1 1. Das Vorwerk Köllmen, hat eine recht lange Geschichte 1.01
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1 1. Das Vorwerk Köllmen, hat eine recht lange Geschichte 1.01
1. Das Vorwerk Köllmen, hat eine recht lange Geschichte 1.01 Alles geht auf die Zeit vom 22. Dezember 1254 zurück Im Jahr 2014 werden es 760 Jahre oder 9.120 Monate der Namensgebung Kielmy ,Köllmen. Wir befinden uns im ehemaligen Ostpreußen, im Christburger Land, dem Oberland (südlich von Elbing, genauer der Stadt Christburg), unmittelbar neben der ehemaligen Provinz Westpreußen, alles hat sich von der Beschaffenheit der Landschaft kaum verändert, noch heute – wie in anderen Ländern ebenso - sind Straßen, Bäche-, Flussläufe stets eine wertvolle Orientierungshilfe. Im Nahbereich unseres Elternhauses fanden wir zwei Flussläufe: a) Die Alte Sorge b) Die Köllmer Sorge (Krebisbach, Krebsbach) und In der Ordenszeit hieß unser Fluss Sirgune, Sirgun, Serige, Sirge, Sorge. Der Name ist prußisch. „Sirgis“ heißt auf prußisch Hengst und die Silbe „un“ ist eine Nachsilbe, sog. Suffix, „Fluss der Hengste“. Die nächste Stadt von unserem Elternhaus war Christburg, ca. 6,5 Straßenkilometer von Köllmen entfernt und gehörte zur Provinz Westpreußen, wir dagegen wohnten in Ostpreußen. Durch die Bodenbeschaffenheit bedingt, lag der Bahnhof –ab 1893- von Christburg ca. 2 km südlich von der Stadt in Richtung Altstadt gesehen. Die erst erwähnte „Christburg“, Burg Christi,1 war eine Burganlage (auf der Höhe von 119,9 m) aus dem Jahr 1234, Luftlinie ca. 2,5 km südlich von Köllmen, an der Sakrinter Sorge. Um sie wurde stets von Heiden und Christen heiß gerungen. „Von dieser Burg ist das ganze pomsanische und das Land Resin zur Taufbereitschaft und zum katholischen Glauben geführt worden.“ Im gleichen Jahrhundert wurde sie zerstört. Erst im Jahr 1935 wurde sie entdeckt und freigelegt. Eine „Nebenburg“ ca. 1230 erbaut, liegt ostwärts von Altstadt, sie trug bis 1945 den Namen „Schwedenschanze“, noch in den Karten von 1938 gut vorzufinden. Die zweite erwähnte „Christburg“, die spätere Stadt Christburg, wurde 1248 von Landmeister Heinrich von Weida auf steiler Berghöhe noch als Holzburg, ab 1260 als Steinburg, an der Sorge erbaut. Am 22. Dezember 1254 wird erstmals in einer Ermländischen Urkunde Christburg als Stadt erwähnt. Unendlich vieles wurde über die Jahrhunderte erforscht und natürlich festgehalten, ein Nachlesen ist zu empfehlen. 1816 wurde Christburg nach langen Verhandlungen Kreisstadt. Da jedoch die Räumlichkeiten fehlten, wurde das Landratsamt nach Stuhm verlegt und ab 01. April 1818 hieß der Christburger Landkreis, Kreis Stuhm, auch in Westpreußen.2 1958 erhielt die Stadt die polnische Bezeichnung Dzierzgon, „Sirgunestadt“. 1 2 Piepkorn, Otto, S. 70 Piepkorn, Otto, S. 162 1 Das Dorf Altstadt Bevor ich auf das Vorwerk Köllmen eingehe, soll zunächst das Dorf „Altstadt“ erwähnt werden. Wir gehörten zum Kreis Mohrungen und wohnten im westlichen Teil des Kreises, der zu Ostpreußen gehörte. Das kleine Straßendorf zwischen der Stadt Christburg und Alt-Christburg gelegen. Am 3. Mai 1312 wurde das bereits kleine, bestehende Dorf, damals noch „Aldinstat“ genannt, mit einer Handfeste ausgestattet. Die Handfeste besagte: „Och lege wir da selbes eynen krezem (Krug) uf eynen garten, den Tycze (der Krüger) und syne erbin erbelich und ewiclich sullen besiczen!“ 3 Es gehörte zu den ältesten Dörfern des Kreises, denn es lag an einer sehr alten Handelsstraße, die von Nord nach Süd führte. Auf dem Kirchberg stand einst eine kleine Burg, die ein Wächterhaus an der Furt gewesen sein soll. Die Ländereien um Altstadt gehörten dem Geschlecht von Wallenrodt, das auch den Hochmeister gestellt hat. Bis zum Jahr 1732 waren die Bauern in Altstadt den Wallenrodts erdgebunden und gehörten von diesem Jahr ab Alexander Aemilius Burggraf Graf zu Dohna-Schlobitten. Am 1. Februar 1818 erfolgte im Kreis Mohrungen eine Neueinteilung, somit wurde Altstadt in den neuen Kreis einbezogen. Ab 1827 erhielten die Bauern das Land zur Hälfte als Eigentum. Schon zu Beginn der Bebauung war es so, dass die Höfe in quadratischer Form im Dorf nach einem regelrechten Plan zu beiden Seiten der Dorfstraße angelegt wurden. 1845 wurde die Chaussee von Christburg nach Riesenburg ausgebaut, die Sorge bekam eine Holzbrücke, nach dem 1. Weltkrieg wurde sie durch eine Betonbrücke ersetzt. 1907 wurde der Gesangverein, zugleich Gesang-, Musik-, und Spielverein gegründet. Es bestanden auch Sport-, Schützen-, Frauen-, Kriegervereine und eine Freiwillige Feuerwehr. Nur einige Familien, mit denen auch unsere Eltern Kontakt hatten, möchte ich erwähnen, da sie Altstadt „auch belebten“.4 1. Forstamt Brettmann, Hans-Georg. Das Forstamt (1929-1945), lag unmittelbar hinter dem Kriegerdenkmal und befand sich im Besitz Alexander Fürst zu DohnaSchlobitten. Forstmeister Brettmann war Hegeringleiter und Kreisjägermeister. Ihm waren die Prökelwitzer Forste, Königsseer Heide 461,56 ha und Sakrinten Forst 654,48 ha unterstellt. Holzboden 1048,36 ha und Nichtholz 67,67 ha. Herrn B. waren unterstellt: Revierförster Becker für Königssee, Haumeister Lupowski für Wachberg, der Nachfolger war Haumeister Krause, Wachberg. Brettmanns Vorgänger, Wildmeister Schmidt, war bis 1929 hier verantwortlich. Außerdem hatte der Fürst auch noch eine Fasanerie in seinem Revier, sowie Karpfenteiche, einen Birken-, und Bahndammteich, die er ebenfalls betreuen musste. 3 4 Piepkorn, Otto, S. 87 Aussage Ilse Schütt, geb. Brettmann vom 19.11 2003 und 04.12. 2003. 2 Herr Brettmann wurde in der Preußischen Forstakademie in Eberswalde, Mark Brandenburg ausgebildet.5 Am 18./19. Januar 1945 – Die Rote Armee rückte immer näher, große Unruhe bedrückte die Menschen in Altstadt – und dort war Herr Brettmann, Oberstleutnant einer Flakabteilung der Luftwaffe, gerade auf Genesungsurlaub. In Uniform hielt er jedes Wehrmachtsfahrzeug (ohne jegliche militärische, politische Genehmigung) an und verfrachtete vor allem Mütter mit ihren Kindern, die gen Westen gelangen sollten. Ab dem 22. Januar 1945 organisierte er für die Restbewohner noch die Flucht und rettete somit vielen Menschen das Leben. Auch diese Maßnahme erfolgte ohne Genehmigung von Behörden o. ä., die Folge wäre eine standrechtliche Erschießung für ihn gewesen. Seine Hilfen dürfen nicht vergessen werden! Im Frühjahr 2006 befanden wir uns während eines Besuches der Heimat, natürlich auch in Köllmen. Im Dorf Altstadt noch am alten Standort der Försterei Brettmann, fanden wir nur zwei Treppenstufen, das Haus steht schon lange nicht mehr! 2. Lehrer Schröder, mit der Dorfschule. Diese Schule stand seit der Reformationszeit stets neben der Kirche und trug den Namen „Kirchschule“. Der Lehrer war gleichzeitig Organist, ab 1937 wurden diese beiden Stellen getrennt. Folgende Lehrer sind zu benennen: Herr Ruh, Müller, Wichmann, Fräulein Arendt, Standge, Fräulein Ewert, Herr Neubert, Sobenland, Pokrandt, Richter, Bader und Palenszat. Hier wären meine Schwester Rosmarie und ich eingeschult worden, es kam jedoch alles anders. 3. Gasthaus Muscheites. Vor vielen Jahrhunderten überquerten Kaufleute, Händler mit ihren Waren (insbesondere dem begehrten Bernstein) fast genau an diesem Ort den Fluss die Sorge. Hier konnte man Lebensmittel und Kohle einkaufen. Weiterhin betrieb M. eine Imkerei und vor allen Dingen einen Schießstand für den ortansässigen Schützenverein. Nach dem Wettschießen marschierte der Schützenverein (wie in vielen anderen Dörfern, Städten der Heimat) durch den Wohnbereich, die Kapelle vorweg und spielte oft den Schützenmarsch: „Ich schieß den Hirsch im wilden Forst, im tiefen Tal dasReh! Den Adler auf der Klippe Horst, die Enten auf dem See!“6Vor dem Hause des Königs entstand gewöhnlich ein Auflauf, nach kurzem Verweilen erfolgte der Rückmarsch zum Schützenhaus. Ein gutes Essen und Trinken folgte diesem Umzug, der herrliche Sommertag schloß mit dem späteren Tanzabend. 4. 5. 6. 7. 5 6 Bürgermeister Sefzig, leider nichts bekannt. Amtsvorsteher Mallek war auch Standesbeamter von Altstadt. Schmiedemeister Müller, das Vorwerk Köllmen hatte einen eigenen Schmied. Wildmeister Gustav Schmidt (1847–1926) wohl einer der bekanntesten Forstmeister in Ostpreußen. Schmidt leistete seinen Militärdienst im Ostpreußischen Jägerbataillon Nr. 1, Garnison Ortelsburg ab. Er nahm an den Feldzügen 1870/71 (August 1870 schwer verwundet) und 1914/18 mit hohen Auszeichnungen teil. 1871 war er zunächst als Revierjäger in Köllmen Burggraf und Graf zu Dohna Schlobitten nicht vergessen und ab 1873 zog er in ein Haus nahe der Mühle, Neumühl (sie wird erstmals 1387 Gründung durch Friedrich den Großen Piepkorn, Otto, S. 135 3 erwähnt) südlich von Köllmen, um. Im Jahr 1874 wurde Schmidt mit Ernestine, Mathilde geb. Freitag in der St. Peter und Paul Kirche zu Altstadt getraut. Durch seine Fachkenntnisse im Forst und Wild wurde er von Richard Graf zu DohnaSchlobitten (später von Kaiser Wilhelm II. in den Fürstenstand, Fürst zu DohnaSchlobitten, erhoben) gefördert. Schmidt begleitete Fürst Dohna auf europäischen Reisen und Jagden und sah somit „Die Welt“. Die großen Wälder von Prökelwitz wurden die Jagdgebiete des deutschen Kaisers. Schmidt war für die Vorbereitung und Ausführung hauptverantwortlich. (Wo stehen die besten und größten Rehböcke, wo ist die beste Pirsch). Er wurde zum Wildmeister ernannt, damals wirklich eine Seltenheit. SKH war nach glücklicher Jagd besonders dankbar und schenkte dem Wildmeister eine goldene Taschenuhr mit Widmung und schwerer Goldkette. – Aus der Ehe gingen 16 Kinder (alle in Neumühl geboren) hervor, 8 starben nach der Geburt, 8 weitere erlebten einige schöne Jahre. Von diesen Kindern waren 5 Söhne zu verzeichnen, 3 davon fielen im I. Weltkrieg. Das 7. Kind, Elise (Lieschen) Schmidt wird noch erwähnt, da sie Vaters Taschenmesser mit der Inschrift „Fritz Brandes 1939“ gravierte. 1912 zog Schmidt mit seiner Familie nach Altstadt um. Nach seinem Tod sandte Seine Kaiserliche Hoheit, Kaiser Wilhelm II. aus seinem Exil, Haus Doorn in Holland, folgendes Telegramm an Alexander Fürst zu Dohna-Schlobitten: „Haus Doorn, den 3. Dezember 1926. Seiner Durchlaucht dem Fürsten zu DohnaSchlobitten, Schlobitten. Seine Majestät der Kaiser und König lassen Eure Durchlaucht für die telegraphische Meldung vom Ableben des alten braven Wildmeisters Gustav Schmidt zu Altstadt sehr danken und Euer Durchlaucht bitten, den Hinterbliebenen Allerhöchst sein herzliches Beileid auszusprechen. Seine Majestät denken dabei gern an die schönen Jagdtage in den Fürstlichen Revieren und der treuen Dienste des Verstorbenen. – Mit dem Ausdruck der vorzüglichsten Hochachtung habe ich die Ehre zu sein Euer Durchlaucht sehr ergebener gez. v. Kleist“ 7 8. Unsere schöne Dorfkirche, St. Peter und Paul wurde erstmals 1250 gebaut. Altstadt war auch ein Kirchdorf, später ein Kirchspiel, zu dem auch das Gut Prökelwitz gehörte. Die Kirche war ein altehrwürdiger Bau, sie wurde im 1. Schwedischpolnischen Krieg –1605-1635- zerstört. Der Patron Wallenrodt hat sie wieder so herrichten lassen, wie sie früher war. Altar und Kanzel waren mit Holzschnitzerei reich verziert. Ein Deckengemälde zeigt die Auferstehung von Jesu. An der Orgelempore sah man in verschiedenen Feldern den Leidensweg Jesu. – Kaiser Wilhelm II. besuchte häufig den Gottesdienst, wenn er in Prökelwitz auf der Jagd war. Im 1. Weltkrieg musste eine Glocke abgeliefert werden und lange Zeit hatte die Kirche nur eine Glocke. Mehrere Jahrzehnte bis kurz vor dem 1. Weltkrieg wirkte Pastor Heinrich Severin Holland (1889 bis 1926) Vater und Sohn in der Kirche. Später war bis 1930 Pastor Müller dann eingesetzt. Es folgte Pastor Needra als Geistlicher und blieb bis zum Jahr 1937 – ein ungewöhnlich kluger Mann.8 Nun ist aus dem Jahr 2009 gerade über diese alte Dorfkirche äußerst viel zu berichten. Ein kleines Wunder –Deutschland – Amerika – Polen, geschah! 7 8 Geschichte Kreis Pr. Holland, S. 103 und Ergänzung zum Buch III (H. Sch) III/42 Aussage Alexander Fürst zu Dohna-Schlobitten, 1967 4 Andreas Needra, Andrievs Niedra(* 8. Februar 1871 in der Gemeinde Tirza bei Gulbene (deutsch: Schwanenburg), Livland (lettisch: Vidzeme), † 25. September 1942 in Riga), war ein lettischer Schriftsteller, ein lutherischer Pastor und Ministerpräsident einer zwischen April und Juni 1919 während des lettischen Befreiungskrieges von den Deutschen in Lettland eingesetzten Marionettenregierung. Zwischen 1890 und 1899 studierte er an der Universität zu Dorpat Theologie. In seinen Geschichten, Schriften und Theaterstücken verband er auf ansprechende Weise realistische Fiktion mit idealistischen Vorstellungen, sein Thema war vielfach die Herausbildung der Lettischen Intelligentsia und die Situation des Landvolkes in Bezug auf die vorherrschenden Deutschbalten. Niedra glaubte daran, dass sich die Gesellschaft nur durch Evolution, nicht durch Revolution entwickeln könne. Er war ein erbitterter Gegner des Sozialismus und wurde in einer zunehmend revolutionären Gesellschaft als Reaktionär gesehen. Nachdem er mit den deutschen Militärbehörden zusammengearbeitet hatte und nach deren Niederlage floh Andrievs Niedra aus Lettland. 1924 kehrte er zurück, kam wegen Landesverrats vor Gericht und wurde des Landes verwiesen. Im Exil nahm er die deutsche Staatsbürgerschaft an, wurde zum Pastor einer Glaubensgemeinde in Ostpreußen –Altstadt- und schrieb ein längeres Werk mit dem Titel Tautas nodevēja atmiņas (Memoiren eines Volksverräters) nieder. Die erste Auflage des ersten Teils wurde unter Kārlis Ulmanis nach dem Staatsstreich vom 15. Mai 1934 vernichtet, seine Werke verboten. Niedra kehrte während der deutschen Besetzung Lettlands in seine Heimat zurück und starb in Rīga.9 Anmerkung des Autors: Er soll 1942 ermordet worden sein. Von 1937 bis 1942 war die Pfarrstelle unbesetzt. Von 1942 bis 1945 war Pastor Heinz Wagenknecht in Altstadt tätig. Unsere Eltern waren oft zu den Gottesdiensten in dieser schönen Dorfkirche. - Heute wird sie als katholisches Gotteshaus aus dem ehemaligen Saalfeld betreut. Die historische Orgel in der Kirche zu Altstadt Professor Christian Holland war in Vertretung seines Vetters, Peter Adrian –in New York lebend, er war der Enkel von Pastor Heinrich Severin Holland und ist in Altstadt geboren-. Als die Eltern von Peter Adrian fortzogen, besuchte er seinen Großvater häufig und spielte so oft er konnte und voller Leidenschaft die schöne Barockorgel in der Kirche. Die Orgel wurde 1797 von Friederich Wilhelm Fischer aus Guttstadt, installiert, 1863 umgebaut und hatte einen besonders schönen Klang, sie verfügt über I/P Manuale, 12 Register. Als Adrian 2008 die alte Stätte besuchte, fand er voller Wehmut eine fast vollständig zerstörte Orgel vor. Nach Treffen mit dem heute zuständigen Pastor Czajkowski aus Christburg und dem Elbinger Bischof beschloss er kurzerhand, die Orgel wieder restaurieren zu lassen und beauftragte die Orgelbau- und Restaurierungswerkstatt Rainer Wolter10 aus Zörbig, südöstlich von Köthen, SachsenAnhalt. Die Finanzierung hat Herr Adrian persönlich übernommen, aber es können sich noch ehemalige Altstädter mit einer Spende beteiligen. Es ist geplant, die Orgel in 9 Auszug aus dem Internet, Andrievs Niedra, Ministerpräsident Lettlands Siehe Anlage 1 10 5 einer besonderen Feierstunde der polnischen Gemeinde am ersten oder zweiten Wochenende im Oktober 2009 zu übergeben.11 Während der Orgelkontrolle (Klangstimme) 2008 wurde im Inneren ein aufgeklebter Zettel mit folgender Aufschrift gefunden: „Diese Orgel hat der Orgelbauer F. W. Fischer im Jahre 1797 erbaut und den 20ten November desselben Jahres aufgestellt. Sie hatte in ihrer ursprünglichen Form kein Pedal und einige kreischende Stimmen. Im Jahr 1863 wurde sie durch den Orgelbauer J. Jenzen (?) aus Danzig völlig umgebaut und in der jetzigen Form am 31ten October desselben Jahres vollständig fertig übergeben. Die Kosten für den Umbau hat der Herr Kirchenpatron Graf Richard Dohna Schlobitten allein getragen. Diese Notizen werden hiermit zum Gedächtnis künftiger Zeiten niedergelegt. Kirche Altstadt den 31ten October 1863 G. M. Schumann zeitiger Pfarrer.“ ---------------------------Ansprache von Friedrich Burggraf und Graf zu Dohna-Schlobitten zur Einweihung der neuen Orgel in Stare Miasto (Altstadt) am 11. Oktober 2009 Wasza Ekselencjo! Euer Excellenz! Szanowni państwo! Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir bitte zunächst ein Wort zu meiner Person: Ich bin ein deutscher Bürger, der in der Nähe von Königsberg geboren wurde, in Schlobitten und Prökelwitz, dem heutigen Prakwice, aufgewachsen ist und der jetzt in der Nähe von Hamburg lebt. Dieser Ortswechsel ist ein kleiner Teil der großen deutsch-polnischen Geschichte, die ebenso wie die Geschichte meiner Familie mich mein ganzes Leben begleitet. Prakwice gehörte schon lange zum Kirchspiel von Stare Miasto. Daher war ich schon als Kind in dieser Kirche. Ich kann mich aber nicht daran erinnern. Mein Freund, Jochen Prinz, etwas älter als ich, hat mir erzählt, dass er zusammen mit seinem und meinem Vater dort auf dem Patronatsstuhl gesessen hat – wie gesagt Geschichte. Vorgestern hatten wir ein historisches Datum, den Tag der Helden von Dresden. 70.000 waren vor 20 Jahren durch die Stadt gezogen und hatten für Menschenrechte und Freiheit demonstriert. Ihr Ruf: „Wir sind das Volk“ gellt mir heute noch in den Ohren. Die vorbereitete, blutige Niederschlagung unterblieb und die friedliche Revolution breitete sich über das ganze Land aus. Der Untergang der DDR und die Öffnung der Mauer waren unausweichlich. All das war nur möglich, weil der Aufstand in Polen und die SolidarnośćBewegung in Gdingen und Gdansk 1970 das Gomulka-Regime weggefegt hatten. Damit begann die Auflösung des Ostblocks. 11 Siehe Anlage 1, Schütt, Ilse 6 Geschichtsträchtig ist auch die heutige Feier und ich freue mich sehr, an dieser Stunde der deutsch-polnischen Völkerverständigung teilnehmen zu können, die Herrn Adrian und Herrn Professor Holland sowie den beteiligten polnischen Herren zu verdanken ist. Ich bringe die Glückwünsche und Grüße meiner Geschwister – ganz im Sinne unseres Vaters, der schon vor dreißig Jahren Brücken über das Vergangene geschlagen hat und sich immer wieder für diese Kirche einsetzte. Zum Schluß noch ein Wort zur Orgel, der „Königin der Instrumente“ wie sie jüngst auch von Papst Benedikt genannt wurde. Möge sie allzeit Gott loben, danken und „Soli deo gloria“ singen! Dziękuję bardzo, Fritz zu Dohna12 Meine Frau und ich konnten erstmals im September 2012 diese Kirche betreten und waren über die herrlichen, noch gut erhaltenen, alten Deckenmalereien aus dem 17. Jahrhundert überrascht. Es war eine lang ersehnte und besinnliche Stunde! Auch an die älteren Menschen wurde gedacht, Witwen der Wald-, Landarbeiter bewohnten saubere Stuben in einem „Spital“, hier hatten sie ihren Ruhesitz. Sie konnten sich „selbst bekochen“. Es wurde auch Holz, Strauch, Kartoffeln, Mehl und Nahrung sowie ein kleines Taschengeld von der Fürstlichen Verwaltung gegeben. Ja, so dachte die Fürstenfamilie an ihre alten Mitarbeiter, gerade heute wird diese Passage oft falsch dargestellt, denn einige Historiker berichten ungenau. – Das Dorf Altstadt erhielt im Jahr 1928 elektrischen Strom, ob das Vorwerk Köllmen einbezogen wurde, ist nicht bekannt.13 Altstadt konnte im Jahr 1933, 409 und im Jahr 1939, 366 Einwohner nachweisen. In diese Summen waren auch Köllmen und Glanden einbezogen14 Im Januar 1945 wurden von sowjetischen Verbänden alle großen Gebäude des Dorfes, wie das Gasthaus, die neue Schule und das Forstamt in Brand gesteckt und total niedergebrannt. 1958 erhielt Altstadt den polnischen Namen Stare Miasto. Ab 1945 wurden polnische Bürger aus Litauen, Weißrussland und der Ukraine auch in diese Region zwangsumgesiedelt, nun bestimmen sie die Geschicke unserer Kreisstadt Mohrungen, 45 km von Köllmen entfernt. Diese Stadt trägt heute den Namen Morag. Durch die Bildung der Kreisgemeinschaften im Westen Deutschlands und die Übernahme der Patenschaft 1954 durch Gießen blieben die Mohrunger mit dem Roten Faden ihre Heimat verbunden. Im September 2001 wurde der Patenschaftvertrag zwischen der Kreisgemeinschaft Mohrungen und der polnischen, politischen Stadt Morag abgeschlossen. Zur großen Freude vieler Heimatvertriebener eine wertvolle Verbindung nach Ost und West und umgekehrt, es ist der einzige und richtige Weg für unsere Zukunft! Heimattreffen werden im heutigen Morag von uns Deutschen und den Polen organisiert, welch eine Freude. – 12 Freundliche Übersetzung + Zusendung, Oktober 2009, von Lech Slodownik, Elblag, Polen Internet, Daten zu Stadt und Kreis Mohrungen, von Dr. Ernst Vogelsang 14 Internet, Auszug Deutsche Verwaltungsgeschichte Preußen und Ostpreußen 13 7 Leben und Wirken unserer Eltern, Fritz und Irmtraut Brandes auf Vorwerk Köllmen. Das Vorwerk war Eigentum Seiner Durchlaucht Alexander Fürst zu Dohna-Schlobitten. Sein Großvater, Richard Wilhelm Fürst zu Dohna-Schlobitten (1843–1916) Schon 1820 wurde das Herrenhaus Cöllmen gebaut. Burggraf und Graf Richard pflanzte im Jahr 1871 auch die noch heute vorhandene Eiche, die Friedenseiche. Das einstöckige Herrenhaus wurde gelb-weiße gestrichen. Wohl zur gleichen Zeit entstand der kleine Park, links neben dem Haus, aus Richtung Westen gesehen. Als Richard Fürst zu Dohna-Schlobitten (1837-1916) zu Lebzeiten seines Vaters Richard Friedrich, 1867/68 hier seinen Hausstand gründete, war diese vermutlich der Anlass das Gebäude um drei Achsen zu verlängern, wobei ein zweiter gleichartiger klassizistischer Giebel hinzugefügt wurde. Im Jahr 2001 – als es schon nicht mehr vorhanden war - wurde es erneut beurteilt15: Es handelt sich um ein spätbarockes Gebäude mit klassizistischen Elementen ersetzt. Elf Achsen mit zwei Rislitten/Giebeln mit Giebelkrönung und klassizistischem Abschluss. Die Vierte und achte Achse ist eingeschossig, das lange Dach ist ein Ziegelsatteldach.“ Am 01. Januar 1900 wurde Richard Wilhelm Burggraf und Graf zu Dohna von Seiner Kaiserlichen Hoheit Wilhelm II. in den erblichen Fürstenstand erhoben. - Auch unsere alte Heimat, in der Rosmarie und ich die ersten Jahre verleben durften hat eine bewegte, historische Vergangenheit, die etwas vorgestellt werden muss. Die ehemalige Gebäudeaufteilung der Hofanlage: 1. Gutshaus, davor ein Teich 2. Südlich vom Gutshaus die Stellmacherei vorne, die Schmiede dahinter 3. Molkerei, Waschküche, davor Holz und Kohleschuppen 4. Schafstall 5. Kuhstall 6. Schweinestall 7. Feldscheune, Dreschhaus 8. Stall 9. Schweinestall hinten, großer Pferdestall vorne 10. Oberschweitzer, Melkermeister 11. Hausteil 1. Gespannführer, rechts daneben Gemüsegarten 12. Insthäuser. In Köllmen ist mit dem Stand von 2012 fast kein Gebäude mehr vorhanden. Geographisch war Köllmen mit Höhen von 70,1 m bis 75,9 m festgehalten.16 Das Vorwerk Köllmen, auch in der schreibweise Cöllmen, sogar als Rittergut Cöllmen vorzufinden, hier ein kleiner geschichtlicher Abriss. Die vergangene Ordenszeit greift erneut in das Umfeld der Eltern. Köllmen ist eine Verschreibung des Hochmeisters Winrich von Kniprode aus dem Jahr 1353 eine Eintragung im Grundbuch des Amtes Preußisch Mark unter Nr. 22 bestätigt es. 15 16 Messerschmidt, Thomas, Kunsthistoriker, Flensburg, März 2001 Messtischblatt Nr. 2182, Alt Christburg, 1938 8 Folgendes wurde überliefert: „Donnerstag in der Pfingstwoche, 16. Mai 1353, Marienburg; Der Hochmeister Winrich von Kniprode verleiht dem getreuen Peter und seinem Erben dreizehn Hufeen binnen den Dörfern Konigisse, Poburse, Garbeniken, Aldineristburg und Aldinstadt zu kulmischen Rechte. Unter Kelmen werden folgende Besitzer genannt Tunge 1395-1399 und Jacob Tungen Sohn 1396, Namyr 1395, Thomas Glande 1399-1409 und Thomas Glandin Sohn 1398, Nicze Klemen, Nitcze von Kelmen 1399-1411.“ Von diesen Erstbesitzern stammt der spätere Namen Köllmen ab.17 Thomas Glande gab vermutlich dem späteren Glanden den Namen.18 Wie später über Schlobitten und Prökelwitz berichtet wird, befand sich das spätere Vorwerk Cöllmen auch im Besitz Fürst zu Dohna-Schlobitten. Nach dem 1. Weltkrieg wurden sämtliche verpachteten Güter nach und nach in eigene Bewirtschaftung übernommen und die Landwirtschaft vollständig umgestaltet. Notwendig für eine neuzeitliche Ackerwirtschaft mit entsprechenden Fruchtfolgen war die Durchführung umfangreicher Dränagen und Entwässerung der Wiesen. Es wurde sehr viel Geld investiert, wo auch die Arbeiterwohnungen nicht vergessen werden dürfen. Hier wurde neu gebaut oder renoviert. - Die Pächter zuvor sind nicht zu ermitteln, nur bis 1937 war Herr Schumann benannt. Dann trat unser Vater, Fritz Brandes als Oberinspektor seinen Dienst an. Im Jahr 1938 heiraten unsere Eltern in der Kirche zu Locken im Kreis Osterode. Fürst zu Dohna-Schlobitten hielt 1967 über Köllmen folgendes fest: „Als Muster moderner Wirtschaft wurden die Güter Köllmen und Glanden bei der Pachtübernahme mit neuem Inventar versehen. Dazu gehörten in erster Linie Ackerwagen auf Gummirädern die nur noch zwei und dreispännig vom Bock aus gefahren oder von Traktoren gezogen werden konnten. Das Getreide mähte man mit Zapfwellenbindern. Es wurde dann in einer Stahl-Lanz Dreschmaschine unmittelbar vom Feld gedroschen, das Stroh in Ballen gepresst und auf große Haufen geschoben. Das meiste anfallende Getreide verkaufte man sofort vom Felde, bis auf das Saatgut, das in einer eigenen Reinigungsanlage für diesen Zweck hergerichtet wurde. Die frei gewordene große Scheune diente nach Umbau als moderner Schweinestall, der über 1000 Schweine fassen konnte. Eine Siloanlage sorgte für das erforderliche Futter. Das Heu wurde über Pic-Up-Maschinen oder über Reuter geerntet. Die in Köllmen gemachten guten Erfolge führten dazu, dass auch die anderen Prökelwitzer Güter nach und nach auf ähnliche Weise modernisiert wurden! Der wertvolle Forst wurde neu vermessen und eingerichtet. Es wurde viel Wertholz, wie Lärchen, Fichten, Eichen, Buchen und Eschen, sogar Douglastannen gepflanzt. Heute stehen in dem alten Forst viele große und wertvolle Bäume. Der Kiefernbestand wurde reduziert. Das war der große, einmalige Einstieg unsere Eltern, als sie Vorwerk Köllmen gemeinsam im Jahr 1938 übernahmen. Die Sympathie bestand sicherlich auf Gegenseitigkeit – Besitzer und Verwalter. - Vater war schon bereits 1937 als Verwalter eingesetzt. Mit der Arbeit des Pächters zuvor war Fürst zu Dohna-Schlobitten nicht zufrieden, daher die Neubesetzung. Auszug aus dem Grundbuchamt, 193219 17 18 Handfestenbücher Christburg 10 und 11., S. 54 Schuldbuch S. 54, Schatullgüter 12 844 Dito 9 Ein Nachweis zur Zeit unserer Eltern kann nicht vorgelegt werden, da z. Zt. die Quellen fehlen. Der ganze Bestand stieg durch Bewirtschaftung (auf Anordnung des Fürsten, totaler Neubeginn der Bewirtschaftung) unseres Vaters, der nach 1934 die Maßnahmen Seiner Durchlaucht Fürst Dohna-Schlobitten in ganz neue Wirtschaftspläne umsetzte. Für Köllmen und Glanden waren eingetragen: • • • • • • • • • • Fläche, ges. Ackerland Wiesen Weiden Hofwege Pferdebestand Vieh Milchkühe Merinoschafe Schweine 396 262 52 70 12 63 190 70 25 120 ha ha ha ha ha Stück Stück Stück Stück Stück Ein Bestandsnachweis von 1938 bis 1944 kann z. Zt. nicht vorgelegt werden. Nach vielen Erzählungen müßte der Bestand höher gelegen haben, denn u. a. wurde für 25 Schafe kein Schäfer eingestellt. Erläuterung zum Gutshaus: Alle Fenster waren mit Doppelfenstern versehen, das Innenfenster wurde im Sommer – sie waren alle nummeriert - vom Stellmacher zur Kontrolle, ggf. vom Gutsmaler neu gestrichen, herausgenommen. Anfang Herbst jeden Jahres baute der Stellmacher alle Doppelfenster wieder ein. Alle Öfen, vielfach Kachelöfen konnten nur vom Flur beheizt werden, der damit auch noch eine gewisse Wärme, gerade im kalten Winter, erhielt. Erläuterung zu den Parterrezimmern20: 1. Überdachte Terrasse mit Haupteingang 2. Kleiner Flur 3. Kleines Zimmer, von dem es in das Eßzimmer ging, Flügeltüren öffneten die Bereiche. Von hier gelang man durch eine Flügeltür in das Fürstenzimmer 4. Herrenzimmer 5. Fürstenzimmer, wenn Seine Durchlaucht zu Besuch kam 6. Langer Flur mit Ausgang zum Hof 7. Elternschlafzimmer 8. Badezimmer, es lag neben dem Elternschlafzimmer 9. Flurnische mit Blumenbänken 10. Wohnzimmer 11. Büro von Vater 12. Esszimmer für großen Besuch, eine Tür ließ den Zutritt zum Garten zu 13. Speisekammer 19 Wehner Hans, S. 377 Aussage Mutti, April 2002 & Rosmarie vom 15.07. 2003, 2012 ein nachweisbarer Grundriss wird noch gesucht 20 10 14. Große Bauernküche mit Flügeltür zum Garten und Park. Im Obergeschoss befanden sich: 1. Gen Osten gesehen, ein großes Zimmer, das Rollzimmer, hier wurde die Wäsche gemangelt, gerollt, wie man früher sagte. 2. Zur Hofseite befand sich ein Gäste- und Mädchenzimmer, hier wohnten nach 1943 „Ausgebomte“ aus Berlin. In der Küche war fließend Wasser, im Bad und WC ebenso. Die Eltern waren unter der Fernsprechnummer, Christburg Nr. 115 zu erreichen (das Telefon stand im Flur), damals schon eine wertvolle Hilfe. Zum Einzug, 1938, erhielt Mutti von Ihrer Durchlaucht der Fürstin einen blaugrauen Perserkater, mit Namen MAUTZI geschenkt, die sehr gerne auf der Abwäsche in der Küche „ihr Geschäft“ verrichtete, sie saß auch gerne im Wohnzimmer auf dem Gardinenbrett.21 Ob sich Mutti darüber als Hausfrau ärgerte, wird sicherlich zutreffen, denn der Kater kletterte dazu die Gardinen empor. Zu dem Kater wurde von Onkel Horst und Tante Irene Bieber –Gut Duhnau- ein Dackel mit dem Namen SEPPEL geschenkt. Beide Tiere schliefen gemeinsam im Körbchen! – Meine Schwester Rosmarie wurde 1940 und ich im Jahr 1942 geboren. Bis zum 21. Januar 1945 wohnten auf Köllmen, teilweise in Glanden folgende Familien:22 • • • • • • • Brandes, Fritz, Oberinspektor, 2. Sohn von Max und Hulda Brandes, Gut Koppeln, Kreis Preußisch Holland Brandes, Irmtraut, einzige Tochter von Bruno und Lina Grommelt, Gasthof- und Hotelbesitzer, Standesbeamter in Brückendorf bei Locken, Kreis Osterode Koslowski, Otto, Treckerführer, Ehefrau war die Schwester von Frau Meiritz Koslowski Gustav, Rentner Krupp, Richard, Schäfermeister Krupp, Gerda, verh. Junker, in Hoya an der Weser lebend, das Kindermädchen23 von Winfried Meiritz, Heinrich, Instfamilie, auch mit deren Tochter Lina (26.09.1926 05.02.1992), auf dem Granseer-Stadtfriedhof beigesetzt), unser Kindermädchen in Köllmen) ist nicht mit dem Prökelwitzter-Treck, am 20. Januar 1945 gen Westen geflüchtet. Durch nicht mehr zu ermittelnde Umstände bedingt, den Geschützdonner der Roten Armee immer im Ohr trecken Familie Meiritz selbständig in Richtung Prökelwitz dann über Christburg weiter nach Westen. Nach langer, nicht zu beschreibender Zeit und Qual „landeten“ sie in Gransee/Mark Brandenburg, nördlich von Oranienburg. In der Gärtnerei bei Familie Metzentin konnten sie aufgenommen werden. Dort fand Familie Meisitz Arbeit und Brot, Lina heiratete 1953 einen Bahnarbeiter. 1954 wurde der Sohn Jürgen geboren, Lina und ihr Sohn zogen nach Holturp, nordwestlich von Schweringen in die Grafschaft Hoya an der Weser, zu 21 Aussage Tante Steffi Lingk, Dezember 2003 Aussage Mutti, Herbst 2002 + Herr Joachim Prinz, Juli 2003 23 Freundlicher Hinweis von Arnold Korth, Bücken, somit die Vermittlung zu Frau Junker, heute 86 Jahre in Hoya, a. d. Weser lebend 22 11 • • • • • • • • • • • • • • • • Familie Koslowski über. Schon 1956 zog Lina wieder nach Gransee24 zu Familie Metzentin zurück. - Jürgen erlitt 1964 einen schweren Unfall, darauf wurden ihm beide Beine bis zum Oberschenkel (nur Stümpfe) amputiert. Er kann sich nur noch im Rollstuhl bewegen, widmet sich aber dem Weidwerk und gibt seine Erfahrungen als Behinderter anderen Menschen weiter. 25 Familie Neubert, er der Hofmann –äußerst gewissenhaft und sehr zuverlässigverantwortlich für das Geschehen auf dem Vorwerk Auf der Flucht mit dem Treck wurde er noch am 23. Februar 1945 in Schlawe in Mecklenburg zum Volkssturm eingezogen, sein Schicksal ist unbekannt. Scheppan, Hermann, Vater von Friedrich, eine Instfamilie Scheppan, Friedrich, Instfamilie, F. im Krieg Soldat, nach der Kriegsgefangenschaft in Kaiserslautern, Umzug nach Gransee, Mark Brandenburg, ca. 36 km nördlich von Oranienburg. Sohn Oskar erzählte: „1936 wurde ich in Glanden geboren, lebte aber bis zur Flucht 1945 in Köllmen. Unser Treck zog gen Westen und hielt in Zerniko nördlich von Gransee an. Seit 1938 wohnte eine Cousine meiner Mutter auf Katharienenhof bei Gransee. Wir wohnten dort bis ich 1955 –Ende der Jugend-, Schul-, und Lehrzeit als Zimmermann- beendete. Der Rest des Trecks zog weiter nach Niedersachsen, Eystrup und Gandesbergen und ließ sich dort nieder.“ 26 Scheppan, Oskar, Sohn von Scheppan Friedrich, in Gransee, Brandenburg wohnend Scheppan, Rudolf, Instfamilie, im Krieg als Soldat gefallen Scheppan, Paul, nach dem Krieg in Halberstadt gewohnt, verstorben Scheppan, Ernst, nach dem Krieg in Buchholz gewohnt, verstorben Scheppan, Minna, wohnt in Gandesbergen bei Eystrup, Niedersachsen Scheppan, Martha, wohnt in Hamburg-Harburg Scheppan, Karl, Instfamilie27 Schimmelpfennig Gustav, Vater von Friedrich Schimmelpfennig, Friedrich, 1. Gespannführer, nach dem Krieg in Gandesbergen bei Eystrup gewohnt, verstorben Schmid, Oberschweitzer, (seine Berufsbezeichnung „Melkermeister“ in Ostpreußen) heute lebt die Familie in der Schweiz. Er war damals für den steten Gesundheitszustand und das Melken der Milchkühe verantwortlich. Ziems, Wilhelm, Schmied, Altgeselle, wurde 1938 vom Gut Prökelwitz nach Köllmen versetzt. Gottschalk, Stellmacher auf Vorwerk Glanden Außerdem lebten noch folgende Familien auf Köllmen und Glanden; Kanikowski, Rominski, Klein, Täschner, Arquardt und Stattler.28 Der Betriebsablauf nur für dieses Vorwerk musste nicht nur fachmännisch durchdacht, geprüft, sondern auch mit den verantwortlichen Mitarbeitern besprochen werden. In der Gesamtverwaltung unterstanden den Eltern auch noch die Vorwerke Glanden und Neumühl, für die Vater im Rahmen der Bewirtschaftung auch voll verantwortlich war. Wie stets in der Landwirtschaft –gerade hier in modernster Art- war der Gewinn an erster Stelle zu sehen. 24 Mutti unterstützte mit vielen Paketen Lina sowie ihre Familie in der DDR Besuch und Gespräche am 19./20.09. 2004 bei Jürgen Meiritz und Familie Oskar Scheppan in Gransee 26 Besuch und Gespräch am 19.09. 2004 bei Familie Scheppan in Gransee, zuvor Brief vom 09.08. 2004 27 Es waren Landarbeiterfamilien, in Ostpreußen trugen sie diese Bezeichnung 28 Brief vom Oskar Scheppan, 09.08. 2004 25 12 Fürst zu Dohna-Schlobitten erwähnte es auf meine Nachfragen auch, er hatte eine gewisse Freude an den Erfolgen auch auf Köllmen.29 Weiterhin war es eine damalige landwirtschaftliche Werbung über den „neuesten Maschinenpark“ der durch Fürst zu Dohna-Schlobitten vorgenommen wurde, gezeigt und vorgeführt. „Wissbegierigen Gästen“, wie andere Gutsbesitzer, Landwirtschaftskammern kamen, wollten und sollten nun überall die Erfolge sehen, vor allen Dingen während der Erntezeit. Die Erfolge sind dank der Menschen und der Technik nachweisbar eingetreten! Der erforderliche Treckereinsatz wurde am Tag und bei Nacht von den Treckerführern abverlangt. Während der Zuckerrübenernte wurden ebenfalls die neusten Maschinen eingesetzt. Ich kann behaupten – Mutti sprach auch häufig darüber - diese Anforderung war eine große Verpflichtung. Die Eltern erhielten von der fürstlichen Verwaltung aus Prökelwitz: Freies Wohnen, frei für Holz, Kohle, Strom und Kartoffeln. 2 Morgen Gartenland, jährlich 36 Ztr. Roggen, 24 Ztr. Weizen, 12 Ztr. Schweinefleisch, 3 Ztr. Hammelfleisch und Milch.30 In Muttis Haushalt arbeiteten zwei Kinder-, und ein Hausmädchen, sie wurden vom Rentamt Prökelwitz bezahlt. Soweit erforderlich (denn der von Fürst Dohna angemeldete Besuch sollte auch beköstigt werden) wurden Frauen von den Instleuten auch zur Hausarbeit bestellt. Als junge Hausfrau musste Mutti viel Erlerntes aus der Lehrzeit umgehend umsetzen, es ist ihr zu Beginn sicherlich nicht leicht gefallen, zumal alle Frauen aus Köllmen davon ausgingen, die „Gutsfrau“ kann das schon. Mutti musste sich klarmachen, dass die Tätigkeit einer Hausfrau ein Beruf ist, den man erlernen muss, ja dass ihre Arbeit eigentlich zwei Berufe ausfüllt: Da ist Erstens all das, was speziell mit den Kindern zu tun war – wir waren ja noch nicht anwesend - von der Säuglingspflege bis zur Erziehung, und Zweitens die Verwaltung des Haushaltsgeldes und die Versorgung der Hauswirtschaft, was Grundkenntnisse in Buchhaltung, Vorratswirtschaft – unverhofft kamen auch Gäste, sogar der Fürst-, Ernährungskunde, Textilpflege, häusliche Hygiene, Beschaffung und Pflege des Haushaltsinventars wie auch Fertigkeiten im Kochen, Backen, Nähen, Waschen, Bügeln usw. erfordert! Die unterstellten Kindermädchen, Haushaltsgehilfen und zusätzlich hinzugezogene Frauen vom Vorwerk und aus Altstadt sollten sinnvoll eingesetzt werden. Auch die Hausfrau, also Mutti, verdiente sich etwas Geld nebenbei. Sie züchtete Tauben, Geflügel, sowie deren Eier und verkaufte diese an den Hausfrauenbund nach Christburg. Im Sommer wurde aus dem großangelegten Garten Rhabarber -alles mit dem ersten Milchwagenan Geschäfte nach Christburg ebenfalls verkauft. Der Tagesablauf auf Vorwerk Köllmen: (Vater war nach Arbeitsbeginn nicht immer anwesend, da er weitere Vorwerke überwachen mußte)31 • Im Sommer war um 05.30 Uhr Arbeitsbeginn, im Winter um 06.30 Uhr. Der Beginn wurde durch die Hofglocke angekündigt. Im Jahr 1991 befand sich diese Hofglocke an 29 Meine persönliche Gespräche mit Fürst Dohna-Schlobitten im Jahr 1996 in Bücken Aussage von Mutti April 1999 31 Aussagen von Fürst Dohna-Schlobitten und Mutti aus dem Jahr 1996 30 13 • • • • • der alten Stelle, ob sie aus vergangener Zeit war, ist nicht mehr zu ermitteln, angekündigt. Gearbeitet wurde von Montag bis Sonnabend. Die Arbeiter, Instleute aus Altstadt und Köllmen mußten zu dieser Zeit anwesend sein Der Hofmann, Herr Neubert, war stets früher anwesend, da er für die Arbeitseinteilung auf dem Hof verantwortlich war, seine Arbeit wurde am Tage zuvor mit Vater besprochen. Soweit erforderlich, kam täglich der Stellmacher aus Glanden, denn er hatte eine recht große Stellmacherei, im gleichen Gebäude befand sich die Schmiede. Auf dem Boden hatte Mutti einen großen Taubenschlag einbauen lassen, aus dieser Zucht konnte sie durch den Taubenverkauf in Christburg Geld dazu verdienen. Sicherlich führte Vater auch die Kontrolle nach Arbeitsbeginn auf Köllmen aus, sein gesatteltes Pferd stand bereit und somit ritt er auf die anderen Vorwerke um seine Anordnungen zu überwachen. Sie zielten nicht nur auf die Menschen, Tiere, Gebäude sondern vor allen Dingen auf die bestellten Felder, der Stand der Saat, der Pflanzungen. Besonders in der Erntezeit wurde das Tageslicht ausgenutzt, es waren lange Tage, die erst bei Dunkelheit endeten. Mutti erwähnte mehrfach, dass Vater täglich zwei Pferde für die Kontrollen benötigte, da sie sonst zu überfordert waren. Da alle Menschen auf Vorwerk Köllmen wertvoll waren, können sie nicht komplett beschrieben werden. Aber eine Familie soll vorgestellt werden, Familie Schmidt. Herr Sch. war der „Schweitzer“ –sie stammten aus der Schweiz und sie hatten auch den schweizerischen Pass-. Herr Schmidt war nur für die Milchkühe, also nur für die Milchwirtschaft verantwortlich, gemolken hat er nach Aussage von Mutti fast nie, denn es waren ausgebildete Melker eingesetzt! Seine Arbeit wurde von der fürstlichen Verwaltung besonders gut bezahlt, seine große Verantwortung darf nicht unterschätzt werden.32 Alle landwirtschaftlichen Wagen vom Vorwerk Köllmen wurden ab 1938 mit Gummireifen ausgestattet. Grundsätzlich ging Vater nach dem Tagesablauf noch einmal über das Vorwerkgelände, durch die Ställe und sah nach „dem Rechten“. Die schweren Sommergewitter bereiteten ihm oft schlaflose Nächte, da der Blitzeinschlag die Gebäude gefährdete, Kontrollgänge auch mit anderen Menschen waren selbstverständlich. Nach Aussage von Mutti, hatten sie mit Vater immer ein gutes Verhältnis zu den Mitbewohnern von Köllmen und Glanden. Diese Aussage wurde später während der Heimattreffen in Bücken bei Hoya, a. d. Weser und erneut im Mai 2012 von Frau Junker, Hoya, bestätigt! Wie schon immer konnten sich die Landwirte fast keinen Urlaub leisten, bzw. nicht vornehmen, da wie auch hier aufgezeigt, die Anwesenheit stetes erforderlich war. Unsere Eltern hatten in der Zeit von 1938 bis 1944 keinen Urlaub. Sicherlich waren sie zu Familienfeiern, bei Freunden, Bekannten zu Veranstaltungen um auch einmal ausspannen zu können. In der Erntezeit war es jedoch undenkbar. - 14 Alexander Fürst zu Dohna-Schlobitten kam auch unregelmäßig zu Besuchen nach Köllmen, es war sicherlich mehr eine Überprüfung, Sach-, Tierbestands-, Milch-, Saat- und Pflanzkontrolle. Seine Besuche stützen sich in der gestaffelten Reihenfolge ab: 1. Begutachten der Arbeits- und Reitpferde33 2. Begutachten der Milchkühe, Milchleistung, hier mußte auch der Schweitzer genaueste Auskünfte geben 3. Begutachten des Rinderbestandes, auch die weitere Nachzucht 4. Schweinebestand, Zucht- und Ferkelbestand 5. Dann wurden Felder und andere Bestände aufgesucht, ggf. noch der Maschinenpark 6. Soweit notwendig, wollte er auch die Nachweise, also die Buchführung einsehen. Wie bekannt, war auch dieses Vorwerk sein Eigentum, das hier bewirtschaftet wurde. Der wirtschaftliche positive Durchbruch begann ab 1939. Ich habe im vorigen Kapitel gerade über seine Familie berichtet. Der Fürst war ein sparsamer, erzogener Mensch, so verhielt er sich auch. Während eines Besuches hatte der Fürst im Badezimmer der Eltern einen wertvollen Brillantring vergessen und war sehr froh, als bei seiner Rückkehr auf Schloss Schlobitten schon die Fundnachricht – per Telefon - von Mutti vorlag. Auf den Gütern den Vorwerken des Fürsten war die Arbeitsbekleidung der Beamten und Verwalter; Hemd, Krawatte oder Fliege, Jackett und Reithose, schwarze Reitstiefel. Bei extra angemeldeten Besuchen trug Vater ein weißes Hemd, Fliege oder Krawatte, schwarze Jacke, braune/graue Reithose, schwarze Reitstiefel und eine Kopfbedeckung. Zur Klärung für die Nachwelt ist festzuhalten: Das war die erwünschte Berufskleidung, es handelte sich nicht um eine Angabe dieser Menschen, wie heute so gerne nachgesagt wird. Bei schlechtem Wetter wurde ein Reitregenmantel getragen, im Winter dementsprechende warme Bekleidung. Heute habe ich immer noch die Winterreithandschuhe von Vater – was Mutti alles so retten konnte, ist mir immer noch schleierhaft. - Lange Jahre hatte sie die Reitledertasche (zum Transport von Dokumenten oder Schriftstücken) von Vater, sie konnte über die Schulter oder Hals gehängt werden – beim Militär trug sie die Bezeichnung, Kartenmeldetasche. In ihr bewahrte Mutti während der Flucht und Folgezeit die Urkunden und Nachweise auf, in der Zeit von 1944 bis 1955 waren sie äußerst wertvoll. Mutti trug standesgemäß ein Kleid, passend zur Jahreszeit. Alle im Haus angestellten Mädchen trugen während der Besuche weiße Schürzen, im Alltag dagegen eine graue. Die Eltern konnten in der damaligen Zeit tatsächlich sagen: 33 Über ausgezeichneten Warmblutzuchten verfügte das Fürstliche Gut Prökelwitz unter dem Administrator Herrmann Prinz. Eine sehr bekannte Remontezucht gedieh genau wie in Prökelwitz auch in Finkenstein, dort wurden sogar Remontemärkte abgehalten. Quelle: Piepkorn, Otto, S. 188. Der größte Pferdemarkt in Ostpreußen wurde häufig in Wehlau abgehalten. Quelle: Piepkorn, Otto, S. 188. 15 „Und wir wollten eine Ewigkeit mitten im Paradies …!“ Im Jahr 1939 befand sich ein junger Mann aus Köln durch den Reichsarbeitsdienst (RAD) befohlen, auf Köllmen, er sollte nach den damaligen Anordnungen in der Landwirtschaft arbeiten. Diese Arbeit war er nun gar nicht gewohnt, Vater soll gesagt haben: „Mit den „Bürohänden“ und seiner Antipartie zur Landwirtschaft, der körperlichen Arbeit, kann es mit ihm so nicht weitergehen!“ Vater hat ihm dann „Büroarbeiten“ und „Kontrollaufgaben“ übertragen –auch eine gewisse Entlastung-. Nach dem Pflichtjahr auf Vorwerk Köllmen erhielten unsere Eltern als Dank für das Entgegenkommen von dem jungen Mann aus Köln wertvolles Porzellan –Firma Rosenthal, Blumenmuster mit Paradiesvogel, Goldrand -sechs Beistellteller und einen passenden großen Kuchenteller. Hier wieder die Frage, wie konnte das Porzellan gerettet werden? Mehr darüber im 12. Kapitel. Bei weiterem positivem Landwirtschaftsverlauf –1943 / 1944- hatte Fürst zu DohnaSchlobitten die Verpachtung von Köllmen an unsere Eltern angedacht und auch schon mehrfach erwähnt.34 Der Pferdebestand ab 1932 war35: • 68 Arbeitspferde, Kaltblüter und Trakehner (Zuchtstuten einbezogen) • 4 Kutschpferde, Trakehner • 2 Reitpferde, Trakehner für Vater, der sie halbtags austauschen mußte. In den Kriegsjahren 1940/44 waren auch französische und italienische Kriegsgefangene als Arbeiter auf Köllmen, sie mußten in den unterschiedlichen Ställen „wohnen“. Ein bewaffneter Wachmann –er übernachtete immer im Eßzimmer des Herrenhauses- bewachte sie, was aus Sicht von Mutti nicht nötig war, denn es waren alles nette Menschen, sie arbeiteten gut und gewissenhaft – vielleicht hat auch die Behandlung unserer Eltern dazu beigetragen. In den Jahren 1938 und 1939 musste Vater als Reservist Wehrübungen (auch im Sudetenland und Polenfeldzug) ableisten, an die Front wurde er 1944 als Unteroffizier der Reserve in das Grenadier Regiment 913 einberufen. Zuvor trat jedoch der ostpreußische Truppenübungsplatz Stablack in den Vordergrund, denn hier wurde die 349. Volksgrenadierdivision (Zusammengewürfelte Verbände, jungen, alte Männer erhielten hier eine kurze Ausbildung) aufgestellt, dann erfolgte erst der Fronteinsatz mit sehr hohen Verlusten, im genannten Grenadierregiment. Die Zeit zuvor wurde er schon häufig „schief“ angesehen, denn fast alle Männer waren an der Front, nur „ …der Brandes ist ja immer noch anwesend!“ In den Tagen, beginnend im Oktober 1944, Kämpfe um den Kreis Schloßberg wurde Vater ab dem 23. Oktober 1944 als vermißt gemeldet, so blieb es auch bis heute. – Eine große militärhistorische Forschungsreise führte mich 2008 in das heutige Gebiet, Oblast Kaliningrad, Dobrowolsk/Schloßberg. Große, umfangreiche Nachforschungen stellte ich bisher an und werde sie für die Familienchronik, 34 35 Aussage von Fürst zu Dohna-Schlobitten gegenüber meiner Person und Mutti aus den Jahren 1996, 1998 Arnold Korth, Bücken, Juni 2012 16 ggf. auch für Nachfolgefamilien von Angehörigen des Grenadier-Regiments 913, dokumentieren. – „ VAE VICTIS – Wehe den Besiegten „ Das Ende der vielen Jahrhunderte gerade von Köllmen, Altstadt und Christburg Das große, unvergessene Schicksal aller Ostpreußen lag in den Händen des Gauleiters Erich Koch, ein Verbrecher 1. Grades! Auf seinem Befehl wurde jegliche Vorbereitung zur Flucht, Flüchtlingsbewegung, verboten. Erst als die Rote Armee mit den starken, tief gestaffelten Fronten in der Heimat stand, genehmigte Koch schrittwiese die Flucht, den Treck gen Westen. Er dagegen konnte nach großer Fluchtvorbereitung aus dem Raum Pillau fliehen, tauchte in Schleswig-Holstein, westlich von Bad Segeberg unter, wurde jedoch entdeckt und der britischen Armee übergeben. Diese wiederum lieferte Koch an die polnische Regierung aus, lebenslang war er inhaftiert und starb in Haft. Eine sehr gerechte Strafe für diesen Mann der nicht aus Ostpreußen stammte! Die Kriegslawine rollte ohne große Gegenwehr (sie war kaum noch vorhanden) gen Westen und Norden. Die Provinz Ostpreußen wurde vom damaligen Reich abgeschnitten, mehr darüber hat der Autor in der Geschichte des Grenadier-Regiments 913 festgehalten, denn es wurden alle sowjetischen und deutschen Armeen erforscht und auf Lagekarten verfolgt. Zu dieser Jahreszeit herrschte fast 25 Grad minus, teilweise starkes Schneetreiben mit der Folge von starken Schneeverwehungen. Vom 20. bis 25. Januar 1945 begann das große Sterben in dieser Region. Starke sowjetische Schützeneinheiten unterstützt von Panzer- und Artillerieverbänden drangen von Preußisch Mark – Alt-Christburg - Altstadt nach Christburg mit brachialer Gewalt vor. Zusätzlich drangen Feindverbände aus Preußisch Holland gen Elbing vor. Unsere Landsleute die noch per Treck oder Eisenbahn vor (so auch unsere Mutter mit uns) dem 20. Januar fliehen konnten, gerieten teilweise in die ersehnte Freiheit. Nach dem genannten Tag waren alle Straßen, Wege, Eisenbahnstrecken mit Wagen, Menschen total vollgestopft, nun half auch kein Beten und Hoffen! Unsere Mutti hielt für uns folgendes fest: “Am 20. Januar 1945 –es war Frost ca. 20 Grad minus, sternklare Nacht- bat ich unseren Kutscher Schimmelpfennig, dieser treue Mensch half uns in größter Not, in der er aber auch persönlich stand. Mit Pferd und Schlitten wollte er uns nach Christburg fahren, wir kamen jedoch aufgrund einer Zeitverzögerung nicht durch, wir mussten umkehren und stiegen in eine Kutsche um. In Christburg übernachteten wir bei der Frau des Apothekers Epp, am Markt, 20. In den frühen Morgenstunden konnte Mutti mit uns in einem der letzten Züge gen Westen fliehen. Der Zug fuhr Richtung Süden, in Gransee, Mark Brandenburg, mußten wir aussteigen. Hier überrollte uns noch die Rote Armee, denn es herrschte ja noch Krieg. In Gransee, genauer gesagt im Katharienhof, eine Obstplantage / Gärtnerei, einquartiert uns der Ortsgruppenführer ein. Auf unvorstellbaren Wegen gelang es uns im Jahr 1946 mittels eines Telegramms vom „Flüchtlingsbeauftragten Dohna“ aufgegeben (es war Alexander Fürst zu DohnaSchlobitten, aus Sicherheitsgründen mußte der Fürst seinen Namen etwas verändern) nach Schweringen, südlich von Hoya an der Weser zu gelangen.“ 17