Auch etwas über F. Moewus, Forsytkia und Chlamydomonas
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Auch etwas über F. Moewus, Forsytkia und Chlamydomonas
AUCH ETWAS ÜBER F. MOEWUS, F O R S Y T H I A UND C H L A M Y D O M O N A S 399 Auch etw as über F. M oewus, Forsytkia und Chlamydomonas Von 0 . R enner Aus dem Botanischen Institut der Universität München (Z. Naturforschg. 13 b, 399— 402 f 1958] ; eingpgangen am 3. A pril 1958) Der Befund von E s s e r und S t r a u b , daß reifer Pollen der dimorph-heterostylen F orsythia, anders als M o e w u s behauptete, sehr wohl auf der Narbe der eigenen Blüte keimen kann, wird mit einer neuen Methode bestätigt. Für M o e w u s ’ Experimente über die Geißelbildung an unbegeißelten Agar zellen von C hlam ydom onas unter der Wirkung von Crocin wird durch Prüfung der angegebenen Verfahren dargetan, daß die Versuche nicht ausgeführt worden sein können. Daß auch die Chemo taxis-Versuche mit C hlam ydom onasSdw /'irm exn nur im Plan existierten, ist nicht mit der gleichen Sidierheit zu beweisen. 7. Forsythia An dem zunächst überzeugend wirkenden Aufsatz von M o e w u s „Zur Physiologie und Biologie der Selbststerilität bei Forsythia “ 1 fiel bei genauerem Zusehen die wenig rationelle Einrichtung der Ex perimente auf. Für die Fragestellung der Versuche kam es nur auf das Verhalten des Pollens an. Der Autor erm ittelt aber an 36 kurzgriffligen und an 18 langgriffligen Blüten, ob Selbstbestäubung aus nahmsweise zu Samenansatz führt — sie führt nie dazu —, nach den Pollenschläuchen in der Narbe sucht er an jeweils 2 Blüten, und so auch in allen anderen Versuchen. Dabei findet er völlige Hem mung der Pollenkeim ung bei Selbstung, was den sonstigen Erfahrungen über Selbststerilität wider spricht. Ich veranlaßte deshalb im F rühjahr 1951 meinen Schüler F. Eschenbecher, die Versuche von M o e w u s nachzumachen. Die fördernde W irkung der Borsäure auf die Pollenkeimung ließ sich sofort bestätigen. Aber Auskeimen reifen Pollens auf der Narbe der eigenen Blüte und Einwachsen der Schläuche in den Griffel war bei Lang- wie bei Kurzgrifflern wieder holt zu beobachten, und unreifer Pollen keimte, ent gegen der Versicherung des Autors, nicht. Im März 1953 nahm ich selber die Versuche mit mehreren Arten und Varietäten von Forsythia wieder auf. Am eindrucksvollsten ist das Verhalten des Pollens, wenn er auf den Narben abgetrennter Stempel in kleinen feuchten Kammern beobachtet wird: auch auf der eigenen Narbe beider Arten von Blüten, nicht nur bei legitimer Bestäubung, wachsen dichte Rasen von Pollenschläuchen in die feuchte Luft; bei Primula 1 F. M o e w u s , Biol. Zbl. 69, 181 [1950]. 2 K. E s s e r u . J. S t r a u b . Biol. Zbl. 73. 449 [1954]. 3 H. R e z n ik , Biol. Zbl. 76, 352 [1957]. obconica geschieht (nach Prüfung nur an einer langgriffligen Pflanze) das gleiche. Die Abb. 1 kann nur zeigen, daß reiche Keimung erfolgte, aber von dem ursprünglichen Bild gibt sie keine zutreffende Vor stellung, weil gekeimte wie nicht gekeimte Körner bei der Überführung der Griffel in W asser großenteils weggeschwemmt und die verbleibenden Schläuche im Präparat oft verlagert und deformiert wurden. E s s e r und S t r a u b 2 haben, unter anderem an Zwei gen von denselben Sträuchern, die M o e w u s verwendet hatte, die Pollenschläuche in den Griffeln gemessen und sie nach Selbstung in den langen Griffeln etwa 3000 //, in den kurzen etwa 350 /.i lang gefunden. Eine Hem mung schon auf der Narbe gibt es nicht. Unreifen Pol len haben die beiden Autoren nicht keimen sehen, so wenig wie wir in München. Daß in 4 *2 geselbsteten Blüten der Pollen gar nicht keimte, ist nach meinen Erfahrungen ganz un wahrscheinlich. Viel eher ist anzunehmen, daß M o e w us schlecht beobachtet hat; daß er nicht gesehen hat, was er nicht sehen wollte. Einer luftigen Hy pothese zuliebe aus der Luft gegriffen ist die Be hauptung, daß gerade unreifer Pollen auf der eige nen Narbe keimen könne. Das Beispiel ist durchaus kennzeichnend für M o e w u s ’ Produktionsweise. Auch der Gedanke, daß so sensationelle Mitteilungen über ein so leicht zugängliches Objekt die Nachprüfung herausfordern, scheint ihn in seinen Phantasien nicht irre zu machen. Die weitere Angabe von M o e w u s , daß die beiden Blütenformen einer und derselben Art von Forsythia sich im Glykosidgehalt des Pollens — hier Rutin, dort Quercitrin — unterscheiden, ist von R e z n i k 3 als irrig erwiesen worden, wieder an Material von den Original sträuchern; an eine Irrung ist dabei kaum zu glauben, eher an eine Irreführung. Dadurch ist dem gut erson nenen Hemmungs —Enthemmungs-System von der che mischen Seite her der Boden entzogen. Bemerkenswert ist auch, wie wenig M o e w u s seine eigene Hypothese durchdacht hat; im Gegensatz zu der konfusen Schil- Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz. This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution-NoDerivs 3.0 Germany License. Zum 01.01.2015 ist eine Anpassung der Lizenzbedingungen (Entfall der Creative Commons Lizenzbedingung „Keine Bearbeitung“) beabsichtigt, um eine Nachnutzung auch im Rahmen zukünftiger wissenschaftlicher Nutzungsformen zu ermöglichen. On 01.01.2015 it is planned to change the License Conditions (the removal of the Creative Commons License condition “no derivative works”). This is to allow reuse in the area of future scientific usage. 400 0 . REN NER Forsythia nur als subtiles Werkzeug biochemischer Analyse figuriert; auch dieses Kranzes können wir die hochberühmt gewordene Alge ruhig verlustig erklären. 2. Chlamydomonas Abb. 1 a. Abb. 1 b. Abb. 1. Griffel von F orsyth ia mit im feuchten Raum auf der Narbe gekeimtem Pollen, a) Langgriffler mit Pollen von Kurzgriffler. b) Kurzgriffler mit eigenem Pollen. derung des Urhebers (S. 193), derzufolge der Hemm stoff aus dem Pollen in die Narbe, nicht das Enzym in den Pollen diffundieren soll, haben E s s e r und S t r a u b die im Sinn der Theorie anzunehmenden Beziehungen zwischen Pollen und Narbe so dargestellt, daß die postulierte Enthemmung wirklich zustande kommen könnte. — Die Arbeit von R e z n i k ist übrigens bei Prof. Seybold ausgeführt, der sich vor Jahren (1949) ohne Erfolg bemühte, Herrn Moewus zur Vorlegung der Protokolle seiner genetischen Experimente an Chlamydomonas zu bewTegen, und der verdienstlicher Weise aus der Weigerung ernste Konsequenzen gezo gen hat. Damit sind wir bei dem Hauptobjekt der Ver öffentlichungen von M o e w u s , das in der Studie über In den letzten Tagen des Jahres 1938 schickte mir Moewus aus Erlangen das M anuskript einer noch in Heidelberg entstandenen Abhandlung „Uber die Chemotaxis von Algengameten“ zur Veröffent lichung in der „Flora“ . Uber diese Schrift korre spondierte ich als Herausgeber, der sich für jeden zu druckenden Satz mit verantwortlich fühlt, mit dem Autor und mit verschiedenen Kollegen, deren M itarbeiter Moewus war bzw. gewesen war, bis Ende Februar 1939; die Annahme des M anuskriptes habe ich Ende Januar abgelehnt mit dem „dringenden Rat, es so wie es jetzt ist auch anderswo nicht drukken zu lassen“ . Eine Besprechung zwischen Moewus, e :nigen Kollegen und mir war auf Vorschlag von F. v. W e t t s t e i n für Jena verabredet, kam aber aus verschiedenen Gründen nicht zustande. Hätte sie stattgefunden, wäre wohl viel Unheil verhütet wor den. Das Opus erschien dann 4 mit verschiedenen durch meine brieflichen Anregungen veranlaßten Ergän zungen, aber ohne jede wesentliche Verbesserung. Als es gedruckt vorlag, hätte ich die Unglaubwürdig keit der wichtigsten Versuchsreihen mit den A rgu menten dartun können, die im folgenden dargelegt werden, aber um nicht ohne eigene Kenntnis des Objekts nur zu verneinen, schlug ich meinem Assi stenten Dr. Helmut Döring vor, einige Angaben nachzuprüfen. Herr Moewus stellte Kulturen von Chlamydomonas bereitwillig zur Verfügung. Döring kam jedoch über die ersten Versuche, die M o e w u s nicht recht gaben (vgl. unten), nicht hinaus, weil er im Frühjahr 1940 zur Wehrmacht eingezogen wurde und dann in Rußland fiel. Nach dem Krieg bat ich Herrn Moewus wieder holt um neues Material. Erst im F rü h jah r 1950 erhielt ich auf Vermittlung von H errn Professor R. Kuhn lebende Agarkulturen von Chi. eugametos männlich und weiblich. An diesen Klonen machte Fräulein Malwine Seyfferth, jetzt Frau Hagen, viel fach unterbrochene Untersuchungen vor allem über Chemotaxis, die nun abgeschlossen sind. Die Reak tionen der Schwärmer z. B. gegen Zucker erwiesen sich viel weniger eindeutig als man nach der Dar4 F. M o ew u s, Arch. Protistenkunde 92. 485 [1 9 3 9 ]. AUCH ET W AS Ü BE R F. M O EW U S, F O R S Y T H I A UND C H L A M Y D O M O N A S Stellung von M o e w u s annehmen muß. Frau Hagen wird nächstens über ihre Ergebnisse berichten. Von den Resultaten der Publikation von 1939 haben besonders der Befund, daß eine einzige absor bierte Molekel Crocin an einer unbegeißelt auf Agar gewachsenen Zelle von Chlam ydom onas die Geißel bildung hervorrufen könne, und das phantastische Gemälde von den Gamonwirkungen der beiden Dimethylester des Crocetins Aufsehen erregt und zu nächst auch vielfach Glauben gefunden. Den ersten Stein des Anstoßes hat M o e w u s selbst zu beseitigen versucht durch eine M itteilung von 1946 °, in der die Leistungen des Systems Chlam ydom onas + Cro cin um den „Ausschüttungseffekt“ bereichert und nebenher genetische Analysen mit gewohnter Ele ganz ausgeschüttet werden. Die Experimente mit den Crocetinestern hat zuletzt R a p e r 6 kritisch ana lysiert mit dem Ergebnis, daß sie aus den Quellen wissenschaftlicher Erkenntnis zu streichen seien. Die meisten Beurteiler gingen von der gutgläubigen Mei nung aus, M o e w u s habe die Versuche, über die er berichtet, wirklich ausgeführt. Hätten sie seine Zah len genau betrachtet, so hätten sie sich von diesem Glauben bald frei gemacht. M a i n x 7 hat in Referaten über frühere Arbeiten von M o e w u s auf die „ungeheuren Zahlen der stets mit 100-proz. Erfolg durchgeführten Tetradenanalysen“ hingewiesen. Ich stellte Moewus, als er m ir das neue M anuskript übergab, vor, wie wichtig es für ihn sei, diese Bedenken zu zerstreuen, und forderte ihn auf, genau zu beschreiben, wie er in einem A r beitstag von 9 Stdn. 9600 Kopulationsversuche an Polytom a ausgeführt und protokolliert habe (3 Tage hintereinander je 1600 Gonenkulturen mit je 6 Gametensorten kombiniert, 1937 8, S. 8 0 /8 1 ); für einen Test blieben ja nur 3 —4 Sekunden. D arauf schickte Moewus mir eine Schilderung des Arbeitsgangs, in der er glaubhaft zu machen suchte, daß er, von einem Helfer unterstützt und mit m ehreren M ikro skopen, in einem Tag rund 5000 Prüfungen fertig bringe; er arbeite als Linkshänder viel rascher als andere Leute. Als ich darauf bestand, es müßten 9600 Teste sein, antwortete er nicht mehr, und öffentlich hat er dazu ganz geschwiegen. Die Crocinwirkung auf unbegeißelte Dunkelzellen wurde studiert an Suspensionen, die 2 • 10f) Zellen 3 F. Biol. Zbl. 65, 18 [1946], Bot. Rev. 18. 447 [1952]. 7 F. M a in x , Z. Bot. 30, 285 [1936/37] ; 32, 526 [1938], s F. M o e w u s , Z. Vererbungslehre 73, 63 [1937], M o ew u s, 6 J. B. R a per , 401 in einem ml Wasser enthielten (Bestimmung mit der Blutkörperchen-Zählkammer). Ich fragte Moewus, wie viele Proben er brauche, um die gewünschte, erst nach der Crocinbehandlung zu bestimmende Zellen dichte zu erhalten — der Bescheid war: 5 von 20 sind verwertbar; von da stammen die aus 20 Einzel versuchen bestehenden „Reihenversuche“ der Publi kation —, und brachte ihn durch diese und einige weitere Fragen dazu, daß aus 13*2 Versuchen des Manuskripts die 620 Versuche der Publikation (Tab. 5) wurden; wie unsinnig es wäre, bei den höheren Konzentrationen von 2,5 * 1015 bis 2,5 * 107 Moll. Crocin je ml, in denen alle Zellen ihre Geißeln erwerben, die Mühsal von je 40 Versuchen auf sich zu nehmen, hat M o e w u s nicht bedacht. Auch die Versuchsreihe, deren Ergebnis in der seltsam steil abfallenden Kurve der Abb. 1 wiedergegeben ist, verdankt ihre Entstehung meinem Hinweis, wie un verständlich es sei, daß nach der Angabe des M anu skripts keine einzige Zelle beweglich werde, wenn nur noch 1 Mol. Crocin auf 10 Zellen komme, und daß jede Zelle „ihre“ Mol. einfange, wenn genau so viele Zellen wie Moll, da seien. Die Auszählung der Zellen auf Begeißelung nimmt an mit Alkohol fixierten Suspensionen vor, die nur noch 1 Million Zellen im ml enthalten, an Präparaten von je 0,3 ml unter einem großen Deck glas, und „mit Hilfe des Kreuztischs“ ; man male sich das aus, wenn auf 1 mm2 275 Zellen kommen. Die Zellen sind etwa 10 ju lang, die Geißeln etwas länger und sehr fein. An die Musterung einer Zelle wird man mindestens 1 Sek. wenden müssen, auch wenn man einen Helfer das Protokoll führen läßt, für 1 Million Zellen in 1 ml wären also 278 Stdn. erforderlich. Ich fragte Moewus seinerzeit, wie lange er für die Auszählung von 1 Million Zellen brauche. Er antwortete nicht darauf, aber er führte in der Tab. 7 mehrmals 0,0001% begeißelte Zellen auf, was so viel heißt wie 1 begeißelte Zelle auf 1 Mil lion unbegeißelte; sogar 0,00011% werden dem Leser angeboten, im Höchstfall 0,0124%, aber nie absolute Zahlen, während er mir brieflich einige solche mitgeteilt hatte (die höchste war 1256; das wären 0,01256% von 10 M illionen). Vor kurzem (Dezember 1957) habe ich H errn Moewus die Frage wieder gestellt, um sicher zu sein, daß kein Ver schreiben vorliegt. Diesmal gab er sofort Auskunft: ein Präparat mit 0,3 ml, also 0,3 • 106 Zellen, habe er in 5 —7 Min. durchgesehen; „für jede der 140 Einzelbestimmungen (der Tab. 11) wurde 1 ml M oew us 402 0 . RE N N E R durchgemustert, d. h. also etwa 40 Stdn. waren er forderlich“ . Als ich ihm (am 14. Januar 1958) vor hielt, dann habe er sich für 800 Zellen 1 Sek. ge gönnt, schwieg er. M o e w u s versteht es, durch recht genaue Zahlen oder durch besondere Hinweise auf die Akribie sei nes Verfahrens dem naiven Leser Sand in die Augen zu streuen. So durch den „Kontrollversuch“ S. 492: „einem Tropfen beweglicher Zellen — es sind wohl Tausende — werden etwa 50 unbegeißelte Zellen zugefügt, man kann dann einwandfrei feststellen, daß unbewegliche Zellen darunter sind“ . Wer glaubt das? Aber wichtiger ist: M o e w u s will, vernünftiger Weise, alle Auszählungen an fixiertem Material ge macht haben, wobei es sich um die An- oder Ab wesenheit von Geißeln handelte; der Kontrollversuch wäre also ein ganz überflüssiger Schnörkel. Oder (S. 493) : die Deckgläser wurden „mit Paraffin ein geschlossen. Da die Paraffinschicht sehr dünn ge wählt wurde, konnten auch die R andpartien ein wandfrei untersucht werden“ . Als ob man die Gei ßeln von Chlam ydom onas durch Paraffin hindurch sehen könnte. Und als ob es etwas ausmachen würde, wenn die Zellen in dem vielleicht 2 mm breiten R and streifen eines 50 • 22 mm großen Deckglases nicht mitgezählt werden. Dabei kann nur jemand, der nicht wissenschaftlich denkt, darauf verfallen, von einer homogenen Aufschwemmung mehr als ein paar tausend Zellen zu prüfen. Weil man, wie ich schon einmal erklärt habe, dem Experimentator M o e w u s schlechterdings nichts un besehen glauben darf, habe ich 0,3 ml Wasser unter ein 50 • 22-mm-Deckglas gebracht; die Schicht ist so hoch, sogar schon bei 0,2 ml, daß man das Glas nicht randen kann. Und um zu erfahren, wie die Alkohol fixierung den Geißeln bekommt, habe ich Frau Ha gen aufgetragen die W irkung zu beobachten: die Geißeln werden zum größten Teil abgeworfen. Auf die Mitteilung dieser Erfahrungen und auf meine Glosse zu dem — nie vorhanden gewesenen — P a raffinrand schwieg H err Moewus. So wie M o e w u s sein Verfahren beschreibt, kann er von den mehr als 1000 Präparaten, die zu der Tab. 5 gehören würden, nicht ein einziges gemacht haben, und weil die mit Alkohol behandelten Schwärmer keine Gei ßeln mehr haben, kann er keine Auszählungen auf Begeißelung gemacht haben. Von hier aus werden die 300 oder mehr Versuche mit gleichgültigen Kon zentrationen ebenso verständlich wie die 140 Millio nen der in der kritischen Konzentration untersuchten Zellen. — Als ich Moewus in einem letzten Brief (vom 24. Februar 1958) meine Schlußfolgerungen vortrug und erklärte, daß ich, von Belanglosigkeiten abgesehen, von seiner Chemotaxisarbeit überhaupt nichts glaube, daß es m ir aber viel lieber wäre, wenn er sich verteidigen könnte, schwieg er. Nach der logischen und rechnerischen Durchleuch tung der Vorgänge in M o e w u s ’ W erkstatt (vgl. auch unten) war es keine große Überraschung mehr, als Dr. Döring m ir berichtete (Spätherbst 1939), die unbegeißelten Agarzellen bedürften, in reines Wasser gebracht, des Lichtes nicht, um Geißeln zu bilden. Fräulein Seyfferth fand dasselbe, M . H a r t m a n n s M itarbeiter F ö r s t e r und W i e s e 9 ebenso, und selber habe ich mich auch davon überzeugt. Das Riesen aufgebot angeblich ausgeführter Versuche über die W irkung des Lichts verschiedener Wellenlänge, von Crocin, von 15 Zuckern, von 60 anderen organi schen und 20 nicht organischen Verbindungen auf geißellose Z ellen4- 10 hätte sein Fundam ent nur in der Einbildung des A utors: Chlam ydom onas eugametos braucht nichts als Wasser, um zu ihren Gei ßeln zu kommen. Die Chemotaxisexperimente auch noch eingehend zu analysieren ist zu widerwärtig; Frau Hagen wird einiges dazu sagen. Ich stellte Moewus einige Fragen ähnlich denen, die später R a p e r 6 (S. 498) erörtert hat, und er antwortete in seiner primitiven Weise: „ich beobachte den Versuch und stelle die Daten fest. Irgendwelche Einzelheiten, was nun eigentlich in dem Tropfen vor sich geht, entzieht sich unserer K enntnis“ . Ich wies darauf hin, daß in den Ver suchen der Tab. 20 der Konzentrationsgradient zur Kapillare hin beim einen Ester an-, beim anderen absteige. Er nahm den Gedanken in seiner Publika tion auf, tat ihn aber mit der Bemerkung ab: „W ir haben zwei Gefälle verschiedener Richtung, die nicht zu Interferenz führen“ (S. 5 1 8 ). Mein Urteil in mei nem damals letzten, von Moewus nicht mehr beant worteten Brief war: „Die Verknüpfung der Chemo taxis-Experimente mit der Vorstellung des kopula tionsbedingenden cw-frans-Ester-Systems ist unlo gisch, und deswegen können die Beobachtungen nicht richtig sein.“ Er selber beschließt seine Erw ä gungen mit einer grob physikalischen Deutung der Chemotaxis, die dadurch Eindrude machen will, daß sie für die Diffusion die Entropie bemüht (S. 519). Ebenso bezeichnend für die physiologische Schulung 9 H. L. W i e s e , Z. Naturforsehg. 9 b , 470 [1954], Jb. wiss. Bot. 86 . 753 [1938]. F ö r ster u . 10 F . M o e w u s , AUCH ETWAS ÜBER F. MOEWUS, F OR S Y T H I . 4 UND C H L A M Y D O M O N A S des Autors ist, daß er eine Unterschiedsschwelle von I : 1 Million für möglich hält (S. 5 0 6 ), und daß e r 11 wirksame Gametenfiltrate, anders als unwirk sam gemachte und als die reine Nährlösung, bei —10° nicht gefrieren sieht (S. 491) ; „wurde Hun derte von Malen nachgeprüft“ (wie lächerlich das ist) ; A = 10 C entspricht einem osmotischen Druck von etwa 120 Atmosphären. Nach der Tab. 20 will M o e w u s mit 8 Stämmen von Chlam ydom onas je 101 verschiedene Stufen der Mischungen von cis- und Jra/is-Crocetinester, darun ter 8-mal gleiche Konzentration in und außerhalb der K apillare, geprüft haben, wo ein vernünftiger Experim entator mit ungefähr 20 Stufen ausgekom men w äre; wenn man nachrechnet, wären es mehr als 12 000 im Dunkeln ausgeführte Kapillarenver suche. Die positiv chemotaktische Reaktion soll bei allen 8 Stämmen haarscharf dann einsetzen, wenn die Differenz zwischen innen und außen für beide Ester 19 Teile beträgt. Wie ich jetzt weiß, ist die Alge chemotaktisch nicht besonders empfindlich, und die von M o e w u s erfundene Methode, die auch ver schiedene Geschwindigkeiten der Reaktion erfassen soll, ist, wie zu erwarten war, kaum zu brauchen. Doch auf beides kommt es bei diesem beklemmen den Schaustück nicht an. Die Autoren, die diese Ta fel zunächst ernst genommen haben, müssen mit felsenfestem Vertrauen in das Ethos eines W issen schaftlers an sie herangegangen sein. In den schlicht beschreibend-entwicklungsgeschicht lichen Mitteilungen von M o e w u s über verschiedene Al gen macht manche Einzelheit einen zuverlässigen Ein druck. — Ein Präparat der Zygotenkeimung aus der Kreuzung Chlamydomonas paradoxa x pseudoparadoxa zu dem Aufsatz „Faktorenaustausch, insbesondere der Realisatoren“ 12 hat Herr M o e w u s mir seinerzeit auf meine Bitte überlassen. Es war technisch wohl gelungen II F. M o e w u s , Arch. Protistenkunde 80, 469 [1933], 12 F. M o e w u s , Ber. dtsch. bot. Ges. 54, 45 [1936]. 13 M. H a r t m a n n , Die Sexualität, 2. Aufl., Stuttgart 1956. 403 (Paraffinschnitte, H eid enhain-F ärbung), enthielt aber, wie ich aus meinen damals gemachten Skizzen ersehe, nur Prophasen und fertige Tetraden, keine bemerkens werteren Stadien, und konnte meinen Zweifel an den Zeichnungen 4 —6 der Tafel II (von H a r t m a n n 13, S. 138, Abb. 100, als d —f wiedergegeben) nicht zerstreuen. Nach der heterotypischen Teilung soll der eine Dyadenkern, wenn ihm kein Realisator zugeteilt worden ist, degenerieren, der andere Dyadenkern soll ein Ruhe stadium durchmachen und nach einer Prophase mit „deutlichem Spirem“ in 2 Teilungsschritten 4 Kernen den Ursprung geben. Daß diese Beobachtungen richtig sind, ist schwer zu glauben. Die Abb. 2 vom „Diplonema“ hat T i s c h l e r 14 wegen ihrer „schönen Chiasmabildungen“ sogar in sein Handbuch aufgenommen (S. 473, Abb. 292) ; ob mit Recht? W ir deutschen Biologen haben darin gefehlt, daß wir uns nicht noch nachdrücklicher gegen die von M o e w u s gestiftete Verwirrung zur Wehr setzten — Genetiker vor allem haben es an scharfer Kritik nicht fehlen lassen — und es damit dem Ausland überließen, dem Spuk ein spätes Ende zu bereiten. Dabei konnte man kaum mit mehr gutem Willen als Prof. Ryan an der Columbia-Universität getan hat die Zusammenarbeit mit M o e w u s versuchen, die dann einen so unrühmlichen Abschluß fand. Mehr als einer von uns hat daran gedacht, den erstaun lichen Experimentator in sein Institut aufzunehmen und bei der Arbeit zu beobachten, aber es ist bei der Absicht geblieben. In seiner Grabrede („In mem oriam “ ) auf M oEwusens sexualphysiologisches Opus hat Prof. Raper 12 von der Harvard-Universi tät mit wenigen bitteren Worten ausgesprochen, was der so produktive Forscher allein mit diesem Teil seiner Produktion der Biologie angetan hat (S. 153). Uns Landsleuten obliegt die Confessio, daß der Fall M o e w u s in das Kapitel der menschlichen Komödie gehört, in dem die wissenschaftlichen Satyrspiele wie das vom Piltdown-Menschen verzeichnet sind. 14 G. T i s c h l e r , Allgemeine Pflanzenkaryologie, 2 . Hälfte, Auflage. In Handbuch der Pflanzenanatomie, herausgeg. von K. L in s b a u e r f> Berlin 1 9 4 2 . 15 J. B. R a p e r , Symposia Soc. exp. Biol. 11, 1 4 3 [ 1 9 5 7 ] . 2.