Minimuseum Bäsele Im Mondschein Basejumping
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Minimuseum Bäsele Im Mondschein Basejumping
M Ü R R E N Minimuseum Suppenalp Ein Museum verteilt auf das ganze Dorf: In sieben Vitrinen zeigt das Minimuseum Mürren in Wechselausstellungen spannende Aspekte der Region. Ab 28. Dezember werden Geschichten der englischen und italienischen Soldaten, die während der beiden Weltkriege in Mürren stationiert waren, erzählt. Minimuseum Mürren minimuseummuerren.ch Bäsele Wer Curlingregeln noch nie verstanden hat, sollte einen Einführungskurs beim Mürrner Curlingclub belegen. Auf der Open-Air-Anlage führt dieser jeden Mittwochnachmittag auch Anfänger aufs Eis. Gut gibt es den Besen zum Festhalten. Oder den Tanzpartner: Denn manchmal gibt es freitags auch eine Eisdisco. Curlingclub Mürren, Curling Büro T. 033 856 86 81. muerrentaechi.ch Von der Piste direkt an den Suppentopf. Dies ist auf der «Suppenalp» möglich. Es gibt hier aber mehr als nur Suppen. Gekocht wird alles auf dem Holzofen und schmeckt daher auch entsprechend rustikal und einfach gut. Ob als Zwischenstopp oder zum Übernachten: Ausprobieren! Ein Licht am Berg: Die Suppenalp auf 1 850 m ü. M. Restaurant Pension Suppenalp, Blumenthal, Mürren. suppenalp.ch Alter Charme Wer in die Geschichte Mür- rens eintauchen will, ist im 100-jährigen Hotel «Regina» richtig. Das Interieur hat den Charme von früher und im pompösen Speisesaal erwartet man, dass jeden Augenblick die Skiherren im Smoking und Lackschuhen hereintreten. Belle Epoque Hotel Regina, Mürren, T. 033 855 42 42. regina-muerren.ch Grün wie der Frühling: Hier schläft es sich gut. Im Mondschein Ds Tächi Rassige Schlittenfahrten führen von Mürren nach Gimmelwald. Romantische beim Vollmond von der Winter-egg nach Lauterbrunnen. Liegt nicht genügend Schnee, wird durch den Winter und die Nacht gewandert. Wenn auf der Skipiste am frühen Morgen die Augen klein sind, dann ist die «Tächi Bar» schuld daran. Denn wer in Mürren auf den Tischen tanzen will, der geht ins «Tächi», beim Hotel «Eiger». Hier treffen sich die Engländer, aber auch die Einheimischen. Jede Nacht bis 2 Uhr. Die aktuellen Termine fürs VollmondSchlitteln gibt es bei Mürren Tourismus im Sportzentrum. muerren.ch Englishman: Die Bar erinnert an die Zeiten der Engländer. Tächi Bar, Hotel Eiger, Mürren, T. 033 856 54 54, hoteleiger.com Basejumping basejumper.ch Apfelkuchen Den weltbesten Apfelkuchen soll es hier geben, sagt man, und allein schon dieses Versprechen ist es wert sich auf den Weg zu machen und das Bergrestaurant via Ski, Snowboard, Schneeschuh oder Wanderweg aufzusuchen. Zudem kann man hier herrlich die Sonne geniessen. Bergrestaurant Gimmelen, T: 033 855 13 66 Lecker: der Apfelkuchen im «Gimmelen» Bild: zvg / Illustration Karte: Sarah Hochuli 2 5 Hinter dem Dorf fällt die Mürrenfluh steil ins Lauterbrunnental ab. Eine Wand, die Risikofreudige einlädt, vom Fels zu springen. Im Tal löst das Thema Kontroversen aus, denn der Tod springt allzu oft mit. In Mürren hingegen plant man eine Aussichtsplattform, damit man beim Absprung zuschauen kann. Infos zu den Exit-Points gibt’s bei der Swiss Basejumpe Association. M Ü R R E N Aufs Horn Das Schilthorn gehört zu Mürren wie Sushi zu Japan. Die Bahn befördert nicht nur Wintersportler hoch, sondern auch Helden. Stolz sein kann sie aber nicht nur wegen 007, sondern auch wegen der Berge: Atemberaubend stehen diese vor den Fenstern des Drehrestaurants. Und falls mal Nebel aufzieht, nutzen Sie die Zeit für den Besuch der «Bond World». Danach fühlen Sie sich Held genug, die Piste auch im Nebel zu meistern. Schilthorn, Aussichtspunkt, Museum, Restaurant und Skistation in einem. schilthorn.ch Dank James Bond fertig gebaut: das Drehrestaurant auf dem Schilthorn An den Berg Es ist Winter und in Mürren will man Schnee. Klar! Aber der nächste Sommer kommt bestimmt und drum soll hier unbedingt der Mürrner Klettersteig empfohlen sein. Er ist etwas mehr als Bergwandern und etwas weniger als Bergsteigen. Auf dem ganzen Weg gesichert kann man die Aussicht und die Herausforderung geniessen. Zum Beispiel wenn’s über die Hängebrücke geht. Der Steig ist mit oder ohne Bergführer zu meistern. Klettersteig, 2,2 km von Mürren nach Gimmelwald, mit 60 m Tyrolienne. Juni – Okt. klettersteig-muerren.ch Zwischen Berg und Abgrund: Der Klettersteig führt von Mürren nach Gimmelwald. Wenn es draussen hüzt und schneit, dann braucht man ein wärmendes Bad. In Mürren gibt es seit diesem Herbst ein neues Spa, das finnisch, griechisch oder türkisch verwöhnt. Wem Massagen und Kräuterbäder nix sagen, der kann auch im Bassin seine Runden schwimmen. Alle anderen mögen kaum warten, bis der Skitag vorüber ist und ihnen die feucht-heisse Luft von Sauna und Dampfbad Ohren, Nasenspitze, Finger und Zehen wieder aufwärmt. 2 3 Alpine Spa, Sportzentrum Mürren. sportzentrum-muerren.ch Wohltuend: die Hot-Stone-Massage Heiss: Bei 70 Grad fliesst der Schweiss. Bild: swiss-image.ch/Marcus Gyger/ Mürren Tourismus Ins Bad Text Annette Marti, Bild Ulrich Mattner Andy Backer, zwischen Frankfurt und Mürren Der Laden an der Dorfstrasse sieht etwas zu urban aus für Mürren. Flauschige Designermützen hängen neben RetroT-Shirts. Freitagtaschen und Lego-Star-Wars-Schlüsselanhänger tummeln sich in einer Reihe mit «antiken» Snowboards, Relikte der neonfarbigen 1980er Jahre. «Exile on Main- street» heisst die Bude. Sie ist aber alles andere als ein Ort der Verbannung. Eher ist sie das selbst gesuchte kleine Schweizer-Refugium des Frankfurters Andy Backer. Bereits vor seiner Geburt war klar, dass Andy ein Mürrner Ferienkind werden wird. Die Eltern, beide aus Deutschland, verbrachten ihren Urlaub Winter für Winter in Mürren und so wurde das Schweizer Bergdorf für Klein-Andy zur zweiten Heimat. Er blieb immer länger in Mürren, pendelte schlussendlich als passionierter Snowboarder zwischen Frankfurt und Mürren hin und her und mietete als logische Folge mit seinem Kumpel Jan Indermühle bald eine eigene Wohnung nahe den Pisten. Als ein Umzug anstand, suchten die beiden ein Haus, fanden aber stattdessen einen Laden an der Dorfstrasse. Hinter dem Ladenlokal ist ein kleines Chalet angebaut. Diese Räume dienten den beiden Mürren-Fans als Unterschlupf für den Winter. Andy erinnert sich: «Es stellte sich die Frage: Was machen wir mit dem Laden? Freunde halfen uns, den Shop mit Ware zu füllen und wir begannen, selber T-Shirts, Hoodies und Strickmützen zu produzieren.» Darin hatten die zwei Ladengründer bereits Erfahrung, allerdings nur auf privater Basis. Jan tüftelte am Design, Andy brachte sein Know-how als Betriebswirtschafter ein. Zudem wurde im Laden ein Snowboardmuseum eingerichtet. Die alten Bretter sind Erinnerungsstücke an die Anfänge der Snowboardszene. Aus dieser Zeit ist dem «Exil» auch der TreffpunktCharakter erhalten geblieben. Als Andy und Jan ihre ersten Mützen verkauften, waren sie dann doch erstaunt. «Es begann eigentlich als Spass, aber irgendwann merkten wir, dass wir tatsächlich etwas bewegen können», blickt Andy zurück. Allmählich entstand die Idee, die Welt mit einem Mürrner Modelabel zu beglücken. «Piz Gloria» war geboren. Bald hatte das «Exile on Mainstreet» geregelte Öffnungszeiten und war nicht mehr nur gelegentlich offen. Das Label etablierte sich: Kult für die Mürrner Stammkundschaft, charaktervolles Nischenprodukt im Sortiment anderer Wintersportgeschäfte, schweiz- und deutschlandweit. Seit ein paar Jahren ist der Shop auch im Sommer geöffnet, obwohl das anfänglich nicht so geplant war. Es stellte sich heraus, dass gerade das Sommergeschäft ausbaufähig ist. Der Tagestourismus bringt neue Kunden, Amerikaner zum Beispiel, die die T-Shirts lieben, oder Asiaten, deren Ohren auch im Schweizer Sommer eine Mütze vertragen. Obwohl der «Piz Gloria»-Gründer heute Mitarbeiter hat, die den Laden schmeissen, verbringt der 47-Jährige noch immer viel Zeit in Mürren und wohnt dann jeweils in der mittlerweile mit einer Dusche aufgepeppten «Bleibe» hinter dem Laden. Es fühle sich einfach gut an, oben zu sein. Und: Die Skyline von Mürren sei ein willkommener Gegenpol zur Skyline von Frankfurt. ● Piz Gloria Annette Marti ist freischaffende Journalistin. Ulrich Mattner ist Street- und Architektur-Fotograf und veröffentlichte vier Bücher über Frankfurt. umattner.de Die Kleidermarke aus Mürren betreibt mitten an der Dorfstrasse das Exile on Mainstreet und das höchst gelegene und erste Snowboardmuseum der Welt. piz-gloria.com M Ü R R E N Andy Backer: fühlt sich im Berner Oberland zu Hause 79 2 2 M Ü R R E N 20 → Massenbeförderung hinunter.» Unter der Ägide der Bahn, welche die Aufstiegsanlagen in einen Betrieb zusammenführte, wurde das Skigebiet insbesondere in den letzten fünfzehn Jahren stark entwickelt und ausgebaut. So hat sich auch in meinen über vierzig Jahren Mürren das Bild verändert. Gemütlich war das Skifahren früher. Und anspruchsvoller: Der Gipfelhang am Schilthorn mit seinen eisigen Buckeln machte mir als Kind immer Sorgen. Und an den Skiliften Schiltgrat und Engetal, heute beide durch Sesselbahnen ersetzt, flog ich regelmässig aus dem Bügel, weil es mich an den steilen Stellen in die Luft hob. Heute ist alles professioneller, moderner. Die Skifahrer sind mit der unvergleichlich besseren Ausrüstung schneller geworden, oft zu schnell. Und fahren auch in Mürren meist mit Helm. Eine weitere Veränderung von vielen: Zu meiner Jugendzeit waren in Mürren nur wenige abseits der Piste unterwegs. Das ist, besonders in den letzten zehn Jahren, anders geworden: Unser Variantenfahren vor dreissig Jahren – etwa vom Grauseeli nach Gimmeln, vom Schilthorn ins Saustal oder durch den Tschingelchrachen ins Blumental – ist dem allzeit und überall ausgeübten Freeriden gewichen. Mit auch hier der entsprechenden Entwicklung des Materials: Wir waren immer mit denselben Skiern unterwegs, ob auf oder abseits der Piste. Die Freerider von heute hingegen gleichen oft extraterrestrischen Wesen, mit ihren weiten, farbigen Kleidern, den riesigen Helmen, der obligaten Kamera und ihren schweren Latten. Und sie sprechen nicht mehr von Abfahrten, sondern von Rides und Runs – womit sie ungewollt wieder einen Bogen zu den britischen Pionieren schlagen. In Mürren findet seit einigen Jahren auch der Freeski- und SnowboardAnlass «Whitestyle Open» statt. Die Schlagwörter lauten Chillen, Stylen, Riden … Es sind andere Begriffe und Inbegriffe als in meiner Jugend, als ich im Teenageralter die letzte Märzsonne und die ersten Pubertätsschübe auf der Sonnenterrasse von Gimmeln bei Kaffee Fertig und einem Ländler aus der klapprigen Jukebox genoss und dies für mein Glück völlig reichte. Aber vielleicht ist es viel weniger anders, als ich denke. Vielleicht ist alles einfach zyklisch, wie überhaupt im Leben und in der Geschichte? Mürren war einst Wiege des Skisports, hat dann lange ein ruhigeres Dasein geführt, um in letzter Zeit wieder an Bedeutung zuzulegen. Das Wichtigste: Es hat sich nicht verloren bei seiner Entwicklung, auch wenn einiges nicht zum Besten steht – das ehrwürdige «Palace Hotel» steht schon seit mehreren Jahren leer, Läden wurden geschlossen. Aber das Dorfbild ist erhalten geblieben, das Skigebiet hat dazugewonnen, Mürren hat eine Zukunft. Und eines ist sicher: Die Berge gegenüber, die stehen da wie einst. Auch nach vierzig Jahren kann ich mich an dieser Kulisse nicht sattsehen. Dieses grossartige Panorama, das in den Alpen seinesgleichen sucht, kann Mürren niemand nehmen. Und schon allein dafür sollte man, mein Ehrenwort, in den Berner Oberländer Ort reisen. Mit oder ohne Ski. ● Bombastisch: Als die Rennfahrer Kanonen waren. Werbung um 1950: Die Skirennen standen im Zentrum. Christine Kopp ist freiberufliche Autorin und Übersetzerin im Bereich Alpinismus und Tourismus; sie arbeitet in der Schweiz, Deutschland und Italien. Ihr neuestes Buch «Betsy Berg» enthält 41 Kurzgeschichten aus Berg und Tal und ist im 2012 Eigenverlag erschienen. christine-kopp.ch Wintersaison 2013/14 Die Wintersaison wird in Mürren offiziell am 7. Dez 2013 eröffnet. Sie dauert je nach Schneeverhältnissen bis April 2014. 7 1. Internationales Inferno-Rennen Zwischen dem 22. und dem 25. Jan steht Mürren Kopf. Es wird in der Nacht Langlauf gelaufen, beim Umzug mit dem Teufel getanzt und schliesslich am Samstag das grosse Rennen gefahren. inferno-muerren.ch 2 1 9. Whitestyle Open Der Event für alle coolen Freerider zieht Jung und Alt nach Mürren. 2014 findet der Anlass vom 7. – 9. März statt. whitestyle.ch Eine lange Tradition: Mürren weiss, wie man Rennen organisiert. Bild: Aus dem Bildarchiv von Bernhard Spörri. Legendär v Postkartengrüsse aus Mürren: Das Skiimage war früh gegeben. Bild: Aus dem Bildarchiv von Bernhard Spörri Erster Skilift im Berner Oberland: 1937 investierte man in die Zukunft. Auch in Mürren mit dabei: Bernhard Russi, 1971 Und da war die Verbindung Mürrens mit Henry Lunn: Der engli19 → sche Methodistenpfarrer und Arzt gründete 1905 eine elitäre Reiseagentur für britische Gäste, für die er in Schweizer Kurorten ganze Hotels mietete, ab dem Winter 1910 auch in Mürren. Die englischen Gäste wurden so schon vor dem Ersten Weltkrieg zum touristischen Rückgrat des Dorfes und die Wintersaison gewann an Bedeutung. Wegen seines Panoramas und der gediegenen Hotellerie – Lunn selbst erwarb 1909 das «Des Alpes» und erweiterte es zum «Palace Hotel» – bevorzugte Henry Lunn bald den kleinen Ort und brachte die «Jeunesse dorée» Grossbritanniens nach Mürren. Henry nahm natürlich auch seinen Sohn Arnold mit nach Mürren, der bald ein leidenschaftlicher Skiläufer wurde. Er ging als Vorreiter dieser Disziplin in die Geschichte ein, auch in jene Mürrens, wo Arnold Lunn ab 1912 seine Winterferien verbrachte und sich mit dem lokalen Skipionier Walter Amstutz anfreundete. Der extrovertierte Lunn und der introvertierte Amstutz, beide ehrgeizig und visionär, revolutionierten den Skirennsport von Mürren aus in den nächsten Jahren; Amstutz regte zudem 1924 die Gründung des Schweizerischen Akademischen Skiclubs an. M Ü R R E N Kandahar und Inferno 1922 flaggte Arnold Lunn neben dem Hotel «Jungfrau» in Mürren den ersten Slalom der alpinen Skigeschichte aus – ein Meilenstein. 1924 gründete er mit acht begeisterten Briten, darunter drei Damen, den Kandahar Skiclub, der die internationale Anerkennung des alpinen Skisportes zum Ziel hatte. Warum aber der exotische, auf die Stadt Kandahar in Afghanistan zurückgehende Name? Er hat mit dem Feldmarschall Frederick Earl Roberts of Kandahar zu tun: Dieser hatte 1880 die eingeschlossene britische Garnison in Kandahar befreit und wurde von Königin Victoria für diese Tat geadelt; später verbrachte er viele Winter in den Alpen und stiftete 1911 einen Pokal für ein von Arnold Lunn organisiertes Abfahrtsrennen. Ein gutes Jahrzehnt später übernahm Lunn den Namen auch für den neuen Skiclub. In der Folge wurden in Mürren viele Rennen ausgetragen, unter anderen das legendäre «Arlberg-Kandahar», das zum Vorbild späterer alpiner Wettbewerbe wurde. Skifahren war für Lunn, Amstutz und ihre Gefolgschaft eine elitäre Sache: Man fuhr mit Hemd und Krawatte, und zu Preisverleihungen und Parties erschienen die Herren im Smoking mit Fliege. Der Anteil der britischen Gäste in Mürren betrug zwischen 60 und 80 Prozent. Im Dorf muss damals eine exklusive, zugleich lebensfreudige, von Fairness und Witz geprägte Wintersport-Ambiance geherrscht haben – und echte Aufbruchstimmung: 1930 wurde hier auch die erste Skischule des Berner Oberlandes gegründet. Einige Kandahar-Mitglieder heckten dann das bereits erwähnte, über 15,8 Kilometer vom Schilthorn nach Lauterbrunnen führende «Inferno»Rennen aus: Am 29. Januar 1928 gingen erstmals 18 Teilnehmer, darunter vier Damen, an den Start – und mussten dazu vor der Abfahrt zu Fuss zum Schilthorn aufsteigen. Dies fiel erst ab 1967 weg, nachdem die Schilthornbahn den Betrieb aufgenommen hatte. Geplant war ein Massenstart, aber einige Teilnehmer waren noch am Wachsen ihrer Skis, als Lunn bereits das Startkommando erteilte … Die Premiere endete mit schweren Stürzen, einem Rippenbruch und dem Sieg von Harold Mitchell, der das Ziel nach einer Stunde und zwölf Minuten erreichte. Das «Inferno» heute? Ein viertägiger Grossanlass mit 1 850 Teilnehmern, wegen der Startplatzbeschränkung mindestens ebenso vielen abgewiesenen Interessenten und einem Streckenrekord von dreizehn Minuten und knapp einundzwanzig Sekunden! Neue Zeiten, alte Werte Nach dem Zweiten Weltkrieg verdrängte der neu aufkommende Massensport die Tiefschnee-Individualisten von früher. Schon 1949 schrieb Arnold Kaech, nach Gründer Ernst Feuz und vor Max Kopp und Peter Feuz Präsident der Schilthornbahn: «Das Skifahren hat eine ganz unfassliche Tech→ 21 nisierung durchgemacht. Mit Massenbeförderung hinauf und mit 2 0 Bild: Aus dem Bildarchiv von Bernhard Spörri Skipioniere M Ü R R E N Kleiner Ort, grosse Geschichte: Mürren war eine der Wiegen des Schweizer Wintersports. Sportliche Einheimische, waghalsige Engländer und mit der Zeit auch ganz normale Skitouristen und Familien aus dem In- und Ausland entdeckten die Hänge des lieblichen Dorfs mit der mächtigen Bergkulisse. Ein Rückblick. Und eine Liebeserklärung. Text Christine Kopp Winter war für meine Familie jahrelang gleichbedeutend mit Mürren. Mürren hiess Schlitteln, Schnee, Spazieren, Sozialisieren und vor allem eines: Skifahren. Wir verbrachten fast alle freien Wintertage im Dorf auf der Sonnenterrasse hoch über dem Lauterbrunnental. Und wie alles, mit dem man schöne Kindheitserinnerungen verbindet, hat Mürren einen wichtigen Platz in meinem Herzen: eine alte Liebe, die nicht rostet und auch lange Abwesenheiten und weite Entfernungen überdauert. Zu den Erinnerungen gehören Anekdoten vom «Inferno», dem Volksskirennen vom Schilthorn über die Winteregg nach Lauterbrunnen. Kaum war Weihnachten vorbei, gerieten mein Vater und meine zwei älteren Brüder von Tag zu Tag mehr ins Rennfieber: Taktiken und Techniken wurden besprochen, Trainings bestritten und die Wohnung durchforstet nach einem «Inferno-Helm»: Von der Küchenschüssel über den Fressnapf des Hundes setzten sie sich alles verkehrt auf den Kopf, was nur annähernd rund war. Meine Mutter und ich waren froh, wenn der Spuk in der dritten Januarwoche, nach dem Rennen, für ein Jahr vorbei war. Oder dann die Erinnerung an jene Alpinistenclique aus Chur, Freunde meines Vaters und wilde Hunde, die mich als kleines Mädchen ungemein beeindruckten und begeisterten, etwa wenn sie bei einem Fest vor dem Rennen aufgeschlitzte Daunenduvets aus einem Fenster des Hotels «Jungfrau» ausschüttelten und so ihren eigenen Schneefall erzeugten. 1 9 Britisch geprägte Pionierzeit Seit ich das erste Mal auf der Hodlermatte mitten in Mürren auf den Skiern stand, sind über vierzig Jahre vergangen. Mürren hat sich verändert, der Skisport allgemein hat sich entwickelt. Doch die Ausstrahlung des Skigebietes mit Charakter und grosser Geschichte ist geblieben: Mürren ist nicht irgendeine aus dem Boden gestampfte Destination, sondern ein Ort, der vor hundert Jahren selbst im Mittelpunkt der Entwicklung des Skilaufs stand. 1912 wurde in Mürren die Allmendhubelbahn eröffnet – eine steile Standseilbahn, deren Betrieb zuerst ganz auf den Winter ausgerichtet war: Man brachte die Gäste damit zum Start der neu erbauten Bobbahn. Im gleichen Jahr wurde auch der Skiclub Mürren gegründet; die treibende Kraft war Bergführer Johann von Allmen. Sein Ziel: «Den Skisport fördern sowie gute Kameradschaft allerseits pflegen und ermutigen!» So machte sich der Club etwa für das Tourenfahren am Schilthorn stark. Wenige Jahre später kamen im damals 300 Einwohner zählenden Dorf 800 britische Offiziere und Soldaten an: Sie waren hier während der Kriegsjahre 1916 bis 1918 interniert und verwandelten Mürren in eine englische Enklave. Die britischen Offiziere verfügten über Freizeit ohne Ende und so probierten sie eifrig die norwegischen Latten aus, die ihren Weg einige Jahre zuvor ins Lauterbrunnental gefunden hatten, auch wenn in Mürren damals noch Curling, Schlittschuhlaufen und Schlitteln den Vor→ 20 rang hatten. Filmtipp Der Mürrner Bernhard Spörri hat eine DVD zur Geschichte des Skisports gemacht. Der Film kann beim Skiclub Mürren bestellt werden. [email protected] Der Film «Inferno Backstage» erzählt die Geschichte des Inferno Rennens. spelterinifilm.ch Wagemutiger Pionier: Mürrens Kurdirektor Godi Michel um 1930 → 83 Bild: zvg. Mürren Tourismus, René Feuz Mürren Im Geheimdienst der Gemütlichkeit S P E Z I A L R E G I O N Text Annette Marti Annette Marti arbeitet als freie Journalistin und Texterin in Interlaken. Sie hat eine ausgesprochene Schwäche für Mürren. annettemarti.ch Mürren erleben Mehr Informationen zu Mürren : muerren.ch, mymuerren.ch An der Kante der Mürrenfluh: Mürren, das höchstgelegene Dorf ← des Kantons Bern Es gibt zwei Arten nach Mürren zu kommen: mit der Seilbahn ganz hinten im Tal oder mit der Seilbahn weiter vorne im Tal. Egal über welchen Luftweg die Reise führt, früher oder später stockt der Atem. In stets höheren Formationen türmen sich die Berge gegenüber auf, wild und furchtlos reihen sich die Gipfel um das Lauterbrunnental. Hinter einer Ecke guckt ein Gletscher hervor. Weiter oben hängt noch einer. Alles breitet sich so märchenhaft vor den Augen aus, als wäre die grosse Terrasse, auf der Mürren liegt, einzig und alleine dazu da, das Panorama zu bestaunen. Tatsächlich ist die mächtige Felswand zwischen Mürren und dem Talgrund vergessen, sobald man sich durchs Dorf bewegt. Ein paar Häuser und Hotels liegen spektakuläre nahe an der Kante auf 1 650 Metern über Meer, aber sonst sitzt das Dorf in einer sanften Geländekammer, die sich nach allen Seiten öffnet. In den engen und autofreien Gässchen hängt ein charmanter Hauch aus den 1970er Jahren. Mürren will nicht stylisch oder hipp sein. Mürren ist fast fahrlässig unmodisch und gerade deshalb vielen anderen Orten eine Nasenlänge voraus. Denn – Mürren ist, wie es ist: ein Dorf mit Charakter, mit Ecken und Kanten, ein Ort zum Gernhaben. Von der Dramatik der Mürrner Szenerie waren auch die Produzenten des James-Bond-Films «Im Geheimdienst Ihrer Majestät» beeindruckt. Die Engländer drehten im Winter 1968/69 exklusiv auf dem Gipfel des Schilthorns – zu einem Zeitpunkt, als die Schilthornbahn noch nicht einmal ganz eröffnet war. Im Gegenteil: Nach dem Rohbau des Gipfelgebäudes war das Geld ausgegangen. Da kam Retter Bond gerade gelegen, ganz zu schweigen vom Werbeeffekt, den der Film bis heute für die Bahn hat. Die Engländer waren immer schon angetan von Mürren. In den 1920er und 1930er Jahren erfanden sie hier zusammen mit lokalen Skipionieren praktisch den alpinen Skirennsport. Man gründete Skiclubs und organisierte Rennen, die den Wintersportbetrieb revolutionierten. Seither liegt das Flair für den Skisport den Mürrnern in den Genen. Wenn es in Sachen Skisport etwas zu organisieren gibt, dann tauchen alle auf, die etwas mit dem Dorf am Hut haben. Sie kommen, um zu helfen oder zum Zuschauen, und um das Mürren-Feeling zu geniessen. Aber trotz des starken Charismas des Dorfes macht man sich hier auch Sorgen: Die Wohnbevölkerung nimmt laufend ab. Heute leben 377 Personen in Mürren, vor 10 Jahren waren es 420, vor 20 Jahren 480. Die Gemeinde (Mürren gehört wie Wengen politisch zu Lauterbrunnen) versucht Gegensteuer zu geben, sucht nach Möglichkeiten, günstigen Wohnraum anzubieten, kämpft für die Schule und ebnet den Weg für ein neues Hotelprojekt mit zahlreichen Appartements. Die Bahnen am Berg investieren kräftig. Aber vielleicht ist es trotzdem gut, dass Mürren in der Vergangenheit ein paar Dinge verschlafen hat, dass es nie den Anschluss an die Massen gesucht hat. Sonst wäre es längst nicht mehr so herzlich, so liebenswert und persönlich. Insider sagen, auch der norwegische König schätze diese Qualitäten. Er sei da gewesen, aber niemand habe es bemerkt. Gerüchteweise auch Kate Middleton – mit der Mütze sei sie schwer zu erkennen gewesen, erzählt man. Fakt ist: Die Mürrner geraten deswegen nicht in Aufregung und sie behandeln alle gleich unverkrampft, ob König oder Prinzessin oder sonst wen. ● 1 6