general strike
Transcription
general strike
GENERAL STRIKE GENERAL STRIKE 1 BY ALEXANDER KOCH AN INTRODUCTION TO LEAVING THE ART WORLD BEHIND GENERAL STRIKE DEUTSCH In ihrer 12. Ausgabe vom OUT OF PRACTICE, OUT OF THE PICTURE. AN INTRODUCTION TO LEAVING THE ART WORLD BEHIND Mai 1968 eröffnet die amerikanische Kunstzeitschrift Art International eine neue Rubrik. Unter dem Titel Artists on Their Art lädt die Redaktion die Deutsche Charlotte Posenenske ein, den Anfang zu machen. Datiert mit „Offenbach, den 11. Februar 1968” formuliert die Bildhauerin auf einer halben Seite ihr künstlerisches Programm, prominent im Heft platziert und von einer Abbildung begleitet. Der serielle und industrielle Charakter ihrer Arbeitsweise steht der Minimal Art nahe, die 1968 im Begriff ist, die neue tonangebende Kunstrichtung der USA zu werden und der jene Mai-Ausgabe von Art International gewidmet ist. Ganz anders als bei den amerikanischen Vertretern des Minimalismus wie Carl Andre, Sol LeWitt oder Donald Judd ist Posenenskes demokratischer Skulpturbegriff aber auf Partizipation aus. Sie will die Betrachterinnen und Betrachter ihrer Skulpturen an deren Herstellung beteiligen. Ihre Objekte sollen nicht mehr im konventionellen Sinne als Kunstwerke erkennbar sein, sondern in Gebrauch genommen werden. Sie zielen symbolisch auf kollektive Arbeitsprozesse und wollen solche Prozesse am skulpturalen Objekt simulieren. Ihr Statement für Art International schließt Posenenske so programmatisch, wie es für die Zeit typisch ist: Dass eine künstlerische Praxis keine Fortsetzung findet, lässt sich nicht nur an Einzelfällen im Umfeld der Immaterialisierung der Kunst, im Konzeptualismus, und nicht nur in den gesellschaftspolitischen Umbruchphasen der späten Sechziger- und frühen Peter Feldmann setzen aus, kommen aber wieder. Andere, wie Lee Bontecou, scheinen verschollen, werden aber nur übersehen. Um Noland kursieren Gerüchte, sie sei im Verborgenen aktiv. Aber einstweilen ist sie fort. Wer noch? Wie viele fallen uns ein, die ihre Künstlerschaft an den Nagel gehängt haben? Lozano 1972, Posenenske 1969, Schönebeck 1966 – wie viele sind vor ihnen schon zu einem ähnlichen Schluss gekommen? Wie viele Gründe kennen wir, die jemanden dazu bewegen können, die künstlerische Arbeit für eine Weile oder für immer auszusetzen? Und wie alt sind diese Gründe? Wie weit reichen Unbehagen und Zweifel an der Kunst zurück? Henry van de Velde die Pinsel nieder. Gustave Courbet wiederum übernimmt 1869 bis ‘71 eine wichtige Rolle bei der Errichtung einer sozialistischen Selbstverwaltung in Paris, wird Stadtrat der Pariser Commune. Sein mitgetragener Angriff auf die Symbole eines verhassten Regimes findet nicht auf der Leinwand statt, sondern inmitten politischer und institutioneller Kämpfe. Seine posthumen Retrospektiven feiern ihn dafür nicht. Mitverantwortlich für den Sturz der Vendôme-Säule landet er 1871 im Gefängnis, wo er – zum Glück der Kunsthistoriker – wieder malt. Und schon zuvor, in den Jahren um die Revolution von 1848, diskutiert die Pariser Künstlerschaft kontrovers über das Verhältnis zwischen der symbo- „Die bisherige Einteilung der Künste existiert nicht mehr. Der Künstler der Zukunft müsste mit einem Team von Spezialisten in einem Entwicklungslaboratorium arbeiten. Obwohl die formale Entwicklung der Kunst in immer schnellerem Tempo weiter gegangen ist, ist ihre gesellschaftliche Funktion verkümmert. Kunst ist eine Ware von vorübergehender Aktualität, aber der Markt ist winzig und Ansehen und Preise steigen, je weniger aktuell das Angebot ist. Es fällt mir schwer, mich damit abzufinden, dass Kunst nichts zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen kann.”1 Der resignative Ton der letzten Sätze kommt unerwartet. Tatsächlich bricht Charlotte Posenenske ein Jahr später ihre künstlerische Laufbahn ab. Mit einem Protestflugblatt wendet sie sich noch scharf gegen die documenta 5 und die pseudorevolutionäre Dekadenz des Kunstzirkus. Sie kommt zu dem unversöhnlichen Schluss: “Begreift doch endlich, dass ihr Überflüssig seid. (...) Es gibt keinen Grund mehr, Kunst zu machen. Es gibt keinen Grund für die Documenta”. Die Einladung zu einem Kunst-am-Bau-Projekt 1968 lehnt sie ab und wiegelt die Mieter der beauftragenden Wohnungsbaugesellschaft gegen diese auf. Dann studiert sie Soziologie, befasst sich mit Arbeitswissenschaften, publiziert. Das schmale, aber prägnante Werk, das sie im Kunstfeld hinterlässt, gerät für eine Weile aus dem Blickfeld des Betriebes, erst im Laufe der Neunzigerjahre wird es wieder systematisch zugänglich gemacht und rezipiert. Heute gilt Charlotte Posenenske als bedeutende deutsche Künstlerin der 1960erJahre. Posenenskes Ausstieg aus der künstlerischen Praxis 1968/1969 ist kein Einzelfall. Zeitgleich beginnt die New Yorker Malerin Lee Lozano sich allmählich zurückzuziehen. In rund 50 Language Pieces, die ihr posthum den Ruf als wichtigste Vertreterin des frühen New Yorker Konzeptualismus einbringen, notiert sie Handlungsanweisungen an sich selbst, die sie sodann in die Tat umsetzt. Die Language Pieces werden zur Dokumentation einer sich zunehmend verschärfenden Rückzugsbewegung aus dem Kunstfeld, an deren Ende Lee Lozano 1972 ihr Atelier auflöst, ihre künstlerische Praxis niederlegt und New York verlässt. Ähnlich wie bei Charlotte Posenenske findet auch Lozanos künstlerisches Werk der Sechzigerjahre erst posthum wieder Beachtung und wird neu bewertet, die Position wird ab Ende der Neunzigerjahre wieder rezipiert. Eine andere Vertreterin des New Yorker Konzeptualismus der ersten Stunde, Christine Kozlov, bricht Mitte der Siebziger ebenfalls ab. Auch Seth Siegelaub, der bei der 2 Formierung der konzeptuellen Bewegung eine entscheidende Rolle als Herausgeber, Händler und Kommunikator spielt, dreht der Bewegung 1972 den Rücken. Goran Trbuljak, als Vertreter der Neuen Kunstpraxis im Jugoslawien der Siebzigerjahre ein Exponent der osteuropäischen Konzeptkunst, steigt 1981 aus. Charlotte Posenenske, Statement in Art International, XII/5, May 1968 Siebzigerjahre beobachten, wenn auch dort gehäuft. Eugen Schönebeck, der in Berlin gemeinsam mit dem Malerkollegen Georg Baselitz zu Beginn der Sechziger einen neuen deutschen Expressionismus als Einspruch gegen die Okkupation figurativer Bildsprachen durch das Naziregime aus der Taufe hebt, malt 1966 sein letztes Bild. In der jüngsten Gegenwart sind es einflussreiche Künstlerpersönlichkeiten wie Laurie Parsons und Cady Noland, die es vorziehen, die Künstlerrolle abzulegen und abzutauchen. Parsons, die um den Dekadenwechsel in die Neunzigerjahre eine der Stichwortgeberinnen für das erstarkende Interesse an institutionskritischen und gesellschaftlich orientierten Verfahren ist, arbeitet seit 1994 in sozialen Projekten, v.a. für psychisch Kranke. Gegenüber Patienten verschweigt sie ihre künstlerische Vergangenheit. Aufzeichnungen, die weiterhin entstehen, behält sie für sich.2 Noland zieht sich ab Ende der Neunziger mehr und mehr aus dem Betrieb zurück. Aus der Ferne versucht sie noch, die Distribution ihres Werkes zu reglementieren. So bittet sie 2006 eine renommierte deutsche Sammlerin, eine Leihanfrage des Kuratorenteams der 4. Berlin Biennale abzulehnen, was diese auch tut. Anfang einer offenen Liste: Noland, Parsons, Schönebeck, Kozlov, Trbuljak, Siegelaub, Lozano, Posenenske. Sicher nicht die Ersten und nicht die Einzigen, die aufhören. Manche, wie Stephen Kaltenbach oder Hans- Bis in die Dreißiger- und Vierzigerjahre? Wie viele, die sich nicht mit Faschismus und Stalinismus verbünden wollen, geben auf, als ihre Kunst beiden Regimen ohnmächtig gegenübersteht? Was geschieht in den späten Zehnerjahren im weiteren Umfeld des Dadaismus, der „sich nicht in die Ästhetik abdrängen lassen”3 will und es für notwendig hält, „gegen die Kunst aufzutreten, weil er deren Schwindel als moralisches Sicherheitsventil durchschaut”4 zu haben meint, wie Richard Huelsenbeck 1920 schreibt? Den Ausbruch des Ersten Weltkrieges kommentiert Hugo Ball schon 1914 damit, dass die Kunst jetzt „keinen Sinn mehr”5 mache, und mit dieser Ansicht steht er nicht allein. Arthur Cravan, Vorbote Dadas und für Duchamp noch eine zentrale Figur der Pariser Avantgarde zu Beginn der Zehnerjahre, flieht während des Krieges vor dieser Avantgarde ebenso wie vor dem Militärdienst. Russische Künstler und Intellektuelle fordern im Gefolge der Oktoberrevolution 1917, jegliche kreative Tätigkeit in den Dienst an der proletarischen Gemeinschaft zu stellen und propagieren ähnlich wie die Dadaisten – wenn auch vor dem Hintergrund einer anderen politischen Agenda – die „Auflösung der Kunst im Leben”6. Heißt das denn in der Praxis manchal das Aus für die Kunst? Als die zum Kreis der Anarchisten zählende Gruppe der Neo-Impressionisten um Georges Seurat und Paul Signac im Zwist über die Bestimmung eines gesellschaftsorientierten Kunstbegriffs bereits 1890 zerfällt, legen die belgischen Weggefährten Willy Finch und lischen Macht künstlerischen Handelns einerseits und den Zielen revolutionärer Politik andererseits – über die Wahl zwischen „Pinsel und Dolch”7. Wie viele entscheiden sich damals bereits gegen die Kunst und für die revolutionäre Politik? Es gibt keine Zahlen. Niemand hat jemals aufgeschrieben, wie viele ihre Künstlerschaft an den Nagel hängten und warum. Es bleibt nur eine Ahnung und es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass gerade in politischen und kulturellen Umbruchphasen, wenn sich die soziale Funktion von Kunst und Künstlern verschiebt, nicht alle Akteure dauerhaft im Spiel bleiben. In den Jahren um 1870, 1917, 1968 und nach 1989 ist, wie viele andere auch, die Künstlerschaft aufgebracht. Sie fragt nach den Gestaltungsinstrumenten für die Neubegründung sozialer und politischer Ordnungen und nach den Aussichten für ihre Kunst, selbst eines dieser Instrumente zu sein. Die Kämpfe um das Zusammenspiel der verschiedenen Akteursgruppen innerhalb und im Umfeld des Kunstfeldes verschärfen sich. Es geht um Ressourcen, um die Kritik an institutionellen Privilegien und um kulturelle Zuständigkeit. Grenzgänger loten am Rand der herrschenden Ordnung neue Praxismuster aus und suchen nach dem Zugriff auf bestehende Verhältnisse. Oft produzieren sie Utopie-Überschüsse, die von der Wirklichkeit wieder zurückgeschnitten werden. Das bietet viel Gelegenheit, die Leistungs- fähigkeit alter wie neuer künstlerischer Rollenbilder und ihrer sozialen Produktivität immer wieder zu verteidigen oder auch zu bestreiten und sich im Zweifelsfall aus der Künstlerrolle zurückzuziehen auf der Suche nach anderen Formen sozialer Teilhabe. Was aber zeitgenössische Kritiker und bald die Historiker von all dem verzeichnen, bleibt v.a. mit Blick auf die Klassische Moderne eine Geschichte formalästhetischer Innovationen. Sie stützen metaphorische, durchaus auch moralische, selten aber konkrete politische Formen künstlerischer Dissidenz und verwahren sie als Trophäen methodischen Fortschritts. Als Modelle einer selbstverantwortlichen Teilhabe unabhängiger Menschen – auch Künstler – am gesellschaftlichen Prozess diskutieren sie sie nicht. Die Künstler geraten in eine Position privilegierter Randständigkeit in einem zunehmend institutionalisierten Feld. Je nach ihrer politischen Orientierung werden ihnen Grenzüberschreitungen als Aufbruch in eine neue Kunst zugestanden, aber nicht unbedingt als Aufbruch in eine neue Gesellschaft. Dabei war es vielleicht das, was die Künstler meinten? Arthur Cravan, zunächst eine schillernde Figur dissidenten Avantgardismus, bricht in dem Moment mit der Kunstszene – und v.a. mit dem Kollegen Duchamp, den er für einen Opportunisten hält – als er erkennt, dass er zum Clown des Establishments wird. Wie viele verlassen mit ihm das sanktionierte Aussteigermodell des Künstlerrebellen, der zur Repräsentationsfigur für die Autonomiebestrebungen junger Nationalstaaten aufsteigt und die unternehmerischen Freiheiten und liberalen Ideale des aufstrebenden Bürgertums zu verkörpern hat? Und wie viele nehmen dabei nicht die unglückliche Position des artiste maudit ein, des Verkannten, oder des artiste raté, des Gescheiterten – nur zwei unterschiedliche Formen, vom Nichterfolg zu sprechen8 – und erleiden auch nicht das Schicksal von Zensur und Unterdrückung, sondern werden zu artistes dissociés oder détachés, lösen sich aus freien Stücken aus der Szene und geben die Künstlerrolle ab? Artiste dissocié, artiste détaché oder schlichter: ex-artiste, das sind Begriffe, die sich bislang weder in der Kunstgeschichte noch in der Künstlersoziologie finden. Dabei werden ab Ende der Sechzigerjahre, wie oben gesehen, mehrere Fälle eines vorsätzlichen Rückzugs aus der sozialen Arena des Kunstfelds einzeln nachweisbar und zeigen sich auch deren Motive. Kunsthistoriker haben aber kaum je das vorzeitige Ende einer Künstlerlaufbahn registriert. Noch vor wenigen Jahren ließ sich selbst zu so vergleichsweise emblematischen und heute recht gut dokumentierbaren Fallbeispielen wie Charlotte Posenenske und Lee Lozano außer einigen journalistischen Randnotizen kaum Literatur finden. Geschweige denn, dass zwischen den spärlichen Informationen über die versprengten Einzelfälle eine Verbindungslinie gezogen worden wäre. Natürlich beobachten Kunsthistoriker üblicherweise Kunstwerke. Manchmal schauen sie auf die äußeren Umstände ihrer Entstehung. Und gelegentlich beobachten sie die Praxen ihrer Produzenten mit einem soziologischen Blick. Aber warum sollten sie ausgerechnet das Unterlassen der Produktion von Kunstwerken beobachten wollen, und selbst wenn: Was sollte sich im Falle einer künstlerischen Position, die es vorzog von der Bildfläche zu verschwinden, beobachten lassen? Für den historiografischen Blick in den Rückspiegel hat sich der Ausstieg aus der Kunst in einem toten Winkel abgespielt. So blieb er bis in die jüngste Vergangenheit quasi unbeobachtet. Aussteiger aus der Kunst sind kuriose Figuren, die in Anekdoten vorkommen mögen, aber nicht in Geschichtsbüchern und auch nicht in Kunsttheorien. So plausibel das vielleicht scheint, so bemerkenswert ist es doch. Denn zum einen sah man ja in der Vergangenheit immer wieder das Ende der Kunst gekommen und hätte dann fragen können, ob und wie sich solch ein Ende ganz praktisch aus Sicht der Produzenten vollzieht. Zum anderen wäre es gar nicht abwegig gewesen, die Frage danach, was 3 AN INTRODUCTION TO LEAVING THE ART WORLD BEHIND GENERAL STRIKE denn den Beginn einer künstlerischen Praxis initiiert – ein oft penibel recherchierter und mythisch überhöhter Topos in der Künstlerbiografik –, durch die Frage zu ergänzen, was es dann auch mit dem Ende einer solchen Praxis auf sich haben könnte. Aber wie es scheint, ist ein solches Ende gar nicht erwogen worden. Künstlerschaft endet nicht, Künstler scheitern oder sterben. Tatsächlich reicht dieses Problem schon zurück bis in die Frührenaissance, bis zur Begründung der Giotto-Legende. Vasari verbreitete ja die Geschichte, Cimabue, seines Zeichens selber Künstler, habe dem jungen Hirtenjungen Giotto beim Zeichnen über die Schulter geschaut und die Wahrhaftigkeit seines Strichs erkannt. Giotto wird zum Prototyp des Künstlergenies. Die Gabe seiner Künstlerschaft ist nicht mühsam erworben, sie wurde ihm in die Wiege gelegt. Dieser Mythos erhebt ihn wie den gesamten Künstlertypus der folgenden Kulturepoche über den einfachen Handwerker. Bis heute sind wir Erben dieses (gelungenen) historischen Versuches, am Ausgang des Mittelalters dem Künstler einen Sonderstatus in der Hierarchie handwerklich-kreativer Berufe zu sichern. Wer, der in dieser Hierarchie einmal die von Konkurrenten und Institutionen besonders stark reglementierten Weihen der Künstlerschaft erhält, wäre auf die Idee gekommen, sie wieder abzugeben? Denn von solch einer herausgehobenen Position, wie sie das von Kirche und Fachkollegen anerkannte Künstlergenie einnimmt, führt der Weg nur wieder hinab in die Niederungen des einfachen, profanen Handwerks. Kommen womöglich die noch höheren Weihen göttlicher Eingebung hinzu, wäre sich diesen zu verweigern sogar ein Sakrileg. Über die Romantik wird die Genieästhetik in die Moderne getragen und säkularisiert. Äußerst erhellend ist dabei eine Besonderheit der deutschen romantischen Literatur. Ab 1800 wird hier der „Künstler ohne Werk“ zu einem festen und sogar populären Topos des Künstlerromans9. Das Künstlertum „ohne Werk“ stützt sich nicht einmal mehr auf die Produkte seiner Kreativität, sondern allein auf seine innere Berufung, die im Kreise von Musen und Verehrern, Sammlern und Kritikern Anerkennung findet, auch wenn die Leinwand leer ist. Zwar bleibt solche Anerkennung literarische Fiktion. Aber schon hier werden Topos und Mythos einer künstlerischen Autonomie vorgezeichnet, die über jede Legitimierung von außen erhaben scheint – und bis heute zweischneidig bleibt. Denn was zunächst nach einer von allen produktivistischen Zwängen befreiten Künstlerexistenz klingt und auch tatsächlich eine Loslösung aus der Abhängigkeit von feudalen und kirchlichen Auftraggebern bedeutete, zeigt sich bei näherem Hinsehen als Geniekult. Den Künstler umgibt eine unergründliche Aura der Inspiration, an der er sein Umfeld teilhaben lässt. Wie man diese Aura wieder loswird, verraten die Künstlerromane der Romantik nicht. So hat die abendländische Kultur seit der Frührenaissance und über die Romantik bis weit hinein in die Moderne keine andere soziale Praxis derart essentialisiert und idealisiert wie die Arbeit des Künstlers. Und das gilt bis in die Gegenwart. Wer heute Kunst studiert, „es“ aber nach dem Studium nicht schafft, hat in den Augen der Welt verloren. Vielleicht gelingt ihr oder ihm die Rettung in eine andere berufliche Existenz. Aber wer würde sich öffentlich dafür rühmen – es sei denn im Kreise „einfacher Leute“ – einmal Künstler gewesen zu sein. Die künstlerische Praxis gilt nicht als Leiter, die man fortwirft, nachdem man auf ihr eine nächste Ebene erklommen hat, so wie heute die politische Praxis immer mehr zu einer Leiter wird, auf der man einen lukrativen Posten in der freien Wirtschaft ergattert. Und wenn heute Studienfächer und Berufsfelder zueinander immer durchlässiger werden, so fehlt uns doch weiterhin jede Vorstellung und jeder Begriff dafür, Künstlerschaft als eine Praxis 4 in der Mitte der Gesellschaft zu situieren, anschlussfähig in viele Richtungen. Es gar als emanzipativen Schritt im Verlauf einer gesellschaftspolitisch ambitionierten Praxislaufbahn zu betrachten, das Kunstfeld zu verlassen, nachdem man es einmal betreten hatte, klingt geradezu aberwitzig. Dabei gibt es rein statistisch betrachtet weitaus mehr ehemalige Künstlerinnen und Künstler als aktuell praktizierende – nimmt man als Maßstab die vielzitierte Zahl von drei bis fünf Prozent aller Absolventen von Kunsthochschulen, die von ihrer Kunst dauerhaft leben können. Und der Rest – ist gescheitert? Was, wenn nur weitere drei bis fünf Prozent ihrer Künstlerlaufbahn ein Ende setzen, noch ehe sie richtig beginnt, weil sie genug von dem Rollenmodell ver- pened To – Biography, Artforum, April 2003 3 Hugo Ball: 5. März 1916, in: Hugo Ball, Die Flucht aus der Zeit, München 1927 4 Richard Huelsenbeck, En avant dada, Die Silbergäule 50/51, Hannover 1978, S. 41 5 Wahl vom Juli und August 1914, vgl. Ball, 1957, S. 33 6 Tretjakov, Wo her und wohin, zitiert nach Gerald Rau- nig: Kunst und Revolution. Künstlerischer Aktivismus im langen 20. Jahrhundert, Wien 2005. 7 Vgl. Dieter Scholz: Pinsel und Dolch: Anarchistische Ideen in Kunst und Kunsttheorie 1840-1920, Diss. Universität. Frankfurt a.M. 1994, Berlin 1999 8 Vgl. Pierre Bourdieu: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes, Frankfurt am Main 1999, S. 347 f. 9 Vgl. Alexandra Pontzen: Künstler ohne Werk. Modelle negativer Produktionsästhetik in der Künstlerliteratur von Wackenroder bis Heiner Müller, Berlin 2000. rary significance, yet the market is tiny, and prestige and prices rise the less relevant the supply is. It is difficult for me to come to terms with the fact that art can contribute nothing to solving urgent social problems.” 1 The tone of resignation in her closing remarks comes as somewhat of a surprise, but only a year later, Posenenske abandoned her artistic career. On flyers she sharply protested documenta 5 and the art world’s pseudorevolutionary decadence. She rejected an invitation to produce a public art project in 1968 and spurred tenants of the building in question against the management company in charge of the project. She began studying sociology, focusing on occupational sciences, and published papers. The small to stop making art in the mid-1970s; Seth Siegelaub, a publisher, dealer and communicator who had played a key role in establishing Conceptual art, turned his back on the movement in 1972; and Goran Trbuljak, a representative of Eastern European Conceptualism and the New Art Practice in 1970s Yugoslavia, departed from the art world in 1981. The deliberate discontinuation of artistic practice can be observed not only in individual cases linked to Conceptualism and the dematerialization of art, however. Nor did it only occur during the social and political upheavals of the late 1960s and early 1970s—although it seems to have been more common around this time. Eugen Schönebeck, who with fellow painter Georg Baselitz had introduced a new form of German Expressionism in Berlin in the early 1960s in protest of the occupation of figurative imagery by the Nazi regime, painted his last picture in 1966. And only recently, influential figures such as Laurie Parsons and Cady Noland have given up the role of an active artist. Parsons, having been among those responsible for a growing interest in institutional critique and socially engaged artistic processes at the turn of the 1990s, chose to turn her attention to social projects and has been primarily working with psychiatric patients since 1994. She never tells the people she works with about her past as an artist, nor does she publish the notes she continues to make2. Cady Noland has made herself increasingly inaccessible since the late 1990s. For years no new work of hers has appeared in the public arena. From time to time she has tried to control the distribution of her work from a distance—in 2006, for example, she persuaded a major German collector to refuse a loan request from the curators of the 4th Berlin Biennale. Noland, Parsons, Schönebeck, Kozlov, Trbuljak, Siegelaub, Lozano, Posenenske. These are certainly not the first, nor are they the only artists to have stopped making art. Some, like Stephen Kaltenbach, Piero Gilardi or Hans-Peter Feldmann, have taken time out but eventually returned. Others, such as Lee Bontecou, seemed to have vanished, but were merely overlooked. Noland is rumored to be operating under the radar, but for the time being she has simply disappeared from the art scene. Charlotte Posenenske, pamphlet, distributed during the opening of documenta 5, 1968 standen haben, das ihnen die Gesellschaft dann anbieten wird, sodass sie den Glauben an Sinn und Ziel einer solchen Laufbahn verlieren? Es wäre eine gewaltige Anzahl von Menschen, die freiwillig „aussteigen”, noch ehe sie richtig einsteigen. Auch sie hat nie jemand gezählt. Jüngst prominent gewordene Ex-Künstlerinnen wie Lozano und Posenenske erzwingen es geradezu, solche Fragen zu stellen. Sie stehen für kritische Positionen, die sich in einer Zeit herausbilden, in der das Kunstfeld hoch politisiert ist. Der gesellschaftskritische und emanzipatorische Antrieb ihrer Arbeit ist offensichtlich. So liegt die Vermutung nahe, dass hinter ihren Rückzugsbewegungen ein spezifischer Widerstand liegt und sich Systemkritik regt. Wie es aussieht, geht es um mehr als „nur persönliche” Gründe. Ihr Ausstieg aus der künstlerischen Praxis verweist erkennbar auf eine gesellschaftspolitische Matrix, in der sich diese Praxis zunächst formiert. Sie äußern Kritik an den sozialen und politischen Optionen, die das Kunstfeld bereithält, und damit eine Kritik an der Verfassung dieses Feldes selbst. Alexander Koch, 2008 / 2011 1 Art International, Nr. 12, Mai 1968 2 Vgl. Bob Nickas: Dematerial girl – Whatever Hap- ENGLISH In its May 1968 issue, the American journal Art International launched a new section entitled “Artists on Their Art” with a personal statement by the German sculptor Charlotte Posenenske. The artist outlines her approach to art in a prominently placed, page-long piece dated “Offenbach, February 11, 1968”, which is accompanied by an illustration. The seriality and industrial feel of Posenenske’s works show clear parallels to Minimalism—the dominant movement in American art at the time and the subject of the entire May issue of the magazine—but unlike the American Minimalists such as Carl Andre, Sol LeWitt or Donald Judd, Posenenske’s democratic definition of sculpture actively encourages public participation. She wants the viewers of her works to become involved in their production. Her objects should not be recognizable as artworks in a conventional sense; they are, rather, intended to be used; they symbolically reflect collective working processes and simulate these processes as sculptural objects. Posenenske concludes her statement in the programmatic style so typical of the time: “The former categorization of the arts no longer exists. The artist of the future would have to work with a team of specialists in a developmental laboratory. Though art’s formal development has progressed at an increasing tempo, its social function has regressed. Art is a commodity of transient contempo- but significant body of work she had produced in the field of art disappeared from view for years, resurfacing and becoming the subject of systematic review only in the 1990s. Today Posenenske is regarded as one of the leading German artists of the 1960s. Posenenske’s withdrawal from the art world in 1968/69 was not an isolated case, however. Around the same time, the New York painter Lee Lozano was also gradually absenting herself from the scene. In the 50 or so Language Pieces that posthumously established her reputation as the leading female representative of early New York Conceptualism, Lozano noted down instructions for a series of actions that she subsequently carried out. The Language Pieces document an increasingly drastic withdrawal from the field of art, which culminated in Lozano closing her studio, leaving New York and giving up art for good. Similar to Posenenske, the importance of Lozano’s work from the 1960s was not recognized until after her death; since the late 1990s there has been a resurgence of interest in her art. A number of other artists also vanished from the scene around this time: Christine Kozlov, another key figure from the early days of New York Conceptualism, decided Who else? How many other artists can we think of who have decided to quit? Lozano in 1972, Posenenske in 1969, Schönebeck in 1966—how many others, before or after them, have reached the same conclusion? How many different reasons are there for giving up art for a time, or even for good? How old are these reasons? Just how far back does discontent and doubt about art go? As far as the 1940s and 1930s? How many artists who sought to distance themselves from fascism or Stalinism gave up when they realized their art was powerless against these regimes? And what about the Dadaists in the late 1910s, who did not want to be “sidetracked into aesthetics”3 and felt it necessary “to come out against art, because he [the Dadaist] has seen through its fraud as a moral safety valve”4, as Richard Huelsenbeck wrote in 1920? At the outbreak of World War I in 1914, Hugo Ball stated that art “no longer makes any sense”5, and he was not alone in thinking that way. Arthur Cravan—a forerunner of Dada described by Duchamp as a central figure of the Parisian avant-garde in the early 1910s—fled from this avant-garde as much as he did from military service. And in 1917, in the wake of the October Revolution, Russian artists and intellectuals called for all artistic creativity to be used to serve the proletarian community, advocating, like the Dadaists, the “complete integration [of art] into life”, albeit with a different political agenda6. Can that also mean the end of art? When the anarchist Neo-Impressionist artists grouped around Georges Seurat and Paul Signac disbanded in 1890 following a dispute over the definition of a socially oriented concept of art, the Belgians Willy Finch and Henry van de Velde decided to lay down their br ushes for good. Earlier, the French painter Gustave Courbet had become a member of the Council of the Paris Commune and played a key role in establishing a socialist administration in Paris from 1869 to 1871. His outspoken attacks on the symbols of a much-hated order were carried out not on the canvas but on the political and institutional stage, although he gained little acclaim for these achievements in his posthumous retrospectives. In 1871, having been accused of complicity in the dismantling of the Vendôme column, he was sent to prison, where he, fortunately for art historians, resumed painting. But even before this, in the years surrounding the 1848 Revolution, artists in Paris held heated debates on the relationship between the symbolic power of artistic practice on the one hand and revolutionary political goals on the other—the choice between “the paintbrush and the dagger”.7 Who knows how many of these artists decided to renounce art for the sake of the revolution? Artiste dissocié, artiste détaché or simply ex-artiste: these terms have not yet been incorporated into art history or the sociological analysis of artists, despite the fact that since the late 1960s, as described above, there have been several cases where artists have deliberately retreated from the art world’s social arena and have made their reasons for doing so publicly known. Art historians rarely register the premature end of an artistic career, however. Only a few years ago, apart from a few journalistic asides, barely anything had been written on this topic, even about relatively typical (and now well-documented) examples such as Charlotte Posenenske and Lee Lozano, let alone had any parallels been drawn between the individual narratives. Art histori- shouldn’t this raise the question of how art actually ends, from the practical perspective of those who produce it? For another, the beginning of an artist’s practice is a painstakingly researched feature of biographical accounts (and often exaggerated to the point of myth). Surely the abrupt end of this practice deserves at least as much attention? It appears, however, that such an outcome is never contemplated. Artists do not stop being artists; they either fail or die. As it turns out, this problem goes back as far as the early Renaissance and the birth of the Giotto legend. Vasari tells the story of how Cimabue, himself an artist, is deemed to possess the even greater gift of divine inspiration, it would in fact be sacrilegious to refuse it. The aesthetics of genius continued to exist throughout the Romantic era and was carried over into the modern age, becoming increasingly secularized in the process. One distinctive feature of German Romantic literature is particularly enlightening in this context: from 1800 onwards, the artist without an oeuvre became a widespread and popular topos in “artist novels” (Künstlerromane)9. Here, success as an artist “without an oeuvre” is not based upon the painted products of one’s creativity but on one’s inner vocation, which can be recognized by a circle of believers—muses, admirers, And the idea that in the course of a sociopolitically ambitious working career it might even be regarded as a liberating step to leave the field of art after having entered it seems quite absurd. Statistically speaking, however, there are far more former artists than practicing ones, going by the oft-quoted figure of three to five percent of all graduates from art colleges who are able to make a living from their art in the long term. So what happens to the rest? Do they all fail? What if another three to five percent put an end to their artistic career before it really gets going, because they have understood enough about the role society has in store for them to make them doubt the purpose of such a career? That would be a huge number of people who voluntarily opt out before they have even started out on this path. And they have never been counted. There are no figures on this. No one can say how many artists have abandoned their craft, or why. All we have is conjecture and speculation, although it seems likely that in times of political and cultural upheaval, when art’s social function changes, not all the players will remain in the game. In the years around 1870, 1917, 1968 and after 1989, artists, along with many others of their time, came out in protest and demanded change. They sought to establish a new social and political order, and were forced to ask themselves whether their art had the power to achieve these goals. Battles between the various groups in and around the art world became increasingly fierce, with key issues being the allocation of resources, the criticism of institutional privileges and the notion of cultural responsibility. Pushing the boundaries of the established order, artists explored new forms of practice and different ways of improving existing conditions. This often led to the production of utopian excesses; visionary aspirations that were quickly tempered by reality. But it also provided the opportunity to defend the relevance and social purpose of artistic practice, or to challenge it and renounce the role of artist in favor of some other form of social engagement. The appraisal of such actions by contemporary critics (and later by historians) is, however, essentially an account of formal and aesthetic innovation, especially regarding classical modernism. Aesthetic and moral — rarely political—forms of artistic dissidence are upheld and preserved as trophies of methodological progress, but are never discussed as models of self-determined participation by autonomous agents in the social process, in this case artists. Artists are therefore put in a position of privileged marginality within an increasingly institutionalized field. Based on their political orientation, they are entitled to go beyond borders in search of a new art, but not necessarily a new society. But is this perhaps what the artists intended? Arthur Cravan, having started out as a colorful character on the dissident avant-garde art scene, turned his back on the art world—and even more so on his colleague Duchamp, whom he regarded as an opportunist—when he realized that he was becoming the establishment’s clown. How many others like him rejected the sanctioned stereotype of the non-conformist, artistic rebel who had become a figurehead for young nation-states in their struggle for autonomy, and was also supposed to embody the entrepreneurial freedoms and liberal ideals of the emergent bourgeoisie? How many chose not to assume the unhappy role of the artiste maudit, the “cursed artist”, or the artiste raté, the “failed artist”—just two of the possible ways of describing “non-success”8—or did not suffer the fate of censorship and repression, but instead became aristes dissociés or détachés, having voluntarily removed themselves from the art scene and relinquished the role of artist? The idealization of artistic practice continues to the present day. Someone who studies art but does not then “make it” as an artist is a failure in the eyes of the world. These non-artists might redeem themselves by pursuing some other vocational career, but who, except perhaps when in the company of “simple folk”, would publicly boast about having once been an artist? Artistic practice is not looked upon as a ladder to be thrown away once it has been used to reach some higher level, in the way that political practice has become a popular route to gaining a lucrative post in the business world. And even though modern fields of study and occupation are increasingly opening up and overlapping, we still have no concept or term for placing art at the center of society as a practice that can be taken in many different directions. The recent resurgence of interest in the work of ex-artists such as Lee Lozano and Charlotte Posenenske compels us to ask these fundamental questions. They represent critical stances developed at a time when the field of art was highly politicized. The socially critical and emancipatory aspect of both artists’ work is clearly apparent, so it seems reasonable to assume that their departure from the art world was also intended as an act of resistance and an incipient critique of the system as a whole. This is about more than just ‘personal’ concerns—the discontinuation of an artistic practice is an emphatic comment upon the socio-political matrix within which this practice was initiated. It represents a criticism of the social and political options available within the field of art, and thus of the constitution of that very field. Alexander Koch, 2008 / 2011 1 Art International, vol. 12, no. 5 (May 1968) 2 Cp. Bob Nicklas, Dematerial girl – Whatever Hap- pened To – Biography, Artforum, April 2003 3 Hugo Ball, entry for 5 March 1916, in idem, Flight Out of Time: A Dada Diary, trans. Ann Raimes (Berkeley and Los Angeles: University of California Press, 1996), p. 55. 4 Lee Lozano, General Strike Piece, 1969, The Estate of Lee Lozano ans’ attention is of course primarily focused on works of art. Sometimes they look at the external circumstances that have influenced these works’ creation, and occasionally they view the practice of the art producer from a sociological perspective. But why would they want to contemplate, of all things, the refusal to produce artworks? And even if they did, what is there to see when an artist has chosen to disappear from the scene? In terms of an historiographical glance in the rear-view mirror, the withdrawal from art has occurred in a blind spot, and as such has gone almost unnoticed until very recently. Artists who deliberately stop making art are curious figures. They often crop up in anecdotal accounts but are barely mentioned in history books or included in art theories. As plausible as this may sound, it is in fact quite remarkable. For one thing, the imminent “end of art” has been proclaimed on so many occasions in the past— saw the young shepherd boy Giotto drawing on a rock and immediately recognized his extraordinary talent. Giotto thus became the prototype of the artistic genius whose talent was not acquired through hard work or training but was a gift of nature. This myth elevated him, and the archetypal artist of every subsequent era, above the mere craftsman. Even now we bear the legacy of this (successful) attempt to accord the artist a special status in the hierarchy of skilled craft occupations. Who, having been granted the status of an artist within such a hierarchical system that is strictly regulated by artistic rivals and institutional powers, would ever think of relinquishing it? From the exalted position of the artistic genius who has gained the recognition of the church and his professional colleagues, the only direction one can go is down—back to the profane level of mundane craftsmanship. And if an artist Richard Huelsenbeck, cited in Charles Harrison and Paul Wood (eds.), Art in Theory 1900–1990 (Oxford: collectors and critics—even if the canvas remains blank. Such recognition exists only in the realm of literary fiction, of course, but it testifies to the existence of a model of artistic autonomy that requires no external legitimation—and remains a double-edged sword to this day. For what initially sounds like an artistic existence free of all productivist demands, and did indeed liberate artists from a dependence on feudal and church patronage, proves on closer inspection to be a cult of individual genius. The artist is surrounded by an enigmatic aura of creativity and inspiration, which he allows those around him to share in. The question of how one might rid oneself of this aura is not something the artist novels chose to address. From the early Renaissance through the Romantic period and well into the modern age, therefore, no other social practice was essentialized and idealized by Western culture as much as the work of the artist. Blackwell, 1992), p. 258. 5 Hugo Ball, Briefe 1904–1927 (Göttingen: Wallstein Verlag, 2003), p. 62. 6 Sergei Tretyakov, From Where to Where? (Futur- ism’s Perspectives), Lef, no. 1 (1923), cited in Anna Lawton and Herbert Eagle (eds.), Words in Revolution, Russian Futurist Manifestoes 1912–1928 (Washington, DC: New Academia Publishing, 2005), p. 209. 7 Cp. Dieter Scholz, Pinsel und Dolch: Anarchistische Ideen in Kunst und Kunsttheorie 1840–1920, dissertation, University of Frankfurt am Main, 1994 (Berlin: Reimer Verlag, 1999). 8 Cp. Pierre Bourdieu, The Rules of Art. Genesis and Structure of the Literary Field (Stanford: Stanford University Press, 1996), p. 219. 9 Cp. Alexandra Pontzen, Künstler ohne Werk. Mo- delle negativer Produktionsästhetik in der Künstlerliteratur von Wackenroder bis Heiner Müller (Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2000). Translation by Jacqueline Todd, 2011 5 GENERAL STRIKE A Theoretical foundation DEUTSCH Das Interesse an Künstlerin- nen und Künstlern, die sich von der Kunst abwandten und ihre Praxis aufgaben, ist relativ neu. Als ich 2002 eine Ausstellung zu Gesten des Verschwindens konzipierte1, die u.a. Lee Lozano und Arthur Cravan zeigte, stießen die meisten meiner theoretischen und historischen Recherchen ins Leere. Zwar fanden sich biografische Einzeltexte zu Künstlern, systematischere Darstellungen zu künstlerischen Rückzugsbewegungen aber nicht. Sie waren, wie es schien, ein ungeschriebenes Kapitel der Kunstgeschichte. So wurde es notwendig, den Topos des Ausstiegs aus der Kunst theoretisch und historiografisch erst einmal zu begründen. Im Folgenden führe ich die Argumente verschiedener, zwischen 2005 und 2008 von mir verfasster und veröffentlichter Texte2 zusammen, um eine Begriffsbestimmung vorzunehmen und Konsequenzen daraus abzuleiten. Diese Bestimmung hat den Anspruch, eine Grundlage auch für künftige Forschungen zu liefern. opting out of ART. A THEORETICAL FOUNDATION Die Neurezeption der Werke einst aus dem Kunstfeld ausgetretener Künstlerinnen und Künstler – Lee Lozano und Charlotte Posenenske erscheinen hier als paradigmatisch – hat dem Thema in den vergangenen Jahren einige Popularität beschert. Der Hang der zeitgenössischen Kunstszene, einerseits zuvor marginalisierte oder vergessene Künstlerpositionen zumal der Sechziger- und Siebzigerjahre aufzuwerten, und andererseits deren (unterstellte) Radikalität als Ersatz für eine Dringlichkeit heranzuziehen, die dieser Szene heute vielleicht oft fehlt, droht neue Mythen künstlerischer Dissidenz zu erzeugen. Sie gilt es zu dekonstruieren, noch ehe sie sich festsetzen. Genaues Hinsehen und Differenzieren scheint gerade da wünschenswert, wo immer öfter vom „Ausstieg aus der Kunst“ als eines vermeintlichen Widerstandes gegen Markt und Institutionen gesprochen wird, der keinesfalls immer gegeben ist, sofern von einem Ausstieg im engeren Sinne überhaupt die Rede sein kann. Zugleich gilt es zu verstehen, worin ein solcher Ausstieg streng genommen besteht und sein – aus Sicht des Kunstfeldes – möglicherweise (system-) kritisches Potenzial zu bestimmen. Einen weiteren Anlass für eine solche Bestimmung bieten jüngere, teils akademisch, teils politisch motivierte Diskussionen über (künstlerische) Formen des Nichtstuns. Für ein Verständnis des Kunstausstiegs sind sie fruchtbar, sofern sie den performativen und die soziale Wirklichkeit mitgestaltenden Charakter nicht nur des Handelns, sondern auch des Nichthandelns erhellen und zeigen können, inwieweit auch dieses eine – ggf. kritische – Praxis ist. Begriffsbestimmung Als Ausstieg aus der Kunst bezeichne ich allgemein die soziale Translokation und im Besonderen die soziale Praxis eines Akteurs, den wir zu einem Zeitpunkt X im Kunstfeld lokalisieren können, zu einem späteren Zeitpunkt Y jedoch nicht mehr, und der dies selbst so wollte. Diese Definition birgt eine Reihe von Implikationen: Ich folge Pierre Bourdieus Theorie sozialer Felder, indem ich von einem Akteur des Kunstfeldes spreche anstatt von Künstlerinnen und Künstlern. Andernfalls wäre zu bestimmen, wer legitimerweise als Künstler zu gelten habe und wer nicht. Da dies aber ein im Kunstfeld selbst vorgenommener Anerkennungsprozess ist – im Gegensatz zu einem privat reklamierten, sozial jedoch vielleicht aberkannten Künstlerstatus – gehe ich davon aus, dass wer „aus der Kunst aussteigt“, zuvor auch ein Mitspieler des Kunstbetriebs zu sein hat. Es wäre sinnlos, sonst von einem Ausstieg zu sprechen. Eine künstlerische Position kann nur aufgeben, wer auch eine hat. Wer aufgrund mangelnder sozialer, institutioneller oder 6 finanzieller Anerkennung einen Strich unter seine Künstlerschaft zieht, die er oder sie aber eigentlich anstrebt, tut dies nicht wirklich aus freien Stücken. Das aber setzt der Begriff des Ausstiegs voraus. Er impliziert, dass eine Person intentional handelt – ohne hier die Spitzfindigkeiten des Intentionalitätsbegriffs zu berücksichtigen. Damit ist zugleich eine Abgrenzung gegen Zensur und Unterdrückung künstlerischer Praxen vorgenommen. Denn auch in diesem Fall würde man nicht von einem Ausstieg, sondern, lapidar gesagt, von einem Rauswurf sprechen. Es ließe sich einwenden, dass gerade verkannte, von Beginn an marginalisierte Positionen so gar nicht erst in den Blick geraten. Dieser Einwand liefe aber entweder auf eine Frage nach den gesellschaftlichen Anerkennungskriterien von Künstlerschaft hinaus, oder auf eine jenseits offiziell sanktionierter Kunst- und Künstlerbegriffe liegende Kunstpraxis, deren Ein- und Ausschlusskriterien sich an dieser Stelle nicht allgemein bestimmen ließen. Die Entscheidung für ein soziologisches Beschreibungssystem sozialer Praxen, das eine Beobachterposition voraussetzt, vermeidet ganz bewusst, einen ideologischen oder idealistischen Kunstbegriff zugrunde zu legen, auf den sich ein Ausstiegsbegriff dann speziell zu beziehen hätte. Eine weitere und wichtige Implikation obiger Definition ist, dass die allgemeine Bezeichnung eines „Akteurs des Kunstfeldes“ nicht allein Künstlerinnen und Künstler einschließt, sondern ebenso Kuratorinnen und Kuratoren, Kritikerinnen und Kritiker, Galeristinnen und Galeristen, Sammlerinnen und Sammler, ja Hochschulprofessorinnen und -professoren – allgemein alle, die dem Kunstfeld zugehören und es entsprechend auch verlassen können. Dabei lege ich die Auffassung zugrunde, dass Praxen innerhalb des Kunstfeldes gegeneinander relativ – und zunehmend – durchlässig sind. Es wäre pathetisch und erneut ideologisch verengt, würde man den Wechsel von einer künstlerischen in eine kuratorische Praxis als Ausstieg aus der Kunst bezeichnen, während es sich tatsächlich um einen Praxis- und Rollenwechsel innerhalb des Kunstfeldes handelt, der übrigens leicht reversibel ist, zumal eine wachsende Zahl von Künstlern zugleich oder gelegentlich auch eine Rolle als Kurator einnehmen. Dass ein Wechsel aus der kuratorischen in die künstlerische Praxis (noch) kaum möglich scheint, vielleicht gar ein Tabu ist, steht auf einem anderen Blatt. Dass indes Künstlerinnen auch als Kritikerinnen, Galeristinnen und Hochschulprofessorinnen arbeiten, diese Arbeit gelegentlich verschieden gewichten und sich ggf. voll auf die Lehre oder aufs Schreiben konzentrieren, ist schon deshalb nicht ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass Künstler lange auch die Rolle von Kunsthistorikern einnahmen, ehe die Kunstgeschichte als eigenständige akademische Disziplin begründet wurde. Und wenn wiederum viele Galeristen einst Künstler waren, dann weist sie das als bleibende Kunstliebhaber aus, nicht aber als kunstflüchtig oder gar artophob. Wenn im Folgenden dennoch primär Künstlerinnen und Künstler als Kunstaussteiger beschrieben werden, dann als gezielte Engführung, um den Begriff zu schärfen. Meine Definition enthält eine weitere, für den Historiker ernüchternde Implikation: dass sich von Kunstaussteigern nichts im Kunstfeld auffinden lässt außer Zeugnissen ihrer Praxis, die vor dem Ausstieg lag, sowie manche Fakten und Gerüchte über ihren Verbleib. Das macht die Bedingungen für ihre Beobachtung ungünstig. Man kommt immer zu spät, um sie noch anzutreffen. Bezeichnenderweise neigen sie auch dazu, im Nachhinein keine Interviews zu geben, was sie in gewissem Sinne wieder zu Mitspielern des Feldes machen würde. In vielen Fällen gibt es Hinweise bereits im Werk oder in Aufzeichnungen, die auf die Beweggründe eines Ausstiegs hinweisen. Um ihn selbst und insbesondere sein Ziel genau beschreiben zu können, müsste man quasi daneben stehen. Gelegentlich tun das Künstlerkollegen, Kuratoren und Galeristen, und ihre Berichte sind meist die einzig aufschlussreichen, wenn auch oft persönlich eingefärbten Quellen. Ein Ausstieg lässt sich also gar nicht anders dokumentieren als im dialektischen Bezug auf eine vergangene Praxis, die es heute nicht mehr gibt und die nicht den eigentlichen Kern der Sache ausmacht. Aus den gleichen Gründen lässt sich ein Ausstieg selbst auch nicht ausstellen. Zwei Sonderfälle gilt es zu klären: den des freiwilligen Kunstausstiegs in repressiven Systemen und den des Suizids. Mit Blick auf die besondere kulturpolitische Situation in den einst sozialistischen Staaten Osteuropas wird die Ausstiegsfrage komplizierter3. Nicht nur gab es hier zwei Kunstfelder – ein offizielles, staatlich reglementiertes, und ein inoffizielles, reichlich informelles Feld – die beide subtil miteinander verknüpft waren und bei denen die Motivationen und Konsequenzen eines Ausstiegs jeweils einzeln zu bedenken wären. Hinzu kommt die Frage, wie viele sich unter den gegebenen Bedingungen vielleicht gar nicht erst Zutritt zu dem einen oder dem anderen Kunstfeld verschafften und einer künstlerischen Praxis von vornherein entrieten. Für eine Geschichtsschreibung künstlerischer Ausstiegsbewegungen in repressiven Regimen kommt erschwerend hinzu, dass sie die Unsichtbarkeit bereits vom System unterdrückter Praxen durch ihre eigene, zwangsläufige Schwierigkeit, solche Praxen zu dokumentieren, noch einmal verdoppelte. Immer öfter werden Suizid und Kunstausstieg in einen Topf geworfen. In Einzelfällen, wie Ray Johnson, bei dem AIDS oder Krebs eine Rolle gespielt haben mögen, oder Bas Jan Ader, der als erfahrener Segler um die geringen Chancen seiner Atlantiküberquerung allein in einem 3,8 Meter langen Boot wusste, mögen letzte, verzweifelt oder depressiv erscheinende Werke auch wie ein Abgesang auf die Kunst klingen. Ich halte sie aber für einen Abgesang auf das Leben. Drei Arten künstlerischen Nichthandelns Um weitere Klarheit in das Phänomen des Abbruchs künstlerischer Praxen zu bringen, ist es hilfreich, ein wenig die Terminologie zu verändern. Im Rahmen von Performanz- und Theatralitätstheorien ließ sich in vergangenen Jahren lernen, dass nicht das Handeln des Menschen allein, sondern auch sein Nichthandeln eine Praxis ist oder sein kann. Denkt man daran, wie viel Gesten des Schweigens in der Kunst, und nicht nur dort, beizeiten bedeuten und bewirken können, leuchtet das ein. Ich unterscheide im Folgenden drei Formen künstlerischen Nichthandelns, um schließlich die Dritte mit dem Ausstieg aus der Kunst gleichzusetzen und die ersten beiden nicht.4 Ostentatives Nichthandeln Man kann fragen, was für die Entwicklung der Kunst in den vergangenen einhundert Jahren eigentlich wichtiger war: Hinzufügen oder Weglassen? Das Erfinden neuer und vielversprechender Tätigkeiten oder eher das Abstellen alter Gewohnheiten, die einer Anpassung des Kunstbegriffs an neue Zeiten im Wege standen? Zwar scheint in der künstlerischen Praxis das schöpferische Handeln vor allem anderen privilegiert, dennoch sind Formen des Nichttuns, sind das Unterlassen und Ausbleiben von Handlungen in der Kunst zumal der klassischen Avantgarden und der Post-Avantgarden kultiviert worden wie sonst nirgendwo. Für die Durchsetzung des Autonomiegedankens in der Kunst war die Streichung von Praxiselementen sogar zentral. Denn wann immer das Publikum anstelle von etwas nichts oder wenig zu sehen bekam, weil die Künstlerschaft den an sie herangetragenen Produktivitätserwartungen zuwider gehandelt und den künstlerischen Schöpfungsakt zurück- gestutzt oder ganz ausgesetzt hatte, wurde künstlerische Handlungsfreiheit mindestens ebenso emblematisch reklamiert wie durch die Präsentation neuester erfinderischer Höchstleistungen. Weglassen, Ausradieren und Löschen wurden typisch für formalästhetische Innovationen in der Werkproduktion und gehören seit Langem zum festen Inventar künstlerischer Vorgehensweisen. Schweigen und Verweigern haben in künstlerischen Erneuerungsrhetoriken eine Stimme. Wie dem Hässlichen, dem Schock und dem Skandal, kann auch dem künstlerischen Nichthandeln die Eigenschaft innovativer Kommunikationsunterbrechung zukommen. Zumal in kulturellen Transformationszeiten häufen sich solche Unterbrechungen. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts etwa reflektiert sich das Auslaufen der künstlerischen Moderne bekanntermaßen in einer historisch einmaligen Anhäufung von leeren Leinwänden, Formen des Schweigens und des Verweigerns alter Praxismuster. Allerdings sind künstlerische Gesten des Schweigens und Akte der Verweigerung in der Regel nur dann beachtet und diskutiert worden, wenn sie sich öffentlich zeigten und etwas an sich hatten, für das sich letztlich ein Platz in musealen Archiven einrichten ließ – es sich also um ostentative, zur Schau getragene Unterbrechungen von Normen und Standards der Produktion, Präsentation oder Distribution von Kunst handelte, die ihrerseits Werk- oder Aufführungscharakter hatten oder sich in Dokumenten von Rang manifestierten. Klassische Beispiele hierfür sind John Cages Aufführung 4’33 in Woodstock, New York 1952, Yves Kleins Pariser Ausstellung Le Vide in der Galerie Iris Clert 1958, Daniel Burens Versiegelung der Mailänder Galerie Apollinaire mit weißgrünen Stoffstreifen 1968, Robert Barrys During the exhibition the gallery will be closed, Amsterdam/ Turin/ Los Angeles 1968, Chris Burdens Disappearing-Performance von 1971 und sein B.C. Mexico Project von 1973. Viele weitere Beispiele ließen sich anführen. Sie zeigen, dass wir das Unterlassen und Ausbleiben von Handlungen vor dem Hintergrund eines Erwartungshorizontes zur Kenntnis nehmen. Ohne die gewohnheitsmäßige oder normative Erwartung von Handlungsereignissen ist es sinnlos, von deren Ausbleiben zu sprechen. Wenn künstlerisches Nichthandeln gegenüber künstlerischem Handeln einen Unterschied macht, dann nur insofern es den faktischen Erwartungshorizont unterläuft, der einem Werk oder einer Situation implizit (etwa aufgrund eines institutionellen Rahmens) oder expressis verbis (etwa aufgrund einer Ankündigung oder einer Forderung) unterstellt wird. Was in Bezug auf künstlerische Praxen als Unterlassung erscheinen und ins Gewicht fallen kann, und was nicht, ist also abhängig von dem, was in ihnen jeweils als erwartbar und wahrscheinlich gilt. Unter ostentativem künstlerischem Nichthandeln verstehe ich die vorsätzliche Zurückweisung technologischer, sozialer, institutioneller oder anderer Erwartungen, die künstlerischen Praxen entgegengebracht werden, wobei sich diese Zurückweisung selbst wiederum als künstlerischer Akt zeigt. Kommunikatives Nichthandeln Diesen meist werkhaften Formen ostentativen Nichttuns steht das Ausbleiben jeglichen künstlerischen Aktes gegenüber. Dennoch kann dieses Ausbleiben im Kunstfeld Beachtung finden und sich als Negation künstlerischen Handelns zu erkennen geben. Solche Formen sichtbarer, ja öffentlicher Passivität – Das Schweigen Duchamps wäre hierfür ein klassisches Beispiel – verschieben die künstlerische Handlungsebene von der ästhetischen Praxis hin zur Teilhabe an der sozialen Konstruktion des Kunstfeldes und der darin zirkulierenden Kommunikation. Während im ostentativen künstlerischen Nichthandeln oftmals Werkbegriffe und ihre konkreten institutionellen Dispositive verhandelt werden, geraten im kommunikativen Nichthandeln vor allem künstlerische Rollenbilder in den Blick und werden soziale Rahmenbedingungen einer Existenz im Kunstfeld adressiert. Das Ausbleiben eines künstlerischen Aktes geschieht dabei in kommunikativer und ggf. kritischer Absicht. Es lässt von sich wissen, zielt auf reflexive und diskursive Effekte innerhalb einer Szene. Radikales Nichthandeln Für die Unterscheidung von kommunikativem Nichthandeln und radikalem Nichthandeln liefert Richard Rorty einen hilfreichen Vergleich. 1998 hat er in seinem Buch Achieving our Country: Leftist Thought in Twentieth-Century America unterschieden zwischen einer reformistischen Linken, die das öffentliche Leben in den USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich mitgeprägt habe, und einer radikalen Linken, die ab Mitte der Sechzigerjahre die Oberhand gewonnen hätte. Während die reformistische Linke politisch agiert habe, um emanzipatorische Projekte durchzusetzen, etwa die Abschaffung der Rassengesetze, sei die radikale Linke aus der praktischen Politik in die politische Theorie und in die Kulturproduktion übergewechselt und hätte sich dabei – so Rortys Vorwurf – de facto entpolitisiert. Dem Klischee erlegen, dass sich vom Innern des politischen Systems aus an den sozialen Ungerechtigkeiten, die es hervorbringt, nichts ändern lasse, habe sich die radikale Linke auf der Suche nach einer idealen (theoretischen) Gerechtigkeit aus diesem System kurzerhand ganz verabschiedet. Während die reformistische Haltung für einen Kritikbegriff steht, der auf politische Teilhabe aus ist, schlägt die radikale Haltung die Möglichkeit solcher Teilhabe aus. Dieser Unterscheidung zufolge könnte man das kommunikative Nichthandeln auch reformistisch nennen – es bleibt Teil des kritischen Diskurses im und über das Kunstfeld – und ihm ein radikales künstlerisches Nichthandeln gegenüberstellen, das nicht (mehr) an diesem Diskurs teilnimmt. Analog zu der von Rorty beschriebenen intellektuellen Haltung entspräche das radikale Nichthandeln einem Systemausstieg, also dem Unterlassen jeglichen künstlerischen Aktes ohne kommunikative Absicht und unter Verzicht auf jegliche kritische Einflussnahme oder sonstige Teilhabe an der sozialen Reproduktion des Kunstfeldes. Das bedeutet über die Werklosigkeit hinaus die Unterbrechung auch jeder anderen Form von Veröffentlichung, Aufführung oder Auftreten im Kunstfeld, kurz: den Ausstieg aus der Kunst. Im Unterschied zu negativen Akten im kommunikativen Nichthandeln ist das radikale Nichthandeln nicht auf Anschlusskommunikationen aus, sondern überlässt diese sich selbst. Anstatt Erwartungshorizonte, die der künstlerischen Praxis unterlegt sind, zu unterlaufen, entläuft es ihnen. Anstelle einer reformistischen Adressierung von Werkbegriffen und künstlerischen Rollenmodellen wird dem System Kunst insgesamt der Rücken gekehrt. Bezeichnenderweise häufen sich historische Fallbeispiele für solch ein radikales Nichthandeln in der gleichen Zeit, in der Richard Rorty den Umschlag von der reformistischen zur radikalen Haltung innerhalb der US-amerikanischen Linken ausmacht, nämlich ab Mitte der Sechzigerjahre. Was sie kennzeichnet, ist nicht selten Utopieverlust bzw. der Verlust des Glaubens an die gesellschaftliche Relevanz des eigenen Tuns, gewissermaßen ein Verlöschen des inneren Erwartungshorizontes, der eine Praxis auf Dauer motivieren kann. Zwar beruht radikales künstlerisches Nichthandeln also auf dem Erlöschen eines reformistischen Interesses, kann aber durchaus auf einer reflexiven, kritischen Einschätzung der Handlungsoptionen basieren, welche das Kunstfeld für die entsprechenden Akteure noch bereithält. Diese Einschätzung reflektiert ggf. die Rahmenbedingungen künstlerischer Praxis, die allgemeine kulturelle und politische Lage in einer Gesellschaft oder auch im Speziellen einzelne institutionelle, ökonomische oder soziale Routinen, die für das Kunstfeld typisch sind und adressiert diese Routinen gerade dadurch, dass ein Akteur dieses Feldes sie nicht länger akzeptiert und sich an dessen sozialer Reproduktion in Folge auch nicht mehr beteiligt. 7 GENERAL STRIKE Der Kunstausstieg als Sonderfall einer traNsitorischen kunstpraxis Ein solch komplexes soziales Verhältnis, wie es die künstlerische Praxis darstellt, erlischt jedoch selten über Nacht. Tatsächlich handelt es sich oft um einen allmählichen Prozess, in dem sich der Entschluss zum Ausstieg langsam anbahnt. In einer Schwellensituation zwischen Teilhabe und Entzug, Sprechen und Schweigen, Tun und Nichttun kann dabei eine performative Übergangszone entstehen, eine transitorische Praxis, mit der sich ein Akteur des Kunstfeldes schrittweise aus diesem löst. Zwar kann diese Loslösung auch abrupt geschehen, aber in der Regel ist das radikale künstlerische Nichttun, der Kunstausstieg, nicht einfach Verweigerung, nicht plötzliche Stille, sondern muss diese Stille erst herstellen bzw. eine künstlerische mit einer nichtkünstlerischen Praxis überschreiben in einer Kaskade von Unterbrechungen, in der sich die unterbrochenen Praxisanteile eventuell einzeln reflektieren. Der Ausstieg aus der Kunst kann also selbst als eine Kunstpraxis erscheinen, die sowohl ostentative wie auch kommunikative Akte noch beinhalten kann, schließlich aber auch diese stoppt. Der Kunstausstieg wäre somit ein – temporärer – Sonderfall von Kunstpraxis, unter Umständen auch von kritischer Kunstpraxis. Diese Praxis kann ggf. dann in die Verlängerung gehen, wenn Akteure des Kunstfeldes – Galeristen und Kunstkritiker etwa – nicht lockerlassen und etwa eine ExKünstlerin ihr Nein gegenüber alten Weggefährtinnen und -gefährten immer wieder erneuern muss und dabei zwangsläufig in die Kommunikation im Kunstfeld eingreift. Würde das ein Dauerzustand, müsste man fragen, ob der Ausstieg überhaupt geglückt (oder gewollt) ist. Und natürlich ist ein Ausstieg auch jederzeit reversibel, wofür es zahlreiche Beispiele gibt. Es spricht für das Kunstfeld, dass es bei allen Restriktionen, zu denen es fähig ist, doch auch eine hohe Bereitschaft zur Integration hat, sofern es ein Eigeninteresse mit dem (Wieder-)Erscheinen eines neuen oder alten Akteurs verknüpfen kann. Vorsicht ist aber geboten, wo als Aussteiger klassifizierte Positionen heute gerne die Bühne betreten, die ihnen gerade junge Kuratorinnen und Kuratoren aufgrund ihrer eingangs erwähnten Vorliebe für vermeintliche Widerstandskämpfer aus vergangenen Tagen bereiten. Denn manchmal sieht aus der Ferne wie ein Ausstieg aus, was letztlich nur ein Versiegen einer Praxis war, die sich vielleicht ökonomisch nicht über Wasser halten konnte. Das kann tragisch sein. Ein vorsätzlicher Ausstieg ist es aber nicht, und schon gar kein Widerstandsmodell. Bleibt die Frage nach dem im Kunstfeld verbliebenen Werk der Kunstaussteiger, dass – sofern es weiter rezipiert und ggf. distribuiert wird – ihre Namen natürlich im Gespräch hält. Da sie selber nicht mehr als Akteure Einfluss nehmen, bleiben ihre Hinterlassenschaften und Nachlässe in den Händen anderer, was ggf. erstaunliche Folgen haben kann. Drei Beispiele: Die Pariser Galerie 1900/2000, die zahlreiche Dokumente aus dem Nachlass Arthur Cravans verwahrt, schreibt diesem eine Reihe von Gemälden aus dem Jahr 1914 zu, die mit „Édouard Archinard“ signiert sind. Ob die kleinen, unbeholfen in post-impressionistischer Manier gemalten Bilder tatsächlich aus der Hand des zwei Meter großen Amateurboxers stammen, der sich 1914 vor allem auf die Kunst des öffentlichen Skandals und der Publikumsbeschimpfung verstand, wird wohl immer fraglich bleiben. Charlotte Posenenskes Werk erfährt Jahre nach ihrem Tod 1985 dank der Vermittlungsarbeit v.a. des ehemaligen Weggefährten Burkhard Brunn eine Renaissance. Seit einigen Jahren werden Werke in unlimitierter Auflage (die Künstlerin selbst hatte 8 keine geschlossenen Editionen geplant) neu produziert, teils in Materialien, die es zur Entstehungszeit der Werkkonzepte und Prototypen noch nicht gab. Das passt durchaus zu Posenenskes offenem Werkbegriff, dennoch war es frappierend, ihre sonst meist in kühlem Metall oder schlichter Pappe gefertigten Skulpturen auf der documenta 12 als Neuauflage in OSB-Platte zu sehen. Hoch fragwürdig sind einige jüngst entstandene Werke mit der Signatur „Lee Lozano as remembered by Stephen Kaltenbach“. Kaltenbach, einst ein Freund und Liebhaber der Künstlerin, beruft sich auf Arbeiten, die er in Lozanos Atelier gesehen haben will, die sie aber nie veröffentlichte, sowie auf Werkideen, die beide um 1970 gemeinsam ausheckten, aber nicht realisierten. Das Resultat sind Skulpturen und Installationen von zweifelhafter Provenienz und Qualität, die mit der konzeptuellen Strenge der Künstlerin schwer vereinbar scheinen und vom Lee Lozano-Nachlass auch nicht anerkannt werden. Lozanos konzeptuelle Arbeit Throwing Up Piece von 1969 führte Kaltenbach gar 2010 in Los Angeles als Performance auf, was weder der Praxis der Künstlerin entspricht, noch vom Estate autorisiert wurde. PROGRESSIVER UND REGRESSIVER AUSSTIEG Offen blieb bislang, wohin sich eine künstlerische Ausstiegsbewegung orientiert. Tatsächlich lassen sich zwei verschiedene Grundmotivationen und Zielsetzungen unterscheiden, die auch verschiedene Ausstiegsfälle in Hinsicht auf ihr kritisches oder ggf. inspirierendes Potenzial verschieden qualifizieren. Ich unterscheide den progressiven Ausstieg, für den ich Charlotte Posenenske als Beispiel heranziehe, von einem regressiven Ausstieg, den ich im Falle Lee Lozanos gegeben sehe. Progressiver Ausstieg Charlotte Posenenske begründete ihren Rückzug aus der Kunst damit, dass sie dieser nicht zutraue, etwas zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beizutragen.5 Statt es dabei bewenden zu lassen, sattelte die Künstlerin um auf die Soziologie. Offenbar traute sie der Sozialforschung zu, durch die genaue Darstellung und Kritik der gängigen Wertermittlungsmethoden von arbeitsteiligen Prozessen in der Wirtschaft6 mehr für eine demokratischere und gerechtere Organisation von Arbeit zu leisten, als es die Skulpturen vermochten, die Posenenske konzipierte. Diese waren so gefertigt, dass sie umgebaut und neu arrangiert werden konnten – was ihre Betrachterinnen und Betrachter zu Benutzerinnen und Benutzern machte. Eine Darstellung arbeitsteiliger Prozesse auch hier, verbunden mit einem direkten Partizipationsangebot. Aber offensichtlich war das Posenenske nicht genug. Ob die wissenschaftliche Arbeit sie letztlich ihren Zielen näher brachte, sei dahingestellt. Entscheidend ist hier, dass sich das emanzipative, gesellschaftspolitische Interesse, das schon Posenenskes kurzes künstlerisches Werk motivierte, in einer anderen Disziplin unmittelbar fortsetzt, und nicht nur das: Ihre sozialwissenschaftliche Forschung gemeinsam mit Burkhard Brunn erlaubte Posenenske offenbar, auch die früheren Produktionsprozesse in ihrer eigenen skulpturalen Arbeit nachträglich kritisch zu analysieren.7 Damit liegt ein Beispiel dafür vor, wie Themen, die in einer künstlerischen Auseinandersetzung erarbeitet werden, sich in dieser nicht erschöpfen müssen, sondern über sie hinaus in andere Praxisfelder führen, den Zugang zu solchen Feldern vielleicht überhaupt erst methodisch eröffnen können und wie sich dabei sogar eine neue Perspektive bieten kann, die Bedingungen und Grenzen der zuvor ausgeübten künstlerischen Tätigkeit klarer zu sehen. Somit kann Posenenskes Ausstieg aus der Kunst als emanzipativer Schritt nach vorn gewertet werden und für sie selbst und für die Themen, denen sie sich verpflichtete, als Gewinn. Das Kunstfeld gibt sich stolz, wenn es Zulauf aus anderen Disziplinen erhält. Gerne wird auf das frühere Biologie-, Germanistik- oder Politikwissenschaftsstudium eines Künstlers verwiesen (nicht aber auf dessen Bäckerlehre) mit einem Unterton, der auf die besondere Fundierung und gesellschaftliche Relevanz der Praxis dieses Künstlers oder dieser Künstlerin hinweist. Schwerer vorstellbar scheint, dass sich die Kunstszene rühmen würde, einen ihrer Akteure an die Biologie, Germanistik oder Politikwissenschaft abgegeben zu haben. Standesdünkel, weil da jemand in die Niederungen bürgerlicher Berufe oder beschämend harter Wissenschaft gewechselt ist? Gäbe es mehr Fälle wie Posenenskes – eine andere Durchlässigkeit und ein anderes Wirkungsverhältnis zwischen künstlerischen und nichtkünstlerischen Praxen und Diskursen wäre greifbarer. A Theoretical foundation ihnen zugeschrieben werden, mittels künstlerischer Akte unterlaufen oder negieren. Unter kommunikativem Nichthandeln verstehe ich negative künstlerische Praxen, das heißt solche, die ausgesetzte künstlerische Akte im Kunstfeld zu erkennen geben und kommunikative Effekte nach sich ziehen oder es auf solche Effekte anlegen. Unter radikalem Nichthandeln verstehe ich das vorsätzliche Unterlassen jeglichen künstlerischen Aktes, verbunden mit einem vorübergehenden oder dauerhaften Wechsel des Kommunikations- und Handlungsfeldes (Verlassen des Kunstfeldes). Beim radikalen Nichthandeln noch einmal zwischen progressivem und regressivem Ausstieg zu unterscheiden ist hilfreich, um dieses Nichthandeln im Einzelfall näher zu charakterisieren. an die Institution Kunst als Ganzes richtet statt nur an einzelne Teile. Das kann in der Summe für das Kunstfeld auch verdrießlich sein: zu sehen, dass es für eine nicht näher bezifferbare Zahl von Menschen verzichtbar ist. Als ich 2002 die Arbeit an dem Thema aufnahm, teilte ich Charlotte Posenenskes Auffassung, dass Kunst in der Öffentlichkeit oft mehr als „eine Ware von vorübergehender Aktualität“8 diskutiert wird, statt dass ihre eigentlichen Anliegen zur Debatte kämen. Mich interessierte, ob eine ähnliche Einschätzung nicht nur Posenenske, sondern vielleicht auch weitere Akteure aus der Kunst vertrieben haben möge und ob nicht sogar ein Teil der Öffentlichkeit, der tatsächlich Interesse an der Debatte gesellschaft- 1 Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, 22. Mai – 22. Juni 2002. Die Ausstellung unterschied seinerzeit noch nicht zwischen dem Ausstieg ler innerhalb des Kunstfeldes für eine Weile unsichtbar machten, wie Chris Burden bei seinem B.C. MexicoProjekt von 1973 oder Bas Jan Ader während seiner (tödlich endenden) Altantiküberquerung 1975 2 3 FAZIT Unter ostentativem Nichthandeln verstehe ich künstlerische Praxen, die gewohnheitsmäßige oder normative Handlungserwartungen, die ihnen entgegengebracht oder Vgl. Alexander Koch: KUNST VERLASSEN 5. Why Would You Give Up Art in Postwar Eastern Europe (and How Would We Know)?, in: Marina Grzinic, Günther Heeg, Veronika Darian (Hg.), Mind the Map!– History is not given, Revolver, Frankfurt am Main 2006 4 Vgl. Alexander Koch: KUNST VERLASSEN 7. Unter- lassenskreativität oder Was tut das künstlerische Nichttun, was das künstlerische Tun nicht tut?, in: Alice tuns, Passagen Verlag, Wien 2008 6 Vgl. S. 3 Burkhard Brunn, Charlotte Posenenske: Vorgabe- zeit und Arbeitswert – Interessenkritik an der Metho- Auch Lee Lozanos Kunstausstieg ist voller Hinweise darauf, dass sie der Kunst das gesellschaftliche Potenzial nicht mehr zutraute, das sie sich von ihr erhofft hatte.9 Genau adressiert sie in ihren Language Pieces und Notizbüchern einzelne Faktoren, die sie an der Kunstwelt mehr und mehr gering schätzt – vor allem deren Eitelkeit. Ihr Ausstieg öffnet ihr aber – und auch uns – keine Perspektive, führt sie in die Einsamkeit und in ein Leben in schwierigen finanziellen und privaten Verhältnissen. Für Insider der Kunstszene bieten die bisweilen schonungslosen Selbstoffenbarungen aus ihrem künstlerischen Lebensalltag wenig Neues, legen aber zweifellos offen, was mancher weder sich selbst noch anderen eingestehen würde. Lozanos Themen reichen von exzessivem Drogenkonsum über finanzielle Sorgen bis hin zu der Hoffnung, die Kunst würde vielleicht doch noch in ein glücklicheres Leben führen. Für Outsider der Kunstszene zeichnen die Notationen ein Portrait der inzestuösen, karrieristischen und scheinrevolutionären Verhältnisse im Innern der Szene. Das ist erhellend und auch amüsant. Analytische Tiefe haben diese Aufzeichnungen ungeachtet ihrer bestechenden inneren Logik aber nicht. Es ist wichtig, den Unterschied zwischen Lozano und Posenenske zu sehen, wenn man vom kritischen Potenzial und von der Radikalität des Kunstausstiegs spricht. Wenn ich selber vom radikalen Nichthandeln gesprochen habe, dann aufgrund der Unbedingtheit und der Finalität, mit der hier ein Entschluss getroffen wird. Der Begriff der Radikalität bedeutet nicht automatisch eine positive Wertung, wie der Querverweis auf Richard Rorty zeigte. Motivation, Zielrichtung und Anschlussoptionen einer individuellen Ausstiegsbewegung sind im Einzelfall genau zu prüfen. Vgl. KUNST VERLASSEN 2–7 auf www.kunst- verlassen.de Lagaay, Barbara Gronau (Hg.), Performanzen des Nicht- Regressiver Ausstieg denkonstruktion: Leistungsgradschätzen, Systeme vorbestimmter Zeiten, analytische Arbeitsbewertung, Frankfurt am Main, Campus-Verlag, 1979 7 Vgl. Matthias Klos: Elastizität der Selbstkritik, artnet Magazin, 8. August 2008 (http://www.artnet.de/magazine/charlotte-posenenske-vorgabezeit-und-arbeitswert/) Burkhard Brunn, Charlotte Posenenske, Vorgabezeit und Arbeitswert, Frankfurt am Main, New York, 1979 Vor dem Hintergrund eines performativen Wirkungsverständnisses, das wir heute auch geneigt sind, dem Unterlassen und Ausbleiben von Handlungen zu unterstellen, würde ich den ersten beiden Formen künstlerischen Nichttuns generell und der dritten partiell Praxischarakter zuschreiben und zudem eine teils reflexive, teils sogar mitgestaltende Funktion bei der historischen Entwicklung des Kunstfeldes einräumen. Denn auch wenn der Ausstieg aus der Kunst, einmal vollzogen, nicht mehr als eine Leerstelle in der Kunstlandschaft hinterlässt, kann diese Leerstelle doch landschaftsprägend sein. Zwar kann die zurückgewiesene Teilnahme an den Spielen der Kunstwelt nicht die Spielregeln ändern, wohl aber den Spielverlauf. Gesetzt den Fall, besonders kritische und anspruchsvolle Geister würden aus dem Spiel scheiden, weil es ihnen “zu doof” wird, dann fehlte gerade ihre Stimme, um vielleicht das Niveau zu heben. Gingen umgekehrt gerade jene, denen das Niveau ohnehin egal war, würde sie eventuell niemand vermissen und die Stimmung steigen. Gleichwie: Auch der Abtritt eines Spielers prägt das Spiel. Viele Ausstiege aus der Kunst bleiben unbemerkt, längst nicht alle sind kritisch motiviert, manche mögen Erleichterung auslösen. Andere können schmerzliche Lücken reißen und in der Szene für Aufsehen sorgen, wieder andere mögen symptomatisch sein für Zweifel, die viele teilen, ohne die gleichen Konsequenzen zu ziehen. Erfolgt ein Ausstieg aus explizit systemkritischen Gründen, mag er sogar als eine Zuspitzung institutioneller Kritik erscheinen, die sich licher Anliegen hat, aufgrund der gleichen Einschätzung das Kunstfeld von vornherein mied. Legt man die Latte hoch und fragt, wohin die brillantesten und engagiertesten Köpfe unserer Kultur ihre Aufmerksamkeit richten, muss man nicht zwangsläufig zu dem Schluss kommen, das sei die Kunst. Vielleicht stimmt das aber gar nicht? Vielleicht steht manche skeptische Einschätzung künstlerischer Perspektiven nur synonym für eine skeptische Einschätzung gesellschaftspolitischer Perspektiven insgesamt? Um solche Fragen zu klären lohnt es, sich mit den Utopien und mit der Kritik von Künstlerinnen und Künstlern eingehender zu befassen, die sich aus dem Kunstfeld zurückzogen und dabei die Motive zu verstehen, die sie zu diesem Rückzug bewegten. Kunstgeschichte, -soziologie und -kritik haben das Phänomen lange nicht bedacht. In einzelnen Ausstiegsbewegungen, dies wollte ich zeigen, werden aber Auseinandersetzungen um Sinn und Perspektive kultureller Praxen geführt, um gesellschaftliche Rollenmuster und deren institutionelle Legitimität, um soziale Utopien und deren Aussicht auf Umsetzung. Das macht sie aufschlussreich. Für ein Verständnis der sozialen Entwicklung des Kunstfeldes und letztlich für eine Einschätzung von dessen gesellschaftlicher Relevanz sind die oft sehr persönlichen Kämpfe, die mancher Ausstieg aus der Kunst auf kleinem Terrain austrägt, lehrreich auch für den Blick auf die Kämpfe auf größerem Terrain. Alexander Koch, 2005–2011 TERMINOLOGY aus dem Kunstfeld und Gesten, mit denen sich Künst- 5 Ihre kritische Haltung gegenüber der Kunstwelt brachte Lee Lozano nirgendwo anders hin, als aus dieser Welt hinaus. Und falls es ihr weitere Erkenntnisse über diese Welt brachte, lassen sie sich nicht beobachten. Das trifft leider auf die überwältigende Mehrzahl von Kunstausstiegen zu. Dass sie produktive Brückenköpfe oder Drehscheiben hin in andere Praxisfelder sind, scheint eher die Ausnahme zu sein – womit nicht gesagt ist, dass die betreffenden Personen nach dem Ausstieg nicht vielleicht ein zufriedeneres und in ihren Augen fruchtbareres Leben führen würden. Lozanos Rückzug als regressiv zu bezeichnen, mag hart klingen. Aus Sicht des Kunstfeldes, und das ist die Perspektive dieses Textes, ändert sich durch ihn aber nichts, außer dass eine interessante Akteurin eben nicht mehr zur Verfügung steht. KUNST VERLASSEN 1. Gestures of Disappearance, 8 Vgl. S. 3 9 Vgl. S. 16 ENGLISH The interest in artists who have turned their backs on art and abandoned their practices is a relatively recent phenomenon. When I conceived an exhibition about Gestures of Disappearance1 in 2002 that featured work by Lee Lozano, Arthur Cravan, and others, most of my theoretical and historical research came up empty. I found biographical material about individual artists, but no discussions of movements of retreat from art that showed any systematic ambition. In the history of art, it seemed, the chapter about dropping out was yet to be written. So I needed to lay the theoretical and historiographical foundations for “dropping out of art” as a thematic issue. In the following I will resume arguments I have presented in several texts2 written between 2005 and 2008 in order to define the concept more precisely and derive consequences that may also serve as parameters for further studies. In recent years, renewed attention to the oeuvres of artists who resigned from the field of art—Lee Lozano and Charlotte Posenenske would appear to be paradigmatic examples—has raised interest in the topic and brought it some popularity. The contemporary art scene has a penchant for reevaluating artists’ positions, particularly from the 1960s and 1970s, that had were marginalized or forgotten, and using the (alleged) radicalism of such positions to furnish itself with an ersatz sense of urgency the scene may often lack today. This tendency threatens to generate new myths of artistic dissidence. They must be deconstructed before becoming entrenched. A closer look and a more nuanced perspective seems desirable in particular where people speak, with increasing frequency, of “dropping out of art” as a form of resistance to the market and the institutions. Such resistance is by no means present even in all instances to which the concept of dropping out in the narrow sense applies. At the same time, we need to understand wherein such dropping out strictly conceived consists, and determine the potential for (systemic) critique it may have in the perspective of the field of art. Another reason why we should clarify the concept can be found in recent debates— motivated in part by academic interests, in part by political concerns—over (artistic) forms of idleness. They are fruitful for our understanding of what it means to drop out of art because they can illuminate how not only action but also inaction is a performance that contributes to shaping social reality, and show how such inaction, too, is a form—perhaps a critical form—of praxis. I use the term dropping out of art to describe, generally, the social translocation and, more specifically, the social practice of an actor whom we can localize in the field of art at a point in time X but not at a later point in time Y, and who wanted this to be the case. This definition has several implications: I follow Pierre Bourdieu’s theory of social fields in speaking of actors in the field of art, rather than artists. Otherwise we would need to decide who can legitimately be considered an artist and who cannot. But such membership—as distinct from the private claim to the status of artist, which the social environment may refuse to acknowledge— is determined by a process of recognition that takes place in the field of art itself, and so I assume that someone who “drops out of art” must have been a player in the art world in the first place, or it would be meaningless to speak of dropping out. No one can can surrender an artistic position who does not hold one to begin with. Someone who buries his artistic ambitions due to a lack of social or institutional recognition or financial success does not truly do so of his own accord—and that is what the concept of dropping out presupposes. It implies that someone acts intentionally (I can disregard the niceties of the concept of intentionality in this context). That also distinguishes the concept from scenarios of censorship and the repression of artistic practices. For in such instances we would speak not of someone’s dropping out but, to put it bluntly, of someone’s being kicked out. It might be objected that this perspective immediately excludes unrecognized positions that have been marginalized from the outset. But this objection would either raise the question regarding the social criteria governing the recognition of someone’s being an artist, or bring us to artistic practices located beyond officially sanctioned conceptions of art and the artist, practices whose criteria of inclusion and exclusion we cannot determine in general terms at this point. By presupposing the position of an observer, the decision to adopt a sociological system to describe social practices deliberately avoids adopting an underlying ideological or idealistic concept of art to which the concept of dropping out would then need to relate more specifically. A second and important implication of the definition given above is that the general designation “actor in the field of art” includes not only artists, but also curators, critics, gallerists, collectors, even professors at universities and academies—generally speaking, anyone who is a member of the field of art and accordingly also capable of leaving that field. My argument is based on the assumption that practices within the field of art are fairly—and increasingly— mutually permeable. It would be melodramatic and, once again, an instance of ideological tunnel vision to call the move from an artistic to a curatorial practice an instance of “dropping out of art,” a move that is in reality a change of practices and roles within the field of art and, we should note, easily reversible; more so at a time when a growing number of artists simultaneously or occasionally play the role of curator. The fact that switching from curating to making art is (still) virtually impossible and perhaps even taboo is a different matter. By contrast, the fact that artists also work as critics, gallerists, and professors, devoting more or less energy to this work and in some instances focusing entirely on teaching or writing, is hardly surprising if we consider that artists for a long time also played the role of art historians before art history was founded as an academic discipline in its own right. And if many gallerists were conversely artists at some point, that past iden- tifies them as longtime art enthusiasts and not as refugees from art or even artphobes. In the interest of conceptual clarity, I will in the following nonetheless largely constrain myself to portraying artists as art dropouts. My definition has another implication, one that is sobering to historians: that art dropouts leave nothing behind in the field of art beyond monuments to their practice from the time before they dropped out as well as one or the other fact or rumor about where they have gone. That creates unfavorable conditions for observing them. The historian always arrives too late to meet them. Indicatively enough, they also tend not to give retrospective interviews, which would once again make them players of a sort in the field. In many instances, the oeuvre or their notes already contain hints as to the motives of their withdrawal. Describing the act itself and especially its goal more precisely would require an eyewitness, as it were. On occasion, fellow artists, curators, and gallerists offer such observations, and their reports are in most cases the only informative sources, although they are often colored by their personal views. The only way to document an instance of dropping out, then, is by tracing its dialectical relation to a past practice that no longer exists and that does not constitute the real heart of the matter. For the same reasons, the withdrawal itself cannot be exhibited. Two special cases require discussion: the voluntary withdrawal from art in repressive systems, and suicide. The question of dropping out appears more complicated with regard to the particular cultural-political situation in the former socialist countries of Eastern Europe.3 Not only did these countries have two fields of art—an official one, regulated by public authorities, and an unofficial and highly informal one—that were intertwined in subtle ways, so that we would have to examine the motivations and consequences of dropping out with respect to each individually. But there is also the question of how many actors may under these conditions have failed to gain access to one or the other field of art, renouncing the wish to pursue an artistic practice early on. An attempt to write the history of dropping out of art under repressive regimes faces the additional challenge that it would redouble the invisibility of practices already repressed by the system, given its own inevitable inability to document such practices. Commentators often conflate suicide with the withdrawal from art. In isolated cases such as that of Ray Johnson, who suffered from AIDS when he killed himself, or that of Bas Jan Ader, an experienced yachtsman who must have been aware of the scant likelihood that his attempt to cross the Atlantic Ocean in a boat measuring less than thirteen feet in length would be successful, a last work that seems to bespeak desperation or depression may also look like a farewell song to art; to my mind, however, such works are farewell songs to life. Practices of dropping out: Three forms of artistic inaction To further clarify the phenomenon of the discontinuation of artistic practices, it is helpful to change the terminology slightly. In recent years, theories of performance and theatricality have taught us a great deal about how human inaction is, or can be, a form of praxis no less valid than action. The idea is immediately plausible if we consider how much gestures of silence employed at the right moment can mean and achieve in art, and not only in art. In the following, I will distinguish between three forms of artistic inaction. Only the third, I will argue, amounts to a withdrawal from art, while the first two do not.4 Ostentatious inaction What, we may ask, has had greater significance for the evolution of art over the past one hundred years: additions or omissions? Inventing new and promising forms of activity, or shedding old habits that stood in the way of adapting the concept of art to a new era? The act of creation, it seems, is the privileged element in art and regarded as superior to all other related practices. And yet artists, and members of the classical avantgardes and the post-avant-gardes in particular, more than anyone else, cultivated forms of inaction; of the omission or nonperformance of actions. In fact, the cancellation of elements of their praxis was central to the victory of the idea of autonomy in art. For whenever audiences were given nothing or little rather than something to see—because artists defied the expectations of productivity they faced and cut back on, or suspended, their artistic creation—this defiance asserted their claim to freedom of artistic action no less emblematically than the presentation of new feats of inventiveness. Omitting, effacing, and erasing became characteristic of formal-aesthetic innovation in the production of works, and have long been an integral part of the toolbox of artistic methodology. Silence and refusal have a voice in the rhetoric of artistic renewal. Like the ugly, the shocking, and the scandalous, artistic inaction can serve as an instrument of innovation by disrupting artistic communication. Such disruptions are particularly prevalent during times of cultural transformation. The waning of artistic modernism during the 1950s and 1960s, to mention a familiar example, was reflected in a historically unprecedented flood of empty canvases, forms of silence, and rejections of traditional models of practice. Such artistic gestures of silence and acts of refusal, however, have generally drawn attention and become the subject of debates only when they appeared in public and bore features that could ultimately be made suitable to a place in the archives of the museum—when, that is to say, they were ostentatious disruptions of norms and standards of the production, presentation, or distribution of art, demonstrative acts that in turn took the form of works or performances or manifested themselves in documents of some importance. Classical examples include the 1952 performance of John Cage’s 4’33 in Woodstock, N.Y., Yves Klein’s Paris exhibition Le Vide at Galerie Iris Clert (1958), Daniel Buren’s sealing the rooms of Galerie Apollinaire, Milan, with white and green stripes of fabric (1968), Robert Barry’s During the exhibition the gallery will be closed (Amsterdam, Turin, and Los Angeles, 1968), Chris Burden’s performance Disappearing (1971) and his B.C. Mexico Project (1973). We could list many more examples. They illustrate that we become cognizant of the omission or nonperformance of an action against the backdrop of an established set of expectations. Without the habitual or normative expectation that certain actions will be performed, it makes no sense to speak of their failure to take place. If artistic inaction makes a difference vis-à-vis artistic action, it does so only to the extent that it subverts the de facto horizon of expectations that implicitly (for instance, due to an institutional framework) or explicitly (for instance, due to an announcement or a claim) govern the perception of a work or situation. What can, and what cannot, appear and matter as an omission with regard to artistic practices is thus dependent on what is considered an expectable and likely performance of a practice in any particular instance. I use the phrase ostentatious artistic inaction to describe the deliberate rejection of technological, social, institutional, or other expectations artistic practices face, when such rejection in turn manifests itself as an artistic act. Communicative inaction These—usually work-like—forms of ostentatious inaction contrast with instances in which no artistic act takes place at all. The failure of artistic action to manifest itself can nonetheless attract attention in the field of art and reveal itself to be a negation of artistic activity. Such forms of visible and even public passivity—“Duchamp’s silence” would be a classical example—displace the plane of artistic action from aesthetic practice toward participation in the social construction of the field of art and the communication circulating within it. Whereas ostentatious artistic inaction often negotiates conceptions of the work and the concrete institutional apparatuses that sustain them, communicative inaction directs attention primarily to how the role of the artist is imagined and addresses the social conditions that frame an existence in the field of art. The failure to perform an artistic act pursues communicative and sometimes critical intentions. It makes itself known, aiming to generate reflective and discursive effects within a scene. Radical inaction Richard Rorty presents a point of comparison that is helpful in illustrating the distinction between communicative inaction and radical inaction. In his book Achieving Our Country: Leftist Thought in TwentiethCentury America, which came out in 1998, he distinguished between a reformist left that, he argues, contributed decisively to the shape of public life in the United States during the first half of the twentieth century, and a radical left that gained the upper hand starting in the mid-1960s. Whereas the reformist left acted in the political sphere in order to achieve emancipatory projects such as the abolition of racial discrimination, he writes, the radical left withdrew from practical politics into political theory and cultural production, a shift that—thus Rorty’s charge—resulted in its de facto depoliticization. Falling for the simplistic notion that the social injustices a political system generates cannot be changed from within that system, the radical left’s quest for an ideal (theoretical) form of justice led it to summarily withdraw from the system altogether. Whereas the reformist attitude represents a conception of critique that aims at political participation, the radical attitude spurns the opportunity to participate. Drawing on Rorty’s distinction, we might call communicative inaction “reformist” as well—it remains part of the critical discourse within, and about, the field of art— and contrast it with a radical artistic inaction that does not, or no longer, participate in that discourse. In analogy with the intellectual attitude Rorty describes, radical inaction would amount to dropping out of the system: the nonperformance of any artistic act that pursues no communicative intention and renounces all modes of critical intervention or other participation in the social reproduction of the field of art. In addition to forgoing the form of the work, such inaction also implies the discontinuation of all other forms of publication, performance, or appearance in the field of art. In short: it means dropping out of art. In contradistinction to negative acts in communicative inaction, radical inaction does not aim to elicit a communicative response. It leaves the communication of art to its own devices. Instead of subverting the expectations that undergird artistic practice, it elopes from them. Instead of addressing conceptions of the work and models of the artist’s role with the intention of reforming them, it turns its back on the system of art in its entirety. It is indicative that the history of art is especially rich in examples of such radical inaction during the same era in which Richard Rorty sees the American left shifting from a reformist to a radical attitude: a period that begins in the mid-1960s. Such inaction is not infrequently the consequence of a loss of utopian belief or of the conviction that one’s own actions are socially relevant—a collapse, as it were, of the internal horizon of expectations that can sustain a praxis in the long run. In this sense, radical artistic inaction derives from the expiration of a reformist interest; yet it can also be based on a reflective and critical assessment of the courses of action still available to a 9 GENERAL STRIKE particular actor in the field of art. Such a reassessment may reflect on the conditions that frame an artistic practice, on the general cultural and political situation in a society, or more specifically on individual institutional, economic, or social routines that are typical of the field of art; the actor in the field then addresses these routines precisely by no longer accepting them and consequently ceasing to contribute to the field’s social reproduction. Dropping out as a special case of transitory artistic practice Yet a constellation of practices as complex as the praxis of art rarely expires overnight. The withdrawal from art is in fact often an incremental process in which the decision to drop out slowly takes shape. A threshold situation between participation and withdrawal, between speaking and silence, between action and inaction can give rise to a performative zone of passage, a transitory practice an actor in the field of art uses to gradually disengage from that field. Although such disengagement can also take place abruptly, radical artistic inaction, or dropping out of art, is usually not a simple refusal or sudden silence; rather, it must first create that silence, or overwrite an artistic practice with a non-artistic one in a cascade of disruptions that sometimes allows for a reflection on the individual components of the practice thus disrupted. Dropping out of art can accordingly appear as an artistic practice in its own right, which may still include ostentatious and communicative acts before eventually putting a stop to these as well. Seen from this perspective, dropping out would be a (temporary) special case of artistic practice, and possibly a critical practice. This practice may be extended after the decision to drop out has been made when other actors in the field of art—gallerists, for instance, or art critics—will not let go and a former artist must repeatedly reassert his or her refusal against the objections of old friends, inevitably intervening in the communication within the field of art. When such rearguard action becomes a permanent state of affairs, we would have to ask whether the motion to drop out has in fact been successful. And of course dropping out is a decision the former artist can reverse at any time, as numerous examples demonstrate. It is a compliment to the field of art that, despite the many restrictions of which it is capable, it also displays great readiness to integrate a new or old actor when it can connect his or her (re)appearance to its own interests. Yet we ought to be cautious when positions classified as art dropouts now appear on a stage set up for them by—frequently young—curators motivated by the abovementioned penchant for putative members of an old-school resistance. For what looks like dropping out from a distance was sometimes merely a practice running dry that may not have been economically self-sustaining. Such cases can be tragic; but they do not constitute instances of deliberate dropping out, and they are certainly not suitable models of resistance. The question remains: what happens to the oeuvre an artist leaves within the field of art, where, to the extent that it continues to be perceived and perhaps circulated, it ensures that his or her name remains part of the conversation? Since the former artist no longer exerts any influence as an actor, his or her estate and legacy are in the hands of others, sometimes with astonishing consequences. Three examples: Based in Paris, Galerie 1900/2000, which holds numerous documents from the estate of Arthur Cravan, attributes a series of paintings created in 1914 to him that bear the signature “Édouard Archinard.” Whether the small pictures, clumsily painted in the post-Impressionist manner, are indeed from 10 the hand of Cravan, a six-foot-six amateur boxer who had until 1914 primarily practiced the arts of causing public scandal and offending the audience, will probably always remain in doubt. Years after Charlotte Posenenske’s death, her oeuvre is experiencing a renaissance, thanks to the public relations efforts in particular of her former collaborator Burkhard Brunn. For several years, works have been newly manufactured in unlimited editions (the artist herself had expressed the wish that editions not be closed), sometimes of materials that did not even exist when the work-concepts and prototypes were created. This production is perfectly compatible with Posenenske’s open conception of the work. Still, it was striking to see her sculptures, otherwise usually made of cool metal, remade from oriented strand board, at documenta 10. By contrast, several recent works signed “Lee Lozano as remembered by Stephen Kaltenbach” are most questionable. Kaltenbach, a onetime friend and lover of the artist, invokes the authority of works he claims of labor than making sculptures. The latter were built in such a way that the viewsers, working together, could alter and rearrange them, effectively becoming active users. They, too, thus represent processes based on a division of labor, in conjunction with a direct invitation to participate. But that seems to have been not enough to Posenenske’s mind. Whether her scholarly work ultimately brought her closer to realizing her aims is a different matter. The decisive point is that the emancipatory interest in the political organization of society that had already motivated her slight artistic oeuvre continues immediately in another discipline; and even more, the sociological research she undertook with Burkhard Brunn apparently enabled Posenenske to subject even the earlier productive processes involved in her own sculptural creation to a retrospective critical analysis.7 Her withdrawal from art thus represents an example of how themes an artist first explores through an artistic engagement can transcend that engagement, leading into other fields of practice, perhaps even creating methodological access to such fields in the first place; and that this sort of shift can art might yet bring her a happier life. For art-scene outsiders, her notes limn the portrait of a scene in which incestuous relationships, careerism, and pseudo-revolutionary showmanship are the rule—a picture that is eye-opening and even amusing. Yet despite their persuasive internal logic, the notebooks lack all analytical depth. Her critical view of the art world did not take Lee Lozano anywhere but out of that world. And if it enabled her to better understand the art world, there is no way for us to observe her gaining such insight. Unfortunately, the same is true of the overwhelming majority of art-world dropouts. Instances in which they act as productive bridgeheads or hubs, creating access to other fields of practice, would seem to be the exception, which is not to say that the people in question may not have led a happier life after dropping out. It may seem harsh to call Lozano’s withdrawal regressive. But in the perspective of the field of art—and that is my perspective here—it does not change anything, beyond the fact that an interesting actor is no longer available. It is important to consider the difference between Lozano and Posenenske when discussing the critical potential and radicalism of dropping out of art. If spoke of radical inaction, I did so because of the absoluteness and finality with which a decision is made in such instances. Describing something as radical does not automatically imply attaching positive value to it, as the sideways glance at Richard Rorty’s analysis showed. The motivation and aims of dropping out and the options for subsequent communication and action it opens up must be examined closely in each individual case. conclusion Charlotte Posenenske, pamphlet against a public art project, Bielefeld 1968 (Burkhard Brunn, 2005) to have seen at Lozano’s studio, although she never published them, as well as ideas for works the two contrived together around 1970 but never realized. The results are sculptures and installations of dubitable quality that seem hard to square with the artist’s conceptual rigor; the Estate of Lee Lozano accordingly refuses to recognize them. In 2010, Kaltenbach even staged Lozano’s conceptual work Throwing Up Piece (1969) as a performance in Los Angeles; the act was incompatible with the artist’s own practice and not authorized by her estate. PROGRESSIVE aND REGRESSIVE dropping out One question I have not yet addressed is this: when artists drop out, when they depart the art world, what is their destination? We can identify two different fundamental motivations and sets of goals, which also entail different qualifications of various instances of dropping out with regard to their critical potential, or perhaps their ability to inspire. I distinguish between the progressive withdrawal, which I will illustrate using Charlotte Posenenske as an example, and the regressive withdrawal, which I believe Lee Lozano exemplifies. Progressive dropping out Charlotte Posenenske explained her withdrawal from art with her belief that art was incapable of contributing to solving social problems.5 Instead of leaving it at that, the artist switched to sociology. She apparently thought that social research, by meticulously reconstructing and critiquing widely used methods of the determination of value in economic processes based on the division of labor6, would be better suited to establish a more democratic and fair organization also open up a new perspective in which the former artist can see the conditions and limitations of her earlier practice more clearly. Posenenske’s dropping out of art can thus be described as a liberating step forward, of advantage to herself and the thematic issues to which she was committed. The field of art boasts of its members who have come from other disciplines. When an artist has studied biology, German philology, or political science, that fact is highlighted (if he or she is a trained baker, not so much), with overtones of the suggestion that this past confers a particular degree of wellfoundedness or social relevance on the artist’s practice. By contrast, it seems difficult to imagine that the art scene would boast of having lost an actor to biology, German philology, or political science. A case of wounded professional pride that someone would rather lead the ordinary life of a middle-class employee, or embarrassment that someone would prefer the hard sciences? If there were more cases like Posenenske’s, a different sort of permeability, different interactions between artistic and non-artistic practices and discourses might be more tangible. Regressive dropping out Lee Lozano’s withdrawal from art, too, is rich with indications that she no longer thought that art had the social potential she had hoped it would develop.9 In her Language Pieces and notebooks, she meticulously examines individual features of the art world she feels a growing revulsion for—first and foremost its vanity. Yet dropping out does not open up new perspectives for her—or for us—but instead leads her into a life of loneliness in difficult financial and personal circumstances. Art-scene insiders find little that is new in the sometimes mercilessly self-revealing notes from the artist’s everyday life, but she certainly addresses things openly that some people would never admit to themselves or others. Lozano’s themes range from excessive drug use and financial worries to the hope that Let me summarize: I use the term ostentatious inaction to describe artistic practices in which artists use acts of art to subvert or negate habitual or normative expectations regarding their actions they face or that are attributed to them. I use the term communicative inaction to describe negative artistic practices, or practices that mark the omission of artistic acts as such in the field of art, leading to further communicative effects or even aiming to generate such effects. I use the term radical inaction to describe the deliberate nonperformance of any artistic act, in conjunction with a temporary or permanent move to a different field of communication and action (leaving the field of art behind). In the case of radical inaction, it is helpful to further distinguish between progressive and regressive dropping out in order to arrive at a closer characterization of such inaction in the individual instance. In light of a performative conception of efficacy, which we are today inclined to ascribe also to the omission and nonperformance of actions, I would describe the first two forms of artistic inaction as generally, and the third as partially, practical in nature, and furthermore allow that they have played a partly reflective and partly even constructive role in the historical development of the field of art. For even when a dropout, once he or she is gone for good, leaves nothing but a void in the landscape of art, that void can nonetheless profoundly inform its environment. Although refusing to participate in the games of the art world cannot change the rules of the game, it can alter its course. If particularly critical and demanding minds were to retire from the game because they feel it is getting too dumb for their taste, their voices would be missing when the time might come to raise the standards. If, on the other hand, those who never cared about standards in the first place were to leave, they might not be missed, and the general mood might improve. Either way, the resignation of a player shapes the game no less than a move within the game. Many art dropouts go unnoticed; far from all of them are motivated by critical intentions; the departure of some may be a cause for relief. Others may leave a painful void and cause a stir in the scene; with yet others, their leaving may be symptomatic of doubts many people share without drawing the same consequences. When a dropout is explicitly motivated by a critique of the system, his or her act may even appear as pointedly articulating an institutional critique addressed to the institution of art as a whole rather than merely some of its parts. Taken together, such dropouts may be a cause of vexation to the field of art as well: they demonstrate that it is, to an unquantifiable number of people, dispensable. When I began studying the issue in 2002, I shared Charlotte Posenenske’s view that art is often discussed in the public sphere as “a commodity of transient topicality,” rather than inspiring a debate over the real concerns it articulates. I was interested in seeing whether similar assessments might have motivated not only Posenenske but also other actors to leave the art world, and whether a sector of the public that was actually interested in debating social concerns might for the same reason have avoided the field of art from the outset. If we set the bar high and ask to which object the most brilliant and dedicated minds in our culture turn their attention, we need not necessarily conclude that art is that object. But perhaps that is not correct after all? Maybe a skeptical assessment of artistic perspectives is merely synonymous with a skeptical assessment of socio-political perspectives more generally. To begin to answer such questions, it is worth studying the utopian views and the critiques of artists who withdrew from the field of art more closely, and to form an understanding of the motives behind their retreat. The history, sociology, and criticism of art have long failed to consider the phenomenon. But as I hope to have shown, the steps individuals take as they drop out enact controversies over the meaning and perspective of cultural practices, over the social attribution of roles and their institutional legitimacy, over utopian ideas of society and their prospects of realization. That makes dropouts revealing. As we seek to understand the social evolution of the field of art, and ultimately to assess its relevance to society at large, the—often very personal—battles some art dropouts wage on their own minor turf can also tell us something about battles on a larger terrain. A PRACTICE OF ABANDONMENT. Lee Lozano’s Language Pieces and notebooks Alexander Koch, 2005–2011 1 KUNST VERLASSEN 1. Gestures of Disappearance, Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, May 22–June 22, 2002. At the time, the exhibition did not yet distinguish between dropping out of the field of art and gestures artists employed to render themselves temporarily invisible within the field, such as Chris Burden’s B.C. Mexico project (1973) or Bas Jan Ader’s attempt to cross the Atlantic Ocean in 1975 (which ended fatally). 2 KUNST VERLASSEN 2–7, www.kunst-verlassen.de 3 Cp. Alexander Koch, KUNST VERLASSEN 5. Why Would You Give Up Art in Postwar Eastern Europe (and How Would We Know)?, in Marina Grzinic, Günther Heeg, Veronika Darian (eds.), Mind the Map! – History Is Not Given, Frankfurt am Main: Revolver, 2006. 4 Cp. Alexander Koch, KUNST VERLASSEN 7. Un- terlassenskreativität oder Was tut das künstlerische Nichttun, was das künstlerische Tun nicht tut?, in Alice Lagaay, Barbara Gronau (eds.), Performanzen des Nichttuns, Vienna: Passagen, 2008. 5 6 Cp. p. 3 Burkhard Brunn, Charlotte Posenenske: Vorgabe- zeit und Arbeitswert – Interessenkritik an der Methodenkonstruktion: Leistungsgradschätzen, Systeme vorbestimmter Zeiten, analytische Arbeitsbewertung, Frankfurt am Main: Campus-Verlag, 1979 7 Cp. Matthias Klos, Elastizität der Selbstkritik, artnet Magazin, August 8, 2008 (http://www.artnet.de/magazine/charlotte-posenenske-vorgabezeit-und-arbeitswert/). 8 Cp. p. 3 9 Cp. p. 16 Translation by Gerrit Jackson 11 GENERAL STRIKE Lee Lozanos Language Pieces sind der einzige mir bekannte Fall, bei dem ein allmählicher Rückzug aus der Kunst Hand in Hand geht mit der Entstehung eines eigenständigen, letzten Werkkomplexes, der diesen Rückzug unmittelbar dokumentiert, ja: diktiert. Nimmt man Lozanos private Notizbücher hinzu, ergibt sich ein umfassendes Bild der letzten vier Jahre ihrer künstlerischen Tätigkeit zwischen 1968 und 1972 sowie der äußeren Anlässe und der intimen Motive für ihren Ausstieg. DEUTSCH Als ein plötzlicher Schwenk in ihrer Arbeit – bis dato war Lozano v.a. Malerin – entstehen zwischen April 1968 und Juli 1969 rund 50 Language Pieces. Es sind per Hand oder mit der Schreibmaschine zu Papier gebrachte Handlungsanweisungen der Künstlerin an sich selbst, die einem stark formalisierten Notationssystem folgen und systematisch mit Fußnotenapparaten arbeiten. Einige Language Pieces werden kopiert und an Freunde verteilt, andere sind für Ausstellungen oder Publikationen vorgesehen, wieder andere verbleiben im Atelier. Zahlreiche Ideen für weitere Pieces finden sich als kurze Notizen. Am meisten Aufmerksamkeit widmet Lozano aber programmatischen Stücken wie dem General Strike Piece (Siehe Seite 5). Wie üblich setzt die damals 39-Jährige auch das in General Strike selbst gesetzte Diktat, sich von öffentlichen Funktionen und Versammlungen der Kunstwelt fernzuhalten, detailgenau in die Tat um und dokumentiert ihre einzelnen Schritte. In den fünf Wochen nach Beginn der Arbeit hält sie die Daten ihrer letzten Auftritte auf dem Kunstparkett als Teil des konzeptuellen Werkes fest: Letzter Vernissagebesuch: 15. März, letzte große Party: 15. März, letzter Museumsbesuch: 24. März, letzter Aufenthalt in einer Bar: 5. April, letztes Warten vor einem Konzert: 18. April. Lozano sieht vor, General Strike „mindestens während des Sommers ´69“ Folge zu leisten. Auch andere Language Pieces thematisieren kritisch und oft amüsant Lozanos Leben inmitten und dann zunehmend außerhalb des Kunstbetriebs. So zieht sie sich mit dem Withdrawal Piece aus einer geplanten Gruppenausstellung in der von Richard Bellamy betriebenen Green Gallery zurück, die auch Robert Morris, Donald Judd, Dan Flavin und andere Minimalisten vertritt, „um zu verhindern, zwischen Arbeiten zu hängen, die dich runterziehen“. Oder sie mokiert sich mit Throwing Up Piece über Fachzeitschriften und damit die Kunstkritik: „Wirf die letzten 12 Ausgaben von Artforum in die Luft“. Lee lozano’s language pieces and NOTEbooks das Dialogue Piece als ihre einzige Arbeit bis ans Ende ihres Lebens durchzuführen. Als Kurzschluss von Kunst und Leben scheint sie es aber nicht aufzufassen. Denn wenige Seiten später fügt sie hinzu: „Sind die Dialoge ein Abschied?“ Schon Lozanos letztes Malerei-Projekt, die Serie der Wave Paintings von 1967-1970, hatte etwas Ultimatives an sich. Jedes der elf Bilder sollte in einer einzigen Sitzung gemalt werden bei gleichzeitiger Verdopplung der Anzahl zu malender Wellen von Bild zu Bild. Bild zwölf wäre demnach von einer Formkomplexität gewesen, die sich malerisch nicht Durch ihr eigenes Diktat des General Strike Piece immer mehr vom öffentlichen Leben abgeschnitten, beginnt Lozano, ihre Aufmerksamkeit und ihre konzeptuelle Praxis auf sich selbst zu fokussieren. Sie untersucht nach eigenen Worten ihre „starke emotionale Abhängigkeit“ von Drogen (Grass Piece, No-Grass Piece) und Sex (Masturbation Investigation), aus der sie sich lösen möchte. Andere Themen haben etwas Alltäglich-Kurioses. Ein Streit mit ihrem Freund Dan Graham veranlasst das Dan Graham Piece – das sie später “zensiert”. In Fish in a Tank Piece erwägt sie, einen Tiefseefisch, der ja kein Tageslicht brauche, im Spülkasten ihrer Toilette zu halten, wo er automatisch regelmäßig mit frischem Wasser versorgt wäre. Eine tote Fliege in der Dusche wird kurzerhand zum mehr bewältigen ließ. Mit ihrem Freund Carl Andre teilt Lozano das Interesse an physikalischen Theorien. Die Mondlandung ist für sie der eigentliche Beginn der Moderne. Unendlichkeit, Universalität, totale Revolution sind Konzepte, die sie begeistern. In der Malerei scheint sie wie in der konzeptuellen Arbeit nach totalen, absoluten Werkdimensionen zu suchen – knüpft die Umsetzung dieser Totalität aber unmittelbar an ihr eigenes physisches und künstlerisches Leistungsvermögen. Sie ist sich der faktischen Grenzen ihrer ästhetischen Utopien offenbar ebenso bewusst wie der Private notebook 4, pp. 57A, 57, Oct. 20, 1969 No Title (Dialogue Piece), Tear-Sheet from Vito Acconci’s 0 to 9, p. 10, 1969, Wadsworth Atheneum Museum of Art, Hartford, CT Dialogue Piece, part 1 and 2, 1969, Wadsworth Atheneum Museum of Art, Hartford, CT Fly Piece, das aber nur eine Tagebuchnotiz bleibt. Ihr ganzes Leben scheint allmählich in den Strudel der Language Pieces zu geraten: die Planung von Ausstellungen (Konrad Fischer Show Piece, Special Lighting For Painting Piece), die Auspreisung ihrer Bilder (How to Price Paintings Piece), ihre Essgewohnheiten (Eat More-Or-Less The Same Thing Every Day Piece) bis hin zu Fantasien über die Anordnung der Sterne am Himmel (Night Sky Show Piece). Viele dieser Pieces sind nicht mehr als Titel, wie Hold A Secret Piece und Hold Another Secret Piece, zumindest ist keine ausführliche Niederschrift überliefert. Piece (or Lace Piece), Withdrawal Piece, Transistor Radio Piece, 1969, Harvard Art Museums / Fogg Museum 12 Die stärker ausbuchstabierten Language Pieces gehen aber systematischer vor und zeigen ausführlich Lozanos Bedürfnis nach sozialem Kontakt, den sie sich vom Atelier aus organisiert. In Real Money Piece bietet Lozano Freunden, die sie besuchen, neben Getränken und Marihuana auch Geld an, von dem die Gäste – bei einer Startsumme von 585 $ – so viele Dollarnoten aus einer Glasschale nehmen dürfen wie sie wollen. Lozano schreibt die Reaktionen ihrer Freunde genau auf. Eine zentrale Rolle bekommt das Dialogue Piece, das sie im April 1969 beginnt, über viele Monate weiterführt und akribisch dokumentiert. Es gibt vor, Personen, die sie anderweitig nicht mehr treffen würde, zu kontaktieren, um sie zu einem Gespräch einzuladen. Sie telefoniert sich Wochen und Monate lang durch die halbe New Yorker Kunstszene und führt im Atelier Gespräch nach Gespräch. Explizit weist Lee Lozano in der Handlungsanweisung darauf hin, dass es nicht darum gehe, ein „Piece“, eine künstlerische Arbeit zu machen, sondern einen Dialog zu haben. Das Dialogue Piece führt Lozano an die Grenzen ihres Kunstbegriffs. Zwar gibt die Kritikerin und Kuratorin Lucy Lippard 2001 zu Protokoll, Lozano sei „eine der ersten, wenn nicht die erste Person“ gewesen, „die das Kunst-als-Leben-Ding machte. Was andere als Kunst machten, machte sie wirklich als Leben“1. Lee Lozano selber verwendet die „Kunst-als-Leben“-Formel jedoch nicht. In ihrem Private Notebook No. 8 beschreibt sie umgekehrt, das Dialogue Piece käme ihren künstlerischen Idealen von allen bisherigen Werken am nächsten, da es sich niemals erschöpfe, demokratisch sei, sich der Kapitalisierung entziehe und viele weitere optimale Eigenschaften habe. Sie erwägt, Private notebook 2, pp. 45 – 47, May 19, 21 / p. 88, July 3, 1969 Grenzen der sozialen Utopien, die ihre Language Pieces und Notizbücher füllen. Mehr und mehr scheint sich ein Graben aufzutun zwischen der Suche nach Absolutheit und der Unfähigkeit, sie zu erreichen. Das prägt auch ihre politische Einstellung. Bei einer Veranstaltung der Art Workers Coalition am 10. April 1969 in der New York School of Arts distanziert sich Lozano deutlich von deren reformerischen Ansätzen, die Künstlern u.a. mehr Mitspracherecht bei der Ausstellungspolitik öffentlicher Museen sichern wollen. Diese Ansätze sind ihr nicht radikal genug, erscheinen ihr zu partikular und sie erklärt: „Ich werde nur an einer totalen, zugleich privaten und öffentlichen Revolution teilnehmen.“ Eine Formulierung, die den Forderungen des Feminis- mus nahesteht. Aber auch zum Feminismus geht sie auf Abstand. Ein Treffen bei Lucy Lippard im Februar 1971, bei dem Künstlerinnen eine 50%-Quote für die jährliche Skulpturenausstellung des Whitney Museums einfordern, wird von Lozano äußerst abschätzig als Geschwafel kommentiert. „Männer bekämpfen einander, Frauen langweilen einander.“ Und sie pointiert: „Die Befreiung der Frauen war ein Unglück“. Es sind solche Einschätzungen, die sie gegenüber der Szene missgünstig machen. Gemessen an ihren eigenen absoluten Ansprüchen erscheint ihr vieles im Umfeld als zu lau. „Mehr Pepp!“, fordert sie. Mal charmant und differenziert, mal derb und unversöhnlich lassen ihre Charakterisie- rungen der Kunstszene diese in schlechtem Licht erscheinen. Karrierismus ist Lozano zuwider, Geld ist ihr verdächtig, Erfolg schätzt sie gering. „Erster sein hält nicht an, Letzter sein ist egal“, so eine ihrer Kurzformeln. Sie will Großzügigkeit, will ihre Energie, ihre Ideen und ihre Kunst verschenken und mit anderen teilen. Sie zeigt sich desillusioniert darüber, dass ihre Hoffnung auf eine engagierte, offenherzige und dabei doch auch kompromisslose künstlerische Existenz im Kreise ähnlich ambitionierter Mitstreiter unerfüllt bleibt und sieht sich mehr und mehr isoliert. Ihr fehlt auch ein Partner. Die Nähe zu Dan Graham ist intensiv, andere Liebhaber spielen eine Rolle, aber ihr fehlt wahre Unter- Private notebook 6, pp. 55A, 56, Feb. 1970 13 GENERAL STRIKE „Boycott Women“ findet sich gar an keiner Stelle als „Piece“ bezeichnet, sondern als ein „Experiment“. Während des Sommers 1971 will Lozano den Kontakt zu Frauen unterbinden in der Hoffnung, danach werde die Kommunikation mit ihnen „besser denn je”. Vielleicht aufgrund ihrer enttäuschten Abwendung vom Feminismus, vielleicht aber sogar eher aufgrund anderer, privater, psychologischer Motive, die hier nicht näher zu erörtern sind, wird aus dem Experiment ein Entschluss für den Rest ihres Lebens. Es ist aber fraglich, wie stimmig es ist, eine solch drastische und eventuell auch skurrile Lebensentscheidung – gleich was deren Motive gewesen sein mögen – quasi als eine 30-jährige, „radikale“ Performance zu sehen. Bedeutender aber ist die sich in den Texten zahlreicher Autorinnen und Autoren allmählich kanonisierende Darstellung des Drop Out Piece als Lee Lozanos „letzte Arbeit“. Denn dadurch wird suggeriert, Lozanos Ausstieg aus der Kunst – sei selbst Kunst. Legt man aber die von mir vorgeschlagene allgemeine Definition eines Lee lozano’s language pieces and NOTEbooks Ausstiegs aus der Kunst als „Ausstieg aus dem Kunstfeld“ zugrunde (Siehe Seite 7 ff.), was auf Lozano zweifellos zutrifft, dann macht eine solche Charakterisierung keinen Sinn. Sie verkennt im Gegenteil sowohl die Motivationen als auch die kritische Stoßrichtung dieses Ausstiegs, die oben dargelegt wurden, und romantisiert sowohl Werkbegriff als auch Künstlerrolle. Sie verstellt den Blick auf das Wesentliche: dass die Künstlerin sich entscheidet, keine Werke mehr zu machen, sondern ihr Leben zu ändern. Das schließt die Aufgabe der Künstlerrolle ein. Zwar hat Lozano anfangs selbst das Drop Out Piece als „härteste Arbeit“ bezeichnet, die sie je gemacht habe, und wohl mündlich auch auf ihren Ausstieg als eine solche „Arbeit“ rekurriert. Aber ähnlich wie beim Dialogue Piece, das sie als den Beginn eines „Abschieds“ beschrieb, überschreitet ihr „Drop Out“ eine Schwelle zwischen Kunst und Leben, die Lozano selbst niemals zu verwischen suchte. Üblicherweise wird nur eine Seite aus Lozanos Notizbüchern zitiert, die auf das Drop Out Piece hinweist. Der Eintrag vom 5. April 1970 hat aber weitere drei Seiten, auf denen ein Ausstieg aus der Kunst – ja Kunst überhaupt – gar keine Erwähnung finden. Als „Drop Out“ (zu Deutsch: aussteigen, aufhören, abbrechen, verlassen) bezeichnet Lozano die „Zerstörung (oder zumindest die umfassende Erkenntnis) starker emotionaler Abhängigkeiten“. Eine davon sei ihre „Abhängigkeit von Liebe“. Auch ihren Zigaretten- und Drogenkonsum will sie reduzieren, ihre Ruhelosigkeit, ihre Ambitionen. Es klingt, als wolle sie sich von einem Leben emanzipieren, das sie nicht glücklich macht. Von ihren ehemaligen künstlerischen Utopien scheint sie sich schon so weit gelöst zu haben, dass sie darum gar kein Aufheben mehr macht. Das Drop Out Piece ist kein dissidenter künstlerischer Habitus, kein kritisches Kunstprojekt und auch kein radikales Werk, sondern der private, deutlich emotionalisierte Vorsatz einer Frau, ihr Leben selber in die Hand zu nehmen und sich aus einer Reihe von Zwängen und Einschränkungen zu befreien, die sie in diesem Leben nicht mehr haben will. Die Kunst eingeschlossen. Private notebook 8, p. 90, March 1970 Alexander Koch, 2011 Private notebook 8, p. 68, March 22, 1970 Art Workers Coalition Statement, 1969, Bob Nickas Collection, New York 1 In: Barry Rosen, Jaap van Liere, and Gioia Timpanelli, Lee Lozano Drawings. New Haven, CT, 2006 4 Robert Wilonsy: The Dropout Piece, Dallas Observer, 9 Dezember,1999 5 Vgl. Helen Molesworth: Tune in, Turn Out, Drop Out,: The Rejection of Lee Lozano, catalogue Kunsthalle Basel/ Van Abbemuseum Eindhoven, Basel 2006; Dorothy Spears: Lee Lozano, Surely Defiant, Drops In, New York Times, 5 January 2011 No Tilte (Party/Paranoia, Painting, Real Money Piece), 1969, Wadsworth Atheneum Museum of Art, Hartford, CT stützung. Und sie sehnt sich nach einer Position, von der aus sie an der Zukunft der Gesellschaft mitarbeiten kann. Sie findet diese Position nicht. 1972 kann sie schließlich auch ihr Atelier aus finanziellen Gründen nicht mehr halten. Das markiert den endgültigen Bruch mit dem Kunstbetrieb. Sie sagt Ausstellungen ab und seit Längerem entstehen auch keine Language Pieces mehr. Ihre letzte Ausstellungsbeteiligung findet 1972 in der Londoner Lisson Gallery statt, wo sie eine für sie eher untypische Arbeit macht: eine einen Quadratmeter große Sandfläche am Boden lädt Besucher dazu ein, in sie hinein zu zeichnen. Das Flüchtige, ja Verlorene der Form ist das Prinzip dieser letzten Arbeit. Der Rest ist Biografie und Rezeptionsgeschichte. Zehn Jahre lang lässt sich Lozanos Lebensweg kaum nachzeichnen. 1982 zieht sie nach Dallas zu ihren Eltern, wo sie unter schwierigen finanziellen und privaten Verhältnissen lebt. Sie stirbt 1999. Robert Wilonsy hat bereits im Dezember 1999 im Dallas Observer genaue und hoch aufschlussreiche biografische Details zusammengetragen,2 während die Neurezeption 14 Alle Abbildungen von Lee Lozanos privaten Notiz- der Position Lee Lozanos seit Retrospektiven im PS1 New York 2004 und in der Kunsthalle Basel sowie dem Van Abbemuseum Eindhoven 2006 eher Unschärfen erzeugt und zur Mythenbildung um Werk und Person neigt. Vor allem in einem zentralen Punkt: Lee Lozano traf um 1971 offenbar zwei Entscheidungen, die ihr weiteres Leben prägten: Sie verließ die Kunst und sie beschloss, nie wieder mit Frauen zu reden. (Tatsächlich wird Lozano noch in den Neunzigerjahren in ihrer Nachbarschaft damit auffällig, dass sie, mit Ausnahme ihrer Mutter, Frauen selbst in den alltäglichsten Belangen meidet.) Beide Entscheidungen werden nicht revidiert. Unter der Bezeichnung Drop Out Piece und Boycott Women Piece werden sie an prominenten Stellen3 als Bestandteil von Lee Lozanos künstlerischem Werk charakterisiert, als lebenslange Arbeiten. Anders als General Strike, Dialogue und andere Language Pieces liegen beide sogenannte „Pieces“ aber nicht wie üblich als stark formalisierte Notation vor, sondern finden einzig Erwähnung in Lozanos Notizbüchern oder in mündlichen Aussagen Dritter. büchern sind Courtesy of The Estate of Lee Lozano. Bildbearbeitung: Alexander Koch No Title (List of Language Pieces), 1969, The Estate of Lee Lozano, Courtesy of Hauser & Wirth Private notebook 8, p. 56, 57, March 20, 1970 ENGLISH Lee Lozano’s Language Pieces are the only case I know of in which a gradual withdrawal from art goes hand in hand with the development of a discrete, final body of work that documents—or even dictates—this withdrawal. If one also considers Lozano’s private notebooks, a comprehensive image emerges of the last four years of her artistic activity between 1968 and 1972, as well as the outside occasions and the personal reasons for her withdrawal. Around 50 Language Pieces were created between April 1968 and July 1969 as a sudden shift in the artist’s work: until that time, Lozano was primarily a painter. The works are the artist’s instructions to herself, type- or handwritten on paper, that follow a strongly formalized system of notation, working systematically with a system of footnotes. Some of the Language Pieces are copied and distributed to friends, others are intended for exhibition or publication, still others remain in her studio. Numerous ideas for further “pieces” appear as short notes. Lozano, however, devotes the bulk of her attention to programmatic works like General Strike Piece. As usual, in General Strike, the then 39-yearold adheres to her self-prescribed edict to avoid public functions and gatherings in the art world, following it to the smallest detail and documenting the single steps. In the five weeks after beginning the piece, she records the dates of her last appearances on the art world’s stage as a part of her conceptual work: Last time at an opening: March 15. Last big party: March 15. Last museum visit: March 24. Last time in a bar: April 5. Last time waiting in front of a concert: April 18. Lozano intends to continue her General Strike “at least through summer ‘69.” Other Language Pieces too, critically and mostly amusingly address Lozano’s life in the center of the art business, and then, increasingly, outside of it. Thus, with Withdrawal Piece, she pulls out of a planned group exhibition in Green Gallery—run by Richard Bellamy and representing Robert Morris, Donald Judd, Dan Flavin and other minimalists—”to avoid hanging with works that bring you down.” Or she mocks trade magazines, and therefore art criticism, with Throwing Up Piece: “Throw the last 12 issues of Artforum up in the air.” Increasingly isolated from public life through the self-imposed limitations of General Strike Piece, Lozano begins to focus her attention and conceptual practice on herself. She explores what she calls her Private notebook 7, p. 68A, Feb. 1970 “strong emotional dependence” on drugs (Grass Piece, No-Grass Piece) and sex (Masturbation Investigation), from which she would like to emancipate herself. Other issues are more quotidian. An argument with her boyfriend Dan Graham is the impetus behind Dan Graham Piece, which she later censors. In Fish in a Tank Piece, she considers keeping a deep-sea fish, which doesn’t need daylight, in the tank of her toilet, where it will automatically be supplied with fresh water. A dead fly in her shower becomes Fly Piece, which remains only a note in her diary. Her entire life appears to gradually end up in the mélange of Language Pieces: planning exhibitions (Konrad Fisher Show Piece, Special Lighting For Painting Piece), pricing her paintings (How to Price Paintings Piece), her eating habits (Eat More-Or-Less The Same Thing Every Day Piece); even fantasies on rearranging the stars in the sky (Night Sky Show Piece). Many of these “pieces” are nothing more than a title, like Hold A Secret Piece und Hold Another Secret Piece; at least no extensive record of them exists. The more strongly delineated Language Pieces are, however, more systematic and show in great detail Lozano’s need for social contact, which she organizes from her studio. In Real Money Piece, Lozano offers friends who visit her not only drinks and marijuana, but also money. Starting with a sum of $585, guests can take as many dollar bills from a glass jar as they like. Lozano meticulously records her friends’ reactions. The Dialogue Piece also takes on a central role. She begins it in April 1969, continues Private notebook 1, May 14, 1968 15 Lee lozano’s language pieces and NOTEbooks GENERAL STRIKE for many months and thoroughly documents the work. It stipulates contacting people that she would no longer meet otherwise, and inviting them to a conversation. For weeks and months, she makes telephone calls through half of the New York art scene and conducts conversation after conversation in her studio. In her instructions, Lee Lozano makes explicitly clear that this is not about a “piece”, or making an artistic work, but rather creating a dialogue. Dialogue Piece leads Lozano to the limits of her concept of art. Curator and critic Lucy Lippard said, in 2001, that Lozano was “one of the first, if not the first, person who did the life-as-art thing. The kind of things other people did as art, she really did as life.”1 Lee Lozano herself, however, doesn’t use the “art as life” formula. In her Private Notebook No. 8, she describes on the contrary, that the Dialogue Piece comes closest to her artistic ideals than all of her previous work in that it never exhausts itself, is democratic, removes itself from capitalism and has many other optimal characteristics. She considers continuing the Dialogue Piece as her sole work until the end of her life. She does not, however, regard it as short-circuiting art and life. A few pages later, she adds: “Are the Dialogues a saying goodbye?” Private notebook 1, May 14, 1968 Already Lozano’s last painting project, the series of Wave Paintings from 1967 to1970, had something final about it. Each of the nine paintings was meant to be produced in single sitting, with the number of waves to be painted doubling from painting to painting. The tenth painting would have such a high complexity of form as to be impossible to execute. Lozano shares an interest in physical theories with her friend Carl An- dre. The moon landing, for her, is the true beginning of the modern. The concepts of infinity, universality and total revolution thrill her. In painting as well as in her conceptual art, she seems to be seeking the total, absolute dimensions of the work – but connects the implementation of this totality directly to her own physical and artistic capacity. She is as aware of the effective limits of her aesthetic utopias as she is of the limits of the social utopias that fill her notebooks and her Language Pieces. Increasingly, a rift seems to appear between the search for the absolute and the inability to reach it. This also affects her political stance. At an Art Workers Coalition event on April 10, 1969, in the New York School of Arts, Lozano clearly distances herself from the reform-based approaches of artists and others who want more of a voice in the exhibition politics of the public museums. To her, these approaches are not radical enough; they seem too individual and particulate. She explains: “I will only take part in a total revolution that is simultaneously personal and public.“ This statement is very close to the demands of the feminist movement. But she also steers clear of feminism. In an extremely disparaging tone, Lozano dismisses a February 1971 meeting with Lippard, who was calling for a 50 percent representation of female artists in the annual sculpture exhibition at the Whitney Museum. “Men fight each other, women bore each other.” And she adds a pointed statement: “Women’s lib’ brought bad luck.” Comments of this sort make it obvious that Lozano begrudges the art scene. Measured against her absolute demands, much of what happens in her environment seems too tepid. “More mustard!” she demands. Sometimes charming and sophisticated, sometimes rough and unforgiving, her characterization of the art world shines an unflattering light on it. Lozano finds careerism abhorrent. Money is suspicious. She places little value on success. “Win first don’t last. Win last don’t care,” is one of her catchphrases. She wants generosity. She wants to give away and share her energy, her ideas and her art. Only one page from Lozano’s notebook is typically quoted that refers to the Drop Out Piece. But the entry dated April 5, 1970, has three additional pages on which the withdrawal from art—or art at all—are not mentioned. Lozano identified Drop Out as the “destruction of (or at least complete understanding of) powerful emotional habits”. One of these was the “addiction to love.” She also wanted to reduce her cigarette and drug consumption, her restlessness, her ambitions. It sounds as if she wanted to emancipate herself from a life that was not making her happy. She seemed to have succeeded in releasing herself from her former artistic utopias well enough that she was no longer concerned about them. Lozanos Drop Out is not a dissident statement, nor a critical art project, or even a radical work. It is, rather, a private, clearly emotionalized decision of a woman to take her life into her own hands and liberate herself from multiple pressures and limitations that she no longer wants in her life. Art included. She fails to find this position. In 1972, financial pressures force her to give up her studio. This marks her final break from the field of art. She cancels exhibitions and for a long while there are no more Language Pieces. Her last participation in an exhibition takes place in London’s Lisson Gallery, for which she makes a rather atypical work: A square meter of sand on the floor that invites visitors to make sand drawings. The ephemeral, yes, lost aspect of form is the principle of this last work. The rest is biography and history. The next ten years of Lozano’s life are difficult to trace. In 1982 she moves to Dallas to her parents, where she lives under difficult financial and personal conditions. She dies in 1999. As early in December 1999, Robert Wilonsy had already assembled exact and highly revealing biographical details in the Dallas Observer2, while the more recent reception of Lee Lozano’s position since retrospectives at PS1 in New York in 2004 and in Basel and Eindhoven in 2006 have helped to create more ambiguities and tend toward mythologizing both work and person. Alexander Koch, 2011 1 In: Barry Rosen, Jaap van Liere, and Gioia Timpanelli, Lee Lozano Drawings. Yale University Press, New Haven, CT, 2006 2 Robert Wilonsy: The Dropout Piece, Dallas Observer, 9 December,1999 3 Cp. Helen Molesworth: Tune in, Turn Out, Drop Out,: The Rejection of Lee Lozano, catalogue Kunsthalle Basel/ Van Abbemuseum, Eindhoven, Basel 2006; Dorothy Spears: Lee Lozano, Surely Defiant, Drops In, New York Times, 5 January 2011 4 Cp. p. 9 Translated by Kimberly Bradley All reproductions of Lee Lozano’s private notebooks are Courtesy of The Estate of Lee Lozano. Image editing by Alexander Koch One point seems crucial here: Lee Lozano apparently made two decisions in 1971 that greatly affected her subsequent life: she left the art world and decided to never again speak to women (in fact, even in the 1990s, Private notebook 8, pp. 165 – 170, April 14 / April 17, 1970 No Title, 1971 (detail), The Estate of Lee Lozano, Courtesy of Hauser & Wirth Private notebook 7, p. 121, Feb. 1970 Lozano became notorious in her neighborhood for avoiding women, with the exception of her mother, even in the most everyday matters). She stuck to both decisions. Under the designation Drop Out Piece and Boycott Women Piece they are characterized in prominent places as a component of Lee Lozano’s artistic oeuvre, as lifetime works. In contrast to the General Strike, Dialogue and other Language Pieces both of these so-called pieces do not exist, as usual, as strongly formulated notations but rather are briefly mentioned in Lozano’s notebooks or in the verbal statements of third parties. Nowhere is “Boycott Women” designated as a “piece” but rather as an “experiment”. During the summer 1971 Lozano wants to cut off contact to women in hopes that communication with them will improve afterward and be “better than ever”. Perhaps because of her disappointed avoidance of feminism, perhaps even, perhaps more likely, because of other, private psychological motives that cannot be expanded upon here, the experiment becomes a decision for the remainder of her life. It is, however, questionable, how consistent it is to see such a drastic and possibly also bizarre life decision—no matter what its reasons may have been—as a kind of 30-year “radical performance.” What is more important is the recent characterization and canonization of Drop Out Piece as Lozano’s “last work” in the texts of numerous writers. Here, it is suggested that Lozano’s withdrawal from art is art itself. If you take as a basis, however, my proposed definition of a withdrawal from art as a “dropping out from the art world”4, which undoubtedly applies to Lozano, such a characterization makes no sense. On the contrary, it misjudges both the motivations as well as the critical impact of this dropping out, expounded above, and romanticizes both the work’s central theme as well as the artist’s role. It distorts the view of the most essential: that the artist decided to make no works anymore, but rather change her life. This life change also applies to the tasks and roles of the artist. Lozano, after beginning Drop Out Piece, may have designated it as the “hardest work” she’d ever done, and verbally this withdrawal recurs as such a “work”: but, similarly to Dialogue Piece, which she described at the beginning of a “goodbye,” her “Drop Out” crosses the threshold between art and life, two things that Lozano herself never sought to intermingle. Private notebook 8, p. 162, April 14, 1970 Women’s Lib Brought Bad Luck, 1971, The Estate of Lee Lozano 16 Private notebook 7, p. 136, Feb. 26, 1970 No Title, 1970. The Estate of Lee Lozano, Courtesy Hauser & Wirth Private notebook 8, p. 114 – 116, 120, April 5, 1970 17 E-MAIL INTERVIEW BY STEPHEN WRIGHT GENERAL STRIKE Stephen Wright You have developed an utterly original line of inquiry in art-historical research: the investigation of artists who quit art, or who at any event drop out of the art world, and who do so not through fatigue, boredom, old age alone, but rather as a pursuit of their artistic activity. Almost by definition, that’s an unwritten chapter of art history, because convention dictates that visual artists should not be merely visible, but have the highest coefficient of artistic visibility possible. I’d like to start with what I understand as your counterintuitive motivation for your interest in this blank page in art’s history: that quitting art or the art world has a critical dimension. on Quitting: A conversation on the paradoxes of dropping out Art-worlders typically think of doing art as productive of subjectivity and intersubjectivity, which critics typically laud for its emancipating, intellectual, and above all perception-busting content. That may be true to some extent, but you have argued that “today, it is increasingly obvious that art, as a social, discursive and institutional system, is fettering us more than liberating us; that it is shrinking our space of thought and agency. By drawing attention to the limiting qualities of the art field in its current form, by sensitizing us to the option, if need be, of simply leaving the playing field, of quitting it for a different one, of accepting the role of the artist but also being prepared to give it up—these are just some of the ways in which the figure of the artist who quits art can be of use to us.” A.K. Do I see the regressive dropout as a-critical? In a general sense, what he or she does might be said to be critical, as it stems from discontent and points to the limitations and boundaries of an artistic practice. In a more particular sense, where criticism is understood as a contribution to an open situation, as something that pushes things further, as something progressive, this position is de- chance we see for their lives to develop? I’d say the same about artists becoming mathematicians or dentists. All the rest is cliché. Why would an ex-artist potentially bring more creativity, more imagination or more self-responsibility to the natural sciences and medicine than anybody else? I think Richard Rorty (whom we both admire) would actually support me here. Whether artists merely become social scientists or long-distance runners, or become social scientists or long-distance runners “as artists,” that would sound to him like a distinction that is a) really hard to make and b) where it’s not clear what it is good for, and c) like an attempt to find something essential about what artists are at the very moment of their disappearance—whereas my theoretical proposals about the artistic dropout try to contribute to an anti-essentialist perspective on that disappearance. The idea of the progressive dropout is this: if your ideas, your passion, your individual capacities or the a withdrawal. It’s getting you out of something, but it’s getting you nowhere. My distinction seeks to qualify the withdrawal in order to find out what it’s about. It has become a fashionable attitude in art to resist, to abstain, to refuse etc. Most of the time these gestures are empty, though, since the point is not just to resist. The point is, for and against what. The regressive dropout gets you nowhere except out of art. The progressive dropout gets you somewhere else. As for the second part of your question, I feel that you are missing miss the point I’m trying to make. I agree that if artists go for social science or whatever in order to save art from its discouragement-engendering character, they will face disillusionment. If they intend to overcome art’s discouraging character, they should give up art, rather than holding on to it. It is certainly not social science that will save art. But people should trade in their artistic practice for social sci- With regard to different notions of the critical dimension of artists’ dropping out, in my latest lecture on the subject I suggested distinguishing the progressive dropout from the regressive dropout in order to separate those forms of withdrawal from the art world that were looking for an encouraging perspective elsewhere, from other forms of withdrawal that were not looking for such encouragement. In my case studies, Charlotte Posenenske stands for the former type, Lee Lozano for the latter type of withdrawal. Whereas Posenenske chose social science to pursue her inquiries into participatory practice, Lozano ultimately chose retirement in resignation. S.W. Before attending to the paradoxical methodology required by trying to study what is no longer there, or even how you distinguish between “regressive” and “progressive” dropouts, let us pursue a little further the critical dimension of withdrawal. Do you see the “regressive dropout” as a-critical? And in the potentially more complex case of the “progressive dropout,” what kind of competence or incompetence do you see artists as bringing to their new fields of inquiry? I don’t mean this or that artist to require extraordinary dexterity to avoid the methodological quagmire on either side of the divide! A.K. I think I can give my answer a critical turn concerning methodology. I was in fact seduced by the paradoxical appearance of my subject for a while. How can we observe disappearance? Or worse still: absence? Not absence in an aesthetic sense, known as a major subject in aesthetic theory. But the absence of a social actor. The absence of a person who chose to be elsewhere rather than where we were accustomed to seeing him or her. What could an art historian say about someone who deliberately turned his back on art, including art historians? Why would art history consider “elsewhere” (than art) a place to notice? I found, though, that any paradoxical conception of the phenomenon ran the risk of mystifying the problem instead of solving it. The paradoxical and the mystical relate. I ended up taking a pragmatic perspective. What does that mean? It means a decision against scientific empiricism and for the very ideas that made the people I could have written about wish not to serve as empirical assurance for historiographical methodology. It means respecting and committing to their individual decisions without making them “examples” and thus symbols. I decided not to pull into the light of my own historiographical hunger all the cases of withdrawal that I could possibly get hold of. I found it was cynical and misleading to deliver a list of dropouts just to satiate my hunger. It would have meant undoing the decision they had made. Instead I focused on a handful of names that had already been repatriated by historians (including myself in the case of Lee Lozano, at the beginning of my research), by market forces, and by the institutions. In short, I found it was most provocative, and most coherent and responsible in terms of theory, to let the artworlders make the art world and let the others make something else, dropouts included. I needed a few case studies in order to prove historically that “doing something else” was more than an illusion and not just another “concept” of art-worlders. Alexander Koch I liked the idea that there might be historical skepticism about the art world’s ability to inspire social hope. And I liked to imagine that this skepticism might have remained unnoticed exactly where it had become most coherent: in the decision not to make doubtin-art yet another object of art, not to give mistrust in “visibility” in the art field still more visibility. You are right to ask to what extent this decision has a critical dimension. Remember all those classical gestures (sic) of refusal in art: empty canvases, closed galleries, silent artists. I see that sort of silence as a fundamental mistrust in art’s contribution to social and individual change. I wondered if emptiness, silence or announced attacks on museums (who ever fired a bomb on anything?) were already the radical peak of such distrust. And I found that there was a possible step further to imagine: just leaving the canvases, museums, and art world as a whole alone to themselves and seeking out other endeavors. But then—as you mention—how would we know about such steps, once they were taken? That was the most challenging question for me on the methodological level. 18 in particular, but artists as a whole—or at any rate, those artists who are inclined to become progressive dropouts. I am presuming that they don’t merely become social scientists or long-distance runners, political activists or house painters like any others, but pursue these activities as artists—or at least with the self-understanding of artists, even if they don’t necessarily make that self-understanding known to others. Lee Lozano, private notebook 5, p. 95A, Feb. 1970 cidedly a-critical. That is why I think the distinction between the regressive and the progressive dropout is helpful. It helps not to idealize, nor to standardize, artistic dropouts and instead to ask in every single case: where does the withdrawal lead? What is its perspective? What is its proposal? issues that don’t let you sleep at night reach beyond what art has to offer you, there is nothing that binds you to it. Except maybe an old-fashioned artistic self-conception that I hope to disqualify. I disagree with the notion of withdrawal implicit in the second part of your question. I see no point in attributing to individuals an understanding of themselves as artists after they have abandoned an artistic practice and the model of their role it relates to. The whole point of my proposal is to denaturalize the notion of “being an artist” by saying that you can stop with it at any time. The future is open—even if you were an artist. We should see artists as people like everybody else. People with an education, a profession and an evolving biography that includes choices and changes of profession, changes in what one believes in and what endeavor one goes for, including changes of one’s self-conception. Why should anyone be condemned to be an artist, only because he or she had that role for a while? If one leaves a profession or a passion for another, past experiences will of course lend a certain color to any future activity. But whether these might be helpful or not cannot be answered in general. S.W. Could it not be argued that the dichotomy between progressive and regressive dropouts is a little too neat? Is there not some degree of both in any decision to quit the art world? What you disparagingly call Lozano’s “retirement in resignation” could perhaps be re-described, as Richard Rorty would say, as a serene and considered choice to seek fulfillment in life in a way that only a passage through and then out of the art world would enable … On the other hand, is it not something of an illusion for a discouraged artist to seek encouragement elsewhere—as if social science, or whatever, could somehow save art from the corner it has painted itself into? Or, worse still, a means of art actually expanding its purview by moving into other life-worlds? And there is nothing general to be said about “competences” here. If a dentist and a mathematician were to become filmmakers, would we expect their films to be different because of their competences in dentistry and mathematics? And if we assume that their films would look more scientific, more rational, less poetic than films by non-ex-dentists and non-ex-mathematicians, wouldn’t we only show how limited we believe other peoples’ minds are and how little ence or whatever if this exchange encourages them to meet their hopes and passions and to be more content with what they do. After all, absent such encouragement, why would anybody have made this kind of decision? And hoping to expand the means of art into other life-worlds is a naïve vision of such worlds as well as of the means of art. This whole idea of expansion actually helps us see the misunderstanding between your question and my concept of dropping out. It is exactly this notion of art’s expansion into other life-worlds that my theoretical and historiographical endeavor was designed to overcome. I do not see any way or means for art to make sense anywhere else except in art. I do see different means for different needs. And if we were to judge our means with regard to our needs, we might find that the means of art are one option—but not the only one. We might wish to have different means at hand at different times for our different needs and purposes. Why would we deliberately limit our means to the means of art? Such self-limitation would compel us to suppress our needs and purposes, which would be the most self-debasing thing we could do. Stephen Wright, 2009 This e-mail interview was first published by the online platform northeastwestsouth.net (http://northeast- westsouth.net) on November 17, 2009. Stephen Wright is a Paris-based art writer and critic. He is currently researching the stories of those artists who, in Argentina in the late 1960s, dropped out of art due to political radicalization. IMPRINT KOW ISSUE 8: GENERAL STRIKE Edited by KOW BERLIN, 2011 Concept, texts and design: Alexander Koch Translations: Kimberly Bradley, Gerrit Jackson, Jacqueline Todd / proofreading: Kimberly Bradley, Romy Range With the kind support of The Estate of Lee Lozano / Hauser & Wirth A.K. Doesn’t it sound like a perfectly progressive dropout scenario to seek fulfillment in life? It is the best you can do if you were unable to find fulfillment in art. This was not quite the case with Lee Lozano, though. She got anything but fulfillment in life. “Retirement in resignation” fits the thirty years between her dropping out and her death perfectly. To make the argument clear, I’ll take the extreme case of the regressive dropout. The case I have always considered to be a specific exception in withdrawal is suicide. It is an exception because it both is and is not S.W. Let’s come back to a question that has been implicit until now: that of your methodology. You have deliberately framed your research on artists dropping out in art-historical terms—as a supremely ironic but nevertheless scientific line of inquiry. How have you negotiated that paradox? How does one go about detecting, researching and then ultimately documenting withdrawal? Isn’t there a danger of repatriating into the fold of art world visibility those gestures that sought to avoid just that? It would seem Alexander Koch would like to thank Beatrice von Bismarck, Valérie Favre, Hans Dieter Huber, Jaap van Liere, Astrid Mania, Barry Rosen and the KOW team. Also thanks to Sylvia Bandi, Burkhard Brunn, Mehdi Chouakri, Marc Payot, Stephen Wright Photo credits (if not otherwise indicated): The Estate of Lee Lozano; Hauser & Wirth; Estate Charlotte Posenenske, Frankfurt am Main Printed by Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft mbH & Co. KG in an edition of 5000 © KOW BERLIN and Alexander Koch, Berlin 2011 19 GENERAL STRIKE 20 KOW ISSUE 8