Ueberindividuelle Rechtsgueter Lsg 4-5

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Ueberindividuelle Rechtsgueter Lsg 4-5
S. 19
Fall 4 (aus Klausur Termin 2010/I)
1. Tatkomplex: Das Geschehen bis zum Unfall – Strafbarkeit des S
I. § 315c I Nr. 1a, Nr. 2d durch die alkoholisierte Fahrt samt Unfall
TB:
Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr
• Definition: Fahrzeugführer ist derjenige, der sich selbst aller
oder wenigstens eines Teils der wesentlichen technischen
Einrichtungen des Fahrzeugs bedient, welche für seine Fortbewegung bestimmt sind, und das Fahrzeug in Bewegung
setzt oder während der Fahrtbewegung lenkt
• hier: unproblematisch (+)
∗ S hat nicht nur den Motor gestartet, sondern ist bereits
losgefahren
∗ S fährt auf einer Bundesstraße, so dass öffentlicher Straßenverkehr (+)
Fahruntüchtigkeit nach § 315c I Nr. 1a
• absolute Fahruntüchtigkeit: ab BAK von 1,1 Promille; Fahruntüchtigkeit dann unwiderleglich vermutet
• relative Fahruntüchtigkeit: BAK ab 0,3 Promille und Ausfallerscheinungen (Gesamtwürdigung)
• hier: S hat eine BAK von 0,9 Promille und unterlag alkoholtypischen Fahrfehlern (jedenfalls Verringerung der Reaktionszeit; evtl. auch deutlich überhöhte Geschwindigkeit),
daher relative Fahruntüchtigkeit (+)
zu schnelles Fahren an unübersichtlicher Stelle, § 315c I
Nr. 2d (-), da gerade und übersichtliche Strecke einer Bundesstraße befahren
infolge Fahruntüchtigkeit konkrete Gefährdung von Leib oder
Leben eines anderen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert
• hinsichtlich T: (+), da T sogar getötet (Realisierung der
konkreten Gefahr!)
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• hinsichtlich V:
∗ Mitinsasse des Täters als Tatobjekt des § 315c?
zwar nicht schon allein durch längere Fahrt mit Betrunkenem; aber bei Beinahe-Unfall grds. (+)
allerdings V als Teilnehmerin (Psychische Beihilfe
nach § 27 durch das Anspornen des S zum schnellen
Fahren)?
− e.A.: auch tatbeteiligter Mitinsasse als Tatobjekt des § 315c möglich, da sonst schon bei
Zweifeln, ob Mitinsasse Gehilfe ist, Bestrafung des Fahrers ausgeschlossen, sofern keine
weiteren Personen oder Sachen gefährdet
wurden
− wohl h.M.: keine Strafbarkeit bei Gefährdung
eines Teilnehmers, da Schutzzweck des
§ 315c keine zweiten Personen erfasst, die ihrerseits aus derselben Norm zu bestrafen seien
− daher V nicht geschützt, soweit (hier geprüfte)
vorsätzliche (oder auch vorsatzfahrlässigkombinierende) Begehung geprüft
wird
• hinsichtlich fremder Sache von bedeutendem Wert:
∗ laut SV Fahrzeug zwar unbeschädigt, aber gefährdet
∗ zwar muss auch konkret drohender Schaden ein bedeutender sein (Grenzangaben zwischen 750 und 1.300 €),
aber hier wohl (+), da Wagen nur um wenige Zentimeter
an einem Baum vorbeischleudert, so dass erhebliche
Schäden drohten
∗ aber: gefährdetes Fahrzeug vom Täter S gesteuert: nach
h.M. Tatmittel als notwendiges Werkzeug zur Tatbestandsverwirklichung nicht zugleich geschütztes Rechtsgut (da anderenfalls Strafbarkeit nach § 315c von zufälligen Eigentumsverhältnissen am Tatfahrzeug abhängig
wäre)
Vorsatz
• hinsichtlich Tathandlung: (-), da S sich noch fahrfähig fühlte
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S. 21
• hinsichtlich etwaiger konkreter Gefährdung:
∗ bzgl. T (-)
∗ bzgl. V (-)
Objektive Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit des Erfolges:
(+)
RW/SCH (+)
Strafbarkeit des S nach § 315c I Nr. 1a, Nr. 2d (-)
Strafbarkeit des S wegen § 222 (+) zum Nachteil des T
II. § 315c III Nr. 2 iVm I Nr. 1a) durch die alkoholisierte Fahrt samt
Unfall
TB:
S. 22
IV. § 229 zum Nachteil der V durch die Fahrt unter Alkoholeinfluss
TB:
Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr: (+), s.o.
Objektive Zurechnung des Erfolges: (+), als Beifahrerin keine
eigenverantwortliche Selbstgefährdung, da keine Tatherrschaft
relative Fahruntüchtigkeit, § 315c I Nr. 1a): (+), s.o.
infolge Fahruntüchtigkeit konkrete Gefährdung von Leib oder
Leben eines anderen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert: vgl. o.; ferner bei „FarhlässigkeitsFahrlässigkeitskombination“ auch V keine Teilnehmerin
(§ 11 II StGB greift nicht ein!), so dass sie ebenfalls in den
Schutzbereich fällt
Fahrlässigkeit, § 315c III Nr. 2:
• bei kritischer Selbstprüfung hätte S seine Fahruntüchtigkeit
nach dem Konsum einiger Biere erkennen können und müssen
• Objektive Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit der konkreten Gefährdung von T und V (+), wenn S nicht vor der Fahrt
Alkohol konsumiert hätte
RW/SCH (+)
Sorgfaltspflichtverletzung: (+), da Fahrt unter Alkoholeinfluss
Objektive Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit des Erfolges:
(+)
RW: (+/-), da Einwilligung in Fahrt und sogar Anfeuern des T; vertretbar allerdings: Einwilligung unwirksam, da V den T für fahrtüchtig gehalten hat
ggf. SCH (+)
ggf. Strafbarkeit des S wegen § 229 (+) zum Nachteil der V; Strafantrag nach § 230 I 1 gestellt
V. § 316 II iVm I durch die Fahrt unter Alkoholeinfluss
TB:
Strafbarkeit des S wegen § 315c III Nr. 2 iVm I Nr. 1a (+)
Eintritt und Verursachung des tatbestandlichen Erfolgs: (+), da
V verletzt (leichte Gehirnerschütterung, Bluterguss)
Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr: unproblematisch (+)
relative Fahruntüchtigkeit: (+), vgl. oben
III. § 222 zum Nachteil des T durch die Fahrt unter Alkoholeinfluss
TB:
Eintritt und Verursachung des tatbestandlichen Erfolgs: Tod
des T (+)
Objektive Zurechnung des Erfolges: (+)
Sorgfaltspflichtverletzung: (+), da Fahrt unter Alkoholeinfluss
zwar Vorsatz (-), da S der Meinung war das Fahrzeug trotz des
vorangegangenen Alkoholkonsums noch sicher steuern zu
können, aber fahrlässige Unkenntnis der eigenen Fahruntüchtigkeit nach § 316 II (+)
RW/SCH (+)
Strafbarkeit des S wegen § 316 II iVm I (+), aber subsidiär
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S. 23
Konkurrenzen:
III. §§ 212 I, 211, 22, 23 I, 13 I durch die Weiterfahrt
S: §§ 315c III Nr. 2 iVm I Nr. 1a), 222, 229; 52
VP:
Anmerkung: Obwohl mehrere Personen gefährdet wurden, liegt nur
eine Tat nach § 315c vor. Ferner wird durch § 315c III Nr. 2 iVm I Nr.
1a) der ebenfalls verwirklichte § 316 II iVm I verdrängt (ausdrückliche
Subsidiarität; vertretbar ist auch die Annahme von Spezialität).
2. Tatkomplex: Die Weiterfahrt nach dem Unfall – Strafbarkeit des S
I. § 316 I durch die Weiterfahrt
TB:
Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr: (+), s.o.
relative Fahruntüchtigkeit: (+), vgl. oben
Vorsatz (+), da S aufgrund des vorangegangenen Unfalls
nunmehr seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kannte
RW/SCH (+)
Strafbarkeit des S nach § 316 I (+)
II. §§ 212 I, 211, 13 I zum Nachteil von T durch die Weiterfahrt
TB:
S. 24
Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges: Tod des T (+)
Unterlassen der gebotenen Rettungshandlung: (+), da S zunächst keine Hilfe geholt und T liegengelassen hat
Garantenstellung:
• hier: aus Ingerenz (+)
• pflichtwidriges Vorverhalten durch das Anfahren des T
Quasikausalität:
• Definition: Unterlassen kausal für Erfolgseintritt, wenn
rechtlich gebotene Handlung nicht hinzugedacht werden
kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg entfiele
• hier: (-), da Tod von T nicht auf das Unterlassen von S beruht, das heißt hätte S sofort Hilfe geholt, wäre T immer
noch tot
keine Vollendung: (+), da Quasikausalität fehlt
Strafbarkeit des Versuchs: §§ 23 I, 12 I
TE:
Vorsatz gerichtet auf:
• Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges: S billigt den Tod
des T durch das Liegenlassen (+)
• Unterlassen der gebotenen Rettungshandlung: (+), s.o.
• Quasikausalität: (+), da S hinsichtlich T davon ausgeht, dass
dieser ohne ärztliche Hilfe alsbald versterben wird, dass also
ein sofort herbeizurufender Notarzt das Leben von T sicher
noch retten könnte
• Objektive Zurechnung: (+)
• Möglichkeit und Zumutbarkeit der Rettungshandlung: (+)
• Garantenstellung: (+), s.o.
• Gleichstellungsklausel, § 13 I HS 2: unproblematisch (+)
Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht, § 211 II Gruppe 3:
• Definition: „um eine andere Straftat zu verdecken“, d.h. Täter will sich einer drohenden Strafverfolgung entziehen
• ältere Rspr.: Begriff des Verdeckens verlange aktives „Zudecken“, so dass „Nicht-Aufdecken“ nicht ausreiche
• hier mit h.M.: (+), da S nichts zur Rettung des T unternommen hat, um die Entdeckung seiner vorangegangenen Verkehrsstraftaten zu vermeiden
UA: beim unechten Unterlassungsdelikt str.:
e.A.: Versäumen der ersten Handlungsmöglichkeit
• Grund: wirksamer Rechtsgüterschutz
• dagegen spricht: Ausdehnung der Versuchsstrafbarkeit
a.A.: Verstreichenlassen der letzten Rettungschance
• Grund: Rechtsordnung verlange nur die rechtzeitige Abwendung des Erfolges
Strafbarkeit des S nach §§ 212 I, 211, 13 I zum Nachteil von T (-)
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• dagegen spricht: Unterlassungsversuch in diesem Fall praktisch nur in Form eines beendeten oder fehlgeschlagenen
Versuchs denkbar
• hier: daher ernsthaftes Bemühen (+), da seit dem Unfall nur
etwa fünf Minuten verstrichen sind
ferner handelte S auch aus autonomen Motiven, daher Freiwilligkeit (+)
h.M.: Eintritt einer nahe liegenden Gefahr für das Rechtsgut
ausschlaggebend, da Garant nicht nur zur Schadensabwendung, sondern schon zur Verminderung der Gefahr für das bedrohte Rechtsgut verpflichtet sei
nach allen Ansichten ist jedoch die Sicht des Täters maßgeblich; danach hier (+), da aus Sicht des S Leben des T durch
das Liegenlassen stark gefährdet
aber P: Rücktrittsmöglichkeit beim untauglichen Unterlassungsversuch überhaupt gegeben?
• BGH (in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung): Rücktrittsmöglichkeit (-)
∗ Grund: Erfolg könne nicht mehr verhindert werden
∗ vergleichbar mit Rechtsfigur des Rücktritts vom beendeten Versuch des Begehungsdelikts und dem in beiden
Fallgestaltungen übereinstimmenden Rücktrittshorizont
• a.A.: § 24 I 2 erfasst gerade die Fälle des untauglichen Versuchs
∗ nicht ersichtlich warum für untauglichen Unterlassungsversuch etwas anderes gelten soll
∗ Grund: Strafgrund für den untauglichen Versuch eines
Unterlassungsdelikts sei Betätigung eines rechtsfeindlichen Willens durch das ungenutzte Verstreichenlassen
einer nach dem Vorstellungsbild des Täters bestehenden
Rettungsmöglichkeit
∗ daher Rücktrittsmöglichkeit (+), wenn Täter innerhalb
seines Vorstellungsbildes doch noch zu einem rechtstreuen Handeln zurückkehrt
RW/SCH (+)
Rücktritt, § 24 I
kein fehlgeschlagener Versuch
hier: § 24 I 2 einschlägig, da die Unterlassungstat aufgrund
des sofortigen Ablebens von T nicht mehr vollendet werden
kann
• grds. zwar Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch beim Unterlassungsdelikt oft schwierig
• hier aber unerheblich, da Täter in jedem Fall in Richtung Erfolgsverhinderung durch sein freiwilliges und ernsthaftes
Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, tätig werden muss
• hier: Tätigwerden von S durch Notrufverständigung (+)
Freiwilliges und ernsthaftes Bemühen:
• M.M.: sofortiges Ergreifen von Maßnahmen zur Rettung
nach Erkennen der gefährlichen Lage erforderlich
∗ Grund: anderenfalls nur „halbherziger“ Rücktritt gegeben, der zur Erlangung von Straffreiheit nicht ausreiche
∗ dagegen spricht: diese Ansicht fordert ein Tätigwerden
bereits zu dem Zeitpunkt, der mit dem Beginn des unmittelbaren Ansetzens zusammenfällt
∗ dadurch strafbefreiender Rücktritt vom Versuch praktisch unmöglich
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Strafbarkeit des S wegen §§ 212 I, 211, 22, 23 I, 13 I (-)
IV. §§ 221 I Nr. 2, 22, 23 I durch das Wegfahren
VP:
keine Vollendung: (+), da T bereits tot war als S wegfuhr
Strafbarkeit des Versuchs: (-), da Versuch der einfachen Aussetzung nicht unter Strafe gestellt, vgl. §§ 23 I, 12
Strafbarkeit des S nach §§ 221 I Nr. 2, 22, 23 I (-)
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[jeweils a.A. vertretbar, wenn man insoweit auf ex-ante-Sicht des Täters abstellt]
V. §§ 221 I Nr. 2, III, 22, 23 I durch das Weiterfahren
VP:
P: Strafbarkeit des erfolgsqualifizierten Versuchs bei straflosem Versuch des Grunddelikts?
• h.M.: grds. erfolgsqualifizierter Versuch strafbar, wenn Vorsatz bzgl. schwerer Folge gegeben, da dann kein Unterschied zu sonstigen Vorsatztaten besteht
• allerdings: Versuch des Grunddelikts hier nicht strafbar
∗ h.M.: Versuchsstrafbarkeit des Grunddelikts erforderlich
∗ Grund: Anstreben der besonderen Folge allein kann nicht
strafbegründend wirken
∗ § 18 macht strafschärfende Wirkung der besonderen Folge gerade von einem strafbaren Grundverhalten abhängig
∗ daher hier: beim straflosen Versuch des Grunddelikts
(§ 221 I) kein erfolgsqualifizierter Versuch möglich
Versuch im hiesigen Fall daher (-)
Anmerkung: Die amtliche Lösung nimmt hier eine Versuchsstrafbarkeit auch bei einem straflosen Versuch des Grunddelikts an und bejaht
den Tatentschluss, da S denkt, dass er T in einer hilflosen Lage im
Stich lässt, obwohl er ihm beizustehen verpflichtet ist und dass er hierdurch den Tod von T verursacht. Nach dieser Ansicht ist ferner das
unmittelbare Ansetzen bereits im Wegfahren ohne Hilfestellung für T
zu sehen. Der Rücktritt vom Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts
ist grundsätzlich möglich. In der hiesigen Konstellation gelten die obigen Ausführungen zum Rücktritt entsprechend.
Unglücksfall: (-)
• Definition: plötzlich eintretendes Ereignis, das eine erhebliche Gefahr für ein Individualrechtsgut mit sich bringt
• hier: T war sofort tot, so dass keine Gefahr mehr für sein
Leben bestand
Möglichkeit und Erforderlichkeit der Hilfeleistung: (-)
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VII.§ 142 I Nr. 1, Nr. 2 durch das Weiterfahren
TB:
Unfall im Straßenverkehr: (+)
S als Unfallbeteiligter: (+), vgl. § 142 V
vom Unfallort Sichentfernen:
• Nr. 1: ohne bestimmte Feststellungen zu ermöglichen (-), da
keine feststellungsbereiten Personen anwesend
• Nr. 2: ohne eine angemessene Zeit zu warten (+)
Vorsatz: (+), da S nach fünf Minuten Notarzt und Polizei von
dem Unfall und seiner Beteiligung verständigt hat
Tätige Reue, § 142 IV (-), da sich der Unfall nicht außerhalb des fließenden Verkehrs ereignete und nicht ausschließlich unbedeutenden
Sachschaden zur Folge hatte
Strafbarkeit des S wegen § 142 I Nr. 2 (+)
Konkurrenzen:
S: §§ 142 I Nr. 2, 316 I; 52
Gesamtkonkurrenzen:
VI. § 323c durch das Weiterfahren
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Strafbarkeit des S wegen § 323c (-)
RW/SCH (+)
Strafbarkeit des S wegen §§ 221 I Nr. 2, III, 22, 23 I (-)
TB:
S. 28
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S: §§ 315c III Nr. 2 iVm I Nr. 1a), 222, 229; 52; §§ 142 I Nr. 2, 316 I;
52; § 53 (aufgrund der durch den Unfall eingetretenen Zäsur)
3. Tatkomplex: Das Geblitztwerden – Strafbarkeit des R
I. § 268 I Nr. 1 Alt. 1, III durch das Anbringen der Reflektorfolien
TB:
technische Aufzeichnung nach § 268 II:
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• Lichtbilder, die von einer automatisch mit einer Messvorrichtung gekoppelten Kamera einer Verkehrsüberwachungsanlage gefertigt werden (+)
• hier also selbsttätig ausgelöst
die dem Täter überhaupt nicht oder nicht ausschließlich gehört
(kein Beweisführungsrecht des Täters) (+)
Begehungsvariante des § 268 III:
• Einwirken auf den Aufzeichnungsvorgang: Einflussnahme
auf den ungestörten selbsttätigen Ablauf des Gerätemechanismus
∗ e.A.: Aufzeichnung (+), da „Lichtblitz“ aufgezeichnet;
störende Einwirkung = Reflexion des Lichtblitzes auf
das Aufzeichnungsgerät
∗ aber fehlender Beweiswert beruht auf herbeigeführter Situation, nicht Manipulation der Aufzeichnungsmaschine,
d.h. R manipulierte nicht den Aufzeichnungsvorgang,
sondern beeinflusste lediglich die „Aufzeichnungssituation“
R nutzte nur technische Grenze des eingesetzten Mittels
∗ daher: Einwirken auf Aufzeichnungsvorgang (-): geschützt wird nur Vertrauen auf Herstellungsvorgang,
nicht auf bloße Aufzeichnungsvoraussetzungen/Manipulationsfreiheit des Objekts der Aufzeichnung; nach a.A. (OLG München NZV 2006, 435 ff.)
wird bereits Entstehung einer Aufzeichnung – Aufnahme
des Fahrers – überhaupt verhindert; weniger überzeugend, da es ja Aufzeichnung gibt, aber i.Erg. ebenfalls
§ 268 III (-)
Strafbarkeit des R wegen § 268 I Nr. 1 Alt. 1, III (-)
Anmerkung: Eine Fälschung beweiserheblicher Daten gemäß § 269 I
kommt schon mangels (nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeicherten)
Daten als kodierte Informationen nicht in Betracht.
II. § 274 I Nr. 1 durch das Anbringen der Reflektorfolien
TB:
technische Aufzeichnung: Lichtbildaufnahme (+), s.o.
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Beschädigen: Beeinträchtigung des Beweiswertes (-), da Beweiswert fehlt
Strafbarkeit des R nach § 274 I Nr. 1 (-)
III. § 303 I durch das Anbringen der Reflektorfolien
TB:
fremde Sache für R: Aufzeichnungsgerät (+)
Beschädigen:
• Definition: Substanzverletzung nicht erforderlich; ausreichend, dass durch körperliche Einwirkung auf die Sache die
bestimmungsgemäße (technische) Brauchbarkeit nachhaltig
gemindert wird
• OLG München a.a.O.: (+), da
∗ durch Anbringen der Reflektoren erreicht, dass Bildausschnitt auf Lichtbild im Bereich des Fahrzeugführers
überbelichtet und Fahreridentifizierung dadurch unmöglich wird, so dass Messanlage in ihrer bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit nicht unwesentlich gemindert wurde
∗ Kurzzeitigkeit des Eingriffs unerheblich, da zeitweilige
Funktionsunfähigkeit „durchaus erheblich und nachhaltig“ war
• wenig überzeugend und in Lit. durchgehend kritisiert, da
∗ Überstrapazierung des Begriffs der Brauchbarkeitsbeeinträchtigung bei nur mittelbarer Einwirkung auf Sache
∗ Funktionalität nur ganz vorübergehend beeinträchtigt
bzw. einwandfreies Funktionieren des Gerätes, da es die
tatsächliche Situation im Aufnahmezeitpunkt richtig
wiedergegeben hat
∗ Fehlen jeder körperlichen Einwirkung auf Kamera
∗ wohl Wortlaut des § 303 I überschritten
Strafbarkeit des R nach § 303 I (-)
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Anmerkung: Folgt man der Ansicht des OLG München, so ist weiter
der Vorsatz des R zu bejahen. Auch Verbotsirrtum nach § 17 ist nicht
gegeben, da es sich allenfalls um einen (ohnehin vermeidbaren) unbeachtlichen Irrtum über die Strafbarkeit handelt, so dass R nach § 303 I
strafbar ist. Der Strafantrag nach § 303c ist laut Bearbeitervermerk gestellt.
IV. § 304 I durch Anbringen der Reflektorfolien
TB:
Gegenstand, das dem öffentlichen Nutzen dient: bei Geschwindigkeitsmessanlagen unmittelbarer Gemeinwohlnutzen
(-)
daher TB (-)
Strafbarkeit des R wegen § 304 I (-)
Konkurrenzen:
S. 32
Fall 5 (aus Klausur Termin 2005/I)
I. § 267 I Var. 2 und 3
TB:
Urkunde
• Perpetuierungsfunktion:
∗ Erklärung über Parkberechtigung wird auf dem Parkschein dauerhaft festgehalten
∗ menschliche Gedankenerklärung, die perpetuiert wurde
zwar Inhalt letztlich durch Parkautomat festgelegt
aber dadurch nur der Erklärungsinhalt, der auf
Grund des menschlichen Inputs („Programmierung“)
vorbestimmt wurde (a.A. gut vertretbar, da dass
praktisch bei jedem Gerät der Fall ist, das technische
Aufzeichnungen erstellt!)
• Beweisfunktion: Bestimmung der Erklärung zum Beweis im
Rechtsverkehr (vgl. § 13 I 1 StVO)
R: straflos
Anmerkung:
Man wird diese Beweiswirkung wohl auch nach Ablauf der Parkzeit
noch annehmen müssen, weil der Parkschein zumindest theoretisch
auch danach bei einem Streit über die Parkberechtigung noch von Bedeutung sein kann. Sollte man (m.E. weniger überzeugend, aber nicht
unvertretbar) argumentieren und begründen, dass nach Ablauf der
Parkzeit kein Beweiswert mehr besteht, würden die Parkscheine ihren
„neuen“ Beweiswert erst mit der Manipulation bekommen – man müsste dann im Folgenden statt eines Verfälschens einer Herstellen der Urkunde prüfen und bejahen.
• Garantiefunktion
∗ Garantierender Aussteller muss erkennbar sein
∗ bei lebensnaher Auslegung entweder Stadt München oder jedenfalls Standort des Parkschein-Automaten (da
davon Parkplätze, auf denen zum Parken berechtigt ist,
abhängen) auf Parkschein vermerkt, was ebenfalls genügen würde
Verfälschen, Abs. 1 Nr. 1 Var. 2
• Verändern des beweiserheblichen Erklärungsgehalts
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S. 33
S. 34
• durch Überkleben (+)
zu § 268 wohl Tateinheit, § 52
Gebrauchen, Abs. Nr. 2 Var. 2 StGB (+)
• dem zu Täuschenden so zugänglich machen, dass dieser sie
wahrnehmen kann
• durch Bereitlegen im Auto zur Wahrnehmung durch kommunale Verkehrsüberwacher (+), unabhängig davon, ob /
wann tatsächlich Kenntnisnahme erfolgt ist
Vorsatz
Täuschungsabsicht (+), insbesondere unerheblich,
• hinsichtlich eines der Scheine mangels Kontrolle möglicherweise keine Täuschung stattgefunden hat und
• hinsichtlich eines Schein Täuschung tatsächlich nicht gelungen ist
RW, SCH (+)
KK:
Verfälschen und Gebrauchen als eine Handlung, wohl Verfälschen als mitbestrafte Vortat
Manipulation zweier Parkscheine als natürliche Handlungseinheit
TB:
Urkunde (+)
Tatobjekt darf Täter nicht (ausschließlich) gehören
• nicht dingliche Rechtslage, sondern Beweisführungsrecht
entscheidend
• hier steht Beweisführungsrecht an Parkschein S zu
wohl schon kein taugliches Tatobjekt (a.A. vertretbar:
auch KVÜ beweisberechtigt)
falls objektiver Tatbestand bejaht: Nachteilszufügungsabsicht
• einerseits fraglich, da es S nur um Vermeidung eines Bußgeldes ging
• andererseits nach h.M. dolus directus II. Grades ausreichend
und hier sichere Kenntnis von Beeinträchtigung der Beweisfunktion
• dann aber jedenfalls von § 267 verdrängt, da insoweit nur
notwendiger Zwischenschritt
Anmerkung:
II. § 268 I Nr. 1 Var. 2, Nr. 2 Var. 2
TB:
III. § 274 I Nr. 1
Technischen Aufzeichnung: Legaldefinition in § 268 II StGB
• Darstellung von Daten (+)
• durch technisches Gerät selbständig bewirkt (+), insbesondere auch nicht ausgeschlossen, weil Herstellungsvorgang
durch Kunden initiiert
• für jedermann erkennbar (+)
• Beweisbestimmung(+)
Zu prüfen – im Ergebnis aber zu verneinen – wäre hier auch eine Strafbarkeit nach § 263 StGB (Betrug). Sie scheitert letztlich am „Vermögensschaden“ der Stadt, da die Einnahmen aus Verwarnungen den
Zweck der Sanktion beim Bürger verfolgen, nicht der Bereicherung der
Kommunen dienen (sollen ☺).
Verfälschen und Gebrauchen (+), w.o.
Vorsatz, Täuschungsabsicht (+)
RW, SCH (+)
KK:
hinsichtlich Tathandlungen und mehrerer Parkscheine w.o.
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