Facharztweiterbildung Primärversorgung in den

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Facharztweiterbildung Primärversorgung in den
ZfA 2004 "047", 19.3.04/dk köthen GmbH
Facharztweiterbildung Primärversorgung in den USA
Persönlicher Erfahrungsbericht und kritischer Vergleich
J.-F. Chenot
Weiterbildung
Postgraduate Training in Primary Care in the United States ±
Personal Account and Critical Comparison
Zusammenfassung
Abstract
Das neue ¹common trunkª-Weiterbildungsmodell für Innere
Medizin und Allgemeinmedizin ähnelt dem amerikanischen
Weiterbildungsmodell. Im Vergleich lastet die Organisation und
Strukturierung der Weiterbildung in Deutschland weiterhin einseitig auf den Weiterzubildenden. Es gibt keine etablierte externe Qualitätskontrolle des Weiterbildungsprozess und am Ende
steht weder eine objektive noch reliable Abschlussprüfung.
The new common trunk model for postgraduate medical training
for General Practice and Internal Medicine in Germany resembles the American model. In comparison the burden of organizing and structuring medical training in Germany continues to be
unilaterally on the trainees. Unlike in the US no external quality
control of the training process and no objective and reliable evaluation the outcome is established.
Schlüsselwörter
Weiterbildung ´ Allgemeinmedizin ´ Innere Medizin ´ Deutschland ´ Vereinigte Staaten
Key words
Postgraduate medical training ´ general practice ´ internal medicine ´ Germany ´ United States
Einleitung
Allgemeine Situation
Das neue, auf dem 106. Deutschen ¾rztetag beschlossene zweigliedrige Weiterbildungsmodel für Allgemeinärzte und Internisten weist starke ¾hnlichkeiten mit dem amerikanischen Weiterbildungssystem für Internisten auf (Abb. 1). Es entspricht in weiten Teilen dem Vorschlag der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) [13, 14, 19]. An die
gemeinsame Grundweiterbildung (common trunc) schlieût sich
in den USA jedoch keine allgemeinärztliche Spezialisierung an.
In den USA wie in Deutschland wird die Basisversorgung der
Bevölkerung durch Allgemeinärzte gesundheitspolitisch angestrebt und finanziell gefördert. Die meisten Versicherungen erfordern die Wahl eines festen Primärversorgers (PCP; Primary
Care Physician) als initialen Ansprechpartner, der gegebenenfalls
überweist und die Behandlung koordiniert. PCPs sind Allgemeinärzte (¹Family Practitionersª) und Allgemeininternisten (¹General Internistsª oder ¹Primary Care/Internal Medicineª) [5].
Im Folgenden soll die Organisation der Weiterbildung in den USA
vorgestellt und mit der deutschen verglichen werden.
Allgemeinärzte qualifizieren sich ebenso wie Allgemeininternisten in drei Jahren zum PCP.
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Institutsangaben
Abteilung Allgemeinmedizin, Georg-August-Universität Göttingen
Korrespondenzadresse
Dr. med. Jean-FrancËois Chenot, MPH´ Abteilung Allgemeinmedizin ´ Universität Göttingen ´ Humboldtallee 38 ´
37073 Göttingen ´ Tel.: 05 51-39 65 99 ´ Fax: 05 51-39 95 30 ´ E-mail: [email protected]
Bibliografie
Z Allg Med 2004; 80: 124±128 Georg Thieme Verlag Stuttgart ´ New York ´ ISSN 0014-336251 ´
DOI 10.1055/s-2004-816259
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Die Weiterbildung der Allgemeinärzte umfasst Grundkenntnisse
in Innerer Medizin, Kinderheilkunde und Geburtshilfe (die jedoch ± anders als in Kanada ± kaum mehr von Allgemeinärzten
durchgeführt wird). Das Leistungsspektrum trägt den Versorgungsbedürfnissen dünn besiedelter Gebiete Rechnung und ist
breiter als das deutscher Allgemeinärzte ± z. B. schlieût es ähnlich wie in den Niederlanden die gynäkologische Grundversorgung ein, während diagnostische Verfahren wie Ultraschall oder
endoskopische Untersuchungen nur ausnahmsweise durchgeführt werden.
Die Facharztdichte (alle Spezialitäten) ist mit 14/10 000 Einwohnern deutlich niedriger als in Deutschland mit 21/10 000 Einwohnern [22]. Stationäre und ambulante Betreuung sind nicht
streng getrennt, niedergelassene ¾rzte betreuen ihre Patienten
auch im Krankenhaus weiter. In akademischen Zentren wird
dies aber zunehmend von sog. ¹Hospitalistsª geleistet, so dass
die Entwicklung mehr hin zu der bei uns praktizierten Verantwortungsteilung geht. Obwohl die damit verbundene Unterbrechung der Versorgungskontinuität als Nachteil gilt, finden ¹Hospitalistsª aus organisatorische Gründen und durch die zunehmende Spezialisierung der stationären Versorgung zunehmend
Verbreitung [28].
Weiterbildungsorganisation und Qualitätskontrolle
Die Weiterbildung (Residency) findet generell im Rahmen von
strukturierten Programmen statt, die Rotationen durch alle klinischen Gebiete vorsehen und sowohl die ambulante als auch die
stationäre Versorgung umfassen. Entsprechende Vorgaben machen das American Board of Internal Medicine bzw. das American Board of Family Medicine. Während der Anforderungskatalog für die Weiterbildungsassistenten bezüglich der Durchführung medizinischer Prozeduren vergleichsweise klein ist, sind
die allgemeinen Qualifikationskriterien für die Weiterbilder relativ hoch. Jedes Programm entwickelt nach diesen Vorgaben
ein eigenes Curriculum mit individuellen Schwerpunkten. Eine
externe Qualitätssicherung wird durch das Accreditation Council
for Graduate Medical Education (ACGME) sichergestellt. Jedes
Programm wird alle zwei Jahre inspiziert und akkreditiert. Mängel müssen innerhalb eines Jahres abgestellt werden. Sowohl die
Boards als auch das Accreditation Council sind keine staatlichen
Organisationen, sondern Institutionen der Selbstverwaltung, die
einen festgelegten Weiterbildungsstandard garantieren. Zusätzlich führt die American Medical Association, sowie lokale medizinische Gesellschaften regelmäûig Umfragen über die Qualität
und Zufriedenheit der AiWs mit ihrer Weiterbildung durch [10].
Versicherungen rechnen im Regelfall nur mit ¾rzten ab, die ein
solches akkreditiertes Programm erfolgreich abgeschlossen haben.
Beschäftigungs- und Einkommenssituation
Da die Zahl der Weiterbildungsstellen in den USA die der Medizinstudienplätze überschreitet, werden viele Stellen mit Kollegen besetzt, die ihr Studium im Ausland abgeschlossen haben
(¹International Medical Graduatesª ± IMG) [9]. Auch Amerikaner,
die im Ausland studiert haben, kehren als IMGs zurück. Der Bedarf an IMGs ist Gegenstand heftiger Kontroversen: Während
ländliche Gebiete auf IMGs angewiesen sind, besteht in den Ballungszentren eine Überversorgung [2, 23, 31]. Voraussetzung für
eine klinische Weiterbildung in den USA sind die den Staatsexamen entsprechenden Prüfungen. Sie werden weltweit von
der Educational Commision for Foreign Medical Graduates
(ECFMG) organisiert.
Bewerbungsverfahren
Bewerber erhalten ausführliche Broschüren, in denen die Vorzüge des Programms und die erfolgreichen Karrieren ehemaliger
Absolventen hervorgehoben werden. Die Vergabe der Stellen
wird nach einer national einheitlichen Bewerbung über das Internet und Bewerbungsgesprächen vor Ort, zentral durch das National Resident Matching Program (NRMP) koordiniert. Es
gleicht die Präferenzen der Bewerber und der Programme miteinander ab. In der Praxis hat sich das so gut bewährt, dass nur wenige Stellen auûerhalb des sog. ¹matchª vergeben werden [25].
Eine Besonderheit ist das sog. ¹couple matchª, dass Paaren die
Weiterbildung in derselben Region erleichtert.
Nach einem kontinuierlichen Anstieg in den letzten Jahren stagniert die Zahl der ¾rzte im Augenblick. Viele ärztliche Aufgaben
werden auch von nichtärztlichem Personal (sog. ¹Physician Assistantsª oder ¹Nurse Practionersª) ausgeführt. Diese dürfen nur
unter Aufsicht eines Arztes arbeiten (der jedoch nicht räumlich
anwesend sein muss) und führen preisgünstig ärztliche Tätigkeiten wie Nachuntersuchungen oder Versorgung unkomplizierter
Fälle durch.
Die Beschäftigungssituation ist trotz regionaler Unterschiede
insgesamt als gut zu bezeichnen. In vielen ländlichen Gebieten
Abb. 1 Gegenüberstellung des amerikanischen Weiterbildungsmodell und des neuen deutschen ¹common trunkª-Modells.
Chenot J.-F. Facharztweiterbildung Primärversorgung in den USA. Z Allg Med 2004; 80: 124 ± 128
Weiterbildung
Abweichend von der deutschen Weiterbildungsordnung ist für
PCPs ± unabhängig, ob Allgemeinarzt oder Allgemeininternist ±
kein chirurgischer Weiterbildungsabschnitt vorgeschrieben. An
die Weiterbildung als Allgemeininternist kann sich ein ¹Fellowshipª zur weiteren Spezialisierung in Subspezialitäten anschlieûen. Insbesondere in kleineren Fächern wie Endokrinologie und
Rheumatologie bleiben viele dieser Spezialisten aber aus wirtschaftlichen Gründen primärärztlich tätig.
besteht jedoch ein ¾rztemangel. Das Einkommen der PCP ist in
den letzten Jahren nur geringfügig gestiegen und liegt unter
dem anderer Fachrichtungen. Dies wird als wesentlicher Grund
dafür angesehen, dass im Jahre 2000 nur 94,4 % aller Weiterbildungsstellen in ¹Primary Care/Internal Medicineª und von diesen nur 60 % mit Amerikanern besetzt werden konnten [15].
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Stationäre Versorgung
Ein Intern (Assistent im ersten Jahr, etwa AiP) wird von einem
Resident (fortgeschrittener Weiterbildungsassistent) betreut
und angeleitet. Ein solches Team betreut zwischen 8 bis 15 Patienten. Der Intern trifft alle patientenbezogenen Anordnungen
und schreibt täglich einen Krankenbericht, der sowohl der Dokumentation, als auch der geordneten Darstellung von Differenzialdiagnose und Therapieplanung dient. Obwohl dies allgemein als
sinnvoll angesehen wird, ist der Papierkrieg im ärztlichen Alltag
eher noch schlimmer als in Deutschland.
Weiterbildung
Neben der selbständigen Visite findet täglich eine kurze Konferenz am Krankenbett (bedside teaching) mit dem verantwortlichen Facharzt (Attending) statt. Durch die groûe Anzahl paramedizinischer Hilfsberufe, die Routinetätigkeiten wie z. B. Blutabnehmen erledigen, erlangen viele ¾rzte oft nur eine geringe manuelle Geschicklichkeit in Basisprozeduren. Auf der anderen Seite ermöglicht dies eine Konzentration auf die ärztlichen Kernaufgaben. Die Verwendung von ¹teurenª ¾rzten für solche Routineaufgaben erscheint Amerikanern als Verschwendung.
Ambulante Versorgung
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Ein bis zwei Tage in der Woche arbeiten die Weiterbildungsassistenten in einer Allgemeinarztpraxis (community health center ±
oft im Krankenhaus integriert), um so den Langzeitaspekt der
hausärztlichen Versorgung kennen zu lernen. Während dieser
Zeit werden sie im Krankenhaus vertreten. Der in der hausärztlichen Praxis betreuende Arzt ist zugleich auch persönlicher Ansprechpartner während der gesamten Weiterbildung. Patienten
werden ihm nach der Untersuchung kurz vorgestellt. Bei unklaren Befunden untersucht er nach oder leitet Prozeduren, wie z. B.
Hautbiopsien an [30]. Etwa zwei bis vier Weiterbildungsassistenten werden von ihm betreut ± während dieser Zeit ist er von
anderen Routinearbeiten freigestellt. Das Engagement in der
Weiterbildung wird durch die finanzielle Vergütung sowie persönliche und akademische Annerkennung gefördert [16].
Je nach Programmschwerpunkt werden 3±6 Monate im Jahr in
Spezialambulanzen verbracht. Rotationen erfolgen sowohl durch
internistische Fachsprechstunden als auch in anderen Disziplinen, wie etwa Augenheilkunde oder Dermatologie. Hier ist es üblich, kleine Referate, die sich an aktuellen klinischen Problemen
orientieren, vorzubereiten und in kleinen Gruppen vorzutragen.
den täglich zur Mittagszeit Vorlesung oder Seminare (noon conference) gehalten, zu denen auch externe Experten eingeladen werden. Das häufige Sponsoring dieser Veranstaltungen durch Pharmafirmen ist umstritten und einige Programme haben Pharmareferenten den Kontakt mit Assistenzärzten untersagt [20].
Klinische Entscheidungen werden regelmäûig anhand von wissenschaftlichen Publikationen begründet. Dazu ist meist eine
hervorragende Infrastruktur vorhanden, die jederzeit Literatur
oder Online-Textbücher über das Inter- oder Intranet am Krankenbett oder in der Praxis verfügbar macht. Trotz dieser Bemühungen um evidenzbasierte Medizin bestehen aber noch Umsetzungsschwierigkeiten [17].
Finanzierung der Weiterbildungsprogramme
Weiterbildende Krankenhäuser profitieren von ihren ¹Ehemaligenª, die sich oft in der Umgegend niederlassen und dann ihre
stationären Patienten dort betreuen. Die genauen Kosten für die
Weiterbildungsprogramme, die neben Lohnkosten für die Weiterbildungsassistenten und Personalkosten für die Betreuung
auch vermehrten Materialverbrauch umfassen, lassen sich nur
schwer quantifizieren [6, 21]. Die staatlichen (jedoch nur wenige
private) Versicherungsprogramme finanzieren die Weiterbildungsprogramme durch höhere Vergütung der Patientenversorgung. Diese Form der indirekten Finanzierung führt zu starken
Unterschieden in der Verteilung der Mittel und trägt insgesamt
zur Steigerung der Gesundheitsausgaben bei. Analysen haben
gezeigt, dass Weiterbildung nicht nur das Prestige einer Institution steigert, sondern trotz der hohen Anforderungen auch finanziell lohnend ist [11].
Arbeitszeit und Einkommen
Die Bezahlung erfolgt pauschal und unabhängig von der Arbeitszeit und entspricht mit 35 000±40 000 Dollar pro Jahr etwa dem
Durchschnittseinkommen einer amerikanischen Familie. Die Arbeitszeiten sind deutlich länger als in Deutschland und Nachtdienste häufiger. Im Durchschnitt bleiben drei bis vier freie Tage
im Monat. Die Jahresurlaubszeit beträgt zwischen zwei und drei
Wochen. Verstöûe gegen die (nicht rechtsverbindlichen) Arbeitszeitrichtlinien sind aber auf Intensivstationen häufig [18].
Die Arbeitssituation verbesserte sich durch das gesteigerte öffentliche Interesse, nachdem der Tod der Tochter eines prominenten Politikers durch übernächtigte Assistenten mitverursacht
war [8].
Forschung und interne Weiterbildung
Obwohl das Weiterbildungs-Curriculum vornehmlich der klinischen Weiterbildung dient, werden durchaus kleinere Forschungsarbeiten erwartet. Dabei werden beispielsweise interne
Leitlinien ausgearbeitet oder Qualitätssicherungsprojekte durchgeführt, die auch publiziert werden [1]. Für anspruchvollere Forschungsprojekte kann im Studium oder während des Fellowships ein Forschungsjahr eingelegt werden.
Die Assistenzärzte organisieren täglich einen ¹morning reportª, in
dem aktuelle klinische Fälle vorgestellt werden. Zusätzlich wer-
Da die Fachweiterbildung viele Jahre noch als Teil des Studiums
angesehen wurde, war eine gewerkschaftliche Organisation bis
1999 nicht gestattetet. Erst in diesem Jahr gelang es der Vereinigung der Assistenzärzte der Boston University, das Recht auf gewerkschaftliche Organisation durchzusetzen [32].
Prüfungswesen
Ein Überblick über das Prüfungswesen wird in Tab. 1 gegeben.
Voraussetzung für die Erteilung der Vollapprobation am Ende
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Tab. 1 Gegenüberstellung des Prüfungswesens in USA und
Deutschland
USA
Deutschland
Medizinstudium
USMLE Step 1*
USMLE Step 2*
Physikum & 1. Staatsexamen
2. & 3. Staatsexamen
Internship/AiP
USMLE Step 3*
keine
Residency/AiW
jährliches In-sevice-Exam
(ACP)**
persönliche Beurteilung
nach jeder Rotation
keine systematische
Zwischenevaluation
ABIM*** board exam
Facharztprüfung
Facharztprüfung
* USMLE (United States Medical Licensing Examination) werden vom NBME
(National Board of Medical Examiners) durchgeführt
** ACP (American College of Physicians)
*** American Board of Internal Medicine
des ersten Weiterbildungsjahres ist für alle Fachrichtungen eine
Prüfung, deren Schwerpunkt auf der primärärztlichen Versorgung liegt (Step 3). Seit 1999 wird diese Prüfung mit interaktiven
Fallsimulationen am Computer durchgeführt [12]. Um einen
Überblick über persönliche Stärken und Schwächen zu erhalten,
nehmen alle Assistenten jährlich an einem sog. ¹In-service
Examª teil, dessen Ergebnisse in einem nationalen Ranking publiziert werden. Am Ende der Weiterbildung steht die national
einheitliche organisierte schriftliche Facharztprüfung (board
exam). Die praktische und menschliche Befähigung zum Arzt
wird durch den Programmdirektor bestätigt. Die Bestehensquoten der Programme werden im Internet veröffentlicht und spielen bei der Qualitätseinstufung und der davon abhängigen Anwerbung hervorragender Medizinstudenten eine wichtige Rolle.
Nach zwanzigjähriger Debatte über die Gültigkeitsdauer, gilt die
Facharztprüfung augenblicklich nur noch für zehn Jahre. Die
auch in Deutschland diskutierte Rezertifizierung ist allerdings
nur für diejenigen ¾rzte Pflicht, die nach 1990 geprüft wurden
[29].
Kritisches Resümee und Vergleich
Die Weiterbildung in Deutschland und den USA ist in Tab. 2 vergleichend gegenübergestellt. Obwohl eine strukturierte und koordinierte allgemeinmedizinische Weiterbildung in einem zeitlich zuverlässigen Rahmen in Deutschland noch die Ausnahme
ist, werden in ländlichen Gebieten die ersten Weiterbildungsverbünde organisiert (die es interessanterweise schon in der ehemaligen DDR gegeben hat [27]). Hierbei spielt nicht nur der
Wunsch nach einer Verbesserung der Weiterbildung eine Rolle,
sondern auch der Zwang, in Zeiten abnehmender Bewerberzahlen ein attraktives Angebot machen zu müssen. Der Mangel an
Koordination trifft besonders die allgemeinmedizinische Weiterbildung, die relativ kurze Rotationen durch verschiedene Fachgebiete erfordert [24]. Die hierdurch nicht selten entstehenden
Pausen während Übergangszeiten bzw. häufig notwendige Umzüge stellen besonders für junge Familien eine starke Belastung
dar.
USA
Deutschland
Weiterbildungsdauer
3 Jahre
5 Jahre oder länger
Weiterbildungsorganisation
institutionalisiert,
strukturiert, organisierte
Rotation
ohne organisatorischen
Überbau, unstrukturiert
formale Weiterbildung
integriert
bisher extern durch die
Landesärztekammern
Anforderungen an die
Weiterbilder/Weiterbildungsstätte
hoch
relativ gering
Motivation der
Weiterbilder
akademische Honorierung geringe bis keine
angemessene Vergütung Vergütung
Finanzierungsaufwand
hoch
gering
Weiterbildungssicherheit hoch
gering
Facharztprüfung
schriftlich standardisiert
mündlich, nicht
standardisiert
Rezertifizierung
alle 10 Jahre
in Diskussion
Qualitätskontrolle des
Weiterbildungsprozess
institutionalisiert, regelmäûig extern und intern
nicht vorhanden
Die deutsche Weiterbildungsordnung stellt bisher vornehmlich
Anforderungen an Weiterzubildende bei relativ geringen Strukturanforderung an die Weiterbilder. Diese Asymmetrie wird von
den Betroffenen kaum wahrgenommen ± erst der Kontakt mit
ausländischen Weiterbildungssystemen öffnet manchem die Augen [3, 6]. Die Situation wird durch die gestiegenen Anforderungen an Weiterbildungsassistenten mit der neuen Weiterbildungsordnungen noch verschärft. So musste der am ¹grünen
Tischª beschlossene Weiterbildungsabschnitt Kinderheilkunde
schon mangels geeigneter Stellen wieder gestrichen werden. In
der Praxis wird der unflexible Anforderungskatalog oft durch
Ausstellung von Gefälligkeitsbescheinigungen unterlaufen.
Das amerikanische Weiterbildungssystem erfordert einen hohen
persönlichen und zeitlichen Einsatz, der oft an die Grenzen der
Belastbarkeit geht. Als Gegenleistung erhalten amerikanischen
Weiterbildungsassistenten aber eine gesicherte Weiterbildung,
die sie gut auf ihre zukünftige Aufgabe vorbereitet. Den gröûten
Unterschied macht aber nicht die bessere äuûere Struktur, sondern eine fast ausnahmslos vorhandene und selbstverständliche
Einstellung bei Weiterbildern und Weiterzubildenden, die Ausund Weiterbildung als wichtige Aufgaben begreift. Wer etwas
nicht kann oder falsch macht, wird nicht als unfähig bezeichnet,
sondern als jemand, der mehr Anleitung braucht.
Aufgrund starker sozialer, organisatorischer und struktureller
Differenzen ist das amerikanische Modell nur eingeschränkt auf
Deutschland übertragbar. Dies betrifft insbesondere die in
Deutschland praktizierte strikte Trennung des ambulanten und
stationären Bereichs. Die mangelnde akademische und finanzielle Honorierung schafft nur geringe Anreize für Weiterbilder, die
entsprechende Situation in Deutschland zu verbessern. Die Arbeitsleistung der Weiterzubildenden steht bisher klar im Vordergrund. Dazu nimmt die Reform der studentische Ausbildung derzeit einen so breiten Raum ein, dass die Mängel bei der Weiter-
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Weiterbildung
Aus-/Weiterbildungsabschnitt
Tab. 2 Vergleichende Gegenüberstellung der Allgemeinarztweiterbildung in USA und Deutschland
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bildung erst durch den aktuell beginnenden ¾rztemangel wieder
ins Blickfeld geraten.
Weiterbildung
Die neue deutsche Weiterbildungsordnung für Innere und Allgemeinmedizin, die Forderung nach integrierten Versorgungsstrukturen und die sich verschlechternde Bewerbersituation
werden den Druck für eine notwendige Reform des Weiterbildungsprozess schaffen. Die an den Universitäten neu entstehenden akademischen Zentren für Allgemeinmedizin könnten hierbei eine zentrale Rolle übernehmen [26]. Dies würde das Ansehen und die Qualität der Allgemeinmedizin in Deutschland fördern und den Patienten dienen. Die Strukturierung und Qualitätssicherung der Weiterbildung ist im Übrigen eine zentrale
Forderung der Working Group of European Junior Doctors [7].
Internetquellen
± www.abim.org: American Board of Internal Medicine
± www.nbme.org: National Board of Medical Examiners
± www.ecfmg.org: Educational Commission for Foreign
Medical Graduates
± www.nrmp.org: National Residency Matching Program
± www.ama-assn.org: American Medical Association
± www.acgme.org: Accreditation Council for Graduate Medical
Education
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± www.degam.de: Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin
und Familienmedizin
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Boston University. Seit 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung Allgemeinmedizin der Universität Göttingen; ab 2004 Jobsharing Partner in einer Landarztpraxis. Derzeitiger Arbeitsschwerpunkt ist die praktische Umsetzung der neuen Approbationsordnung.
Chenot J.-F. Facharztweiterbildung Primärversorgung in den USA. Z Allg Med 2004; 80: 124 ± 128