- Gestalte Deine eigene DSCHUNGEL

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Begleitmaterial zur Vorstellung
TRUE STORY
DSCHUNGEL WIEN
SCHAUSPIEL MIT RAP / 70 MIN. / EMPFOHLEN AB 14 JAHREN
Begleitinformationen erstellt von Julia Perschon
Ansprechperson für Informationen, Anmeldung und Kartenreservierung
Mag. Christina Bierbaumer / Mo. – Fr. 09:00 - 17:00
Fon +43.1.522 07 20 -18 / Fax +43.1.522 07 20 -30
[email protected] / www.dschungelwien.at
INHALTSVERZEICHNIS
1. ZUR PRODUKTION
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2. INHALT UND INSZENIERUNG
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2.1. AUSZUG RAP-TEXT
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3. INTERVIEW MIT SIMON DIETERSDORFER
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4. HINTERGRUND
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4.1.
Was ist Rap?
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4.2.
Geschichte des Rap .
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4.3.
Kleines ABC des Rap .
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4.4.
Die HipHop-Szene .
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4.5.
Interview: HipHop als Jugendkultur
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4.6.
Tipps für das Texten & Reimen von Songtexten
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4.7.
Bildhaftes Sprechen im Rap
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6. IMPULSE ZUR VOR- UND NACHBEREITUNG
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7. WEITERFÜHRENDE EMPFEHLUNGEN .
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5. TEAM UND WORD-RAP .
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8. ANHANG
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1. ZUR PRODUKTION
TRUE STORY
Schauspiel mit Rap
Uraufführung
DSCHUNGEL WIEN
Dauer: 70 Min.
Empfohlen ab 14 Jahren
Autoren: Simon Dietersdorfer, Holger Schober
Inszenierung: Holger Schober
Darsteller: Simon Dietersdorfer
Visual Artist: ENSCHA
„Wenn der Vorhang fällt sieh hinter die Kulissen
Die Bösen sind oft gut und die Guten sind gerissen
Geblendet vom Szenario erkennt man nicht
Die wahren Dramen spielen nicht im Rampenlicht.“
(Freundeskreis)
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2. INHALT UND INSZENIERUNG
Simon Dietersdorfer ist Schauspieler. Und er ist Rapper. Oder umgekehrt? Was ist die
richtige Reihenfolge? Oder gibt es das eine ohne das andere nicht?
„True Story“ erzählt eine Geschichte über Rap. Rap ist Sprechgesang, ist Sprache, ist
Bewegung und Rhythmus, aber vor allem ein Jonglieren mit Worten und natürlich
Emotionen und Geschichten. Und Rap ist Teil der größten Jugendkultur, nämlich des
HipHop. Rap ist populär. Rap ist Underground, aber auch Mainstream. Aber woher kommt
er eigentlich? Und warum gibt es ihn? Welche Gefühle lösen den Schreibmechanismus aus?
Vielleicht muss alles einfach mal raus, wenn der Kopf oder das Herz zu voll werden.
„True Story“ blickt hinter die Kulissen von Schauspiel und Rap und erzählt die Geschichte
von Simon, der - aufgewachsen im Gemeindebau – mittlerweile beide Formen des
Ausdrucks professionell ausübt. Auch wenn er, wie er sagt, eigentlich eine behütete
Kindheit hatte, aus einem akademischen Elternhaus kommt und in seinen Plänen
unterstützt wurde, hat er in seinem Freundeskreis andere Welten kennengelernt, in denen
man nicht die freie Wahl, Geld oder ein intaktes Elternhaus hatte. Diese Geschichten
haben auch sein Leben geprägt. Er rappt, weil er etwas zu sagen hat. Aber was bedeutet es
eigentlich Schauspieler zu sein? Und was Rapper? Was haben diese beiden Welten
gemeinsam? Und in welche Figuren schlüpft Simon in seinen Texten? Woher kommt der
Wunsch sich in dieser Art und Weise auszudrücken und welche Bedeutung hat eigentlich
Kreativität im Leben? Und sind Worte vielleicht auch „Waffen“?
Das Thema „Rap“ und das biografische Ausgangsmaterial von Simon Dietersdorfer werden
in der Inszenierung von Holger Schober theatral miteinander verwoben. Das Stück ist somit
zu einem Teil auch biografisches Theater, denn es schöpft aus der Lebens- und
Erlebenswelt von Simon. Gleichzeitig wird aber auch ein kollektiver Erfahrungshorizont
aufgezogen, der einiges an Identifikationsfläche für Jugendliche bietet, da Themen wie
„Liebe“, „Wut“,“ Unzufriedenheit mit Politik und Gesellschaft“, „Kindsein und
Erwachsenwerden“, Musik und Berufswünsche keinem Menschen fremd sind. Simons
persönliche Geschichte und sein Zugang zu Rap und Schauspiel liefern den Stoff für die
erzählte Geschichte.
Rap bedeutet auch Dynamik, Musik und Ausdruckskraft und auch der Entertainment-Faktor
kommt nicht zu kurz, denn Simon performt auch live. Live-Rap und Live-Musik - die Simon
mit Hilfe von elektronischem Equipment wie Laptop, Chaospads, Loop-Station und Sampler
– selbst von der Bühne aus produziert, sind ein integraler Bestandteil dieses Stückes. Die
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Jugendlichen erleben die Entstehung eines Live-Songs und können den Text vielleicht sogar
mitgestalten.
Auf einer weiteren Ebene ist „True Story“ auch ein Stück über die Bedeutung und
Ausdruckskraft von Sprache und Musik, über das gesungene und das gesprochene Wort und
die Lust am Spiel mit Wörtern, Sprachbildern und Geschichten. Unterstützt wird die
Inszenierung darüberhinaus noch durch eine visuelle Ebene, indem Projektionen,
sogenannte Visuals, eingebaut werden.
Simon Dietersdorfer über Rap: „Rap definiert mich. Sobald ich ein Mikro in der Hand habe
und meine Wörter über den Takt tanzen, fühle ich mich vollständig. HipHop ist mein
Zuhause, meine Vergangenheit, Gegenwart und vermutlich auch meine Zukunft. Zu
Schreiben gibt mir ein Gefühl von Größe. Sicherlich geht es darum, was ich denke und
fühle mit anderen Menschen zu teilen. Die Vorstellung, dass da irgendwo jemand sitzt,
ganz für sich, und meine Verse, meine Musik hört macht mich glücklich, stolz … Ein
wesentlicher Teil von mir möchte eben auch dafür bewundert werden. Klar hab ich meine
Auftritte schon dazu genutzt, um Frauen zu zeigen was für ein Mann ich bin. Allerdings
funktioniert das nur, wenn ich auf der Bühne stehe. Im Gespräch ist es mir eher
unangenehm zu sagen: Ich bin Rapper, HipHopper. Das klingt so jugendlich. So cool. Epic
Fail. Da ist es schon besser zu sagen: Ich bin Musiker.“
Ah wirklich? Musiker? Ja und welches Instrument spielst du?
„Meine Zunge, Bitch.“
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2.1. AUSZUG RAP-TEXT
Minotaurus
von Simon Dietersdorfer
Ich führe meine Feder mit Gefühl und Verstand
denn den Geist nicht zu fordern macht mich müde und krank
nur bewegende Themen des Lebens, jene Szenen nach denen ich sehne
zu schreiben nehmen alleine meine Zeilen ein
und darum nenn mich bitte nicht Rapper, wenn ich Geschichten dicht
letztendlich erkennst du doch besser den Dichter wenn nicht bin ich leider nichts für dich
Schriften wie verworrene Korridore in Labyrinthen
fordern dich Worte zu ordnen, den Faden zu finden
folg ihm weiter durch Wände beschrieben von Händen
ans Ende von beengenden Gängen verborgene Orte des Denkens
wenn du dann dort ein Meer entdeckst, dann trau dich an die Klippen
lausche der Musik, um über den Horizont zu springen
und du weißt nicht wohin der Wind dich trägt
mit geschlossenen Augen, stürz ich dich in die See
verfolg das Echo meiner Ideen die ich hier laut hinausruf
bis hin zum Wesen ihres lautlosen Autors - Minotaurus
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3. INTERVIEW MIT SIMON DIETERSDORFER
Welche Ereignisse haben deine Biografie am meisten geprägt? Welche persönlichen
Stationen zeichnet „TRUE STORY“ nach?
Mit den Ereignissen ist das denk ich wie bei jedem anderen auch. Ich bin zwar im
Gemeindebau aufgewachsen, aber ich hatte keine besonders harte Kindheit. Meine Eltern
sind beide Akademiker, ich war immer wohlbehütet und mir standen alle Möglichkeiten
offen. In meinem Freundes-/Bekanntenkreis war das schon anders. Viele hatten nie die
freie Wahl, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen. Weil kein Geld da war, die Familie
zerrüttet etc. So habe ich von beiden Welten etwas mitbekommen.
Welche Beweggründe brachten dich zum Schauspiel, welche zum Rap?
Mit dem Schauspiel hab ich durch Zufall angefangen. Ich wollte eigentlich Pilot werden
oder Feuerwehrmann oder auch Sozialarbeiter. Mit 19 war ich ziemlich planlos. Als ich
dann mit Freunden in Italien am Strand lag (Bibione Hausmeisterstrand ganz im
Gemeindebaustil) hab ich den Klappentext eines Buches (Die Welle) vorgelesen und damit
rumgescherzt. Sara (mit der ich u.a. makemake produktionen gegründet habe) hat damals
gesagt: „Du bist lustig, werd doch Schauspieler“. Das hab ich dann eher nebenbei in
meiner Familie erwähnt, die haben mir einen Schauspielworkshop geschenkt, der zum
Schauspielunterricht wurde und zackbumm war ich auf der Schauspielschule.
Rap war auch so ein Fall: Basketballspiel in der Turnhalle von Pierres Onkel (der war
Schulwart in Stammersdorf), da läuft „Mystery of Chessboxin'“ vom Wu Tang Clan und ich
war hin und weg von Ol' Dirty Bastards Verse. Als Rico und Pierre beim Skateboarden ein
paar Wochen später gesagt haben: „Hey, lass uns doch selber rappen“, war ich sofort
dabei.
Was bedeuten für dich diese beiden Formen des Ausdrucks? Was sind für dich
persönlich in deiner Praxis als Schauspieler und Rapper die Gemeinsamkeiten dieser
beiden Kunstformen? Wo liegt vielleicht der große Unterschied?
Ich bemerke immer mehr, wieviel die beiden Formen für mich gemein haben. Beides ist für
mich künstlerischer Ausdruck, beides ist Kreativität, beides ist Rhythmus. Ich könnte nicht
mehr ohne eine der beiden Formen. Und: es beeinflusst und befruchtet sich beides
gegenseitig. Ich schlüpfe in Figuren, auf der Bühne, in Texten. Ich bin pur, ich, auf der
Bühne und in meinen Texten. Ich stehe in beiden Fällen auf der Bühne und bin mittlerweile
heilfroh, dass ich halbwegs weiß, wie ich ein Konzert rocke, wie ich mit Publikum umgehe,
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das sich sehr distanziert gibt (in Wien nur gaaaanz selten der Fall :) ). Das hilft mir beim
Schauspiel mehr, als ich je gedacht hätte.
Der Unterschied? Hmm, schwierig, ich bin in letzter Zeit so überrascht, wieviel die beiden
Ausdrucksformen eigentlich teilen. Ja sicher, geht es für mich im Spiel darum sich zu
verwandeln, Figuren zu verkörpern. Außerdem bin ich als Schauspieler wesentlich leichter
zu verunsichern und empfindlich was Kritik betrifft. Das geht mir in der Musik nicht so.
Spielst du als Rapper auch eine Rolle? Wie wichtig ist Authentizität oder Realness für
dich?
In meinen Texten manchmal. Auf der Bühne trage ich vielleicht ein Rapper AKA, aber das
wars. Ich bin ich: Simon. Authentizität ist doch alles worauf es ankommt. Menschen die
sich ständig verstellen, nie sie selbst sind, strengen mich an.
Rap und Schauspiel leben beide von der Anwesenheit eines Publikums. Wie sind die
unterschiedlichen Reaktionen, die du als Rapper oder als Schauspieler oder als
rappender Schauspieler bekommst?
Na ja, bei einem Konzert wird direkt reagiert, ich rappe, spreche das Publikum an und
bekomme (hoffentlich) gleich eine Antwort.
Klar ist Schauspiel auch ständige Kommunikation mit dem Publikum, ich bin kein Fan der 4.
Wand. Allerdings ist die Form meistens die: es wird gespielt, danach gibt’s Applaus. Ich
würd mir wünschen, dass das Publikum sich manchmal mehr verhält/verhalten darf wie auf
einem Konzert. Direkterer Kontakt. Weniger Form. Weniger konform, weniger brav.
In welchen Situationen greifst du zu Zettel und Stift und fängst an einen Song zu
schreiben? Mit welchen Themen beschäftigst du dich in deinen Songtexten?
Was mir so auf dem Herzen liegt, verpacke ich in Texte. Was mir durch den Kopf wandert,
schreibe ich auf. Oft erlebe ich etwas, eine Begegnung, einen Konflikt etc. und kann nicht
aufhören darüber nachzudenken. Dann setz ich mich hin und schreibe. Und in vielen Fällen
ist mein Kopf danach um einiges leichter. Raptherapie.
Du bist ja Rapper in der Wiener HipHop Gruppe MA21, in deren Songtexten auch einige
sozialkritische und /oder poltische Passagen vorkommen. Ist es dir wichtig eine
Message zu transportieren? Wenn ja, warum?
Ich habe von meinen Idolen, und ich verwende diesen Ausdruck ganz bewusst, sehr viel
mitgenommen. Tu ich noch immer.
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Rap lebt durch die Worte, die du wählst, wie du sie in Verse, Sätze, Strophen packst, da
hat man die Chance so viel zu sagen, wie in fast keinem anderen Musikstil.
Also: warum sollte ich rappen, wenn ich nichts zu sagen habe?
Deine Lieblingspassage eines Rap-Textes? Und warum genau diese?
„Before I could become a new sun, I had to fall apart“ El-P
Nur ein Satz, aber der vereint für mich für alles, was ich in Rap, Schauspiel und eigentlich
im Menschsein sehe: man verfällt, zerbricht, um von Neuem zu strahlen.
Was macht deiner Meinung nach einen „guten“ Rap aus?
Flow. Message. Reim. Wortwahl.
Worin liegen für dich die größten Unterschiede zwischen Rap, damals in den 70er/80er
Jahren und heute, abgesehen von der großen Kommerzialisierung und Vermarktung?
Ich kenne Rap erst seit den 90ern, soll heißen, ich höre hauptsächlich HipHop ab 1993. Es
wird viel diskutiert, was sich verändert hat. Hiphop war tot, auferstanden
blablasabadaba3xab. Ich lebe hier und jetzt, schreibe hier und jetzt und bin froh, dass das
so ist. Guter Rap ist zeitlos. Punkt.
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4. HINTERGRUND
4.1. WAS IST RAP?
„Rap ist Sprache, HipHop Bewegung“ (Freundeskreis)
„Rap ist ein Sprechgesang und Teil der Kultur des HipHop. To rap (deutsch: ‚klopfen‘ bzw.
‚pochen‘) deutet die Art der Musik und des Sprechgesangs an. Heute hat sich der Rap
teilweise von seinen Wurzeln gelöst und wird auch in anderen Musikstilen eingesetzt.“
(Wikipedia)
Der Begriff „Rap“ leitet sich eigentlich von dem amerikanischen Slangwort für
"vollquatschen" ab. Rap wurde von afroamerikanischen städtischen Jugendlichen
entwickelt und Mitte der 1970er Jahre populär.
Die menschliche Stimme, der Drumcomputer sowie der Sampler bilden die musikalische
Grundlage von Rap. RapperInnen legen über ein oftmals simples Grundmuster aus Bass- und
Schlagzeugfiguren einen rhythmisch angepassten Sprechgesang. Die Musik ist dabei meist
computergeneriert. Eine traditionelle Instrumentierung mit Gitarre, Schlagzeug und Bass
spielt in den meisten Rapformationen eine eher untergeordnete Rolle.
Rap im ursprünglichen Sinne bedeutete, dass sich der Discjockey (DJ), der alte
Schallplatten in neuen Kombinationen zusammenmischt, und der Master of Ceremony
(MC), der über diese Soundkulisse einen Text rappt, gegenüberstehen. Als die Rap-Einlage
dann zu einem festen Bestandteil der Musik des DJs wurde, wurden auch die Texte länger
und gehaltvoller, man begann Geschichten zu rappen und auf diesem Weg seinen Ansichten
und Gefühlen Ausdruck zu vermitteln. Heute ist eher der Begriff Rapper etabliert, während
MC in den Hintergrund getreten ist.
Zu den stilbildenden Rap-KünstlerInnen zählen u.a. The Sugar Hill Gang, Grandmaster
Flash and the Furious Five, Run-D.M.C., Public Enemy sowie Salt 'n Pepa.
Einer der bekanntesten und erfolgreichsten Filme zum Thema Rap ist 8 Mile (2003), der die
Lebens- und Erfolgsgeschichte des bekannten Rappers Eminem erzählt.
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4.2. GESCHICHTE DES RAP
„We built it up from nothing …” (SCORPIO)
Heute gibt es 1001 Wege, zu Rap oder HipHop zu kommen, denn seit den späten 1990er
Jahren ist diese Musik- und Stilrichtung auch im deutschsprachigen Raum allgegenwärtig.
Ob in Form von Musik aus dem Radio oder Kaufhauslautsprecher, Nachrichten-Raps,
Werbung, Videos oder neuen Modetrends. Rap gibt es auf der ganzen Welt und in
verschiedensten Ausprägungen.
Das war nicht immer so, denn bis Ende der 70er Jahre gab es Rap nur in den Armenvierteln
von New York, in Harlem, Brooklyn oder Queens. Die eigentliche Wiege liegt jedoch in der
Bronx, und das nicht zufällig. Denn Ende der 60er Jahre wurde zwecks Stadtmodernisierung
eine vielspurige Autobahn mitten durch dieses New Yorker Stadtviertel gezogen und
zerstörte es. Zurück blieben leerstehende und verfallene Häuser, denn wer es sich leisten
konnte, zog in einen anderen Stadtteil. Die Jugendlichen, die in der Bronx aufwachsen
mussten, hatten weder das Geld, um in die teueren Discos nach Manhattan zu fahren, noch
konnten sie sich nach der angesagten Mode kleiden. Sie blieben und machten aus der Not
eine Tugend. DJs, also diejenigen die die Beats basteln, schleppten ihre Plattenspieler und
Boxen (ihr „Soundsystem“) in einen nahegelegenen Park oder bis zum nächsten
Häuserblock und bauten dort alles auf. Die zu Straßenkonzerten erforderlichen zwei
Plattenspieler stellten eine kostengünstige und zugleich kreative Art der Live-Performance
dar. So kam ein neues Selbstbewusstsein, ein neuer Stolz in das Viertel zurück und über
Nacht wurde HipHop zur bestimmenden Jugendkultur in der Bronx. Jede/r konnte als
DJ/Djane oder MC (Master/Mistress of Ceremony) mitmachen, jede/r konnte dazu tanzen.
Einer der ersten DJs war Grandmaster Flash. Er suchte Leute, die das Publikum
unterhielten und weiter zum Tanzen anfeuerten, während er im Hintergrund seine Beats
basteln konnte. Diese Leute waren die ersten Rapper. Damals gab es diesen Begriff aber
noch gar nicht – man nannte sie einfach MC; das ist die Abkürzung für Master of Ceremony
(übersetzt: Zermonienmeister), was ganz gut passte, denn sie waren verantwortlich, dass
die Stimmung auf dem Höhepunkt blieb. Sie waren die Marktschreier ihrers DJs.
Dementsprechend waren die Texte der ersten MCs auch nicht darauf aus, eine Geschichte
zu erzählen oder sich Gedanken über die Gesellschaft zu machen.
Erst im Jahr 1980 schaffte ein Rapstück den Sprung in die Hitparaden: "Rapper's Delight"
von The Sugar Hill Gang. In diesem Hit rappte die Band über schlechte Mahlzeiten,
Supermans sexuelle Verklemmungen sowie anderen mehr oder weniger relevanten
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Nonsens, der ihnen beim prahlerischen Zusammensein auf der Straße, schnell über die
Lippen kam. Dieser weltweite Hit hatte zur Folge, dass Rap auch für eine weiße
KäuferInnenschicht interessant wurde.
In den frühen 1980er Jahren gab es einige erfolgreiche Rapper, etwa Afrika Bambaataa und
Grandmaster Flash and the Furious Five. Ein weit verbreitetes Subgenre von Rap war der so
genannte "socially conscious"-Rap. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist "The Message" (1982)
von Grandmaster Flash and the Furious Five. Die Band brachte ein wütendes,
hyperrealistisches Soziogramm schwarzen Alltagslebens auf den Tanzboden:
"Broken glass everywhere, people pissing on the stairs, y' know they just don't care … rats
in the front room, roaches in the back, junkies in the alley with the baseball cap … Don't
push me 'cause I'm close to the edge, I'm trying not to lose my head … It's like a jungle,
sometimes it makes me wonder how I keep from going under".
In den folgenden Jahren etablierten sich mehrere Rapformationen auf dem USamerikanischen Musikmarkt. Zu dieser zweiten, kommerziell erfolgreichen Welle gehörten
Künstler und Formationen wie z.B. L.L. Cool J und Run-D.M.C. (die erste Rap-Band, die
ihre Videos bei MTV zeigen durfte!). Die Beastie Boys wandelten einige ihrer Songs zum Rap
um und waren damit die erste weiße Crossover-Rap-Gruppe. Beinahe über Nacht machte
das weiße Trio mit schwarzer Musik Karriere.
Ab Mitte der 1980er Jahre traten die afroamerikanischen Inhalte im Rap immer mehr in
den Vordergrund. In diesem Prozess spielte die Band Public Enemy, die sich selbst einmal
als "black CNN" bezeichnet hat, eine wesentliche Rolle. In ihren Texten geht es vor allem
um die Probleme der afroamerikanischen Bevölkerung in den Ghettos der USamerikanischen Großstädte. Public Enemy haben einen radikal politischen, aufklärerischen
Anspruch. So ist das Stück "Night Of The Living Baseheads" eine wütende Attacke auf
Drogendealer, "Party For Your Right To Fight" rechtfertigt nachträglich die GuerillaAktivitäten der Schwarzen Panther aus den 1960er Jahren und "Louder Than A Bomb"
verdächtigt FBI und CIA, an der Ermordung von Malcolm X und Martin Luther King
mitgewirkt zu haben.
Rap wurde immer erfolgreicher. Während Rap bis tief in die 1980er Jahre hinein
weitgehend ein auf New York begrenztes Phänomen geblieben war, entstanden 1987/1988
auch in anderen Teilen der USA neue Zentren der Rapkultur, die oftmals einen eigenen
Sound schufen. Der sogenannte "Gangsta Rap" bildete sich z.B. an der Westküste, vor allem
in Los Angeles, heraus. Sowohl der politische Rap (oftmals auch als "Message Rap"
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bezeichnet) als auch der "Gangsta Rap" gehören zur dritten Phase in der Entwicklung von
Rap.
Rap stand oftmals in der Kritik. Rapgruppen und Künstler wie beispielsweise Public Enemy,
Niggers With Attitude oder Ice-T wurden wegen ihrer sexistischen, gewaltverherrlichenden
Inhalte sowie ihrer extremen politischen Anschauungen kritisiert.
In den 1990er Jahren wurde Rap facettenreicher. Er wurde mit anderen Musikstilen
vermischt, z.B. mit dem Rhythm & Blues. Immer häufiger wurden Samples von weißen Popund Rockbands in Rap integriert. Während früher der Rap als Dialog unter (schwarzen)
Männern zu begreifen war, nahm die Zahl der erfolgreichen Frauen im Rap (wie Missy
Elliot) und der gleichberechtigten MCs in gemischten Formationen (z.B. bei den Fugees)
stetig zu. Als Vorbild für zahllose rappende Frauen-Bands gelten Salt 'n Pepa. Sie klären die
rappenden Männer über die weibliche Sicht der Dinge auf und nehmen dabei kein Blatt vor
den Mund. Den Unterschied zu den rappenden Männern konnten sie leicht erklären: "Wir
lächeln". Zudem: "Uns macht das Rappen Spaß, und wir geben den Leuten was zum
Gucken".
Der Einsatz von Samplern wurde prägend für andere Genres im Bereich der Dancemusik,
wie z.B. Jungle, House, Techno. Ohne Rap wären viele der die 1990er Jahre prägenden
Musikstile nicht denkbar gewesen.
Im neuen Jahrtausend gehören Snoop Dogg und P. Diddy zu den erfolgreichsten
Protagonisten des Rap-Genres. Beide sind federführend, was die kommerzielle Verbindung
von Rap-Style, Mode und Musik anbelangt: Neben eigenen Modelabels und teuren
Autofelgen tragen unter anderem auch Parfümlinien ihre Namen.
Nachdem sich amerikanischer Rap auch in Deutschland immer mehr durchsetzte, und
HipHop zu einem internationalen Lebensgefühl wurde, entwickelte sich Anfang der 90er
Jahre eine populäre deutschsprachige Szene. HipHop entstand hier nicht aus einer sozialen
Situation heraus, auf die junge Menschen reagierten, sondern HipHop kam nach
Deutschland als fertiges und entwickeltes Ganzes, als Exportartikel. Eine Bewegung griff
um sich. Die Fantastischen Vier landeten mit Songs wie "Die da" und "Sie ist weg" die ersten
Rap-Hits. Die Stuttgarter Band Freundeskreis verarbeitete in ihrem großen Hit "Anna"
geschickt ein Gedicht des Künstlers Kurt Schwitters. Anfangs handelte es sich beim
deutschen Rap meist um "Spaßrap" mit nur gelegentlichen Anflügen von Sozialkritik. Das
änderte sich etwa zu Beginn des 3. Jahrtausends. Deutsche Gangsta-Rapper wie Bushido
oder "Maskenmann" Sido haben in kürzester Zeit unglaubliche Karrieren hingelegt. Beide
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fallen mit provokativen Texten auf, Songs von ihnen stehen auf dem Index. Auch der
Berliner Rap-Musiker "Fler" ist wegen rechtsradikaler Anleihen in seinen Texten umstritten.
"Gangsta Rap" aus Deutschland sorgt weiterhin für Kontroversen. Jedoch entwuchsen aus
dieser, „vornehmlich von Testosteron gesteuerte Angelegenheit: Musik von Männern für
Möchtegernmänner“ (Zitat Die Zeit), populäre Gegenentwürfe, wie beispielsweise die von
Jungrapper Cro, der mit seiner Easy-Going-Attitude in Songs wie „Easy“ oder „Sunny“ die
Lebenswirklichkeit der gutbürgerlichen Jugend in Sprechgesang übersetzt.
4.3. KLEINES ABC DES RAP
Battle: engl. - Schlacht, Kampf; bezeichnet zum einen die konkrete künstlerische
Auseinandersetzung innerhalb der HipHop-Bewegung, etwa Freestyle-Battle, aber auch den
Motor der Bewegung (= Battle-Gedanke)
Beat: engl. - Schlag; bezeichnet den einzelnen Taktschlag, ein 4/4 Takt besteht also aus
vier Beats.
Beatboxer: Jemand, der mit dem Mund beatartige Töne erzeugt.
chillen: obwohl die Übersetzung von „to chill“ eigentlich „frostig“, „eisig“ lautet, meint
chillen im HipHop Kontext „entspannen“, „genießen“ oder „die Dinge gelassen angehen“
Crew: engl. Gruppe, bezeichnet den engen Freundeskreis. In der Crew wird gemeinsam
Musik gemacht oder gesprüht etc.
Crossover: ursprünglich als Bezeichnung für die Verbindung von Rap und Heavy-MetalMusik eingeführt, steht heute für jede Form von Musik, bei der zwei oder mehrere Stile
verschmelzen z.B. RUN DMC, Rage Against The Machine, Such A Surge
Dissing: von to disrespect, engl. - jemanden ohne Respekt behandeln, nicht respektieren;
hier: beleidigen, beschimpfen
DJ: im Gegensatz zum/r früheren DJ/Jane als PlattenauflegerInnen sind heutige
DJs/DJanes MusikerInnen, da sie mit ihren Plattenspielern nicht reproduzieren, sondern
durch Kombination kleinster Sequenzen bereits bestehender Aufnahmen, neue Stücke
entstehen lassen.
Fake: engl. - Schwindel, Lüge; das Gegenstück zu Realness
Flow: engl. - fließen, gleiten; Flow beschreibt das Zusammenspiel von Musik- und
Sprechrhythmus. Die Idealvorstellung ist bereits im Begriff enthalten: Die Worte sollen
über den Rhythmus der Musik fließen, d.h. trotz der kunstvollen Bauweise der Texte soll
sich ihr Vortrag wie eine normale Äußerung im Gespräch anhören.
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Freestyle: engl. – [Sport:] Freistil, Kür; meint im Rap die freie Improvisation von Reimen
und Texten, wichtiger Abschnitt vieler Rap-Konzerte. In der Freestyle-Battle messen sich
zwei oder mehrere RapperInnen im improvisierten Sprach-Wettkampf, das Publikum oder
eine Jury küren die SiegerInnen. In Amerika bedeutet Freestyle den freien Vortrag von
Texten zur Musik, die nicht improvisiert sein müssen.
Gangsta Rap: Einige Rapper (in diesem Genre agieren hauptsächlich Männer) haben sich
durch die Stilisierung ihrer eigenen – wirklichen oder vorgestellten – kriminellen
Vergangenheit und des Ghettolebens einen Namen gemacht, etwa Snoop Doggy Dog oder
2Pac Shakur. Die Texte handeln von Gewalt und Kriminalität in den Ghettos, vorgetragen
zu sehr eingängigen Rhythmen.
Jam: Bezeichnung für eine HipHop Party, an der ProtagonistInnen aller Ausdrucksformen
der HipHop-Kultur vertreten sind.
Loop: engl. – Schleife; Begriff aus der Produktionstechnik. Eine melodische oder
rhythmische Sequenz wird mit Hilfe des Samplers identisch wiederholt; to loop
eingedeutscht zu „loopen“
MC: Master of Ceremony (für weibliche Rapper auch: Mistress of Ceremony), ursprüngliche
Bezeichnung für die RapperInnen; in diesem Begriff werden die Anfänge des Rapping klar,
als es noch darum ging, das Publikum zu unterhalten und zum Tanzen zu bringen.
Message Rap: Text-Genre des Rap; es geht darum dem Publikum einen Sachverhalt zu
erklären, dazu werden die ZuhörerInnen oft direkt angesprochen.
New School: Zweite HipHop-Generation in Amerika; ca. seit Mitte der 80er Jahre
Old School: Erste HipHop-Generation, sie haben das Verständnis von HipHop und seine
Ausdrucksformen entwickelt.
Part: Der Refrain unterteilt ein Musikstück in mehrere Teile = Parts. Rap hält sich nicht an
ein festgefügtes Strophenschema, die einzelnen Parts können also, im Gegensatz zur
Strophe, sehr unterschiedlich sein, was ihre Länge und Gestaltung betrifft.
Realness: Ein/e RapperIn, der/die nicht versucht, etwas darzustellen, was er oder sie
nicht ist, der/die den Wurzeln der Kultur treu bleibt und seinen VorgängerInnen Respect
erweist, ist real.
Respect: In Respect manifestiert sich die soziale Bedeutung von HipHop; die HipHopBattles konnten nur zu einer Alternative zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen der
Banden werden, wenn die Leistungen der anderen anerkannt, respektiert wurden.
Sample: engl. – Probe, Muster; einzelne Sequenz, die von einer anderen Platte
übernommen wurde.
Sell Out: „Ausverkauf“ des HipHop; abwertend über die Kommerzialisierung des HipHop
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Skillz: engl. – Kunstfertigkeit, Können, Gewandtheit; bezeichnet die besonders ausgefeilte
Art, Frequenz und Anordnung der Reime.
Style: bezeichnet die individuelle Gestaltung und Darbietung eines Raps. Neben der
formalen Gestaltung spielen die Art des Vortrags und die Austrahlung des Rappers/der
Rapperin eine wichtige Rolle. Style ist also nicht mit Sprachstil zu übersetzen.
Toasting: Genre des Rap, auch Story Telling; der Rapper/die Rapperin vermittelt sein/ihr
Anliegen, indem er/sie eine kurze gereimte Erzählung vorträgt.
Track: engl – Spur; bezeichnet ursprünglich nur die einzelne Tonspur, heute steht Track oft
als pars pro toto für ein ganzes Musikstück.
Vibe: engl. Ausstrahlung (einer Person), das Besondere an einer Sache oder Person, schwer
zu beschreiben, aber immer positiv.
4.4. Die HipHop-Szene
Quelle: Jugendkultur – Guide. Beate Großegger, Bernhard Heinzlmaier; Wien, 2002
www.jugendkultur.at
(Der vorliegende Text ist nicht in geschlechtergerechter Sprache verfasst worden. Wir bitte Sie daher bei
diesem und bei den anderen Quellen wenn nicht vorhanden immer die weibliche Form mitzudenken.)
Die HipHop-Szene ist eine der größten Jugendszenen der Gegenwart. Die Entwicklung, die
sie während der letzten Jahre durchgemacht hat, verdient das Prädikat „expansiv“.
HipHop ist aus der subkulturellen Nische herausgetreten und breitenwirksam geworden.
Oder um es im Szene-Jargon zu sagen: „Alles ist mittlerweile sehr connected.“ HipHop ist
überall und überall allen zugänglich.
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HipHop = Rap-Musik + Breakdance + Graffiti
Streng genommen ist HipHop ein Sammelbegriff für Rap, Breakdance und
Graffiti. Jenseits der Szenegrenzen wird mit dem Begriff „HipHop-Szene“
heute aber meist die Musikkultur, also die Rap-Szene, assoziiert.
Das mag damit zu tun haben, dass bislang nur die DJs und MCs den kommerziellen
Durchbruch schafften. „Writer“ (Sprayer) und „Breaker“ (Breakdancer)
fristen in der Jugendszene-Landschaft der Gegenwart hingegen nach wie
vor eine Existenz als kleine – wenn auch überaus schillernde –
Minderheitenkulturen.
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HipHop ist nicht einfach nur Musik. Und HipHop ist auch mehr als Musik plus Graffiti
und Breakdance. HipHop ist eine Weltanschauung: eine bestimmte, unverwechselbare
Sichtweise, mit der man die Welt betrachtet. So wie jede andere Szene wird auch die
HipHop-Szene von einer szenetypischen Lebensphilosophie regiert: HipHopper leben in
einem ganz eigenen Wertekosmos, der der HipHop-Szene ein unverwechselbares Profil
verpasst und der ausschlaggebend dafür ist, dass sich HipHopper in ihrer Einstellung zum
Leben von Jugendlichen aus anderen Szenen ganz gewaltig unterscheiden. Was die
unverwechselbare Eigenart dieses HipHop-Wertekosmos ausmacht, ist leicht erklärt. Die
Moral der HipHopper gruppiert sich um drei Schlüsselbegriffe: „Realness“, „Competition“
und „Respekt“. Sonst geht es den HipHoppern vor allem um Spaß und um „Fame“ (Ruhm
und Anerkennung in der Szene). HipHopper wollen das machen, worauf sie Bock haben, sie
wollen ihr eigenes Ding durchziehen oder wie es unter deutschen HipHoppern heißt:
„einfach Mucke machen“.
„Rap bedeutet Fun haben und sich selbst verwirklichen. Ich will mich einfach gut
fühlen bei meiner Mucke. Das ist mein Ziel: Einfach Mucke machen, die ich selber
gern von jemand anderem hören würde. So schreibe ich auch meine Texte.“
(MC Kool Savas, The Message Juli/August 2001)
In der Welt der HipHopper regiert das Echte, das Ehrliche, das Authentische. Alles dreht
sich um Glaubwürdigkeit und um die Originalität des Einzelnen. Und jeder, der in der HipHop-Szene aktiv ist, jeder, der an der HipHop-Kultur mitproduzieren will, muss seine
„Styles“, seine „Skills“ und seine ganz persönliche Kreativität beim Rappen, beim
Plattenauflegen, beim Sprayen („Writen“) oder Breaken (Breakdancen) ständig aufs Neue
beweisen. In der Szene gilt: Solange man ehrlich bleibt, kann es dabei durchaus auch
hart zugehen. HipHop ist eben keine Faserschmeichler-Kultur. HipHop ist geradlinig,
erdig und dabei oft auch derb. Aber derb wird in der Szene durchaus als positiv bewertet:
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„derb“ ist im Szene-Jargon sogar ein Synonym für „gut“ oder „cool“.
Rapper nehmen sich für gewöhnlich kein Blatt vor den Mund. Die Wortgefechte,
die sie sich gegenseitig liefern, sind legendär. Da wird oft „gebattled“, was das Zeug
hält. Da werden die anderen Rapper mit „derben“ Reimen aus der Reserve gelockt.
Alles, was ihnen heilig ist, wird verbal runtergemacht oder – um es im Szene-Jargon zu
sagen – „gedisst“.
Und doch geht es den Battle-Rappern nicht primär darum, andere HipHopper zu
verletzen oder zu kränken. Die meisten von ihnen suchen einfach nur den ehrlichen
Wettbewerb und bedienen sich dabei der Mittel, die der Rap dafür bereitstellt: starker
Worte. Jeder will besser sein als der Andere – ganz klar. Aber wenn sich herausstellt,
dass doch der Andere besser ist, bekommt er den ihm gebührenden Respekt.
Leute, die sich wichtig machen, ohne etwas Eigenständiges auf die Beine zu stellen,
verdienen aus der Sicht der HipHopper keinen Respekt. Und auch all jene, die schicke
HipHop-Klamotten tragen, die die trendigsten HipHop-CDs kaufen und versuchen,
bestmöglich auf der Trendwelle mitzusurfen, ernten „Disrespect“. Auf sie reagieren die
HipHopper mit angewidertem Nasenrümpfen. Verächtlich stoßen sie „Dummes
Rumgepose!“ hervor, schütteln den Kopf und wenden sich ab. Sie sind genau das, was man
um keinen Preis sein darf: Sie sind nicht authentisch, sie sind nicht echt. Und in der Welt
des HipHop muss man nun einmal echt sein. Im Szene-Jargon heißt das: Du musst
„real“, du musst „street“ sein! Wenn du das bist, genießt du hohes Ansehen in der
Szene. Wenn nicht, bist du ein „Poser“ und verdienst den Titel „HipHopper“ nicht.
So wie in allen anderen populären Jugendkulturen gibt es auch in der HipHop-Szene nur
einen vergleichsweise kleinen Kreis von echten Insidern, für die HipHop so sehr
Lebensinhalt geworden ist, dass es jenseits von HipHop für sie nicht mehr viel gibt. Sie
sind die MCs, DJs, Breaker und Writer, die der HipHop-Kultur Richtung und Farbe
geben. Sie sind HipHop-Aktivisten, für die HipHop Teil der persönlichen Welt geworden
ist und die diese Welt zugleich auch repräsentieren. Sie sind die Leitbilder der
Szene – und zwar mit den Sprüchen, die sie klopfen, mit ihren Gedanken über Gott
und die Welt, mit der Art, wie sie leben, aber auch mit ihrem Äußeren: ihrem Outfit
und Style. Sie geben vor, was in der Szene „in“ ist. Sie setzen in der Szene die Trends –
angefangen bei der Musik, über die Mode bis zum Szene-Jargon. Mit den Tracks, die sie
„releasen“, den Texten, die sie reimen, den Marken, die sie tragen, den Medien, in
denen sie präsent sind, prägen sie den Szene-Code und definieren den szenetypischen
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Lifestyle. All jene, die selbst zwar nicht zu den Aktivisten der HipHop-Kultur zählen, die
aber ganz nahe an diesen Leuten dran sind und sich unheimlich stark mit HipHop
identifizieren, orientieren sich an ihnen und tragen diesen Lifestyle in der Szene weiter.
Sie vergrößern den Radius, in dem die Szene-Trends wirken. Das ist das Prinzip, nach dem
die HipHop-Community funktioniert.
Eine zentrale Rolle im Lifestyle der HipHopper spielt die Sprache. Die HipHop-Community
hat ihren eigenen Code. Sie spricht einen Soziolekt, der außerhalb der Szene oft kaum
verstanden wird, und bedient sich dabei eines teilweise stark von der US-amerikanischen
HipHop-Kultur beeinflussten HipHop-Vokabulars.
Für die HipHop-Gemeinschaft mindestens ebenso wichtig wie der Szene-Jargon ist der
Dress-Code, der der HipHop-Szene ihren unverwechselbaren Look verschafft. HipHop ist
Street-Style. HipHopper tragen weite Hosen: Cargos, die mit ihren seitlich aufgenähten
Taschen an eine Mischung von Arbeitskleidung und Military-Look erinnern, oder tief in den
Schritt hängende Baggy-Pants. Kaum einer von ihnen weiß, dass der Baggy-Style in den USamerikanischen Gefängnissen seine Wurzeln hat. Dazu gibt es T-Shirts, Caps, Sneakers
(Turnschuhe) und im Winter dicke Daunenjacken. Bei den Mädchen ist der Style meist
etwas „abgesoftet“: Baggy-Pants sieht man bei ihnen selten. Sie tragen meist Cargo-Hosen,
dazu T-Shirts und Turnschuhe. Das reicht, um als Mädchen hiphop-mäßig gestylt zu sein. So
wie jede andere jugendkulturelle Szene hat auch die HipHop-Szene ihre eigenen Marken.
Jenseits der engen Grenzen der Szene sind die HipHopper vor allem aufgrund der
Wortgewalt ihrer Rap-Artisten bekannt. Während viele Eltern und Lehrer verständnislos auf
die „derben Reime“ reagieren, beginnen sich immer mehr Sprachwissenschaftler für die
Reimkultur der HipHopper zu interessieren.
Es ist faszinierend, welche Reimwörter die MCs finden. Es ist verblüffend, wie die
Texte von ihnen immer wieder um die Ecke gebogen werden. Sie texten und reimen,
weil es das ist, was ihnen Spaß macht. Sie arbeiten an ihren „Skillz“. Rappen ist für
sie, mit Wörtern zu spielen. Und gut rappen bedeutet für sie „Fame“ (Ruhm). Sie sprechen
eine Sprache jenseits der Hochsprache. Und doch sind sie ganz unglaublich wortgewaltig
und sprachkompetent. Die MCs wissen das. Sie sehen sich selbst als „Spoken-Word-Artists“
(Sprachkünstler) und „derbe Reimschleuderer“, die mit ihren Raps die Sprache
revolutionieren. Und dafür erwarten sie sich Respekt.
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HipHop ist eine vor allem unter Schülern boomende Jugendkultur, denn HipHop
transportiert das Lebensgefühl, in dem sie sich wieder finden. Die Werte des HipHop –
individueller Selbstausdruck, Gemeinschafts-gefühl, Kreativität und Spaß – sind in der
technologisch überfrachteten und sozial kalten Zeit, in der sie leben, hoch gefragt. Und
der „Quergeist“, der der HipHop-Kultur zu Eigen ist, macht die Szene für Jugendliche ganz
einfach cool. HipHop ist eine Jugendkultur, die sich gegen die Anonymität der Masse
wehrt. Im HipHop ist der Mensch wichtig, der Einzelne zählt. Und zugleich hat die soziale
Gemeinschaft einen besonderen Stellenwert. Freundschaft steht bei den HipHoppern in der
Werteskala ganz weit oben. Die „Posse“ oder die „Crew“, also die HipHop-Clique, schafft
Raum für das gemeinsame Interesse an der HipHop-Kultur, für den Austausch über das
„HipHop-Ding“ und für gemeinsam erlebte „Vibes“.
Die HipHop-Szene ist mittlerweile so groß, dass sie sich mit den Mitteln der sozialwissenschaftlichen Forschung auch quantitativ erfassen lässt. Interviewer strömen aus und
sammeln Daten, die die Jugendkulturforscher dann auswerten und interpretieren.
Und so weiß man heute ziemlich genau darüber Bescheid, was Jugendliche aus der
HipHop-Szene tun und was sie denken. Die meisten HipHopper sind nicht Aktivisten in dem
Sinne, dass sie selbst rappen, Platten auflegen, breaken oder Graffiti sprayen. Aber sie
sind auch nicht diejenigen, die über „dummes Rumgepose“ und gängige HipHop-Attitüden
niemals hinaus kommen. Sie sind vielmehr „aktive HipHop-Konsumenten“, die in den
Medien, in der Freizeitgestaltung und in der Musik ständig auf Ausschau nach HipHopMäßigem sind: nach dem für die Szene typischen Lebensgefühl; nach Leuten, die nach den
Gesetzen der HipHop-Kultur leben; nach Informationen über HipHop-Acts und HipHopStyles; nach Szeneläden, in denen man sich einkleiden kann; nach O-Ton von MCs, mit
denen sie sich identifizieren; nach mit Graffiti „zugebombten“ Straßen etc. Diese „aktiven
Konsumenten“ leben – wenn auch in etwas „abgesofteter“ Form – den Geist des HipHop.
In ihrem Alltag dreht sich alles um die HipHop-Community, die Freunde und die Musik.
Sie sind kommunikativ. Sie suchen den Sozialkontakt. Und sie sind viel unterwegs. Frei
nach dem Motto „Die Szene ist draußen, und wer in der Szene ist, bleibt nicht zuhause“
sind sie überall dort anzutreffen, wo etwas abgeht: in Szenelokalen und Clubs, auf HipHopJams, Konzerten und Festivals. Sie lernen gerne neue Leute kennen – am
besten HipHopper oder Jugendliche aus Szenen, die in ihrem Lifestyle den HipHoppern
recht ähnlich sind.
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6.5. Die 00er-Generation: „HipHop ist die letzte große Jugendkultur"
Quelle: www.spiegel.de
Porno, Aggro, Flatrate-Säufer: Mit diesen Reizworten wurde die Jugend der Nullerjahre
zum Problem abgestempelt. Ein Fehler, sagt Szenenkenner Klaus Farin im SPIEGELONLINE-Interview. Tatsächlich gibt es keine Jugendkultur mehr, wie wir sie kennen ständig werden alte Moden zu neuen gemixt.
SPIEGEL ONLINE: Jugendszenen unterliegen einem steten Wandel. Was hat das letzte
Jahrzehnt geprägt?
Farin: Seit den neunziger Jahren entstehen keine großen Jugendszenen mehr. Die letzte
dominante Jugendkultur ist im Augenblick noch HipHop - und sie wird die letzte sein. Es
wird kleinteiliger, widersprüchlicher, schneller. Die Stile fließen ineinander über. Als
Techno anfing, gab es vielleicht drei Stile - heute gibt es unzählige Varianten von Goa für
die Techno-Hippies bis zu Gabber, der Hooligan-kompatiblen Variante. Rap mischt sich mit
Reggae oder Rockmusik, und auch daraus entstehen neue Stile.
SPIEGEL ONLINE: Aus alt wird neu - ist die Kreativität der jungen Menschen am Ende?
Farin: Umdeutung und Vermischung können auch kreativ sein. Anfang der Neunziger etwa
gab es auf der einen Seite Punk, auf der anderen Techno - völlig unvereinbar, dachte man.
Und plötzlich meldete sich eine Band namens The Prodigy, und es gab den Elektropunk.
Man darf auch die Perspektive nicht vergessen - alles, was entsteht, ist für den 14-Jährigen
von heute sowieso völlig neu.
SPIEGEL ONLINE: Warum entstehen keine Massenbewegungen mehr?
Farin: Sie haben keine Zeit mehr dazu. Neue Trends werden so schnell von Medien
aufgegriffen und zum Mainstream geformt, dass das langsame Heranwachsen einer großen
Jugendkultur kaum mehr möglich ist. Damit eine Jugendkultur so groß werden kann wie
etwa HipHop, müssten sich die Medien mit dem Phänomen kontinuierlich drei Jahre
beschäftigen. So viel Zeit gibt es aber nicht mehr. Deswegen wird es kleinteiliger und
schnelllebiger - was ja nicht schlecht sein muss.
SPIEGEL ONLINE: Jugendkulturen entstehen aus Rebellion am Etablierten. Gibt es noch
diese Lust am Protest, wenn Eltern bis in ihre Vierziger hinein jugendlich wirken wollen?
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Farin: Ich denke schon. Rebellion gegen das Etablierte bedeutet ja nicht unbedingt ein
Aufbegehren gegen die Gesellschaft wie im Punk. Sondern mitunter auch nur gegen die
eigenen Alten und gegen die Langweiler in der Schulklasse. Das war in den Fünfzigern bei
den Halbstarken so und in den Neunzigern bei Techno. Es geht bei Jugendkulturen einfach
darum, etwas Eigenes zu haben, das nicht jeder Gleichaltrige hat.
SPIEGEL ONLINE: Ist das denn noch Aufbegehren, wenn Papa gern Reggae hört, der Junge
aber Dancehall?
Farin: Natürlich ist Abgrenzung für Jugendliche heute nicht mehr so leicht wie in den
fünfziger Jahren. Aber es funktioniert noch. Die Musik muss nur ein bisschen schneller und
extremer werden, dann ist man die Über-30-Jährigen schon los. Dancehall mag auch für
Papa akzeptabel sein, Black Metal sicher nicht. Außerdem sind die wenigsten Eltern
jugendkulturell geprägt. Auch Jugendliche übrigens nicht: Nur 20 Prozent von ihnen
gehören einer Jugendszene an.
SPIEGEL ONLINE: Porno-Jugend, Aggro-Jugend, Säufer-Jugend - immer wieder wird eine
Verrohung der Jugend postuliert. Ein Abwärtstrend?
Farin: Dass über Jugend negativ berichtet wird, ist nichts Neues. Seit Sokrates wird die
neue Generation stets schlechter als die eigene alte dargestellt. Wir werten das in einer
Forschungsgruppe aus: Achtzig Prozent der Berichterstattung über Jugendliche ist negativ.
Es geht um Rechtsextremismus, Gewalt, Alkohol und Drogen - Themen, die nur zehn
Prozent der Jugendlichen wirklich betreffen.
SPIEGEL ONLINE: Aber es gibt Phänomene, die neu sind - zum Beispiel amoklaufende
Jugendliche. Oder Flatrate-Saufen.
Farin: Das stimmt so nicht. Das alles gab es immer schon, geändert haben sich nur der
Umgang damit, die Quantität der Berichterstattung und die repressiven Forderungen. Seit
den siebziger Jahren verletzen etwa gleich viele Schüler andere auf dem Schulhof. Seit
zehn Jahren geht die Jugendkriminalität sogar zurück. Es gab noch nie so wenig
Jugendliche, die rauchen, das tun beispielsweise nur noch 17 Prozent der Mädchen und
jungen Frauen. Sie trinken weniger Alkohol als im letzten Jahrhundert. Und die zwei
Prozent der sogenannten "gefährlichen" Trinker gab es schon immer. Die Lage ist also viel
entspannter, als die vielen Verbotsforderungen glauben lassen.
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SPIEGEL ONLINE: Was bleibt denn übrig von den 2000er-Jahren?
Farin: Ganz klar - in den Nostalgiesendungen im Jahr 2020 wird aus diesem Jahrzehnt
HipHop gespielt werden. Neu entstanden sind außerdem Japan-Trends wie Visual Kei und
Cosplayer, das hat vor allem die Mädchen geprägt. In Erinnerung werden auch bestimmte
Sportszenen bleiben - die Skateboarder, die in diesem Jahrzehnt stärker geworden sind,
oder Parcours. Auch die Emos wandeln sich allmählich von einem Kleidungsstil zur
Jugendkultur. Was ausstirbt, sind von Medien hochstilisierte Phänomene. Wie der Kult um
die Container-Show "Big Brother", der zu Anfang dieses Jahrzehnts beträchtlich war. Die
Leute pilgerten nach Köln, harrten vor dem Container aus, es gab Bücher, Veranstaltungen,
Foren. Das wird bald vergessen sein wie alles, was nicht in der Alltagsrealität von
Jugendlichen selbst erfunden und gelebt werden kann.
4.6. Die besten Tipps für das Texten & Reimen von Songtexten
Quelle: http://www.28-industries.com/
Das wichtigste beim Schreiben von Songtexten überhaupt ist, dass es eigentlich keine
festen Regeln gibt. Das heißt, im Grunde genommen ist zunächst alles das erlaubt, was
dem Texter gefällt. Kein Texter oder Komponist arbeitet mit exakt den gleichen Stilmitteln
wie ein anderer, aber genau das ist auch wichtig, um den Songtexten eine eigene
Handschrift zu geben. Natürlich gibt es trotzdem einige wesentliche Punkte, die man beim
Texten und Reimen von Songtexten beachten sollte.
Hier die besten Tipps dazu:
•
Nicht zu kompliziert.
Der Songtext muss für das Publikum verständlich und in der Sprache geschrieben sein, die
die Zuhörer sprechen. Niemand hat Lust zuzuhören, wenn er nebenbei ein Lexikon
bemühen muss.
•
Hooks einbauen.
Hooks steht für Haken und meint Teile des Textes, die auffallen und sich sofort einprägen.
Solche Haken können zum Beispiel Phrasen sein, die man täglich benutzt, genauso aber
auch eine Art selbstausgedachte Sprichwörter. Wichtig ist, seine Hooks mehrfach im Text
zu wiederholen.
23
•
Über Themen schreiben, die einen interessieren.
Songtexte sind eine gute Möglichkeit, Erlebtes zu verarbeiten. Texte über Dinge, die man
selbst erlebt hat oder die einen interessieren, klingen zudem wesentlich authentischer als
komplett ausgedachte Inhalte.
•
Reimen
Es ist nicht unbedingt notwendig, den Text in Reimen zu schreiben. Gerade am Anfang
neigen Reime nämlich dazu, holprig und erzwungen zu wirken. Grundsätzlich gilt aber,
dass auch bei gereimten Texten der Inhalt eine wichtigere Rolle spielt als das Versmaß.
•
Die am häufigsten verwendeten Reimformen sind der Paar- und der Kreuzreim.
Paarreim bedeutet, dass sich jeweils die aufeinanderfolgenden Zeilenenden reimen,
beispielsweise Otto wohnt in einem Haus, in seinem Keller eine Maus. Beim Kreuzreim
reimen sich die Zeilen über Kreuz, zum Beispiel Der Bäcker backt ein Brot, auf der Weide
steht ein Rind, die Ampel, die ist rot, an der Küste weht der Wind.
•
Übung macht den Meister.
In den seltensten Fällen wird ein Songtext schon beim ersten Anlauf perfekt. Deshalb heißt
es auch hier, üben, üben, üben!
4.7.
Bildhaftes Sprechen im Rap
Im Gegensatz zum alltäglichen Sprechen wird in der Literatur – das gilt auch für Rap-Texte
– vieles auf ungewohnte Art und Weise dargestellt. Das macht den manchmal etwas
rätselhaften Charakter von literarischen Texten aus. Man bezeichnet dies ganz allgemein
als uneigentliches Sprechen, die Dinge werden eben nicht so dargestellt oder beschrieben,
wie wir das aus unserem Alltag gewohnt sind. Doch gerade die ungewohnte Art der
Darstellung und Beschreibung lässt uns die Dinge, unser Leben mit anderen Augen sehen.
Uneigentliches Sprechen heißt, die Dinge nicht direkt beim Namen zu nennen, sondern sie
in irgendeiner Weise umzuschreiben. Eine Form davon ist die Metapher, der bildhafte
Ausdruck.
Metapher [gr. metaphora = Übertragung]: Das eigentlich gemeinte Wort wird durch ein
anderes ersetzt, wobei zwischen beiden Ausdrücken eine sachliche oder gedankliche
Ähnlichkeit besteht bzw. die beiden Wörter dieselbe Bildstruktur aufweisen z.B. wird
24
„Quelle“ häufig als metaphorischer Ausdruck für „Ursache“ verwendet. Beide Begriffe
bezeichnen einen Ursprung.
Man unterscheidet weiter zwischen so genannten „toten“ und „lebendigen Metaphern“.
Tote Metaphern sind Klischees, die schon so oft gebraucht worden sind, dass sie einfach
langweilig werden wie z.B. die Spitze des Eisbergs, Parteienlandschaft. Und dann gibt es
lebendige Metaphern, die jemand ganz neu erfindet und die die LeserInnen oder
HörerInnen überraschen. Wichtig ist natürlich immer, dass das gewählte Bild auch stimmig
ist. Jede/r kennt und verwendet Metaphern, auch wenn es oft nicht mehr bewusst wird:
Wolkenkratzer, Motorhaube, Glühbirne – diese bildhaften Ausdrücke haben aber nicht
unbedingt etwas mit Dichtung zu tun.
Auf jeden Fall ist das bildhafte Sprechen und die Erfindung von oft höchst poetischen
Metaphern ein wichtiges Stilmittel im Rap.
25
4. TEAM UND WORD-RAP
AUTOR, INSZENIERUNG: Holger Schober
Holger Schober wurde 1976 in Graz geboren. Seit 2007 ist er künstlerischer Leiter des
Theatervereins Guerilla Gorillas und seit 2009 ebenfalls künstlerischer Leiter des Wiener
Klassenzimmertheaters. Von 2009 – 2011 leitete er die Sparte „Theater für junges
Publikum“ am Landestheater Linz. 2005-2007 befand er sich im Leitungsteam des TAG
(Theater an der Gumpendorfer Straße). 2000-2005 war er künstlerischer Leiter von Theater
KINETIS. 2000-2002 absolvierte er die Kulturmanagementausbildung am Institut für
Kulturkonzepte. Nach einem Germanistik und Anglistik Studium schloss er 2000 sein
Schauspielstudium am Max Reinhardt Seminar in Wien ab.
Er arbeitet als Schauspieler, Regisseur & Autor u.a. am Volkstheater Wien, Landestheater
Linz, Wiener Festwochen, Hamburger Kammerspiele, Rabenhof, Theater Drachengasse,
DSCHUNGEL WIEN; für Film (u.a. „Mein Russland“ - Max Ophüls Preis 2002, „Die Fälscher“ Oscar 2008) und Fernsehen („Polterabend“, „Vier Frauen und ein Todesfall“,
„Winzerkönig“). Auszeichnungen: niederländisch deutscher Autorenpreis „Kaas und
Kappes“ für „Heimat.com“, Nestroy in der Kategorie „Bester Nachwuchs als Schauspieler“
für „2 Brüder“.
WORD-RAP MIT HOLGER
Sprache
mein Job
Körper
wird immer älter
Mikrofon
brauche ich nicht mit meiner ausgebildeten Sprechstimme :-)
14 Jahre
da war ich 30 Kilo leichter, am Körper und im Hirn
Wut
da gibt es verdammt viel in mir
Liebe
da gibt es verdammt viel in mir
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Politik
wie mein Opa immer sagte, alles Deppen
HipHop
Auch wenn Simon mich hassen wird dafür: Yoh Baby!
Fantasie
geht mir nie aus, auch wenn meine Mutter das immer befürchtet
Publikum
ist der wichtigste Partner für den Schauspieler
Rolle
die vorwärts kann ich gut, rückwärts war früher besser
Wort
zum Sonntag
Kopf oder Herz
Immer das Herz in Verbindung mit Cochones dann kann nichts mehr schief gehen
AUTOR, DARSTELLER: Simon Dietersdorfer
Geboren 1984 in Wien. Schauspielstudium am Konservatorium Wien Privatuniversität.
Abschluss desselbigen mit Auszeichnung im Jahr 2008. Nach zwei Jahren als freischaffender
Schauspieler und Musiker von 2010 bis 2012 festes Ensemblemitglied des Theaters in der
Josefstadt. Weitere Engagements u.a. am Theater an der Gumpendorferstraße, 3raumanatomietheater, OFF-Theater, Theater in der Drachengasse sowie bei den Bad Hersfelder
Festspielen. Vor der Kamera stand er u.a. für die Fernsehserien „SOKO Donau“, „Der
Winzerkönig“ und „Mitten im 8ten“.
Seine zweite große Leidenschaft ist die Musik. Er textet, komponiert und produziert,
sowohl für das Theater als auch für diverse eigene Bandprojekte. Bisher übernahm er die
musikalische Leitung etlicher Produktionen u.a. „Das Dschungelbuch“, "Fremdstoff" am
DSCHUNGEL WIEN und "Ein Schaf fürs Leben" am Staatstheater Oldenburg.
Für die "Weihnachtsgeschichten vom Franz" war Simon Dietersdorfer beim STELLA 2011 in
der Kategorie "Herausragende Musik“ nominiert.
Als Rapper der Gruppe MA 21 performte er schon auf zahlreichen Bühnen u.a. im Rahmen
der „Wiener Festwochen“ gemeinsam mit dem Radio Symphonie Orchester. Ihr Debut
Album „Kopf oder Herz“ erschien 2010.
27
WORD-RAP MIT SIMON
Sprache
Ausdrucksmittel, Waffe, Miss/Verständnis
Körper
Simon wenn du immer diese breiten Sachen trägst wirst du auf der Bühne niemals eine
gute Körperspannung haben
Mikrofon
ich führ kein Gangsterdasein
doch trag ein Mikro voll Patronen mit denen ich Löcher in Gesellschaft und Systeme
schlage.
14 Jahre
möchte ich nicht mehr sein
Wut
„Wut raus/Blutrausch“ einer der meist benutzten Freestyle-Reime unserer Zeit, hate it
Liebe
Warum verlieb ich mich dauernd für ganze 3 Wochen?
Politik
alle reden, keiner macht was, einer macht was, alle reden, sich raus, keiner macht was
HipHop
ist Musik
Fantasie
verflucht sei Max Reinhardt und der Stanislauslawski gleich mit
Publikum
Wo sind die Frauen? Ah da, gleich neben meinem Ego
Rolle
Vorsprechen:
Welche Rolle haben sie vorbereitet? Nein, nein ich schlafe nicht, ich bringe meinen Kopf
nur in eine angenehmere Lage ...
Wort
Ich jongliere mit Wörtern bis mir eines aufs Blatt fällt
Kopf oder Herz
Tornados im Kopf aber mein Herz ist ein Weltall
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6. IMPULSE ZUR VOR- UND NACHBEREITUNG
Wir reimen (zum Aufwärmen)
Bildet einen Kreis und werft euch gegenseitig einen Ball zu. Wer den Ball zugeworfen
bekommt, muss einen Reim auf das Wort finden, welches der/die WerferIn vorhin in die
Runde gesagt hat. Wenn euch auf ein Wort kein neuer Reim einfällt, dann startet wieder
von Neuem.
Word-Rap (zur Vorbereitung)
Holger Schober (Autor, Regisseur) und Simon Dietersdorfer (Autor, Rapper, Darsteller)
haben beide an einem kleinen Word-Rap teilgenommen (siehe Punkt „Team und WordRap“). Findet euch in 2er-Gruppen zusammen und veranstaltet mit den gleichen Begriffen
einen Word-Rap. Die eine Person sagt ein Wort und die andere sagt darauf das erste, das
ihm/ihr einfällt. Einfach die erste Assoziation.
Um die beiden Personen, die hinter dem Stück „True Story“ stecken, ein bisschen näher
kennen zu lernen, ist es vielleicht spannend im Anschluss an die PartnerInnenübung, die
Assoziationen von Holger und Simon der Klasse laut vorzulesen.
Hier noch einmal die Begriffe:
Sprache, Körper, Mikrofon, 14 Jahre, Wut, Liebe, Politik, HipHop, Fantasie, Publikum,
Rolle, Wort, Kopf oder Herz
Brainstorm (zur Vorbereitung)
Hängt in der Klasse ein großes Plakat auf und sammelt darauf alles was euch zu Rap
einfällt. Was denkst und sagst du über Rap? Was macht deiner Meinung nach eine/n
RapperIn zu einem/r KünstlerIn? Inwiefern unterscheidet sich Rapmusik von anderen
Musikstilen, die du kennst, z.B. von Emo, Rock, Pop, Techno, Heavy Metal, Schlager oder
klassischer Musik?
Simon Dietersdorfer ist sowohl professioneller Schauspieler als auch professioneller
Rapper. In einem zweiten Schritt diskutiert darüber, welche der von euch gesammelten
Assoziationen auch auf die Kunstform Schauspiel oder auf eine/n SchauspielerIn zutreffen
können.
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History (zur Vorbereitung)
Informiere dich selber über die Geschichte des Rap im Internet oder in Büchern. Welches
Detail findest du besonders spannend und warum? Tragt so gemeinsam die Geschichte des
Rap zusammen.
Mein Lieblingsrap (zur Vorbereitung)
Die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch, dass sich auch in Ihrer Klasse ein Raptalent
befindet oder jemand der Rap für sein Leben gerne hört, ja vielleicht sogar seinen
momentanen Lebensstil darauf begründet. Bitten Sie diese/n SchülerIn seinen/ihren
Lieblingsrap oder HipHop Song mitzubringen. Spielen Sie diesen vor und drucken sie auch
die Lyrics, also den Text für alle in der Klasse aus.
Welches Thema oder welche Themen werden in dem Song behandelt?
Aus welcher Sicht wird der Text gesprochen oder die Geschichte in dem Song erzählt?
Hat der Song eine Message, also eine bestimmte Aussage? Vielleicht trägt er auch einen
Appell in sich?
Ich sags dir mit einer Metapher … - bildhaftes Sprechen
(zur Vor- oder Nachbereitung)
Der bekannte Rapper und Slam Poet Bastian Böttcher führt in seinem Rap S(n)ex auf
witzige Weise vor, wie häufig in der Alltagssprache Metaphern verwendet werden (siehe
Text von Vorlage 1 im Anhang).
Druckt den Text für alle SchülerInnen aus. Lassen Sie Ihren SchülerInnen Zeit den Text im
Stillen ein paar Mal durchzulesen.
Dann widmet euch gemeinsam folgenden Fragen:
Was gibt es in Bastians Text alles zu essen?
Was ist das eigentliche Thema dieses Raps?
Warum lassen sich gerade zu diesem Thema so viele Metaphern finden?
Welche weiteren bildhaften Begriffe fallen euch noch zu dem Thema ein?
In einem weiteren Schritt bildet 2er oder 4er Gruppen und schreibt den Text von Bastian
um, indem ihr versucht die einzelnen Metaphern in allgemeine Ausdrücke zu übersetzen.
Was ist der Unterschied wenn ihr eure Ergebnisse mit dem ursprünglichen Text vergleicht?
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Und zu welchem Ergebnis kommt ihr, wenn ihr den Text von Bastian mit Goethes Gedicht
„Die Bekehrte“ vergleicht (siehe ebenfalls Vorlage 1 im Anhang)?
Rhythmus und „Flow“ (zur Vor- oder Nachbereitung)
Arbeit mit Vorlage 2: Auszug aus dem Hip Hop Song „Wenn der Vorhang fällt“
(Freundeskreis feat. Wasi – 1992)
Versucht den Text laut zu lesen und den „Flow“ des Raps zu finden.
Durch Klatschen oder Fingerschnippen könnt ihr einen durchlaufenden Beat erzeugen.
Wenn ihr jeweils den ersten von 4 Schlägen betont, ergibt das automatisch einen 4/4 Beat.
Versucht nun anhand der Betonungen und Reime die rhythmische Struktur des Textes zu
rekonstruieren.
Schreibt den Text in Verse um (Lösung ebenfalls auf Vorlage 2).
Musik, Szene, Lebensstil (zur Vor- oder Nachbereitung)
Wie nehmt ihr die HipHop Kultur wahr? Wie wird sie in den Medien dargestellt? Beobachte
eine Woche die Musikkanäle, Musikzeitschriften oder Infos im Internet – beschreibt und
diskutiert.
Der Ton macht die Musik (zur Vor-oder Nachbereitung)
Nehmt den Text von Simon Dietersdorfer mit dem Titel „Minotaurus“ (S. 6) und probiert
unterschiedliche Versionen des Textes. Welche Wirkung erzielt der Text zum Beispiel wenn
du ihn mit einer starren Roboterstimme vorträgst? Wie ist es wenn du den Text leise oder
laut vorträgst? Probiert es auch in PartnerInnenarbeit mit verschiedenen Emotionen wie
z.B. traurig, fröhlich, betrunken, wütend, schüchtern, nachdenklich etc.
So könnt ihr euch verschiedene sprachliche Gestaltungsmöglichkeiten bewusst machen.
Vielleicht habt ihr auch Lust eine musikalische Untermalung zu dem Text zu suchen. Wenn
ihr passende Musik gefunden habt, probiert den Text mit musikalischer Untermalung
vorzutragen.
Mich bewegt (zur Vor- oder Nachbereitung)
Wenn du einen Raptext schreiben würdest, mit welchem Thema würdest du dich
beschäftigen? Was sind Themen, die dich bewegen, die dich so richtig was angehen? Was
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geht dir an die Nieren?
Schreibe einen kurzen Text dazu. Ob du ihn vorlesen willst, entscheidest du selbst.
Rhythmusmaschine (zur Vor- oder Nachbereitung)
Alle stellen sich in einen Kreis. Eine/r tritt kurz in den Kreis hinein und macht ein Geräusch
vor (z.B. zwei Mal klatschen), die anderen wiederholen es. Dann kommt der/die Nächste
und ergänzt ein neues Geräusch (z.B. Pfeifen). So ergibt sich allmählich eine
Rhythmuskette von Geräuschen.
Das Spiel kann auch als Rhythmusmaschine gespielt werden: Ein/e Schülerin verbindet
eine simple Bewegung mit einem Geräusch (z.B. Stehen mit hängenden Händen). Dann mit
der Hand den Boden berühren und wieder stehen wie zu Beginn. Dazu wird zum Beispiel
das Geräusch „Pfftsch“ gemacht. Der/die nächste Schülerin stellt sich neben die erste
Person und macht eine Bewegung, die sich zu der Bewegung der ersten Person verhält, z.B.
im Rhythmus die Hand nach oben strecken und das Geräusch „scht“ dazu machen usw. So
entsteht sukzessive eine Rhythmuskette, die an eine Fließbandmaschine erinnert. Die
Maschine soll solange wie möglich aufrechterhalten werden.
Wir fantasieren über die Fantasie – Ein Rapspiel (zur Vor- oder Nachbereitung)
Sprecht zuerst über den Begriff „Fantasie“. Welche Bedeutung hat Fantasie in meinem
Leben? Wo finde ich im Leben überall Fantastisches? Wie sieht meine eigene Fantasiewelt
aus? Ober bleibe ich lieber immer in der Realität? Welche Assozationen habt ihr zu dem
Begriff „Fantasie“ und welche bildhaften Umschreibungen oder Metaphern findet ihr zu
dem Begriff?
In einem zweiten Schritt findet einen einfachen Klatschrhythmus. Jede/r SchülerIn soll nun
einen Satz für eine Rap über Fantasie erarbeiten, welchen man leicht zum Klatschrhythmus
rappen kann.
Stellt euch im Kreis auf. Jede/r Schülerin soll nun einmal seinen/ihren Satz ohne Rhythmus
rappen.
Dann steigt der Rest der Klasse mit dem Klatschrhythmus ein. Macht einen Probedurchlauf
mit Text und startet dann den fantastischen Fantasie-Rap.
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Was ich schon immer mal sagen wollte (zur Vor- oder Nachbereitung)
Jeweils zwei SchülerInnen tauschen Informationen über ein Thema oder etwas, das sie
schon immer mal der ganzen Klasse mitteilen wollten aus. Im Anschluss setzt sich SchülerIn
A vor SchülerIn B. B bleibt hinter dem Stuhl stehen, schlüpft in einen Mantel, den A vor
sich zusammenhält oder -knöpft, so dass es für die BetrachterInnen aussieht, als hätte er
nur Person B vor sich. Person A tut nun so, als sei er B und erzählt etwas von „sich“,
während B die Geschichte gestisch und mimisch ausdrückt.
Ich bin – Wahrnehmungsübung (zur Vor- oder Nachbereitung)
Macht in der Klasse Platz für Bewegung. Lassen Sie die SchülerInnen durch den Raum gehen
und während des Gehens immer wieder den Satz: „Ich bin …“ vervollständigen.
Philosophieren Sie anschließend über das Thema: Identität und was Identität ausmacht.
Tipp: Achten Sie darauf, dass die SchülerInnen während der gesamten Übung keine Pausen
beim Sprechen machen, der stetige Redfluss soll helfen Unterbewusstes aufzuarbeiten.
„ICH“ ! – Wahrnehmungsübung (zur Vor- oder Nachbereitung)
Jeweils ein/e SchülerIn hat die Aufgabe einzeln die Klasse zu betreten.
Aufgabe der SpielerIn: Die Klasse betreten. Vor den MitschülerInnen aufstellen. Sich eine
Weile ansehen lassen. Dann „ICH“ zu sagen, eine Weile warten, abgehen.
Aufgabe der ZuseherInnen: Den/die SpielerIn genau zu beobachten und wahrzunehmen.
Wenn alle SchülerInnen einmal dran waren, reflektieren Sie über die Übung und Erlebnisse.
Wo ist mein Platz im Raum (zur Vor- oder Nachbereitung)
Man verteilt 6 Karteikarten auf dem Boden in gleichmäßigen Abständen so, dass sie einen
quadratischen Raum markieren. Nun fordert man eine/n SchülerIn auf, sich unter
verschiedenen Prämissen einen Platz in diesem Raum auf einer der Karten zu suchen.
Z.B. Du stehst als RapperIn auf der Bühne / Du stehst nachts allein an einer Bushaltestelle
/ Du kommst neu in eine Klasse / Du trittst vor eine Prüfungskommission / Du bist
PolitikerIn und hälst eine Rede an das Volk etc.
Die SchülerInnen besprechen im Anschluss die Wirkung und ggf. auch Angemessenheit der
gewählten Position (z.B. wird bei der PolitkerInnenrede wahrscheinlich die Karte im
Zentrum gewählt, weil man dort die größtmögliche Präsenz erlangt (und eine aufrechte
Haltung mit Blick nach vorne), während die nächtliche Bushaltestelle eher einen Rückzug
erfordert und eine Haltung/Blick, die die Flucht nach allen Seiten ermöglicht.
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Ziel: Raumbewusstsein, Körperbewusstsein/Körperpräsenz
Blickkontakt (zur Vor- oder Nachbereitung)
Im Kreis stehen und Blickkontakt suchen, wenn man eine/n PartnerIn gefunden hat,
wechselt man den Platz, dabei möglichst lange ansehen und den Kontakt so
aufrechterhalten.
Variation: Platz wechseln
Alle sitzen im Kreis und eine/r steht in der Mitte, der/die keinen Platz hat, mit
Blickkontakt wechseln je zwei ihren Platz, dann kann die Person in der Mitte versuchen,
den Platz zu ergattern.
Ziel: Schulung der Aufmerksamkeit und Wahrnehmung, Aufbau von Selbstbewusstsein
Interaktives Erzählen / Sprechen (zur Vor- oder Nachbereitung)
In einem Halbkreis werden Zettel auf den Boden gelegt. Auf diesen stehen Wörter wie:
WIEDERHOLUNG, KÖRPEREINSATZ, ÄHHH, LEISE, LAUT, LANGSAM, SCHNELL,
PAUSE
In den Halbkreis hinein stellt sich einer der SpielerInnen und erzählt/liest eine
Geschichte/einen Text. Die ZuhörerInnen haben nun die Möglichkeit durch Aufzeigen eines
Zettels/Reinrufen die Vortragsweise des Erzählers/ der Erzählerin oder des Lesers/der
Leserin zu beeinflussen. Man sollte ausmachen, dass nur alle paar Sekunden eine
neue Anweisung eingeworfen werden darf, damit es nicht zu chaotisch wird.
Ziel: Bewusstmachung der Wirkung von Gestik, Mimik, Intonation und weiteren Mitteln u.
Faktoren wie Wiederholungen für das Sprechen, Erlangen von Sicherheit im Vortragen
(Nicht einfach nur „Vorlesen“)
Spuren hinterlassen
(Übung braucht etwas Platz, am besten Turnhalle/Singsaal etc.)
Jede/r SchülerIn entscheidet sich für drei konkrete Plätze im Raum sowie für drei klare
Wege, die diese Plätze miteinander verbinden. Jeder der Plätze steht für einen definierten
Lebensabschnitt: Kindheit, Jetztzeit, Zukunft in 20 Jahren. Jeder Platz ist mit einer
spezifischen Erinnerung aus diesem Lebensabschnitt verbunden (kann eine Situation, ein
Lied, eine Person etc. sein) oder aber mit einer fiktiven Vorstellung an dieses Alter (Wie
stelle ich mir meine Leben in 20 Jahren vor).
Ziel der Übung ist es, bei einem Ereignis zu starten, den Weg zwischen den einzelnen
Abschnitten zu gehen und dabei vorerst gedanklich die Spuren nachzuzeichnen, die man in
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der Zwischenzeit hinterlassen hat (ist auf keinen Fall auf Vollständigkeit ausgerichtet) bzw.
glaubt noch zu hinterlassen.
Darauf aufbauend formuliert jede/r SchülerIn in einem nächsten Schritt zu jedem der
Ereignisse folgende Aussagen: Ich will …, Ich kann …, Ich brauche …
Gesamthaft ergibt sich damit ein Netz an Bezugspunkten im Raum. Als Improvisation für
die ganze Gruppe kann nun mit verschiedenen Tempi für die Wegstrecken gespielt werden,
sowie mit Wiederholen oder Bezugnehmen auf die im Raum stehenden Aussagen.
7. WEITERFÜHRENDE EMPFEHLUNGEN
Hannes Loh, Sascha Verlan: HipHop. Sprechgesang: Raplyriker und Reimkrieger.
Ein Arbeitsbuch, Verlag an der Ruhr, Mülheim an der Ruhr 2000
Heide Buhmann, Hanspeter Haeseler: HipHop XXL: fette Reime und fette Beats in
Deutschland, Rockbuch, 2001
Maike Plath: Biografisches Theater in der Schule, Beltz Verlag, Weinheim und Basel 2009
Claudia Felber: Die soziale Konstruktion von Geschlechtern im Rap, München 2008
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