Iwein - Moodle Lernplattform der ZHAW

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Iwein - Moodle Lernplattform der ZHAW
Fachhochschule Zürich
Informatikstudium
Dozent: Christian Walser
Fach:
Deutsch
Iwein
Hartmann von Aue
Stefan Laubenberger
Bullingerstrasse 53
8004 Zürich
Tel. 044 401 27 43
E-Mail: [email protected]
Inhaltsverzeichnis
Seite
2
Inhaltsverzeichnis
Iwein
1. Biographie
3
2. Zusammenfassung
6
3. Interpretation
12
4. Bibliographie
15
5. Leseproben
16
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1. Biographie
Hartmann von Aue1 lebte ungefähr von 1160 bis 1210. Er gilt neben Wolfram von Eschenbach
und Gottfried von Strassburg als der bedeutendste Epiker seiner Zeit. Sein Leben ist urkundlich
nicht bezeugt, so dass die Rekonstruktion seiner Lebensumstände auf eigene Äusserungen in
seinen Werken und Nennungen durch andere Autoren angewiesen ist.2
Das literarische Schaffen HvAs kann nur durch Querverbindungen zu Werken anderer Dichter
zeitlich eingegrenzt werden. Chrétiens de Troyes Érec et Énide und Yvain, die altfranzösischen
Quellen für Hartmanns Erec und Iwein, entstanden mutmasslich um 1165 bzw. um 1177.
Deshalb geht man davon aus, dass HvA nach 1180 als Dichter in Erscheinung trat. Spätestens
1205/10 waren alle Versromane HvAs bekannt, denn Wolfram von Eschenbach nimmt im
Parzival auf den Iwein Bezug, der aus stilistischen Gründen als letzter der vier Romane HvAs
gilt.3
Die meisten Informationen über HvAs Lebensumstände liefern die Prologe und Epiloge seiner
Werke. Besonders in den Prologen des Armen Heinrich und in kaum abgewandelter Form des
Iwein:
Ein rîter, der gelêret was
unde ez an den buochen las,
swenner sîne stunde
niht baz bewenden kunde
daz er ouch tihtennes pflac
(daz man gerne hoeren mac,
dâ kêrt er sînen vlîz an:
er was genant Hartman
und was ein Ouwaere),
der tithte maere.
Ein Ritter der gebildet war und aus Büchern schöpfte (wenn er seine Zeit nicht besser
verwenden konnte, pflegte er auch zu dichten), der bemühte sich um das, was man gern hören
mag: er hiess Hartmann und war von Aue, er hat diese Geschichte gedichtet.4
1
Nachfolgend als HvA bezeichnet
Salzmann, S. 16
3
Cormeau/Störmer, S. 30
4
HvA, Vers 21 - 30
2
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HvA ist demnach dem unfreien Stand der Ministerialen5 zuzuordnen und betont seine
Schulbildung, gemeint ist lateinische Bildung, die für einen Ritter um 1200 ungewöhnlich ist.
Die legendenhaften Werke Gregorius und Armer Heinrich sowie die Klage zeigen auch
philosophische, theologische und rhetorische Grundkenntnisse, die eine Ausbildung an einer
Domschule wahrscheinlich machen. Da Erec und Iwein aus schriftlichen französischen
Vorlagen übertragen wurden, muss HvA auch über ausgezeichnete Französischkenntnisse
verfügt haben.6
Weder HvAs Herkunft noch seine Wirkungsstätte lassen sich sicher lokalisieren. Er schrieb in
einem quasi-normierten Mittelhochdeutsch, das Dialekteigenheiten möglichst tilgte und eine
überregionale Verbreitung seiner Werke erlaubte.
Anders als Chrétien de Troyes hat HvA seine Mäzene7 nicht genannt, so dass man in dieser
Frage auf Spekulationen angewiesen bleibt. Als mögliche Gönner, ohne die ein
mittelalterlicher Dichter nicht hätte arbeiten können, kommen im Fall Hartmanns in erster
Linie die Zähringer, die Welfen und die Staufer in Betracht. Zu keinem Geschlecht lässt sich
aber eine Verbindung nachweisen.8
Meist wird heute die Anschauung vertreten, dass HvA am ehesten für den Hof der Zähringer
gewirkt haben dürfte. Dies könnte erklären, auf welchem Wege HvA zu seinen Vorlagen für
Erec und Iwein gelangte, denn das Adelsgeschlecht unterhielt enge Kontakte nach Frankreich,
die bis in den Wirkungskreis Chrétiens de Troyes reichten.9
Aus stilistischen Gründen lässt sich eine innere Chronologie der Werke erschliessen,
derzufolge das Klagebüchlein am Anfang steht. Erec ist der erste Versroman HvAs, gefolgt
vom Gregorius, dem Armen Heinrich und Iwein. Obwohl diese Reihenfolge fast
ausschliesslich auf Sprachuntersuchungen basiert, ist sie in der Forschung weitgehend
anerkannt. Möglich wäre allerdings auch die Entstehung des Armen Heinrich nach oder parallel
zum Iwein. Der Beginn des Iwein (etwa 1000 Verse) könnte in zeitlicher Nähe zum Erec
entstanden und der Roman erst später vollendet worden sein. Die Stellung der Klage als erstes
Werk ist nicht ganz deutlich, doch der Autor bezeichnet sich darin selbst als „jungelinc“.10
5
Tiefste Stufe des Adels, ein Dienstmann - vergleichbar mit einem heutigen Beamten.
Cormeau/Störmer, S. 36
7
Gönner, der die Dichter unterstützt – meist ein Adelsherr
8
Cormeau/Störmer, S. 37
9
Cormeau/Störmer, S. 35
10
Cormeau/Störmer, S. 27
6
Iwein
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Charakteristisch für HvA ist ein ernster, nüchterner und rationaler Stil, der sich argumentierend
im höfischen Minnediskurs bzw. in der Auseinandersetzung mit der Kreuzzugsthematik
bewegt. In der deutschsprachigen Kreuzzugslyrik nehmen die Lieder HvAs eine Sonderstellung
ein. Kein anderer volkssprachiger Dichter, ausgenommen Walther von der Vogelweide mit
seiner Elegie, greift mit solchem Ernst ethische Grundfragen auf.
Iwein
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2. Zusammenfassung
Geschrieben wurde Iwein zwischen 1199-1205. Der Erstdruck erschien 1786.
Iwein ist eine Rittergeschichte, geschrieben in mittelhochdeutschen Versen. Iwein, ein Ritter
des Artushofs, tötet aus Rache für einen Verwandten Askalon, den Hüter eines magischen
Brunnens. Er verliebt sich unsterblich in dessen wunderschöne Frau Laudine und heiratet sie
auch. Schon bald aber zieht er wieder aus, um Ehre zu sammeln. Laudine setzt Iwein eine Frist
von einem Jahr, innerhalb dieser Zeitspanne müsse er zurückkommen. Iwein vergisst den
Rückkehrtermin und wird von Laudine der Untreue bezichtigt. Er wird darauf wahnsinnig und
verbringt viel Zeit nackt im Wald und kann erst nach einem beschwerlichen Weg die Liebe
Laudines zurückgewinnen.
Prolog (Vers 1 - 30)
Das Buch beginnt mit einer Definition von Glück und Ruf, welche gemäss HvA auf der sittlich
- moralischen Gesamthaltung des Artushofs gründet.11 Der Garant einer solchen Haltung ist
König Artus, der den Inbegriff der Idealität verkörpert.12 Dabei wird Artus in doppelter
Perspektive gesehen: Zum einen in historischer Vergangenheit fremder Geschichte - Artus
erscheint in Form einer lebenden Legende und wird hoch gepriesen. Zum Anderen als aktuelle
Verkörperung aller Ideale.
HvA nennt seinen eigenen Namen im Prolog und stellt sich selber als einen belesenen und
gebildeten Ritter dar, der dieses Werk verfasst hat. Dabei erwähnt er auch, dass das Schreiben
seinen anderen ritterlichen Tätigkeiten untergeordnet ist.
Handlungsauslösung: Kalogreants Erzählung (Vers 31 - 944)
Der eigentliche Beginn der Handlung stellt das Pfingstfest am Artushof auf der Burg Karidol
dar, bei welchem sich alle berühmten Ritter treffen. Im Kreise der Ritter Gawein (Iweins
bestem Freund), Dodines, Segremors, Iwein und Keie beginnt Kalogreant, Iweins Vetter, eine
Geschichte zu erzählen.
Unerwartet erscheint die Königin bei den Rittern und Keie wird in seiner ambivalenten Rolle
als Hofzensor und Störenfried vorgeführt. Er macht sich aus Neid über das korrekte Verhalten
11
12
HvA, Vers 1 - 4 (Wer seinen Sinn auf das wahre Gute richtet, der erfährt Glück und Ehre)
HvA, Vers 8 - 11 (Er hat zu seinen Zeiten so vorbildlich gelebt, dass er den Kranz der Ehren damals trug)
Iwein
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Kalogreants gegenüber der Königin lustig und will ihn am erzählen hindern. Dieser lässt sich
jedoch nicht darauf ein und beginnt eingehend zu erzählen.
Vor ungefähr 10 Jahren ritt Kalogreant auf aventiure13 in den Wald von Breziljan. Nach einem
Ritt durch Dornen und Dickicht erreichte er eine Burg, von dessen Burgherrn er freundlich
empfangen wurde und dort übernachten konnte.
Am nächsten Tag gelangte er in die Wildnis zurück und entdeckte auf einer Rodung wilde
Tiere, die furchtbar miteinander kämpften. Er bemerkte einen verwilderten Waldmenschen, den
Hüter der wilden Tiere. Kalogreant fragte ihn wo und wie er hier etwas Ehrenvolles tun könne.
Der Hüter wies ihm darauf den Weg zu einer Quelle, mit der lakonischen Bemerkung, dass er
ein sehr grosser Mann sein würde, falls er diese Prüfung überstehen würde.
Kalogreant ritt zu der Quelle und als er sie erreichte, fühlte er sich wie im Paradies. Neben der
Quelle stand eine Linde, an der ein goldenes Gefäss hing und daneben war ein seltsamer Stein.
Er füllte das Gefäss mit dem Quellwasser und begoss den Stein. Sofort überzog ein gewaltiges
Unwetter das Gebiet und Kalogreant fürchtete seinen Tod. Doch das Unwetter verschwand
kurze Zeit später und der Ort sah wieder aus wie zuvor. Kalogreant hatte sich vom Schreck fast
erholt, da kam ein Ritter angeritten, der ihn als Rechtsbrecher verurteilte. Der Ritter hiess
Askalon und er war der Landesherr und der Hüter des Magischen Brunnens. Er forderte
Kalogreant zu einem Kampf heraus. Nach einem langen Kampf verlor Kalogreant, wurde aber
nicht getötet.
Damit endet seine Geschichte.
Erste Aventiuresequenz (Vers 945 - 3654)
Iweins Brunnenaventiure (Vers 945 - 1134)
Artus hat die Geschichte auch gehört und er will Kalogreant’s Ehre rächen. Artus beschliesst,
dass er und sein Heer in 14 Tagen an der Quelle sein wollen. Iwein jedoch will ihnen
zuvorkommen, da er seinen Vetter selber rächen will. Er reitet heimlich noch am selben Abend
los. Nach einigen Strapazen findet er schliesslich die Quelle und giesst ebenfalls Wasser über
den Stein. Askalon erscheint und wie bei Kalogreant entbrennt ein Kampf, in dessen Verlauf
Iwein Askalon tödlich verwundet. Der Verwundete flieht und Iwein folgt ihm bis in dessen
Burg. Diese ist durch ausgeklügelte Fallen geschützt und Iwein wird in einer solchen gefangen.
Von dort sieht er wie Askalon stirbt.
13
Abenteuer – Handlung spielt meist im damals dichten Wald Europas
Iwein
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Die Erwerbung Laudines (Vers 1135 - 2445)
Aus einer versteckten Tür erscheint die Hofdame Lunete, welche Iwein vom Artushof kennt.
Sie rettet sein Leben durch einen Stein, der ihn unsichtbar macht. Auf der Burg sieht er
Laudine, Askalon’s Witwe, und verliebt sich unsterblich in sie. Er weiss nur nicht, wie er als
Mörder ihres Mannes an seine Stelle treten könnte. Lunete hilft ihm ein weiteres Mal, indem
sie eine List anwendet. Sie erzählt Laudine, dass ihr Land einen neuen Beschützer brauche und
sie einen Mann kenne, der ihrer würdig sei. Sie führt folglich beide zusammen. Laudine
versteht Iwein’s Argument der Notwehr gegen ihren Mann und vergibt ihm. Wenige Tage
später heiraten Iwein und Laudine.
Artus Bestätigung und Krise (Vers 2446 - 3238)
König Artus kommt zur Quelle mir seinem gesamten Heer. Er leert das Wasser über Stein und
löst somit das Unwetter aus. Iwein erscheint unerkannt als neuer Brunnenschützer und fordert
Keie heraus, welchen er besiegt. Nach dem Kampf gibt Iwein sich zu erkennen. Als Artus von
seiner Hochzeit erfährt bleibt er eine Woche an seiner Burg und es gibt ein riesiges Fest.
Gawein dankt Lunete für die Hilfe an seinem Freund Iwein und gleichzeitig mahnt er Iwein,
mit einem warnendem Hinweis auf Erec, wieder mit den Artusrittern zu ziehen. Er rät zu einer
befristeten Trennung von Laudine. Iwein folgt dem Rat und Laudine setzt ihm eine Frist von
einem Jahr. Er bekommt auch einen Ring von ihr, welche ihre Minneverbundenheit
symbolisiert. Iwein zieht los und absolviert ein Turnier nach dem Anderen. Es gefällt ihm so
sehr, dass er den Rückkehrtermin vergisst. Lunete erscheint am Artushof und sagt, Iwein sei
ein Verräter und er sei ohne Treue. Sie nimmt ihm den Ring wieder weg. Dadurch verliert er
„sîn selbes hulde“14 - seine Identität ist zerbrochen. Er wird wahnsinnig und rennt nackt in die
Wildnis.
Wahnsinn und Heilung (Vers 3239 - 3654)
Iwein verlebt als verstandloser Wilder lange Zeit im Wald. Sein einziger Kontakt zu Menschen
ist ein Einsiedler, mit dem er Tauschhandel betreibt, aber kein Wort spricht.
14
HvA, Vers 3221
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Eines Tages wird er von drei Damen schlafend am Wegesrand gefunden. Sie erkennen ihn und
schicken ein Mädchen mit einer Salbe von „Feimorgan“15. Das Mädchen salbt Iwein ein und er
erwacht geheilt. Er erkennt sich selbst aber fast nicht mehr und denkt, dass die Zeit im Wald
nur ein Traum war.
Zweite Aventiuresequenz (Vers 3655 - 7780)
Hilfe für die Dame von Narison und für den Löwen (Vers 3655 - 3916)
Iwein folgt dem Mädchen auf das Schloss der Dame von „Narison“. Als dankt schlägt er das
Heer des verfeindeten Grafen Aliers. Iwein reitet weiter und hört furchtbare Laute. Diesen geht
er nach und trifft auf einen Drachen und einen Löwen, welche wild miteinander kämpfen. Er
entschliesst sich dem edlen Tier, also dem Löwen, zu helfen. Zusammen erlegen sie den
Drachen. Ab diesem Tag ist der Löwe sein ständiger Begleiter und Freund.
Hilfe für Lunete und Harpinepisode (Einkehr bei Laudine) (Vers 3923 - 5540)
Iwein kommt auf seiner Reise zufällig zur Quelle zurück und erinnert sich an den Gewinn und
Verlust von Laudine. Er wird ohnmächtig vor Schmerz und stürzt vom Pferd, wobei er sich
verletzt. Der Löwe denkt Iwein sei tot und will sich auch umbringen.
Iwein kommt zu sich und hat seine Vergangenheit deutlich vor Augen. Er sieht Laudines
Verlust als Inbegriff allen Unglücks und er hat Einsicht gegenüber seinem Fehlverhalten.
In der Nähe steht eine Kapelle. Dort liegt gefesselt Lunete. Sie ist eine zum Tode verurteilte
Verräterin, angeklagt von drei Männern. Iwein beschliesst gegen die drei Ankläger zu kämpfen
und so Lunete zur Mittagsstunde des nächsten Tages das Leben zu retten.
Er reitet weiter und kommt an eine Burg. Der Burgherr wird von einem Riesen namens Harpin
tyrannisiert. Dieser hat zwei seiner Söhne getötet, vier weitere in seiner Gewalt und will des
Burgherrn Tochter zur Frau. Da die Frau des Burgherrn Gaweins Schwester ist, entschliesst er
sich zu helfen und den Riesen zu töten.
Iwein gerät folglich in eine Terminbindung. Der Kampf gegen den Riesen am Morgen und der
Kampf um Lunete am Mittag.
Die Terminverpflichtung wird durch die Verspätung des Riesen zum quälenden Konflikt. Als
dieser endlich erscheint, erschlägt ihn Iwein mit der Hilfe des Löwen. Iwein reitet sofort los
und trifft erst am hohen Mittag bei dem Gerichtskampf ein.
15
Fee Morgan – Behüterin des sagenumwobenen „Avalon“
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Er muss alleine gegen drei Männer kämpfen. Nachdem er fast verliert, kommt ihm der Löwe
zur Hilfe. Somit gelingt es ihm, Lunete vor dem Scheiterhaufen zu bewahren. Iwein steht
Laudine an diesem Tag das erstemal seit Langem gegenüber, doch sie erkennt ihn nicht und er
will unerkannt bleiben. Laudines Einladung, bis zu seiner Genesung zu bleiben, lehnt er ab.
Iwein ist fortan bekannt unter dem Pseudonym des „Löwenritters“.
Erbstreit und Burg zum Schlimmen Abenteuer (Vers 5541 - 7780)
Sie reiten weiter und kommen schwer verwundet zu einer Burg. Der Burgherr lässt sie pflegen
und 14 Tage später gehen sie gesund weiter.
Zwischenzeitlich stirbt der Burgherr Graf vom Schwarzen Dorn und hinterlässt zwei Töchter
mit gleichwertigem Erbe. Ein Erbstreit entfacht, denn die Ältere will mit Gewalt das Erbe der
Jüngeren an sich reissen.
Die Töchter ziehen an den Hof von König Artus um ihre Streitigkeiten in einem Zweikampf zu
klären. Frauen ist es jedoch unmöglich zu kämpfen und sie müssen sich einen Fürstreiter
suchen. Die Ältere erreicht den Hof früher und sichert sich die Unterstützung von Ritter
Gawein. Die Jüngere sucht daraufhin den Löwenritter. Dieser soll ihr rechtmässiges Erbe
verteidigen. Ihr wird eine Frist von 40 Tagen bis zum Kampf gesetzt. In dieser Zeit muss sie
ihren Kämpfer finden. Sie macht sich auf die Suche. Unterwegs wird sie jedoch krank und ihre
Cousine setzt die Suche fort. Diese findet Iwein und schildert ihm die Problematik. Dieser
verspricht zu helfen und sie machen sich gemeinsam auf den Rückweg zur jüngeren Erbin. Auf
dem Weg kommen sie an die Burg des „Schlimmen Abenteuers“. Trotz Ermahnung des
Gefolges gehen sie hinein. Drinnen sind 300 Frauen von der Jungfraueninsel gefangengehalten
und zwei Teufelsritter (Riesen) verwehren jedem Eindringling den Rückweg.
In der Burg hat es einen Park, in welchem Iwein einen alten Ritter, seine Frau und dessen
Tochter findet. Er verliebt sich in die Tochter; trotzdem will er nur Laudine zurück.
Der alte Ritter setzt als Preisgeld für die erschlagenen Teufelsritter das Reich und die Tochter.
Um die Burg verlassen zu können, kämpft Iwein mit den Riesen und gewinnt durch den
beherzten Einsatz des Löwen.
Er verzichtet auf die Siegesprämie, lässt die Jungfrauen frei und reitet weiter.
Am Artushof angekommen gilt es den Erbstreit auszufechten. Unerkannt und unwissend
kämpft Iwein gegen Gawein.
Da sie gleich stark sind kämpfen sie bis zur Dunkelheit. Jeder will den Namen seines Gegners
erfahren. Nachdem sie sich erkennen, will jeder dem anderen den Sieg zusprechen.
Gawein erkennt Iwein durch den Löwen als Löwenritter. Das verpflichtet ihn zu Dank, wegen
der Schlacht gegen Harpin.
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Artus übernimmt schliesslich die Rechtsprechung und die Ältere muss nachgeben.
Rückkehr und Versöhnung mit Laudine (Vers 7781 - 8166)
Iwein hat nun als Löwenritter neues gesellschaftliches Ansehen erworben. Er bekennt sich
seiner Vergangenheit und beschliesst, durch die Minne gequält, seine Heimkehr.
Er geht zu der Quelle und will durch die Erzeugung eines Gewittersturms eine
Wiederannäherung zu Laudine provozieren, indem er glaubt, sie sei dann auf ihn angewiesen.
Iwein bespricht sich mit Lunete und diese wendet einen Trick an, um Laudine und ihn erneut
zusammenzubringen. Lunete bringt den Löwenritter ins Gespräch (Laudine weiss nicht, dass
Iwein und der Löwenritter die selbe Person sind). Sie erzählt Laudine, dass der Löwenritter für
seine Hilfe eine Belohnung haben will. Er möchte Laudines Hilfe um die Huld seiner Frau
zurückzugewinnen. Nicht wissend, dass sie selbst diese Frau ist, stimmt Laudine mit einem Eid
zu. Lunete reitet aus und findet Iwein am Brunnen und bringt ihn zu Laudine. Er wird Laudine
als Löwenritter vorgestellt. Iwein gibt sich zu erkennen, spricht ein Schuldbekenntnis und bittet
Laudine um Vergebung. Die Versöhnung folgt sogleich.
Beide sind glücklich darüber. Laudine beginnt sogar Fehler bei sich zu suchen. Iwein weist
diese jedoch als unbegründet zurück.
Am Ende der Geschichte wünscht HvA allen Zuhörern das Beste.
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2. Interpretation
Die höfische Dichtung entstand etwa Ende des 12. und am Anfang des 13. Jahrhunderts an
fürstlichen Höfen. Das Leben an den ritterlichen Höfen war abwechslungsreich und luxuriös.
Es bestand aus kulturellen Anlässen, Sport und Spielen. Die christlich- antike Tradition bildete
die kulturelle Grundlage der Literatur. Die höfische Dichtung zielte nicht auf die Abbildung
gesellschaftlicher Wirklichkeit ab. Der höfische Dichter idealisierte viel mehr die höfische
Gesellschaft und stellte Muster auf, nach denen sich der höfische Zeitgenosse richten konnte.
Eine literarische Gattung der höfischen Dichtung war das höfische Epos, ein Versroman nach
französischem Vorbild. HvAs Iwein gehört zu dieser Gattung.
Die ritterlichen Ideale und Tugenden der höfischen Dichtung waren:
•
froide und hoher muot (Freude und seelisches Hochgestimmtsein)
•
zuht und mâze (Anstand, Wohlerzogenheit und Mässigung der Leidenschaften)
•
êre (Ansehen, Geltung, Würde)
•
triuwe und staete (Treue, Aufrichtigkeit, Beständigkeit, Verlässlichkeit)
•
milte (Freigebigkeit, Grosszügigkeit)
•
minne (Liebe, Gottesliebe usw.)
Iwein ist auf dem typischen Grundschema des Artusromans aufgebaut. Der Held, ein Mitglied
der Tafelrunde des Königs Artus, gelangt in zwei Etappen (Doppelweg) zu wahrer ritterlichen
Perfektion, Identitätsfindung und Erfüllung des Daseins in der Gemeinschaft. Sein zunächst
schnell erreichter Ruhm und Minnegewinn gehen wieder verloren und er muss auf einem
zweiten Aventiureweg wirkliche ritterliche Tugend erlernen, die ihm dann dauerhaftes Glück
einbringt.16 Iwein gewinnt schnell angebliche Ehre und Liebe, verliert diese aber wieder.
Iweins Weg zurück zu seiner Dame und zu Ehre führt über verschiedene Aventiurien, die er
erfolgreich bestehen muss. Jede seiner Stationen versinnbildlicht dabei eine höhere Stufe seiner
inneren Entwicklung.
16
Salzmann, S. 26.
Iwein
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„âventiure? Waz ist daz?“ fragt der Hüter der wilden Tiere am Anfang des Romans. Kalogreant
antwortet darauf:
„daz will ich dir bescheiden baz.
nû sich wie ich gewâfent bin:
ich heize ein riter und hân den den sin
daz ich suochende rîte
einen man der mit mir strîte,
der gewâfnet sî als ich.
daz prîset in, und slehr er mich:
desige aber ich im an,
sô hât man mich vür einen man,
und wirde werder danne ich sî.“
Das will ich dir genau auseinandersetzen. Du siehst, wie ich bewaffnet bin: ich nenne mich
Ritter und habe im Sinn, dahinzureiten und einen Mann zu suchen, der – bewaffnet wie ich –
mit mir kämpfe. Es erhöht seinen Ruhm, wenn er mich schlägt; aber besiege ich ihn, so hält
man mich für einen echten Mann, und ich habe mehr Ehre als bisher.17
Diese Auffassung von Aventiure, die Kalogreant als Repräsentant des Artushofes vertritt und
die auch Iwein zunächst teilt, erweist sich im Verlauf der Geschichte als unzureichend. Erst
nachdem Iwein den Artushof verlässt, lernt er auf seinem Abenteuerweg die tiefere Bedeutung
von Aventiure und wahrer ritterlicher Lebensform kennen. Sein Wahnsinn und die
darauffolgende Heilung bietet ihm eine Chance zum Neubeginn. Es beginnt nun eine
Entwicklung weg vom Streben nach persönlichem Ansehen. Iwein besinnt sich auf die
Grundlagen menschlicher Beziehungen und lernt, sich wahrlich ritterlich und
gesellschaftsbezogen zu verhalten. Als Wendepunkt in der Geschichte kann die Löwenepisode
angesehen werden. Der Löwe erscheint im christlichen Sinne oft als Symbol Christi,
wohingegen sein Feind, der Drache, als Symbol des Feindlichen, Bösen, gesehen wird. Man
kann deshalb Löwe und Drache als die elementaren Gegensätze von Gut und Böse betrachten.
Iweins Entscheidung für den Löwen würde somit seine Entscheidung für das Gute
repräsentieren. Von nun an erweist sich Iwein in all seinen Handlungen als musterhaft. Er
macht sich auf, unter einem neuen Namen seine verlorene Identität wiederzuerlangen. Sein
ständiger Begleiter, der Löwe, verkörpert die Eigenschaften, die der Ritter nun ebenfalls
besitzt, nämlich Mut, Tapferkeit, höfisches Verhalten, vor allem aber Treue, Mitleid und
17
HvA, Vers 527 - 537
Iwein
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Beständigkeit. Die Wandlung Iweins zeigt sich vor allem bei den Episoden, wo er Leuten hilft,
denen er weder persönlich nahe steht noch zu Dank verpflichtet ist.18
Auffällig ist im Iwein der Anteil von Erzählmotiven, die der Leser heute als märchenhaft
einstuft: die Quelle, deren Wasser ein Unwetter auslöst, der unsichtbarmachende Ring, die den
Wahnsinn heilende Salbe Feimorgan, Riesen und andere Fabelwesen. Der Löwe als Begleiter
oder die schnell getröstete Witwe sind Bestandteile antiker Erzählformen. In der Erzählwelt des
Romans gehören diese Dinge zur „Realität“, wie der historische Charakter des Artusreichs und
ritterliche Wertvorstellungen. Trotzdem ist ihre ursprüngliche Bedeutung im Iwein
verweltlicht, das heisst, dass die Burgherrin sich nicht mehr nur auf den Unwetter
herbeiführenden Brunnen als Schutz verlässt, sondern auch auf einen Mann, der sie beschützen
soll.
Das Buch war in meiner vorliegenden Fassung zu meinem Erstaunen sehr gut zu lesen. Es ist
flüssig und verständlich geschrieben. Die Geschichte finde ich interessant und witzig erzählt.
Vor allem gefallen mir die Passagen, in welchen HvA seinen Kommentare als Autor
einfliessen lässt und kleine Seitenhiebe an Chrétiens de Troyes19 austeilt. Des weiteren haben
mir die „emanzipierten“ Frauen gefallen, so wie die Schilderungen der Frau allgemein, welche
wieder erwarten sehr positiv und aufgeschlossen ausfallen.
Das Buch kann ich jedem empfehlen, der sich für die Artuslegende im Ursprung sowie für das
höfischen Leben zu jener Zeit interessiert.
18
19
Salzmann, S. 116 - 120.
HvA, Vers 1028 - 1050
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3. Bibliographie
Hartmann von Aue – Iwein
Aus dem Mittelhochdeutsch übertragen von Max Wehrli
Zweisprachige Ausgabe
Zürich, Manesse Verlag, 1988, ISBN 3-7175-1760-0
Cormeau/Störmer - Hartmann von Aue
München, C. H. Beck Verlag, 1985, ISBN 3-406-37629-0
Salzmann – Hartmanns „Iwein“ und die mittelenglische Erzählung „Ywain and Gawain“
Wetzlar, Atelier für Graphik und Gestaltung, 2001
Weiterführende Literatur:
Sosna – Fiktionale Identität im höfischen Roman
Stuttgart, Hirzel Verlag, 2003, ISBN 3-7776-1220-0
Hübner – Erzählform im höfischen Roman
Tübingen, Francke Verlag, 2003, ISBN 3-7720-2035-6
Graf – Die Pathologie in Hartmann von Aues „Iwein“
Bern, Peter Lang Verlag, 1989, ISBN 3-261-04110-2
Ywain auf Schloss Rodenegg
Sigmaringen, Thorbecke Verlag, 1996, ISBN 3-7995-4248-5
Iwein
Deutscharbeit
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4. Leseproben
Iwein
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