ULF - Hausarbeiten und Klausurensammlung
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ULF - Hausarbeiten und Klausurensammlung
Die große Hausarbeiten- und Klausurensammlung 3. Auflage Komplette Sammlung für das Zivilrecht, Strafrecht und Öffentliche Recht 3 Originalklausuren 3 Originalhausarbeiten Nur von deiner Studentenvertretung - ULFUnabhängige Liste Fachschaft Jura Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................................................... 1 Hausarbeit im Zivilrecht (1. Hausarbeit in der Übung für Anfänger bei Prof. Reichold im WS 04/05) ......................... 3 Hausarbeit im Strafrecht (1. Hausarbeit in der Übung für Anfänger bei Prof. Günther und Prof. Haft im WS 04/05). 31 Hausarbeit im öffentlichen Recht (1. Hausarbeit in der Übung für Anfänger bei Prof. Graf Vizthum im WS 03/04)................ 67 Klausur im Zivilrecht (1. Klausur in der Übung für Anfänger bei Prof. Reichold im WS 04/05) .......................... 107 Klausur im Strafrecht (1. Klausur in der Übung für Anfänger bei Prof. Günther und Prof. Haft im WS 04/05) ... 112 Klausur im öffentlichen Recht (Abschlussklausur in der Übung für Anfänger bei Prof. Remmert im WS 04/05) .............. 121 Big Points für die Hausarbeit ............................................................................................... 128 Big Points für die Klausur.................................................................................................... 130 Übersicht zum Gutachtenstil ................................................................................................ 132 Leitfaden zur Remonstration................................................................................................ 134 Impressum Unabhängige Liste Fachschaft (ULF) der Eberhardt-Karls-Universität Tübingen c/o Dekanat Juristische Fakultät Wilhelmstraße 7, 72074 Tübingen Fon: 07071/2974547 E-mail: [email protected] Homepage: www.jura.uni-tuebingen.de/ulf Redaktion: Julia Koch, Jochen Rauber, Thomas Pflock, Alex Wild, Pascal Ludwig Layout: Pascal Ludwig Druck: Mails and More • Doppeinstraße 2 • A-3441 Baumgarten • www.mailsandmore.at ® ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura -1- JURA NOT ALONE! Vorwort Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen! Die Hausarbeiten- und Klausuren-Sammlung, die Ihr hier vorliegen habt, stellt einen Versuch von ULF dar, Euch eine Hilfestellung beim Schreiben Eurer ersten Hausarbeiten und Klausuren zu bieten. Wir haben aus jedem der drei Rechtsgebiete (Zivilrecht, Strafrecht und öffentliches Recht) je eine Klausur und eine Hausarbeit, die in vergangenen Semestern in der jeweiligen AnfängerÜbung gestellt, wurden ausgewählt und hier veröffentlicht. Die Arbeiten waren nicht in jedem Fall die jeweils bestbenoteten und stellen somit auch keine Musterlösung für den jeweiligen Fall dar. Auch haben wir sie nicht ausgewählt, weil sich an ihnen irgendetwas besonders gut zeigen ließe. Es sollen einfach Beispiele dafür sein, was Euch erwartet. Durch die abgedruckte Lösung eines Kommilitonen könnt Ihr erkennen, wie eine Klausur oder eine Hausarbeit aufgebaut wird und welche Inhalte ungefähr erwartet werden. Darum haben wir auch größtenteils die Rand- und Schlussbemerkungen des Korrektors eingefügt. Da es vor allem bei den Hausarbeiten auch sehr auf die äußere Form ankommt, haben wir diese mit Deckblatt, Gliederung und Literaturverzeichnis abgedruckt. Aber auch hier gilt: es sind nur Beispiele und nicht die allselig machende Lösung. Zur Hilfe bei der Erstellung und Formatierung einer Hausarbeit haben wir auch noch ein Merkblatt zusammengestellt, das die wichtigsten Punkte darstellt. Zwei Seiten widmen sich dem schreiben von Klausuren. Hier gibt es Tipps zu Formalien, Herangehensweise und Stil. Das Grundwissen zum Gutachtenstil, dem wichtigsten Werkzeug beim Schreiben von juristischen Arbeiten im Studium, versuchen wir Euch in einem kurzen Überblick näher zubringen. Sollte am Ende doch alles vergeblich gewesen sein und die Klausur oder Hausarbeit nicht bestanden sein, so ist ja noch nicht aller Tage Abend. Solltet Ihr der Auffassung sein, das die schlechte Bewertung nicht an Eurer Leistung, sondern an der des Korrektors lag (was wir sehr hoffen J ), so bleibt Euch immer noch die Möglichkeit der Remonstration. Auch hierzu haben wir ein Merkblatt beigefügt. ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura -2- JURA NOT ALONE! Diese Sammlung will und kann Fallbücher, wie es sie im Seminar, der UB oder im Buchhandel gibt, nicht ersetzen. Sie soll Euch nur einen Einblick in die Inhalte und die Form der Anfängerübungen bieten. Solltet Ihr Fragen zu Hausarbeiten und Klausuren haben könnt Ihr Euch gerne an uns wenden. Wir werden Euch so gut es geht zu helfen versuchen. Kommt einfach in unsere Sprechstunde oder schreibt eine E-Mail an [email protected]. Nur über das Inhaltliche einer laufenden Hausarbeit dürfen wir Euch natürlich nichts sagen! J Anders als das einheitliche Pseudonym Martin Mustermann erwarten lässt, stammen die Arbeiten von unterschiedlichen Personen. Vielen Dank an alle die sich bereit erklärt haben, ihre Arbeit uns zur Verfügung zu stellen. Ein Lob haben auch die verdient, die die Arbeiten am Computer für eine Veröffentlichung vorbereitet haben. Euer ULF-Team wünscht Euch viel Glück und Erfolg bei Euren Anfängerübungen und natürlich auch im weiteren Studium. Tübingen, im Juni 2005 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura -3- Martin Mustermann Wilhelmstr. 7 72074 Tübingen Mat.Nr.: 1234567 2. Fachsemester JURA NOT ALONE! Tübingen, den 1. Oktober 2004 Übung im bürgerlichen Recht für Anfänger 1. Hausarbeit bei Prof. Dr. Hermann Reichold im WS 2004/2005 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura -4- JURA NOT ALONE! SACHVERHALT: Manfred Naiv (M) und sein langjähriger Freund D wollen eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründen. Zur Feier dieses Ereignisses planen sie ein kleines Fest im engsten Familienkreis und suchen hierfür einen passenden Raum. Die 85jährige Witwe Penibel (P) stellt regelmäßig einen geschmackvoll eingerichteten Nebenraum ihrer Villa für Privatfeiern zur Verfügung. Sie hat ihre Haushälterin Resi (R) mit der Vermietung betraut. R ist berechtigt, im Namen der P den Nebenraum zu vermieten. P hat sie lediglich angewiesen dafür zu sorgen, dass keine „unzüchtigen“ Veranstaltungen in ihrem Hause stattfinden. Über seine weitläufige Verwandtschaft wird M auf den Nebenraum in der Villa der P aufmerksam. M erfährt auch, dass R im Auftrag der P den Raum vermietet. Die Anweisung der P in Bezug auf die Art der Veranstaltungen ist M allerdings nicht bekannt. Am 7. Juni wendet er sich an R und bittet sie, ihm den Raum zur Feier seiner „Hochzeit“ am 10. September von 14.00 bis 24.00 Uhr zu überlassen. R freut sich darauf, eine Braut im Brautkleid zu sehen, verzichtet aber aus Diskretion darauf, nähere Informationen von M zu erhalten. R vermietet den Nebenraum für den üblichen Betrag von € 100,- an M. Die schriftliche Terminbestätigung, die sie M sofort aushändigt, enthält den Vermerk „Familienfeier“ und die Unterschrift der R - versehen mit dem Kürzel „i.A.“. Vier Wochen später erfährt P von ihrer Nachbarin, dass es sich bei der „Hochzeit“ in Wirklichkeit um die Feier einer eingetragenen Lebenspartnerschaft handle. Sie ist entsetzt. Am 5. Juli teilt sie in einem Brief an M mit, sie nehme Abstand von dem Mietvertrag. Ihre Haushälterin R sei nicht berechtigt gewesen, den Raum für eine derart skandalöse Veranstaltung zur Verfügung zu stellen. Nun ist M seinerseits empört. Er hatte nicht damit gerechnet, dass eine Privatperson, die einen Raum für Festlichkeiten vermietet, Anstoß am Anlass seiner Feier nehmen könnte. Auch hatte er die Einladungen zur Feier bereits gedruckt und versandt. Einen anderen, ähnlich passenden Raum würde er hier nicht finden. M fragt sich, ob er einen Anspruch auf Überlassung des Raums hat. Ein befreundeter Jurastudent, an den er sich in seiner Verzweiflung wendet, meint, er solle sich keine Sorgen machen, P könne sich von dem Vertrag nicht lösen. Es spiele vor allem keine Rolle, welche Vorgaben die R von P hinsichtlich der Vermietung erhalten habe. Die Familie des M bereitet sich währenddessen auf die Feier vor. Die Mutter des M, Gesine Naiv (G), braucht noch eine Bluse. Bei einem Stadtbummel mit ihrem jüngeren Sohn, dem 17jährigen Simon (S), entdeckt G in der Boutique des V ein passendes Modell zum Preis von € 65,-. Nach der Anprobe bittet G den Inhaber, die Bluse 30 Minuten lang für sie zu reservieren, da sie wegen der Höhe des Preises etwas Bedenkzeit brauche. Als G in einem anderen Damengeschäft eine ähnliche, allerdings etwas zu bunt gemusterte Bluse für € 50,- entdeckt, schickt sie S in das Geschäft des V zurück. S soll V mitteilen, dass sie die zurückgelegte Bluse nehme, wenn V sie ihr für den Preis von € 55,- überlasse. S ist nicht gerade erfreut darüber, von G in die bei ihr übliche „Feilscherei“ einbezogen zu werden. Obwohl er solche Aufträge bisher stets gewissenhaft und zur vollen ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura -5- JURA NOT ALONE! Zufriedenheit der G ausgeführt hat, beschließt er, sie dieses Mal zu ärgern. Er teilt V wahrheitswidrig mit, G sei so begeistert von der Bluse, dass sie zwei Stück nehme, wenn V sie für € 55,- pro Stück überlasse. V freut sich, dass er die zwei letzten Modelle dieser Bluse verkaufen kann, und akzeptiert. S teilt G anschließend nur kurz mit, dass V einverstanden sei, und verschwindet. Als G in der Boutique „ihre“ Bluse abholen möchte, besteht V auf Zahlung von zwei Blusen zu je € 55,-. G lehnt dies empört ab. Ihr Sohn habe sich wohl einen Scherz erlaubt. Dafür werde sie nicht einstehen. V ist ebenfalls verärgert. Er hätte in der Zwischenzeit eine der Blusen an eine andere Kundin für € 65,- verkaufen und dabei einen Gewinn von € 30,- machen können. V fragt, was er von G oder von S verlangen kann. Aufgabe: In einem Rechtsgutachten sind alle aufgeworfenen Fragen, ggf. im Wege eines Hilfsgutachtens, zu erörtern. Dabei sollen deliktsrechtliche Ansprüche und Ansprüche, die auf § 311 Abs. 2 und 3 BGB beruhen, nicht erörtert werden. ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura -6- JURA NOT ALONE! GLIEDERUNG: BIBLIOGRAPHIE ..................................................................................................................... IV GUTACHTEN ............................................................................................................................ 1 1. TATKOMPLEX – DIE ANMIETUNG DES RAUMES .................................... 1 ANSPRUCH DES M GEGEN P AUF ÜBERLASSUNG DER MIETSACHE NACH § 535 I BGB ............................................................................................................................... 1 A. Anspruch entstanden ................................................................................................................. 1 I. Mietvertrag gemäß § 535 geschlossen ............................................................................ 1 1. Angebot des M durch Bitte um Vermietung ...................................................... 1 2. Annahme durch Willenserklärung der P ............................................................ 1 a. Annahme durch P selbst ......................................................................... 1 b. Annahme durch R ................................................................................... 1 i. Annahmeerklärung ...................................................................... 1 ii. Wirksame Stellvertretung der P für R gemäß § 164 .................. 2 c. Zwischenergebnis ................................................................................... 4 3. Vertragsschluss .................................................................................................. 4 II. Nichtigkeit wegen verstecktem Einigungsmangel gemäß § 155 ................................... 4 III. Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit § 138 .................................................................... 5 IV. Vernichtung durch Anfechtung gemäß § 142 I ............................................................ 5 V. Zwischenergebnis ......................................................................................................... 8 B. Anspruch untergegangen ........................................................................................................... 8 C. Anspruch durchsetzbar .............................................................................................................. 8 D. Ergebnis .................................................................................................................................... 8 2. TATKOMPLEX – DER KAUF DER BLUSE(N) .............................................. 9 ANSPRUCH DES V GEGEN G AUF ABNAHME DER KAUFSACHE UND KAUFPREISZAHLUNG AUS § 433 II ......................................................................... 9 A. Anspruch entstanden ................................................................................................................. 9 I. Kaufvertrag gemäß § 433 geschlossen ........................................................................... 9 1. Angebot des V durch Ausstellen der Ware ......................................................... 9 2. Angebot der G durch Bitte um Reservierung ..................................................... 9 3. Angebot der G durch Schicken des S ................................................................. 10 I ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 7- JURA NOT ALONE! a. Angebotsabgabe durch G selbst .............................................................. 10 b. Angebotabgabe durch S .......................................................................... 10 i. S als Stellvertreter der G ............................................................. 10 ii. S als Erklärungsbote der G ......................................................... 10 iii. Zurechnung des Handelns eines "Pseudoboten"? ..................... 11 iv. Angebotsabgabe ......................................................................... 13 4. Kaufvertragsschluss ........................................................................................... 13 5. „An-sich-ziehen“ des Vertrags gemäß § 177 I ................................................... 13 II. Zwischenergebnis .......................................................................................................... 14 B. Ergebnis ..................................................................................................................................... 14 ANSPRUCH DES V GEGEN S AUF ERFÜLLUNG ODER SCHADENSERSATZ AUS § 179 ............................................................................................................................................. 14 A. Anspruch entstanden ................................................................................................................. 14 I. Vertragsschluss ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 I ................................................. 14 II. Haftungssausschluss nach § 179 III 2 .......................................................................... 14 III. Zwischenergebnis ........................................................................................................ 15 B. Ergebnis .................................................................................................................................... 15 II ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura -8- JURA NOT ALONE! BIBLIOGRAPHIE: Bork, Reinhard J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Band 4, §§ 134 - 163 13. Bearbeitung Berlin, 1995-2003 Brox, Hans Erman – Bürgerliches Gesetzbuch Band 1, §§ 1 - 811 12.Auflage Münster, 2004 Zit.: „Erman/Brox, § 139, Rdn.1;“ Brudermüller, Gerd Palandt – Bürgerliches Gesetzbuch 63. Auflage München, 2004 Zit.: „Palandt/Brudermüller, Einl.v. § 1297, Rdn.1;“ Canaris, Claus-Wilhelm Geschäfts- und Verschuldensfähigkeit bei Haftung aus „culpa in contrahendo“, Gefährdung und Aufopferung NJW, 17. Jahrgang München, 1964 Zit.: „Canaris, NJW 1964, S.1987(1988);“ Eneccerus, Ludwig Nipperdey, Hans-Carl Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Band : Entstehung, Veränderung und Untergang der Rechte 15. Auflage Tübingen, 1960 Zit.: „Eneccerus/Nipperdey, BGB/II, § 178, 1c, S.1089f.;“ Diederichsen, Uwe Der logische Dissens in: Festschrift zum 125-Jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin Berlin, 1984 Zit.: „Diederichsen, FS-JGBerlin, S.81(89);“ Erman, Walter Erman – Bürgerliches Gesetzbuch 12.Auflage Münster, 2004 Zit.: „Erman/Brox, § 139, Rdn.1;“ Flume, Werner Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Heidelberg, 1992 4. Auflage Zit.: „Flume, BGB AT/II, § 35 I 1.;“ III ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura -9- JURA NOT ALONE! Giesen, Dieter Die Stellvertretung Jura, 13. Jahrgang Berlin 1991 Zit.: „Giesen/Hegermann, Jura 1991, S.357 (358);“ Hefermehl, Wolfgang Erman – Bürgerliches Gesetzbuch Band 1, §§ 1 - 811 12.Auflage Münster, 2004 Zit.: „Erman/Hefermehl, § 145 Rn. 3.;“ Hefermehl, Wolfgang Soergel – Bürgerliches Gesetzbuch Band 2, §§ 104 - 240 Stuttgart, 1999 Zit.: „Soergel/Hefermehl, § 123, Rdn.2;“ Hegermann, Philip Die Stellvertretung Jura, 13. Jahrgang Berlin 1991 Zit.: „Giesen/Hegermann, Jura 1991, S.357 (358);“ Heinrichs, Helmut Palandt – Bürgerliches Gesetzbuch 63. Auflage München, 2004 Zit.: „Palandt/Heinrichs, § 123, Rdn.2;“ Hupka, Josef Die Haftung des Vertreters ihne Vertretungsmacht Leipzig, 1903 Zit.: „Hupka, Haftung des VoVm, S.108f.;“ Jung, Ute Die Einigung über die „essentialia negotii“ als Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrages JuS, 38. Jahrgang München, 1999 Zit.: „Jung, JuS 1999, S.28;“ Köhler, Helmut BGB – Allgemeiner Teil 28. Auflage München, 2004 Zit.: „Köhler, BGB AT, § 11, Rdn.6;“ Kramer, Ernst Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Band 1, §§ 1 - 240 4. Auflage München, 2001 Zit.: „MüKo/Kramer, § 155, Rdn.7;“ IV ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Krings, Günter - 10 - JURA NOT ALONE! Die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ für gleichgeschlechtliche Paare ZRP, 33. Jahrgang München, 2000 Zit.: „Krings, ZRP 2000, S.409 (Fn.14);“ Laband, Paul Die Stellvertretung bei dem Abschluss von Rechtsgeschäften nach dem ADHGB in: Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Erlangen, 1866 Zit.: „Laband, ZHR 10, S.183(206);“ Larenz, Karl Wolf, Manfred Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts 9. Auflage Münchren, 2004 Zit.: „Larenz/Wolf, BGB AT, § 7 C II d 2 ee, S. 326;“ Leptien, Ulrich Soergel – Bürgerliches Gesetzbuch Band 2, §§ 104 - 240 Stuttgart, 1999 Zit.: „Soergel/Leptien, § 164, Rdn.44;“ Marburger, Peter AbsichtlicheFalschübermittlung und Zurechnung von Willenserklärungen AcP 173 Tübingen, 1973 Zit.: „Marburger, AcP, 173, 137ff.;“ Medicus, Dieter Allgemeiner Teil des BGB 8. Auflage Heidelberg, 2002 Zit.: „Medicus, BGB AT, § 48, Rdn.749;“ Oertmann, Paul Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch und seinen Nebengesetzen Band 1, Allgemeiner Teil 3. Auflage Berlin, 1927 Zit.: „Oertmann, § 177, Anm.7;“ Palandt, Otto Palandt – Bürgerliches Gesetzbuch 63. Auflage München, 2004 Zit.: „Palandt/Heinrichs, § 123, Rdn.2;“ Palm, Heinz Erman – Bürgerliches Gesetzbuch Band 1, §§ 1 - 811 12.Auflage Münster, 2004 Zit.: „Erman/Palm, § 119, Rdn.2;“ V ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 11 - JURA NOT ALONE! Pauly, Walter Sperrwirkungen des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs NJW, 50. Jahrgang München, 1997 Zit.: „Pauly, NJW 1997, S.1955(1956);“ Petersen, Jens Bestand und Umfang der Vertretungsmacht Jura, 25.Jahrgang Berlin, 2003 Zit.: „Petersen, Jura 2003, S.310(311);“ Prölss, Jürgen Haftung bei der Vertretung ohne Vertretungsmacht JuS, 26. Jahrgang München. 1986 Zit.: „Prölss, JuS 1986, S.169(172);“ Rüthers, Bernd Stadler, Astrid Allgemeiner Teil des BGB 13. Auflage München, 2003 Zit.: „Rüthers/Stadler, § 30, Rdn.2;“ Schramm, Karl-Heinz Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Band 1, §§ 1 - 240 4. Auflage München, 2001 Zit.: „MüKo/Schramm, Vor § 164, Rdn.46a;“ Schreiber, Klaus Grundbegriffe des BGB – Allgemeiner Teil: Willenserklärung, Vertrag, Rechtsgeschäft Jura, 21. Jahrgang Berlin, 1999 Zit.: „Schreiber, Jura 1999, S.275 f.“ Schwung, Siegfried Die Verfälschung von Willenserklärungen durch den Boten JA, 15. Jahrgang Neuwied, 1983 Zit.: „Schwung, JA 1983, S.12ff.;“ Soergel, Hans-Theodor Soergel – Bürgerliches Gesetzbuch Stuttgart, 1999 Zit.: „Soergel/Leptien, § 164, Rdn.44;“ Staudinger, Julius von J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch 13. Bearbeitung Berlin, 1995-2003 Zit.: „Staudinger/Dilcher, § 120, Rdn.9;“ VI ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 12 - JURA NOT ALONE! Steffen, Erich Das Bürgerliche Gesetzbuch Band 1, §§ 1 – 240 12. Auflage Berlin, 1982 Zit.: „RGRK/Steffen, Vor.§ 164, Rdn.32;“ Venrooy, Gerd von Zur Dogmatik von §179 Abs.3 Satz 2 BGB AcP, 181 Tübingen, 1981 Zit.: „van Venrooy, AcP 181, S.220(231);“ Wolf, Manfred Soergel – Bürgerliches Gesetzbuch Band 2, §§ 104 - 240 Stuttgart, 1999 Zit.: „Soergel/Wolf, § 155, Rdn.9;“ VII ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 13 - JURA NOT ALONE! 1. TATKOMPLEX – DIE ANMIETUNG DES RAUMES ANSPRUCH DES M GEGEN P AUF ÜBERLASSUNG DER MIETSACHE NACH § 535 I BGB1 M fragt sich, ob er gegen P einen Anspruch auf Überlassung des Raumes hat. Als Grundlage hierfür kommt § 535 I in Betracht. A. Anspruch entstanden Dazu muss der Anspruch zunächst entstanden sein. I. Mietvertrag gemäß § 535 geschlossen Voraussetzung dafür ist ein zwischen den Parteien geschlossener Mietvertrag gemäß § 535. Der Abschluss eines Vertrages setzt sich aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen – Angebot und Annahme – zusammen. 1. Angebot des M durch Bitte um Vermietung Die Bitte des M, ihm den Raum zur Feier seiner „Hochzeit“ während einer festgelegten Nutzungszeit zu vermieten, enthält alle notwendigen Bestandteile zum Abschluss eines Vertrages (essentialia negotii2); er hat somit ein wirksames Angebot abgegeben. 2. Annahme durch Willenserklärung der P Problematisch ist, ob P das unterbreitete Angebot auch angenommen hat. a. Annahme durch P selbst Eine Annahme durch P selbst erfolgte nicht. b. Annahme durch R Möglicherweise hat aber R anstelle der P das Angebot des M wirksam angenommen. Das setzt voraus, dass R ihrerseits die Annahme erklärte und dabei als Stellvertreterin der P handelte. i. Annahmeerklärung Zunächst stellt sich die Frage, ob R das Angebot des M angenommen hat. Eine Annahmeerklärung liegt vor, wenn zwischen beiden Parteien eine Einigung über die essentialia 1 §§ ohne Gesetzesbezeichnung sind im Folgenden solche des BGB. Jung, JuS 1999, S.28; 2 Am Ende der Fußnoten besser einen Punkt setzen 1 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura negotii des - 14 Vertrags erfolgt 3 ist . Fehlt JURA NOT ALONE! es an einer Übereinstimmung in diesen Punkten, so liegt ein Totaldissens4 (auch logischer Dissens5) vor; ein Vertragsschluss ist dann wegen Perplexität nicht gegeben. M bat um Vermietung für seine Hochzeit, während die von R verfasste Bestätigung auf den Vertagszweck „Familienfeier“ rekuriert. Die Zusicherung einer Eigenschaft betrifft aber lediglich einen vertraglichen Nebenpunkt Gut! (gehört also zu den accidentialia negotii6) und ist nicht wesentlicher Vertragsbestandteil. Über die wesentlichen Teile – Vertragsart, Leistung der Parteien, Mietzeit- und Gegenstand – erfolgte eine Einigung zwischen M und R. Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass eine Annahmeerklärung durch R erfolgte. ii. Wirksame Stellvertretung der P für R gemäß § 164 Voraussetzung für die Möglichkeit eines Vertragsschlusses ist überdies, dass P durch R im Sinne von § 164 wirksam vertreten wurde. (1)Das Wirken eines Stellvertreters ist immer dann zulässig, wenn wie hier im Fall der Vertetung zum Abschluss eines Mietvertrages, keine höchstpersönlichen Rechtsgeschäfte des Vertretenen betroffen sind7. (2)Charakteristisch für ein Tätigwerden als Stellvertreter, ist das entäußern einer eigenen Willenserklärung, während der Bote lediglich eine fremde Willenserklärung überbringt8. Problematisch könnte sein, dass R mit „i.A.“ unterschrieben hat, was regelmäßig ein Auftreten als Erklärungsbote signalisiert, während bei Verteterhandeln mit „i.V.“ unterzeichnet werden müsste9. Entscheidend ist, ob aus der objektiven Sicht des Empfängers dem äußeren Auftreten des Erklärenden zu entnehmen ist, ob dieser als Bote oder Vertreter handelt10. R fällte offensichtlich eine eigene Entscheidung, als sie den Raum, ohne 3 Staudinger/Bork, § 145, Rdn.17; MüKo/Kramer, § 155, Rdn.7; 5 Diederichsen, FS-JGBerlin, S.81(89); 6 Diederichsen, FS-JGBerlin, S.81(90); 7 vgl. Köhler, BGB AT, § 11, Rdn.6; 8 Giesen/Hegermann, Jura 1991, S.357(358); 9 Soergel/Leptien, § 164, Rdn.44; BGH NJW 1988, S.210; 10 BGHZ, S.327(334); Eneccerus/Nipperdey, BGB/II, § 178, 1c, S.1089f.; RGRK/Steffen, Vor.§ 164, Rdn.32; 4 2 - 15 JURA NOT ALONE! Rückfrage an P, vermietete. Sie gab somit eine eigene ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Willenserklärung ab. (3)Weiter ist notwendig, dass R im Namen der P handelte. Die erforderliche Offenkundigkeit der Vertretung ist gemäß § 164 I 2 auch dann gewahrt, wenn sich die Vertretung aus den Umständen ergibt; der Name des Vertretenen braucht nicht genannt zu werden11. M ist die Tatsache, dass R im Namen der P die Raumvermietung vornimmt bekannt, die Voraussetzungen sind damit erfüllt. (4)Die Wirkungen der Stellvertretung können nur eintreten, wenn R gemäß § 164 I mit Vertretungsmacht gehandelt hat. Das ist der Fall, wenn eine Vollmacht im Sinne von § 166 I erteilt und das Handeln des Vertreters von deren Umfang umfasst ist12. (a) Zunächst hatte P der R eine wirksame Innenvollmacht gemäß § 167 I 1.Var. erteilt. Durch die Kennzeichnung der Bestätigungsurkunde mit „i.A.“ könnte sich ergeben, dass gemäß § 171 I eine Kundgabe nach Außen erfolgte. Rechtsscheintatbestandes Für ist die hier Schaffung ausreichend, wenn eines der Kundgebungsakt durch den Bevollmächtigten vollzogen wird13. Die von einer Gegenmeinung vertretene Ansicht, der zufolge eine Aufdeckung nur durch den Vertretenen selbst vorgenommen werden kann, ist abzulehnen; das angeführte Erfordernis stellt § 171 in keinster Weise auf. Vielmehr verlangt die Norm eine zur Bekanntgabe „besondere Mitteilung“. Danach ist eine genaue Kennzeichnung des Bevollmächtigten wie unter anderem die Angabe von Name und Wohnort unerlässlich14. Die durch R erfolgte handschriftliche Unterzeichnung der Terminbestätigung erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die bestehende Innenvollmacht wurde somit nicht wirksam kundgegeben. (b)Problematisch ist zudem, ob die von R getätigte Vermietung des Raumes auch vom Umfang der Vertretungsmacht gedeckt ist. Dem könnte die Einschränkung der P, der Raum dürfe nicht für 11 BGH Lindenmaier/Möhring, § 164, Nr.10; Petersen, Jura 2003, S.310(311); 13 Soergel/Leptien, § 171, Rdn.3; MüKo/Schramm, § 171, Rdn.5; 14 RGZ 124, S. 386; RGJW 1929, S.576; BGH NJW 1956, 906; 12 3 - 16 JURA NOT ALONE! „unzüchtige Veranstaltungen“ genutzt werden, entgegenstehen. ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Die Einbeziehung solcher Klauseln bei privaten Vertragsschlüssen bewegt sich im Rahmen der Privatautonomie und ist durchaus zulässig. Weisungen des Vertretenen können auf dem Vollmachtsumfang verschiedene Auswirkungen haben: Nach Laband15 gilt bei Abstraktionsprinzip, der Stellvertretung wonach das grundsätzlich rechtliche ein Dürfen in Innenverhältnis vom rechtlichen Können im Außenverhältnis zu unterscheiden ist. Eine Weisung die lediglich das Innenverhältnis einschränkt kann danach im Außenverhältnis keine Bindungswirkung entwickeln. Bezieht sich die Weisung aber auf die Vollmacht selbst, so zieht ein Überschreiten derselben einen Verlust der Vertretungsmacht gemäß § 177 I nach sich16. Die Bestimmung der P bezieht sich letzlich auf den Zweck des Mietverhältnisses und entzieht dem Vertreter unter bestimmten Umständen die Erlaubnis zu kontrahieren. Es ist somit von einer Gut! Beschränkung der Vollmacht auszugehen. Somit bleibt näher zu untersuchen, ob R bei der Vermietung an M innerhalb der Grenzen der ihr verliehenen Vollmacht gehandelt hat. Maßgeblich ist hierbei, wie der Vertreter die Weisung des Erteilenden verstehen durfte. Die Erklärung des Vollmachtsgebers ist nach Treu und Glauben, sowie nach der Verkehrssitte gemäß §§ 133, 157 auszulegen17. Entscheidend ist dabei der objektive Empfängerhorizont18. Eine genauere Definition ihres Unzüchtigkeits-Verständnisses äußert P gegenüber der R nicht. Es ist dem Sachverhalt auch nicht zu entnehmen, dass R diesbezügliche Ansichten der P kennt. Ausgehend von der gegenwärtigen Rechtslage, die das LPartG zur Schließung verfassungsgemäß Gut! eingetragener anerkennt19, Lebenspartnerschaften ist anzunehmen, dass als ein objektiver Dritter eine Unzüchtigkeit der von M geplanten Feier wohl verneinen würde. Eine Überschreitung des Umfangs der 15 Laband, ZHR 10, S.183(206); Rüthers/Stadler, BGB AT, § 30, Rdn.23; 17 Petersen, Jura 2003, S.310(311); 18 BGHZ 124, S.64(67); 19 BVerfG NJW 2002, S.2543 ff.; 16 4 - 17 durch Vermietung ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Vollmacht Es steht allerdings noch gar nicht fest, welchen Inhlat der Mietvertrag (Nutzungszweck) hat zur JURA NOT ALONE! Feier einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft seitens der R kann somit nicht konstatiert werden. c. Zwischenergebnis Das Angebot des M wurde durch R im Namen der P angenommen. 3. Vertragsschluss Zwischen den Parteien wurde ein Mietvertrag gemäß § 535 geschlossen. II. Nichtigkeit wegen verstecktem Einigungsmangel gemäß § 155 Die Wirksamkeit des Vertrags kann allerdings an einem versteckten Einigungsmangel im Sinne von § 155 scheitern. Das ist dann der Fall, wenn die kontrahierenden Parteien, sich unbewusst über einen Punkt nicht geeinigt haben, der für den Bestand des Vertrages von Bedeutung war. Ein solcher versteckter Dissens Parteienerklärungen liegt zwar u.a. dann objektiv ihrem vor, wenn Wortlaut die nach übereinstimmen, aber in einem abweichenden Bedeutungssinn aufgefasst worden sind20, oder schon äußerlich von einander abweichen21. Vor Feststellung eines Einigungsmangels ist der Erklärungsinhalt auszulegen22. Ein Dissens nach § 155 könnte sich hier dadurch ergeben, dass die Parteien sich über den Vetragszweck nicht oder nicht hinreichend genau geeinigt haben. Möglicherweise wurde der Vertragszweck von M durch seine Äußerung, er wolle seine „Hochzeit“ feiern bereits festgelegt. R geht darauf allerdings nicht ein und bestätigt schriftlich die Vermietung für eine „Familienfeier“. Hätte R dem Punkt, nur für eine „Hochzeit“ zu vermieten wesentliches Gewicht beigemessen, so hätte sie diesen Wunsch auch an M herantragen müssen23. Das kann nur durch offene Willensäußerung geschehen24, R verzichtet aber auf Klärung. Eine Auslegung nach §§ 133, 157 kommt daraufhin zu dem Ergebnis, dass R durch ihr Abstellen auf eine 20 BGH Lindenmaier/Möhring, § 155, Nr.1; Soergel/Wolf, § 155, Rdn.9; BHG Der Betrieb 1961, S.1020 f.; 22 BHG NJW 1961, S.1668(1669); 23 vgl. BGH WM 1966, S.16; 24 Soergel/Wolf, § 154, Rdn.4; 21 5 - 18 JURA NOT ALONE! „Familienfeier“ ein „Mehr“ gegenüber des von M gewollten ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Vertragszwecks erklärt hat; der Begriff der „Hochzeit“ ist darin als ein „Weniger“ beinhaltet. Die Vereinbarung wurde also über Gut! eine „Familienfeier“ geschlossen, ein dissentieren der Parteien über den Vertragszweck kann mithin nicht festgestellt werden. III. Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit § 138 Eine Unwirksamkeit des Mietvertrages zur Feier der eingetragenen Lebenspartnerschaft wegen Verstoß gegen die guten Sitten gemäß angesprochenen § 138, ist aufgrund Verfassungsmäßigkeit25 des der bereits LPartG auszuschließen. IV. Vernichtung durch Anfechtung gemäß § 142 I Die Nichtigkeit eines vorgenommenen Rechtsgeschäfts kann sich zudem aus einer erfolgten Anfechtung nach § 142 I ergeben. 1. Die Annahme des Angebots durch R ist eine privatrechtliche Willenserklärung und somit anfechtbar26. 2. P lies ihren Willen, das Geschäft nicht gegen sich gelten lassen zu wollen durch ihren Brief an M deutlich erkennen, was für eine Anfechtungerkärung nach § 143 I ausreicht27. Sie war als diejenige für die die Willenserklärung durch einen Vertreter abgegeben wurde auch anfechtungsberechtigt28. 3. Die Gültigkeit einer erfolgten Anfechtung bedingt zudem die Einhaltung der Fristbestimmungen. So muss die Anfechtung eines Irrtums gemäß § 121 unverzüglich ab Kenntniserlangung des möglichen Willensmangels erfolgen; bei Anfechtung wegen Drohung oder Täuschung ist ab Aufdeckung dazu ein Jahr Zeit, wie aus § 124 I und II folgt. Der Willensmangel wurde P vier Wochen nach Vertragsschluss bekannt. Noch am selben Tag ging M die Anfechtungserklärung zu. Mögliche Fristerfordernisse sind somit eingehalten. 4. Schließlich muss auch ein Anfechtungsgrund im Sinne des BGB vorliegen. Hierbei sind gemäß § 166 potentielle Willensmängel des Vertreters zu betrachten. 25 vgl. oben, A I 2 b ii (4) (b), S.4; vgl. Erman/Palm, § 119, Rdn.2; 27 vgl. BGHZ 88, S.245; BGHZ 91, S.331; 28 vgl. Rüthers/Stadler, BGB AT, § 25, Rdn.17; 26 6 - 19 JURA NOT ALONE! a. Möglicherweise kann P das vollzogene Rechtsgeschäft gemäß § ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura 123 I anfechten. Das ist dann der Fall, wenn pflichtwidrig wahre Tatsachen unterdrückt werden oder aktiv ein Irrtum durch Vorspiegeln falscher Tatsachen hervorgerufen wird29. Die Täuschung muss sich gegen den Vertreter gerichtet haben30 und zudem mit Arglist erfolgt sein. i. Das Verschweigen von Tatsachen ist nur dann als Täuschung zu werten, wenn hinsichtlich dieser eine Aufklärungspflicht besteht31. Es besteht grundsätzlich keine Pflicht, ungefragt alle Umstände zu offenbaren die für die andere Seite von Bedeutung sein können32; anderes gilt, wenn diese Faktoren den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden können33. Für M ist nicht zu erkennen, dass für P der Vertragszweck davon abhängen konnte, welcher Art die geplante Familienfeier ist. Im Gegenteil, für ihn muss es den Anschein haben, dass R, die nicht einmal die Feier der „Hochzeit“ als Vertragsbestandteil aufnimmt, auf den genauen Gebrauchszweck keinen Wert legt. Die Einschränkung die P gegenüber der R macht ist ihm nicht bekannt. Eine Aufklärungspflicht ist mithin zu verneinen. ii. M könnte R aber über den Vertragszweck getäuscht haben. Eine aktive Täuschung erfolgt durch ein Verhalten das dazu dient bei dem Gegenüber einen Irrtum hervorzurufen, der diesen zur Abgabe einer Willenserklärung zu veranlasst34. M hat hier möglicherweise dadurch, dass er den von ihm zugrunde gelegten Wortsinn des Begriffs "Hochzeit" unberechtigterweise auch seitens der R voraussetzte, diese über den Vertragszweck getäuscht. R brachte mit der von M gewählten Bezeichnung die "Hochzeit" zwischen Mann und Frau in Verbindung. Eine Täuschung ist dann zu bejahen, wenn das Begehren des M seine eingetragene Lebenspartnerschaft zu feiern, der von ihm gewählten Formulierung auch nach allgemeinem Verständnis 29 Soergel/Hefermehl, § 123, Rdn.2; Palandt/Heinrichs, § 123, Rdn.2; BGH 51, S.141(145); 31 RG 77, S.309(314); BGH Lindenmaier/Möhring, § 123, Nr.52; 32 BHG NJW 1971, S.1795(1799); BGH WM 1983, 1006(1007); 33 BHG NJW 1989, S.763(764); BGH NJW 1979, S.2243; 34 BGH NJW 1999, S.2804(2806); 30 7 - 20 nicht zu entnehmen war. JURA NOT ALONE! ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Verbreiteten Definitionswerken zufolge ist unter dem Begriff der "Hochzeit", die "Feier der Eheschließung35" zu verstehen. Rechtsprechung und juristische Literatur stellen klar, dass der Begriff der Ehe wiederum strikt von dem der Lebenspartnerschaft zu trennen ist36. Das allgemeine Verständnis speist sich aber noch aus anderen Quellen: Es ist zuzugeben, dass der Hochzeitsbegriff vereinzelt auch bereits auf die Vermählung gleichgeschlechtlicher Paare angewendet wird. In der breiten medialen Diskussion fällt allerdings auf, dass zu deren Beschreibung bewusst Abwandlungen vom eigentlichen Ehe-Begriff benutzt werden (z.B."Schwulen- oder Homoehe")37. Es ist somit festzustellen, Fraglich, aber vertretbar dass sich die Verwendung des Hochzeitsbegriffes zwar möglicherweise in einem Wandel befindet – mehrheitlich ist aber davon auszugehen, dass das Verständnis wie M es bei R voraussetzt noch nicht allgemein anerkannt ist. M hat also eine falsche Tatsachenbehauptung aufgestellt und damit bei R einen Irrtum über den Vertragszweck hervorgerufen. Diese wurde also aktiv getäuscht. iii. Die Täuschung muss aber darüberhinaus auch mit Arglist erfolgt sein. Der Täuschende muss die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen38 und zudem in dem Bewusstsein handeln, dass die Erregung eines Irrtums beim Getäuschten für die Abgabe einer Willenserklärung ursächlich sein werde oder zumindest sein könnte39. M hatte nicht damit gerechnet, dass Anstoß am Anlass seiner Feier genommen werden könnte, es war für ihn aus dem Auftreten der R auch nicht ersichtlich. M handelte somit gerade nicht arglistig. Eine Anfechtbarkeit die sich auf eine Täuschung im Sinne von § 123 beruft ist somit unberechtigt. b. Unter Umständen ergibt sich ein Anfechtungsgrund aber aufgrund eines Inhaltsirrtums gemäß § 119 I 1.Alt.. Das ist zu bejahen, 35 DUDEN Rechtschreibung; Brockhaus, Band 10, S.149; BVerfG NJW 2002, S.2543(2548); Palandt/Brudermüller, Einl.v. § 1297, Rdn.1; Pauly, NJW 1997, S.1955(1956); 37 So auch Krings, ZRP 2000, S.409 (Fn.14); 38 BGH NJW 2001, S.2326(2327); 39 BGH NJW 1957, S.988; BGH NJW 1971, S.1795(1800); 36 8 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura wenn - 21 JURA NOT ALONE! Gewolltes und Erklärtes seitens des Abgebenden nicht übereinstimmen, weil er sich eine falsche Vorstellung über die rechtsgeschäftliche Bedeutung seiner Erklärung gemacht hat40. Möglicherweise liegt der Sonderfall des Empfängerirrtums vor: Ein solcher besteht, wenn der Erklärungsempfänger eine auf einem Missverständnis beruhende Willenserklärung abgibt41. Wurde die Erklärung lediglich auf einer falschen Grundlage gebildet und fehlt es an einem Auseinanderfallen von Wille und Erklärtem, so handelt es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum42. Der Entschluss der R mit M zu kontrahieren fußte auf dem Missverständnis des Begriffs "Hochzeit", dem wie oben bereits festgestellt43 durchaus verschiedene Bedeutung zugemessen werden kann. R nahm an, den Raum für eine Hochzeit zwischen Mann und Frau zu vermieten. Ihre als Annahmeerklärung zu verstehende Bestätigung, rekurrierte aber auf eine Familienfeier. Sie erklärte an dieser Stelle genau das, was sie auch erklären wollte. Dass sie ihre Entscheidung deshalb traf, weil sie eine Braut zu sehen hoffte ist lediglich ein Irrtum auf der Motiv-Ebene und somit nicht anfechtbar. c. Unter Umständen könnte sich eine Anfechtbarkeit aber daraus ergeben, dass R die Homosexualität ihres Vertragspartners nicht kannte. Es könnte sich hierbei um einen Eigenschaftsirrtum im Sinne von § 119 II handeln. Ein solcher beachtlicher Motivirrtum liegt unter anderem dann vor, wenn der Erklärende über Eigenschaften mit Verkehrswesentlichkeit, die die mit ihm kontrahierende Person betreffen, im Irrtum ist. Unter Eigenschaften sind alle natürlichen Persönlichkeitsmerkmale zu verstehen44. Als verkehrswesentlich dürfen nur solche Eigenschaften der Person berücksichtigt werden, die von dem Erklärenden in irgendeiner Weise erkennbar dem Vertrag zugrunde gelegt worden sind45. Die sexuelle Orientierung des 40 Soergel/Hefermehl, § 119, Rdn.17 Medicus, BGB AT, § 48, Rdn.749; 42 Rüthers/Stadler, BGB AT, § 25, Rdn.19; 43 vgl. oben, A II 4 a ii, S.6 f.; 44 BGHZ 88, S.240(245); 45 BGHZ 88, S.240(246); 41 9 - 22 JURA NOT ALONE! Gegenübers spielte gegenwärtig gerade keine Rolle für die Frage ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura des Vertragsschlusses; hätte M den Raum beispielsweise für einen Geburtstag mieten wollen, wäre er P ohne Zweifel als Vertragspartner wilkommen gewesen. Auch an dieser Stelle bietet vgl. Anmerkung am Ende sich der P also keine Anfechtungsmöglichkeit. 5. Eine Vernichtung des geschlossenen Vertrags kann sich mangels Anfechtbarkeit auch aus § 142 I nicht ergeben. V. Zwischenergebnis Der Anspruch ist mithin entstanden. B. Anspruch untergegangen Gründe für den Untergang des Anspruchs liegen nicht vor. C. Anspruch durchsetzbar Der Anspruch ist auch durchsetzbar. D. Ergebnis M ist berechtigt, aus § 535 I die Überlassung des Raumes von P zu verlangen. vgl. Anmerkung am Ende 2. TATKOMPLEX – DER KAUF DER BLUSE(N) ANSPRUCH DES V GEGEN G AUF ABNAHME DER Zug um Zug gegen … KAUFSACHE UND KAUFPREISZAHLUNG AUS § 433 II V kann gegen G ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung und Abnahme der Kaufsache erwachsen sein, der sich auf § 433 II stützt. E. Anspruch entstanden Das setzt zunächst voraus, dass der Anspruch entstanden ist. I. Kaufvertrag gemäß § 433 geschlossen Bedingung dafür ist, dass die Parteien einen Kaufvertrag gemäß § 433 geschlossen haben. 1. Angebot des V durch Ausstellen der Ware Zunächst ist zu untersuchen, ob das Ausstellen der Bluse in der Boutique des V bereits ein Angebot darstellt. Durch ein Angebot muß der Wille zu einer rechtlichen Bindung zum Ausdruck gebracht werden46. Es muß daher dem bekundeten Interesse des Antragenden entsprechen, daß mit der Annahme seines Angebots 46 Palandt/ Heinrichs, § 145, Rn. 2.; 10 - 23 JURA NOT ALONE! ein gültiger, ihn bindender Vertrag zustande kommt47. Fraglich ist wie ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura diesbezüglich das Ausstellen von Waren angeboten in Geschäftsräumen, dass sich an eine unbestimmte Anzahl von Personen (ad incertas personas) richtet zu bewerten ist. Der herrschenden Meinung48 zufolge stellt die Warenauslage in Selbstbedienungsläden lediglich eine Aufforderung zur Angebotsabgebe (invitatio ad offerendum) dar. Die Gegenmeinung49 die in dem Aufstellen der Ware bereits ein Angebot mit Bindungswirkung sieht ist abzulehnen: Für den Kaufmann besteht in der Regel kein Kontrahierungszwang; es ist also nicht einzusehen, warum ihm zu seinem Nachteil die Freiheit über seine Waren nach eigenem Ermessen zu disponieren genommen werden sollte. Somit stellt auch das Ausstellen in der Boutique des V noch kein Angebot dar. 2. Angebot der G durch Bitte um Reservierung Unter Umständen hat G durch ihre Bitte, die ausgesuchte Bluse für sie zu reservieren, ein Angebot abgegeben hat. Fraglich ist die rechtliche Erheblichkeit dieser Äußerung. G handelte nicht mit der Absicht, sich gemäß § 147 sofort oder gemäß § 148 für einen befristeten Zeitraum fest an ihr Angebot zu binden. Möglich wäre aber der Abschluss eines im Rahmen der Vertragsfreihet geschlossenen Vorvertrages. Ein Vorvertrag begründet die Verpflichtung zum späteren Abschluss eines Hauptvertrages50. Das setzt Erklärungen entsprechende der ausdrückliche beteligten Parteien oder konludente voraus. Der Reservierungswunsch der G wurde seitens des V nicht mündlich bestätigt. Auch auf eine konkludente Annahme, wie etwa durch eine übliches „Zurücklegen“ der Ware hinter den Verkaufstresen, deutet nichts hin. Die Bitte der G entfaltet somit keine rechtliche Wirkung. 3. Angebot der G durch Schicken des S 47 Erman/Hefermehl, § 145, Rn. 3.; Rüthers/Stadler, BGB AT, § 19, Rdn.5; Flume, BGB AT/II, § 35 I 1.; Köhler, BGB AT, §8 Rdn.11; 49 Schreiber, Jura 1999, S.275 f.; MüKo/Kramer, § 145, Rdn.8; 50 BGHZ 102, 384(388); 48 11 - 24 JURA NOT ALONE! Fraglich ist, ob G an späterer Stelle ein Kaufangebot unterbreitet ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura hat, als sie V ihre Bereitschaft, die Bluse zum Preis von € 55,- zu erwerben, durch S mitteilen lassen wollte. a. Angebotsabgabe durch G selbst G gab in eigener Person kein Angebot ab. b. Angebotsabgabe durch S Die Angebotsabgabe kann aber durch Ihren Sohn S erfolgt sein. Dazu muss dieser als Stellvertreter der G gehandelt, oder als Erklärungsbote ihre Willenserklärung überbracht haben. i. S als Stellvertreter der G Zunächst ist zu prüfen, ob S als Stellvertreter der G im Sinne des § 164, dem V gegenüber ein wirksames Angebot abgegeben hat. (1)Ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft ist nicht betroffen, die Vertretung ist zulässig. (2)S müsste gemäß § 164 I eine eigene Willenserklärung abgegeben haben. Wie bereits festgestellt51 ist hierbei auf das äußere Auftreten des Handelnden abzustellen. S teilte V mit, dass G sich entschieden habe zwei Blusen zu kaufen. Das konnte der Verkäufer nur als eine, durch einen Boten übermittelte Gut! Fremderklärung auffassen. Hinweise auf einen eigenen Willensentschluss des S waren daraus nicht zu entnehmen. Die Wirksamkeit der Stellvertretung scheitert somit bereits daran, dass S keine eigene Willenserklärung geäußert hat. ii. S als Erklärungsbote der G Eine Angebotsabgabe der G kann aber auch durch per Erklärungsbote erfolgt sein. Dessen Auftreten ist dadurch gekennzeichnet, dass er eine bereits entäußerte Willenserklärung lediglich übermittelt52 und dazu auch mit einer entsprechenden Botenmacht befugt ist53. Wer eine andere Erklärung als die ihm Aufgetragene abgibt handelt aber nicht als Bote54. Wie eben festgestellt, war das entäußerte Angebot zwar als überbrachte Erklärung der G aufzufassen, es hatte jedoch nicht den von G gewollten und dem S aufgetragenen Inhalt. Es ist folglich 51 vgl. A I 2 a ii (2), S.5; Giesen/Hegermann, Jura 1991, S.357(358); 53 MüKo/Schramm, Vor § 164, Rdn.46a; 54 RGRK/Steffen, Vor.§ 164, Rdn.32; 52 12 - 25 JURA NOT ALONE! festzustellen, dass S auch nicht als Erklärungsbote der G ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura gehandelt hat als er ein Kaufangebot bezüglich der beiden Blusen abgab. G beabsichtigte aber durchaus den Kauf einer der beiden Blusen. Möglicherweise kann der Vertragsschluss dahingehend umzudeuten sein, dass durchaus ein Kaufvertrag über eine Bluse zwischen G und V wirksam geschlossen wurde. Dafür spricht, dass S dazu durchaus mit einer entsprechende Botenmacht ausgestattet war. Es erscheint angebracht an dieser Stelle auf den Rechtsgedanken des § 139 zurückzugreifen, der die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes vom wirklichen Willen der Vertragsparteien abhängig macht. Dieser Wille ist durch Auslegung zu ermitteln55. Den Preis im Einzelkauf von € 65,- war G nicht zu zahlen bereit. Es ist festzustellen, dass V die Bluse aber nur deshalb im Preis auf € 55,- heruntergesetzt hat, weil er somit die zwei letzten Modelle verkaufen konnte. Eine Teilwirksamkeit des Vertrages nach der G eine einzelne Bluse vergünstigt erwerben konnte wäre nicht im Interesse des V. Eine dahingehende Umdeutung ist deshalb nicht vorzunehmen. iii. Zurechnung des Handelns eines "Pseudoboten" S setzte anstelle der Willenserklärung der G bewusst seinen eigenen Willen und war somit nur Pseudo-Bote56. Problematisch ist, ob sein Handeln dennoch zu einer der G zurechenbaren Angebotsabgabe führen konnte. Das Gesetz trifft keine explizite Regelung für den Fall des Boten ohne Botenmacht, es ist folglich zu entscheiden wie sein Verhalten rechtlich zu behandeln ist. Sie sollten bei der Darstellung (1)Zum einen wäre es möglich, das Tun des bewusst falsch eines Meinungsstreits Übermittelnden von vornherein als unerlaubte Handlung57 zu kennzeichnen, welche Auffassung h.M. und welche nur klassifizieren und ihn schließlich nach deliktsrechtlichen Mindermeinung ist. Haftungsmaßstäben zur Verantwortung zu ziehen. Die abgegebene Willenserklärung wäre ex tunc nichtig und ein = Mindermeinung Angebot bereits nicht unterbreitet. (2)Mit der einzigen Norm im BGB die sich mit der 55 Erman/Brox, § 139, Rdn.1; vgl. Soergel/Leptien, Vor § 164, Rdn.45; 57 RG HRR 1940, S.1277(1278); Hupka, Haftung des VoVm, S.108f.; Oertmann, § 177, Anm.7; 56 13 - 26 JURA NOT ALONE! Falschübermittlung von Willenserklärungen befasst, könnte auch ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura eine Anwendbarkeit des § 12058 in Frage kommen. Danach wäre ein Vertragsschluss zwischen dem entsendenden Prinzipal und dem Erklärungsempfänger mittels des Pseudo-Boten erfolgt; ersterem bliebe dann lediglich eine Anfechtungsmöglichkeit. = Mindermeinung Folgt man dieser Ansicht, so hätte G dem V also ein Kaufangebot gemacht. (3)Als dritte Möglichkeit käme eine analoge Verwendung der Regelungen über den Vertreter ohne Vertretungsmacht59 (§§ 177 ff.) in Betracht – ähnlich wie der eine nicht vorhandene Vertretungsmacht vorspiegelnde falsus procurator, gibt der Pseudobote unberechtigterweise vor eine Botenmacht zu besitzen. Die Angebotsabgabe würde somit auf S zurückfallen, G hätte aber = h.M. die Möglichkeit einen geschlossenen Vertrag per Genehmigung nach § 177 I an sich zu ziehen. (4)Stellungnahme: Die erste Ansicht geht davon aus, das der Vertreter gerade keine eigene Erklärung abgegeben hätte, ebenso läge eine Erklärung des Prinzeps in Wirklichkeit nicht vor. Verneint wird somit bereits die juristische Qualität der Willenserklärung. Dieser Ansatz wird der Tatsache allerdings nicht gerecht, dass mit dem bekundeten Kaufinteresse aber durchaus eine Willenserklärung in den Rechtsverkehr entäußert wurde. Vielmehr ist die Frage zu klären, wem das unterbreitete Angebot schließlich zuzurechnen ist. Die an zweiter Stelle aufgeführte Ansicht beantwortet diese Frage mit der Zuständigkeit des Prinzeps, der diesem gemäß dem Risokoprinzip60 selbst die Verantwortung für einen auf den Weg geschickten Boten zuschreibt. Dem ist zuzugeben, dass die Regelung des § 120 durchaus nicht zwischen dem bewusst und unbewusst Übermittelnden differenziert. Dieses Argument wird allerdings dadurch entkräftet, dass § 120 durch seinen Verweis auf § 119 und die Gesetzessytematik in die Reihe der Irrtumslehre zu 58 Marburger, AcP, 173, 137ff.; Soergel/Leptien, Vor § 164, Rdn.45; Schwung, JA 1983, S.12ff.; Müller, AcP 168, S. 119(139); Medicus, BGB AT, § 60, Rdn.997; OLG Oldenburg NJW 1978, S.951; 60 Marburger, AcP, 173, 137(155); 59 14 - 27 JURA NOT ALONE! stellen ist. Diese wiederum umfasst aber das unbewusste ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Auseinanderfallen von subjektivem Willen und objektiv 61 Erklärtem . Bei genauerer Betrachtung erweist sich gerade auch das ins Feld geführte Risikoprinzip als problematisch. Im vorliegenden Fall, musste G dem eingesetzten S aufgrund seiner sonst tadellos verrichteten Auftragserledigung unbedingt in seinem Tätigwerden vertrauen. Bei Festhalten an einer Regelung nach § 120, die auch den sich bewusst unrichtig äußernden Pseudoboten einschließe, würde letztlich jegliche Einsetzung eines Boten zum nicht hinnehmbaren Risiko für den Prinzipal. Das aber würde zur übergroßen Vertrauenshürde für die Botenschaft, die gerade in der heutig arbeitsteilig arbeitenden Wirtschaft ein unverzichtbares Rechtsinstitut darstellt62. Die Regelungen des falsus procurator hingegen scheinen gut auf den Fall des Pseudoboten anwendbar. Die letztlich abgegebene, bewusst verfälschte Willenserklärung hat mit der ursprünglich vom Prinzeps entäußerten nichts mehr gemein. Ihr liegt vielmehr ein autonomer Willensentschluss des „Boten“ zugrunde – vergleichbar mit der selbständig gebildeten Erklärung des Vertreters. Da die vom Prinzeps aufgetragene Erklärung ihr Ziel niemals erreicht, ist er auch von jeglicher Verantwortung dafür entbunden. Die analoge Anwendung der §§ 177 ff. tritt somit als beste Lösung hervor, ihr ist zu folgen. Somit ist das entäußerte Kaufangebot für die beiden Blusen nicht der G zuzurechnen. iv. Angebotsabgabe G hat mithin kein Angebot entäußert. 4. Kaufvertragsschluss Es fehlt somit bereits am Schluss eines Kaufvertrags zwischen G und V gemäß § 433; die Annahme des Angebots durch V bewirkt lediglich eine Bindung zwischen ihm und S. 5. „An-sich-ziehen“ des Vertrags gemäß § 177 I Durch § 177 I wird G die Möglickeit eingeräumt den Vertrag gemäß § 184 I zu genehmigen und damit an sich zu ziehen. Die 61 Rüthers/Stadler, BGB AT, § 25, Rdn.1; vgl. Medicus, BGB AT, § 54, Rdn.881; 62 15 - 28 JURA NOT ALONE! Verantwortlichkeit des falsus procurator entfällt dann in der ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Regel. Fraglich ist, ob ein solches „An-sich-ziehen“ des Vertrags im Fall einer absichtlich falsch übermittelten Willenserklärung überhaupt möglich ist. Dies wird teilweise abgelehnt63, die Mehrheit der Stimmen will allerdings eine Genehmigung analog § 177 zulassen64. Der Streit ist allerdings nicht zu entscheiden, da G die Zustimmung ohnehin verweigert. Auch an dieser Stelle entsteht somit keine vertragliche Verbindung zwischen G und V. II. Zwischenergebnis Der Anspruch ist bereits nicht entstanden. F. Ergebnis V hat keinen Anspruch gegen G auf Kaufpreiszahlung und Abnahme der Kaufsache aus § 433 II. ANSPRUCH DES V GEGEN S AUF ERFÜLLUNG ODER SCHADENSERSATZ AUS § 179 Als Rechtsgrundlage für einen Anspruch des V gegen S auf Erfüllung oder Schadensersatz kommt § 179 in Frage. G. Anspruch entstanden Der Anspruch müsste zunächst entstanden sein. Vorsicht! S ist ja keine Vertreter sondern Bote I. Vertragsschluss ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 I S hat als „Pseudobote“, wie ein falsus procurator einen Vertrag über den Kauf der beiden Blusen geschlossen ohne das er die dazu notwendige Ermächtigung besaß. Eine Genehmigung des Vertrags durch die Vertretene G erfolgte nicht.Damit kommt eine Haftung als Vertreter ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 I Hier fehlt die Frage nach der Zulässigkeit einer Analogie in Betracht. II. Haftungssausschluss nach § 179 III 2 analog Eine Haftung nach § 179 setzt aber auch bei analoger Anwendung voraus, dass ihr kein Haftungsausschluss aus § 179 III entgegen steht. In Frage käme hier § 179 III 2, der die Haftung des falsus procurator ausschließt, wenn dieser nur beschränkt geschäftsfähig war, und keine Zustimmung des gesetzlichen 63 Larenz/Wolf, BGB AT, § 7 C II d 2 ee, S.326; Ennecerus/Nipperdey, BGB/II, § 178 II 1, Fn.7, S.1089; Schwung, JA 1983, S.12(14), Flume, BGB AT/II, § 23 3, S.456; 64 16 - 29 JURA NOT ALONE! Vertreters zu dessen Handeln vorliegt. Auch diese Norm ist ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura analog auf den Fall des „Pseudoboten“ anzuwenden, da Minderjährige grundsätzlich bei jedem Handeln vor den Folgen von rechtlich nachteiligen Geschäften zu schützen sind. Der 17jährige S ist beschränkt geschäftsfähig im Sinne von § 106. Seine gesetzliche Vertreterin ist nach § 1629 I 1 seine Mutter G. Sie war damit einverstanden, dass S als Bote für sie tätig wird. Fraglich ist, ob dies als Zustimmung im Sinne des § 179 III 2 ausreichend ist. 1. Es wird die Möglickeit in Betracht gezogen65, dass das Einverständnis des gesetzlichen Vertreters nur zu irgendein Tätigwerden des minderjährigen für einen Anderen gegeben werden muss um eine Haftung nach § 179 III 2 auszulösen. Dazu hätte G zugestimmt als sie S als Boten einsetzte. 2. Ebenfalls wäre denkbar sich mit van Venrooy66 auf den Standpunkt zu stellen, der gesetzlich Vertreter müsste dem Handeln als Vertreter ohne Vertretungsmacht zustimmen. Das aber hat G zu keinem Zeitpunkt getan. 3. Nach fast einhelliger Meinung der Literatur67 genügt es aber, G hatte aber dich ihre Einwilligung in die Botenschaft des S erklärt! wenn der nach § 1629 I 1 Berechtigte sein Einverständnis zu einer Vertretertätigkeit des Minderjährigen gibt. Auch nach dieser Ansicht wäre keine Zustimmung der G erfolgt. 4. Stellungnahme: Die erstgenannte Ansicht erweist sich bei genauerem Hinsehen als wenig praktikabel. Diese Bewertung Auslegung des § 179 III 2 würde ein viel zu großes Feld für die Minderjährigenhaftung aufspannen, was nicht im Sinne der Rechtsordnung sein kann die dem Minderjährigenschutz oberste Priorität einräumt68. Sie ist mithin abzulehenen. Eine Entscheidung zwischen für oder gegen eine der anderen Ansichten ist nicht notwendig, da sie beide zu dem selben Falsch! Ergebnis kommen: Eine Zustimmung der G als gesetzliche 65 Prölss, JuS 1986, S.169(172); van Venrooy, AcP 181, S.220ff.; 67 Palandt/Heinrichs, § 179, Rdn.4; MüKo/Schramm, § 179, Rdn.38; Köhler, BGB AT, § 11, Rdn.71; Canaris, NJW 1964, S.1987(1988); Soergel/Leptien, § 179, Rdn.20; 68 Canaris, NJW 1964, S.1987(1988); 66 17 - 30 JURA NOT ALONE! Vertreterin zu dem Handeln ihres Sohnes des S liegt ist nicht ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura gegeben. Eine Haftung nach Maßgabe der §§ 177 ff. ist gemäß § 179 III 2 ausgeschlossen. III. Zwischenergebnis Ein Anspruch ist bereits nicht entstanden. H. Ergebnis § 179 kommt als Grundlage für eine Haftung des S gegenüber V nicht in Betracht. _________________________ Martin Mustermann Sachverhaltsabschnitt 1: [Um „Straftaten“ geht es hier nicht; der Begriff „Tatkomplex“ passt sonach nicht recht} Klare und –vom Aufbau und Inhalt her – konsequente Argumentation. Bei § 119 Abs. 2 BGB konnte noch gefragt werden, ob ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft einer Sache [= Vertragsgegenstand] in Betracht kommt. Sachverhaltsabschnitt 2: Es geht um § 179 II, 2 BGB analog. Die Frage ob die Zustimmung zur Vertretung bzw. wie hier zur Botenstellung genügt, hätte somit geklärt werden müssen. Insgesamt aber: klare Argumentation. Relevante Literatur wird hinreichend berücksichtigt. Da Verfasser hat fast alle Probleme gesehen, richtig gewichtet und mit eigener Argumentation bearbeitet hat, handelt es sich um eine weit überdurchschnittliche Arbeit. Daher: 13 P. [gut] 18 - 31 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Martin Mustermann Wilhelmstr. 7 72074 Tübingen Mat.Nr.: 1234567 2. Fachsemester JURA NOT ALONE! Tübingen, den 1. September 2004 Übung im Strafrecht für Anfänger 1. Hausarbeit bei Prof. Dr. Hans-Ludwig Günther & Prof. Dr. Fritjof Haft im WS 2004/2005 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 32 - Prof. Dr. Hans-Ludwig Günther JURA NOT ALONE! Wintersemester 2004/ 2005 Prof. Dr. Fritjof Haft Übung im Strafrecht für Anfänger 1. Hausarbeit Der Angehörige der Zeugen Jehovas Z leidet an einem bösartigen Tumor und muss sich daher in einem Krankenhaus einer Operation unterziehen. Er willigt gegenüber dem Chirurgen C in den Eingriff ein. Aus religiösen Gründen verweigert er jedoch die Zustimmung gegenüber einer eventuell erforderlichen Transfusion mit Fremdblut. Da ein derartiges Szenario sehr unwahrscheinlich ist, entscheidet der C, die Operation dennoch durchzuführen. Während der Operation tritt jedoch das Unwahrscheinliche ein. Dem Patienten muss sofort Fremdblut injiziert werden, soll er nicht verbluten. Ausreichend Zeit, dem Z einen Betreuer zu bestellen oder den Vormundschaftsrichter einzuschalten, hat C nicht. C fühlt sich als von christlichen Wertvorstellungen geprägter Arzt trotz der vorab verweigerten Zustimmung des Z aus Gewissensgründen verpflichtet, seinen Patienten nicht sterben zu lassen. Der Blutverlust kann kompensiert werden. Der Zeuge Jehova Z überlebt zunächst. Nach einiger Zeit bricht die Erkrankung erneut aus. Z wird nunmehr im Krankenhaus von dem Arzt A behandelt. Trotz verschiedener Therapien verschlechtert sich der Gesundheitszustand von Z zusehends. Schließlich muss Z, der inzwischen sein Bewusstsein verloren hat, durch einen Respirator künstlich beatmet werden. Zur selben Zeit entsteht aufgrund eines unerwarteten medizinischen Vorfalls auch bei dem Patienten P des Arztes A akuter Bedarf für eine künstliche Beatmung. A ist klar, dass P sterben wird, wenn er nicht an einen Respirator angeschlossen wird. Da er jedoch kein weiteres freies Beatmungsgerät zur Verfügung hat, entschließt er sich, P an den Respirator von Z durch die informierte Schwester S anschließen zu lassen, weil die Überlebensaussichten von P erheblich größer sind als von Z, dessen Krankheit nicht mehr zu stoppen ist. Die eigentliche Sterbephase hat jedoch bei Z noch nicht begonnen. Es kann ferner nicht ausgeschlossen werden, dass Z für einige Momente wieder zu Bewusstsein kommt. Die Schmerzen, die Z zu ertragen hätte, wären aufgrund einer entsprechenden Behandlung erträglich. Ein Patiententestament, das einen Hinweis auf einen der Fortbehandlung entgegenstehenden Willen geben könnte, existiert nicht. Gleichwohl trennt S den Z von dem Respirator und schließt statt dessen P an das Gerät. P überlebt, während bei Z aufgrund der fehlenden maschinellen Unterstützung die Atmung I ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 33 - JURA NOT ALONE! zusammenbricht. Z stirbt, was A und S, die beide von der Rechtmäßigkeit ihres Tuns ausgegangen sind, in Kauf genommen haben. In der Station von A liegt ein weiterer Schwerkranker, K, dem unerträgliche Schmerzen drohen. K - im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte - bittet daher A, der für seine progressiven Ansichten in Fragen der Sterbehilfe bekannt ist, ihn von seinen drohenden Leiden zu erlösen. A vergewissert sich, dass die geäußerte Bitte nicht nur einer momentanen Stimmung entspringt, und vereinbart schließlich mit K, demnächst eine Krankenschwester mit einer Spritze vorbei zu schicken. A bespricht die Angelegenheit mit der Schwester S und überzeugt sie wider besseres Wissen davon, dass ein derartiger Gnadenakt keineswegs rechtswidrig sei. S glaubt schließlich A und erklärt sich bereit, dem K die gewünschte Spritze zu verabreichen. Nachdem S die Spritze präpariert hat, macht sie sich auf den Weg. Aufgrund eines für A nicht voraussehbaren Blackouts verwechselt jedoch S den schwer kranken K mit dem bettlägerigen B und injiziert diesem die Lösung im vermeintlichen Einverständnis. Die Injektion endet für B tödlich. Wie haben sich C, S und A strafbar gemacht? § 211 StGB ist nicht zu prüfen. Der Umfang der Bearbeitung sollte 20 Seiten nicht überschreiten. Es ist 1/3 Korrekturrand zu lassen. Die Hausarbeit ist spätestens in der ersten Übungsstunde des Wintersemesters 2004/2005, am Mittwoch, den 20. Oktober 2004, um 15 Uhr abzugeben. II ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 34 - JURA NOT ALONE! Literaturverzeichnis: Lehrbücher: Baumann, Jürgen/ Weber, Ulrich/ Mitsch, Wolfgang Strafrecht, Allgemeiner Teil 11. Auflage Bielefeld 2003 Zitiert: Baumann/ Weber/ Mitsch Ebert, Udo Strafrecht Allgemeiner Teil 3.Auflage Heidelberg 2001 Zitiert: Ebert AT Haft, Fritjof Strafrecht, Allgemeiner Teil 9. Auflage München 2004 Zitiert: Haft AT Jakobs, Günter Strafrecht Allgemeiner Teil 2. Auflage 1991 Zitiert: Jakobs AT Jescheck, Hans- Heinrich/ Weigend, Thomas Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil 5. Auflage Berlin 1996 Zitiert: Jescheck/ Weigend Krey, Volker Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 2, AT Auflage Stuttgart Zitiert: Krey AT ders. Strafrecht, Besonderer Teil Band 1, BT ohne Vermögensdelikte 12. Auflage Stuttgart 2002 Zitiert: Krey BT Kühl, Kristian Strafrecht, Allgemeiner Teil 4. Auflage München 2002 Zitiert: Kühl AT Maurach, Reinhart/ Zipf, Heinz Strafrecht, Allgemeiner Teil Teilband 1 8. Auflage Heidelberg 1992 Zitiert: Maurach/ Zipf III ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 35 - Roxin, Claus Strafrecht, Allgemeiner Teil Band I 3. Auflage München 1997 Zitiert: Roxin AT Wessels, Johannes/ Beulke, Werner Strafrecht, Allgemeiner Teil 33. Auflage Heidelberg 2003 ? Zitiert: Wessels/ Beulke JURA NOT ALONE! Kommentare: Joecks, Wolfgang Strafgesetzbuch Studienkommentar 3. Auflage München 2001 Zitiert: Joecks Kindhäuser, Urs Strafgesetzbuch, Lehr- und Praxiskommentar 1. Auflage Baden- Baden 2002 Zitiert: Kindhäuser Leipziger Kommentar Großkommentar zum Strafgesetzbuch 10. Auflage Berlin 1989 Zitiert: LK/ Bearbeiter Lackner, Karl/ Kühl, Kristian Strafgesetzbuch mit Erläuterungen 22. Auflage München 1997 Zitiert: Lackner/ Kühl Münchener Kommentar Kommentar zum Strafgesetzbuch Band 1, §§ 1- 51 StGB 1. Auflage München 2003 Zitiert: MünchKomm/ Bearbeiter Neumann, Ulfried/ Schild Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch Stand: November 2001 Zitiert: NK/ Bearbeiter Palandt Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch 63. Auflage München 2004 Zitiert: Palandt BGB IV ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 36 - Rudolphi, Hans- Joachim u.a. (Hrsg.) Systematischer Kommentar zum StGB AT Band 1, §§ 1- 79 b 1995 Zitiert: Sk/Bearbeiter Schchönke, Adolf/ Schröder, Horst Kommentar zum Strafgesetzbuch 25. Auflage München 1997 Zitiert: Sch/Sch/Bearbeiter Staudinger, Julius von Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Zweites Buch, §§ 652 – 704 13. Auflage Berlin 2004 Zitiert: Staudinger/ Bearbeiter Tröndle, Herbert/ Fischer, Thomas Kurzkommentar zum Strafgesetzbuch 51. Auflage München 2003 Zitiert: Tröndle/ Fischer JURA NOT ALONE! Aufsätze und Monographien: Baumann, Jürgen Täterschaft und Teilnahme JuS 1963, S. 85 - 98 Zitiert: Baumann Bockelmann, Paul Rechtliche Grundlagen und rechtliche Grenzen der ärztlichen Aufklärungspflicht NJW 1961, S.945 – 951 Zitiert: Bockelmann Bockelmann, Paul Operativer Eingriff und Einwilligung des Verletzten JZ 1962, S. 525 - 529 Zitiert: Bockelmann Bottke, Wilfried Der praktische Fall – Strafrecht: Marderfall(e) JuS 1992, S. 765 – 770 Zitiert: Bottke Britz, Guido Der praktische Fall – Strafrecht: errare humanum est? JuS 2002, S. 465 - 470 Zitiert: Britz Burski, Ulrich von Die Zeugen Jehovas Die Gewissensfreiheit und das Strafrecht Freiburg i.B.1970 Zitiert: Burski V ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Chatzikostas, Konstantinos Dencker, Friedrich - 37 - JURA NOT ALONE! Die Disponibilität des Rechtsguts Leben in ihrer Bedeutung für die Probleme von Suizid und Euthanasie Frankfurt am Main 2001 Zitiert: Chatzikostas Kausalität und Gesamttat Berlin 1996 Zitiert: Dencker Engisch, Karl Tun und Unterlassen in: Festschrift für Wilhelm Gallas zum 70. Geburtstag Berlin 1973, S.163 - 196 Zitiert: Engisch Geilen, Gerd Neue juristisch – medizinische Grenzprobleme JZ 1968, S. 145 - 152 Zitert: Geilen Geppert, Klaus Materiell-rechtliche und strafprozessuale Grundfragen zum Thema „ Alkohol und Verkehrsstrafrecht“ Jura 1986, S. 532 - 539 Zitiert: Geppert Geerds, Friedrich Körperliche Untersuchung Jura 1988, S.1 - 13 Zitiert: Geerds Gössel, K.H. Zur Abgrenzung der Vorbereitung vom Versuch JR 1976, S. 248 - 251 Zitiert: Gössel Gropp, Walter Die „Pflichtenkollision“: weder eine Kollision von Pflichten noch Pflichten in Kollision in: Festschrift für Hans Joachim Hirsch Berlin 1999, S. 207 – 224 Zitiert: Gropp Grünwald, Gerald Die Aufklärungspflicht des Arztes ZStW 1961 (Band 73), S.5 - 44 Zitiert: Grünwald Hardtung, Bernhard Gift in der Wurst – Ein Bericht über eine strafrechtliche Hausarbeit JuS 1996, S. 1088 – 1094 Zitiert: Hardtung Herzberg, Rolf Dietrich Abergläubische Gefahrabwendung und mittelbare Täterschaft durch Ausnutzung eines Verbotsirrtums – BGHSt. 35, 347 – Jura 1990, S. 16 – 26 Zitiert: Herzberg VI ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 38 - JURA NOT ALONE! Hilgendorf, Eric Was meint „ zur Tat bestimmen“ in § 26 StGB? Jura 1996, S.9 - 13 Zitiert: Hilgendorf Hruschka, Joachim Pflichtenkollisionen und Pflichtenkonkurrenzen in: Festschrift für Larenz 1983, S.257 - 289 Zitiert: Hruschka Jakobs, Günter Mittelbare Täterschaft der Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrats NStZ 1995, S. 26-27 Zitiert: Jakobs Janker, Helmut Heimliche HIV- Antikörpertests – strafbare Körperverletzung? NJW 1987, S.2897 - 2903 Zitiert: Janker Kadel, Bertold Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft – versuchte mittelbare Täterschaft GA 1983, S. 299 - 309 Zitiert: Kadel Kaufmann, Arthur Die eigenmächtige Heilbehandlung ZStW 1961 (Band 73), S. 341 - 384 Zitiert: Kaufmann Kohlhaas, Max Medizin und Recht Karlsruhe 1969 Zitiert: Kohlhaas Krey, Volker Grundfälle zu den Straftaten gegen das Leben JuS 1971, S. 248 – 251 Zitiert: Grundfälle Küper, Wilfried Noch einmal: Rechtfertigender Notstand, Pflichtenkollision und übergesetzliche Entschuldigung JuS 1971 S. 474- 477 Zitiert: Küper ders. Tötungsverbot und Lebensnotstand JuS 1981, S. 785 - 794 Zitiert: Küper Merkel, Reinhard Früheuthanasie Baden-Baden 2001 Zitiert: Merkel VII ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 39 - JURA NOT ALONE! Otto, Harro/ Brammsen, Joerg Die Grundlagen der strafrechtlichen Haftung des Garanten wegen Unterlassens (I) Jura 1985, S. 530 - 542 Zititert: Otto/ Brammsen Otto, Harro Die Strafrechtliche Problematik der Sterbehilfe Jura 1999, S. 434 – 441 Zitiert: Otto ders. Das Problem der Abgrenzung von Tun und Unterlassen Jura 2000, S. 549 - 550 Zitiert: Otto Peters, Karl Verfassungsrecht. Strafrecht. Verwaltungsprozessrecht JZ 1972, S. 83 - 86 Zitiert: Peters Puppe, Ingeborg Der objektive Tatbestand der Anstiftung GA 1984, S. 101 - 123 Zitiert: Puppe Rotsch, Thomas Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft? ZStW 2000 (Band 112), S. 518 -562 Zitiert: Rotsch Roxin, Claus Täterschaft und Tatherrschaft 7. 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Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen – zugleich eine Besprechung der Sterbehilfentscheidung des BGH vom 13.9.1994 NStZ 1995, S. 153 - 157 Zitiert: Schöch Eigenmächtige Heilbehandlung im geltenden Strafrecht und im StGB- Entwurf 1960 NJW 1961, S. 951 - 955 Zitiert: Schröder Schumann, Heribert Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung NStZ 1990, S.32 – 35 Zitiert: Schumann Schwalm, Georg Gesetzliche Regelung der ärztlichen Aufklärungspflicht? MDR 1962, S. 689 - 694 Zitiert: Schwalm Tag, Brigitte Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex artis Eine arztstrafrechtliche Untersuchung Heidelberg 2000 Zitiert: Tag Voll, Doris Die Einwilligung im Arztrecht Frankfurt am Main 1996 Zitiert: Einwilligung im Arztrecht Wolters, Gereon Die Neufassung der Körperverletzungsdelikte JuS 1998, S. 582 - 587 Zitiert: Wolters IX ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 41 - JURA NOT ALONE! Gliederung: A.) 1. Tatkomplex: Die Operation ........................................................................ 1 I. Handlungsabschnitt: Operation des Z.........................................................................1 Strafbarkeit des C gem. §§ 223 I, 224 I Nr.1 Alt.2, 2 Alt.2, 5 StGB1:................................1 I. Tatbestandsmäßigkeit ..........................................................................................1 1. objektiver Tatbestand ..............................................................................1 a) § 223 I .........................................................................................1 aa) Schrifttum ......................................................................1 bb) Rechtssprechung ...........................................................1 cc) Stellungnahme ...............................................................1 b) § 224I Nr.1 Alt.2, 2 Alt.2, 5 .......................................................2 c) Zwischenergebnis .......................................................................2 2. subjektiver Tatbestand ............................................................................2 II. Rechtswidrigkeit ................................................................................................2 1. Berufsbegründete Rechtfertigung .........................................................2 2. Erklärte Einwilligung ............................................................................2 III. Ergebnis ............................................................................................................3 II. Handlungsabschnitt: Die Bluttransfusion .................................................................3 1. Strafbarkeit des C gem. § 223 I, 224 I Nr.2 Alt.2: .........................................................3 I. Tatbestandsmäßigkeit ..........................................................................................3 1. objektiver Tatbestand ..............................................................................3 a) § 223 I .........................................................................................3 b) § 224 I Nr.2 Alt.2 .......................................................................3 c) Zwischenergebnis .......................................................................3 2. subjektiver Tatbestand ............................................................................3 II. Rechtswidrigkeit ................................................................................................3 1. Einwilligung ..........................................................................................3 2. Rechtfertigende Notstandshilfe, § 34 ....................................................3 a) Notstandslage ............................................................................3 b) Notstandshandlung ....................................................................3 c) Güter- und Interessenabwägung ...............................................4 d) Angemessenheit ........................................................................4 1 Im folgenden sind alle §§ ohne Gesetzesangabe solche des StGB. X ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 42 - JURA NOT ALONE! aa) Lebenserhaltungspflicht ................................................4 bb) Autonomieprinzip .........................................................4 cc) Stellungnahme ...............................................................4 3. Geschäftsführung ohne Auftrag, § 679 BGB ........................................5 III. Schuld ...............................................................................................................5 1. Entschuldigender Notstand, § 35 I ........................................................5 Notstandslage ..................................................................................5 2. Entschuldigungstatumstandsirrtum, § 35 II ............................................5 Vermeidbarkeit ...............................................................................6 IV. Ergebnis ............................................................................................................6 2. Strafbarkeit des C gemäß § 240 I ...................................................................................6 B.) 2. Sachverhaltsabschnitt: Respirator ............................................................. 6 A. Strafbarkeit der S gemäß §§ 212, 13 I: ......................................................................6 I. Vorprüfung: Abgrenzung positives Tun/ Unterlassen ........................................6 1. Energie- und Kausalitätskriterium ..........................................................6 2. Schwerpunkt des Vorwurfs ....................................................................7 3. Stellungnahme ........................................................................................7 II. Tatbestandsmäßigkeit ........................................................................................7 1. objektiver Tatbestand ..............................................................................7 a) Erfolgseintritt, Handlungsmöglichkeit, Quasikausalität .............7 b) Garantenstellung, § 13 I ..............................................................7 c) Entsprechungsklausel, § 13 aE ...................................................7 2. subjektiver Tatbestand ............................................................................8 III. Rechtswidrigkeit ...............................................................................................8 1. Rechtfertigender Notstand, § 34 .............................................................8 a) Notstandslage ..............................................................................8 b) Notstandshandlung .....................................................................8 c) Güter- und Interessenabwägung .................................................8 2. Rechtfertigende Pflichtenkollision .........................................................8 a) Geringerwertige/ höherwertige Pflicht .......................................8 b) Gleichwertige Pflichten ..............................................................8 c) Ergebnis ......................................................................................9 3. Mutmaßliche Einwilligung .....................................................................9 IV. Schuld ...............................................................................................................9 XI ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 43 - JURA NOT ALONE! 1. Irrtum ......................................................................................................9 2. Abgrenzung Erlaubnistatbestandsirrtum (ETI) / Erlaubnisirrtum ..........9 3. Erlaubnissubsumtionsirrtum ...................................................................10 4. Vermeidbarkeit .......................................................................................10 5. Rechtsfolgen des Erlaubnisirrtums (indirekter Verbotsirrtum) ..............10 V Ergebnis ..............................................................................................................10 B. Strafbarkeit des A: ......................................................................................................11 1. Strafbarkeit des A gemäß §§ 212, 13 I, 25 I Alt.2: ........................................................11 Tatbestandsmäßigkeit .............................................................................................11 1. objektiver Tatbestand ..............................................................................11 a) Verwirklichung des objektiven Tatbestandes .............................11 b) Tätereigenschaften des A ............................................................11 2. Strafbarkeit des A gemäß §§ 212, 13 I, 25 II: ................................................................11 3. Strafbarkeit des A gemäß §§ 212, 13 I, 26: ....................................................................11 I. Tatbestandsmäßigkeit ..........................................................................................11 1. objektiver Tatbestand ..............................................................................11 a) Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat ...........................................11 b) Teilnahmehandlung ....................................................................11 aa) Reine Verursachungstheorie .........................................12 bb) Theorie vom geistigen Kontakt ....................................12 cc) Theorie vom Unrechtspakt ............................................12 dd) Stellungnahme ..............................................................12 2. subjektiver Tatbestand ............................................................................13 II. Rechtswidrigkeit ................................................................................................13 III. Schuld ...............................................................................................................13 1. Erlaubnisirrtum ...................................................................................................13 2. Vermeidbarkeit des Erlaubnisirrtums ..................................................... 13 IV. Ergebnis ............................................................................................................ 13 C.) 3. Sachverhaltsabschnitt: Tödliche Spritze ................................................... 13 A. Strafbarkeit der S gemäß § 212 I ...............................................................................13 I. Tatbestandsmäßigkeit ..........................................................................................14 1. objektiver Tatbestand ..............................................................................14 2. subjektiver Tatbestand ............................................................................14 a) Vorsatz ........................................................................................14 XII ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 44 - JURA NOT ALONE! b) Vorsatzausschluss gemäß § 16 I 1 ..............................................14 c) Irrtum nach § 16 II ......................................................................14 II. Rechtswidrigkeit: ...............................................................................................14 1. Erklärte und Mutmaßliche Einwilligung ................................................14 2. Zwischenergebnis ...................................................................................14 III. Entschuldigungsgründe ....................................................................................15 Verbotsirrtum, § 17 .....................................................................................15 1. Direkter Verbotsirrtum ...............................................................15 2. Vermeidbarkeit ...........................................................................15 IV. Ergebnis ............................................................................................................15 B. Strafbarkeit des A: ......................................................................................................15 1. Strafbarkeit des A gemäß §§ 212, 25 I Alt.2 ..................................................................15 I. Tatbestandsmäßigkeit ..........................................................................................15 1. objektiver Tatbestand ..............................................................................15 a) Verwirklichung des objektiven Tatbestandes durch S ................15 b) Tätereigenschaften des A ............................................................15 aa) Gemäßigte subjektive Theorie ......................................15 bb) Täterschafts- (materiell- objektive) Theorie .................16 cc) Stellungnahme ...............................................................16 2. Auswirkungen des Verbotsirrtums auf die mittelbare Täterschaft .........16 a) Strenge Verantwortungstheorie ..................................................16 b) Eingeschränkte Verantwortungstheorie ......................................17 c) Stellungnahme ............................................................................17 3. subjektiver Tatbestand ............................................................................17 a) Unbeachtlichkeit des „error in persona“ .....................................17 b) „Aberratio ictus“ .........................................................................17 c) Stellungnahme ............................................................................18 II. Ergebnis .............................................................................................................18 2. Strafbarkeit des A gemäß §§ 212, 25 I Alt.2, 22, 23 I an K: ..........................................18 I. Vorprüfung ..........................................................................................................18 II. Tatbestandsmäßigkeit ........................................................................................18 1. Tatentschluss ...........................................................................................18 2. Unmittelbares Ansetzen ..........................................................................18 a) Gesamtlösung .............................................................................18 XIII ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 45 - JURA NOT ALONE! b) Einzellösung ...............................................................................19 c) Vermittelnde Ansicht ..................................................................19 d) Stellungnahme ............................................................................19 III. Rechtswidrigkeit ...............................................................................................19 IV. Schuld ...............................................................................................................19 V. Ergebnis ..............................................................................................................19 3. Strafbarkeit des A gemäß §§ 222, 25 I Alt. 2, 15: ..........................................................19 I. Vorprüfung ..........................................................................................................19 II. Tatbestandsmäßigkeit ........................................................................................19 1. Tatbestandsverwirklichung durch A .......................................................20 2. Fahrlässigkeit ..........................................................................................20 III. Ergebnis ............................................................................................................20 4. Strafbarkeit des A gemäß § 216, 25 I Alt.2, 22, 23 I Hs. 1: ...........................................20 I. Vorprüfung ..........................................................................................................20 II. Tatbestandsmäßigkeit ........................................................................................20 1. Tatentschluss ...........................................................................................20 2. objektiver Tatbestand ..............................................................................20 a) Unmittelbares Ansetzen ..............................................................20 b) Ernstliches Verlangen .................................................................20 III. Rechtswidrigkeit ...............................................................................................20 Rechtfertigender Notstand, § 34 ..................................................................20 IV. Schuld ...............................................................................................................21 V. Konkurrenzen ............................................................................................. 21 VI. Gesamtergebnis ................................................................................................21 XIV - 46 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! A.) 1. Tatkomplex: Die Operation I. Handlungsabschnitt: Operation des Z: Strafbarkeit des C gem. § 223 I, 224 I Nr.1 Alt.2, 2 Alt.2, 5 StGB1: Indem C an Z einen operativen Eingriff vorgenommen hat, könnte er sich wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223 I, 224 I Nr.1 Alt.2, 2 Alt.2, 5 strafbar gemacht haben. I. Tatbestandsmäßigkeit: 1. objektiver Tatbestand: a) § 223 I: Der operative Eingriff müsste eine Gesundheitsschädigung oder körperliche Misshandlung i.S. des § 223 I darstellen. Es ist heftig umstritten, ob dies im Falle eines ärztlichen Heileingriffs zu bejahen ist. aa) Schrifttum: Nach Meinung der Rechtslehre ist der Tatbestand des § 223 I nicht verwirklicht, wenn ein objektiv indizierter und kunstgerecht durchgeführter Heileingriff vorliegt.2 Dem Sachverhalt ist zu entnehmen, dass die Operation des Z das Ziel verfolgte, den Z zu heilen bzw. dessen Erkrankung zu lindern. Demnach ist ein ärztlicher Heileingriff gegeben. bb) Rechtssprechung: Nach ständiger Rechtssprechung stellt jeder ärztliche operative Eingriff eine Körperverletzung dar.3 cc) Stellungnahme: Es ist hier der Rechtsprechung zu folgen. Ein Tatbestandsausschluss hätte die Schutzlosigkeit des Patienten in Bezug auf dessen Selbstbestimmungsrecht und Menschenwürde zur Folge.4 Nach den §§ 240 und 239 kann dieser Schutz nicht ausreichend gewährleistet werden, es würde eine Strafbarkeitslücke5 hinsichtlich eigenmächtiger Heileingriffe bestehen. Die Operation greift nicht unerheblich in die körperliche Unversehrtheit des Z ein. Auch von einer vorläufigen Gesundheitsschädigung muss bei einem solchen operativen Eingriff ausgegangen werden. Folglich muss also der ärztliche Heileingriff objektiv als Körperverletzung gewertet werden.6 1 Im folgenden sind alle §§ ohne Gesetzesangabe solche des StGB. h.M.: Einwilligung im Arztrecht, S. 17; Sch/Sch/Eser, § 223 Rn.30; Bockelmann, JZ 1962, S. 525 ff.; Lackner/ Kühl, § 223 Rn. 8; Kühl AT § 9 Rn. 26. 3 Seit RGSt 25, 375, 378; BGHSt 11, 111; BGH NStZ 1996, 34f; ständige Rspr. 4 Baumann/Weber/Mitsch § 3 Rn.55-58; Krey BT § 3 Rn.219ff; Jescheck/ Weigend S. 379; Wolters JuS 1998, S. 587. 5 LK/Hirsch Vor § 223 Rn.6 6 Roxin/Schroth/Knauer, S.2: Chirurgische Eingriffe, die wg. ihrer Schwere unter Vollnarkose durchgeführt werden, müssen als Körperverletzung gewertet werden. 2 1 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 47 - JURA NOT ALONE! b) § 224I Nr.1 Alt.2, 2 Alt.2, 5: Weiterhin könnten die qualifizierten Merkmale des § 224 I Nr.1, 2 Alt.2, 5 vorliegen. Dazu müsste die Körperverletzung durch das Beibringen von gesundheitsschädlichen Stoffen vorgenommen worden sein. Die Verabreichung von Narkosemitteln o.ä. durch den Arzt kann jedoch nicht unter den § 224 I Nr.1 Alt.2 subsumiert werden.7 Die Verwendung von solchen Mitteln ist notwendig für eine Operation. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass diese gegen Z eingesetzt wurden oder dessen Gesundheit beeinträchtigt haben. Die Körperverletzung könnte auch mittels eines gefährlichen Werkzeuges vorgenommen worden sein. Es ist davon auszugehen, dass Operationen mit Operationsbesteck, Spritzen u.ä. vorgenommen werden. Diese stellen aber in den Händen einer qualifizierten Heilperson kein gefährliches Werkzeug dar.8 Sie verfolgen keinen Angriffs- oder Verteidigungszweck.9 Weiterhin könnte abwegig! die Operation eine das Leben gefährdende Behandlung nach § 224 I Nr.5 darstellen. Hierbei genügt es, wenn die Operation abstrakt dazu geeignet ist, das Leben des Patienten zu gefährden.10 Die Notwendigkeit der Bluttransfusion zeigt, dass dies hier der Fall ist. Es ist demnach davon auszugehen, dass die Gefahr11 für das Leben von Z erhöht wurde. c) Zwischenergebnis: C hat demnach den objektiven Tatbestand der §§ 223 I, 224 I Nr.5 erfüllt. 2. subjektiver Tatbestand: C müsste vorsätzlich gehandelt haben. Er handelte in Kenntnis der körperverletzenden Umstände der Operation für Z. II. Rechtswidrigkeit: 1. Berufsbegründete Rechtfertigung: Das Handeln des C könnte gerechtfertigt sein. Der Arzt wird erst durch ein Heilungsbedürfnis des Patienten zur Ausübung seines Berufes legitimiert. C hat also kein berufsbegründetes Recht zu Heileingriffen.12 2. Erklärte Einwilligung: Ferner könnte C aber durch die mündlich erklärte Einwilligung von Z gerechtfertigt sein. Fraglich ist, ob Z über das ihm zustehende Rechtsgut Dispositionsbefugnis besaß. Die Operation stellt eine 7 Tröndle/Fischer § 224 Rn. 4, 5; Tag § 18 S. 426 ff. Lackner/Kühl § 224 Rn.5; Sch/Sch/Stree §224 Rn. 9b;BGH NJW 1978, S. 1206. 9 BGH NJW 1978, S.1206; Janker NJW 1987, S.2899;Geppert Jura 1986, S. 536. 10 BGHSt 2, 163; Tröndle/Fischer/T § 224 Rn.12; Geerds Jura 1988, S.46; a.A.: Sch/Sch/Stree § 224 Rn.12; LK/Hirsch § 224 Rn 21. 11 Tag § 18 S.429 12 Sch/Sch/Eser § 223 Rn.37. 8 2 - 48 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit dar. Dies ist ein verfügbares Rechtsgut. Laut Sachverhalt ergeben sich keine Willensmängel bezüglich der Einwilligung in die Operation. Es gibt auch keine Anhaltspunkte für eine Aufklärungspflichtverletzung durch C. Dieser handelte auch in Kenntnis der Einwilligung. Weiterhin dürfte die Tat nicht gegen die guten Sitten, § 228, verstoßen haben. Dafür sind vorliegend aber keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. C ist demnach aufgrund erklärter Einwilligung des Z gemäß § 228 gerechtfertigt. III. Ergebnis: C hat sich nicht gem. §§ 223 I, 224 I Nr.5 strafbar gemacht. II. Handlungsabschnitt: Die Bluttransfusion 1. Strafbarkeit des C gem. § 223 I, 224 I Nr.2 Alt.2: I. Tatbestandsmäßigkeit: 1. objektiver Tatbestand: a) § 223 I: Die Bluttransfusion, also das Einführen einer Kanüle als Teil der Operation, muss als Körperverletzung gem. § 223 I angesehen werden.13 b) § 224 I Nr.2 Alt.2: Daneben könnte das qualifizierte Merkmal des § 224 I Nr.2 Alt.2 erfüllt sein. Eine Kanüle stellt jedoch in den Händen des Arztes C kein gefährliches Werkzeug in diesem Sinne dar.14 c) Zwischenergebnis: C hat den objektiven Tatbestand des § 223 I erfüllt. 2. subjektiver Tatbestand: C handelte vorsätzlich. II. Rechtswidrigkeit: 1. Einwilligung: Z hat vor der Operation ausdrücklich erklärt, dass er keine Bluttransfusion Mutmaßliche Einwilligung! erhalten möchte. Eine Rechtfertigung durch erklärte Einwilligung scheidet demnach von vornherein aus. 2. Rechtfertigende Notstandshilfe, § 34: Möglicherweise war C jedoch durch Notstand gerechtfertigt. a) Notstandslage: Für das Leben15 des Z bestand während der Operation eine gegenwärtige Gefahr. b) Notstandshandlung: Diese Gefahr konnte C nur dadurch abwähren, dass er die Bluttransfusion ohne die Einwilligung des Z vornahm und somit in dessen körperliche Integrität eingriff. („Nicht-Anders-Abwendbarkeit“16) 13 Vgl. oben: I. Handlungsabschnitt: I.1.cc) Vgl. oben: I. Handlungsabschnitt: I.1.b) 15 Wessels/Beulke, Rn. 299f. 16 Sch/Sch/Lenckner § 34 Rn.8; Kühl AT § 8 Rn.75. 14 3 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 49 - JURA NOT ALONE! c) Güter- und Interessenabwägung: § 34 setzt weiter voraus, dass bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das geschützte Interesse (Erhaltungsinteresse) das beeinträchtigte (Eingriffsinteresse) wesentlich überwiegt. Das Leben bzw. die Lebensrettung des Z wiegt im Vergleich zu der mit der Transfusion verbundenen Körperverletzung weitaus mehr. Zu prüfen ist weiterhin, ob C die Notstandssituation schuldhaft selbst verursacht hat.17 Dies ist jedoch zu verneinen. Z hat in die gefahrauslösende Operation eingewilligt. Ein derartiger Blutverlust war normalerweise nicht zu befürchten. Demnach ist C die Verursachung der Notstandssituation nicht vorwerfbar. d) Angemessenheit: Jedoch ist fraglich, ob die Bluttransfusion ein angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr im Sinne des § 34 S.2 darstellte. aa) Lebenserhaltungspflicht: Vereinzelt wird vertreten18, dass die Lebenserhaltungspflicht des Arztes den Willen des Patienten immer überwiege. Demnach könne von einem Arzt nicht verlangt werden, einen Patienten, der sich in einer realen Unfallsituation nach § 330 c befindet, verbluten zu lassen.19 Demnach würde also eine Pflicht des C bestehen, auch gegen den Willen von Z, dessen Leben zu erhalten. bb) Autonomieprinzip: Nach einer anderen Ansicht20 sei die gegen den Willen des Patienten durchgeführte Bluttransfusion zur Lebensrettung nach § 34 mangels Angemessenheit des Mittels nicht gerechtfertigt. Danach wird der Persönlichkeitsautonomie ein so hoher Wert zugesprochen, dass ein Überwiegen des Lebenserhaltungsinteresses gegen das Freiheitsprinzip und die Menschenwürde des Patienten verstoßen würde.21 Der Anspruch auf Selbstbestimmung der Person (Autonomieprinzip22) schließe trotz der Höherrangigkeit des bedrohten Rechtsguts (Leben) einen Eingriff in einen anderen Personenwert (körperliche Integrität) aus. Unter Berücksichtigung dessen wäre ein derartiger Eingriff gegen den Willen von Z nicht gerechtfertigt. cc) Stellungnahme: Es handelt sich hier um die Rechtsgüter ein und derselben Person. Demnach müssen die subjektiven Wertvorstellungen von Z maßgeblich 17 Tröndle/ Fischer § 34 Rn.15; Joecks § 34 Rn. 27. Kohlhaas S.127ff;Burski S.156ff;Peters JZ 1972, S. 86ff. 19 Kohlhaas S.127ff;Burski S.156,157;BGHSt6,147ff;Peters JZ 1972, S. 86. 20 Tröndle/ Fischer§34;MünchKomm/Erb§34;Maurach/Zipf §27. 21 Tröndle/Fischer§34Rn.16;Sch/Sch/Lenckner§34Rn.38;Maurach/Zipf§27Rn.43. 22 Tröndle/ Fischer§34Rn.16;MünchKomm/Erb §34Rn.95;LK/Hirsch § 34 Rn.80. 18 4 - 50 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura gut! JURA NOT ALONE! sein.23 Der Patient sollte selbst darüber entscheiden können, welches Interesse er eher bereit ist „zu opfern“.24 Es ist also der letzteren Meinung zu folgen. C ist folglich nicht durch Notstand gerechtfertigt. 3. Geschäftsführung ohne Auftrag, § 679 BGB: C könnte durch einen Sonderfall der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne weglassen! Auftrag nach § 679 BGB gerechtfertigt sein. Danach kann eine Geschäftsführung auch gegen den Willen des Geschäftsherrn gerechtfertigt sein. Entscheidend ist hierbei jedoch, dass eine Rechtfertigung danach überwiegend auf dem konkreten öffentlichen Interesse an der Erfüllung der Geschäftsführung beruht.25 Eine sittliche Pflicht ist hierbei nicht ausreichend.26 Allerdings rettete C den Z aufgrund eines sittlichen Pflichtgefühls. Eine Rechtfertigung aus § 679 BGB scheidet von daher aus. III. Schuld: 1. Entschuldigender Notstand, § 35 I: C könnte nach § 35 I entschuldigt sein. Notstandslage: Hierzu müsste eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben für eine dem C nahe stehende Person zum Zeitpunkt der Tat bestanden haben. Für das Leben von Z bestand während der Operation eine gegenwärtige Gefahr.27 Fraglich ist jedoch, ob Z eine dem C nahe stehende Person im Sinne des § 35 I war. Diese muss eine Person sein, bei deren Not man sich zur Rettung verpflichtet fühlt. Es ist hier also eine feste gegenseitige Bindung zu fordern.28 Zwischen C und Z herrschte jedoch ein normales Arzt - Patienten Verhältnis, welches der Gleichstellung mit Angehörigenbeziehungen nicht standhält. Aus der Garantenstellung von C ergibt sich noch keine auf Dauer29 angelegte persönliche Beziehung. Es fehlt also an der Nähebeziehung zwischen C und Z. Eine Entschuldigung aus § 35 I ist auszuschließen. 2. Entschuldigungstatumstandsirrtum, § 35 II: Möglicherweise hat sich C jedoch im Irrtum über die tatsächlichen Umstände eines Entschuldigungsgrundes gemäß § 35 II befunden. Er müsste sich also irrig eine Situation vorgestellt haben, in der er, hätte sie so vorgelegen, nach § 23 BGHSt 42, 301; Sch/Sch/Lenckner Rn.8a; Kindhäuser § 34 Rn.39. BGHSt 11, 114. 25 Palandt BGB § 679 Rn.3; Staudinger/Wittmann § 679 Rn.2-7; . 26 Staudinger/ Wittmann § 679 Rn.2. 27 Vgl. oben: I. Handlungsabschnitt: I.1.b) 28 Haft AT S.141f; Roxin AT §22 Rn.30,3; Kühl AT §12Rn.37; Kindhäuser §35Rn.4; Baumann/Weber/Mitsch §23Rn.23. 29 Maurach/Zipf §34IRn.14;Roxin AT§22Rn.31;OLG Koblenz NJW 88,S.2317 f. 24 5 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 51 - JURA NOT ALONE! 35 I entschuldigt gewesen wäre. C glaubte dem akut in Lebensgefahr geratenen Z helfen zu müssen und ihm gegen seinen Willen eine Bluttransfusion verabreichen zu dürfen. Vermeidbarkeit: Fraglich ist jedoch, ob dieser Irrtum vermeidbar gewesen ist. Für das Leben von Z bestand akute Gefahr, die C nur sofort abwenden konnte. Er hatte also C ist immer noch keine nahestehende Person! Übergesetzlicher Notstand wäre einschlägig gewesen. unter diesem Zeitdruck keine Möglichkeit, sich rechtlichen Rat einzuholen oder gar einen Betreuer zu bestellen. Außerdem zwang ihn seine christliche Wertvorstellung und sein Berufsethos dazu, einen Menschen nicht einfach verbluten zu lassen. Der Irrtum nach § 35 II war folglich für C nicht vermeidbar. Er ist demnach gemäß § 35 II entschuldigt. IV. Ergebnis: C ist nicht wegen Körperverletzung nach § 223 strafbar. 2. Strafbarkeit des C gem. § 240 I: C könnte sich durch die Vornahme der Bluttransfusion einer Nötigung30 strafbar gemacht haben. Hierzu müsste die Transfusion eine Gewaltanwendung i.S.d. § 240 darstellen. Z war zum Zeitpunkt der Bluttransfusion bereits bewusstlos. Demnach fehlt es hier an einer derartigen Gewaltanwendung. C missachtet hier zwar den Willen von Z, nötigt ihn aber nicht. Das heißt er beugt seinen Willen nicht. Eine Strafbarkeit nach § 240 I scheidet daher aus. B.) 2. Tatkomplex: Respirator A. Strafbarkeit der S gem. §§ 212, 13 I: In Betracht kommt eine Tötung des Z durch Unterlassen nach §§ 212, 13I. I. Vorprüfung: Abgrenzung positives Tun / Unterlassen: Vorweg ist zu prüfen, ob vorliegend in der Nichtweiterbehandlung des Z (Unterlassen) durch Abschalten des Respirators per Knopfdruck (aktives Tun) ein Tun oder Unterlassen zu sehen ist. 1. Energie- und Kausalitätskriterium: Nach einer Ansicht sind die Kriterien Energieeinsatz und Kausalität entscheidend.31 Durch den Einsatz von Energie (Knopfdruck) stößt S hier den Kausalverlauf an, der den Tod von Z herbeiführt. Demnach greift sie hier aktiv in die Außenwelt ein. Nach dieser Ansicht liegt ein positives Tun vor.32 30 Schröder NJW 1961, S. 953; Grünwald, ZStW 1961, S.9; Schwalm MDR 1962, S. 693; Kaufmann ZStW 1961, S. 374. 31 SK/Rudolphi Vor§13Rn.6;Engisch FS Gallas S.168ff; Jescheck/Weigend §58. 32 Otto/Brammsen, Jura 1985, S.530 (531); Otto Jura 1999, S. 434 (438) sowie 2000, S.549f; Baumann/Weber/Mitsch 15/33. 6 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 52 - JURA NOT ALONE! 2. Schwerpunkt des Vorwurfs: Die Gegenauffassung hebt auf den Schwerpunkt des Vorwurfs, also auf das strafrechtlich relevante Verhalten ab.33 Dieses liegt hier nicht in dem Ausschalten des Respirators, sondern darin, dass weitere Rettungsbemühungen ausbleiben. Demzufolge handelt es sich um ein Unterlassen34. 3. Stellungnahme: Das Verhalten der S kann mit dem Abbruch einer bereits begonnenen Herzmassage verglichen werden. Hier hat der Helfer aufgehört weiterzuhelfen. S bricht den Erfolgsabwendungsversuch nur auf höherer vertretbar technisierter Ebene ab.35 Zu folgen ist also der letzteren Ansicht. Es liegt hier ein Unterlassen vor. II. Tatbestandsmäßigkeit: 1. objektiver Tatbestand: a) Erfolgseintritt, Handlungsmöglichkeit, Quasikausalität: S müsste zunächst den Tod von Z herbeigeführt haben. Sie hat es unterlassen, ihm weiter zu helfen. Dieses Verhalten war kausal für den Tod von Z. Es wäre S ohne weiteres möglich gewesen, Z am Respirator angeschlossen zu lassen und ihm somit weiter zu helfen. Somit ist also auch die Quasikausalität gegeben. b) Garantenstellung, § 13 I: Schließlich müsste sich S gemäß § 13 I in einer zur Erfolgsabwendung verpflichtenden Garantenstellung befunden haben. In Betracht kommt hier eine Garantenstellung aus tatsächlicher Übernahme einer Schutzpflicht. In die Übernahme der Schutzpflicht kann erst dann vertraut werden, wenn der Übernehmende die Aufgabe auch tatsächlich übernommen hat.36 Bei der S kann hier durch die Übernahme der Behandlung und Pflege des Patienten Z im Rahmen eines Behandlungsauftrages37 ein solches Vertrauen begründet werden. (Beschützergarant mit Obhutspflichten38) c) Entsprechungsklausel, § 13 I aE: Weiterhin ist es erforderlich, dass die Unterlassungstat der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch Tun entspricht. Es handelt sich hier jedoch um ein reines Erfolgsdelikt, folglich spielt die Entsprechungsklausel des § 13 I aE hier keine Rolle. 33 BGHSt 6, S. 59; BGH NStZ 1999, S.607; Sch/Sch/Stree Vor§13ff.Rn.158; Wessels/Beulke Rn.700. 34 Engisch FS Gallas S.177f; Geilen, JZ 1968, S. (151); Haft AT S.175; Krey AT Rn.320f u. BT Rn.11; Wessels/Beulke Rn.703; Ebert AT S.174. 35 Küper, JuS 1971, S. 474 (476). 36 Kühl AT §18 Rn. 70; Wessels/Beulke Rn. 720. 37 Wessels/Beulke Rn.720. 38 Kühl AT, §18 Rn. 46a ff. 7 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 53 - JURA NOT ALONE! 2. subjektiver Tatbestand: S wusste was sie tat und musste insbesondere auch damit rechnen, dass Z sterben würde. Demnach ist dolus eventualis zu bejahen. III. Rechtswidrigkeit: Fraglich ist, ob S auch rechtswidrig handelte. 1. Rechtfertigender Notstand, § 34: a) Notstandslage: Für das Leben des P bestand eine gegenwärtige Gefahr. b) Notstandshandlung: Das Anschalten an den Respirator war ein geeignetes und erforderliches Mittel. Andere Möglichkeiten der Gefahrabwendung sind nicht ersichtlich. c) Güter- und Interessenabwägung: Das geschützte Interesse (Leben des P) müsste hier das geopferte (Leben des Z) wesentlich überwiegen. Grundsätzlich ist das Leben weder qualitativ noch quantitativ abwägbar, dies wäre mit Art. 1 I GG unvereinbar.39 Folglich kann der Respirator hier nicht einfach bei dem Z abgestellt werden, weil dieser möglicherweise geringere Überlebenschancen als P hatte.40 Eine Rechtfertigung aus § 34 scheidet daher aus. 2. Rechtfertigende Pflichtenkollision: Möglicherweise ist S aber durch eine rechtfertigende Pflichtenkollision gerechtfertigt. Diese ist gegeben, wenn mindestens zwei Pflichten in der konkreten Situation in einem solchen Verhältnis zueinander stehen, dass die Erfüllung einer der Pflichten zugleich die Verletzung der anderen bedeutet.41 a) Geringerwertige / höherwertige Pflicht: Einer Ansicht zu Folge kann eine Pflichtenkollision nur dann vorliegen, wenn der Täter eine höherwertige Pflicht zu Lasten einer geringerwertigen Pflicht erfüllt.42 Der Erhalt des Lebens des Z war nicht geringer- oder höherwertiger als die Pflicht den P zu retten. Folglich ist S hieraus nicht gerechtfertigt. b) Gleichwertige Pflichten: Eine andere Meinung nimmt eine Rechtfertigung bei der Kollision gleichwertiger Pflichten an.43 Z war bereits an den Respirator angeschlossen, als P in die Klinik eingeliefert wurde. S stand demnach nicht vor der Wahl, welchen von zwei Patienten sie an den Respirator anschließen und somit retten sollte. Es standen sich somit keine gleichwertigen Pflichten gegenüber. Eine Rechtfertigung der S scheidet demnach ebenso aus. 39 Kühl AT, § 8 Rn.113 ff.; Küper, JuS 1981, S. 785 ff.; Laber S. 151 ff; NK/Neumann § 34 Rn.74; BGH NJW 1953, S. 513; Schmidhäuser S. 258 f. 40 Vgl. Roxin AT §16 Rn.29. 41 Kühl AT § 18 Rn.134f; Hruschka, FS Larenz, S.(257, 259). 42 Jescheck/Weigend S.243; Maurach/Zipf S.282. 43 Sch/Sch/Lenckner Vor §32 Rn.73; Hruschka FS Larenz S.257; Gropp FS Hirsch S.208(209); Tröndle/Fischer Vor § 32 Rn.11b; Kühl AT §18 Rn.137. 8 - 54 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! 44 c) Ergebnis: S ist nach beiden Ansichten nicht gerechtfertigt. Es gibt aber noch weitere Ansichten! 3. Mutmaßliche Einwilligung: Fraglich ist, ob eine mutmaßliche Einwilligung i.E. vertretbar von Z in das Abschalten des Respirators anzunehmen ist. Eine ausdrückliche Einwilligung konnte die S aufgrund des Zustandes von Z nicht mehr einholen Weiterhin müsste es sich bei der mutmaßlichen Interessenpreisgabe um ein disponibles Rechtsgut handeln. Das Leben ist normalerweise kein verfügbares Rechtsgut, jedoch kann ausnahmsweise auf lebenserhaltende Maßnahmen verzichtet werden, wenn dies dem ohne Zweifel ermittelten Patientenwillen entspricht.45 Dieser muss unter Abwägung aller Umstände46 genau ermittelt werden. Laut Sachverhalt hatte Z kein Patiententestament ausgefüllt, das gegen die Weiterbehandlung sprechen würde. Aus seiner religiösen Überzeugung heraus und mangels weiterer Hinweise lässt sich noch keine mutmaßliche Einwilligung begründen. S ist demzufolge nicht gerechtfertigt. IV. Schuld: 1. Irrtum: S könnte sich eine Situation vorgestellt haben, die sie bei ihrem objektiven Vorliegen gerechtfertigt hätte (Erlaubnistatbestandsirrtum). In Frage kommt hier ein Irrtum über das Vorliegen einer rechtfertigenden Pflichtenkollision. S könnte aber die Situation auch nur falsch bewertet haben. (Erlaubnisirrtum) 2. Abgrenzung Erlaubnistatbestandsirrtum / Erlaubnisirrtum: Zu untersuchen ist, ob sich die Irrtümer nicht mit Hilfe einer Schwerpunktformel47 abgrenzen lassen. Irrt der Täter allein auf der Sachverhaltsebene, so wird ein Erlaubnistatbestandsirrtum angenommen.48 Wenn der Irrtum des Täters jedoch das Werturteil als solches betrifft, liegt ein Erlaubnisirrtum nach § 17 vor.49 Hierbei hat der Täter eine richtige Kenntnis der Sachlage. Er gelangt nur aufgrund einer fehlerhaften Gesamtbewertung zu der irrigen Vorstellung, er benütze ein angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr.50 S kennt hier die Abwehrmöglichkeiten, die ihr zur Verfügung stehen. Sie hält allerdings das objektiv schärfere Abwehrmittel (Z vom Respirator abschalten) für das 44 vgl. hierzu: Grundfälle JuS 1971 S.248ff;Gegenmeinung: Küper, JuS 1971; S.474 ff. Schöch NStZ 1995, S. 153. 46 z.B.: religiöse Orientierung, frühere Äußerungen, Gewohnheiten, Wünsche etc. 47 Britz, JuS 2002, S. 469. 48 Kühl AT § 13 Rn.78; Haft AT S.257. 49 Wessels/Beulke § 11 IV 3. 50 Hardtung, JuS 1996, S.1088 (1093). 45 9 - 55 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! mildere. Sie kennt also die relevanten Fakten, vollzieht nur nicht die rechtliche Bewertung. Demzufolge unterliegt sie einem Erlaubnisirrtum gemäß § 17. 3. Erlaubnissubsumtionsirrtum: Innerhalb eines Erlaubnisirrtums kann man zwei Konstellationen unterscheiden. Zum einen kann der Täter irrig einen Rechtfertigungsgrund für sein Verhalten annehmen, den die Rechtsordnung überhaupt nicht kennt.51 Zum anderen kann der Täter einen Rechtfertigungsgrund zu seinen Gunsten im Anwendungsbereich ausdehnen.52 Dies ist hier der Fall. S subsumiert ihr Verhalten bei voller Kenntnis der Sachlage unter den Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision. Folglich liegt hier ein Erlaubnissubsumtionsirrtum vor. 4. Vermeidbarkeit: Der Erlaubnisgrenzirrtum wird wie ein direkter Verbotsirrtum nach § 17 behandelt. Demnach ist entscheidend, ob der Irrtum der S vermeidbar war. Dies soll sich danach richten, ob S bei Berücksichtigung ihrer persönlichen Fähigkeiten unter Einsatz aller Erkenntniskräfte und Wertvorstellungen sowie gehöriger Anspannung des Gewissens53 ihre Fehlvorstellung hätte erkennen müssen. Realistischer erscheint zu untersuchen, ob S bei eigenem Nachdenken oder durch eine Erkundigung bei rechtlich kompetenten Dritten das Verbotensein ihres „Tuns“ hätte erkennen müssen. S stand unter extremen Entscheidungsdruck. Es war ihr also objektiv nicht möglich zu diesem Zeitpunkt eine andere Entscheidung zu treffen oder gar rechtlichen Rat einzuholen. Es bestand für sie auch kein Grund zur eher ( - ) S hätte sich bereits im Vorfeld informieren müssen! Erkundigung. Sie vertraute dem A, vermutlich weil dieser Arzt und ihr Vorgesetzter war. Ihr ist daraus jedoch kein Vorwurf zu machen. Der Irrtum war folglich vorliegend unvermeidbar. Sie musste auch nicht damit rechnen, in eine solche Situation zu kommen. Daher kann man ihr kein schuldhaftes doch! Vorverhalten unterstellen. 5. Rechtsfolgen des Erlaubnisirrtums (indirekter Verbotsirrtum): Der Irrtum der S war unvermeidbar. S handelte also schuldlos, demnach entfällt die Strafbarkeit der Tat (§ 17 S.1). V. Ergebnis: S hat sich gem. §§ 212, 13 I nicht strafbar gemacht. B. Strafbarkeit des A: 1. Strafbarkeit des A gem. §§ 212, 13I, 25 I Alt.2: 51 Erlaubnisnormirrtum: Kühl AT § 13 Rn. 54; Ebert AT S.144 c). Erlaubnissubsumtionsirrtum: Roxin AT § 14 Rn. 78; Ebert AT S.144 d). 53 vgl. BGHSt 2, 201; 3, 366; 4, 242. 52 10 - 56 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! A könnte sich einer mittelbarer Täterschaft gemäß §§ 212, 25 I Alt.2 strafbar gemacht haben, indem er die Tat durch S beging. Tatbestandsmäßigkeit: 1. objektiver Tatbestand: Zu prüfen ist, ob A den objektiven Tatbestand der mittelbaren Täterschaft erfüllt hat. a)Verwirklichung des objektiven Tatbestandes: S müsste hier als „Vordermann“ den objektiven Tatbestand der Tötung durch Unterlassen verwirklicht haben. Dies ist geschehen.54 b) Tätereigenschaften des A: A konnte als Hintermann gerade keinen steuernden Einfluss auf S nehmen. Die Möglichkeit der mittelbaren Täterschaft besteht folglich bei einem Unterlassungsdelikt schon rein konstruktiv nicht.55 Mittelbare Täterschaft wäre nur möglich, hätte A durch ein Tun S zum Könnte dies nicht die Unterlassen bewegt.56 Hierzu müsste A die S getäuscht oder bedroht haben.57 Anweisung sein?? Dies ist jedoch auszuschließen. Eine mittelbare Begehungstäterschaft ist demnach zu verneinen. 2. Strafbarkeit des A gem. §§ 212, 13 I, 25 II: Mittäterschaftliches Unterlassen ist gegeben, wenn eine gemeinsame Verletzung einer gemeinsamen Pflicht vorliegt.58 A und S standen jedoch nicht vor einer Pflicht, die sie nur gemeinsam hätten erfüllen können. Eine Mittäterschaft scheidet demnach aus. 3. Strafbarkeit des A gem. §§ 212, 13 I, 26: I. Tatbestandsmäßigkeit: A könnte sich als Anstifter zur Tötung durch Unterlassen §§ 212, 13 I, 26 strafbar gemacht haben. 1. objektiver Tatbestand: Zu untersuchen ist, ob A den objektiven Tatbestand der Anstiftung verwirklicht hat. a) Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat: Eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat ist mit der von S an Z begangenen Tötung durch Unterlassen gegeben. b) Teilnahmehandlung: A müsste S als Anstifter zu einer Tat bestimmt haben, d.h. er müsste den Tatentschluss in ihr erweckt haben.59 Fraglich ist, ob der Begriff „Bestimmen“ weit oder eng auszulegen ist. Dies ist streitig. 54 Vgl. oben: B.) A. I. 3. sowie B.) A. II. 1. a) - c). Kühl AT § 20 Rn.267; Otto, § 21 Rn.109. ? 56 Kühl AT § 20 Rn.267; LK/ Roxin § 25 Rn. 216. 57 Kühl AT §20Rn.267; Jescheck/Weigend S. 640; Jakobs AT Abschn.29 Rn.110. 58 Roxin TuT S.469, 357; Dencker S.168f. 59 Wessels/Beulke Rn.540. 55 11 - 57 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! aa) Reine Verursachungstheorie60: Nach dieser Ansicht setze § 26 mehr als die Verursachung des Tatentschlusses nicht voraus. Nur diese weite Auslegung des Begriffs „Bestimmen“ könne alle Methoden der Tatveranlassug bestrafen.61 Demzufolge könnte sich A der Anstiftung strafbar gemacht haben. Er hat durch das Informieren der S eine tatanreizende Situation geschaffen. bb) Theorie vom geistigen Kontakt62: Eine andere Meinung vertritt den Standpunkt, dass für den objektiven Tatbestand einer Anstiftung mehr als das Arrangieren einer tatanreizenden Situation notwendig sei.63 Es wird eine kommunikative Beeinflussung, also eine zielgerichtete Aufforderung des Anstifters gefordert.64 Dies war vorliegend der Fall. A hatte geistigen Kontakt zur S, folglich könnte er Anstifter sein. cc) Theorie vom Unrechtspakt65: Nach einer weiteren Ansicht könne eine Anstiftung nur dann vorliegen, wenn der Täter seinen Entschluss zur Tatbegehung abhängig vom Willen des Beeinflussenden fasse und durchhalte.66 Der Anstifter schließe sogar eine Art Pakt mit dem Täter, indem er ihm ein Versprechen zur Begehung der Tat abnehme.67 So könne in dem psychischen Einfluss mehr als ein Anreiz, Hilfe oder Rat zu sehen sein.68 Es gibt hier keinen derartigen Pakt zwischen A und S, demzufolge hätte sich A nicht einer Anstiftung strafbar gemacht. dd) Stellungnahme: Das Gesetz stellt den Strafrahmen der Anstiftung mit dem der Täterschaft gleich. Demnach wird ein gleichwertiger Unrechtsgehalt der Verhaltensweisen verlangt.69 Aus diesem Grund kann nicht jede vorsätzliche Verursachung einer Tat als Anstiftung gewertet werden, ansonsten würden auch Fälle minder schweren Unrechts bestraft.70 Der reinen Verursachungstheorie kann demzufolge nicht gefolgt werden. Ebenso ist die letztere Ansicht abzulehnen. Danach würden nur diejenigen wegen Anstiftung bestraft, die jemanden zur Ausführung einer Tat drängen. Eine solche Beschränkung der Anstiftung wäre mit dem Wortlaut des § 26 jedoch nicht 60 Lackner/Kühl § 26 Rn. 2. Hilgendorf Jura 1996, S.9. 62 Sch/Sch/Cramer §26Rn.7;Maurach/Zipf §51Rn.13; LK/Roxin, §26Rn.12. 63 LK/Roxin, §26Rn.3. 64 Roxin FS Stree/ Wessels, S. 377. 65 Jakobs AT Abschn. 22 Rn.22; Puppe GA 1984, S. 112. 66 Jakobs AT Abschn. 22 Rn.22. 67 Puppe GA 1984, S. 112. 68 Jakobs AT Abschn.22 Rn.22. 69 LK/Roxin § 26 Rn.2; Wessels/Beulke Rn. 568 70 Hilgendorf Jura 1996, S.10. 61 12 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 58 - JURA NOT ALONE! vereinbar. Jemanden „bestimmen“ ist schließlich etwas anderes wie jemanden „verpflichten“.71 Somit wird der Theorie vom geistigen Kontakt gefolgt. Eine Strafbarkeit des A wegen Anstiftung ist daher möglich. 2. subjektiver Tatbestand: Es müsste ein doppelter Vorsatz vorliegen, der sich auf die Vollendung der Haupttat und auf das Hervorrufen des Tatentschlusses bezieht.72 Hierbei muss sich der Vorsatz jedoch nicht notwendig auf alle Einzelheiten der Haupttat richten.73 A wollte, dass S den Z vom Respirator abschließt. A war sich auch bewusst, dass er in S den Tatentschluss geweckt hat. Somit handelte A mit Vorsatz. II. Rechtswidrigkeit: Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.74 A handelte rechtswidrig. III. Schuld 1. Erlaubnisirrtum: A befand sich in einem Erlaubnisirrtum.75 2. Vermeidbarkeit des Erlaubnisirrtums: Es stellt sich hier die Frage, ob dieser Irrtum vermeidbar war.76 A befand sich ähnlich wie S in einer extremen Entscheidungssituation. A hätte sich jedoch zumindest mit anderen Kollegen besprechen können. Er hätte bei genauerem Nachdenken erkennen müssen, dass man nicht einfach einen bereits an den Respirator angeschlossenen Patienten wieder abschließen kann. Hierfür spricht, dass er als Arzt auch eine gewisse rechtliche Ausbildung durchlaufen hat. A hat auch nicht wie S auf eine zuverlässige Person vertraut. Somit war der Irrtum vermeidbar. A handelte also schuldhaft. IV. Ergebnis: A ist gemäß §§ 212, 13 I, 26 strafbar. C.) 3.Tatkomplex: Tödliche Spritze A. Strafbarkeit der S gem. § 212 I: S könnte sich durch die Verabreichung der Spritze des Totschlages gemäß § 212 I strafbar gemacht haben. I. Tatbestandsmäßigkeit: 71 LK/Roxin § 26 Rn.11. Tröndle/Fischer § 26 Rn. 5-7. 73 Wessels/ Beulke Rn. 572. 74 Vgl. oben: B.) A. III. 1. - 3. 75 Vgl. oben: B.) A. IV. 1. - 3. (Gründe für Erlaubnisirrtum) 76 Die Vermeidbarkeit richtet sich nach den oben (B.)A.IV.4.) genannten Kriterien. (B.)A.IV.4.) 72 13 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 59 - JURA NOT ALONE! 1. objektiver Tatbestand: Mit der Verabreichung der Lösung und dem daraufhin eintretenden Tod des B hat S den objektiven Tatbestand des Totschlages erfüllt. 2. subjektiver Tatbestand: a) Vorsatz: S handelte mit bedingtem Vorsatz.77 Dieser ist ausreichend. b) Vorsatzausschluss gemäß § 16 I 1: Der Vorsatz könnte aufgrund eines Tatbestandsirrtums gemäß § 16 I 1 entfallen. Hierfür müsste S bei Begehung der Tat einen Umstand nicht gekannt haben, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört. Dieser könnte darin zu sehen sein, dass S irrig annimmt, dem K und nicht dem B die Spritze zu verabreichen. Sie irrt demnach über die Identität des Opfers.78 S möchte aber den im Bett liegenden Menschen die Spritze geben. Somit handelte sie mit individualisiertem Tötungsvorsatz. Die Kenntnis der Identität ist hierbei kein erforderlicher Tatumstand.79 Der error in persona stellt somit einen rechtlich unbeachtlichen Motivirrtum dar. c) Irrtum nach § 16 II: Stellt sich der Täter Umstände vor, die den Tatbestand eines milderen Gesetzes erfüllen würden, wird er nach dem milderen Gesetz gut! bestraft.80 S hat sich vorgestellt, dass sie K aufgrund dessen ernstlichen Verlangens töten soll. S muss also bei rechtswidrig und schuldhaft begangener Tat nicht wegen § 212, sondern wegen § 216 bestraft werden. II. Rechtswidrigkeit: 1. Erklärte und Mutmaßliche Einwilligung: Weder B noch K haben sich gegenüber S über den eigenen Todeswunsch geäußert. Eine Rechtfertigung aufgrund erklärter Einwilligung ist daher nicht möglich. Fraglich ist jedoch, ob eine mutmaßliche Einwilligung des B anzunehmen ist. Allerdings handelt es sich bei der Inkaufnahme des eigenen Todes weder um ein disponibles Rechtsgut noch bestehen irgendwelche Anzeichen dafür, dass B den eigenen Tod gewollt hat. Eine Rechtfertigung der S aufgrund von mutmaßlicher Einwilligung ist deshalb ebenso zu verneinen. 2. Zwischenergebnis: Es liegt kein Rechtfertigungsgrund vor. III. Entschuldigungsgründe: 77 BGHSt 14,193;Lackner/ Kühl §212Rn.3;Sch/Sch/Eser §212Rn.5. error in persona vel objecto: Kühl AT, § 13 Rn.23; Roxin AT §12 Rn.173ff. 79 Roxin TuT S.214; Jescheck/Weigend §29; Sch/Sch/Cramer §15 Rn.59. 80 Lackner/Kühl, § 16 Rn.6. 78 14 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 60 - JURA NOT ALONE! Verbotsirrtum, § 17: 1. Direkter Verbotsirrtum: Die Schuld der S könnte nach § 17 S.1 ausgeschlossen sein. S ging zu Unrecht davon aus, dass ihr Tun erlaubt war. Sie irrte über das Verbotensein von aktiver Sterbehilfe. Dies stellt einen den Vorsatz nicht ausschließenden, direkten Verbotsirrtum dar, der nach § 17 zu behandeln ist. 2. Vermeidbarkeit: Es ist weiterhin entscheidend, ob der Irrtum der S vermeidbar war. S hatte genügend zeitlichen Entscheidungsspielraum, folglich hätte sie sich eine Rechtsauskunft entweder bei einem anderen Arzt oder einem Vormundschaftsgericht einholen müssen.81 Sie hätte durch eigenes Nachdenken, schon aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung, darauf kommen müssen, dass aktive Sterbehilfe nicht erlaubt sein kann. Der Irrtum war demnach vermeidbar. S handelte somit schuldhaft. IV. Ergebnis: Der Schuldausschließungsgrund des § 17 S.1 greift nicht ein. Eine Strafmilderung gemäß § 49 I ist möglich. S ist strafbar nach § 216.82 B. Strafbarkeit des A 1. Strafbarkeit des A gemäß §§ 212, 25 I Alt.2: A könnte sich wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft gemäß §§ 212, 25 I Alt.2 strafbar gemacht haben, indem er die Tat durch S beging. I. Tatbestandsmäßigkeit: 1. objektiver Tatbestand: Zu prüfen ist, ob A den objektiven Tatbestand der mittelbaren Täterschaft verwirklicht hat. a) Verwirklichung des objektiven Tatbestandes durch S: Dazu müsste der „Vordermann“ (S) den objektiven Tatbestand des Totschlages begangen haben. Selbiges ist, wie bereits gezeigt, geschehen.83 b) Tätereigenschaften des A: Weiterhin müsste A Täter sein. Es stellt sich die Frage nach welchen Kriterien die Abgrenzung zwischen mittelbarer Täterschaft und Teilnahme erfolgt. aa) Gemäßigte subjektive Theorie: Die gemäßigt subjektive Theorie84 stellt auf die innere Einstellung der Beteiligten ab.85 Täter sei demnach derjenige, der den Täterwillen (animus 81 Schöch NStZ 1995, S. (153, 156). Vgl. oben: C.) A. 1. I. 2. c). 83 Vgl. oben: C.) A. I. 1. 84 Baumann JuS 1963, S.88 ff; RGSt 2, 160; BGHSt 2, 150. ? 85 Vgl. BGHSt 6, 226, 228. 82 15 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 61 - JURA NOT ALONE! auctoris) habe und die Tat als eigene wolle. Teilnehmer sei wer nur Teilnehmerwille (animus socii) habe.86 Der geistige Beitrag der Hintermänner würde nur so ausreichend beachtet.87 A hatte den eigenständigen Willen K zu töten, demnach wäre A hier mittelbarer Täter. bb) Täterschafts- (materiell- objektive) Theorie: Eine andere Meinung88 stellt darauf ab, dass Täter derjenige sei, der die Tatausführung beherrscht.89 Maßgeblich seien hierbei Steuerungswille und sachliches Gewicht des Tatanteils.90 Der Täter müsse die Zentralfigur sein und über das Ob und das Wie der Tat entscheiden können.91 Danach genügt es also nicht jede beliebige Mitverursachung der tatbestandsmäßigen Handlung als täterschaftsbegründend anzusehen.92 Nur die Vornahme begründe eine Täterschaft. A wusste, dass aktive Sterbehilfe verboten ist. Er hatte also einen Wissensvorsprung zur S. Ebenso hielt er es in den Händen, dass die Tat überhaupt stattfand und wie sie stattfinden sollte. A besaß also die Tatherrschaft und wäre somit hiernach mittelbarer Täter. cc) Stellungnahme: Ein Täterwille als psychisch greifbare Realität existiert nicht, demnach ist die rein subjektive Theorie nicht vertretbar. Sie führt dazu, Aufbau Sie müssen beides integriert prüfen! dass eine Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme im Ermessen des Richters liegt.93 Zu folgen ist der Tatherrschaftslehre, welche zutreffend objektive und subjektive Elemente mit einbezieht. Also ist A mittelbarer Täter. 2.Auswirkungen des Verbotsirrtums auf die mittelbare Täterschaft: S handelte innerhalb eines durch A herbeigeführten vermeidbaren Verbotsirrtums. Fraglich ist, ob eine defekte aber in Verantwortung geführte Täterschaft des Vordermanns, mittelbare Täterschaft des Hintermanns überhaupt zulässt. a) Strenge Verantwortungstheorie94: Dieser Ansicht zur Folge liege eine mittelbare Täterschaft nur dann vor, wenn sich das Werkzeug innerhalb eines unvermeidbaren Verbotsirrtums befände.95 86 Vgl. BGHSt 4, 20, 21; Baumann/Weber/Mitsch § 29 Rn. 59f. Baumann/Weber/Mitsch § 29 Rn.59 f. 88 Haft AT S.191;Kühl AT § 20 Rn 25 ff; LK/Roxin § 25 Rn.7. 89 LK/Roxin, § 25 Rn.28 ff; Jescheck/Weigend § 61 IV; Kühl AT § 20 Rn. 41. 90 Jescheck/ Weigend § 61 IV. 91 Roxin TuT, § 25 Rn.28; Sch/Sch/Cramer Vor §§ 25 ff. Rn. 70. 92 Jescheck/Weigend § 61 IV. 93 Jescheck/Weigend S. 61 IV. 3.). 94 Rotsch, ZStW 112 (2000), S. 525 ff; Gallas, S.134; Jescheck/Weigend § 62 II5. 95 Bottke JuS 1992 S. 765 (768f.). 87 16 - 62 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! Einen Täter hinter dem im vermeidbaren Verbotsirrtum handelnden Täter gäbe es demnach nicht.96 Für A käme folglich nur eine Anstifterrolle in Betracht. b) Eingeschränkte Verantwortungstheorie:97 Nach dieser Meinung würde ein vermeidbarer Verbotsirrtum die Werkzeugeigenschaft des Vordermanns, der verantwortlicher Täter sei, nicht ausschließen.98 Folglich müsste man nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien zwischen mittelbarer Täterschaft und Teilnahme entscheiden. c) Stellungnahme: Das Verantwortungsprinzip würde den Bereich der mittelbaren Täterschaft ohne zwingenden Grund zu sehr beschneiden. Bei Mit- oder Nebentäterschaft Vergleich mit § 16 I fehlt! ist es durchaus möglich, dass Tatherrschaft und Verantwortung geteilt werden. Deshalb scheint es wenig sinnvoll, im Verhältnis Hinter- und Vordermann nur vertretbar einem die Verantwortlichkeit zu zustehen. Demzufolge ist die strenge Verantwortungstheorie abzulehnen und der eingeschränkten zu folgen. 3. subjektiver Tatbestand: A müsste Vorsatz bezüglich der Begehung des Totschlages an K in mittelbarer Täterschaft gehabt haben. Problematisch ist, dass S nicht K, sondern B getötet hat. Fraglich ist also, welche Auswirkungen dieser error in persona99 auf den Totschlagsvorsatz von A hat. a) Unbeachtlichkeit des error in persona: Einer Ansicht zufolge sei der error in persona des Vordermanns für den Vorsatz des Hintermanns unbeachtlich, wenn sich der Tatmittler an das vom mittelbaren Täter vorgeschriebene Programm gehalten hat.100 Zum Teil wird auch die Meinung vertreten, dass ein error in persona für den Hintermann immer unbeachtlich sei.101 Aufgrund der Angaben des Hintermanns sei dem Täter ja gerade ein solcher Fehler unterlaufen. Dies ist hier aber gerade nicht der Fall. S hat sich nicht an den Plan von A gehalten. Der error in persona ist somit beachtlich und der Vorsatz zu verneinen. b) „Aberratio ictus“: Ein Großteil behandelt dies dagegen immer als „aberratio ictus“.102 Dies ist der Fall, wenn der Täter mit seiner Handlung nicht das 96 Jakobs NStZ 1995, S. 26f. Lackner/Kühl § 25 Rn.4; LK/Roxin § 25 Rn.87ff; Haft AT S.197. 98 Herzberg Jura 1990, S. 16 (22ff.); Schumann NStZ 1990, S.32 ff. 99 Vgl. Oben: C.) A. I. 2. b). 100 Jakobs AT Abschn. 21 Rn.106. 101 Tröndle/ Fischer § 26 Rn. 15. 102 Jescheck/Weigend § 64 II 4; LK/Roxin § 26 Rn. 90 ff. 97 17 - 63 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! anvisierte, sondern ein anderes Opfer trifft.103 So sei es auch beim error in persona des Vordermanns. Für den Hintermann agiere dieser wie ein mechanisches Werkzeug, welches danebentrifft.104 Dies führe dazu, dass der Tötungsvorsatz bezüglich der fälschlich getroffenen Person entfiele. Demzufolge hätte der A nicht vorsätzlich gehandelt. c) Stellungnahme: Letzterer Ansicht ist zu folgen. Die Unterscheidung des Handelns des Tatmittlers nach Plan überzeugt nicht. Es liegt hier vielmehr ein typischer Fall des aberratio ictus vor, folglich müssen die gleichen Regeln angewandt werden. Somit handelte A ohne Tötungsvorsatz. II. Ergebnis: Eine Strafbarkeit des A wegen Totschlags an B ist gemäß §§ 212, 25 I Alt.2 nicht begründbar. § 216, 22 23 wäre richtig gewesen! Diskutieren ob versuchte Anst./Anst. zum Versuch!! f 2. Strafbarkeit des A gemäß §§ 212, 25 I Alt.2, 22, 23 I an K: A könnte sich durch das Einwirken auf S eines versuchten Totschlages an K gemäß §§ 212, 25 I, 22, 23 I strafbar gemacht haben. I. Vorprüfung: Voraussetzung ist zunächst das Nichtvorliegen des vollendeten Delikts und die Strafbarkeit des Versuchs. K wurde nicht getötet. Somit ist die Tat nicht vollendet. Totschlag ist ein Verbrechen i.S.d. § 12 I und damit ist der Versuch gemäß § 23 I Hs.1 strafbar. II. Tatbestandsmäßigkeit: A hatte Vorsatz zu § 216 1. Tatentschluss: A müsste gemäß § 15 Vorsatz bezüglich der Tötung des K gehabt haben. A handelte mit bedingtem Vorsatz. Dieser ist ausreichend.105 2. Unmittelbares Ansetzen: A müsste gemäß § 22 zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt haben. Zu prüfen ist, wann bei mittelbarer Täterschaft das Versuchsstadium anfängt. a) Gesamtlösung: Einer Ansicht zufolge beginne der Versuch mit dem unmittelbaren Ansetzen106 des Werkzeuges zur Tatbestandsverwirklichung. Die Verlagerung auf einen früheren Zeitpunkt verkenne, dass der mittelbare Täter das Geschehen bis zur Begehung gerade nicht aus der Hand geben dürfe.107 S setzt jedoch nicht unmittelbar zur Tötung des K an, sondern verabreicht B die Spritze. Somit liegt nach dieser Ansicht kein Versuch vor. 103 Kühl AT § 13 Rn. 29; Roxin AT § 12 Rn. 149ff. Baumann/ Weber/ Mitsch § 21 Rn.15; Roxin TuT, S. 215. 105 BGHSt 14, S. 193; Lackner/Kühl § 212 Rn.3; Sch/Sch/Eser § 212 Rn.5. 106 LK/Vogel § 22 Rn.101; Gössel JR 1976, S.250; Küper JZ 1983; S. 361 (369). 107 Kadel GA 1983, S. 299 (307); Küper JZ 1983, S. 361 (369). 104 18 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 64 - JURA NOT ALONE! b)Einzellösung: Die Gegenansicht meint, dass ein Versuch bereits dann vorliege, wenn der Hintermann auf den Tatmittler einzuwirken beginne oder dies versuche.108 Dies mache schließlich den Tatbeitrag des Hintermannes aus.109 Diese Festsetzung der Versuchsgrenze müsse also unabhängig vom Verhalten des Werkzeuges betrachtet werden.110 A hat auf S eingewirkt und sie losgeschickt, um K die tödliche Spritze zu setzen. Er hat demnach seinen Tatbeitrag erfüllt. Es liegt unmittelbares Ansetzen vor. c) Vermittelnde Ansicht: Vermittelnde Ansichten berücksichtigen die Gut- oder Bösgläubigkeit des Tatmittlers.111 Dabei wird darauf abgestellt, ob der mittelbare Täter das Geschehen aus der Hand gegeben hat oder das Opfer unmittelbar gefährdet.112 A hat durch sein Einwirken auf S seinen Tatbeitrag erfüllt. Er geht davon aus, dass S den K tötet. Er glaubt also, dass dieser einer unmittelbaren Gefahr ausgesetzt ist. Demnach liegt ein Versuch vor. d) Stellungnahme: Der Strafgrund des Versuches ist der Handlungsunwert und nicht die unmittelbare Rechtsgutsgefährdung.113 Folglich kann dafür das Verhalten des Tatmittlers nicht entscheidend sein. Die Gesamtlösung ist daher abzulehnen. Nach den anderen Ansichten liegt ein Versuch vor. III. Rechtswidrigkeit: A handelte mangels Rechtfertigungsgründe rechtswidrig. IV. Schuld: A handelte auch schuldhaft. V. Ergebnis: A hat sich eines versuchten Totschlages in mittelbarer Täterschaft an K gemäß §§ 212 I, 25 I Alt.2, 22, 23 I strafbar gemacht. Eine Milderung nach §§ 23 II und 49 I ist möglich. 3. Strafbarkeit des A gemäß § 222, 25 I Alt.2, 15: Weiterhin kommt durch das Einwirken auf die S eine fahrlässige Tötung des B gemäß §§ 222, 25 I Alt. 2 in Betracht. I. Vorprüfung: Voraussetzung ist zunächst das Nichtvorliegen eines vorsätzlichen. Begehungsdeliktes. Aufgrund des aberratio ictus114 ist dies der Fall. Die geforderte Strafbarkeit folgt aus §§ 222, 25 I Alt.2, 15. II. Tatbestandsmäßigkeit: 108 Jakobs AT Abschn. 21 Rn.105; Schilling, S.32. Baumann/Weber/Mitsch § 29 Rn. 155. 110 Schilling, S.112. 111 Jakobs AT Abschn.21 Rn.105. 112 Sch/Sch/Eser § 22 Rn. 54a; LK/Roxin § 25 Rn.106. 113 Dies zeigt auch § 23 III. Hier muss die Strafe nämlich nicht gemildert werden. 114 Vgl. oben: C.) B. 1. II. 2. b), c). 109 19 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 65 - JURA NOT ALONE! 1. Tatbestandsverwirklichung durch A: Mit dem Einwirken auf S und dem daraus resultierenden Tod des B hat A den Tatbestand der Tötung erfüllt. 2. Fahrlässigkeit: A müsste fahrlässig, also objektiv pflichtwidrig gehandelt haben.115 Für A war es aber nicht vorhersehbar, dass S das Opfer verwechseln würde. Ihm kann kein Vorwurf gemacht werden. Er handelte nicht fahrlässig. III. Ergebnis: Eine Strafbarkeit gemäß §§ 222, 25 I Alt. 2, 15 scheidet aus. 4.Strafbarkeit des A gemäß § 216 II, 25 I Alt.2, 22, 23 I Hs. 1: A könnte sich durch das Einwirken auf S einer versuchten Tötung auf Verlangen strafbar gemacht haben, §§ 216, 25 I Alt.2, 22, 23 I. I. Vorprüfung: Strafbarkeit des Versuchs (§ 216 II) und Nichtvollendung des Delikts liegen vor. II. Tatbestandsmäßigkeit: 1. Tatentschluss: A handelte mit Vorsatz116 bezüglich des Tötungserfolges und jetzt verdoppeln Sie den Vorsatz des A zu Unrecht! Er wollte nur 1 Person töten (vgl. oben) des ausdrücklichen und ernsthaften Verlangens des K. 2. objektiver Tatbestand: a) Unmittelbares Ansetzen: A müsste zur Tötung des K bereits unmittelbar angesetzt haben. Hierzu ist das Einwirken des A auf S ausreichend. b) Ernstliches Verlangen: Fraglich ist, ob A durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen117 des K zur Tötung bestimmt worden ist. § 216 erfordert also mehr als eine Einwilligung.118 K hat in nicht misszuverstehender und ausdrücklicher Weise i.S.d. § 216 von A verlangt getötet zu werden. Dies tat er bei klarem Bewusstsein. Dieses Verlangen war für A auch motivierend. III. Rechtswidrigkeit: Rechtfertigender Notstand § 34: Einer Ansicht zufolge kann eine Rechtfertigung aus § 34 in extremen Ausnahmefällen legitimiert werden.119 Hierzu müsste das Weiterleben für den Sterbewilligen unerträglich sein.120 Auch nach außen darf diesbezüglich kein Zweifel bestehen.121 Dies ist hier der Fall. Fraglich ist, ob sich der Sterbewille 115 Kühl AT § 17 Rn. 22 ff.; Haft AT S. 163. Tröndle/Fischer § 216 Rn.3; Sch/Sch/Eser § 216 Rn.3. 117 Tröndle/Fischer § 216 Rn. 7; Sch/Sch/Eser §216Rn.3 ff.; Chatzikostas S. 50f. 118 RGSt 68, S. 306 (307). 119 Merkel S. 413, (419-425); Chatzikostas S. 320-327. 120 MünchKomm § 216 Rn. 54. 121 Objektivierbarkeit d. Unerträglichen: Merkel,S.422f;MünchKomm§216Rn.54. 116 20 - 66 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! des K auch hätte anders realisieren lassen.122 Laut Sachverhalt lässt sich nicht ausschließen, dass es K möglich gewesen wäre, sich selbst zu töten. Bei einer solchen Möglichkeit hätte A den K auf die Selbsttötung verweisen müssen. A handelte demnach rechtswidrig IV. Schuld: A handelte auch schuldhaft. V. Ergebnis: A hat sich der versuchten Tötung auf Verlangen gemäß §§ 216, 25 I Alt.2, 22, 23 I strafbar gemacht. Eine Strafmilderung nach §§ 23 II, 49 I ist möglich. § 212 ist gar nicht gegeben (s.o.) Folgefehler! VI. Konkurrenzen: Eine Strafbarkeit nach §§ 212 I, 25 I Alt.2, 22, 23 I wird hier durch den spezielleren Tatbestand des §§ 216 II, 25 I Alt.2, 22, 23 I verdrängt. VII. Gesamtergebnis: A ist gemäß §§ 216 II, 25 I Alt.2, 22, 23 I zu bestrafen. Hiermit versichere ich, diese Hausarbeit selbständig und ohne fremde Hilfe erstellt zu haben. Tübingen, den 17.10.04 XXX (Unterschrift) Sehr geehrter Herr Mustermann, ihre Arbeit ist Ihnen gut gelungen, aufgrund von kleinen „Schnitzern“ kann sie jedoch „nur“ mit „gut“ bewertet werden. Im 1. TK bieten Sie eine umfassende Lösung an, lediglich § 224 I Nr. 5 erscheint etwas konstruiert. Im 2. TK bejahen Sie bei S § 17 vorschnell. Bei A hätten sie § 25 I 2. Var nicht so, wie sie es getan haben, ablehnen dürfen. Im 3. TK verdoppeln sie unzutreffend den Vorsatz des Arztes und nehmen § 212 … an. Dennoch ist ihre Arbeit überaus erfreulich gut! 13 Punkte - gut 122 MünchKomm § 216 Rn. 56; Merkel S.426; Chatzikostas S.324. 21 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 67 - Martin Mustermann Wilhelmstr. 7 72074 Tübingen Mat.Nr.: 1234567 3. Fachsemester JURA NOT ALONE! Tübingen, den 3. Oktober 2003 Übung im öffentlichen Recht für Anfänger 1. Hausarbeit bei Prof. Dr. Wolfgang Graf Vitzthum im WS 2003/2004 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 68- Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Graf Vitzthum JURA NOT ALONE! Wintersemester 2003/2004 Priv. – Doz. Dr. Felix Hammer Übung im Öffentlichen Recht für Anfänger 1. Hausarbeit Angenommen, in Durchführung eines Beschlusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (VN) sollen VN- Waffeninspektoren Anlagen des fernöstlichen Staates S auf die ihm verbotene Herstellung, Lagerung und Weitergabe von Massenvernichtungswaffen hin überprüfen. Da S, obwohl Mitglied der VN, den Inspektoren die Einreise verweigert, fasst der VN- Sicherheitsrat einen zweiten Beschluss, wonach die Einreise der Inspektoren und der Zutritt zu allen Anlagen des Staates S durch ein Handelsund Waffenembargo erzwungen werden soll. In der Folge kommt es- nach Aufforderung durch die VNzur Überwachung des Embargos durch Seestreitkräfte der NATO. Auf Beschluss der zuständigen deutschen Organen beteiligen sich auch drei- unter deutschem Kommando verbleibende- Kriegsschiffe der Bundesmarine an dieser Embargoüberwachung. Da insbesondere im Hinblick auf den Verfassungsvorbehalt des Art. 87 a Abs. 2 GG in der Öffentlichkeit Zweifel daran geäußert werden, dass sich im Grundgesetz eine Ermächtigung für einen solchen Auslandseinsatz der Bundeswehr findet, soll ein Rechtsgutachten diese Frage klären. Aufgabe 1 Erstellen Sie das Rechtsgutachten! Dabei ist weder auf den Problemkreis einzugehen, ob bei dem Auslandseinsatz der Bundeswehr danach zu differenzieren ist, ob er inner- oder außerhalb des NATOGebiets stattfand, noch sind Rechtsfragen der Weiterentwicklung des NATO- Vertrags (inklusive etwaiger Beteiligungsrechte des Bundestags) zu behandeln. Ebenso wenig sind Aspekte des Abschnittes X a des Grundgesetzes zu untersuchen. Alle übrigen aufgeworfenen Rechtsfragen sind zu erörtern, ggf. hilfsgutachtlich. Weiter angenommen, es kommt bei dem Einsatz des deutschen Kontingents zu schweren Verlusten und der deutsche Bundestag fasst mit einfacher Mehrheit den Beschluss, die deutschen Kriegsschiffe zurückzurufen. Daraufhin weigert sich die Bundesregierung, diesem parlamentarischen „RückholBeschluss“ Folge zu leisten. Der Bundestag sieht in der Weigerung der Bundesregierung eine Verletzung seiner verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte und will gerichtlich vorgehen. Aufgabe 2 Prüfen Sie rechtsgutachtlich, ob und ggf. wie und mit welchen Erfolgsaussichten der Bundestag vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Weigerung der Bundesregierung, dem parlamentarischen „RückholBeschluss“ Folge zu leisten, vorgehen kann. Aspekte des Abschnittes X a des Grundgesetzes sind dabei nicht zu behandeln. Alle übrigen aufgeworfenen Rechtsfragen sind zu erörtern, ggf. hilfsgutachtlich. Weiter angenommen, während jenes Embargoeinsatzes der Bundesmarine verstärken sich die Proteste in Teilen der Bevölkerung gegen die „Militarisierung der deutschen Außenpolitik“. Auf Demonstrationen wird immer lautstärker gefordert, Deutschland solle sich auch im VN- oder NATO- Rahmen nicht militärisch engagieren. Daher bringen die Regierungsfraktionen beim Bundestag eine Gesetzesvorlage ein, die vorsieht, dass vor der Entscheidung der zuständigen deutschen Organe über einen Auslandseinsatz der Bundeswehr jeweils eine konsultative Volksbefragung durchzuführen ist. Wegen des bereits erreichten europäischen Integrationsstandes sollen neben den wahlberechtigten Deutschen auch die Angehörigen der anderen EU- Mitgliedstaaten („Unionsbürger“) teilnahmeberechtigt sein, sofern sie nach der Art. 19 Abs. 2 des Vertrages zu Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG- Vertrag) i.V.m. I ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 69- JURA NOT ALONE! § 6 Abs.3 des Gesetzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europawahlgesetz) bei den Wahlen zum Europäischen Parlament wahlberechtigt sind. Nach Inkrafttreten dieses Volksbefragungsgesetzes erwägt die Regierung des Landes BadenWürrtemberg rechtliche Schritte gegen das Gesetz. Sie zweifelt bereits daran, dass eine lediglich konsultative Volksbefragung mit Art. 20 Abs. 2 GG vereinbar sei. Jedenfalls sei eine derartige Volksbefragung vom Grundgesetz bisher nicht vorgesehen; sie könne daher zumindest nicht, wie hier erfolgt, durch einfaches Gesetz eingeführt werden. Da es sich bei der staatlicherseits festgesetzten und organisierten Volksbefragung nicht um eine Meinungsumfrage handele, dürfe sie zudem nicht unter Beteiligung von Angehörigen anderer EU- Mitgliedstaaten durchgeführt werden. Aufgabe 3 In einem Rechtsgutachten ist zu untersuchen, wie und mit welchen Erfolgsaussichten die Landesregierung ihre Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Volksbefragungsgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen kann. Alle aufgeworfenen Rechtsfragen sind zu erörtern, ggf. hilfsgutachtlich. Hinweis für die Bearbeiter Die Arbeit ist am 15.10.2003 zu Beginn der Übungsstunde oder bis 10.00 Uhr am Lehrstuhl abzugeben (= Ausschlussfrist). Sie soll nicht mehr als 25 Seiten bei Schriftgröße 12 und 1, 5 fachem Zeilenabstand umfassen, wobei ein Korrekturrand von 7 cm freizuhalten ist. Bei Nichtbeachtung der Formatvorgaben ist mit Punktabzug zu rechnen. Dem Gutachten, das zu unterzeichnen ist, soll ein Fallbesprechungsschein beigelegt werden. II ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Abelein, Manfred - 70Literaturverzeichnis JURA NOT ALONE! „Die Rechtsstellung des Bundestagabgeordneten“ in: „Festschrift für Friedrich August Freiherr von der Heydte, zur Vollendung des 70. Lebensjahres“, Berlin 1977 zitiert: Abelein, in: FS für A. von der Heydte, Fundstelle Anschütz, Gerhard „Die Verfassung des Deutschen Reichs“ Neudruck der 14. Auflage, Aalen 1987 zitiert: Anschütz, Fundstelle Arndt, Claus „Bundeswehreinsatz für die UNO“ Die öffentliche Verwaltung (DöV), 1992 zitiert: Arndt, DöV 1992, Fundstelle Bachmann „Die Verfassungsmäßigkeit von Bundeswehreinsätzen im Ausland“ Monatschrift für Deutsches Recht (MDR), 1993 zitiert: Bachmann, MDR 1993, Fundstelle Bähr, Biner Kurt „Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der Vereinten Nationen“ Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) Heft 3, 1994 zitiert: Bähr, ZRP 1994, Fundstelle Benda, Ernst & Lehrbuch des Verfassungsprozessrechts Klein, Eckart 2. Auflage, Heidelberg 2001 zitiert: Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, Fundstelle Bleckmann, Albert „Grundgesetz und Völkerrecht“ Berlin 1975 zitiert: Bleckmann, Grundgesetz, Fundstelle Bleckmann, Albert „Die Zulässigkeit des Volksentscheides nach dem Grundgesetz“ Juristenzeitung (JZ), 1978 zitiert: Bleckmann, JZ 1978, Fundstelle III - 71„Einsatz der Bundeswehr im Ausland?“ ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Boldt, Hans JURA NOT ALONE! Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP), 1992 zitiert: Boldt, ZRP 1992, Fundstelle Bonner Kommentar Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Loseblatt) Band 4, 50. 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Band III, Lieferung 1- 42; Stand: Februar 2003 zitiert: Maunz/Dürig/Herzog, Fundstelle Mössner, Jörg Manfred „Bundeswehr in blauen Helmen“ in: „Festschrift für Hans Jürgen Schlochauer“ Berlin 1981 zitiert: Mössner, in: FS für Schlochauer, Fundstelle Nolte, Georg „Bundeswehreinsätze in kollektiven Sicherheitssystemen“ Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) Band 54, 1994 zitiert: Nolte, ZaöRV 1994, Fundstelle Pechstein, Matthias „Der Golfkrieg“ Jura 1991 zitiert: Pechstein, Jura 1991, Fundstelle Riedel, Norbert „Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland- verfassungs- und völkerrechtliche Schranken“ Frankfurt am Main 1989 zitiert: Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte, Fundstelle Riedel, Norbert „Die Entscheidung über eine Beteiligung der Bundeswehr an militärischen Operationen der UNO“ Die öffentliche Verwaltung (DöV), 1993 zitiert: Riedel, DöV 1993, Fundstelle Risse, Horst „Das Verhältnis der UN- Truppen zu den Vereinten Nationen, zu den Entsende- und Aufnahmestaaten“ in: Ernst Koch, „Die Blauhelme“ Frankfurt am Main 1991 zitiert: Risse, Vereinte Nationen, Fundstelle VII - 75JURA NOT ALONE! „Bewaffnete Auslandseinsätze- Krieg, Außenpolitik oder Innenpolitik?“, ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Roellecke, Gerd Der Staat, 1995 zitiert: Roellecke, Der Staat 1995, Fundstelle Rudolf, Walter „Völkerrecht und deutsches Recht“ Tübingen 1967 zitiert: Rudolf, Völkerrecht, Fundstelle Sachs, Michael Kommentar zum Grundgesetz, 3. 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Einsätze im In- und Ausland ......................................................1 a) Wortlaut..................................................................................1 b) Systematik ..............................................................................2 c) Genese ....................................................................................3 d) Sinn und Zweck der Regelung ..............................................3 4. Ergebnis......................................................................................4 II. Der Begriff der Streitkräfte im Sinne des Art. 87 a II ...................4 III. „Einsetzen“ der Streitkräfte im Sinne des Art. 87 a II .................4 a) Stellungnahme ........................................................................5 IV. „Verteidigung“ im Sinne von Art. 87 a GG .................................5 1. Auslegung des Wortlautes..........................................................5 2. Systematische Auslegung...........................................................6 a) Extensive Auslegung des Verteidigungsbegriffs ...................6 b) Friedenstheorie.......................................................................6 c) Systemtheorie .........................................................................7 d) Bündnistheorie .......................................................................8 3. Zwischenergebnis .......................................................................8 V. Erfordernis der Ausdrücklichkeit gemäß Art. 87 a II....................9 B. Vereinbarkeit mit Art. 24 II..........................................................10 I. Einordnung in ein System gegenseitiger politischer Sicherheit....10 1. System gegenseitiger kollektiver Sicherheit ............................10 2. Art. 24 II als Grundlage für Streitkräfteeinsätze ? ...................10 3. Art. 24 II als „ausdrückliche“ Zulassung i.S.v. Art. 87 a II ?...12 a) Wortlaut- Interpretation........................................................12 b) Genetische Interpretation .....................................................12 c) Systematisch- teleologische Interpretation...........................13 C. Gesamtergebnis zu Aufgabe 1 ......................................................13 Aufgabe 2 13 Hat der Antrag des Bundestages Aussicht auf Erfolg?.......................13 A. Zulässigkeit des Antrages .............................................................14 XII ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 79 I. Parteifähigkeit ...............................................................................14 JURA NOT ALONE! II. Antragsbefugnis ...........................................................................14 III. Form und Frist ............................................................................14 IV. Zwischenergebnis.......................................................................15 B. Begründetheit .................................................................................15 I. Parlamentsvorbehalt nach Art. 59 II 1?.........................................15 II. Wehrverfassungsrechtlicher Parlamentsvorbehalt.......................15 III. Parlamentarische Rückholbefugnis ............................................17 1. Stellungnahme ..........................................................................19 2. Ergebnis....................................................................................20 C. Gesamtergebnis zu Aufgabe 2 ......................................................20 Aufgabe 3 20 Abstrakte Normenkontrolle ..................................................................20 A. Zulässigkeit.....................................................................................20 I. Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts ..............................20 II. Prüfungsgegenstand .....................................................................20 III. Antragberechtigung, Art. 93 I Nr. 2, § 76 BVerfGG .................21 IV. Antragsbefugnis .........................................................................21 V. Zwischenergebnis ........................................................................21 B. Begründetheit des Normenkontrollantrags.................................22 I. Formelle Verfassungsmäßigkeit....................................................22 1. Gesetzgebungskompetenz ........................................................22 a) Ergebnis................................................................................22 Wenn Sie a) schreiben muss auch ein b) folgen II. Materielle Verfassungsmäßigkeit ................................................22 1. Zulässigkeit der Einführung konsultativer Volksbefragungen.22 a) Das Prinzip der Volkssouveränität gemäß Art. 20 II 1 ........22 b) Der Begriff der „Abstimmungen“ (Art. 20 II 2) ..................23 c) Verfassungsvorbehalt ...........................................................24 d) Außerparlamentarischer Druck ............................................25 e) Ergebnis................................................................................26 2. Zulässigkeit der Wahlbeteiligung von EU- Bürgern ................26 a) Ergebnis................................................................................27 C. Gesamtergebnis zu Aufgabe 3 ......................................................27 XIII Siehe oben - 80 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! Aufgabe 1 Rechtsgutachten über den Außeneinsatz der Bundeswehr A. Vereinbarkeit mit Art. 87 a II GG1 Fraglich ist zunächst, ob eine Beteiligung der Bundesmarine mit Kriegsschiffen an den VN- und NATO- Aktionen im Staate S, dem Regelungsbereich des Art. 87 a II unterfällt. I. Geltungsbereich des Art. 87 a II 1. Einsätze im Inneren Eine Ansicht beschränkt den Regelungsbereich des Art. 87 a II auf Einsätze der Bundeswehr im Inneren der Bundesrepublik Deutschland2. Auslandseinsätze wären folglich nicht von Art. 87 a II erfasst. Vielmehr unterlägen diese neben den völkerrechtlichen Bedingungen nur dem allgemeinen Verfassungsverbot eines Angriffskrieges aus Art. 26 I. Eine Verwendung der Bundesmarine im Rahmen der Embargoüberwachung wäre demnach zulässig, da eine Vorbereitung oder gar eine Führung eines Angriffskrieges im Sinne des Art. 26 I nicht vorläge. Erlaubt wäre daher im Einzelfall sogar eine militärische Nothilfemaßnahme zugunsten eines angegriffenen Staates. 2. Einsätze im In- und Ausland Eine zweite Ansicht präferriert indes eine weite Auslegung von Art. 87 a II. Sie sieht in Art. 87 a II eine Regelung, die neben Inlandseinsätzen auch Auslandeinsätze deutscher Streitkräfte enthält3. Als Begründung wird angeführt, dass die Verwendung der Bundeswehr „zur Verteidigung“, nicht unter den Begriff der inneren Angelegenheiten subsumiert werden könnte4. 3. Stellungnahme Für den Verlauf der unterschiedlichen Prüfung von Konsequenzen, mit großer Bedeutung sind die denen den beide Ansichten Auslandseinsatz deutscher Soldaten insgesamt für von der Verfassung geregelt bzw. ungeregelt halten. Eine Lösung der unterschiedlichen Gedankenansätze soll daher eine Normanalyse bringen. a) Wortlaut 1 Artikel ohne Gesetzesangaben sind solche des Grundgesetzes (GG). Pechstein, Jura 1991, 461; Stein, Zulässigkeit, S. 17. 3 Wild, DÖV 2000, 622 (623). 4 Wild, DÖV 2000, 622 (624). 2 1 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 81 Ein geringer Teil des Schrifttums billigt Art. 87 a II lediglich eine beschränkte Tragweite sachlicher Art zu5. Grund hiefür sei die Formulierung „Außer zur Verteidigung“. Demnach hätte der Gesetzgeber einen genaueren Wortlaut, wie: „ Die Bundeswehr darf nur zu Verteidigungszwecken eingesetzt werden“, benutzt, wenn er beabsichtigt hätte auch Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte zu begrenzen. Die tatsächliche Bezeichnung „ Außer zur Verteidigung“ sei demnach vielmehr dahingehend zu verstehen, dass die Norm eine Regelung des Einsatzes deutscher Streitkräfte nicht beinhalte6. Eine solche Auslegung würde jedoch den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ignorieren. Sowohl in Absatz 1 als auch in Absatz 2 ist der Begriff der Verteidigung ohne Einschränkung und Qualifizierung in den Vordergrund gestellt7. Art. 87 a II enthält sich vielmehr gerade eines Vorbehaltes wie „im Inneren“ oder „im Bundesgebiet“. Der militärische Außeneinsatz deutscher Streitkräfte stellt nicht nur eine Frage des Völkerrechts dar, sondern hat ebenfalls erhebliche nationalrechtliche Aspekte8. Daher sei die Einführung eines Vorbehalts notwendig. Selbst im Falle der Erfordernis eines engen Bezugs der Verteidigungsanstrengungen zur Bundesrepublik könnte nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Verteidigung Deutschlands in einer Krisensituation, nur auf das eigene Territorium beschränkt9. Die Anerkennung des Weltfriedens sowie der internationalen Sicherheit als mögliches Schutzgut eigener Verteidigungshandlungen vorausgesetzt, ergibt sich dies bereits aus der militärischen Notwendigkeit. Ein sprachlich objektives Verständnis des Art. 87 a II spricht insofern deutlich für eine abschließende Normierung des Auftrages der Bundeswehr im In – und Ausland. b) Systematik Das Grundgesetz ordnet Art. 87 a II in das VIII. Kapitel ein, in welchem vor allem Kompetenzen von Bund und Ländern im Verwaltungsbereich abgegrenzt werden. Sie wird durch Art. 87 und 87 b von Vorschriften über die bundeseigene Verwaltung eingerahmt. Art. 87 a II könnte daher systematisch im Zusammenhang mit den Absätzen 3 und 4 zu lesen sein, die lediglich den Einsatz der Streitkräfte im Inneren der Bundesrepublik regeln. 5 Stein, Zulässigkeit, S. 25. Stein, Zulässigkeit, S. 25. 7 Bleckmann, Grundgesetz, S. 167. 8 Burmester, NZWehrR 1993, 133 (134). 9 Gornig, JZ 1993, 123 (124). 6 2 JURA NOT ALONE! ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 82 Für eine einschränkende Auslegung des Art. 87 a II könnte daher die systematische Stellung der Norm im Grundgesetz sprechen10. Auf Grund seiner vielen Affinitäten und des damit einhergehenden fehlenden systematischen Gedankenansatzes, kann Art. 87 a jedoch nicht als Interpretationsmaßstab im System der Verfassung dienen11. c) Genese Art. 87 a II wurde als Nachfolgerregelung des 1956 auf Grund der „Wehrnovelle“ in die Verfassung aufgenommenen und 1968 gestrichenen Art. 143, der die Verwendung der Streitkräfte im Falle eines inneren Notstandes regeln sollte, in das Grundgesetz aufgenommen12. Auch in der Entwurfsvorlage zur 76. Sitzung des Rechtsausschusses vom 15. März 1968 war eine Verwendung der Streitkräfte im Innern ausdrücklich festgelegt13. Jedoch wurde im endgültigen schriftlichen Bericht des Ausschusses vom 9. Mai 1968 unmissverständlich festgelegt, alle Bestimmungen über den Einsatz der Streitkräfte, also auch die über einen Einsatz der Streitkräfte im Innern, in Art. 87 a zusammenzufassen14. Dies verdeutlicht die Intention des Gesetzgebers,Art. 87 a II auf den Einsatz im In- und Ausland zu beziehen15. d) Sinn und Zweck der Regelung In Anbetracht des Vorgehens deutscher Streitkräfte während des zweiten Weltkrieges in Drittstaaten, erschiene es als nur schwer verständlich, wenn das Grundgesetz in Art. 87 a III selbst den Einsatz von deutschen Streitkräften zur innerstaatlichen Verkehrsregelung einer detaillierten verfassungsrechtlichen Regelung für wert hielt, den für Deutschland politisch heiklen und hochsensiblen Auslandseinsatz jedoch vollständig dem völkerrechtlichem Regime überließe16. Die Bundesrepublik hat sich 1949 vielmehr bewusst zu einem völkerrechtlich offenen Staat bekannt. Sie hat dadurch die Fesseln eines zu sehr nach innen gerichteten, national erhöhten Souveränitätsverständnisses, abgelegt. Sowohl die Präambel, als auch Art. 24 bis 26 und Art. 9 II bezeugen, dass Deutschland ein friedsames Land ist, welches sich von den Schandtaten des Nationalsozialismus distanzieren will17. Selbst im Falle, dass Außeneinsätze bei der Einfügung des Art. 87 a II nicht bedacht worden sein sollten, würde dies die Schlussfolgerung einer 10 Stein, Zulässigkeit, S. 24. Bähr, ZRP 1994, 97 (98). 12 Randelzhofer, in: Maunz/ Dürig/ Herzog, Art. 24 Abs. 2 Rn. 68. 13 Anlage 3 des Kurzprotokolls der Sitzung. 14 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses vom 9.5.1968, BT- Dr. V/ 2873, S. 12. 15 Arndt, DÖV 1992, 618 (619); BVerfGE 90, 286, 315. 16 Tomuschat, in: BK, Art. 24 Rn. 185; BVerfGE 90, 286 (316). 17 BVerfGE 47, 377 (382). 11 3 JURA NOT ALONE! ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 83 Freigabe der Auslandseinsätze, nicht rechtfertigen. Von der Verteidigung abweichende Einsätze, hat der Gesetzgeber nicht erwogen und damit auch nicht freigegeben18. Die Streitkräfte brauchen demnach eine konstitutive verfassungsrechtliche Zuständigkeits- und Befugniseröffnung. 4. Ergebnis Der weit verbreiteten Ansicht des Schrifttums, die Art. 87a II als die Darstellung der verfassungsjuristisch abschließenden und umfassenden Aufgabenbestimmung für deutsche Streitkräfteeinsätze im In- und Ausland betrachtet, ist zuzustimmen. II. Der Begriff der Streitkräfte im Sinne des Art. 87 a II Weiterhin müsste es sich für eine Anwendung des Art. 87 a II bei dem Einsatz zur Embargoüberwachung, um einen Einsatz deutscher Streitkräfte handeln. Der in Art. 87 a I und II aufgeführte Begriff der „Streitkräfte“ umfasst alle Teile und Kräfte der Bundeswehr. „Streitkräfte“ sind demnach also alle nach dem Befehlsprinzip organisierten militärische Verbände der Bundesrepublik Deutschland19. Laut Sachverhalt bleiben die Streitkräfte auch im Rahmen der Überwachung, des von den VN verhängten Embargos, unter deutschem Kommando. Somit handelt es sich weiterhin um deutsche Streitkräfte. Dies wäre nach weit verbreiteter Ansicht auch im Falle eines UN- Kommandos gegeben20. Als Begründung wird die Fortführung des persönlichen Status’ angeführt: Sowohl die Beförderung als auch die Besoldung würden sich für sie weiterhin nach nationalem Recht richten21. Lediglich ein Ausgliederungsresultat geriete unter internationales Recht22. Eine solche Ausgliederung unterläge jedoch allein dem innerstaatlichen Recht und damit letzten Endes auch Art. 87 a II23. III. „Einsetzen“ der Streitkräfte im Sinne des Art. 87 a II Art. 87 a II geht nur vom „Einsatz“ der Streitkräfte aus, so dass prinzipiell klarzustellen ist, welche Verwendung der Streitkräfte Einsatzqualität hat. Ein geringer Teil des Schrifttums lässt einen Einsatz nur dann vorliegen, wenn es um „Gefechts- und Kampfeinsätze“ geht. Der unbewaffnete Einsatz unterfiele somit nicht der Regelung des Art. 87 a II 24 . Die überwiegende Meinung betrachtet jedoch „Einsatz“ nicht nur als Teilnahme an Gefechts- 18 BVerfGE 90, 286 (316). Baldus, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 87a Anmerkung III Rd. 33f. 20 UNTS 271, 135. 21 Risse, Vereinte Nationen, S. 54. 22 Bothe, Streitkräfte, S. 37 ff. 23 Emde, NZWehrR 1992, 133 (141). 24 Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte, S. 233. 19 4 JURA NOT ALONE! ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 84 und militärischen Kampfhandlungen. Ihr zu Folge stelle jede Verwendung von militärischen Einheiten der Bundeswehr nach JURA NOT ALONE! militärischen Führungsgrundsätzen und im Rahmen der militärischen Befehlsgewalt ein „Einsetzen“ im Sinne des Art. 87 a II dar25. a) Stellungnahme Die Verwendung von Kriegsschiffen der Bundesmarine im Rahmen der VN- und NATO- Aktionen erfolgen unter Inanspruchnahme ihres militärischen know- hows, als Teil einer militärischen Organisation im Rahmen einer militärischen Befehlshierarchie und nach militärischen Führungsgrundsätzen. Durch die Demonstration militärischer Präsenz und die Durchführung militärischer Beobachtung und Aufklärung sollen auch mögliche Embargobrecher abgeschreckt werden. Im vorliegenden Fall werden daher deutsche Streitkräfte ziel- und zweckgerichtet zur Abwehr konkreter und gegenwärtiger Gefahren für die öffentlich Sicherheit und Ordnung im In- und Ausland in Anspruch genommen. Dabei handelt es sich um die Verwendung von Kriegsschiffen. Von einer Bewaffnung deutscher Streitkräfte kann daher ausgegangen werden. Aus den oben genannten Gründen betrachten beide Ansichten vorliegend einen „Einsatz“ der Streitkräfte im Sinne des Art. 87 a II als gegeben. Einer Entscheidung des Meinungsstreits bedarf es daher nicht. IV. „Verteidigung“ im Sinne von Art. 87 a GG Danach könnte sich der Einsatz der Bundesmarine als verfassungsrechtlich legitim erweisen, wenn die Verwendung der Streitkräfte „zur Verteidigung“ erfolgt. Was „Verteidigung“ im Sinne von Art. 87 a ist, wird im Grundgesetz nicht ausdrücklich definiert. Wie viele andere Begriffe der Verfassung, kann daher auch der Verteidigungsbegriff, als offener Verfassungsbegriff qualifiziert werden26. Angesichts dieser im Schrifttum vorherrschenden Uneinigkeit, ist der Verteidigungsbegriff auszulegen. 1. Auslegung des Wortlautes Art. 87 a II unterscheidet grundsätzlich zwei Fälle eines zulässigen Bundeswehreinsatzes. Aus den einleitenden Worten „außer zur Verteidigung“ lässt sich im Umkehrschluss die Rechtmäßigkeit der „zur Verteidigung“ erfolgten Einsätze entnehmen. Demnach stellt Art. 87 a II 1.Alt. den „Primärauftrag“ und die „Grundfunktion“ der Streitkräfte dar. Dem gegenüber gestellt, bedürfen Einsätze „außer zur Verteidigung“ nach 25 26 Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte, S. 210 f. Depenheuer, DVBI 1997, 685 (686); Kirchhof, in: Kirchhof/Isensee, § 78 Rn. 25. 5 Was ist Verteidigung i.S.d. Art. 87 II GG? ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 85 Art. 87 a II 2.Alt. hingegen einer „ausdrücklichen“ verfassungsrechtlichen Zulassung. 2. Systematische Auslegung Die Frage, ob ein „Angriff auf Deutschland“ erforderlich und ausreichend ist, um von einer erlaubten „Verteidigung“ im Sinne des Art. 87 a II 1. Alt. sprechen zu können, wird im Schrifttum höchst unterschiedlich beurteilt. Die hierzu vertretenen Meinungen lassen sich zunächst in zwei Richtungen einteilen: einer eher nationalen, an die Bundesrepublik Deutschland anknüpfenden Tendenz steht die globale auf Weltzusammenhänge und herkömmlich Systemideen abstellende Tendenz gegenüber. Eine nähere Beleuchtung dieses Meinungsstreits zeigt hingegen, dass mittlerweile insgesamt vier Auffassungen unterschieden werden müssen27. a) Extensive Auslegung des Verteidigungsbegriffs Ein äußerst weitgehender Interpretationsversuch betrachtet alle nicht durch Art. 26 I verbotenen Aktionen als Verteidigungshandlung im Sinne von Art. 87 a II28. Folgt man dieser Auffassung, so bestünden gegen die Beteiligung der Bundesmarine keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine solche Betrachtungsweise läuft der Sache nach darauf hinaus, dem grundgesetzlichen Verteidigungsauftrag durch eine dynamische Verweisung auf das Kriegsvölkerrecht zu bestimmen. Eben dies würde aber jegliche Konturen des Verteidigungsbegriffes verlieren, wenn ihm die Aufgabe zugewiesen wird, den weltweiten Frieden in jeder Form zu unterstützen. Somit würde die Grenze des Wortlauts von Art. 87 a II überschritten. b) Friedenstheorie Die Friedenstheorie versteht die völkerrechtlichen Grenzen einer „Verteidigung“ zugleich auch als verfassungsrechtliche Grenze. Begründet wird dieses Verständnis durch die in Art. 51 UN- Charta völkerrechtlich zugelassene individuelle und kollektive Selbstverteidigung als „Verteidigungs“- Aufgabe. Auf Grund eines hieraus resultierenden möglichen Einsatzes deutscher Soldaten zum Schutze rechtswidrig angegriffener Drittstaaten, gilt ein solcher Einsatz im Ergebnis zur „Verteidigung“ des Weltfriedens und der nationalen Sicherheit29. Ein großer Teil der völkerrechtlichen Literatur verweist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Art. 25. Art. 25 stelle demnach eine „Transformationsnorm“ dar, durch die das gewohnheitsrechtlich begründete 27 Burmester, NZWehrR 1993, 133. Mössner, in: FS für Schlochauer, 97 (105). 29 Schopohl, Außeneinsatz, S. 134; Ipsen, DÖV 1971, 583 (586 ff.). 28 6 JURA NOT ALONE! ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 86 und in Art. 51 UN- Charta kodifizierte Recht auf eine individuelle und kollektive Selbstverteidigung auch in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland Eingang gefunden habe30. Beschränken sich die Betrachtungen lediglich auf diese Schlussfolgerung, so kann ihnen zweifellos zugestimmt werden. Art. 51 UN- Charta stellt als Ausnahme vom völkerrechtlichen Gewaltanwendungsverbot des Art. 2 Nr. 4 UN- Charta jedoch ein universell geltendes Völkergewohnheitsrecht31 gemäß Art. 25 dar. Auch im innerstaatlichen Bereich erlangt sie daher Geltung32. Einen Rückschluss für eine verfassungsrechtliche Bestimmung des Verteidigungsobjektes in Art. 87 a II 1.Alt. zu ziehen, wäre jedoch falsch33. Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte unterlägen demnach lediglich dem Gewaltverbot sowie den völkerrechtlich anerkannten Grenzen des individuellen bzw. kollektiven Selbstverteidigungsrechts. Gemäß des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung könnte der in Art. 87 a II 1.Alt. aufgeführte verfassungsrechtliche Begriff der „Verteidigung“ daher mit dem in Art. 51 UN- Satzung geregelten Begriff der „Verteidigung“ übereinstimmen. Solch eine Übereinstimmung kann jedoch nicht Art. 25 entnommen werden, da die Transformation lediglich die Übernahme der Rechtsnorm, nicht aber weitere Auslegungen von Rechtsnormen der Verfassung bezweckt34. c) Systemtheorie Die Systemtheorie unterscheidet sich von der Friedenstheorie nur dahingehend, dass sie eine Integration der Defensivaufgaben in den organisatorischen Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit fordert. Das grundgesetzliche Verteidigungsobjekt werde nach der Einheit der Verfassung durch Art. 24 II konkretisiert35. Auch diese Theorie ist nicht vorzugswürdig. Zwar ist die Verfassung von einer völkerrechtsfreundlichen Tendenz geprägt. Dies kommt vor allem in der Präambel, Art. 1 II, Art. 24 und 25 zum Ausdruck. All diese Normen verdeutlichen die Anerkennung anderer Staaten als gleichberechtigte Mitglieder der Völkerrechtsgemeinschaft sowie den Respekt gegenüber deren Rechtsordnungen. Jedoch hält dies nicht von der Suche nach dem richtigen Verteidigungsobjekt des Art. 87 a II 1. Alt. mittels einer präzisen 30 Rudolf, Völkerrecht, S. 262 ff. BVerfGE 66, 39/64 f. 32 Stern, Staatsrecht I, § 14 II 8. 33 Will, Neue Zürcher Zeitung vom 25.1.1991, S. 7. 34 Fibich, ZRP 1993, 7. 35 Schmidt- Bleibtreu/ Klein, Art. 87a Rd. 3.; Seifert/ Hömig, Art. 87a Rd. 5. 31 7 JURA NOT ALONE! ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 87 Arbeit an und mit dem Grundgesetz ab, da das Völkerrecht dem deutschen Verfassungsrecht weder gleich, noch höher gestellt ist36. d) Bündnistheorie Der überwiegende Teil der Literatur versteht „Verteidigung“ im Sinne der klassischen Bündnispolitik37. Dies zeigt Art. 24. Diese Regelung gestatte es dem Bund, Bündnissen beizutreten, deren Aufgabe es sei, sich gegenseitig bei Angriffen Beistand zu leisten. Solch ein Bündnisvertrag diene dem unmittelbarem Bundesrepublik Schutz seiner Deutschland. Mitglieder Aus und diesem folglich Grunde auch seien der auch Beistandspflichten im Rahmen kollektiver Selbstverteidigung im Bündnis vom Verteidigungsbegriff des Grundgesetzes erfasst38. Darüber hinaus sei die Bundesrepublik zum Zeitpunkt der Änderung des Art. 87 a II bereits an Art. 5 des NATO- Vertrages gebunden gewesen. Zu dieser Zeit hätte niemand daran gedacht, die sich aus dieser Regelung ergebenden Verpflichtungen einzuschränken39. 3. Zwischenergebnis Der Bündnistheorie ist zuzustimmen. Art. 87 a II reflektiert ein bestimmtes militärisches Verständnis, das die Aufgabe der Bundeswehr allein in einer bestimmten strategischen Situation sah. Dies war der Ost- West- Konflikt und die Stellung der Bundesrepublik im westlichen Bündnis. Von daher sind unter Verteidigung alle Angriffe zu verstehen, die eine Abwehrreaktion auf Angriffe und Bedrohungen gegen die Bundesrepublik Deutschland oder einen ihrer Bündnispartner darstellen. Verteidigung im Sinne des Art. 87 a ist also die Verteidigung des eigenen Territoriums (Gebietstheorie)40 und die Verteidigung im Bündnis (Bündnistheorie)41. Bei der Embargoüberwachung liegt nun weder ein Angriff noch eine Bedrohung für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Bündnispartner vor. Zwar könnte die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Lande S eine Bedrohung darstellen, eine solches Vorhandensein kann jedoch nur vermutet werden. Die Schwelle zur Bedrohung ist folglich zum Zeitpunkt des Einsatzes noch nicht überschritten. Somit stellt der Einsatz der Bundesmarine zur Überwachung des Embargos keine Verteidigungshandlung im Sinne des Art. 87 a I und II dar. Vereinzelt greift 36 Stern, Staatsrecht I, S. 475. Boldt, ZRP 1992, 218 (220); Kokott, in: Sachs, Art. 87a Rn. 18. 38 Fibich, ZRP 1993, 5 (7). 39 Wieland, DVBI 1991, 1174 (1179). 40 Bachmann, MDR 1993, 397f.. 41 V.Bülow, Der Einsatz der Streitkräfte, S. 205. 37 8 JURA NOT ALONE! ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 88 die Literatur auch auf den Verteidigungsbegriff des Art. 79 I 2 zurück42. JURA NOT ALONE! Dazu müsste eine unmittelbar drohender Angriff auf das Staatsgebiet bzw. das Staatsvolk vorliegen. Eine solcher Angriff geht aus dem Sachverhalt jedoch nicht hervor. Die Embargoüberwachung im Staate S wird auch von dieser Interpretation des Verteidigungsbegriffs nicht erfasst. Art. 87 a I und II stehen folglich einer Verwendung der Bundesmarine entgegen, sofern nicht gemäß dem letzten Halbsatz des Art. 87 a II eine andere Bestimmung der Verfassung eine solche Beteiligung „ausdrücklich zulässt“. V. Erfordernis der Ausdrücklichkeit gemäß Art. 87 a II Die überwiegende Ansicht des Schrifttums misst dem Begriff der „Ausdrücklichkeit“ regelmäßig die Bedeutung von „expressis verbis“ bei. Dem gemäß wäre ein Einsatz der Bundeswehr außer zur Verteidigung nur dann zulässig, wenn er nicht nur implizit, sondern explizit, d.h. nach dem Wortlaut des Grundgesetzes vorgesehen und erlaubt wäre43. Eine Einsatzermächtigung aus der stillschweigenden Zulassung wäre insoweit ausgeschlossen. Ein geringer Teil des Schrifttums betrachtet, es hingegen als ausreichend, dass sich von einer anderen Verfassungsbestimmung die Zulässigkeit ableiten lässt44. Auch in Art. 79 I S.1 ist von „ausdrücklich“ die Rede. Demnach kann das Grundgesetz nur durch ein Gesetz geändert werden, das „den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt“. Wenn der Begriff „ausdrücklich“ in der gleichen Verfassung unterschiedlich zu interpretieren wäre, müssten hierfür besondere Gründe erkennbar sein. Solche sind aber nicht ersichtlich. Der analoge Sprachgebrauch spricht also dafür, dass der Einsatz der Bundesmarine, außer zur Verteidigung, nur dann zulässig ist, wenn dies in der Verfassung expressis verbis vorgesehen ist. 42 Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte, S. 99 ff.. Arndt, DÖV 1992, 618 f.; Stein, Zulässigkeit, S. 19. 44 Gornig, JZ 1993, 123 (126). 43 9 Ihre Stellungnahme ? Ergebnis also, ist Art. 24 II GG eine den Voraussetzungen des Art. 87a II GG entsprechende „ausdrückliche“ Zulassung ? - 89 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! B. Vereinbarkeit mit Art. 24 II Eine Ermächtigung für den Einsatz der Bundesmarine im Rahmen der VNund NATO- Aktionen könnte in Art. 24 II enthalten sein. Danach kann sich der Bund zur Wahrung des Friedens in ein System der kollektiven Sicherheit einordnen und dabei in die Beschränkung seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern. I. Einordnung in ein System gegenseitiger politischer Sicherheit 1. System gegenseitiger kollektiver Sicherheit Die überwiegende Ansicht definiert ein System kollektiver Sicherheit zunächst als ein universelles und regionales institutionalisiertes System. Jegliche Anwendung von Gewalt zu individuellen Zwecken, abgesehen von der Selbstverteidigung, sei dabei untersagt. Wesentliches Merkmal eines solchen Systems sei die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, gemeinsam gegen dasjenige Mitglied vorzugehen, das gegen ein anderes einen Akt der Aggression begeht45. Das Ziel sei dabei die Wahrung des Friedens und des Art. 26 46 . Notfalls könne dies auch durch den Einsatz von Streitkräften geschehen. Fraglich ist jedoch, ob der Einsatz deutscher Streitkräfte, im Rahmen eines solchen Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit erfolgt. Einigkeit besteht darüber, dass die Vereinten Nationen ein solches System darstellen47. Hinsichtlich der NATO ist dies jedoch umstritten. Die NATO stellt ein System gegenseitiger Selbstverteidigung dar48. Besonders problematisch ist hierbei die Zulässigkeit der erforderlichen Einebnung der Begriffsunterschiede zwischen einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit und einem System kollektiver Selbstverteidigung. Die Embargoüberwachung im Staate S erfolgt hingegen im Vollzug einer Resolution des UN- Sicherheitsrates. Der Einsatz der Bundesmarine ist demnach letztlich durch die UN- Charta, insbesondere durch Art. 41, Art. 42 sowie Art. 48 II gedeckt49. Eine Klärung des Meinungsstreits hinsichtlich der NATO, kann daher offen bleiben. 2. Art. 24 II als Grundlage für die Beteiligung an Streitkräfteeinsätzen? Zunächst ist jedoch fraglich, ob die in Art. 24 II enthaltene Ermächtigung zum Eintritt in ein System kollektiver Sicherheit auch die 45 Doehring, in: Kirchhof/ Isensee, § 177 Rd. 2; Frank, in: Wassermann, Art. 24 II Rd. 5ff. Streinz, in: Sachs, Art. 24 II Rd. 61. 47 Schwarz, rechtl. und polit. Probleme, S. 67; BVerfGE 90, 286 (327). 48 Stein/Kröninger, Jura 1995, 254 (257). 49 BVerfGE 90, 286 (353ff.). 46 10 Abgrenzung beider Systeme ? Wann erfüllt ein System gegenseitiger kollektiver Selbstverteidigung die Voraussetzungen des Art. 24. II GG? ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 90 verfassungsrechtliche Grundlage für eine Verwendung der Bundeswehr- wie der Einsatz zur Überwachung des Embargos in S- bietet. Teilweise wird vertreten, dass Art. 24 II den Streitkräfteeinsatz nicht ausdrücklich zulasse, mit der Folge, dass die notwendige „ausdrückliche“ Ermächtigung derzeit nicht vorhanden und deshalb eine 50 Grundgesetzänderung erforderlich sei . Diese Ansicht verkennt indes, dass mit dem Begriff „ausdrücklich“ nicht gemeint ist, dass die Beteiligung deutscher Soldaten an UN (und NATO-) Aktionen verfassungsrechtlich wörtlich zugelassen sein muss, da die Verfassung allgemeine Gültigkeit besitzt und nicht jeden konkreten Einzelfall regelt. Ausreichend ist, wenn das Zusammenspiel von Art. 24 II und Art. 87 a II 2.Alt. die Zulässigkeit des Streitkräfteeinsatzes ergibt. Vereinzelt wird des weiteren die Ansicht geäußert, Maßnahmen die im Rahmen der VN erfolgten, fehle das kollektive Element. Sie beruhten nicht auf Gegenseitigkeit. Eine Teilnahme an solchen Einsätzen bedürfe weder eines wechselseitigen Beteiligungsversprechens noch brächte es einen Sicherheitszugewinn für den Entsenderstaat51. Diese Betrachtung verkennt, dass nach Art. 24 II einzig das System als solches kollektiv sein muss. Die Maßnahmen des Sicherheitssystems unterliegen diesem Erfordernis hingegen nicht. Eine weitere Ansicht weist darauf hin, dass eine unmittelbare Verpflichtung zur Beteiligung an einem konkreten Einsatz aus Art. 24 II nicht zu entnehmen sei52. Der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland sollte zum Zweck der Friedenswahrung erfolgen53. Art. 24 steht dabei im Dienste einer aktiven Friedenssicherung54. Dies aber setzt voraus, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich bereit sind, dem System kollektiver Sicherheit auch militärische Mittel zur Verfügung zu stellen55. Schon die Betrachtung des Wortlauts des Art. 24 II zeigt die Forderung der Norm nach einer aktiven Friedenssicherung. Dies wird im Gebrauch des Verbs „sichern“ deutlich. Dieses Verb erfordert stets ein aktives Tätigwerden. Auch eine systematische Auslegung des Art. 24 II im Zusammenspiel mit Art. 26 I und der Präambel der Verfassung, die besagt, dass das deutsche Volk dazu bereit ist, „dem Frieden der Welt zu dienen“, unterstreicht die Ansicht, dass Art. 50 Stein/Kröninger, Jura 1995, 254 (256); Stein, Zulässigkeit, S. 19. Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte, S. 215. 52 Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte, S. 155 ff.. 53 Jarass/Pieroth, Art. 24 Rn. 17f.. 54 Mössner, in: FS für Schlochauer, S. 100. 55 Schroeder, JuS 1995, 398 (402); Wild, DÖV 2000, 622 (623). 51 11 JURA NOT ALONE! ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 91 24 II einen Auftrag zur aktiven Friedenssicherung beinhaltet und keine bloßer Programmsatz ist56. Auch die entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt zu diesem Ergebnis. Die Verfassungsgeber kannten 1948/49 kein anderes System der kollektiven Sicherheit als das der VN. Daher erschiene es eher grotesk, wenn die Verfassungsväter unter „einordnen“ im Sinne des Art. 24 II nur die Mitgliedschaft in einem System kollektiver Sicherheit gemeint hätten, ohne im gleichen Zuge die zur Verwirklichung der Ziele, die diese Einordnung verfolgt, erforderlichen Handlungsmöglichkeiten zu erlauben. Ein solches Verbot würde Art. 24 II zu einer bloßen Programmklausel degradieren. 3. Art. 24 II als „ausdrückliche“ Zulassung im Sinne von Art. 87 a II ? Wie oben bereits festgestellt, bezieht sich die Formulierung der „Ausdrücklichkeit“ auf das Erfordernis einer im Grundgesetz explizit aufgeführten Zulassung57. Auf dieser Grundlage ist zu untersuchen, inwiefern Art. 24 II im Sinne des Art. 87 a II einen Einsatz der Bundeswehr zur Überwachung des Handels- und Waffenembargos im Staate S „ausdrücklich zulässt“. a) Wortlaut- Interpretation Der Wortlaut des Art. 24 II enthält weder den Begriff „Bundeswehr“ noch den Terminus „Streitkräfte“. Eine explizite, also eine im Normtext expressis verbis ausgedrückte Ermächtigung zum Einsatz der Streitkräfte lässt sich Art. 24 II nicht entnehmen. Nach seinem Wortlaut stellt Art. 24 II folglich keine „ausdrückliche“ Zulassung im Sinne des Art. 87 II dar. b) Genetische Interpretation Art. 24 II gehört zu denjenigen Vorschriften, die von Beginn an Bestandteil der Verfassung waren. Durch die Schaffung der Bundeswehr hat Art. 24 II eine militärische Bedeutungserweiterung erfahren. Motiv für die Einführung der Notstandsverfassung und damit auch für die Einfügung des neuen Art. 87 a war vor allem, die Möglichkeit für einen Einsatz der Bundeswehr im Innern zu beschränken. Es sind aber keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass im Rahmen der im Jahre 1968 vorgenommenen Verfassungsänderung auch Eingriffe in den Regelungsgehalt des Art. 24 hätten vorgenommen werden sollen58. Zudem wäre dies durch Art. 79 I 1 nicht ohne eine ausdrückliche Änderung des Wortlauts möglich gewesen59. 56 V. Bülow, der Einsatz der Streitkräfte, S. 199. siehe oben A IV. 58 Wieland, DVBI 1991, 1174 (1180). 59 BVerfGE 90, 286 (356), Nolte, ZaöRV 1994, 652 (655). 57 12 JURA NOT ALONE! - 92 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! c) Systematisch- teleologische Interpretation Folgt man einer engen Auslegung so scheidet Art. 24 II als Legitimationsnorm für den Bundeswehreinsatz aus. Die Entscheidung des Verfassungsgebers, auf der Ebene der Verfassung alle erforderlichen Vorbereitungen zu treffen, um der Bundesrepublik Deutschland die Beteiligung an friedensichernden Maßnahmen möglich zu machen, würde hinsichtlich der Bedeutung auch militärischer Operationen in diesem Zusammenhang unterlaufen60. Da Art. 24 II die Grundlagen für den Beitritt zu einem System der gegenseitigen kollektiven Sicherheit enthält und gewaltsame Vollstreckungen nur als ultima ratio Bestandteil dieses Systems ist, wäre es nahezu grotesk, den Ausdrücklichkeitsvorbehalt das Art. 87 a II im Sinne eines strikten Verbots eines solchen Bundeswehreinsatzes auszulegen. Der Ausdrücklichkeitsbegriff in Art. 87 a II soll verhindern, dass „ungeschriebene Zuständigkeiten aus der Natur der Sache“ abgeleitet werden. Hingegen sollen nicht Befugnisse ausgeschlossen werden, „die sich aus einem Wortzusammenhang mit der Verteidigungskompetenz ergeben“61. Genetische wie systematisch-teleologische Argumente sprechen dagegen, den Ausdrücklichkeitsvorbehalt des Art. 87 a II in Bezug auf Art. 24 II insofern auszulegen, dass er den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der VN und der NATO mangels expliziter Erwähnung im Verfassungstext verbietet. Art. 24 II beinhaltet damit die von Art. 87 a II geforderte ausdrückliche Verhältnis von Art. 87a II GG und Art. 24 II GG ? Zulassung zu Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte. C. Gesamtergebnis zu Aufgabe 1 Eine Ermächtigung für den Auslandseinsatz der Bundesmarine im Rahmen der Embargoüberwachung im Staate S, ist durch Art. 24 II in Verbindung mit Art. 87 a II gegeben. Aufgabe 2 Hat der Antrag des Bundestages Aussicht auf Erfolg? Der Antrag des Bundestages hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist. 60 61 Tomuschat, in: Isensee/Kirchhof, § 172 Rn. 30. BTDruck, V/ 2873, S. 13; BVerfGE 90, 286 (356, 357). 13 - 93 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! A. Zulässigkeit des Antrages Die Zulässigkeit richtet sich nach der in § 13 BVerfGG enumerativ aufgeführten Verfahrensarten. Als Verfahrensart kommt vorliegend ein Organstreit in Betracht. Gemäß Art. 93 I Nr.1, § 13 Nr.5 BVerfGG besitzt hierfür das Bundesverfassungsgericht die Entscheidungszuständigkeit. I. Parteifähigkeit Nach Art. 93 I S.1 und § 63 BVerfGG ist der Bundestag berechtigt, sich als Antragsteller an einem Organstreitverfahren zu beteiligen. In Bezug auf die Parteifähigkeit der Bundesregierung, die als möglicher Antragsgegner in Art. 93 I, § 63 BVerfGG aufgeführt ist, bestehen ebenfalls keine Bedenken. II. Antragsbefugnis Der Bundestag muss nach § 64 I BVerfGG antragsbefugt sein. Dazu muss er geltend machen können, dass er durch eine „Maßnahme oder Unterlassung“ des Antraggegners in seiner verfassungsrechtlichen Rechtsstellung verletzt wurde oder unmittelbar gefährdet ist. Dies setzt voraus, dass der Antragssteller Rechte anführt, die aus dem Grundgesetz ableitbar sind oder die offenkundig dem Organ zustehen, dem er angehört62. Die Weigerung der Bundesregierung, die deutschen Streitkräfte zurückzuholen, ist die „Unterlassung“ des Antragsgegners im Sinne von § 64 I BVerfGG, welche die vom deutschen Bundestag geltend gemachte Entscheidungsbefugnis des Parlaments verletzt haben könnte. Eine mögliche Bindung der Bundesregierung im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten an eine Entscheidung des Bundestages, ist wie Art. 59 II und Art. 24 I zeigen, nicht ausgeschlossen63. Parlamentsvorbehalt III. Form und Frist Nach § 64 II BVerfGG muss im Antrag die Bestimmung des Grundgesetzes enthalten sein, gegen die durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners ein Verstoß begangen wird. Kommt es für die Entscheidung letztenendes auf eine ungeschriebene verfassungsrechtliche Pflicht an, so ist diese zu benennen64. Eine solche Benennung ist mit der Rüge des Bundestages, die Bundesregierung verletze durch ihre Weigerung die konstitutive Entscheidungsbefugnis des Parlaments bezüglich der Einsätze der Bundeswehr, gegeben. Die Einhaltung der Anforderungen gemäß § 23 I BVerfGG kann ebenso wie die 62 BVerfGE 70, 324 (350). BVerfGE 90, 286 (337). 64 Clemens, in: Umbach/Clemens, §§ 63, 64 Rn. 149. 63 14 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Wahrung der Sechsmonats- Frist des - 94 § 64 III BVerfGG als gegeben JURA NOT ALONE! angesehen werden. IV. Zwischenergebnis Der Antrag des Bundestages ist zulässig. B. Begründetheit Der Antrag des Bundestages ist begründet, wenn die Weigerung der Bundesregierung, trotz eines Rückholbeschlusses des Bundestages, die verfassungsrechtliche Rechtsstellung des Antragsstellers verletzt (§ 67 BVerfGG). I. Parlamentsvorbehalt nach Art. 59 II 1? Verleiht die Verfassung dem Parlament die Befugnis, konstitutiv und mit Bindungswirkung für die Bundesregierung über die Beendigung eines bewaffneten Einsatzes deutscher Truppen im Rahmen einer VN- Aktion zu entscheiden, so steht das Verhalten der Bundesregierung im Widerspruch zum Grundgesetz. Die Bundesregierung ist in ihrer Ausgangsentscheidung, Woraus ergibt sich dieser? ob sie überhaupt deutsche Streitkräfte für eine VN- Aktion zur Verfügung stellt, dem konstitutiven Parlamentsbeschluss unterworfen65. Möglicherweise ergibt sich daraus eine Pflicht der Bundesregierung, dem Verlangen des Bundestages zu folgen. Dies wäre dann der Fall, wenn die korrespondierende Befugnis des Bundestages gleichsam das Recht, konstitutiv über die Beendigung des Auslandseinsatzes zu bestimmen, erfassen würde. In Betracht käme hier Art. 59 II 1. Zweck dieser Vorschrift ist der Schutz vor der Begründung irreversibler völkerrechtlicher Verpflichtungen66. Zwar hat der Bundestag in Form des nach Art. 59 II Die Entsendung der Streitkräfte ist auch kein Vertragsabschluss, sondern die Erfüllung eines bereits bestehenden, wofür Art. 59 II GG gilt. erforderlichen Gesetzes zugestimmt. Doch ist darin nur eine grundsätzliche Billigung zu sehen, dass deutsche Streitkräfte bei Eintritt des Bündnisfalles zum Einsatz kommen. Die konkrete Einsatzentscheidung ist dadurch jedoch nicht abgedeckt67. Der Vorschrift kann daher keine konstitutive „Rückholbefugnis“ des Parlaments entnommen werden, wie sie der Bundestag geltend macht. II. Wehrverfassungsrechtlicher Parlamentsvorbehalt Zu prüfen ist, ob die grundgesetzlichen Bestimmungen über die Wehrverfassung einen entsprechenden Parlamentsvorbehalt rechtfertigen 65 BVerfGE 90, 286 (387); Limpert, S. 45. BVerfGE 68, 1 (88); 90, 286 (357). 67 BVerfGE 90, 286 (358ff.). 66 15 Welche sind das? ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 95 können. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts soll dem JURA NOT ALONE! Bundestag ein rechtserheblicher Einfluss auf die Verwendung der Streitkräfte garantiert sein. Dies erfolge durch die auf die Streitkräfte bezogenen Regelungen der Verfassung, die darauf angelegt sein, die Bundeswehr als „Parlamentsheer“ in die rechtsstaatliche 68 Verfassungsordnung zu integrieren . Das Bundesverfassungsgericht leitet die Notwendigkeit eines konstitutiven Parlamentsbeschlusses beim Auslandseinsatz der Bundeswehr aus der deutschen Verfassungstradition seit 1918 und einem der Wehrverfassung zugrundeliegenden Prinzip ab, nach dem der Einsatz bewaffneter Streitkräfte der konstitutiven, grundsätzlich vorherigen Zustimmung des Parlaments unterliege69. Der verfassungsrechtlichen Herleitung des Bundesverfassungsgerichts ist insoweit zuzustimmen. Zweifellos erfolgten Kriegserklärungen und Friedensschlüsse gemäß Art. 45 III WRV in Vollzug eines vom Reichstag gefassten Beschlusses70. Jedoch könnten die auf einzelne Probleme herangezogenen Einzelbestimmungen, auch e contrario ausgelegt werden71. Eine lediglich punktuelle Regelung der parlamentarischen Mitwirkung könnte ebenso eine konkludente Kompetenzzuweisung an die Bundesregierung sein. Dieser Meinungsstreit bedarf jedoch keiner Schlichtung, wenn sich der auf den bewaffneten Streitkräfte bezogene Parlamentsvorbehalt anderweitig begründen lässt. Eine solche Begründung könnte in der Wesentlichkeitstheorie liegen72. Für das Gemeinwesen wesentlich normative Fragen, bedürfen danach der parlamentarischen Entscheidung. Kriterien der „Wesentlichkeit“ eines Problems können hierbei sowohl die Grundrechtsintensität einer staatlichen Maßnahme, als auch die Frage, ob es sich um ein in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiertes Thema handelt, sein73. Beide Kriterien nehmen eine bedeutende Rolle ein. Es sind besonders die existenziellen Grundrechtspositionen, die durch die Beteiligung von Soldaten an Auslandseinsätzen, betroffen sind. Der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit nach Art. 2 II spielt hier eine große Rolle. Trotz des dem Grundgesetz fehlenden Totalvorbehaltes für alle objektiv wesentlichen Entscheidungen, obliegt dem Parlament die zentrale Aufgabe, wesentliche 68 BVerfGE 90, 286 (381f.). BVerfGE 90, 286 (383 ff., 387). 70 Anschütz, Art. 45 Anm.5 (260). 71 Sachs, JuS 1995, 163 (165f.). 72 Riedel, DÖV 1993, 994 (998); Heun, JZ 1994, 1073 (1074); BVerfGE 33, 1 (10). 73 Kisker, NJW 1977, 1313 (1318). 69 16 I. E. richtig ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 96 Grundrechtsbeschränkungen selbst festzulegen. In Anbetracht der Gefahren für Leib und Leben der Soldaten und in Anknüpfung an das Argument des fehlenden Totalvorbehalts, Bundesverfassungsgerichts erscheint vorzugswürdig. die Demnach Ansicht wäre des eine parlamentarische Zustimmung für den bewaffneten Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte erforderlich. Dies schließt auch den Einsatz der deutschen Bundesmarine zur Überwachung des von der VN verhängten Waffen und Handelsembargos mit ein. Die Bundeswehr hat laut Sachverhalt im Rahmen ihres Einsatzes schwere Verluste hinnehmen müssen. Auch in der Öffentlichkeit ist der Einsatz zum politisch und gesellschaftlich heftig umstrittenen Thema avanciert. Unter Berücksichtigung der auf die Wesentlichkeitstheorie zurückgreifenden Argumente, verdient die These daher Zustimmung, dass der bewaffnete Einsatz der deutschen Streitkräfte an der VN- Aktion, unmittelbar kraft Grundgesetzes der konstitutiven Zustimmung des Parlaments unterliegt. III. Parlamentarische Rückholbefugnis Es bleibt jedoch noch die Frage zu beantworten, ob dem Parlament auch eine Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Beendigung eines solchen Einsatzes zukommt. Nur dann wäre die Organklage des Bundestages begründet. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass dem Zustimmungsvorbehalt für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte nicht die Bedeutung eine Initiativbefugnis des Bundestages zukommt74. Weder hinsichtlich des „Ob“ noch hinsichtlich einzelner Fragen des „Wie“ des Einsatzes. Das Recht das Parlaments beschränkt sich auf die Billigung oder Ablehnung des gesamten von der Regierung vorgelegten Pakets. Nur bei Gefahr in Verzug ist die Bundesregierung berechtigt, vorläufig den Einsatz der Streitkräfte zu beschließen. In einem solchen Falle sind die Streitkräfte zurückzurufen, sobald es der Bundestag verlangt75. Die Regierung aber zu einem Einsatz der Streitkräfte zu verpflichten, steht dem Bundestag nicht zu. Die Regierung besitzt also insbesondere hinsichtlich der Entscheidung über die Modalitäten, die Dauer und den Umfang der Einsätze, einen Eigenbereich exekutiver Handlungsbefugnis76. Eine Teil der Literatur legt die Entscheidungsbefugnis der Bundesregierung über die Dauer der 74 BVerfGE 68, 1 (86); Limpert, S. 49. BVerfGE 90, 286 (388). 76 BVerfGE 90, 286 (389). 75 17 JURA NOT ALONE! ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 97 Einsätze dahingehend aus, dass eine Rücknahme der parlamentarischen JURA NOT ALONE! Zustimmung mit Bindungswirkung für die Bundesregierung, nicht in Betracht komme77. Begründet wird dies mit der einmaligen Zustimmung zum „Außeneinsatz“. Die Änderung einer politischen Bewertung der Lage erlaube es dem Bundestag nicht, die getroffene Entscheidung rückgängig zu machen und die Bundesregierung zu einer Abänderung oder gar einen Abbruch des Einsatzes zu zwingen. Demnach hätte der Bundestag lediglich in Eilfällen ein Rückholrecht. Dies wäre bei Gefahr in Verzug gegeben. Ein solcher Fall sei bisher jedoch erst einmal eingetreten: 1997 in Albanien. Damals sei die gesamte albanische Staatsordnung zusammengebrochen. Neben den Streitkräften befanden sich auch deutsche und ausländische Staatsbürger akut in Lebensgefahr78. Aus dem Sachverhalt sind weder anarchische Zustände, noch akute Gefährdungen der Staatsbürger zu entnehmen. Trotz der schweren Verluste, die die Bundesmarine hinzunehmen hat, könnte dieser Auffassung zur Folge vergleichsweise nicht von einer Gefahr in Verzug gesprochen werden. Des weiteren wird argumentiert, dass ein Rückholrecht außenpolitisch lästig wirken könnte. Indem es die Bundesregierung unter einen Argumentationsdruck und Veröffentlichungszwang setze, käme es zu einer Gefährdung der außenpolitischen Verlässlichkeit der Bundesrepublik79. Folgt man dieser Meinung, so wäre dem Bundestag also lediglich der Versuch gestattet, über den Weg des schlichten Parlamentsbeschlusses, die Regierung zu einer Modifikation ihres Verhaltens zu bewegen80. Die Gegenmeinung bezieht hingegen die „Dauer der Einsätze“ lediglich auf den Zeitrahmen, den das Parlament bei der Erteilung seiner Zustimmung verantworten konnte81. Eine Rücknahme der parlamentarischen Zustimmung mit Bindungswirkung für die Bundesregierung entspräche demnach dem verfassungsrechtlichen Regelungsbereich. Zum selben Ergebnis gelangt eine Ansicht, die ein solches Rückrufrecht aus einer analogen Anwendung des Art. 87 a IV 2 herleitet82. Demnach besäße der Bundestag die Eigenschaft eines Verfassungsorgans, „dem die Bundesregierung für ihre Entscheidungen auch im außen- und 77 Limpert, S. 49. Limpert, S. 50. 79 Roellecke, Der Staat 1995, 415 (426). 80 Limpert, S. 49. 81 Nolte, ZaöRV 1994, 652 (680f.). 82 Zimmer, S. 145. 78 18 Außerdem liegt die Zustimmung des Bundestages ja vor (anders als bei der Entsendung auf Grund von Gefahr in Verzug). ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura sicherheitspolitischen Bereich parlamentarisch - 98 verantwortlich“ sei83. Risikoabwägung, Planung und Einsatzführung blieben somit auch bei einem vom Bundestag veranlassten Rückholbeschluss in der Sphäre der Regierung. Gemäß Art. 87 a IV 2 könne daher der Bundestag ein für die Bundesregierung verbindliches Einstellungsverfahren verlangen. 1. Stellungnahme Durch die Einräumung eines Rückholbeschlusses wird der eigene Verantwortungsbereich der Exekutive nicht übermäßig eingeschränkt. Der Regierung steht es frei, wann eine Beendigung des Einsatzes statt finden soll. Insofern entscheidet sie in jedem Fall über „die Dauer“ der Aktion. Auch die operative Kontrolle der eingesetzten Truppen durch die Regierung wird durch das Rückholrecht nicht beeinträchtigt. Das Parlament ist daher nicht in der Lage eine eigene Außenpolitik gegen den Willen der Regierung zu betreiben. Die Verlagerung der Entscheidung über das „Ob“ des Kriegszustandes berührt die Grundlagen der Gewaltenteilung nicht, solange die Regierung eigenverantwortlich das „Wie“ der Ausführung bestimmt. Das gilt gleichermaßen für ein anfängliches Veto des Bundestags, wie für eines während des laufenden Einsatzes. Wenn der Parlamentsvorbehalt das Ziel erreichen soll, „Kabinettskriegen“ vorzubeugen und den Einsatz der Bundeswehr nur dann und insoweit zuzulassen, wenn er von der Zustimmung einer Parlamentsmehrheit getragen wird, dann liegt es nahe dem Bundestag ein entsprechendes Widerrufsrecht zuzubilligen. Ansonsten muss er womöglich Entscheidungen treffen, deren Tragweite und Auswirkungen für die Zukunft er noch gar nicht absehen kann, ohne selbst Korrekturmöglichkeiten zu haben. Dem Bundestag kann nicht prinzipiell ein geringeres außenpolitisches Verantwortungsbewusstsein vor internationalen Verpflichtungen unterstellt werden, als der Bundesregierung. Eine vom Rückholrecht ausgehende Gefährdung der außenpolitische Verlässlichkeit der Bundesrepublik, ist daher ebenfalls nicht ersichtlich. Die konstitutive Zustimmungsbefugnis des Bundestages für einen Streitkräfteeinsatz im Ausland, ist aus den vorherig genannten Gründen so zu bestimmen, dass das Parlament auch mit Bindungswirkung für die Regierung über die Beendigung des Einsatzes entscheiden kann. Eine solche Entscheidung bedarf gemäß Art. 42 II der einfachen Mehrheit84. Diese ist laut Sachverhalt gegeben. Das Parlament bleibt seiner Entscheidung jedoch 83 84 Ehrhardt, VN 1993, 132 (133). BVerfGE 90, 286 (388). 19 JURA NOT ALONE! ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 99 auch an die mit seiner Zustimmung geschlossenen völkerrechtlichen Verträge gebunden85. Die Beendigung des Streitkräfteeinsatzes erfolgt indes nicht mittels eines Verstoßes gegen die rechtlichen Festlegungen. Die Vereinten Nationen haben lediglich um die Entsendung von Streitkräften im Rahmen einer Sicherheitsresolution gebeten. Eine Rechtspflicht zur Befolgung dieser Bitte, bestand für Deutschland nicht. 2. Ergebnis Die Bundesregierung hat mit ihrer Weigerung, die Truppen aus S zurückzurufen, gegen die verfassungsrechtlich gewährleistete Entscheidungskompetenz des Parlaments verstoßen. Der Antrag des Bundestages an das Bundesverfassungsgericht ist daher auch begründet. C. Gesamtergebnis zu Aufgabe 2 Ein Antrag des Bundestages hätte Aussicht auf Erfolg. Aufgabe 3 Abstrakte Normenkontrolle Vorliegend bezweifelt die Regierung von Baden- Würrtemberg (BW) die Verfassungsmäßigkeit des Volksbefragungsgesetzes. Auf Grund des für die Verfahrensart bedeutsamen Begehrens des Klägers bzw. des Antragsstellers, ist vorliegend an ein Organstreitverfahren nach Art. 93 I Nr. 1, §§ 13 Nr. 5, 23, 63 ff. BVerfGG mit Baden- Würrtemberg als Prozessstandschafter nicht zu denken. Dies käme lediglich bei einer Verletzung von Rechten des Bundesrates in Frage. In Betracht kommt daher ein Antrag auf abstrakte Normenkontrolle gemäß Art. 93 I Nr. 2, §§ 13 Nr. 6, 23, 76 ff. BVerfGG. Dieser hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig (A) und begründet (B) ist. A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts Eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts ist nach Art. 93 I Nr. 2, §§ 13 Nr. 6, 23, 76 ff. BVerfGG gegeben. II. Prüfungsgegenstand Der weit auszulegende Begriff „Recht“ setzt voraus, dass die betreffende Rechtsnorm bereits in Kraft getreten ist86. Zum Prüfungsgegenstand der abstrakten Normenkontrolle kann jede generelle Rechtsnorm jeder Stufe 85 86 BVerfGE 90, 286 (388). Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 902. 20 JURA NOT ALONE! ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 100 gemacht werden, d.h. vor- und nachkonstitutionelle Bundes- und Landesgesetze im formellen und materiellen Sinn. JURA NOT ALONE! Beim Volksbefragungsgesetz handelt es sich um ein bereits verkündetes nachkonstitutionelles Bundesgesetz. Es stellt somit einen tauglichen Prüfungsgegenstand dar. III. Antragberechtigung, Art. 93 I Nr. 2, § 76 BVerfGG Gemäß Art. 93 I Nr. 2, § 76 BVerfGG sind auch Landesregierungen antragsberechtigt. In Bezug auf die Regierung des Landes BadenWürttemberg, ist die Antragsberechtigung also gegeben. IV. Antragsbefugnis Gemäß Art. 93 I Nr.2 müssen „Meinungsverschiedenheiten oder Zweifel“ Schief, eine Antragsbefugnis gibt des es bei der abstrakten Volksabstimmungsgesetzes mit dem Grundgesetz bestehen. Hier stellt die Normenkontrolle nicht „Antragsgrund“ Landesregierung die Vereinbarkeit des Volksabstimmungsgesetzes mit Art. über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit 20 II in Frage, sie hat also Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Volksabstimmungsgesetzes. Fraglich ist, ob solche Zweifel ausreichen, da § 76 I Nr. 1 BVerfGG darüber hinausgehend verlangt, dass der Antragssteller die Norm für nichtig hält. Zunächst ist daher fraglich, ob § 76 I Nr. 1 BVerfGG eine zulässige Konkretisierung des Art. 93 I Nr. 2 darstellt. Eine Ansicht hält § 76 I Nr. 1 BVerfGG für (teil-) nichtig, soweit er restriktiver gefasst ist als Art. 93 I Nr. 2. Stützend soll hierbei die Tatsache wirken, dass Verfassungsnormen nicht durch einfaches Bundesrecht einschränkend ausgelegt werden können87. Der überwiegende Teil des Schrifttums interpretiert § 76 I Nr. 1 BVerfGG indes verfassungskonform88 oder hält in beziehungsweise für nicht abschließend89. Gemeinsam ist allen Ansichten die Erkenntnis, dass einfaches Gesetzesrecht ein nach der Verfassung bestehendes Antragsrecht nicht einschränken kann. Wegen des Geltungsvorrangs des Art. 93 I Nr. 2 reichen daher die Zweifel der Landesregierung für ihre Antragsbefugnis aus. V. Zwischenergebnis Der an keine Frist gebundene Antrag, der schriftlich eingereicht und begründet werden muss (§ 23 I BVerfGG) wäre zulässig. 87 Voßkuhle, in: Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 93 Rn. 123. Erichsen, Staatsrecht II, S. 176 89 Benda/ Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn. 715f.. 88 21 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 101 - JURA NOT ALONE! B. Begründetheit des Normenkontrollantrags Der Antrag der Landesregierung BW wäre begründet, wenn das Volksbefragungsgesetz mit den Normen des Grundgesetzes nicht vereinbar wäre. I. Formelle Verfassungsmäßigkeit 1. Gesetzgebungskompetenz Zunächst müsste der Bund die Kompetenz für den Erlass des Volksbefragungsgesetzes haben. Art. 70 I gestaltet das Grundschema des Art. 30 mit Blick auf die Gesetzgebung aus. Die Gesetzgebungskompetenz liegt demnach grundsätzlich bei den Ländern. Bundeszuständigkeiten bedürfen der, nur ausnahmsweise konkludenten, Zuordnung durch die Verfassung90. In Anlehnung an das Bundesverfassungsgericht, vertritt die überwiegende Verfassungslehre die Meinung, dass der Bund eine AnnexKompetenz zum Erlass des Volksbefragungsgesetzes besitzt91. Dazu müsste der Gegenstand der Befragung in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallen. Gemäß Art. 73 Nr. 1 fallen Entscheidungen hinsichtlich der Verteidigung in das Ressort des Bundes. Für die Gesamtaufgabe „Verteidigungswesen“ ist also uneingeschränkt und allein der Bund zuständig. Auch das Volksbefragungsgesetz befasst sich mit der Verteidigung, genauer, dem Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte. Somit verfügt der Bund mittels einer Annex- Kompetenz über die Zuständigkeit zur Gesetzgebung. a) Ergebnis An der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzgebungsverfahrens bestehen also keine Zweifel. II. Materielle Verfassungsmäßigkeit Um materiell verfassungsgemäß zu sein, müsste das Volksbefragungsgesetz die Vorgaben des Art. 20 II wahren. 1. Zulässigkeit der Einführung von konsultativen Volksbefragungen Zunächst ist fraglich, ob konsultative Volksbefragungen in Form von gesetzlich geregelten „Abstimmungen“ im Sinne des Art. 20 II stattfinden können, oder ob andernfalls hierfür eine Verfassungsänderung gemäß Art. 79 I erforderlich ist. a) Das Prinzip der Volkssouveränität gemäß Art. 20 II 1 90 91 Degenhart, in: Sachs, Art. 70 Rn. 22. BVerfGE 8, 104 (118f.); Ebsen, AöR 1985, 2 (26). 22 Kraft Sachzusammenhangs ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 102 Ein geringer Teil des Schrifttums betrachtet konsultative Volksbefragungen, JURA NOT ALONE! sofern sie das vereinigte Volk in seiner Gesamtheit betreffen, als mit dem Prinzip der Volkssouveränität und des Rechtsstaats unvereinbar92. Eine lediglich konsultative Volksbefragung öffne dem Staatsvolk zwar eine Mitwirkung an der Staatswillensbildung, schließe jedoch anderseits auch das Recht der Repräsentativorgane ein, sich gegen den artikulierten Willen der Repräsentierten aufzulehnen. Im Lichte der aufkeimenden Erkenntnis könne es daher in einem demokratischem Staat keine konsultative Volksbefragung geben93. Diesem Ansatz ist im Ergebnis jedoch nicht zu folgen. Das Prinzip der Volkssouveränität erfordert, dass jede staatliche Handlung auf das Volk zurückgeführt werden kann94. Dies ist jedoch auch dann gegeben, wenn die Organwalter, wie im vorliegenden Falle einer konsultativen Volksbefragung, vom Votum des Volkes sich unterscheiden können bzw. dürfen. Gemäß Art. 38 I 2 sind sie als „Vertreter des ganzen Volkes“ rechtlich frei. Einer inhaltlichen demokratischen Legitimation bedürfen die volksgewählten Abgeordneten daher also nicht. b) Der Begriff der „Abstimmungen“ (Art. 20 II 2) Im Unterschied zu den in Art. 38 näher geregelten Wahlen, handelt es sich bei den in Art. 20 II erwähnten Abstimmungen um Sachentscheidungen95. Derartige Sachentscheidungen bilden den Kern der direkten Demokratie. Nach weit verbreiteter Auffassung stellt der Begriff „Abstimmungen“ eine abschließende Regelung der staatlichen Willensbildung durch das Grundgesetz dar. Demnach umfasse Art. 20 II 2 lediglich die im Verfassungstext enthaltenen Art. 29 II, IV, VIII, Art. 118 Satz 2 und Art. 118 a96. Als Begründung wird angeführt, Intention des Parlamentarischen Rats sei es gewesen, eine abschließende Regelung über die Teilnahme des Volkes an der staatlichen Willensbildung zu treffen97. Art. 20 II 2 spricht von „Abstimmungen“. Eine Verwendung dieses Begriffes würde keinen Sinn machen, wenn damit maßgeblich nur der Fall der Territorialplebiszite, hätte Berücksichtigung finden sollen. Mittlerweile kennen alle Verfassungen der deutschen Bundesländer neben repräsentativen auch 92 Krause, in: Isensee/Kirchhof, § 39 Rn. 17ff.. Krause, in: Isensee/Kirchhof, § 39 Rn. 18. 94 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, § 22 Rn. 11. 95 Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 14; Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 122 ff. 96 Degenhart, in: Sachs, Art. 20 Rn. 32; Herzog, in: Maunz/ Dürig/ Herzog, Art. 20 Rn. 43 97 Klaus Stern, Staatsrecht I, S. 11. 93 23 Sie müssen hier zwei Fragen unterscheiden : 1) Verfassungsmäßigkeit der konstruktiven Volksbefragung ? 2) Durch einfaches Gesetz möglich ? ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 103 Formen der direkten Demokratie98. Auf Grund des Homogenitätsgebotes des Art. 28 I müsste nun die Behauptung, einer Anreicherung der Verfassung um Elemente der direkten Demokratie stünde Art. 79 III entgegen, mit allen Konsequenzen zur Annahme der Verfassungswidrigkeit diverser Länderbestimmungen führen. Diese Konsequenz wird jedoch nicht gezogen99. Wenn Art. 28 I die grundgesetzliche Ordnung in den Ländern auf die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaates verpflichtet, die Länder folglich zulässigerweise direktdemokratische Elemente in ihre Verfassungen einfließen haben lassen, dann kann auch das Demokratieprinzip der Verfassung nicht auf repräsentative Formen beschränkt sein. Daher ist davon auszugehen, dass Art. 20 II 2 „Abstimmungen“ eo ipso nicht ausschließt 100 die Einführung weiterer . Die Einführung des Volksbefragungsgesetzes durch einfaches Gesetz wäre aber ausgeschlossen, wenn sich der Verfassung ein Verfassungsvorbehalt entnehmen ließe, nach dem bestimmte Verfassungsstrukturen, insbesondere die Einführung einer konsultativen Volksbefragung nur durch die Verfassung, das heißt durch Verfassungsänderung nach Art. 79 I erfolgen könnte. c) Verfassungsvorbehalt (1) Ein Teil der Literatur folgt aus der Auslegung des Grundgesetzes oder aus allgemeinen Prinzipien, dass die Regelung bestimmter Fragen, ausschließlich durch den Verfassungsgeber erfolgen kann und darf101. „Wesentliche“ Regelungen staatsorganisationsrechtlicher und allgemeinstaatlicher Art könnten demnach analog dem Gesetzesvorbehalt in seiner Ausprägung des „Parlamentsvorbehalts“ nicht durch den Gesetzgeber sondern lediglich durch den Verfassungsgeber getroffen werden. (2) Nach der „Wesentlichkeitsrechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts, bleiben hingegen wesentliche Entscheidungen dem Gesetzgeber vorbehalten102. Wegen seines lediglich konsultativen und damit „unwesentlichen“ Charakters, fiele das Volksbefragungsgesetz demnach nicht in den Kompetenzbereich des Verfassungsgebers. Eine Einführung des Volksbefragungsgesetze durch einfaches Gesetz, wäre also grundsätzlich möglich. 98 Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 133. BVerfGE 60,175 (208). 100 Hufschlag, plebiszitäre Komponente, S. 116 ff.. 101 Götz, NJW 1958, 1020. 102 BVerfGE 33, 1(10). 99 24 JURA NOT ALONE! - 104 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! (3) Stellungnahme Das Gebilde des Verfassungsvorbehalts hat keine eigenständige verfassungsrechtliche Bedeutung. Selbst in Passagen, an denen der Verfassungsvorbehalt ausdrücklich verankert wurde, wie durch Art. 30 durch das Verhältnis zwischen Bund und Ländern, bestand die Notwendigkeit auf ungeschriebene Bundeskompetenzen zurückzugreifen. Dies zeigt, dass ein Verfassungsvorbehalt zu verfassungspolitisch unerwünschten Reglementierungen der Staatsgewalt führen würde. Nach weit verbreiteter Meinung kann sich der Vorbehalt der Verfassung nur auf bestimmte Rechtsinstitute beziehen, aus denen bestimmte Regeln des Grundgesetzes hervorgehen103. Eine lediglich materiell gesehene Zugehörigkeit zum Verfassungsrecht im eigentlichen Sinne, berechtigt also noch nicht zur Normierung einer Materie auf Verfassungsebene. Eine dahin gehende Rechtspflicht ist im Grundgesetz nicht enthalten. Die Figur des Verfassungsvorbehalts ist somit abzulehnen. Der Verfassungsvorbehalt steht einer Einführung des Volksbefragungsgesetzes durch einfaches Gesetz also nicht entgegen. Fraglich ist jedoch, ob bei der Durchführung der geforderten Volksbefragung eine hinreichende Funktionsfähigkeit des parlamentarischrepräsentativen Regierungssystems des Grundgesetzes gewahrt bleibt. Dies könnte vor allem bei einem überhöhten Druck auf die Abgeordneten gefährdet sein. d) Außerparlamentarischer Druck Aus Ablauf und Ergebnis der Volksbefragung werden Fakten geschaffen, die auf die Parlamentarier einen starken Druck ausüben. Dieser Druck wird sowohl ihre Entscheidungsgrundlagen und als auch Entscheidungsmaßstäbe nicht unerheblich beeinflussen. Die Ausrichtung der Entscheidung nur am Gewissen des Parlamentariers ist dadurch in Frage gestellt104. Der durch konsultative Volksbefragungen aufkommende öffentliche Druck ist jedoch kaum anders als die Beeinflussungsversuche, denen die Parlamentarier bei anderer Gelegenheit ausgesetzt sind. Art. 38 I 2 schließt eine rechtliche Bindung des Abgeordneten aus. Dessen ungeachtet ist der Parlamentarier durch den vorherrschenden Fraktionszwang an die Fraktion gebunden. Auch die Interessenverbände üben eine starken Druck auf die Abgeordneten aus. Stellt man den Druck der von einer konsultativen Volksbefragung ausgeht nun also in Frage, so müsste man dies ebenso für den Fraktionszwang als 103 104 Bleckmann, JZ 1978, 217 (223). Abelein, in: FS für A. von der Heydte, 777 (790f.). 25 Ungenau, man stellt nicht den Druck in Frage, sondern seine Zulässigkeit ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 105 auch für die Interessenverbände tun. Ein solcher Gedanke wirkt jedoch geradezu grotesk105. Von einer Nötigung im juristischen Sinne kann daher schon auf Grund der rechtlichen Unverbindlichkeit der Befragung keine Rede sein. Der Ausgang der Volksbefragung berührt die Freiheit des Abgeordneten kaum mehr, als die Veröffentlichung eines demoskopischen Untersuchungsergebnisses. Als einzig zwingende Pflicht der Abstimmung ergibt sich nach den Grundsätzen einer repräsentativ- responsiven Demokratie die Pflicht der Abgeordneten, ihre möglicherweise abweichende Auffassung mit Blick auf der durch das Befragungsergebnis geäußerte Bedenken der Aktivbürgerschaft erneut zu prüfen und deren etwaige Umsetzung und Beibehaltung um so sorgfältiger zu begründen. e) Ergebnis Gegen eine erweiternde über die Fälle der Art. 29, 118, 118a hinausgehende Auslegung der „Abstimmungen“ des Art. 20 II 2 bestehen keine verfassungsrechtliche Bedenken. 2. Zulässigkeit der Wahlbeteiligung von EU- Bürgern Problematisch erscheint jedoch die durch das Volksbefragungsgesetz vorgesehene Teilnahmeberechtigung von Unionsbürgern. Gegen eine solche Beteiligung von Angehörigen anderer EU- Mitgliedstaaten könnte Art. 20 II 2 sprechen. Gemäß Art. 20 II soll dem „Volke“ als Verfassungsorgan des demokratischen Staates, eine Teilhabe an der Bildung des Staatswillens zukommen. Eine Unverbindlichkeit eher der unbedeutende lediglich Rolle konsultativen nimmt dabei die Volksbefragung ein. Verfassungsorgane üben Staatsgewalt aus. Dies gilt selbst dann, wenn sie von Befugnissen Gebrauch machen, die nicht unmittelbar verbindliche Wirkungen hervorrufen. Im Unterschied zur demoskopischen Umfrage stellt die konsultative Volksbefragung folglich essentiell eine Teilhabe der Bürger an der Staatsgewalt im „status activus“ dar106. Zum Volke im Sinne dieser Bestimmung gehören aber nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts lediglich die deutschen Staatsangehörigen und die ihnen nach Art. 116 I gleichgestellten Personen107. Demnach wäre ein Beteiligung der EU- Bürger mit der Verfassung nicht zu vereinen. Eine andere Ansicht sieht das „Volk“ als unverfassten Träger der verfassungsgebenden Gewalt. Demnach wäre das „Volk“ von der 105 Bleckmann, JZ 1978, 217 (219). BVerfGE 8, 104 (114f.). 107 BVerfGE 83, 38 (50f.). 106 26 JURA NOT ALONE! ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 106 Staatsangehörigkeit losgelöst108. Die Beteiligung der EU- Bürger wäre folglich nicht ausgeschlossen. Eine solche Ansicht widerspricht jedoch dem verfassungsrechtlichen Verständnis der Volkssouveränität und ist als solche nicht vorzugswürdig. Eine Beteiligung der EU- Bürger auf Bundesebene ist daher nur durch Verfassungsänderung gemäß Art. 79 möglich. Hinsichtlich des Kommunalwahlrechts der EU- Bürger ist dies bereits 1994 durch Einfügung des Art. 28 I 3 geschehen. a) Ergebnis Die im Volksbefragungsgesetz vorgesehene Beteiligung der EU- Bürger wäre somit nicht mit Art.20 II 2 vereinbar. Hieran ändert auch das durch den deutschen Bundestag Gemeinschaftsrecht zur nichts. Begründung Denn herangezogene dies verfügt europäische über keine Verfassungsqualität109. C. Gesamtergebnis zu Aufgabe 3 Das Volksbefragungsgesetz wäre insoweit materiell verfassungswidrig, als es nach Art. 20 II 2 gegen das Volkssouveränitätsprinzip verstoße. Die zulässige abstrakte Normenkontrolle wäre jedoch nur bezüglich dieses Verstoßes begründet. Da das Gesetz an sich im übrigen noch sinnvoll wäre, könnte jedoch gemäß § 78 Satz 1 BVerfGG das Volksbefragungsgesetz für teilnichtig erklärt werden110. Aufgabe 1: Sie diskutieren die wesentlichen Problemkreise recht ausführlich und kommen zu gut vertretbaren Ergebnissen. Zusätzlich sollten Sie noch auf das Verhältnis von Art. 87a II GG und Art. 24 II GG eingehen. Aufgabe 2: Es fehlt die dogmatische Herleitung des konstitutiven Parlamentsvorbehalts, materiell- rechtliche Prüfung hat einige Schwächen in der Argumentation, insgesamt aber brauchbar. Aufgabe 3: Hier fehlt eine saubere Trennung der beiden Fragen, ob die konsultative Volksbefragung gegen das GG verstößt und ob sie mittels einfachen Gesetzes ausgeführt werden darf. Beteiligung von EU- Ausländern insgesamt zu knapp erörtert, jedoch mit Klärung der Frage, ob insoweit „Staatsgewalt“ ausgeübt wird. 10 Punkte (vollbefriedigend) 108 Bryde, JZ 1989, 257 (259). Randelzhofer, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 23 Rn. 34 ff.. 110 Degenhart, Staatsrecht I, § 9 II 4 Rn. 617. 109 27 JURA NOT ALONE! ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 107 - Martin Mustermann Wilhelmstr. 7 72074 Tübingen Mat.Nr.: 1234567 2. Fachsemester JURA NOT ALONE! Tübingen, den 4. November 2004 Übung im bürgerlichen Recht für Anfänger 1. Klausur bei Prof. Dr. Hermann Reichold im WS 2004/2005 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 108 - JURA NOT ALONE! Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht Prof. Dr. Hermann Reichold Übung im Bürgerlichen Recht für Anfänger Wintersemester 2004/2005 1. Klausur Reifenärger Karin sucht günstige Winterreifen. Am Sonntag Abend spricht sie hierüber mit ihrer Freundin Verena. Verena erklärt, dass sie für das Auto der Karin passende Winterreifen übrig habe. Karin könnte die schon etwas abgefahrenen Reifen für € 100,- haben. Karin erklärt, sie sei an den Reifen interessiert. Bevor sie kaufe, wolle sie sich aber noch bei einem Händler über die Preise für neue Winterreifen informieren. Verena erklärt Karin daraufhin, sie sei in den nächsten drei Tagen verreist. Karin solle sich bis zu ihrer Rückkehr am Mittwoch Abend - 18 Uhr - entscheiden, ob sie die Reifen haben wolle. Wenn sich Karin bis zu diesem Zeitpunkt nicht gemeldet habe, werde sie einen anderen Käufer suchen. Da sie telefonisch schlecht zu erreichen sei, könne Karin ihr ihre Entscheidung auch per EMail mitteilen. Sie, Verena, rufe ihre E-Mails jeden Abend auch von unterwegs um 18 Uhr ab. Karin kommt an den folgenden Tagen nicht dazu, einen Reifenhändler aufzusuchen. Daher beschließt sie am folgenden Mittwoch-Nachmittag, da Angebot der Verena anzunehmen, ohne sich vorher nach den Preisen für neue Winterreifen erkundigt zu haben. Gegen 14 Uhr sendet Karin eine an Verena adressierte E-Mail mit folgendem Inhalt ab: „Hallo Verena, ich nehme die Reifen für die vereinbarten € 100,-. Liebe Grüße – Karin“. Wenige Sekunden später liegt diese Mail für Verena auf deren Mailserver zur Abholung bereit. Kurz nach dem Versand der E-Mail muss Karin überraschend zu einem Kunden in die Stadt. Auf dem Weg dorthin kommt sie am Laden des Reifenhändlers Richard vorbei. Karin hält an und erfährt von Richard, dass dieser für ihr Auto passende neue Winterreifen gerade zum Aktionspreis von € 160,- im Angebot habe. Karin erklärt, dass sie die Reifen zu diesem Preis nehme, bezahlt sie gleich mit ihrer Kreditkarte und erklärt, sie werden die Reifen am nächsten Tag abholen. Als Karin anschließend gegen 16 Uhr nach Hause kommt, ruft sie sofort Verena auf deren Mobiltelefon an und erklärt, dass sie die Reifen – anders als per E-Mail bereits mitgeteilt – doch nicht benötige und daher keinen Kaufvertrag mit Verena wolle. Verena, die die E-Mail der Karin noch nicht gelesen hatte, erklärt daraufhin, Karin könne nicht „ mal dies und mal jenes“ erklären. Sie müsse sich auf Erklärungen, die in ihrem „Briefkasten“ lägen, verlassen können. Schließlich sei denkbar, dass sie ihre E-Mails einmal früher als gewöhnlich abrufe. Dann hätte es passieren können, dass sie – sich auf die Erklärung der Karin verlassend – ein anderes Kaufangebot für die Reifen abgelehnt hätte. Karin solle die Reifen daher bezahlen und abholen. Frage 1: Kann Verena von Karin Zahlung von € 100,- verlangen? Da Verena auf Bezhalung der Reifen besteht und Karin keinen Ärger mit Verena haben möchte, ruft Karin bei Richard an und erklärt, dass sie beim Kauf der neuen Reifen nicht gewusst habe, dass sie schon auf andere Weise zu gebrauchten Winterreifen gekommen sei. Sie wolle die neuen Reifen nun doch nicht mehr. Richard solle das Geld für die Reifen auf ihr Konto zurück überweisen. Richard erklärt, dass er damit nicht einverstanden sei. Karin solle die Reifen abholen. Frage 2: Kann Karin von Richard Zahlung von € 160,- verlangen? Bearbeitungszeit: 2h (8 – 10 Uhr) Voraussetzung der Annahme der Arbeit zur Korrektur: Anfertigung der Lösung auf einseitig beschriebenem, einen Korrekturrand von 1/3 der Seitenbreit auf der rechten Seite aufweisenden Lösungsblättern (DIN A 4). Die Lösung ist mit einem Deckblatt zu versehen auf dem oben links der Name des Bearbeiters steht. Jedes Lösungsblatt ist oben rechts mit dem amen des Bearbeiters zu versehen. Die Klausur ist zu unterschreiben. Der Klausur ist ein Fallbesprechungsschein anzufügen, wenn dieser nicht schon mit der 1. Hausarbeit abgegeben wurde. ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 109 - JURA NOT ALONE! Übung für Anfänger im Zivilrecht Frage 1: Verena (V) könnte einen Anspruch aus Kaufvertrag aus § 433 II BGB auf Zahlung der 100 Euro von Karin (K) haben. Dazu müssten die beiden einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben. Ein solcher kommt zustande, wenn zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene nicht solche Willenserklärungen, Angebot und Annahme, erklärt werden Allgemeinheiten V könnte hier der K ein Angebot unterbreitet haben. Ein Angebot ist gegeben, wenn alle wichtigen Vertragsbestandteile, die essentialia negotii, darin enthalten sind, so dass der Annehmende mit „ja“ oder „nein“ antworten könnte. V nennt hier Produkt und richtig Preis. Somit liegt gem. § 145 BGB ein bindendes Angebot vor, welches der anwesenden K auch zugegangen ist. Fraglich ist, ob K das Angebot auch angenommen hat. Grundsätzlich kann ein Angebot unter Anwesenden nach § 147 I 1 richtig BGB nur sofort angenommen werden. Wird jedoch eine Frist bestimmt, so gilt gem. § 148 BGB Einhaltung der Frist. nach h.L. liegt der Zugang einer unter V hat der K die Frist bis zum Mittwoch Abend – 18h – gesetzt. Abwesenden abgegebenen Sollte sie bis dahin nicht angenommen haben, erlischt der Antrag Willenserklärung dann vor, wenn die nach § 146. K hat der V am Mittwoch um 14h eine e-mail gesandt, Erklärung so in den Machtbereich des in der sie das Angebot annahm. Die Frist ist somit gewahrt. Die eEmpfängers gelangt, dass dieser sich mail ist rechtzeitig in den Machtbereich der V gelangt, so dass für unter gewöhnlichen Verhältnissen sie die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand. Damit war laut Kenntnis vom Inhalt der Erklärung Aussage der V, auch noch bis Fristablauf zu rechnen. nehmen konnte und eine Kenntnisnahme Zu klären bleibt, wie der 2 Stunden später per Telefon erklärte nach der Verkehrsanschauung zu Widerruf zu behandeln ist. Es ist unklar, ob dieser rechtzeitig erwarten ist zugegangen ist. Damit ein Widerruf greift, muss dieser nach § 130 I 2 BGB vorher oder gleichzeitig mit der Willenserklärung zugehen. Hier ist er zwei Stunden später zugegangen. Ein Telefonat wird gem. § 147 I 2 BGB wie ein unter Anwesenden geführtes richtig Gespräch behandelt. V hat jedoch den Widerruf vor der e-mail mit der Annahme zur Kenntnis genommen. Legt man die Norm des § 130 I 2 BGB nach dem Wortlaut aus, lässt dieser eher darauf schön schließen, dass strikt der Zugang als solcher, also das Gelangen in den Machtbereich als Maßstab für die „Rechtzeitigkeit“ genommen wird. Teleologisch betrachtet muss man hingegen eher zu dem Schluss kommen, dass es zweckgerichteter ist, vom tatsächlichen Zur-Kenntnis-Nehmen auszugehen. Hört oder liest der Antragende den Widerruf zuerst, kommt dies einer Ablehnung des Angebots richtig gleich, sodass er nie von der Annahme ausgegangen ist. Demnach ging der Widerruf der V noch rechtzeitig zu. Folglich ist kein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Somit hat V keinen Anspruch gegen K aus Kaufvertrag gem. § 433 II BGB auf richtig Zahlung der 100 Euro. richtig ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 110 - JURA NOT ALONE! Frage 2: richtig richtig Der Vertragsabschluss ist unproblematisch und muss jedenfalls nicht begründet werden richtig dies ist unproblematisch richtig Dies ist die eigentliche Thematik richtig K könnte gegen Richard (R) einen Anspruch auf Rückzahlung und damit auf Herausgabe der 160 Euro aus § 812 I S. 1 BGB haben. Dies wäre der Fall, wenn R durch die Leistung eines anderen (durch K) ohne rechtlichen Grund etwas erlangt hätte. Unter Leistung versteht man die zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Indem R die 160 Euro auf sein Konto übertragen bekommen hat, hat er also durch Leistung der K etwas erlangt. Fraglich ist, ob dies ohne rechtlichen Grund erfolgt ist. Ein rechtlicher Grund wäre durch Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags gegeben. K und R könnten einen Kaufvertrag gem. § 433 BGB geschlossen haben. Dieser setzt zwei wirksame Willenserklärungen, Angebot und Annahme, voraus. R hat der K ein Angebot über neue Reifen zum Preis von 160 Euro unterbreitet, welches sie nach § 147 BGB auch sofort angenommen hat. Somit ist zwischen K und R ein wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 BGB zustande gekommen. Der Anspruch könnte allerdings vernichtet worden und damit erloschen sein. Dies wäre der Fall, wenn K nach § 142 I BGB wirksam angefochten hätte. Kommt eine Anfechtung durch, so wird der Anspruch ex tunc vernichtet, das Rechtsgeschäft ist also von Anfang an nichtig. Eine Anfechtung setzt eine begründete Anfechtungserklärung an den richtigen Anfechtungsgegner mit Einhaltung der Frist voraus. Fraglich ist, ob K überhaupt gem. § 143 I BGB eine Anfechtung erklärt hat. Ausdrücklich gesagt hat sie davon nichts. Für eine Anfechtung genügt es allerdings, wenn man aus der Aussage auf eine solche schließen kann. Das Wort „Anfechtung“ muss nicht ausdrücklich fallen. Legt man die Willenserklärung von K gem. §§ 133 und 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont aus, so kann man aus den Worten „sie wolle die Reifen nicht mehr“ darauf schließen, dass sie an das Rechtsgeschäft nicht mehr gebunden sein will. Eine Anfechtungserklärung ist gem. § 143 I BGB erfolgt. R ist als Vertragspartner auch der richtige Anfechtungsgegner. Ein Problem könnte in der Wahrung der Frist liegen. Eine Anfechtung muss unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen. K hat dem R noch am selben Tag, an welchem der Kaufvertrag abgeschlossen wurde, (sie hat die Reifen noch nicht abgeholt, was sie am darauffolgenden Tag machen wollte) angefochten. Die Frist ist damit gem. § 121 I 1 BGB eingehalten. Zu klären bleibt, ob K überhaupt einen Anfechtungsgrund hatte. Anfechtung gem. § 119 I Alt. 1 BGB K könnte wegen Inhaltsirrtum angefochten haben. Dann müsste sie von einem falschen Inhalt ihrer Aussage ausgegangen sein. K war aber bewusst, was sie erklärt, nämlich, dass sie Winterreifen für 160 Euro kaufen wollte. Folglich kommt ein Inhaltsirrtum nicht in Betracht. Anfechtung gem. § 119 I Alt. 2 BGB dies liegt offensichtlich auch K könnte aufgrund eines Erklärungsirrtums anfechten Dies setzt nicht vor voraus, dass sie sich versprochen, verschrieben o.ä. hat. Dergleichen ist nicht geschehen. Ihre mündliche Erklärung war ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 111 - JURA NOT ALONE! entsprechend ihres Willens. Sie befand sich mithin nicht im Erklärungsirrtum. Eine Anfechtung aus diesem Grund ist nicht möglich. Anfechtung nach § 119 II richtig richtig Dies muss der Käufer selber tragen liegt offensichtlich nicht vor K könnte gem. § 119 II wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft anfechten, Eigenschaftsirrtum. K könnte die Reigen wegen des Preises nicht mehr wollen. Fraglich ist, ob es sich bei dem Preis einer Sache um eine Eigenschaft handelt. Eine solche bestimmt sich durch dauerhafte Merkmale. Ein Preis ist allerdings ökonomischen Schwankungen unterworfen und damit nicht fix. Als Folge ergibt sich, dass es sich dabei auch nicht um eine Eigenschaft handelt. Somit ist für K eine Anfechtung aufgrund eines Eigenschaftsirrtums unmöglich. Motivirrtum K könnte sich im Motivirrtum befunden haben. Dies ist dann gegeben, wenn sich die Umstände, die sie zur Abgabe ihrer Willenserklärung bewegt haben, geändert haben. Solche Änderungen der Motive oder der äußeren Gegebenheiten können aber nicht zu Lasten desjenigen gehen, der sich auf die Wirksamkeit der Willenserklärung verlassen hat. Sonst könnte man von jedem Vertrag, der sich im Nachhinein als ungünstig für einen herausstellt, sozusagen „zurücktreten“, indem man das Recht ex tunc vernichtet. Hier muss die Verkehrssicherheit gewahrt werden, weshalb ein Motivirrtum – mit Ausnahme des oben verneinten Eigenschaftsirrtums als Spezialfall des Motivirrtum – grds. unbeachtlich ist und damit nicht zur Anfechtung berechtigt. K´s Motive haben sich durch den Kaufvertrag mit V geändert. K hat also nicht wirksam anfechten können. Der Anspruch ist demgemäß nicht erloschen. Folglich haben K und R einen wirksamen Kaufvertrag gem. § 433 BGB miteinander abgeschlossen. Dieser bildet den rechtlichen Grund des R für die erbrachte Leistung der K. R hat die 160 Euro also nicht ohne rechtlichen Grund erlangt, weshalb K keinen Herausgabeanspruch des Geldes gem. § 812 I 1 BGB hat. Herausgabeanspruch aus §985 K könnte einen Anspruch auf Herausgabe des Geldes aus § 985 BGB haben. Dieser läge vor, wenn K Eigentümerin und R lediglich der Besitzer der 160 Euro wäre. K könnte allerdings ihr Eigentum am Geld verloren haben. Dann nämlich, wenn das Geld gem. § 929 bargeldloser Zahlungsverkehr ≠ S. 1 BGB dem R übergeben worden ist. K hat im Laden des R mit Sache ihrer Kreditkarte bezahlt. Ein Kreditkartengeschäft kommt einer Barzahlung gleich. Das Geld fließt auf das Konto des R und das Eigentum daran geht demnach auf ihn über. Beide waren sich zum Zeitpunkt der Übereignung darüber einig, dass R neuer Eigentümer sein soll. R ist damit rechtmäßiger Eigentümer und nicht nur Besitzer. Somit hat K keinen Anspruch auf Herausgabe des Geldes aus § 985 BGB. Probleme werden in Teilen gesehen 1. Frage: Verfasser hat seine Begründungen der h. L. zugrunde gelegt, erkennt hierbei die in der Literatur bekannte inhaltlich anderslautende Mindermeinung nicht an. Demnach erfolgt keine ausreichende . argumentative Auseinandersetzung. 2. Frage: Der Vertragsabschluss ist hier völlig unproblematisch. Zu § 119 II wird nicht der spezifische Gesichtspunkt des vom Käufer zu tragenden Gebrauchsrisiko gesehen. 10 Punkte (vollbefriedigend) - 112 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Martin Mustermann Wilhelmstr. 7 72074 Tübingen Mat.Nr.: 1234567 2. Fachsemester JURA NOT ALONE! Tübingen, den 10. November 2004 Übung im Strafrecht für Anfänger 1. Klausur bei Prof. Dr. Hans-Ludwig Günther & Prof. Dr. Fritjof Haft im WS 2004/2005 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Professor Dr. Fritjof Haft Professor Dr. Hans-Ludwig Günther - 113 - JURA NOT ALONE! Tübingen, 10.11.2004 Übung im Strafrecht für Anfänger, Wintersemester 2004/05 1. Klausur (für alle Übungsteilnehmer A-K und L-Z) Fußball-Europameisterschaft 2004: Es herrscht schlechte Stimmung. Ausscheiden in der Vorrunde, Rudi tritt ab, Mayer-Vorfelder in der Kritik. Genau dies ist das Thema auf dem Feuerwehrfest in Kleindingenskirchen. Alfred (A), ein kräftiger Bursche, meint: „2006 werden wir Weltmeister. Was die Griechen können, können wir schon lange“. Tischnachbar Benjamin (B) antwortet darauf: „So ein Quatsch“! Alfred, der erst einen Schluck aus seinem Bierkrug getrunken hat, plazuz der Kragen. Er holt mit seiner großen Faust mit der Bemerkung „dafür gibt’s heiße Ohren“ aus. Der ziemlich schmächtige Benjamin sieht zwar, dass hinter ihm gerade ein kleines Kind steht. Er rechnet damit und billigt es auch, dass er das Kind möglicherweise bei einem plötzlichen Aufspringen umreißen und so verletzen wird, sieht aber auch, dass er anders nicht ausweichen kann und Alfred nicht zu bremsen ist. Um dem drohenden Schlag des Alfred zu entgehen, springt er auf und bringt dabei das Kind zu Fall, das sich hierbei den Arm bricht. Benjamin eilt nunmehr in Richtung Ausgang des Bierzelts. Alfred will Benjamin nachsetzen. Als Alfred aber merkt, dass Benjamin zu schnell ist und ihm im Bierzelt entkommen wird, greift sich Alfred einen Bierkrug, um den Benjamin mit einem gezielten Wurf zur Strecke zu bringen. Alfred zielt jedoch unglücklicherweise über eine Entfernung von 10 Metern auf den unbeteiligten Claus (C), der ebenfalls zum Ausgang eilt und den er aufgrund des ähnlichen Aussehens für Benjamin hält. Alfred wirft, verschätzt sich dabei aber und trifft mit voller Wucht den unbeteiligten Dennis (D) am Kopf, der gerade an Claus vorbei ins Bierzelt kommt. Der Bierkrug zerspringt in Scherben. Dennis bricht mit einer schwer blutenden Platzwunde zusammen und reißt dabei die Bierkellnerin Resi (R) mit zu Boden, die sich an den auf dem Boden liegenden Scherben erhebliche Schürfwunden zuzieht. Mit einem sofort herbeigerufenen Notarzt wird Dennis in ein Krankenhaus transportiert, wo es gelingt, die Blutungen zu stoppen. Strafbarkeit von Alfred, Benjamin und Dennis? Eventuell erforderliche Strafanträge sind gestellt. - 114 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! Übung für Anfänger im Strafrecht 1. Tatkomplex I.Strafbarkeit des B gem. § 223 I StGB B könnte sich, indem er beim Aufspringen das Kind umriss, welches sich dabei den Arm bricht, einer Körperverletzung gem. § 223 I an dem Kind strafbar gemacht haben. a) Objektiver Tatbestand Voraussetzung dafür ist, dass A das Kind körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt hat. Eine körperliche Misshandlung ist eine üble, unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit in mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Eine Gesundheitsschädigung ist in jedem Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften Zustands zu sehen. K hat sich den Arm gebrochen. Das stellt einen Eingriff in dessen körperliche Unversehrtheit und eine Gesundheitsschädigung dar. Somit ist der Erfolg des § 223 I eingetreten. Die Handlung des B war dafür auch kausal. Der objektive Tatbestand ist somit erfüllt. b) Subjektiver Tatbestand Weiter müsste B vorsätzlich gehandelt haben. Vorsatz ist Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. In Betracht kommt vorliegend ein Eventualvorsatz des B. Fraglich ist aber, ob B mit Eventualvorsatz oder lediglich bewusst fahrlässig handelte. vgl. die Sachverhaltsgestaltung Erforderlich ist also eine Abgrenzung zwischen dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit. 1. Möglichkeitstheorie Mit Eventualvorsatz handelt, wer den Erfolgseintritt für möglich hält. Derjenige, der den Erfolg für möglich hält, akzeptiert diesen auch. Allerdings nähert sich diese Theorie zu sehr der bewussten Fahrlässigkeit. Auch derjenige, der nur bewusst fahrlässig handelt, hält den Erfolgseintritt für möglich. 2. Wahrscheinlichkeitstheorie - 115 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura Mit Eventualvorsatz handelt, JURA NOT ALONE! wer den Erfolgseintritt für wahrscheinlich hält. Wahrscheinlich ist nämlich mehr als nur möglich. Allerdings ist eine klare Abgrenzung zwischen Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit nicht möglich, so dass auch dass auch diese Theorie zu ungenau ist. 3. Gleichgültigkeitstheorie Mit Eventualvorsatz handelt, wer dem Erfolgseintritt gleichgültig gegenüber steht. Vorsatz ist gegenüber der Fahrlässigkeit die schwerere Schuldform und bedarf also eines zusätzlichen Gesinnungsunwerts. Dieser ist darin zu sehen, dass der Handelnde einer möglichen Rechtsgutverletzung gleichgültig gegenübersteht. Diese Theorie ist aber zu einseitig, sie beschränkt sich zu sehr auf das neben dem kognitiven, voluntative Element. 4. Ernstnahmetheorie Danach handelt mit Eventualvorsatz, Rechtsgutverletzung erkennt, diese ernst wer die mögliche nimmt und sich schließlich damit abfindet. Hier liegt der Unterschied zur kürzen! bewussten Fahrlässigkeit. Der fahrlässig Handelnde vertraut lediglich darauf, dass der Erfolg nicht eintreten werde. Eine Unterform der Ernstnahmetheorie ist die Billigkeitstheorie, nach welcher derjenige mit Eventualvorsatz handelt, wer den Erfolg billigend in Kauf nimmt. Dabei können auch unerwünschte Erfolge billigend in Kauf genommen werden. Dieser Theorie ist zu folgen, sie berücksichtigt nämlich sowohl das Wissens- als auch das Wollenselement und wird somit der Komplexität des Tatgeschehens gerecht. 5. Schlussfolgerung Alle Theorie würden vorliegend zum selben Ergebnis kommen, nämlich dass B damals mit dolus eventualis, also vorsätzlich handelte. Er hat das Kind hinter sich stehen sehn, er wusste also und er hielt es für möglich und wahrscheinlich, dass er es beim Aufspringen umreißen würde und er hat sich schließlich damit abgefunden und es billigend in Kauf genommen. - 116 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! C) Rechtswidrigkeit Des weiteren müsste B rechtswidrig gehandelt haben. 1) Notwehr gem. § 32 In Betracht kommt zunächst eine Rechtfertigung durch Notwehr gem. § 32 I. Vorraussetzung dafür ist zunächst das Vorliegen einer Notwehrlage. Notwehrlage Die Notwehrlage wird durch einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff begründet. Ein Angriff ist jede durch einen Menschen drohende und bevorstehende Verletzung rechtlich anerkannter Güter und Interessen. Vorliegend ist ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff des A gegen den B gegeben. Eine Notwehrlage liegt also vor. Notwehrhandlung Die Notwehrhandlung müsste sich gegen den Angreifer richten und erforderlich sein. Hier richtet sich die Handlung des B gegen K und nicht gegen A. Eine Notwehrhandlung und somit eine Rechtfertigung gem. § 32 scheidet aus. 1) Notstand gem. § 34 B könnte aber durch den Notstand gem. § 34 gerechtfertigt sein. Vorraussetzung dafür ist das Vorliegen einer Notstandslage. Diese besteht in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut gem. § 34 S. 1. Vorliegend müsste B damit rechnen von der Faust des A getroffen zu werden. Es lag also eine Gefahr für seine körperliche Unversehrtheit vor. Diese war auch gegenwärtig. A hatte schon mit der Faust ausgeholt. Eine Notstandslage ist gegeben. Die Notstandshandlung des B müsste weiter erforderlich sein. Erforderlich ist alles, was geeignet ist, die Gefahr von sich abzuwenden und sie müsste dabei das mildeste von den zur Verfügung stehenden Mitteln sein. Das Aufspringen des B war zur Gefahrenabwehr geeignet, er ist ihr somit ausgewichen. Und in Anbetracht dessen, dass der B laut Sachverhalt schmächtig ist und auf andere Weise gegen den A keine Chance hätte, war es auch das relativ mildeste Mittel. Die - 117 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! Notstandshandlung war demnach erforderlich. Weiter müsste im Rahmen der Interessenabwägung der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte weitgehend überwiegen. Betroffen ist einerseits die körperliche Unversehrtheit des B, andererseits vorliegend die körperliche Unversehrtheit des Kindes. Es kann also nicht von einem wesentlichen Überwiegen eines Interesses gesprochen werden. Beide bedrohten Rechtsgüter sind nämlich gleichwertig. Folglich scheidet eine Rechtfertigung gem. § 34 aus. Weitere Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. D) Schuld B müsste schuldhaft gehandelt haben. In Betracht kommt eine Entschuldigung des B gem. § 35 I. Eine Notstandslage liegt vor. B befindet sich in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für seine körperliche Unversehrtheit (s.o.) Die Notstandshandlung war erforderlich (s.o.) Zu beachten ist hier ferner die Zumutbarkeitsklausel des § 35 I S. 2. Danach ist eine verkürzte Problembehandlung Entschuldigung ausgeschlossen, wenn es dem Täter zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen. Vorliegend sind keine Umstände gegeben, die dem B eine Zumutbarkeit zusprechen könnte. Er hat die Gefahr nicht selbst verursacht und es lag auch kein besonderes Rechtsverhältnis vor. Man konnte dem B nicht zumuten, dass er die gegenwärtige Gefahr für seinen Leib hinnimmt. B ist also gem. § 35 I entschuldigt. E) Ergebnis B hat sich nicht wegen Körperverletzung gem. § 223 I an K strafbar gemacht. II.Strafbarkeit des A gem. §§ 223 I, 22, 23 I A könnte sich, indem er mit der Faust ausholte, des Versuchs einer Körperverletzung an B gem. §§ 223 I, 22, 23 I strafbar gemacht haben. A) Vorprüfung Vorraussetzung dafür ist, dass eine nichtvollendete Tat vorliegt und dass der Versuch strafbar ist. Beides ist hier der Fall. B hat keine ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 118 - JURA NOT ALONE! Körperverletzung erlitten und der Versuch ist gem. §§ 23 I, 223 II strafbar. B) Tatentschluss A hat den Tatentschluss hinsichtlich der Körperverletzung an B gefasst. Er wollte den B verletzen, hatte also diesbezüglich Vorsatz. C) Unmittelbares Ansetzen A hat, indem er mit der Faust ausholte und durch seine Bemerkung „dafür gib´s heiße Ohren“ auch unmittelbar zur Tat angesetzt. D) Rechtswidrigkeit Rechtswidrigkeitsgründe sind nicht ersichtlich. A handelte rechtswidrig. E) Schuld Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. Vor allem kommen eine Schuldunfähigkeit gem. § 20 nicht in Betracht. A hatte lediglich einen Schluck aus seinem Bierkrug getrunken. A handelte schuldhaft. F) Ergebnis A hat sich des Versuchs einer Körperverletzung an B gem. §§ 223 I, 22, 23 I strafbar gemacht. 2. Tatkomplex I. Strafbarkeit des A gem. §§ 223, 224 I Nr. 2, 22, 23 I zu lasten des C A könnte sich, indem er mit dem Bierkrug auf C zielt des Versuchs der gefährlichen Körperverletzung gem. §§ 223, 224 I Nr. 2 Alt.2, 22, 23 I strafbar gemacht haben. Dafür müsste der Bierkrug ein gefährliches Werkzeug gem. § 224 I Nr. 2 Alt. 2 darstellen. Ein gefährliches Werkzeug ist jeder bewegliche Gegenstand, der wegen seiner Beschaffenheit und der Art seiner Anwendung als Verteidigungs- oder Angriffsmittel in der Lage ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Bei einem schweren Bierkrug aus Glas ist davon auszugehen. Er kann aufgrund seiner Massivität und wenn er zerbricht durch Scherben erhebliche Verletzungen verursachen. - 119 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! A) Vorprüfung Es müsste ein unvollendetes Delikt vorliegen und der Versuch müsste strafbar sein. Beides ist hier der Fall. C ist nicht verletzt und der Versuch einer gefährlichen Körperverletzung ist gem. §§ 23 I, 224 II strafbar. B) Tatentschluss Weiter müsste A den Tatentschluss zur Verwirklichung des Straftatbestandes des § 224 I Nr. 2 Alt. 2 gefasst haben, also er müsste vorsätzlich gehandelt haben. Problematisch ist hier aber, dass A lediglich Vorsatz bzgl. B und nicht bzgl. C hatte. Er hat B und C miteinander verwechselt. Er hat sich über die Identität der Person geirrt, die er verletzen wollte. Er befand sich also im error in persona (Identitätsirrtum), der einen Unterfall des Tatbestandsirrtums gem. § 16 darstellt. Fraglich ist nun, wie sich der error in persona auf den Vorsatz des A auswirkt. Bei Gleichwertigkeit der Objekte wird angenommen, dass ein error in persona für den Täter unbeachtlich ist. Vorliegend sind die Objekte gleichwertig, es sind beides Menschen. Und zum Tatzeitpunkt hatte A seinen Vorsatz auf C konkretisiert, das heißt, er hatte Vorsatz, der auf den Menschen gerichtet ist, der sich in der konkreten Situation vor ihm befindet und auf den er zielt. Also ist der error in persona für den A hier unbeachtlich. Er handelte vorsätzlich. C) Unmittelbares Ansetzen Indem A zielte hat er unmittelbar zur Tat angesetzt. D) Rechtswidrigkeit Es sind keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich. Er handelte vorsätzlich. F) Schuld Es sind keine Entschuldigungsgründe ersichtlich. A handelte schuldhaft. F) Ergebnis A hat sich gem. §§ 223, 224 I Nr. 2 Alt. 2, 22, 23 I zu Lasten des C strafbar gemacht. - 120 - ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura JURA NOT ALONE! II) Strafbarkeit des A gem. §§ 223, 224 I Nr. 2 Alt. 2 zu Lasten des D Objektiver Tatbestand Der Bierkrug ist ein gefährliches Werkzeug (s.o.) Der tatbestandliche Erfolg des § 224 I ist eingetreten. D hat eine Platzwunde. Die Handlung des A war dafür kausal. Subjektiver Tatbestand A müsste vorsätzlich handeln. Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Problematisch ist aber dass A hier den D gar nicht treffen wollte, sondern den C. Er wirft den Bierkrug und trifft an C vorbei den D. Dabei handelt es sich um eine aberratio ictus, d.h. ein Fehlgehen der Tat. Folglich ist nun wie sich eine aberratio ictus auf die Strafbarkeit des A auswirkt. Eine Ansicht will hier aus vollendeter vorsätzlicher Tat bestrafen. Denn der Täter wollte jemanden verletzen und das hat er auch, wenn auch den falschen. Diese Ansicht setzt sich aber über den individualisierenden Verletzungsvorsatz des A hinweg und verkennt, dass A den D gar nicht treffen wollte. Eine andere Ansicht will wegen Versuchs an dem zu verletzen gewollten und Fahrlässigkeit an dem tatsächlich verletzten Objekt bestrafen. Dieser Auffassung ist zu folgen. Rechtswidrigkeit und Schuld A handelte rechtswidrig und schuldhaft. Ergebnis A hat sich zu Lasten des D lediglich einer fahrlässigen schweren genauer Körperverletzung gem. §§ 229, 223, 224 I Nr. 2 Alt. 2 strafbar gemacht. III) Strafbarkeit des D gem. § 223 I zu Lasten der R Objektiver Tatbestand Zunächst müsste D überhaupt gehandelt haben. Handlung ist jedes vom menschlichen Willen gewollte und beherrschbare Verhalten. Vorliegend bricht D zusammen und reißt dabei R mit. D kann seine Handlung nicht beherrschen. Es fehlt also an einer Handlung des D. Ergebnis D ist nicht gem. § 223 strafbar. Eine ordentliche Arbeit. 10 Punkte (vollbefriedigend) ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 121 - Martin Mustermann Wilhelmstr. 7 72074 Tübingen Mat.Nr.: 1234567 1. Fachsemester JURA NOT ALONE! Tübingen, den 22. Juli 2004 Übung im öffentlichen Recht für Anfänger Abschluss-Klausur bei Prof. Dr. Barbara Remmert im SS 2004 ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 122 - JURA NOT ALONE! Abschlussklausur im Grundkurs Öffentliches Recht I Im Sommersemester 2004 Zugleich 1.Klausur der Übung im Öffentlichen Recht für Anfänger Im Wintersemester 2004/2005 Die Bundesregierung beschließt einen Gesetzentwurf, der in einer mit den Grundrechten zu vereinbarenden Weise eine Senkung der Einkommenssteuer vorsieht. Um Zeit zu sparen, bringt sie den Gesetzentwurf nicht selbst im Bundestag ein, sondern überlässt dies 40 Abgeordneten der Regierungsfraktion. Bei der maßgeblichen Abstimmung im Bundestag erhält das Gesetz 200 Ja-Stimmen, 199 Nein-Stimmen und eine Stimmenthaltung. Das Gesetz wird anschließend unverzüglich dem Bundesrat zugeleitet. In der Abstimmung des Bundesrates erhält das Gesetz 35 von 69 Stimmen. Allerdings stimmen die drei von der Bremer Landesregierung in den Bundesrat bestellten Regierungsmitglieder entgegen einer von der gesamten Bremer Landesregierung beschlossenen Weisung für das Gesetz. Die Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten erfolgt nach ordnungsgemäßer Gegenzeichnung wenig später. Die Landesregierung von Baden-Württemberg hegt Zweifel an der Vereinbarkeit des Gesetzes mit dem Grundgesetz. Darüber, ob das Gesetz nichtig ist, ist man sich allerdings in der Landesregierung von Baden-Württemberg nicht ganz einig. Die Landesregierung von Baden-Württemberg beantragt aber schriftlich und mit ordnungsgemäßer Begründung beim Bundesverfassungsgericht, das Gesetz über die Senkung der Einkommenssteuer im Verfahren nach Art. 93 I Nr.2 GG für nichtig zu erklären. Frage: Wie wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden? Auszüge aus der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages: § 75 Vorlagen. (1) Folgende Vorlagen können als Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung das Bundestages gesetzt werden (selbständige Vorlagen): a) Gesetzesentwürfe... § 76 Vorlagen von Mitgliedern des Bundestages. (1) Vorlagen von Mitgliedern des Bundestages (§ 75) müssen von einer Fraktion oder von 5 vom Hundert der Mitglieder des Bundestages unterzeichnet sein, es sei denn, dass die Geschäftsordnung etwas anderes vorschreibt oder zulässt. (2)... Bearbeitungshinweise: 1. Es ist davon auszugehen, dass der Deutsche Bundestag zurzeit 602 gesetzliche Mitglieder hat. Der Bundesrat hat 69 Mitglieder. 2. Im Rahmen der Begründetheitsprüfung ist nur die sog. „formelle Rechtmäßigkeit“ zu begutachten. Insoweit ist der Sachverhalt aber unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu begutachten. Das bedeutet: Wenn Sie einen Rechtsfehler finden, muss weiter gefragt werden, ob das Gesetz noch an anderen Rechtsfehlern leidet. 3. Bitte schreiben Sie deutlich lesbar auf die erste Seite Ihrer Arbeit Ihren Namen sowie Ihre Matrikelnummer. Bitte geben Sie auch an, ob Sie sich im 1., 2. Oder 3. Semester befinden. 4. Bitte schreiben Sie einseitig und lassen Sie auf der linken Seite einen Korrekturrand von mind. 1/3 der Seite ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 123 - JURA NOT ALONE! Das BVerfG wird dem Antrag stattgeben, wenn er zulässig und begründet ist. In Betracht käme ein Antrag im abstrakten Normenkontrollverfahren gem. Art. 93 I Nr.2 GG, §13 Nr.6, §§ 76ff. BVerfGG. A. Zulässigkeit Der Antrag ist zulässig, wenn alle Verfahrensvoraussetzungen erfüllt sind. 1. Antragsfähigkeit Nach Art.93 I Nr.2 GG, §76 I BVerfGG sind u.a. die Landesregierungen antragsfähig, also auch die des Landes BadenWürttemberg. 2. Antragsgegenstand Antragsgegenstand kann gem. §76 I BVerfGG u.a. bundesrecht, also jedes formelle, verkündete Bundesgesetz, sein. Das Gesetz zur Senkung der Einkommenssteuer ist vom Bundestag und Bundesrat beschlossen und verkündet worden. Folglich liegt ein zulässiger Antragsgegenstand vor. 3. Antragsgrund Gem. § 76 I Nr.1 BverfGG muss der Antragssteller das Gesetz wegen Unvereinbarkeit mit dem GG für nichtig halten. Die Landesregierung hegt jedoch nur Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes und ist sich nicht sicher, ob es nichtig ist. Jedoch folgt aus Art. 93 I Nr.2 GG das u.a. schon Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit ausreichen. Dies wäre hier gegeben. Fraglich ist jedoch, ob einzulässiger Antragsgrund vorliegt, wenn gegen § 76 I Nr.1 BVerfGG verstoßen wurde. Aus der Normenhierarchie ergibt sich, dass ein Bundesgesetz, wie das BVerfGG, wenn es dem GG widerspricht nichtig ist. Jedoch könnte man davon ausgehen, dass § 76 I Nr.1 BVerfGG nicht abschließende Regelungen bezüglich des Antragsgrundes treffen will und daher verfassungskonform auszulegen ist. Folglich liegt ein zulässiger Antragsgrund vor. 4. Form und Frist Der Antrag müsste gem. §23 I 1,2 BVerfGG schriftlich und begründet sei. Das ist laut Sachverhalt gegeben. Eine Frist besteht nicht. 5. Zwischenergebnis Der Antrag beim BVerfG ist daher zulässig. ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 124 - JURA NOT ALONE! B. Begründetheit Nach § 78 S.1 BVerfGG ist der Antrag begründet wenn u.a. das Bundesrecht mit dem GG unvereinbar ist. I. Verstoß gegen Art.70 I GG In Betracht käme ein Verstoß gegen Art. 70 I GG. Danach haben grundsätzlich die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, es sei denn, das GG hat den Bund ausdrücklich zur Gesetzgebung ermächtigt. 1. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes In Betracht käme zunächst eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes gem. Art.71 GG. Dazu müsste das Einkommenssteuergesetz unter eine der Sachmaterien der Art. 73, 105 I GG fallen oder der Bund anderweitig im GG zur Gesetzgebung ermächtigt worden sein. Dies ist jedoch nicht der Fall, folglich liegt keine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes vor. 2. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes Der Bund könnte jedoch eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz gem. Art 72 GG haben. Dazu müsste das Gesetz zunächst unter eine der Sachmaterien der Art. 74, 74a, 105 II GG fallen. In Betracht kommt hier Art. 105 II GG. Nach Art. 105 II GG müssten dazu u.a. dem Bund die Steuern wenigstens teilweise zustehen. Nach Art. 106 III 1 GG stehen dem Bund und den Ländern u.a. das Aufkommen der Einkommenssteuer gemeinsam zu. Folglich liegt eine der Voraussetzungen des Art. 105 II GG vor. Der Bund hat gem. Art 72 I i.V.m. Art. 105 II GG, 106 III 1 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. 3. Zwischenergebnis Folglich liegt kein Verstoß gegen Art. 70 I GG vor. II. Verstoß gegen Art. 76 I GG Nach Art. 76 I GG können Gesetzesentwürfe u.a. aus der Mitte des Bundestages eingebracht werden. § 76 I GOBT konkretisiert dies und setzt bei Gesetzesentwürfen aus der Mitte des Bundestages dazu die Abgeordneten einer Fraktion oder mindestens 5% der Abgeordneten des Bundestages voraus. Das Gesetz wurde von der Regierungsfraktion eingebracht. Jedoch nicht von dieser als ganzes, sondern nur von 40 Abgeordneten. 40 Abgeordnete sind mehr als ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 125 - JURA NOT ALONE! 5% von 602, folglich liegt kein Verstoß gegen § 76 I GOBT und somit auch kein Verstoß gegen Art. 76 I GG vor. III. Verstoß gegen Art. 76 II GG Ein Verstoß gegen Art. 76 II GG läge vor, wenn der Gesetzentwurf gem. Art. 76 II 1 GG dem Bundesrat hätte zugeleitet werden müssen. Das läge vor, wenn es sich um eine Gesetzesvorlage der Bundesregierung handeln würde. Fraglich ist demnach, ob es sich um eine Gesetzesvorlage der Bundesregierung handelt. Fraglich ist also, ob das GG in Art. 76 GG auf die materielle Urheberschaft abstellt oder darauf wer es formell vorgelegt hat. Für eine materielle Urheberschaft würde sprechen, dass dann auch der Urheber für das Gesetz die Verantwortung übernehmen könnte. Jedoch ist im Einzelnen wahrscheinlich jeweils kaum nachweisbar wer persönlich einen Entwurf erarbeitet hat. Der Wortlaut würde eher für eine formelle Betrachtungsweise sprechen, da das Wort Gesetzesvorlagen eher mit dem Vorlegen eines Entwurfs assoziieren ist. Außerdem kann man davon ausgehen, dass sich die Abgeordneten den Entwurf zu Eigen gemacht haben. Folglich liegt kein Verstoß gegen den Wortlaut von Art. 76 II 1 GG vor. Fraglich ist jedoch, ob ein Verstoß gegen die Verfassungsorgantreue vorliegt. Die Verfassungsorgantreue besagt, dass Verfassungsorgane zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet sind. Das wäre nicht gegeben wenn die Bundesregierung den Bundesrat absichtlich umgangen hätte um dessen Mitwirkung zu verhindern. Dies ist jedoch ein subjektives Kriterium und daher wohl kaum nachweisbar. Folglich liegt kein Verstoß gegen die verfassungsorgantreue vor und daher auch kein Verstoß gegen Art. 76 II 1 GG. IV. Verstoß gegen Art. 77 I 1 GG Ein Verstoß gegen Art. 77 I 1 GG liegt vor, wenn kein ordnungsgemäßer Beschluss des Bundestages erfolgt ist. Gem. Art. 42 II GG ist für einen Beschluss die Mehrheit der Stimmen erforderlich. Daher stellt sich die Frage, wie die Stimmenthaltung zu werten ist, ob sie als abgegebene Stimme oder gar keine Stimme anzusehen ist. Je nachdem wie sie angesehen wird, liegt eine erforderliche Mehrheit vor oder nicht. Nach dem Wortlaut des Art. 42 II GG („abgegebene Stimmen“) spricht viel dafür alle abgegebenen Stimmen für die erforderliche Abstimmungsmehrheit hinzuzuzählen. Eine Enthaltung wurde ja auch abgegeben. Außerdem ist eine Enthaltung auch eine politische Entscheidung, die dem Abgeordneten zusteht und darf folglich nicht übergangen werden. Jedoch würde das Hinzuzählen der Enthaltung die erforderliche Stimmzahl für eine Mehrheit einholen und folglich wie eine Gegenstimme gewertet. Jedoch ist einer Enthaltung eben keine Gegenstimme, ebenso wenig wie eine Stimme für das Gesetz. Folglich sollte sie auch nicht als abgegebene Stimme gewertet werden. ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 126 - JURA NOT ALONE! Also wurden 399 Stimmen abgegeben und somit ist die erforderliche Mehrheit mit 200 Stimmen erreicht. Es liegt kein Verstoß gegen Art. 42 II GG vor und daher auch kein Verstoß gegen Art. 77 I 1 GG. V. Verstoß gegen Art. 77 I 2 GG Gem. Art. 77 I 2 GG müsste das Gesetz unverzüglich dem Bundesrat zugeleitet worden sein, was laut Sachverhalt der Fall ist. Folglich liegt kein Verstoß gegen Art. 77 I 2 GG vor. VI. Verstoß gegen Art. 78 GG Ein Verstoß gegen Art. 78 GG liegt dann vor, wenn die Mitwirkungsrechte des Bundestages nicht gewahrt wurden. a) Zustimmungs- oder Einspruchsgesetz Daher stellt sich zunächst die Frage, ob es sich um ein Zustimmungsgesetz oder Einspruchsgesetz handelt. Die Erforderlichkeit der Zustimmung muss sich aus dem GG ergeben. Gem. Art. 105 III GG bedürfen u.a. Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern zum Teil zufließt der Zustimmung des Bundesrates. Das Einkommenssteuergesetz ist ein Bundesgesetz über Steuern und gem. Art. 106 III 1 GG steht auch den Ländern ein Teil dieser Steuern zu. Folglich handelt es sich um ein Zustimmungsgesetz. b) Art. 78 1.Alt GG Daher kommt für das Zustandekommen nur Art. 78 1.Alt GG in Betracht, der Bundesrat muss ausdrücklich zustimmen. Der Bundesrat bedarf gem. Art. 52 III GG für eine gültige Zustimmung die Mehrheit seiner Stimmen, also mindestens 35 aus 69. Folglich wurde die erforderliche Mehrheit der Mitglieder formal erreicht. Es stellt sich jedoch die Frage, ob durch die weisungswidrige Stimmabgabe der Abgeordneten von Bremen die erforderliche Mehrheit doch nicht erreicht wäre. Das wäre dann der Fall, wenn die Stimmen nicht gültig wären. Es stellt sich daher die Frage, wie weisungswidrige Stimmen zu behandeln sind. Daher ist zuerst zu prüfen, ob eine Weisung durch die Landesregierung überhaupt erlaubt ist. Gem. Art. 77 II 3 GG sind Bundesratsmitglieder im Vermittlungsausschuss ausdrücklich nicht an Weisungen gebunden. Im Umkehrschluss lässt sich daher davon ausgehen, dass Bundesratsmitglieder im Übrigen den Weisungen gebunden sind. Außerdem heißt es in Art. 51 III 2 GG, dass die Stimmen nur einheitlich abgegeben werden können. Dies ist nur durch eine vorherige Weisung zu erreichen. Folglich ist davon auszugehen, dass eine Weisung durch die Landesregierung erlaubt ist. Jedoch ist zwischen interner Willensbildung und externer Vertretungsmacht zu unterscheiden. Außerdem kann der ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 127 - JURA NOT ALONE! Bundesratspräsident bei der Abstimmung nicht wissen, ob eine Weisung bestand. Des Weiteren könnten, wenn weisungswidrige Stimmen ungültig wären jede Abstimmung im Nachhinein angezweifelt werden, mit dem Argument die eine oder andere Stimmabgabe wäre weisungswidrig erfolgt. Daher spricht aus Gründen der Rechtsklarheit und der Funktionsfähigkeit des Bundesrates alles dafür, dass die Nichteinhaltung der Weisung für die Stimmabgabe unerheblich ist. Folglich sind die Stimmen der Mitglieder des Landes Bremen gültig. Die erforderliche Mehrheit des Art. 52 III ist gegeben. Die Zustimmung des Bundesrates ist erfolgt. Daher liegt kein Verstoß gegen Art. 78 GG vor. VII. Verstoß gegen Art. 82 I 1 GG Das Gesetz müsste gem. Art. 82 I 1 GG nach Gegenzeichnung durch den Bundespräsidenten ausgefertigt und verkündet worden sein, was laut Sachverhalt ordnungsgemäß erfolgt ist. Daher liegt kein Verstoß gegen Art. 82 I 1 GG vor. VIII. Zwischenergebnis Es liegt also kein Verstoß gegen die Normen des GG vor. Das Einkommenssteuergesetz ist folglich mit dem GG vereinbar. Der Antrag der Landesregierung von Baden-Württemberg beim BVerfG ist daher gem. §78 S.1 BVerfGG nicht begründet. C. Entscheidung des BVerfG (§78 BverfGG) Der Antrag der Landesregierung von Baden-Württemberg ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Folglich wird das BVerfG dem Antrag nicht stattgeben. „Eine äußerst gelungene Klausur!“ 16 Punkte ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 128 - JURA NOT ALONE! Big Points für die Hausarbeit I) Der „formelle Teil“ 1) Aufbau a) Deckblatt: enthält oben links Namen, Anschrift, Matrikelnummer, Semesterzahl in der Mitte zentriert den Namen der Übung, Namen des Dozenten, Semester (SS 2005), Art der Übung (1. Hausarbeit). b) Sachverhalt c) Inhaltsverzeichnis: es empfehlen sich für Inhaltsverzeichnis und Literaturverzeichnis römische Ziffern. Inhalts- und Literaturverzeichnis sind der Kopf einer Arbeit und daher mit besonderer Sorgfalt anzufertigen. d) Literaturverzeichnis: Autoren alphabetisch auflisten, dem Nachnamen nach. Zu nennen sind: Name des Autors, Name des Buches/Aufsatzes, Erscheinungsort und –jahr, Auflage, fakultativ auch eine Zitierweise. Es gehört nur die Literatur ins Literaturverzeichnis, die im Text auch tatsächlich als Belegstelle verwendet wird. Nicht in das Literaturverzeichnis gehören: Rechtsprechung und alle nicht- wissenschaftlichen Bücher, wie z.B. Fallsammlungen, Skripten (Alpmann Schmidt; Bücher von Rolf Schmidt etc) und dubiose Werke wie Braunschneider u.ä. e) Bescheinigung über die Teilnahme an einer Fallbesprechung f) Gutachten g) Unterschrift am Ende des Gutachtens 2) Zitierweise a) Am Ende einer Fußnote muss ein Punkt stehen. Niemals darf in einer Subsumtion eine Fußnote stehen. b) Rechtsprechung: z.B. BGHZ 112, 158, 179. = BGH in Zivilsachen, Band 112, Entscheidung beginnt auf Seite 158, Fundstelle auf S. 179. c) Aufsätze: z.B. Mustermann, JuS 1998, 512, 514. = Mustermann in Juristische Schulung, Jahrgang 1998, Aufsatz beginnt auf Seite 512, Fundstelle S. 179. d) Bücher: z.B.: Brox, AT BGB, Rn 333“. = Brox, Allgemeiner Teil BGB, Fundstelle: Randnummer 333. e) Kommentare: Palandt/Heinrichs, § 280 Rn. 13 oder Heinrichs in: Palandt, § 280 Rn. 13. Wichtig: Konkrete Autor/Bearbeiter ist stets kursiv anzugeben (z.B. Palandt/Heinrichs, § 280 Rn. 13.) 3) Zählweise Vertretbar ist z.B. folgende Zählweise: Teil 1; A); I); 1); a); aa); (1) (nur wenn unbedingt nötig). Wo kein „zweitens“ kommt, ist auch ein „erstens“ fehl am Platz! 4) Schlüsselwörter Um dem Korrektor das Lesen der Arbeit etwas zu erleichtern, können einzelne Schlüsselwörter im Text durch Fettdruck hervorgehoben werden. Dies sollte jedoch spärlich geschehen (nie mehr als zwei bis drei Wörter pro Seite), sonst ist der Effekt weg. Doch auch fettgedruckte Überschriften dienen der Übersichtlichkeit. 5) Sprachstil Schreibt ein lesbares Deutsch. Einfacher Satzbau ist empfehlenswert. Achtet auf einen sachlichen Stil, Füllwörter wie „zweifellos“ etc. sind kein Ersatz für Argumente! Die Wiederholung von Gesetzestext und Sachverhalt ist grundsätzlich. überflüssig, der Korrektor kennt beide. Auf korrekte Terminologie ist großer Wert zu legen. Selbstverständlich sind korrekte Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik. Abkürzungen vermeiden. II) Der „materielle“ Teil - Es empfiehlt sich eine Arbeit in einer Gruppe von 3 bis 5 (max.) Personen. Natürlich lässt sich eine Arbeit auch alleine erstellen, jedoch fehlt dann das Argumentieren mit den Kommilitonen, auch müssen Kopierarbeiten, die i.d.R. sehr zeitaufwendig sind, allein gemacht werden. Häufig werden „Alleinschreiber“ Opfer der sog. Seminarmeinung, die übrigens i.d.R. falsch ist. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Hausarbeit muss in jedem Fall selbständig ausformuliert werden. Auch nur teilweise identische Arbeiten führen zu deren Nichtigkeit (0 Punkte), selbst wenn das eigene Verschulden dabei nur im Fahrlässigkeitsbereich liegt. Schlimmstenfalls erfolgt der Ausschluss aus der Übung. - Für Gruppen gibt es einige Arbeitsräume: Alte Physik Übungsräume und oben im Seminar, UB (Ammerbau), „Theo“. - Es empfiehlt sich, benötigte Literatur zu kopieren. Einmal werden dadurch Zeitschriften für andere wieder frei, andererseits geht man nicht das Risiko ein, nachher ohne das benötigte Material dazustehen, weil ein ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 129 - JURA NOT ALONE! anderer das Buch gerade benutzt. Ein weiterer Vorteil ist, dass man nun auch unterstreichen und markieren kann, was wichtig ist. Vor einer regelrechten Kopierwut sei jedoch gewarnt. Nur kopieren, was wirklich benötigt wird! Werden Bücher kopiert, immer auch die erste Seite mitkopieren, auf der Erscheinungsjahr, Ort und Auflage sowie der Autor mit vollem Namen genannt sind. Sonst tut man sich später schwer, die Kopien zuzuordnen. Es empfiehlt sich, die Kopien zusammenzutackern. - Zunächst sollte als erster Schritt mit Hilfe eines Kommentars eine Lösungsskizze erstellt werden, mit der die Hauptschwerpunkte herausgearbeitet werden. Diese wird nicht vollständig sein, weitere Probleme werden oft erst in einer später erfolgenden vertiefenden Bearbeitung entdeckt. Ist diese Lösungsskizze erstellt, beginnt die wirkliche Arbeit. Wir empfehlen folgendes Vorgehen: mit einem Lehrbuch erhält man am besten einen Überblick über ein Sachgebiet, z.B. das erste Problem. Etwas spezieller sind die Kommentare, die als nächstes heranzuziehen sind. Darin finden sich in der Regel alle wichtigen Verweise auf Monographien oder Aufsätze. Letztere behandeln die einzelnen Probleme am detailliertesten, denn sie setzen ganz speziell einen Schwerpunkt, beleuchten also nur eine kleine Ecke Eurer Hausarbeit. - Abgesehen von den Querverweisen in den Kommentaren besteht auch noch die Möglichkeit, über juris eine Recherche zu machen. Allerdings muss vorher ein Juriskurs im Computerzentrum bei Herrn Gerblinger absolviert werden. - Verfasst werden soll ein Gutachten. Folglich muss der Gutachtensstil eingehalten werden, d.h. ausgehend von einer Frage ist das Ergebnis zu suchen. Von besonderer Bedeutung ist ein geeigneter Obersatz, der dem Korrektor deutlich macht, was man nun eigentlich prüft. Ist aufgrund des Sachverhalts eine Sache eindeutig, genügt auch eine entsprechende Feststellung, sog. Urteilsstil. Doch Vorsicht: Wird er an den falschen Stellen eingesetzt, wird sich dies in der Benotung der Arbeit besonders hart niederschlagen! Daher: Nur einsetzen, wenn etwas eindeutig ist. Die richtige Gewichtung der Problemfelder ist entscheidend! - Grundsätzlich gilt: Probleme schaffen, dann wegschaffen. Ungeschickt ist es, sich für einen Weg zu entscheiden, der möglichst wenig Problem in sich birgt. Probleme geben Punkte! - Streit und Streitentscheidung: Zwei Juristen, drei Meinungen. Probleme definieren sich dadurch, dass es in der Literatur verschieden Ansichten gibt, oder Rechtsprechung und Literatur verschiedener Meinung sind. Dann gibt es einen Streit, der dargestellt werden muss: Zuerst ist die eine Meinung aufzuführen und festzustellen, zu welchem Ergebnis dies im vorliegenden Sachverhalt führt. Dann ist die zweite Ansicht darzustellen und wiederum muss subsumiert werden, zu welchem Ergebnis dies führen würde. Gelangen beide Ansichten zum gleichen Ergebnis, so ist der Streit nicht zu entscheiden! Es genügt dann die Feststellung, dass beide Ansichten hier zum gleichen Ergebnis gelangen. Ist dies jedoch nicht der Fall, muss der Streit entschieden werden, sprich es müssen Argumente für und wider eine Ansicht gefunden werden, und man muss sich letztlich für eine Ansicht entscheiden. In manchen Fällen kann es geschehen, dass sich zwei völlig unterschiedliche Lösungswege ergeben, je nachdem, welcher Ansicht man folgt. Für diese Fälle ist es dringend zu empfehlen, der h.M. zu folgen, dies tut die Lösungsskizze im Zweifel auch! Sonst besteht die Gefahr, völlig an den Problemen vorbeizuschreiben, dies tut der Benotung nicht gut. Ist der Streit nur für einen kleinen Teil der Arbeit maßgeblich, empfiehlt es sich aus taktischen Gründen, für die Ansicht zu entscheiden, die mehr Folgeprobleme mit sich bringt. Verkauft aber nie Euren inneren Schweinhund. Jura hat etwas mit Recht und Rechtsempfinden zu tun. Wenn Ihr eine Ansicht für schlechterdings unvertretbar haltet, lehnt sie ab, auch wenn sie taktisch günstiger wäre! Im Zweifel finden sich dafür dann auch die besseren Argumente. Beachtet aber bitte, dass Meinungsstreits kein Selbstzeck der Hausarbeit darstellen. „Ausgelutschte“ Streits sind knapp zu halten. Schwerpunkte setzen! Also nur „Streits“, die in der aktuellen Literatur und Rspr. kontrovers diskutiert werden, sind ausführlich zu erörtern. - Subsumtion: besteht aus Obersatz, in dem das Tatbestandsmerkmal X genannt wird, das geprüft wird; Definition, was man unter einem X versteht, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit X gegeben ist; Subsumtion des Sachverhalts unter diese abstrakten Voraussetzungen; Schlusssatz/Ergebnis: Tatbestandsmerkmal X ist erfüllt/nicht erfüllt. - Grundsätzlich lässt sich sagen, dass alle bereits bestehenden Ansichten sich vertreten lassen, sofern sie nicht völlig abstrus sind und man gut argumentiert. - Niemand arbeitet bei einer solchen Arbeit gegen einen anderen. Wer Bücher versteckt mit der Vorstellung, dadurch einen Vorteil oder einen Vorsprung zu erhalten, schadet sich damit selbst, denn er kann seine Ideen nicht mit anderen besprechen und landet womöglich im juristischen Sumpf. Gegenseitige Hilfe sollte selbstverständlich sein. ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 130 - JURA NOT ALONE! Big Points für die Klausur Vorbemerkung Bei nachstehenden Hinweisen und Tipps handelt es sich um keine Patentrezepte, sondern lediglich um eine – nicht abschließende – Sammlung von Erfahrungswerten, die jeder selbst ergänzen sollte. I. Formales - - - Es ist – am Besten vorab – ein Deckblatt zu entwerfen. Es muss links oben Namen und Matrikelnummer enthalten. Mittig sollte der Name der Übung, der Dozent und die Bezeichnung der Klausur (1. oder 2. oder Abschlussklausur) stehen. Rechts oben kann man noch Ort und Datum einfügen. Bitte 1/3 Korrekturrand lassen, vorzugsweise rechts. Hierfür bietet es sich an, ausreichend schon mit Rand vorbereitete Blätter mitzubringen (Block). Es ist dringend anzuraten, die Seiten nur einseitig zu beschriften, da sie sich für den Fall von eigenen Korrekturen schneller austauschen lassen. Man achte auf eine übersichtliche Darstellung (Überschriften und Absätze), sowie eine leserliche Schrift (Tintenfüller hilft!). Besser „killern“ als großflächig durchstreichen. Im Gegensatz zu einer Examensklausur ist die Scheinklausur am Ende zu unterschreiben. Zu vermeiden sind Bemerkungen oder Hinweise an den Korrektor. Die Lösungsskizze kann mit abgegeben werden, sollte aber als solche kenntlich gemacht werden. Die Seiten sind am Ende zu nummerieren, bevor die Klausur bei der Abgabe zusammengetackert wird. Nochmals kontrollieren, dass alle (!) Blätter in der richtigen Reihenfolge (!) abgegeben werden. Schummeln ist unfair und kann streng geahndet werden. Zulässig sind aber Gesetzeskommentierungen durch unsystematische, in der Anzahl aber unbegrenzte Paragraphen am Rand. Dies gilt selbstverständlich nur vorbehaltlich anderer Anweisungen des Übungsleiters. Man sollte sich hierzu bei ihm/ihr informieren. Im Übrigen sollte man auf der Homepage des Dozenten vor der Klausur darauf achten, in welchem Raum die Klausur geschrieben wird und wie die Einlasskontrolle ausgestaltet ist (Ausweis!). II. Herangehensweise - - Zunächst Bearbeitervermerk/Fallfrage durchlesen. Dann erstes gründliches Durchlesen der Klausur. Zweites Durchlesen der Klausur und Zuhilfenahme von ggf. farbigen Unterstreichungen Knappe Lösungsskizze erstellen; um Klarheit über den Sachverhalt zu erhalten kann eine Personenskizze, Zeittafel oder chronologische Tabelle hilfreich sein. Unbedingt auf eine sinnvolle Zeiteinteilung achten. Dies ist durch das Schreiben von Übungsklausuren erlernbar. Für die Niederschrift sind faustformelhaft mindestens 2/3 der Zeit notwendig, im Strafrecht sogar mehr. Grundsätzlich ist keine Angabe im Sachverhalt überflüssig! Sie müssen im Gutachten in der Subsumtion auftauchen. Indes darf es auf der anderen Seite nicht zu einer „Sachverhaltsquetsche“ (= Unterstellen eines unzutreffenden Sachverhaltes kommen). Daher sei vor dem „ähnlichen Fall“ aus der Klausurvorbereitung gewarnt. Bisweilen können aber auch Angaben im Sachverhalt unklar oder mehrdeutig sein. Dann müssen sie lebensnah ausgelegt werden (gesunder Menschenverstand!). Nicht angebracht ist es aber die Aufgabenstellung in Frage zu stellen oder Kritik an ihr zu üben. Der Sachverhalt „stimmt“ in universitären Klausuren. ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - - - 131 - JURA NOT ALONE! Man achte bereits bei der Lösungsskizze auf die Schwerpunkte und konzentriere sich hierauf. Nur für die zentralen Probleme gibt es viele Punkte. Man halte „ausgelutschte“ Meinungsstreitigkeiten tendenziell knapp. Bei unbekannten Problemen hilft oftmals die „juristische Methode“, d.h. Auslegung nach Wortlaut, Systematik, (Historie) und Sinn & Zweck. Schließlich sollte man noch anhand des eigenen, vom gesunden Menschenverstand geleiteten Rechtsempfindens im Geiste eine Ergebnis- und Billigkeitskontrolle durchführen. Ist mein Ergebnis fair und angemessen? III. Stil - - - - 1 Der Gutachtenstil (Obersatz, Nennung der Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals, Subsumtion, Ergebnis; vgl. ULF-Merkblatt zum Gutachtenstil) ist sauber zu beherrschen! Übung macht dabei den Meister; insbesondere sollte man die Hausarbeiten als nützliche Übung hierfür verstehen. Der Urteilsstil ist nur bei unproblematischen Stellen zulässig und entbindet nicht von wenigstens feststellender Subsumtion! Auf richtige Grammatik und Rechtschreibung ist zu achten! Man hüte sich insbesondere vor dem Fehlgebrauch des Konjunktivs1 (nicht: „möglicherweise könnte A…“, sondern: „möglicherweise kann A…“) Der Sprachstil sollte sachlich sein. Kein Ich-Stil; keine Ironie oder Polemik und keine Emotionen. Auch keine Bekräftigungen wie „zweifellos“, „sicherlich“, „ganz offensichtlich“ etc. Kurze Sätze und keine Verschachtelungen über mehrere Zeilen. Als Faustregel gilt: „Pro Satz eine Idee“. Keine inhaltsleeren Floskeln wie „laut Sachverhalt“, „also“, „ziemlich“ etc. Man achte auf korrekte Terminologie. Vorsicht auch mit Fremdwörtern; denn ihr der falscher Gebrauch ist peinlich. Vgl. Wolf, JuS 1996, 31 ff. ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 132 - JURA NOT ALONE! Übersicht zum Gutachtenstil Eine juristische Arbeit, sei es Klausur oder Hausarbeit, wird während des Studiums (bis einschließlich 1. Staatsexamen) üblicherweise im sogenannten Gutachtenstil verfasst. Der Gutachtenstil bezeichnet die Methode, die eingesetzt wird, um ein Ergebnis zu finden. Äußerlich ist der Gutachtenstil daran zu erkennen, daß am Anfang das zu behandelnde (Rechts-)Problem genannt wird (z.B.: "Dadurch, daß A die Uhr zu Boden geworfen hat, kann er sich strafbar gemacht haben nach § 303.") und daß am Ende – nach Durchführung der Problemerörterung – das Ergebnis mitgeteilt wird (z.B.: "A hat sich daher durch das Hinwerfen der Uhr strafbar gemacht nach § 303."). Aus dieser Abfolge ergibt sich eine bestimmte Darstellungsweise: Da die Argumentation vor dem Ergebnis dargestellt wird, erfolgt die sprachliche Verknüpfung zwischen Argument und Ergebnis durch Wörter wie "also", "daher" und "somit" usw. Diese Eigenheit gilt nicht nur für das Gesamtergebnis, sondern auch für alle Zwischenergebnisse (z.B. in der Prüfung des § 242: Obersatz: "Die Uhr müsste eine für A fremde Sache sein." – Definition/Voraussetzungen: "Fremd ist eine Sache dann, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht." - Durchführung der Problemerörterung/Subsumtion: "Die Uhr stand im Eigentum des B." - Ergebnis: "Somit ist die Uhr für A eine fremde Sache"). Daher kommt es in der Falllösung zu Verschachtelungen innerhalb des Gutachtenstils, da mehrere Subsumtionsschritte bis zum Endergebnis vorgenommen werden müssen. Als Faustregel gilt: Immer dort wo eine Klammer aufgemacht wird, muss sie am Ende auch wieder geschlossen werden. Den Gegensatz zum Gutachtenstil bildet der Urteilsstil. Dieser bezeichnet die Methode der Begründung eines bereits gefundenen Ergebnisses. Äußerlich ist der Urteilsstil daran zu erkennen, daß das Ergebnis (= die Entscheidung) am Anfang steht und anschließend begründet wird. Die sprachliche Verknüpfung zwischen Ergebnis und Argumentation erfolgt durch Wörter wie "denn", "weil" usw. Wie bereits erwähnt ist im Rahmen von Universitätsarbeiten der Gutachtenstil anzuwenden. Nur bei evident unproblematischen Punkten darf und sollte auch im Zuge einer Problemgewichtung der Urteilsstil angewandt werden. Beispiel für Zivilrecht: Schritt Formulierungsvorschlag • • 1. Obersatz bilden/ These aufstellen • • • • 2. Definition der TBMerkmale • • 3. Subsumtion • • Zu prüfen ist, ob G gegen S ... G (=Gläubiger) könnte gegen S (=Schuldner) einen Anspruch aus Kaufvertrag gemäß 433 II BGB auf Zahlung von xy DM haben ... Fraglich ist, ob G einen Anspruch auf Zahlung von xy DM gegen S aus Kaufvertrag gemäß 433 II BGB hat Möglicherweise hat G gegen S einen Anspruch aus... unter einem Kaufvertrag (TB-Merkmal) versteht man ... ein Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB besteht aus zwei übereinstimmenden, korrespondierenden Willens-erklärungen, Angebot und Annahme, sowie die Einigung über zumindest die essentialia negotii ... Gemäß § 433 BGB ist ein Kaufvertrag gegeben, wenn ... Voraussetzung dafür ist ... im vorliegenden Fall ... hier ... ACHTUNG! • • • keine direkte Frage, also nicht: "Kann G von S ... verlangen?" nicht die Fallfrage wörtlich abschreiben! Denk an: WER will WAS von WEM WORAUS ! • • abstrakte Formulierung, nicht die Subsumtion vorwegnehmen! • keine Zitate aus der Rspr. mit dem konkreten Sachverhalt mischen, den das betreffende Gericht nie beurteilt hat , also nicht:: "Laut BGH kann G von S ... verlangen." ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura 4. Ergebnis • • • - 133 - also .. folglich ... somit ... JURA NOT ALONE! • keine Tür offen halten, also nicht: "Folglich hat A den Anspruch, vielleicht aber auch nicht." Beispiel für Strafrecht: A verprügelt den B. Strafbarkeit des A? (Der Formulierungsvorschlag bezieht sich auf den Tatbestand!) Schritt Formulierungsvorschlag • • 1. Obersatz bilden/ These aufstellen • • • • 2. Definition der TBMerkmale • • • • 3. 4. Subsumtion Ergebnis A könnte sich dadurch, daß er den B verprügelte gem. § 223 I strafbar gemacht haben ... Möglicherweise hat sich A nach § 223 I StGB strafbar gemacht, indem er den B verprügelt hat. Zu prüfen ist, ob sich A durch das Verprügeln des B einer Körperverletzung gem. § 223 I strafbar gemacht hat... Fraglich ist, ob A ... ZUNÄCHST: A müsste zunächst den Tatbestand erfüllt haben. Dazu müsste A den B gemäß § 223 I körperlich misshandelt oder dessen Gesundheit beschädigt haben. Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. [ Es folgen Schritte 3+4] Eine Gesundheitsbeschädigung ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen Zustandes... Eine Körperverletzung liegt vor, wenn... unter einer Körperverletzung versteht man ... Gemäß § 223 I ist eine Körperverletzung gegeben, wenn ... Voraussetzung dafür ist ... • • im vorliegenden Fall ... hier ... • • • also .. folglich ... somit ... ACHTUNG! • • keine direkte Frage, also nicht: "Ist A strafbar nach § ...?" nicht die Fallfrage wörtlich abschreiben! • • abstrakte Formulierung, nicht die Subsumtion vorwegnehmen! • keine Zitate aus der Rspr. mit dem konkreten Sachverhalt mischen, den das betreffende Gericht nie beurteilt hat , also nicht:: "Laut BGH hat sich A nach §... strafbar gemacht." • keine Tür offenhalten, also nicht: "Folglich hat A den Anspruch, vielleicht aber auch nicht." ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 134 - JURA NOT ALONE! Leitfaden zur Remonstration 1. Vorüberlegung Unzufriedenheit mit der Note ist allein kein Beschwerdegrund. Es kommt darauf an, berechtigter Weise mit der Korrektur – also mit der Grundlage für die Notengebung – unzufrieden zu sein. Eine Korrektur kann aus verschiedenen Gründen mangelbehaftet sein. Die wichtigsten sind: • • • rechtliche Fehleinschätzungen des Korrektors, inhaltliche Fehleinschätzungen/fehlende Berücksichtigung der Ausführungen, Diskrepanz zwischen vergebener Note und deren Rechtfertigung. 2. Formalien 1. Die Remonstration ist schriftlich abzufassen. Sie sollte einen Umfang von 3 Seiten nur in Ausnahmefällen überschreiten. 2. Man sollte Sie an den verantwortlichen Professor und den Korrektor adressieren. Der angeschlagene Ton sollte im Grundsatz freundlich, aber bestimmt sein. Je nach dem, was der Korrektor falsch gemacht hatte und welche Grundhaltung er zum Ausdruck gebracht hat, kann man selbst auch deutlich sein. 3. Ausschlussfrist beachten! Meistens hat man nur eine Woche Zeit. 3. Inhaltliches 1. Die Remonstration beginnt mit der Feststellung, dass die Korrektur sachlich unrichtig und deshalb die vergebene Notenstufe zu niedrig ist. Beispiel: Sehr geehrte Frau Prof. Mustermann, sehr geehrter Korrektor, ich darf das korrigierte Exemplar meiner Hausarbeit an Sie zurückreichen. Ich halte die Bewertung für sachlich nicht gerechtfertigt und daher in der Notenstufe zu niedrig. 2. Daran schließt sich der Hauptteil der Beschwerde an, die Darlegung der Remonstrationsgründe. Man kann diesen Teil einfach einleiten, indem man "Gründe:" oder "Im einzelnen:" schreibt. Es folgt eine gegliederte und kommentierte Analyse der unzutreffenden Bemerkungen des Korrektors. Je mehr Widersprüche man direkt an Aussagen des Korrektors festmachen kann, desto größer sind Erfolgschancen. Man stellt also in einem Satz unter Angabe der Fundstelle in der Hausarbeit kurz das vom Korrektor monierte Problem dar. Tm nächsten Satz sollte der Einwand des Korrektors kurz und präzise entkräftet werden. Dabei kann man auf Literatur verweisen. Besonders effektiv und in allen denkbaren Problemlagen verwendbar ist auch ein Hinweis auf eine entgegenstehende Auffassung des ULF- Unabhängige Liste Fachschaft Jura - 135 - JURA NOT ALONE! verantwortlichen Professors, die er idealer Weise während der Hausarbeiten- oder Klausurbesprechung geäußert hatte. Freilich ist nicht nur richtig, was in der Lösungsskizze steht. Der Korrektor muss den in der Arbeit dargestellten Lösungsweg mitdenken und honorieren, es sei denn, er ist nicht vertretbar . • Rügen kann man somit grundsätzlich: o als "nicht vertretbar" monierte diskutable Ergebnisse o unzutreffende Einwände gegen die Argumentation o unzutreffende Einwände gegen Inhalte, insbesondere angeblich fehlende Darstellungen o unzutreffende Einwände gegen Ansätze o unzutreffende Einwände gegen den Aufbau • Rügen kann man auch formelle Korrekturfehler. Schlängellinien oder Bemerkungen a la "nur i.E. vertretbar" können eine Bewertung freilich nicht tragen. Mängel müssen grundsätzlich als solche gekennzeichnet werden. Schwieriger ist es, fehlende Übereinstimmung von Wort- und Punkturteil zu kritisieren --, oder falschen Gebrauch von Beurteilungsspielräumen zu rügen, da es insoweit zumeist ",--1 an unzutreffenden Randbemerkungen fehlt (" ,.. eine erfreuliche Bearbeitung: 5 Punkte"). Jedenfalls kann der Korrektor aber nicht deshalb niedriger punkten, weil er die vertretene Mindeffi1einung nicht teilt und deshalb auch die Argumentation für wenig überzeugend hält (" ,., iE leider nicht überzeugend. Aufgrund guter Argumentation aber trotzdem 5 Punkte"). Die alte Rechtsprechung, dass die Bewertung von Prüfungsleistungen inhaltlich durch die Verwaltungsgerichte nichtüberprüft werden kann, ist übrigens schon seit fast 10 Jahren aufgegeben. Eine vertretbare und folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden (BVerfGE 84, 34 (55); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, II. Auflage, 1997, § 7 Rn. 43, S. 137). Sollte ein Korrektor auf folgenden oder ähnliche, nämlich die Form betreffende, Gedanken gekommen sein: "Verfasser bedient sich jedoch offensichtlich einer platzsparenden Schriftart, deshalb nur 12 Punkte", weil Arial Narrow benutzt wurde, aber Times New Roman nicht ausdrücklich gefordert war, ist eine Neubewertung selbstredend fällig. Zwar ist es grundsätzlich nicht ausreichend, vergleichend zu remonstrieren. Dennoch ist im Prüfungsrecht die Geltung von Art. 3 I GG anerkannt. Deshalb kann man jedenfalls ergänzend auf andere Arbeiten hinweisen, in denen zum Beispiel die Prüfung eines Aspektes mit "schön gesehen" kommentiert wurde; während man selbst nur ein "überflüssig" erntete. Vom Beifügen von den anders korrigierten Arbeiten der Kommilitonen ist allerdings abzuraten! 3. Endlich sollte man darum bitten, die Note zu verändern. Das kann zum Beispiel so aussehen: Nach alledem darf ich Sie daher freundlichst bitten, die festgesetzte Notenstufe nochmals einer kritischen und wohlwollenden Prüfung zu unterziehen. Dem Professor oder dem Korrektor eine Benotung explizit vorzuschlagen, kann nicht empfohlen werden. Jedoch sollte man anklingen lassen, wo man hin möchte. -ULFUnabhängige Liste Fachschaft Jura Deine Studentenvertretung Das ULF-Team wüscht Dir viel Erfolg bei Deinen Klausuren und Hausarbeiten! JURA not alone! Sprechstunde: Montag + Mittwoch 13 – 14 Uhr, Raum 9‚ Alte Physik UL F – Sitzung: Mittwoch 19.00 Uhr, Raum 9