches Ekzem • atopische Dermatitis • Neurodermitis constitutionalis • Neurodermitis diffusa • Beugenekzem • konstitutionelles Ekzem 1. Neurodermitis – das Krankheitsbild Esther von Stebut Genetische und sonstige Ursachen Unter Neurodermitis versteht man eine chronische, meistens in Schüben auftretende entzündliche Hautkrankheit. Sie ist mit starkem Juckreiz verbunden, der den Alltag empfindlich stören kann. Neurodermitis kann zahlreiche Ursachen haben. Man unterscheidet zunächst die Veranlagung, an Neurodermitis zu erkranken, und die so genannten Auslöse- oder Triggerfaktoren, die für einen konkreten Schub verantwortlich sind. Die Triggerfaktoren werden im letzten Abschnitt dieses Kapitels „Provokationsfaktoren und Auslöser“ ausführlich besprochen. Die Bezeichnungen „neurogene Dermatose“ oder „Neurodermitis“ bezieht sich auf den bereits lange bekannten Zusammenhang zwischen Juckreiz, nervlicher Belastung und Ekzemschüben. Die Neurodermitis ist keine psychische Erkrankung, aber viele Patienten berichten, dass der Juckreiz einen großen Einfluss auf ihre psychische Verfassung hat. Neuere Bezeichnungen, wie „atopische Dermatitis“ bzw. „atopisches Ekzem“ oder „endogenes (=durch innere Faktoren bedingtes) Ekzem“ zielen auf die Tatsache ab, dass die Erkrankung teilweise vererbt wird und mit anderen Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis (s. unten) zusammen auftritt. Unter dem Begriff „Atopie“ versteht man eine erhöhte Neigung des Körpers zu allergischen Reaktionen gegenüber ansonsten harmlosen Stoffen in der Umwelt (z. B. Pollen). Daher bevorzugen Mediziner den Begriff „atopische Dermatitis“ für die Ausmaß bestimmte Abwehrstoffe (Defensine) gegen Bakterien bilden. Darüber hinaus sind noch viele weitere bei einer Neurodermitis auftretende Veränderungen in den Erbanlagen festgelegt, deren Erläuterung hier aber zu sehr ins Detail führen würde. Neurodermitis, was übersetzt „fehl am Platz“ bedeutet. Er drückt aus, dass die Erkrankungsschübe auch ohne erkennbare äußere Ursache, scheinbar aus dem Nichts heraus auftreten können. Menschen, die an einer Neurodermitis oder atopischen Dermatitis erkranken, haben sehr häufig eine entsprechende erbliche Belastung: Meist gibt es weitere Familienmitglieder, die ebenfalls an einer Erkrankung des atopischen Formenkreises (Neurodermitis, allergischer Heuschnupfen, allergisches Asthma) leiden, z. B. Heuschnupfen. Man spricht in solchen Familien von einem erhöhten Atopierisiko. Die Anlage zum Hauptsymptom der Neurodermitis (s. Abschnitt „Symptome der Neurodermitis“), der trockenen Haut, wird vererbt und bleibt lebenslang bestehen, auch nach Abheilen der Neurodermitis. Diese trockene Haut wird durch eine in den Erbanlagen festgelegte verminderte Bildung von Hautfetten (Ceramiden) verursacht. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Hautzellen von Neurodermitispatienten in geringerem Häufigkeit Die Häufigkeit der Neurodermitis hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Untersuchungen haben ergeben, dass 1960 lediglich jedes 30. Vorschulkind von Neurodermitis betroffen war, heute fast jedes sechste. Ob die Erkrankung jedoch tatsächlich vermehrt auftritt oder ob sie heute einfach häufiger diagnostiziert wird, ist umstritten. Es gibt Theorien, dass unsere verbesserte Hygiene in den letzten Jahren oder Jahrzehnten und die Schadstoffbelastungen in der Atemluft zur Entstehung von Neurodermitis beitragen. Man weiß heute, dass durch Schadstoffbelastung die Fähigkeit von Pflanzenpollen zur Auslösung von Allergien erhöht ist. Mit der Hygienetheorie ist es schon etwas schwieriger. Fakt ist, dass Personen, die auf einem Bauernhof aufwachsen und ihre früheste Kindheit im Stall verbringen, seltener atopische Erkrankungen bekommen, als Stadtbewohner. Offensichtlich bewirkt der enge Kontakt mit Tieren einen gewissen Schutz (s. auch Kapitel „Prävention“). 9 8 Abbildung 1: Betroffene Körperstellen bei Neurodermitis im Kindesalter Symptome Die Neurodermitis wird von einem Arzt diagnostiziert. Es gibt eine Reihe von Kriterien, anhand derer ein geschulter Mediziner feststellen kann, ob eine Neurodermitis vorliegt – nicht jedes juckende Ekzem hat etwas mit Neurodermitis zu tun! Die Beschwerden sind unterschiedlich. Meist leiden die Betroffenen aber unter starkem Juckreiz und weisen darauf hin, dass die Krankheit in Schüben auftritt. Das Ekzem bei Neurodermitis zeigt ein typisches Aussehen und eine typische Verteilung am Körper (Abb. 1 und 2). Abbildung 2: Betroffene Körperstellen bei Neurodermitis im Erwachsenenalter Aussehen Die Haut eines Neurodermitispatienten ist fast immer zu trocken, glänzt leicht und spannt. Ein akuter Ekzemschub beginnt meist mit leichtem Juckreiz, anschließend rötet sich die Haut und schwillt an. Danach bilden sich kleine Bläschen, und sobald diese aufplatzen, beginnt die Haut zu nässen. Der Juckreiz nimmt stark zu. Es bilden sich Krusten, die durch eine oberflächliche zusätzliche Infektion mit Bakterien der Haut (so genannten Staphylokokken) gelblich erscheinen können. In der Abheilungsphase entstehen Schuppen, und die Haut erscheint wieder eher trocken. Ist das Ekzem dauerhaft vorhanden, kann die Haut durch die chronische Entzündung verdickt sein, derb erscheinen und „älter“ aussehen (so genannte Lichenifikation). Verteilung Meist sind bestimmte Körperstellen betroffen. Bei Kindern findet man das Ekzem oft im Gesicht, im Windelbereich und am Körper, erst im späteren Alter auch an den Armen und Beinen. Bei Erwachsenen sieht man ein „Beugenekzem“, bei dem vor allem die Ellenbeugen und Kniekehlen betroffen sind. Auch die Fußgelenke und Handgelenke, das Gesicht und der Halsbereich sind sehr empfindlich. Unbehandelt kann das Ekzem im starken Schub auf den gesamten Körper streuen. In dieser Situation ist die Haut stark entzündet und warm, dementsprechend fühlt sich der Patient dann oft sehr krank und hat Fieber. Verlauf Die Neurodermitis beginnt häufig innerhalb der 1. Lebensjahre (60 % im 1. Lebensjahr, weitere 30 % in den folgenden 3 Jahren). Daher sind meistens Kinder von der Krankheit betroffen. Sie beginnt oft mit Milchschorf, einer gelblich-fettigen Kruste auf dem behaarten Kopf der Kinder, die wie verbrannte Milch aussieht und keinen Juckreiz auslöst. Im weiteren Verlauf können Ekzeme im Gesicht und am Körper, Armen und Beinen dazukommen. Allerdings erkrankt nicht jedes Kind mit Milchschorf im späteren Leben an Neurodermitis. Nur sehr selten tritt die Neurodermitis nur im Jugend- oder Erwachsenenalter auf. 10 11 psychosomatische Faktoren, wie z.B. Stress Klima Nahrungsmittel bakterielle Besiedlung, Infekte Irritanzien physikalische Reizung (Kratzen/Reibung – UV-Licht) Abbildung 3: Auslösefaktoren für Neurodermitisschübe Bei den meisten Betroffenen heilt die Neurodermitis schon im Kindergartenalter bis zur Einschulung von selbst aus (ca. 80 %). Die Ekzemschübe werden in der Regel deutlich seltener und milder, bis sie sich nach der Pubertät schließlich ganz verlieren. Die Neigung, später im etwas höheren Alter Ekzeme zu entwickeln, kann jedoch bestehen bleiben, ebenso wie die Neigung zur trockenen Haut. Immer wieder äußern Eltern die Angst, ihr Kind könnte infolge der Neurodermitis auch später an Heuschnupfen oder Asthma erkranken. Es ist bekannt, dass Menschen mit einer Krankheit aus dem atopischen Formenkreis (s. Abschnitt „Genetische und sonstige Ursachen“) mehr als Gesunde dazu neigen, eine andere Krankheit aus dieser Gruppe zu entwickeln. Bekommt z. B. ein Patient mit Heuschnupfen später allergisches Asthma mit Lungenbeschwerden, nennt man dies „Etagenwechsel“ oder „Atopic March“. Wie sich diese Entwicklung eventuell verhindern lässt, ist derzeit noch nicht bekannt. Trotzdem: Mehr als 80 % aller Kinder mit Neurodermitis sind bis zur Einschulung wieder beschwerdefrei. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie später an Asthma oder Heuschnupfen zu erkranken, ist also nicht groß. Eine dauerhafte Heilung der Neurodermitis ist bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht möglich, obwohl viele Forschungsgruppen weltweit daran arbeiten. Dennoch ist die Erkrankung heutzutage gut behandelbar. Provokationsfaktoren und Auslöser Bestimmte Auslösefaktoren tragen dazu bei, dass sich ein Neurodermitisschub anbahnt. Solche Einflüsse können von „außen“ oder von „innen“ auf unseren Körper einwirken. Je besser jeder Betroffene weiß, welche Faktoren bei ihm einen Schub auslösen, desto besser kann er lernen, diese zu meiden. Die wichtigsten und häufigsten Auslösefaktoren sind in Abbildung 3 dargestellt. Hierzu gehören (in unterschiedlicher Gewichtung, die für jeden Betroffenen verschieden ist): • Stress, negativer und positiver • Klimafaktoren – im Winter oder den Übergangsjahreszeiten trocknet die Haut wegen der trockeneren Heizungsluft und der dickeren Kleidung oft vermehrt aus und juckt; im Sommer dagegen kann die Haut durch das stärkere Schwitzen eher jucken • Nahrungsmittelallergien und andere Unverträglichkeiten (s. Kapitel „Allergien“ und „Ernährung“) • Bakterien und Viren auf der Haut • Infekte, z. B. eine Grippe oder Erkältung • chemische Reizstoffe, z. B. nicht pH-neutrale Seife • Kratzen und Reiben auf der Haut, z. B. durch Wolle oder zu enge Kleidung; die Scherkräfte auf der Haut lösen Juckreiz aus, was wiederum die Ekzementstehung begünstigt. Es ist Ihre Aufgabe, zusammen mit Ihrem Arzt (und ggf. auch einer Ernährungsfachkraft) herauszufinden, welche der möglichen Auslösefaktoren bei Ihnen von besonderer Bedeutung sind. Dazu muss man oft detektivische Arbeit leisten. Hierbei kann sehr gut ein so genanntes „Neurodermitistagebuch“ helfen. Hier trägt man Tag für Tag die Beschwerden und viele weitere Informationen ein. Diese Einträge können dann in Hinblick auf das Auftreten von Ekzemschüben ausgewertet werden. Oft kommt es erst 1 bis 2 Tage nach einem Auslöser zu einer Verschlechterung des Ekzems, was bei der Betrachtung natürlich berücksichtigt werden muss. Das Tagebuch hilft, sich zu erinnern, was an solchen Tagen passiert ist, was gegessen wurde etc. Die Abbildung 4 stellt eine Seite aus dem Tagebuch dar, die Sie als Kopiervorlage für Ihr eigenes Neurodermitistagebuch verwenden können. Viele Details über Auslösefaktoren erfahren Sie auch in den Neurodermitisschulungen für Patienten (www.neurodermitisschulung.de). Mit den Betroffenen wird in einer Gruppe erarbeitet, welche Faktoren besonders problematisch sind und wie man sie meiden kann. Das wird natürlich nicht immer hundertprozentig gelingen. Aber oft ist es schon hilfreich, zu verstehen, warum die Haut wieder schlechter aussieht, damit die innere Unruhe und Unzufriedenheit mit der Situation abnehmen. Wichtig ist dabei natürlich, dass der Patient auch gelernt hat, was er am besten zur Behandlung des Schubes tun kann. Darauf wird unten weiter eingegangen (s. Kapitel 4 und 5). 34 35 Dies ist eine chronische Krankheit, die zu Entzündungen führt und nicht ansteckend ist. Wichtig ist für mich, dass ich ein möglichst normales Leben führen kann. Daher möchte ich auch nicht dauernd über meine Erkrankung sprechen.“ Training von Kommunikationsfähigkeit und sozialer Kompetenz Aufgrund der Erfahrung negativer Reaktionen der Umwelt auf die Hauterkrankung, Schamoder „Entstellungsgefühlen“ können sich so genannte soziale Ängste entwickeln, die während akuter Schübe den Kontakt mit anderen Menschen meiden lassen. Hier soll das Training von Kommunikationsfähigkeit und sozialer Kompetenz zu selbstsicherem Verhalten führen. Kritische Situationen (z. B. die Frage „Wie reagiere ich, wenn ich auf die sichtbaren Hautsymptome angesprochen werde?“ oder eine angemessene Reaktion auf „wohlgemeinte“ Ratschläge) werden in der Behandlung individuell geübt. Bezogen auf das genannte Beispiel könnte die Reaktion lauten: „Ich habe Neurodermitis. Psychotherapie bei Neurodermitis? Eine parallel zur Behandlung der Neurodermitis durchgeführte Psychotherapie erscheint dann hilfreich, wenn die Standardprogramme nicht ausreichen, durchgreifende Veränderungen zu erzielen. Dies kann der Fall sein, wenn der Umgang mit der Erkrankung für den Betroffenen sehr schwierig ist oder ausgeprägte problematische Verhaltensweisen mit einem negativen Einfluss auf die Neurodermitis vorhanden sind. Ähnlich verhält es sich, wenn die emotionalen Folgebelastungen (Ängste, Depressivität) erheblich sind. Weiterhin ist eine Psychotherapie dann sinnvoll, wenn neben der Hauterkrankung behandlungsbedürftige psychische Störungen bestehen. Da diese Störungen häufig für die Betroffenen sehr belastend sind und somit Stressfaktoren darstellen, kann eine Behandlung dieser Störungen – obwohl sie ursächlich nichts mit der Hauterkrankung zu tun haben – eine Verbesserung des Hautzustandes nach sich ziehen. Die verschiedenen Punkte müssen durch einen qualifizierten Psychotherapeuten beurteilt werden; die Entscheidung für oder gegen eine Psychotherapie trifft aber allein der Patient. 5. Hautpflege und Baden Isabel Fell Menschen, die an einer atopischen Krankheit leiden, haben anlagebedingt eine trockene Haut, die wesentlich empfindlicher auf irritierende Stoffe reagiert als die Haut von Gesunden. Die Produktion hauteigener Fette in den Zellen der Oberhaut und in den Talgdrüsen der Lederhaut ist vermindert. Diese Fette haben eine Schutzfunktion. Zusammen mit dem Schweiß und den physiologisch (d.h. normalerweise nicht zu einer Erkrankung führend) auf der Haut vorhanden Keime bilden sie die Hautflora. Sie geben der Haut Geschmeidigkeit und verhindern das Eindringen von pathologischen (d.h. zu einer Erkrankung führenden) Keimen. Bei Menschen, die an Neurodermitis leiden, ist diese Schutz- und Barrierefunktion der Haut gestört. Durch die Trockenheit verlieren darüber hinaus die Oberhautzellen vermehrt Wasser. Dieser Wasserverlust und die Trockenheit führen dann zu Juckreiz und Kratzen. Durch das Kratzen entstehen kleine Hautwunden, die ihrerseits wieder jucken. Durch die so entstandene Hautentzündung werden außerdem spezielle Entzündungszellen im Körper produziert. Keime besiedeln die Haut, insbesondere das Bakterium Staphylococcus aureus. Kommt es immer wieder zu starken Entzündungen mit Keimbesiedlung, kann der Körper auch gegen diese Keime besonders empfindlich werden, mit einer resultierenden Verstärkung der Entzündung. Zur Pflege der Haut am besten geeignet wären die körpereigenen Fette. Da es jedoch derzeit noch keine Möglichkeit gibt, die Fettproduktion in den Talgdrüsen der Oberhaut anzuregen, sollten die eigenen Fette möglichst wenig durch Seifen oder sonstige irritierende Substanzen zerstört oder abgewaschen werden. Zusätzlich bedarf die Haut eines Neurodermitispatienten jedoch auch einer besonders intensiven Pflege. 36 37 Wasser, Lösung Schüttelmixtur (Lotio) Puder, Talkum, Zinkoxyd Flüssig Fest Mischungen Lotion, Creme, Salbe, Fettsalbe • Am besten ist es, wenn man vor dem Ein- Paste Fett, Öl, Wachs Fett Abbildung 8: Am Hautzustand orientierte Basispflege Hautpflege bei Neurodermitis Jeder Mensch, der an einer Neurodermitis leidet, sollte mindestens zweimal täglich den ganzen Körper einschließlich der gesund erscheinenden Hautstellen eincremen. Wir müssen heute davon ausgehen, dass die anlagebedingt trockene Haut eine wichtige Ursache für entzündliche Veränderungen ist. Deshalb sollte die Haut möglichst weich und geschmeidig gehalten werden. Durch eine intensive Hautpflege kann man den Hautzustand deutlich verbessern. Hier sind jedoch einige Dinge zu beachten: Die tägliche Pflege der Haut sollte nicht zu fettig sein. Meist ist eine fetthaltige Körperlotion für trockene Haut besser als eine Fettcreme. Besonders bei sehr entzündeter Haut kann zu viel Fett sogar schaden. Der Wasser- und Fettgehalt der täglichen Körperpflege sollte sich nach dem Hautzustand, aber auch nach den Außentemperaturen richten. Ist es kalt, braucht die Haut mehr Fett. Bei höheren Temperaturen kann eine zu fettreiche Pflege die Entzündung der Haut verschlechtern. Gleiches gilt für die Heilsalben, die der Arzt zur Behandlung der entzündeten Haut verschreibt. Je stärker entzündet die Haut ist, desto weniger Fett verträgt sie. Entsprechend der Jahreszeit und dem Trockenheitszustand der Haut kann man mithilfe des Phasen-Dreiecks (Abb. 8) herausfinden, welche Hautpflege in der entsprechenden Situation jeweils die richtige ist. Eine grundsätzliche Empfehlung für ein bestimmtes Pflegeprodukt gibt es nicht – jede Haut ist anders, auch bei Patienten mit Neurodermitis. Prinzipiell ist aber Folgendes wichtig: • Zunächst sollte man die Creme, die man verwendet, wirklich selbst mögen. Das trifft vor allem für Kinder zu. Sie darf nicht brennen, sollte sich leicht verteilen lassen und nicht zu fett sein. Letzteres sieht man sehr schön am Unterarm: Glänzt die Haut am Unterarm noch eine halbe Stunde nach dem Eincremen, als hätten Sie eine Speckschwarte verwendet, ist die Creme zu fett. Ist die Haut nach einer halben Stunde jedoch wieder zu trocken, reicht der Fettgehalt der Creme nicht aus. Auf jeden Fall sollte man nach dem Eincremen ein angenehmes Körpergefühl haben. cremen zunächst die Hände reinigt, damit man in eventuell vorhandene kleine Verletzungen oder Risse keine Keime einbringt. Tragen Sie zunächst Heilsalbe auf die entzündeten Stellen auf und cremen Sie anschließend mit der Pflegecreme die nicht entzündeten Bereiche ein. Welche Heilsalbe für welchen Hautzustand gut ist, besprechen Sie am besten mit Ihrem behandelnden Arzt. Das Eincremen des ganzen Körpers erfolgt in fester Reihenfolge zuerst im Gesicht, dann am Körper und zum Schluss an Po und Füßen. • Sehr wichtig ist außerdem, dass Sie nach Wasserkontakt, d. h. nach dem Baden oder Duschen, aber auch nach dem Besuch im Schwimmbad (hier selbstverständlich zunächst duschen) immer sofort direkt die Haut mit einer fetthaltigen Pflegelotion eincremen, damit sie nicht zu sehr austrocknet. Besonders Kinder, die an Neurodermitis leiden, nehmen ihre Haut nicht positiv wahr. Manchmal kann es sein, dass sie dadurch ein negatives Körper- oder Hautgefühl entwickeln, da sie nicht selten Schmerz oder Juckreiz empfinden, wenn sie berührt werden. Hier kann eine leichte pflegende Massage an den nicht entzündeten Stellen helfen. Vielleicht lässt sich dadurch verhindern, dass ein solches negatives Körpergefühl entsteht. 38 Baden bei Neurodermitis? Grundsätzlich werden beim Baden oder Duschen vor allem Schmutz und Schweiß, aber auch andere schädigende Stoffe von der Haut entfernt. Die Körperreinigung hat einen erfrischenden, entspannenden Effekt auf den Körper und die psychische Befindlichkeit. Da in unserem Kulturkreis das alleinige Reinigen mit Wasser, ohne den Einsatz wohlriechender Waschlotionen und Seifen, nicht als effektive Körperreinigung wahrgenommen wird, kommen diese hautreizenden, die Hautflora beschädigenden Substanzen immer wieder und zu häufig zum Einsatz. Durch dieses veränderte Hygienebewusstsein wird oftmals sogar die Haut eines sonst hautgesunden Menschen geschädigt. Auch gesunde Haut wird durch zu ausgedehntes Baden oder Duschen und die übermäßige Anwendung von Waschlotionen sehr beeinträchtigt. Ist die Haut jedoch schon vorgeschädigt, kann sich ein solches Waschverhalten besonders ungünstig auswirken. Diese Beobachtung hatte früher dazu geführt, Patienten mit Neurodermitis grundsätzlich vom Baden, Duschen oder dem Besuch eines Schwimmbades abzuraten. 39 Richtiges Baden und auch Duschen hat jedoch im Gegenteil einen sehr günstigen Effekt auf die Neurodermitis. Zunächst wird durch das Bad der schon erwähnte Wasserverlust der Haut ausgeglichen. Wasser kann in die Zellen der Oberhaut eindringen (= Hydratation). Wichtig ist das Auftragen einer dem Hautzustand entsprechenden Hautpflege nach jeder Wasseranwendung. Durch die Hydratation der Haut wird die Wirkung der nachfolgend aufgetragenen Hautpflege deutlich verbessert. Wirkstoffe können besser eindringen, und pflegende Substanzen wirken intensiver. Durch das Baden oder Duschen werden außerdem Krusten oder Schuppen entfernt, die nicht selten einen guten Nährboden für die Keimbesiedlung darstellen. Wie erwähnt, spielen bei der Entstehung und Unterhaltung der Hautentzündung bestimmte Bakterien (Staphylokokken) eine sehr wichtige Rolle. Diese Bakterien sind oft zahlreich auf der Haut von Neurodermitispatienten vorhanden, besonders wenn die Haut entzündet ist. Auf einer gesunden Haut könnten sie sich nicht so leicht vermehren. Durch Duschen oder Baden lassen sich die Bakterien am ehesten und einfach von der Haut entfernen. Folgende grundsätzliche Regeln sollten dabei jedoch beachtet werden: • Das Bad sollte nicht länger als 10 Minuten dauern und nicht wärmer als 35 °C sein. • Bitte keine Seifen oder Schaumbäder verwenden. Zum Reinigen der zu Körpergeruch neigenden Hautstellen reicht eine seifenfreie Waschlotion. Diese Waschlotion sollte man erst zum Schluss des Bades verwenden, ebenso die Haare am Ende des Bades waschen und anschließend die Schaumreste von der Haut gut abduschen. Nach jeder Wasseranwendung muss selbstverständlich die Haut wieder eingecremt werden. • Das Baden kann in der Behandlung der Neurodermitis sehr gut auch als Therapie eingesetzt werden. Es gibt verschiedene Badezusätze, die der Haut des Neurodermitispatienten gut tun und den Heilungsprozess verbessern können. Hier sollte man jedoch immer auch den aktuellen Hautzustand beachten: Je entzündeter die Haut ist, desto weniger Fett verträgt sie. Entzündung geht immer einher mit Rötung, Überwärmung und Schmerz und bei Neurodermitis auch mit Juckreiz. In solchen Fällen sollte man kein Ölbad verwenden. Das kann die Entzündung verschlechtern. Hier sind Badezusätze mit antientzündlichen Wirkstoffen wie Gerbstoffen (s. Kapitel „Äußerliche Behandlung“) in niedriger Dosierung, Speisestärke (sechs Esslöffel pro Badewanne) oder Schwarzteebäder (Vorsicht: färbt die Wanne!) angezeigt. Auch antibakteriell wirkende Substanzen können dem Bad zugesetzt werden, jedoch nur nach Rücksprache mit dem Arzt und unter genauer Einhaltung der Dosierung. • Bei trockener, nicht entzündeter Haut ist das Ölbad gut geeignet und hilfreich. Auch hier gilt: Nicht länger als zehn Minuten und nicht wärmer als 35 °C baden, danach natürlich wieder eincremen. 40 41 6. Äußerliche Behandlung Isabel Fell Neurodermitis ist nicht heilbar. In einer Patientenschulung kann man lernen, bestimmte Auslösefaktoren für einen Schub effektiv zu meiden. Mit einer Therapie kann man erreichen, dass das Leben mit Neurodermitis leichter fällt und die Haut sogar vollständig oder phasenweise erscheinungsfrei ist (ohne Ekzem). Neurodermitis verläuft meist in Schüben, d. h. neben gesunden Zeiten kommt es immer wieder durch bestimmte Auslösefaktoren zu einem Neuauftreten von Ekzemen. Durch eine gute Behandlung werden die Schübe seltener und kürzer. Unter den günstigen Effekten, die ein Bad auf den Hautzustand eines Neurodermitispatienten haben kann, sollte zuletzt nicht die psychische Komponente vergessen werden. Ein Bad wirkt beruhigend und entspannend. Nicht nur für Erwachsene hat es einen angenehmen Effekt. Kinder haben oft viel Spaß daran, und es wäre nicht gut, wenn sie auch darauf verzichten müssten. In den meisten Fällen ist auch der Besuch eines Schwimmbades möglich, wenn man die oben erwähnten Regeln beachtet. Im Gegenteil: Der Besuch eines Schwimmbades kann dann oft sogar sehr günstig auf die Haut wirken. Da während eines Schubs die Haut stark entzündet ist, ist es wichtig, sofort auf die Entzündung zu reagieren. Dadurch lässt sich das volle Ausbrechen der Krankheit oft verhindern. In gutem Zustand ist die Haut lediglich trocken und benötigt viel Pflege (s. Kapitel 5 „Hautpflege und Baden“). Kommt es jedoch zu vermehrtem Juckreiz und zu Hautrötungen, kann das ein Zeichen für einen beginnenden Schub sein, der ohne Behandlung zu einer weiteren Verschlechterung führen kann. Durch den Juckreiz wird vermehrt gekratzt. In der Nacht können sogar Erwachsene diesem Reiz oft nichts entgegensetzen und kratzen sich (unbewusst) blutig. Die Haut wird dadurch nicht selten rissig, platzt auf und schwillt an – Entzündung und Juckreiz werden durch die entstehenden Verletzungen noch weiter verstärkt, und Bakterien siedeln sich auf der aufgekratzten Haut an. Diesen Teufelskreis gilt es durch eine effektive, dem Hautzustand angepasste Therapie zu durchbrechen. • Im Stadium Hautbilder bei Neurodermitis Um die Behandlung der Neurodermitis zu erleichtern, kann man die Hauterscheinungen in drei Stadien einteilen: • Stadium I: Der Haut geht es recht gut, sie ist trocken, schuppt sich und zeigt eventuell eine „Lichenifikation“ (gröbere Hautfalten, der Elefantenhaut ähnlich). In diesem Stadium braucht die Haut eine intensive Basistherapie, d.h. die verwendeten Cremes und Salben müssen keinen zusätzlichen Wirkstoff enthalten. Ziel ist es, die Haut in diesem Zustand zu halten. Deshalb sollte man hier in jedem Fall die Haut wenigstens zweimal pro Tag eincremen. Tipps zur richtigen Basispflege in diesem Hautzustand finden Sie im Kapitel 5 „Hautpflege und Baden“. II ist die Haut an einigen Stellen, selten am ganzen Körper, gerötet und überwärmt. Durch vermehrten Juckreiz kommt es zu Kratzspuren, Kratzeffekten und eventuell schon zu kleinen Pusteln und Knötchen, die für eine bakterielle Besiedlung der Haut sprechen. In diesem Stadium ist ein antientzündlicher Wirkstoff notwendig. Oft kommt man jedoch noch mit den schwächer antientzündlich wirkenden Stoffen ohne ein Corticoid aus. • Im Stadium III ist die Haut hochrot, fühlt sich sehr warm an und ist aufgekratzt, kann nässen und bluten. Nicht selten sieht man gelbliche Krusten, die nun für eine ausgeprägte Besiedlung der nässenden Stellen mit Bakterien sprechen. Hier kommt man nicht mehr ohne eine effektive Behandlung mit antibakteriellen Wirkstoffen und einer corticoidhaltigen Creme aus. Je nach Schwere der Erkrankung und Ausmaß der betroffenen Körperoberfläche kann außerdem der Einsatz von Tabletten notwendig sein, z. B. eines Corticoidderivats, von Antihistaminika gegen den Juckreiz oder Antibiotika gegen Bakterien. Die verschiedenen Phasen I, II und III können mit den Farben einer Ampel beschreiben werden; dabei steht grün für einen guten Hautzustand, gelb für das Stadium II (einen noch nicht ganz schlechten Hautzustand) und rot für das Stadium III. Meist sind nur einzelne Stellen, z. B. die Armbeugen oder die Kniekehlen, in schlechtem oder sehr schlechtem Zustand. 42 Therapie der einzelnen Stadien Die Basistherapie dient dazu, die Haut möglichst lange und effektiv in einem guten Zustand zu halten. Sie sollte den individuellen Hautzustand, die klimatischen Bedingungen, den Zeitpunkt der Anwendung (Tag/Nacht) und das Empfinden eines jeden einzelnen Patienten berücksichtigen. Der Basistherapie kann man in niedrigen Konzentrationen Stoffe zusetzen, die der Trockenheit der Haut entgegenwirken. Einer dieser Substanzen ist der Harnstoff. • Harnstoff (Urea) ist das Endprodukt des Eiweißstoffwechsels und wird vom Menschen mit dem Urin ausgeschieden. Harnstoff ist ein „Moisturizer“ (Feuchthaltefaktor). Er hat wasserbindende Eigenschaften. In der Hornschicht (obersten Hautschicht) der normalen Haut ist der Harnstoff, auch ohne dass er von außen aufgetragen wird, normalerweise vorhanden. Diese natürliche Harnstoffkonzentration ist bei Menschen, die an Neurodermitis oder anderen chronisch entzündlichen Hautkrankheiten leiden, reduziert. Harnstoff wirkt außerdem leicht antibakteriell. Leider kann Harnstoff in höheren Konzentrationen (> 4 %), besonders bei Kindern, kurz nach dem Auftragen vorübergehend brennen. • Auch Glycerin, ein dreiwertiger Alkohol, der süß schmeckt (griechisch glycis = süß), kann die Hornschichtfeuchtigkeit verbessern. Harnstoff und Glycerin können, gemeinsam verwendet, gegenseitig unterstützend wirken. 43 Mit Beginn des Stadiums II sollte eine Behandlung mit antibakteriellen, antientzündlichen und juckreizlindernden Wirkstoffen einsetzen. Aufgrund der verstärkten Besiedlung der entzündeten Haut mit Bakterien ist der Einsatz von antibakteriellen Wirkstoffen (Antiseptika) in den letzten Jahren zu einem sehr wichtigen Baustein in der Therapie geworden. Durch die Verminderung der Anzahl der entzündungsverstärkend wirkenden Keime kann oft erreicht werden, dass die Haut nicht mehr weiter schlechter wird (bis Stadium III). • Wirkstoffe wie Chlorhexidingluconat, Polihexanid (Lavasept), Triclosan und Clioquinol (Vioform) als Bestandteile von Lotionen, Cremes und Salben, aber auch Kaliumpermanganat als Badezusatz oder als Lösung zur Durchführung von Umschlägen und Kristallviolett als Farbstofflösung haben sich bewährt. Der Einsatz dieser Wirkstoffe gehört jedoch in die Hand eines dermatologisch erfahrenen Arztes. • Spätestens dann, wenn die Haut entzündet ist, kann ein kühlendes, juckreizlinderndes Bad als Therapie eingesetzt werden. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, Wirkstoffe zuzusetzen. Allein das Wasser reduziert die Anzahl der auf der Haut befindlichen Bakterien, die bei der Entstehung und Unterhaltung des Entzündungsprozesses eine große Rolle spielen. Außerdem wirkt es sich günstig auf die Hydratation (Ausgleich des Wasserverlustes) der Haut aus. Wenn die Haut entzündet ist, sollte kein Ölbad erfolgen. Hier kommen antibakterielle Wirkstoffe, Salzbäder oder Gerbstoffe wie Tannolact (synthetischer Gerbstoff) als juckreizlindernde Substanzen zum Einsatz. Gerbstoffe, die zum Beispiel auch in schwarzem Tee vorhanden sind, wirken reizlindernd und leicht antibakteriell. In synthetischer Form stehen sie nicht nur als Badezusätze, sondern auch als Wirkstoffe in Lotionen und Cremes zur Verfügung. Auch fett-feuchte Umschläge an besonders entzündeten Hautstellen können sehr hilfreich sein. Nach Auftragen einer (Fett-)Salbe wird anschließend ein feuchter Verband angelegt. Die (Fett-)Salbe verhindert das rasche Austrocknen und der feuchte Verband wirkt angenehm kühlend auf die entzündete, überwärmte Haut. Anstelle von reinem Wasser können hier auch antiseptische Wirkstoffe verwendet werden, die dann auch noch die Anzahl der Keime reduzieren. Mit dem Einsatz von antibiotisch (Keim abtötend) wirkenden Cremes und Salben ist man in den letzten Jahren zurückhaltender geworden, da die Bakterien immer mehr Resistenzen (Widerstandskräfte) dagegen entwickeln. Diese sollen erst dann angewendet werden, wenn die Haut in einem sehr schlechten Zustand ist. 44 45 Wirkklasse Cortison (Beispiel) Präparate (Beispiele) Klasse I Prednisolon Hydrocortison Linola H® Klasse II Triamcinolonacetonid Prednicarbat Methylprednisolonaceponat Triamgalen® Dermatop® Advantan® Klasse III Mometasonfuroat Betamethason Ecural® Klasse IV Clobetasol Dermoxin® • Die Behandlung mit Teerpräparaten gehört zu den ältesten dermatologischen Therapien. Teere werden in Holzteere, Schieferteere, Steinkohleteere und Steinkohleteerextrakte (Liquor carbonis detergens) unterteilt. Sie beinhalten viele Wirkkomponenten. Die Zusammensetzung der Komponenten ist von der geografischen Quelle (woher die Teere stammen) abhängig. Ihre Zusammensetzung und der Wirkungsmechanismus sind noch nicht ausreichend erforscht. Den Teeren wird eine antibakterielle, antientzündliche und juckreizlindernde Wirkung zugesprochen. Weiter Wirkstoffe in der Behandlung der Neurodermitis sind: Zink, Polidocanol (Thesit) und Teerpräparate. • Zinkhaltige Therapeutika sind in der Behandlung von Hautkrankheiten seit über 100 Jahren bekannt, obwohl deren Wirkungsmechanismus bisher wissenschaft lich nicht ausreichend untersucht wurde. Eingebracht in eine wässrige Lösung als Lotio alba aquosum hat Zink eine leichte antientzündliche Wirkung. • Polidocanol (Thesit), ein Gemisch aus verschiedenen, leicht anästhesierend (betäubend) wirkenden Substanzen, kann als juckreizlindernder Stoff Cremes oder Salben beigemischt werden. Nach dem Auftragen auf die vorgeschädigte Haut dringt es in tiefere Schichten zu den Nervenendigungen vor und kann dort für einige Stunden wirksam sein. Es kann in Konzentrationen von ca. 5 % in Cremes eingemischt werden. Mit dem Einsatz von teerhaltigen Cremes und Salben ist man in den letzten Jahren vorsichtiger geworden, da man bei Tierversuchen festgestellt hat, dass Steinkohleteere eine gewisse krebserregende Wirkung haben können. Insbesondere dann, wenn man sie mit einer Lichttherapie kombiniert. Auch sollte keine Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit und im Säuglings- und Kleinkindalter erfolgen. Teere haben eine lichtsensibilisierende Wirkung und sollten deshalb eher am Abend angewendet werden. • Bufexamac, eine Substanz, die sehr häufig Kontaktallergien verursacht, sollte bei der Behandlung der Neurodermitis nicht mehr eingesetzt werden. Sollte es, trotz der oben genannten therapeutischen Maßnahmen dann doch zu einer weiteren Verschlechterung der Haut (Stadium III) kommen, ist der Einsatz von cortisonhaltigen Cremes und weiteren Wirkstoffen oft unverzichtbar. Tabelle 3: Wirkklassen der Cortisonabkömmlinge Corticoidhaltige Cremes Glucocorticoide sind körpereigene, natürliche Hormone, die in der Nebennierenrinde produziert werden. Ihre Funktionen im menschlichen Körper sind wichtig und sehr vielfältig: Sie wirken auf Knochen und Muskeln, Mineralstoff- und Wasserhaushalt, Kreislauf, Stoffwechsel, Immunsystem, zentrales Nervensystem, Blut und Augen. Die Hauptvertreter der körpereigenen Glucocorticoide sind Cortisol (= Hydrocortison), Corticosteron und Cortison. Künstliche Weiterentwicklungen dieser natürlichen Glucocorticoide werden heute in der Therapie vieler Erkrankungen eingesetzt. Da die Wirkungen aller Glucocorticoide einander sehr ähnlich sind, werden sie umgangssprachlich häufig mit dem Begriff Cortison(abkömmlinge) zusammengefasst. Cortison wirkt entzündungshemmend und antiallergisch, wobei es die Reaktionen des menschlichen Abwehrsystems teilweise unterdrücken kann. Es verhindert die Bildung von Botenstoffen, die eine wichtige Rolle bei den Entzündungsvorgängen der Haut spielen. Außerdem reduziert es durch eine Verengung der Blutgefäße die Durchblutung und damit die Ausprägung der Entzündungsreaktion. Die Hautzellen werden gehindert, weitere Substanzen auszuschütten, die die Entzündung verschlimmern. Prinzipiell kann Cortison nur bereits begonnene Entzündungsreaktionen hemmen, nicht aber Auslöser bekämpfen wie psychischen Stress oder die allgemeine Neigung zu Ekzemen. Bei der äußeren Behandlung der Neurodermitis werden vier Wirkklassen der Cortisonabkömmlinge unterschieden, gemessen an der Stärke des Cortisons (Tab. 3). 46 Hydrocortison gehört zu den Substanzen mit der geringsten Wirkstärke. Es hat damit eine vergleichsweise geringe Wirkung, aber auch kaum Nebenwirkungen. Schwach wirkende Corticoide können – je nach Krankheitsphase – ausreichend sein. Ein stark wirksames Corticoid sollte nur kurzzeitig bei einem akuten, schweren Schub eingesetzt werden. Grundsätzlich können alle Körperstellen mit Corticoidcremes behandelt werden. Die Wahl des Präparats ist jedoch abhängig vom Schweregrad des Ekzems. Im Gesicht verwendet man – wenn überhaupt – nur sehr kurzzeitig sehr schwache Cortisonpräparate (Wirkklasse I und II) und spart hier auf jeden Fall die Partien um Augen und Mund aus. Besonders empfindlich ist die Haut unter den Achseln, in der Leistenregion und im Genitalbereich. Hier treten Nebenwirkungen häufiger auf. An anderen Stellen des Körpers (z. B. dem Rücken) kann man durchaus stärkere Präparate verwenden (Wirkklasse III). Schließlich ist unsere Haut an den Händen und Füßen am dicksten und anders aufgebaut als am übrigen Körper. 47 Daher werden hier bei Bedarf auch die stärksten Corticoidcremes verwendet (Wirkklasse III und IV). Auch die Kopfhaut ist sehr unempfindlich gegenüber Cortisonpräparaten. Die Behandlung mit Corticoidcremes sollte immer von einem erfahrenen Arzt begleitet werden. In der Regel sollen Ekzeme nur „von außen“ behandelt werden. Bei Neurodermitis muss der Wirkstoff nicht erst über die Blutbahn zur Haut gelangen, wodurch die Wahrscheinlichkeit von unerwünschten Wirkungen erhöht würde. Bei der Therapie mit modernen Cortisonpräparaten in Form von Creme oder Salbe sind systemische, d. h. den gesamten Organismus betreffende Nebenwirkungen höchst unwahrscheinlich. Durch die neuen Anwendungsformen wie Gele, Cremes, Salben, Augentropfen, Nasensprays und Inhalatoren wirkt das Corticoid nur dort, wo es nötig ist, nicht im ganzen Körper. Eine Ausnahme stellt die Behandlung von Kindern dar. Hier können gelegentlich bei regelmäßigem Auftragen eines stärkeren Cortisonpräparats sogar im Blut wirksame Konzentrationen der angewendeten Substanz zu finden sein. Deshalb ist es bei Kindern besonders wichtig, die Behandlung mit Corticoidcremes nur nach Rücksprache mit einem erfahrenen Arzt durchzuführen. Schema Durchführung Tandemtherapie morgens ein Corticoid, tagsüber und abends corticoidfreie Salbe/Creme für die Pflege Intervalltherapie für einige Tage einmal täglich ein Corticoid, danach einige Tage corticoidfreie Behandlung Stufentherapie Beginn mit einer hochwirksamen Corticoidsalbe/-creme, danach ein schwächeres Präparat, schließlich Übergang in eine corticoidfreie Behandlung Tabelle 4: Schemata der Corticoidbehandlung Zur Behandlung der Neurodermitis mit Corticoiden existieren mittlerweile Schemata, mit deren Hilfe nicht nur Nebenwirkungen, sondern auch eine Gewöhnung des Körpers an das Cortison verhindert werden. Sie gewährleisten somit die Wirksamkeit der Corticoidbehandlung (Tab. 4). In der Medizin wird Cortison seit mehr als 40 Jahren genutzt, die Wirkungen und Nebenwirkungen sind daher sehr gut erforscht. Da es bei Neurodermitis nur in extremen Ausnahmefällen innerlich verwendet werden sollte, beschränken sich die Nebenwirkungen hier auf die Haut. Diese sind heute wesentlich geringer ausgeprägt als bei den älteren Cortisonpräparaten. Die langfristige Anwendung (vor allem von Präparaten stärkerer Wirkklassen) an denselben Hautstellen über Monate hinweg kann jedoch in einigen Fällen zu bestimmten Veränderungen führen. Dazu gehören eine pergamentartige Verdünnung der Haut, sichtbare Erweiterungen der kleinen oberflächlichen Hautgefäße (sog. Teleangiektasien), Akne, erhöhte Gefäßverletzlichkeit, Veränderung des Haarwachstums am Auftragungsort und vermehrte Neigung der Haut zu Infektionen. Diese Nebenwirkungen werden aber bei sachgerechter Anwendung der Corticoide nur sehr selten beobachtet. Wer diesbezüglich Bedenken hat, sollte das unbedingt bei dem verordnenden Arzt ansprechen und nachfragen, welche Wirkstärke das verschriebene Corticoid hat und wie es genau verwendet werden soll. 48 Antibiotische Cremes Es kann notwendig sein, im Stadium III eine antibakteriell wirkende Creme einzusetzen. Hier ist die Fusidinsäure (z. B. als Fucidine®) von großer Bedeutung. Sie wirkt gut gegen Staphylokokken und dringt als fettliebende Substanz gut in die Haut ein. Alternativ kann auch Mupirocin (z. B. als Infectopyoderm Salbe®, Turixin® Nasensalbe) verwendet werden. Nicht selten stammen die Bakterien auf der Haut aus der Nase. Die Beseitigung der Bakterien aus dem Nasenvorhof (Sanierung) auch bei Angehörigen von Patienten kann manchmal zu einer länger anhaltenden Verbesserung des Hautbildes führen, da es dann nicht immer wieder zu einer bakteriellen Neuinfektion kommt. Resistenzen gegen Fusidinsäure und Mupirocin werden selten beobachtet. 49 Es sind zahlreiche weitere Salben und Cremes mit Antibiotika erhältlich, auch in Kombination mit Corticoiden. Hier sollte man sich jedoch, was die Wirkstoffe betrifft, in erster Linie auf die oben genannten beschränken. Andere Wirkstoffe haben nicht selten zur Entstehung von Resistenzen oder kontaktallergischen Reaktionen geführt. Tacrolimus und Pimecrolimus Seit dem Jahr 2002 gibt es zwei neu zugelassene Wirkstoffe in der Behandlung der Neurodermitis, Tacrolimus und Pimecrolimus. Sie gehören zu der Gruppe der lokal auf der Haut anzuwendenden Calcineurin-Inhibitoren und sind natürliche Produkte von Mikroorganismen (Pilzen), werden heute allerdings synthetisch hergestellt. Tacrolimus ist schon seit längerer Zeit zur immunsuppressiven (das Immunsystem unterdrückenden) Behandlung der Transplantatabstoßung nach Organtransplantation im Einsatz. Beide Substanzen wirken bei Anwendung auf der Haut antientzündlich, ohne das gesamte Immunsystem zu unterdrücken. Außerdem führen beide Substanzen auch nach längerer Anwendung nicht zu bestimmten Nebenwirkungen, wie sie unter Corticoiden auftreten, z. B. die Hautverdünnung. Außerdem konnten in Studien auch bei großflächiger Anwendung nur sehr selten Wirkkonzentrationen im Blut festgestellt werden. Trotzdem ist man mit dem Einsatz der beiden Substanzen weiterhin vorsichtig. Deshalb sollten sie als Medikamente der zweiten Wahl (second-line therapy) laut den Leitlinien zur Behandlung mit CalcineurinInhibitoren erst nach einer mehrfach nicht erfolgreichen Therapie mit Corticoidcremes eingesetzt werden. Beide Medikamente sind bei Kindern erst ab dem 2. Lebensjahr zugelassen. Anders als bei Corticoiden beginnt man mit der Anwendung von Tacrolimus bzw. Pimecrolimus, sobald die ersten Anzeichen eines neuen Ekzems auftreten. Damit versucht man, den vollständigen Ausbruch eines akuten Ekzemschubes zu verhindern bzw. dessen Verlauf deutlich abzuschwächen. Die Cremes sollten so lange verwendet werden, bis die Hautsymptome vollständig abgeheilt sind. Bei nur leichten Ekzemen ist es völlig ausreichend, die Cremes oder Salben einmal täglich in einer dünnen Schicht aufzutragen. Diese Dosierung kann bei stärkeren Beschwerden der Haut bis auf zweimal täglich erhöht werden. Nach dem Einziehen der Salbe oder Creme können dort rückfettende Pflegeprodukte in gewohnter Weise verwendet werden. Manche Patienten berichten, dass die Haut nach dem Auftragen eine gewisse Zeit brennt. Dies kann man reduzieren, indem man die Creme nicht direkt nach dem Baden oder Duschen auf die Haut aufträgt. Hier sollten wenigsten 2 Stunden dazwischen liegen. Meist verschwindet das Brennen im Verlauf der Behandlung. 50 51 Radiowellen Mikrowellen Gamma-Strahlung Röntgenstrahlung 1010 10-7 109 10-6 VUV 100 108 10-5 107 10-4 106 10-3 Infrarot-Strahlung 105 104 10-2 10-1 103 102 100 101 300 102 100 103 10-1 104 10-2 105 10-3 Strahlungsintensität in eV 7. Innerliche Behandlung Esther von Stebut 106 Wellenlänge in nm Die Behandlung mit Tabletten und Infusion bei Neurodermitis ist nur selten notwendig und sinnvoll. Das hängt aber natürlich von der Art der Medikamente und von dem Schweregrad der Neurodermitis ab. sichtbares Spektrum des Lichts ultraviolette Strahlung UVC UVB UVA 200 101 400 500 600 700 800 Wellenlänge in nm Abbildung 9: Wellenlängen des Lichts Therapie mit ultravioletter Strahlung Bereits seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts ist eine positive Wirkung des Sonnenlichts auf den Hautzustand bei Neurodermitis bekannt. Inzwischen stehen verschiedene Wellenlängenbereiche im UVAund UVB-Bereich zur Therapie zur Verfügung (Abb. 9). In schweren Fällen verwendet man auch lichtsensibilisierende Stoffe (d. h. Substanzen, die die Wirkung des UV-Lichts verstärken), die z. B. als Creme auf die Haut aufgetragen oder als Tablette eingenommen werden. Die Lichttherapie (Phototherapie) ist bei der Behandlung der Neurodermitis nicht die Therapie der ersten Wahl. Meistens ist sie jedoch sehr wirksam und hilfreich, wenn eine ausreichende Stabilisierung des Ekzems mit den bisher genannten Mitteln nicht möglich ist. Sicher ist, dass man diese Therapie nicht selbstständig durchführen sollte, z. B. in Form von Solariumbesuchen. Eine Lichttherapie sollte von einem erfahrenen Arzt begleitet und überwacht werden, um die Belastung der Haut mit UV-Strahlung zu minimieren. Die positive Wirkung des UV-Lichts auf die Haut kann durch ein zuvor durchgeführtes Bad in salzhaltigem Wasser (Sole-Phototherapie) noch verbessert werden. Neuerdings steht mit dem DermoDyne®-System eine neue, UV-freie Lichttherapie zur Verfügung. Erste Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Behandlung ebenso wie die anderen Bestrahlungsmethoden antientzündlich wirkt, dabei aber die UV-bedingten Langzeitnebenwirkungen nicht auftreten. Weitere Studien müssen zeigen, ob dieser viel versprechende Therapieansatz auch bei großen Patientenzahlen langfristig wirksam und nebenwirkungsarm ist. Antihistaminika Eines der quälendsten Symptome der Neurodermitis ist der teilweise unerträgliche Juckreiz. Hiergegen gibt es verschiedene Wirkstoffe, die Cremes oder Salben beigemischt sein können, zudem helfen kühlende Umschläge, Ablenken und Ähnliches. Gegen Juckreiz sind außerdem Antihistaminika wirksam. Das sind Wirkstoffe, die an die Histaminrezeptoren des Körpers binden. In der Haut tragen verschiedene Zellen einen Histaminrezeptor, z. B. die Nervenendigungen, der das aus Mastzellen freigesetzte Histamin bindet und so den Juckreiz auslöst. Antihistaminika verhindern diese Bindung des Histamins und können den Juckreiz unterdrücken. Diese Wirkung ist bei bestimmten Erkrankungen wie Heuschnupfen sehr gut, dagegen bei anderen Krankheiten wie Ekzemen (insbesondere der Neurodermitis) gemischt. Das hängt von vielen Faktoren ab und ist individuell von Patient zu Patient sehr verschieden, was dafür spricht, das nicht nur Histamin bei Neurodermitis den Juckreiz bewirkt, sondern noch weitere Faktoren. 52 53 Wirkstoff Präparat (Beispiel) Substanzklasse Clemastin Tavegil® 1. Generation Dimetidin Fenistil® 1. Generation Cetirizin Zyrtec® 3. Generation Loratadin Lisino® 3. Generation Fexofenadin Telfast® 3. Generation Desloratadin Aerius® 3.Generation Levocetirizin Xusal® 3. Generation Ebastin Ebastel® 3. Generation Tabelle 5: Häufig verwendete Antihistaminika Eine generelle Empfehlung für oder gegen Antihistaminika bei Neurodermitis ist aufgrund der unterschiedlichen Wirksamkeit nicht sinnvoll, jeder Betroffene muss das selbst ausprobieren. Die älteren, teilweise müde machenden Antihistaminika können insbesondere nachts durch die Linderung des Juckreizes sehr hilfreich sein, um die Nacht durchzuschlafen. Die modernen Antihistaminika, die diese müde machende Wirkung nicht mehr haben, sind eher für die Juckreizbehandlung tagsüber geeignet. In Tabelle 5 findet sich eine Aufstellung der gebräuchlichsten Antihistaminika, die wegen der Vielzahl der Präparate allerdings nicht vollständig ist. Cortison und Immunsuppressiva: Creme oder Tabletten? In der Regel sollen Ekzeme nur äußerlich (extern) mit Cortisonpräparaten behandelt werden. Gerade bei Neurodermitis muss der Wirkstoff nicht erst über den Magen-DarmTrakt über die Blutbahn zur Haut gelangen. Nachteilig ist auch die Behandlung in Form von lang wirkenden, corticoidhaltigen Depotspritzen in den Muskel oder ins Fettgewebe. Ein besonders hoher Wirkspiegel in der Haut (dort, wo es bei Neurodermitis erwünscht ist) wird durch das Auftragen eines Cortisonpräparats auf die Haut erreicht. Gleichzeitig verringert sich dadurch die Wahrscheinlichkeit unerwünschter Wirkungen. Ganz selten und ausnahmsweise kann eine kurzfristige Behandlung mit einem Corticoid in Tablettenform notwendig sein, dies gehört aber in die Hände erfahrener Ärzte, damit die Therapie nicht mehr Schaden anrichtet als nützt. Das ist insbesondere wichtig, da die meisten Neurodermitispatienten Kinder sind oder noch sehr junge Erwachsene. Wenn die innerliche Cortisontherapie in diesen besonders schweren Fällen wirkt, kann eine Zusatzbehandlung mit anderen, das Immunsystem unterdrückenden Medikamenten hilfreich sein, den sog. Immunsuppressiva. Hier wird besonders häufig Ciclosporin A eingesetzt, das vergleichsweise wenige Nebenwirkungen, aber eine gute Wirkung gegen Neurodermitis zeigt. Aber auch bei diesen innerlichen Therapien ist die begleitende Pflege der Haut das A und O der Behandlung. Für die Behandlung von Neurodermitispatienten, deren Erkrankung sich als besonders hartnäckig erweist, sind in der modernen Medizin weitere Medikamente zur Einnahme verfügbar. Hierzu gehören die sog. Biologicals, wie sie heute auch bei Schuppenflechte (Psoriasis) eingesetzt werden. Diese Ansätze sind viel versprechend und werden sicher in naher Zukunft weiterentwickelt werden. Solche Therapien sind aber erst neu auf dem Markt und mit verschiedenen Nebenwirkungen behaftet, die noch nicht vollständig bekannt sind. Antibiotika Ein großer Teil der Neurodermitispatienten leidet unter einer vermehrten Keimbesiedlung der Haut. Dazu gehören z. B. Bakterien wie Staphylokokken (Staphylococcus aureus) und Hefepilze. Anlagebedingt produzieren die Hautzellen bei Neurodermitis weniger körpereigene antibakterielle Substanzen (Defensine). Somit fehlt der Haut ein wichtiger Schutzfaktor. Durch das ständige Kratzen der Haut wird die natürliche Schutzschicht weiter zerstört, und Bakterien können leichter eindringen. Die nässenden Ekzeme dienen den Bakterien als wunderbarer Nährboden für ihr weiteres Wachstum. 54 55 Diese oberflächliche Überbesiedlung der Haut kann gut mithilfe von Bädern und anderen, nur auf der Haut einzusetzenden Zusätzen zu Pflegecremes (z. B. Triclosan) behandelt werden. Eine innerliche Therapie ist hier nicht notwendig und hilfreich. Des Weiteren hilft eine gute Hautpflege, die den Gesundheitszustand der Haut verbessert und die Trockenheit bekämpft, sehr wirksam gegen die Keime (s. Kapitel 5 und 6). Die Besiedlung der Haut mit diversen, nicht krank machenden Keimen spielt eine wichtige Rolle für die Entstehung der Neurodermitis. Die Haut ist hier übermäßig (bei 75–100 % der Patienten) mit Bakterien oder Pilzen besiedelt. Im Vergleich dazu findet man bei gesunden Personen in nur 2–25 % Staphylokokken. Diese Besiedlung ist aber nicht immer als Infektion zu erkennen, sondern ist auch bei scheinbar gesunder Haut stärker als bei Menschen ohne Neurodermitis. Echte Infektionen, die auch innerlich behandelt werden müssen, treten bei Neurodermitis etwas häufiger auf als bei gesunden Personen. Über die durch Ekzeme geschädigte Hautoberfläche können krank machende Keime eindringen und Infektionen auslösen, die die Neurodermitis möglicherweise verlängern oder verschlimmern. Infektionen mit Bakterien (Staphylokokken oder Streptokokken) können Pusteln, starkes Nässen, gelbliche Krustenauflagerungen (Farbe wie Honig) und im weiteren Verlauf Fieber und Lymphknotenschwellung verursachen. Neben Bakterien können auch Pilze die Haut besiedeln. Nicht selten treten Virusinfekte auf, die zum Teil nur sehr lästig (Dellwarzen oder gemeine Warzen), teilweise aber auch bedenklich sein können, wie das Eczema herpeticatum. Hierbei handelt es sich um eine Infektion mit Herpesviren, die mit Bläschen, Krusten, meist hohem Fieber und Lymphknotenschwellung einhergehen kann und auf jeden Fall sofortige ärztliche Betreuung erfordert. 8. Neurodermitis und Schwangerschaft Esther von Stebut, Imke Reese In diesen Fällen sind innerliche Behandlungen mit Medikamenten gegen Bakterien (Antibiotika) und Viren (Virustatika) wichtig und sinnvoll. Gehen Sie daher sofort zum Arzt, wenn sich Anzeichen für eine solche Infektion zeigen. Der Arzt wird Ihnen diese Therapie entweder in Tablettenform oder – in schweren Fällen – auch als Infusionen geben. Es ist wichtig, die Antibiotika auch wirklich über den angegebenen Mindestzeitraum einzunehmen, da eine nicht vollständige Behandlung in der Entstehung von Antibiotika resistenten Bakterienstämmen enden kann, die dann nicht mehr auf die gängigen Substanzen ansprechen. Bedenken in der Schwangerschaft? Sie sind schwanger und wissen nicht, ob Sie sich freuen sollen oder ob Sie es eher beunruhigend finden. Grundsätzlich spricht bei Neurodermitis nichts gegen eine Schwangerschaft. Sie ist bei Neurodermitispatientinnen nicht mit mehr Komplikationen behaftet als bei gesunden Frauen. Es kann sein, dass die Haut während oder nach der Schwangerschaft vollständig abheilt. Manchmal ist es sogar so, dass die Patientinnen auch noch sehr lange nach der Schwangerschaft beschwerdefrei sind. Ist dies aber nicht der Fall, sollte man die Neurodermitis auch in der Schwangerschaft behandeln. Aus der Behandlung des allergischen Asthmas weiß man heute, dass es dem Kind sogar eher schadet, wenn die Mutter ihre Medikamente in der Schwangerschaft nicht mehr konsequent einnimmt. Es stehen auch für die Zeit der Schwangerschaft Präparate zur Verfügung, die für das Kind nicht schädlich sind; wichtig bleibt aber auf jeden Fall die vorherige Absprache mit dem Arzt. 56 57 Wenn Ihr Partner ebenfalls an einer dieser Krankheiten leidet, liegt das Risiko noch etwas höher. Oft prägt sich die Krankheit aber nicht vollständig aus. Trotzdem sollte eine Neurodermitis in Ihrer Familie Sie nicht davon abhalten, ein Kind zu bekommen. Da Neurodermitis heutzutage insgesamt eine sehr häufige Krankheit ist (ca. 10–15 % aller Kinder), wäre ohnehin nicht garantiert – auch wenn alle Mitglieder Ihrer Familie gesund sind –, dass Sie ein nicht an Neurodermitis leidendes Kind bekommen. Die meisten Pflegeprodukte sowie die notwendigen Wirkstoffe und Therapien sind in der Schwangerschaft ohne Probleme anwendbar. Problematisch kann die Behandlung mit bestimmten Medikamenten und Salben (z. B. Antihistaminikatabletten, länger dauernde Corticoidtherapie) sein. Sie sollten sich daher, wenn Sie schwanger sind, ausführlich mit Ihrem Hautarzt über die möglichen Therapiemöglichkeiten unterhalten. Nehmen Sie Ihre jetzigen Cremes, Salben und Tabletten gegen die Neurodermitis ruhig mit in die Praxis, dann wird es einfacher. Ob Ihr Kind auch an Neurodermitis leiden wird, ist eine wichtige Frage. Wegen der erblichen Komponente der Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis (s. Kapitel 1) ist die statistische Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Kind auch eine dieser Krankheiten bekommen könnte, etwas höher als in der gesunden Bevölkerung (20 % gegenüber 10 %). Atopieprävention beim Neugeborenen Ein Mitglied Ihrer Familie, eventuell auch mehrere, leidet unter Neurodermitis und möglicherweise auch unter anderen allergischen Erkrankungen wie Heuschnupfen oder Asthma. Sie fragen sich sicher, ob Sie vor, während oder nach der Schwangerschaft (in den ersten Lebensmonaten) etwas gegen die Entwicklung der Neurodermitis tun können. Die genetischen Anlagen allein bewirken noch nicht die Entstehung einer Allergie. Erst durch bestimmte Umwelteinflüsse zu bestimmten Zeiten kommt es zur Ausbildung einer allergischen Erkrankung. Diese Umwelteinflüsse sind das, was wir beeinflussen können. Doch das Wissen darüber, welche Umwelteinflüsse zu welchem Zeitpunkt einer Allergieentstehung eher entgegenwirken und welche eher dazu beitragen, dass es einen Allergiker mehr gibt, ist noch sehr unvollständig und ändert sich laufend. Was ist nach heutigem Wissensstand zu berücksichtigen, wenn Sie ein (weiteres) Kind bekommen möchten? Das Wichtigste ist wohl zu akzeptieren, dass, selbst wenn Sie alles „richtig“ machen, Ihr Nachwuchs trotzdem eine allergische Erkrankung entwickeln kann. Trotzdem gibt es einige Empfehlungen, die Sie beherzigen sollten. Am wichtigsten: Vermeiden Sie sowohl aktives als auch passives Rauchen während Schwangerschaft und Stillzeit. Auch der Nachwuchs sollte keinem Rauch ausgesetzt sein. Rauchen in jeder Form birgt das Risiko für allergische Atemwegserkranken. Kinder aus Familien, in denen geraucht wird, haben nicht nur kleinere, sondern auch weniger ausgereifte Lungen als Kinder aus Nichtraucherfamilien. So eindeutig man sich im Rahmen der Allergieprävention gegen das Rauchen aussprechen kann, so wenig gilt dies für andere Empfehlungen. Gerade auf dem Gebiet der Vorbeugung von Allergien hat sich in den letzten Jahren viel geändert. Von umfassenden Empfehlungen zum Meiden bestimmter Stoffe ist man weitgehend abgerückt. Während Schwangeren und Stillenden sowie dem Nachwuchs vor einigen Jahren noch empfohlen wurde, auf potente Nahrungsmittelallergene wie Kuhmilch, Hühnerei, Soja, Weizen, Fisch, Nüsse und Erdnüsse zu verzichten, rät man inzwischen von Diäten während der Schwangerschaft und in der Regel auch während der Stillzeit ab. Der Nutzen solcher Diäten ist fragwürdig, die Gefahren dagegen sehr hoch. Wenn Schwangere und Stillende auf alle oben genannten Lebensmittel verzichten, ist eine bedarfsdeckende Ernährung nur sehr schwierig, wenn nicht unmöglich. Das Risiko der Mangelernährung für Mutter und Kind steht in keinem Verhältnis zum Nutzen der erhofften Allergieprävention. Und letztendlich sollen ja gerade diese umfangreichen und kaum einzuhaltenden Diäten bewirken, dass sich die entsprechenden Nahrungsmittelallergien beim Nachwuchs nicht entwickeln. Deshalb macht es keinen Sinn, vorbeugend eine solche „Hammerdiät“ zu empfehlen, weil man sich therapeutisch vor genau solchen Auslassdiäten fürchtet. 58 59 Vitamin D, Fluorid Vit. K Brot-Milch-Mahlzeit Muttermilch oder Säuglingsmilch Zwischenmahlzeit Getreide-Obst-Brei Zwischenmahlzeit Brot-Milch-Mahlzeit Milch-Getreide-Brei Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei 1 Es gibt noch einen weiteren Grund, warum man von pauschalen Meidungsempfehlungen abgerückt ist. Es ist die Erkenntnis, dass das Ziel ja nicht die Verhinderung einer Allergie, sondern die Entwicklung einer Toleranz ist. Nur die Auseinandersetzung mit der Umwelt kann dazu führen, dass keine Überempfindlichkeit entsteht, sondern Toleranz. Die einzigen Verbote, die sich zumindest im englischen Sprachraum halten, sind die für Nüsse und Erdnüsse. Bei diesen Nahrungsmitteln ist die Meidung durch Mutter und Kind sinnvoll, weil die Toleranzentwicklung hier offenbar anders abläuft als bei den oben genannten Grundnahrungsmitteln und weil man aus Nuss- und Erdnussallergien in der Regel nicht wieder „herauswächst“ (s. Kapitel 3 „Ernährung“). Ein abschließendes Wort wird man dazu allerdings erst sprechen können, wenn das Verständnis zum Ablauf der Toleranzentwicklung weiter fortgeschritten ist. Wichtigste diätetische Empfehlung in Bezug auf eine Allergieprävention ist das ausschließliche Stillen für mindestens 4, maximal 6 Monate. Danach wird nach den Empfehlungen des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund (FKE) langsam und schrittweise Beikost eingeführt, pro Monat ein neuer Brei. Dabei wird jedoch nicht gleich der fertige Brei gefüttert, sondern dessen Einzelbestandteile werden nach und nach zu einem vollständigen Brei aufgebaut. Am Beispiel des ersten Breis, der in der Endversion aus einem Gemüse, Kartoffeln, einem hochwertigen Öl (z. B. Rapsöl) und Fleisch besteht, heißt das praktisch: Zuerst wird ein Gemüse (häufig Karotte) gefüttert. Nach ca. 1 Woche gibt man Kartoffeln hinzu, nach 1 weiteren Woche Öl und Fleisch. Später lässt sich der Abstand, neue Nahrungsmittel einzuführen, auf 3 bis 4 Tage reduzieren. Die Empfehlungen des FKE machen keine Unterschiede mehr zwischen Kindern mit und ohne Allergierisiko, sofern die Einführung von Kuhmilch im Abendbrei im 2. Lebenshalbjahr liegt (Abb. 10). 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Monate Abbildung 10: Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr. Bei allergiegefährdeten Säuglingen kann die Beikosteinführung auch um 2 Monate nach hinten verschoben werden, sodass der Aufbau des GemüseKartoffel-Fleisch-Breis nicht nach dem 4., sondern maximal nach dem 6. Monat begonnen wird. Auch Empfehlungen bezüglich der Vermeidung anderer Allergene wie Tierhaare, Hausstaub, Schimmelpilze etc. sind moderater geworden. Während vor einigen Jahren noch geraten wurde, komplette Wohnungen bzw. Häuser zu sanieren und Haustiere abzuschaffen, sind die jetzigen Maßnahmen wesentlich praktikabler geworden. Doch an dieser Stelle soll noch einmal betont werden, dass selbst die vollständige Umsetzung aller derzeit bekannten Präventionsstrategien keine Garantie dafür gibt, dass Ihr Kind keine allergische Erkrankung bekommen wird. 60 61 Kleidung Die „richtige“ Bekleidung ist bei Neurodermitis ein wichtiges Thema. Die Kleidung sollte nicht eng anliegen, luftig, leicht und nicht zu warm sein. Gestaute Wärme und Schweiß können an sich schon Juckreiz auslösen und damit einen Ekzemschub bewirken. 9. Hilfreiche Tipps für den Alltag Esther von Stebut Urlaub und Sport Klima und Wetter wirken sich auf den Hautzustand bei Neurodermitis aus. Im Winter ist die kalte und trockene Luft nicht günstig für die ohnehin schon trockene Haut des Neurodermitispatienten. Daher ist es hilfreich, die Haut vor Austrocknung zu schützen. In Kapitel 5 („Hautpflege und Baden“) haben wir Ihnen einige Tipps dazu zusammengestellt. Viele Patienten mit Neurodermitis planen im Winter einen kleineren Urlaub im Süden ein, da dies das Ekzem günstig beeinflusst. Da in warmer Umgebung die Haut weniger Feuchtigkeit an die Umgebung abgibt, ist sie nicht so trocken wie in der Kälte. Vergleichbare Effekte hat ein so genanntes Reizklima. Einige Kurkliniken, die in Orten mit einem solchen Reizklima liegen, haben sich daher auf Neurodermitis spezialisiert. Dazu gehören das Hochgebirge und die Nordsee. Möglicherweise lösen sich wegen des dort veränderten Klimas die alten Hautzellen besser, die Durchblutung der Haut wird gefördert und die Haut glättet sich. Es gibt keinen Grund, warum Patienten mit Neurodermitis sich nicht sportlich betätigen sollten. Natürlich kann die Haut durch das Schwitzen (Schweiß reizt die Haut) mit einer Verschlechterung des Ekzems reagieren. In solchen Fällen können vielleicht weniger schweißtreibende Sportarten ausgewählt werden. Alles spricht dafür, auch bei Neurodermitis Sport zu treiben: Sport bringt Bestätigung, Anerkennung und hält sowohl körperlich als auch geistig fit. Achten Sie dabei auf weiche, luftdurchlässige Kleidung, damit es nicht zu einem Wärmestau kommt. Nach einer sportlichen Anstrengung sollte kurz geduscht und die Haut danach sorgfältig eingecremt werden. Bekleidung aus Wolle und synthetischen Materialien (Polyester etc.) ist bei dieser Krankheit zum Tragen auf der Haut ungünstig. Da die Fasern vor allem bei Wolle relativ groß und grob sind, irritieren sie die Haut und lösen so Juckreiz aus. Bei Synthetik gibt es neben der Grobfaserigkeit zusätzlich das Problem, dass diese Materialien nicht atmungsaktiv sind. Weitere „Störfaktoren“ für die sensible Haut des Neurodermitispatienten sind auch eingenähte Etiketten, denn diese können schon bei unempfindlicher Haut Juckreiz auslösen. Trennen Sie sie am besten vor dem ersten Tragen des Kleidungsstückes heraus. Viele Neurodermitispatienten werden durch ihre Erkrankung zum Spezialisten in der Beurteilung von verschiedensten Stoffen. Glatte Baumwollgewebe, feines Leinen, Mikrofasern und Seidenstoffe werden meist als angenehm empfunden. Mann sollte sich beim Einkauf vor allem auf den persönlichen Eindruck verlassen, denn was sich angenehm anfühlt, wird meist auch gut vertragen. Aber auch ein Blick auf das Etikett kann hilfreich sein. Sie können auch Weichspüler verwenden, der das Gewebe geschmeidiger und glatter macht, was die Haut bei Neurodermitis weniger reizt. Allergien gegen Duftstoffe sollen dann aber nicht vorliegen. Falls Sie das nicht wissen, fragen Sie Ihren Arzt. Duftstoffallergien sind bei Kindern fast nie vorhanden, sie treten – wenn überhaupt – erst im Verlauf der Jahre oder Jahrzehnte auf. Sicher ist es auf jeden Fall günstig, die Wäsche in der Waschmaschine wenn möglich einem zusätzlichen Spülgang zu unterziehen. Das hilft, eventuell vorhandene Reste chemischer Substanzen vom Waschvorgang, die die Haut reizen könnten, besser auszuspülen. 62 In den letzten Jahren wurden zunehmend Materialien entwickelt, die sich günstig auf Neurodermitishaut auswirken. So soll z. B. Unterwäsche aus mit Silber beschichteten Mikrofasern die bakterielle Besiedlung der Haut deutlich verringern. Das geschieht über Silberionen, die vom Belag der Stoffe abgegeben werden. Die Silberschicht inaktiviert darüber hinaus auch unangenehme Gerüche. Neurodermitispatienten empfinden auch Seide als besonders angenehm, daher wurde ein vielfältiges Angebot an Spezialtextilien aus Naturseide entwickelt, teilweise ebenfalls mit einer antimikrobiellen Veredelung. Auch natürliche Textilien aus Lyocell, einer chemisch reinen Zellulose, werden von sensibler und ekzematöser Haut gut vertragen. 63 Schulungen und Selbsthilfegruppen Die Patientenschulung bei Neurodermitis ist inzwischen fester Bestandteil der Behandlung. Da es sich bei Neurodermitis um ein recht komplexes Krankheitsbild handelt, ist der Besuch einer Patientenschulung eine ideale Voraussetzung für eine effektive Therapie. Hier können die wesentlichen Aspekte vermittelt werden. Nicht nur die Therapie der Haut mit entsprechenden Wirkstoffen spielt eine wichtige Rolle, sondern auch die Kenntnis möglicher Auslöse- und Triggerfaktoren, die es in schlechten Phasen zu meiden oder zu reduzieren gilt. Von den verschiedensten Konzepten sind im Erwachsenenbereich das Konzept der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP) und im Bereich der Kinder und Jugendlichen das Konzept der Arbeitsgemeinschaft Neurodermitisschulung e.V. (AGNES) gut untersucht. Inzwischen wurde die Patientenschulung auch in die ärztlichen Leitlinien für die Therapie der Neurodermitis aufgenommen. Im Rahmen der Schulungen sollten Inhalte zur Hautpflege und Therapie vermittelt, psychologische Aspekte der Krankheit beleuchtet und Fragen zur Ernährung beantwortet werden. Außerdem bietet sich in einer Gruppe die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen, was für die meisten Patienten sehr hilfreich ist. Da die Neurodermitis eine der häufigsten Hautkrankheiten ist, gibt es selbstverständlich sehr viele Selbsthilfegruppen, bei denen Betroffene sich Rat holen können. Prinzipiell ist der Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe immer ratsam. Im Anhang finden Sie eine Liste ausgewählter Selbsthilfegruppen. Arbeitsgemeinschaft Neurodermitis Schulung e.V. Postadresse: Charité, Campus Virchow-Klinikum Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie Augustenburger Platz 1 13353 Berlin Tel. 030 450566823, Fax 030 450566943 http://www.neurodermitisschulung.de Anhang Aktionsbündnis Allergieprävention Schuhmarkt 35037 Marburg Tel. 06421 293171, Fax 06421 293793 [email protected] http://www.allergiepraevention.de Allergie- und umweltkrankes Kind e.V. Westerholter Straße 142 45892 Gelsenkirchen Tel. 0209 30530 oder 0209 369306, Fax 0209 3809037 [email protected] http://www.members.aol.com/AUKGE/ Arbeitsgemeinschaft Allergiekrankes Kind (AAK) e.V. Hilfen für Kinder mit Asthma, Ekzem oder Heuschnupfen Nassaustraße 32 35745 Herborn Tel. 02772 92870, Fax 02772 928748 [email protected] http://www.aak.de Bundesverband Neurodermitiskranker in Deutschland e.V. Selbsthilfeorganisation für Neurodermitis-, Asthma- und Allergiekranke Oberstr. 171 56154 Boppard Tel. 06742 8713-0, Fax 06742 2795 [email protected] oder [email protected] http://www.neurodermitis.net Deutscher Allergie- und Asthmabund e.V. (DAAB) Fliethstraße 114 41061 Mönchengladbach Tel. 02161 81494-0, Fax 02161 81494-30 [email protected] http://www.daab.de Deutscher Neurodermitis Bund e.V. Spaldingstr. 210 20097 Hamburg Tel. 040 230810, Fax 040 231008 [email protected] http://www.dnb-ev.de 64 65 Literaturempfehlungen Neurodermitis Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) und Berufsverband Deutscher Dermatologen (BVDD), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. Leitlinie Atopische Dermatitis. http://leitlinien.net/ Zollner TM, Boehnke WH, Kaufmann R. Atopische Dermatitis. Thieme Verlag, Stuttgart, 2002 Neurodermitis im Kindesalter Abeck D, Ring J. Atopisches Ekzem im Kindesalter (Neurodermitis). Zeitgemäßes Management. Steinkopff-Verlag, Darmstadt, 2002 Bock U, Ehlers I, Worm U. Fühl dich wohl in deiner Haut! Ein Lese- und Bilderbuch für Kinder mit Neurodermitis und ihre Eltern. Steinkopff-Verlag, Darmstadt, 1999 Friebel V, Friedrich S. Entspannung für Kinder – mit CD. Rowohlt Verlag, Hamburg, 2002 Gieler U, Schulte A, Rehbock C. Kinder und Neurodermitis. Verlag im Kilian, Marburg, 2001 Petermann F, Warschburger P. Kinderrehabilitation. Hogrefe, Göttingen, 2000 Scheewe S, Wilke-Clausen K. Pingu Piekfein. Urban & Vogel, München, 2002 Allergologie und Ernährung Constien A, Reese I, Schäfer C. Praxisbuch Lebensmittelallergie – der sichere Weg zur richtigen Diagnose und optimalen Therapie bei Allergien und Unverträglichkeiten. Südwest Verlag, München, 2007 Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAI). Weißbuch Allergie in Deutschland. Urban & Vogel, München, 2000 Reese I, Constien A, Schäfer C. Richtig einkaufen bei Nahrungsmittelallergie – mehr Sicherheit beim Einkauf, im Restaurant und im Ausland. Trias Verlag, Stuttgart, 2007 Schäfer T et al. Allergieprävention: evidenzbasierte und konsentierte Leitlinie des Aktionsbündnisses Allergieprävention (abap) – Kurzfassung. Allergo J 2004; 13: 252–260. Werfel T, Fuchs T, Reese I et al. Vorgehen bei vermuteter Nahrungsmittelallergie bei atopischer Dermatitis. Allergo Journal 2002; 11: 386–393. Schulungen Staab D, Diepgen TL, Fartasch M et al. Age related, structured educational programmes for the management of atopic dermatitis in children and adolescents: multicentre, randomised controlled trial. BMJ 2006; 332: 933–938. Werfel T, Diepgen T, Fartasch M et al. Neurodermitis-Schulung im Kindes- und Jugendalter. Dt Dermatol 2000; 8: 532–539. Psychologie Gieler U, Stangier U, Brähler E (Hrsg). Hauterkrankungen in psychologischer Sicht. Jahrbuch der medizinischen Psychologie (Bd. 9). Hogrefe, Göttingen, 1993 Niebel G. 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