Kunst und - Zusatzmaterialien zu den KünstlerInnen
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Kunst und - Zusatzmaterialien zu den KünstlerInnen
Kunst und © 2014 John Baldessari John Baldessari, Six Colorful Inside Jobs, 1977 16-mm-Film, transferiert auf DVD, Farbe 32:53 min mumok, Wien, erworben 2005 (weiters in der Sammlung des mumok: Color Corrected Studio (with Window), 1972/73, und zahlreiche Videoarbeiten) Baldessari, John (* 1931) US-amerikanischer Konzeptkünstler John Baldessari beginnt in den 1960er-Jahren als Maler, geht aber schon bald dazu über, Malerei und Fotografie, Bild und Schrift miteinander zu verknüpfen. 1970 verbrennt er sämtliche seiner Malereien in dem aufsehenerregenden Cremation Project und verabschiedet sich damit endgültig von der traditionellen Malerei zugunsten einer medienübergreifenden Praxis. In dem Film Six Colorful Inside Jobs greift Baldessari das Thema der Malerei nochmals auf. Die Kamera blickt von oben in einen Raum, der an sechs aufeinanderfolgenden Tagen von einem Mann komplett ausgemalt wird. Jeden Tag in einer anderen Farbe. Sonntag ist Ruhetag. Für die Performance hat John Baldessari dem Studenten, der den Raum ausmalt, keine Vorgaben gegeben, sondern nur die Farben ausgewählt. Die Kameraeinstellung lässt den Raum als dreidimensionales Bild erscheinen, der Maler wird zum lebendigen Pinsel eines sich selbst malenden Bildes. Baldessari zeigt die Malerei hier als eine Alltagspraxis, jenseits eines gefühlsbetonten, selbstexpressiven Schöpfungsakts. Auch mit der Verwendung der festgelegten Spektralfarben des Farbkreises konterkariert die Performance die Idee von Farbe als Trägerin emotionalen Ausdrucks. Baldessari hat selbst in seiner Studienzeit als Anstreicher gearbeitet, um sein Geld zu verdienen. Six Colorful Inside Jobs fragt nach dem Unterschied zwischen Anstreicher und Künstler. In einem Interview meinte Baldessari, er habe, während er Zimmer und Wände strich, zu sich selbst immer wieder gesagt: »JETZT bemale ich eine Wand, JETZT male ich ein Bild, JETZT bemale ich eine Wand, JETZT male ich ein Bild …« © 2014 Yto Barrada | Courtesy Galerie Sfeir-Semler, Hamburg Yto Barrada, Une vie pleine de trous, le projet du détroit, 1998–2003 Serie von Farbfotografien, Maße variabel mumok, Wien, erworben 2005 (Weiters in der Sammlung des mumok aus der Serie: Une vie pleine de trous, le projet du détroit [A Life Full of Holes, The Strait Project], 2003, erworben 2006: Caisson lumineux – Tanger (Advertisement Lightbox – Tangier), 2003, Farbfotografie, 60 x 60 cm; Baie de Tanger (Bay of Tangier), 2002, Farbfotografie, 80 x 80 cm; Frontière de Sebta (Ceuta Border Bab Sebta), 1999, Farbfotografie, 80 x 80 cm; Colline du Charf – Tangier, 2000, Farbfotografie, 103 x 103 cm; Usine 2 – Tanger (Factory 2 – Tangier), 1998, Farbfotografie, 103 x 103 cm; Trou dans le grillage – Tanger (Hole in the Fence – Tangier), 2003, Farbfotografie, 80 x 80 cm; Homme au tableau – Tetouan (Man with Painting – Tetouan), 1999, Farbfotografie, 50 x 50 cm; N du mot Nation en arabe – Tanger (N of the Word Nation in Arabic – Tangier), 2003, Farbfotografie, 79,5 x 80 cm; Pastorale, 2001, Farbfotografie, 125 x 125 cm; Le détroit de Gibraltar – Tanger (The Strait of Gibraltar – Tangier), 2003, Farbfotografie, 60 x 60 cm; Papier peint – Tanger (Wallpaper – Tangier), 2001 Farbfotografie, 60 x 60 cm; Femmes à la fenêtre (Women at Window), 2002, Farbfotografie, 80 x 80 cm) Barrada, Yto (* 1971) Französisch-marokkanische Künstlerin In ihren Fotografien, Filmen, Publikationen, Installationen und Skulpturen befasst sich Yto Barrada mit zentralen Fragen der globalisierten Gesellschaft und der Grenzziehung innerhalb dieser mit ihren unterschiedlichen Ökonomien. Dabei setzt sie sich intensiv mit der Bedeutung von Bildern auseinander – besonders in der arabischen Welt. In ihrer Jugend verbrachte sie einige Jahre in Tanger, studierte dann Geschichte und Politologie an der Sorbonne und besuchte das International Center of Photography in New York. Zurück in Tanger, arbeitet sie u. a. seit 1998 an dem Projekt Une vie pleine de trous, le projet du détroit (Ein Leben voller Löcher, das Projekt Meerenge), das die Stadt auf der anderen Seite der Straße von Gibraltar als Gegenpol zu Europa zeigt, als eine Stadt des Übergangs und der Grenzen und als Ausgangspunkt für die Flucht aus tristen Verhältnissen. Fotoserien dokumentieren die besondere Situation in ihrer marokkanischen Heimatstadt, gesellschaftliche Realitäten, die geografische und politische Situation, existenzielle Probleme und die Sehnsucht nach einem besseren Leben in Europa. Für Yto Barrada geht kulturelle mit sozialer Entwicklung einher und ist für sie deshalb von großer Bedeutung. Gegenwärtig (2012) befasst sich die Künstlerin mit einer anderen Grenze, der zwischen Stadt und natürlicher Umgebung. Der Arbeitstitel ist »Flowers«. Zusammen mit dem Filmproduzenten Cyriac Auriol gründete Barrada das Kino Cinémathèque de Tanger, dessen künstlerische Direktorin sie ist. © 2014 Alighiero Boetti | Bildrecht Wien Alighiero Boetti, Afghanistan, 1974 720 Briefmarken auf Kuverts auf 6 Tafeln 167 x 745 x 170 cm mumok, Wien, Leihgabe der Österreichischen LudwigStiftung, seit 1998 (weiters in der Sammlung des mumok: Cieli ad alta quota, Künstlerbuch, 1993, Schenkung des Museum in Progress, 1997; La Mappa del Mondo (Weltkarte), 1972, Stickerei auf Leinen, 180 x 220 cm, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung, seit 2001) Boetti, Alighiero (1940–1994) Italienischer Grafiker, Maler und Objektkünstler Alighiero Boetti interessiert sich früh für Mathematik, Musik, Philosophie, Alchemie und Esoterik, bricht seine Studien an der Universität Turin aber schließlich ab, um sich der Kunst zu widmen. Anfang der 1970er-Jahre schließt sich der Autodidakt der Arte-povera-Bewegung an. Ab 1971 findet Boetti eine zweite Heimat in Afghanistan, gründet in Kabul das legendäre One-Hotel und lässt seine Stickbilder von lokalen Sticker_innen anfertigen. Bis 1979, dem Jahr des Einmarsches der sowjetischen Armee, kehrt Boetti jährlich nach Afghanistan zurück. Er wendet sich gegen den Mythos vom einsamen Künstlergenie. Arbeitsteilung und die Zusammenarbeit mit Künstler_innen und Nichtkünstler_innen werden für ihn zum Prinzip seiner Konzeptkunst. Wesentliche Themen sind für ihn ordnende Strukturen und Klassifikationssysteme wie z. B. das Alphabet, Landkarten, Postweg und Zeitungen sowie Dualität, beispielsweise Ordnung/Unordnung oder normal/ anormal. Boetti erforscht die Spannung zwischen Inhalt und Form und macht Ordnung und Chaos, Zufall und Notwendigkeit, West und Ost als relative Kategorien anschaulich. Ab Mitte der 1970er-Jahre tritt Boetti als fiktives Künstlerduo Alighiero e Boetti auf, um opponierende Faktoren in seinem Werk zu signalisieren: Individualität und Gesellschaft, Irrtum und Perfektion, Ordnung und Unordnung. In der Werkgruppe Lavori Postali, in der Boetti das Transportsystem der Post für seine künstlerische Produktion verwendet, ist Afghanistan ein Hauptwerk. 720 Briefe werden an die immer gleiche Adresse in Turin geschickt, das einzige Merkmal, das die Kuverts unterscheidet, ist die Anordnung der sechs Briefmarken. Mit dieser Anzahl von Briefmarken hat man 720 unterschiedliche Möglichkeiten der Reihung. Der Inhalt der Briefe setzt sich aus Bildern oder Textpassagen in serieller Struktur zusammen Der Geschäftsführer des von Boetti gegründeten One-Hotel in Kabul, Dastaghir, beschreibt in arabischer Schrift die Blätter. Boetti ergänzt den Text mit 32 viereckigen Stempelabdrücken pro Seite und Zeichnungen. Es entsteht eine neue Struktur aus jeweils 24 Quadraten, die immer verschieden, zum Teil auch als Buchstaben lesbar sind. Das Quadrat gilt als wichtiges Ordnungsprinzip und verkörpert mit der Zahl Vier die Welt. Die 720 Blätter werden als Das Buch Dastaghirs gebunden. © 2014 John Cage Trust John Cage, Water Music, 1952 Bleistift auf Papier, S/W-Fotografie, Zeitungsausschnitt 152 x 59 cm mumok, Wien, ehemals Sammlung Hahn, Köln, erworben 2004 (weiters in der Sammlung des mumok: John Cage und Merce Cunningham spielen Schach, frühe 1960er-Jahre, S/W-Fotografie, 15 x 15 cm; INDETERMINACY, 1959, Schallplatte, 31,5 x 31,5 cm, Schenkung Hildegard Hahn 2003; Cage und Moorman, 1975, S/W-Fotografie, 50 x 65 cm, Schenkung Egidio Marzona 2005) Cage, John (1912–1992) US-amerikanischer Komponist und Künstler John Cage studiert Komposition, Harmonielehre und Kontrapunkt und erhält zwei Jahre Unterricht bei Arnold Schönberg. Mit seinen revolutionären Ideen und Kompositionen stellt er das herkömmliche Verständnis von Musik infrage. Als eine der Schlüsselfiguren für die Ende der 1950er-Jahre entstehende Happeningbewegung ist er in Zusammenarbeit mit Jasper Johns und Robert Rauschenberg wichtiger Anreger für die Fluxusbewegung und die neue Improvisationsmusik. Mit mehr als 250 Kompositionen gilt er als einer der weltweit einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Die indirekte Mitwirkung des Publikums, seine methodische Arbeit mit Zufallsoperationen, die Verwendung ungewöhnlicher oder zweckentfremdeter Instrumente oder neuer Medien wie Tonbänder und Computer, die Ausführung von nichtmusikalischen Handlungen und die Übernahme szenischer Elemente in die Musik repräsentieren sein innovatives Musikverständnis. Seit den späten 1940er-Jahren beschäftigt er sich intensiv mit indischer Philosophie, mit dem Zen-Buddhismus und mit dem I Ging, dem chinesischen Orakel- und Weisheitsbuch. Stille im Sinne absoluter Geräuschlosigkeit gibt es für ihn nicht (4’ 33”, 1952). 1948 bis 1952 unterrichtet er am Black Mountain College und wird 1953 musikalischer Direktor der Cunningham Dance Company. Bis zu seinem Tod publizierte er Vorträge, Schriften und poe tische Texte. Seit 1978 entstanden zunehmend grafische Zyklen, Radierungen, Zeichnungen und Aquarelle. In dem Werk Water Music, 1952, wird vom Pianisten verlangt, Wasser von einem Becher in den anderen zu gießen, das Piano zu präparieren, indem Gegenstände zwischen die Saiten gesteckt werden, unter Wasser Flöte zu spielen, ein Radio und ein Kartenspiel zu benützen und andere nichtmusikalische Handlungen auszuführen, um den Gesichtssinn anzusprechen. Die Anweisungen sind auf zehn aneinandergefügten Blättern notiert, das Publikum kann die Partitur mitverfolgen. © 2014 André Derain | Bildrecht Wien André Derain, Homme accroupi (Kauernder), 1907 Sandstein 33 x 28 x 26 cm mumok, Wien, erworben 1964 Derain, André (1880–1954) Französischer Maler Zunächst den Fauves und Henri Matisse nahestehend, zieht sich André Derain nach 1908 aus der Pariser Künstlergemeinschaft zurück, setzt sich mit Paul Cézanne auseinander und schließt sich eine Zeit lang dem Kubismus an. Seine Skulptur Kauernder aus dem Jahr 1907, eines der wertvollsten Stücke in der Sammlung des mumok, bedeutet einen revolutionären Aufbruch zu Neuem. Die Bildhauerei entwickelte sich jenseits der repräsentativen Denkmäler, die Kunst machte sich frei von der Verpflichtung, Wirklichkeit abzubilden. Die Figur des Kauernden ist aus grobem Sandstein – und nicht aus bislang als kunstwürdig erachteten Materialien wie Bronze oder Marmor. Sie hat keinen Sockel, ihre Körperformen sind stark vereinfacht, geometrisch und blockhaft geschlossen. Mit dem Kauernden stellt der Künstler eine allgemein menschliche Situation dar. Eine wesentliche Inspirationsquelle für Derains formale Gestaltung bildete seine Auseinandersetzung mit Werken außereuropäischer Kulturen. Gemeinsam mit seinem Freund Pablo Picasso hatte er um 1906/07 Ausstellungen sogenannter primitiver Kunst besucht und sich für deren Ausdruckskraft begeistert. © 2014 VALIE EXPORT | Bildrecht Wien VALIE EXPORT, Aufhockung, 1972 S/W-Fotografie, 60,5 x 41,7 cm mumok, Wien, erworben 1980 VALIE EXPORT, Starre Identität, 1972 S/W-Fotografie, 41 x 61 cm mumok, Wien, erworben 1980 VALIE EXPORT, Abrundung II, 1976 S/W-Fotografie, 41 x 60,4 cm mumok, Wien, erworben 1980 (weiters in der Sammlung des mumok: Aufhockung 2, 1972, S/W-Fotografie, Tinte, Papier, 60,5 x 41,5 cm, erworben 1980; Aufhockung, 1972, S/W-Fotografie, Tinte, 60,5 x 41,7 cm, erworben 1980; Starre Identität, 1972, S/W-Fotografie, Tinte, 41 x 61 cm, erworben 1980; Abrundung II, 1976, S/W-Fotografie, 41 x 60,4 cm, erworben 1980, Bedrückung, 1972, S/W-Fotografie, Tusche, 41,5 x 60,5 cm, erworben 1980, Body Sign C, 1970 S/WFotografie, 107 x 71 cm, Schenkung aus Privatbesitz, 2004; VALIE EXPORT/Peter Weibel, Tapp und Tastkino, 1968, Video, s/w, Ton, 11 min, erworben mit Unterstützung des BKA, Sektion Kunst, 2011; u. a. m.) EXPORT, VALIE (Waltraud Höllinger) (* 1940) Österreichische Medienkünstlerin, Performancekünstlerin und Filmemacherin VALIE EXPORT war Dozentin an verschiedenen europäischen und amerikanischen Universitäten, lehrte an der Hochschule der Künste in Berlin und war Professorin für Multimedia-Performance an der Kunsthochschule für Medien in Köln. In allen von ihr aufgegriffenen Kunstsparten arbeitet sie mit ihrem Körper, vornehmlich aus weiblicher, geschlechtsspezifischer Sicht. Teilweise geht dessen Einsatz bis an die Grenze der physischen Belastbarkeit, sie macht ihren Körper zum Maßstab ihrer Erfahrungen und benützt ihn als Medium der Information und als Zeichenträger. Mit der Darstellung von Körperhaltungen als Ausdruck innerer Zustände, in der Natur sowie in der Architektur, als Anpassung, Abrundung oder Einfügung, beschäftigt sie sich erstmals zwischen 1972 und 1976. Diese Körperkonfigurationen sind als Körperschrift zu lesen, die Bilder vom kulturellen Umgebungskörper liefern. Sie nimmt mit ihrem Körper Maß an der Architektur, der Körper ist für sie Schauplatz des gesellschaftlichen Systems. Die Strukturen der Gesellschaft, die die Energie des Menschen reglementieren und ummauern, sind für sie schmerzhafte Barrieren, durch die der Mensch zu einem gezähmten Tier wird. So stellt sie gesellschaftliche Rahmenbedingungen infrage, versucht, sie zu verändern, und tritt stets für die gesellschaftliche Verantwortung von Kunst ein. © 2014 Dan Flavin | Bildrecht Wien Dan Flavin, »monument« 1 for V. Tatlin, 1964 Kaltweiße Leuchtstoffröhren 244 cm hoch The Estate Collection David Zwirner (weiters in der Sammlung des mumok: Untitled (To my friend De Wain Valentine), 1990, Leuchtstoffröhren, Metall, erworben 1993; Untitled (To Cy Twombly), 1972, kaltweiße und Tageslichtleuchtstoffröhre, 244 cm über eine Ecke, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung, seit 2012) Flavin, Dan (1933–1996) US-amerikanischer Künstler der Minimal Art Dan Flavin studiert Kunstgeschichte und arbeitet als Aufseher in verschiedenen New Yorker Museen. Parallel experimentiert er mit Malerei und Assemblage. 1961 integriert er Glühbirnen in seine Arbeiten, ab 1963 wird die handelsübliche Leuchtstoffröhre in genormten Dimensionen und Farben zu seinem einzigen künst lerischen Material. Seine Installationen, die er nicht als Skulpturen, sondern als »Situationen« oder »Vorschläge« bezeichnet, variieren in der Länge der Röhren, ihrer Farbe und ihrer Positionierung im Raum. Zwischen 1964 und 1982 schafft Dan Flavin eine Serie, deren Titel »monuments« for V. Tatlin (1964–1990) auf das Denkmal der III. Internationale von 1919/20 des russischen Konstruktivisten Wladimir Tatlin verweist. Tatlin hatte für das politische Großereignis einen schräg gestellten metallenen Turm von 400 Meter Höhe entworfen. Nur als Modell ausgeführt, ist dieser Turm zu einem Symbol für die kommunistischen Utopien wie auch für deren Scheitern geworden. Flavins Anordnung der Leuchtstoffröhren ähnelt allerdings auch anderen Monumenten: Die vertikale Staffelung der Leuchtstoffröhren wiederholt die markanten Silhouetten des Empire State Building oder des Rockefeller Center in New York. Durch den Werktitel und die formale Anordnung der Leuchtstoffröhren verbindet Flavin ein Motiv kommunistischer Ideologie mit einem des Kapitalismus. Er blendet damit zwei konträre poli tische Visionen ineinander und verweist auf deren gemeinsame monumentale Machtgebärden. Auch spottet seine Technologie, die lediglich aus billigen und jederzeit ersetzbaren Leuchtmodulen besteht, jenem Ewigkeitsanspruch, den Monumente gewöhnlich repräsentieren. »Ich setzte das Wort ›Monumente‹ immer in Anführungszeichen, um den ironischen Humor temporärer Monu mente oder Denkmäler hervorzuheben. Diese Monumente sind nur so dauerhaft wie das Lichtsystem selbst – 2100 Stunden.«1 1 Zit. nach Suzanne Munchnic, »Flavin Exhibit: His Artistra Comes to Light«, Los Angeles Times, 23.04.1984. Gerstl, Richard (1883–1908) Österreichischer Maler Er studierte an der Wiener Akademie der bildenden Künste in Wien. Zum zeitgenössischen Kunstbetrieb stand er in radikaler Opposition und lehnte diesen ab. Durch engagierte Interessen auf literarischem, philosophischem und vor allem auf musikalischem Gebiet entwickelte sich eine intensive Freundschaft mit dem Komponisten Arnold Schönberg. Seine frühen Arbeiten waren pointilistisch gefärbt, in seiner letzten Zeit entstanden seine Werke in Auseinandersetzung mit dem Symbolismus, Strömungen des Impressionismus bis hin zum aufkeimenden Expressionismus. Er löst sich zusehends vom äußeren Schein immer mehr dringt das innere Erleben auf die Leinwand. Seine Landschaftsbilder, Selbstbildnisse und Porträts sind gekennzeichnet durch Impulsivität, Spontanität und befreiter zuweilen aggressiver Ausdrucksmalerei, sie enthalten aber auch ein großes Maß an Abstraktion. Gerstl porträtierte mehrfach Arnold Schönberg, seine Angehörigen und die Mitglieder des »Schönberg-Kreises«, einer avantgardistischen, verschworenen Gruppe. Schönberg begann seinerseits zu malen und wurde zweifellos von Gerstl beeinflusst. Das Familienbild Schönberg zeigt den Komponisten mit seiner Frau Mathilde und den Kindern Gertrud und Georg. Entstanden ist es wahrscheinlich im Sommer 1907, den Gerstl mit den Schönbergs und ihren Freunden am Traunsee verbrachte. Von jeder linearen Formgebung entbunden, ist das Bild allein aus Farbgebilden aufgebaut, die sich zu nur schemenhaft erkennbaren Gestalten fügen. Gerstl wagt sich damit so nahe wie keiner seiner Zeitgenossen an die Grenze zur abstrakt-expressiven Malerei. Für Gerstl hatte die Liaison mit Mathilde Schönberg nach ihrem Bekanntwerden die Verbindung mit den gesamten Kreis unmöglich gemacht, er vernichtet alle persönlichen Aufzeichnungen und zahlreiche Gemälde und setzt seinem Leben ein Ende. Die meisten Werke befinden sich im Leopold Museum und in der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien. Richard Gerstl, Familie Schönberg, 1907 Öl auf Leinwand 88 x 109 cm Schenkung der Familie Kamm, Zug © 2014 Raymond Hains | Bildrecht Wien Raymond Hains, Palissade de trois planches, 1959 Plakatreste auf Originalbrettern eines Zaunes 100 x 64 x 2 cm mumok, Wien, ehemals Sammlung Hahn, Köln, erworben 1978 (weiters in der Sammlung des mumok: Ainsi bafouée, 1959, Plakatabrisse auf Zinkblech, 200 x 150 cm, ehemals Sammlung Hahn, erworben 2005; Palissade, 1959, Plakatabrisse auf Holz, 56,5 x 23 x 2 cm, ehemals Sammlung Hahn, erworben 2003; Seita, 1964, Holz, Plastikmasse, Ölfarbe auf Holz, 95 x 86 x 7 cm, ehemals Sammlung Hahn, erworben 1978; 33. Biennale Venezia, 1966, Plakatabrisse, montiert auf Leinwand, 104 x 143 cm, ehemals Sammlung Hahn, erworben 1978; Yves Klein – Jean Tinguely I, 2000, Silbergelatinedruck auf Aluminium, 120 x 150 cm, erworben 2001; Hains et la Reddition de Breda, 2000, Silbergelatinedruck auf Aluminium, 120 x 150 cm, erworben 2001) Hains, Raymond (1926–2005) Französischer Künstler des Nouveau Réalisme Raymond Hains zählt zu den sogenannten Affichistes (Plakat abreißern) und ist Gründungsmitglied des Nouveau Réalisme, dessen Ziel es ist, einen fließenden Übergang zwischen Kunst und Leben zu schaffen und soziale Realitäten in der Kunst widerzuspiegeln. Bereits ab 1949 sammelt er »verletzte« Plakate im öffentlichen Raum, die er dann als zufällige, anonyme und urbane Malereien ausstellt. Diese Zufallsbilder werden als Décollagen bezeichnet, weil mit ihnen ein Gestaltungsprinzip eingeführt wird, das die herkömmliche Bildcollage umkehrt – in den Abreißbildern werden die Bildschichten freigelegt statt zusammengefügt. Neben den zufällig gefundenen zerrissenen Plakatwänden, die ohne weitere Bearbeitung in den Ausstellungsraum transferiert werden, stellt Hains auch selbst Décollagen her. Palissade de trois planches ist so ein Beispiel. Die Arbeit besteht aus drei Brettern eines Bauzaunes, auf denen Plakatreste zu sehen sind. Hains hat die Bretter zuvor im öffentlichen Raum illegal beklebt, die manipulierten Oberflächen teilweise wieder abgerissen und zum Kunstwerk erhoben. Diese Readymademalerei entspricht dem Wirklichkeitsbegriff der Neuen Realisten: Es gibt eine Deckungsgleichheit von Darstellung und Dargestelltem. Die Abstraktion ist nicht länger ein individueller Gestaltungsvorgang, sondern ein zufälliges Formprodukt der industriellen Gesellschaft. Hanson, Duane (1925–1996) US-amerikanischer Bildhauer des Hyperrealismus Duane Hanson gilt als einer der einflussreichsten, dem Realismus verpflichteten amerikanischen Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Viele seiner Arbeiten sind von einem starken sozialkritischen Impetus gekennzeichnet. Unter dem Einfluss der Pop-Art beginnt Hanson in den 1960er Jahren mit lebensgroßen und detailgetreuen Figuren die Schattenseiten des »American Way of Life« in Szene zu setzen. Mit seinem Fokus auf Menschen aus der amerikanischen Mittel- und Unterschicht führt er den Betrachter_innen soziale und politische Missstände seiner Zeit vor Augen. Seine lebensgroßen, detailgetreu ausstaffierten Figuren sind in einem Abgussverfahren vom lebenden Modell aus Polyesterharz und Fiberglas gefertigt und mit realer Kleidung ausstaffiert. Die Bowery Derelicts wurden 1972 bei der documenta V in Kassel gezeigt und brachten Hanson internationalen Erfolg. »Ich wollte Kommentare abgeben und wurde auch kritisiert, dass ich das nur täte, um zu schockieren. Ich für meinen Teil glaube mich aber mit diesen hoffnungslosen Fällen den gescheiterten Revolutionen usw. identifizieren zu müssen. Ich bin nicht zufrieden mit der Welt. Nicht dass ich glaube, man könne sie ändern, aber zumindest will ich meinen Unmut über sie zum Ausdruck bringen.« Duane Hanson, Bowery Derelicts (Bowery Bums), 1969/70 Fiberglas, Polyester und originale Kleidung 78 x 123 x 73 cm, 40 x 186 x 75 cm, 32 x 127 x 82 cm Sammlung Ludwig, Ludwig Forum für internationale Kunst, Aachen © 2014 Johannes Itten | Bildrecht Wien Der rote Turm, 1917/18 Öl auf Leinwand 141 x 100,5 cm mumok, Wien, Schenkung der Gesellschaft der Freunde der bildenden Künste Wien, 1989 (weiters in der Sammlung des mumok: Mädchen am Fenster, 1917, Bleistift auf Transparentpapier, 23,5 x 17 cm, Sammlung Dieter und Gertraud Bogner im mumok, seit 2007 ; Vogelthema, 1918, Öl auf Leinwand, 111,3 x 55,3 cm, erworben 1962; Ohne Titel, 1960, Aquarell, Tusche auf Papier, 17,2 x 13,1 cm, Sammlung Dieter und Gertraud Bogner im mumok, seit 2007; Rotes Quadrat, 1967, Lithografie, 45 x 56,5 cm, Sammlung Dieter und Gertraud Bogner im mumok, seit 2007; u. a. m.) Zur Zusammenarbeit Josef Matthias Hauer (1883–1959) »Ich bin Komponist und habe in meiner Tasche Briefe an meine Freunde, um ihnen mitzuteilen, dass ich derart hoffnungslos in die Zukunft sehe, dass ich mich entschlossen habe, nie mehr eine einzige Komposition zu schreiben. Seit ich jetzt hier Ihre Bilder sah, verspreche ich Ihnen, dass ich diese Briefe verbrenne und mit neuer Hoffnung an die Arbeit gehe!« Diese Worte richtet der österreichische Komponist Josef Matthias Hauer im Jahr 1919 an den Maler und Kunstpädagogen Johannes Itten, nachdem er dessen Gemälde in den Ausstellungsräumen der Künstlervereinigung Freie Bewegung in Wien gesehen hat. Itten selbst leitet zu diesem Zeitpunkt seine private Kunstschule in Wien und ist im Begriff, dem Ruf von Walter Gropius ans Bauhaus in Weimar zu folgen. Josef Matthias Hauer hingegen beschäftigt sich intensiv mit seinem musikalischen Zwölftonkonzept. In der Folge tauschen sich die beiden Künstler über ihre Theorien zu Farb- und Tonverhältnissen aus und entdecken große Übereinstimmungen ihrer Modelle. Hauer entwickelt einen Farbkreis, bei dem er warmen und kalten Farben jeweils Tonarten aus dem Quintenzirkel zuordnet. Itten erarbeitet mit Grundformen und Grundfarben ein System, das Formen und Farben bestimmte Charaktereigenschaften zuweist, sowie eine Kontrastlehre. Nachdem Itten im Sommer 1919 ans Bauhaus geht, wo er den Vorkurs leitet, setzt ein reger Briefwechsel zwischen den beiden Künstlern ein. Der Plan, am neu gegründeten Bauhaus eine Musikklasse zu etablieren, scheitert aber an den finanziellen Rahmenbedingungen. Nach der euphorischen ersten Phase der Zusammenarbeit kommt es in der Folge zu Spannungen, da die Absolutheitsansprüche der beiden Konzepte trotz vieler Überschneidungen von keiner Seite relativiert werden. Opus 19, das Hauer unter dem Eindruck der Begegnung mit Itten 1919 komponiert hat, ist als Hörbeispiel beigefügt. Johannes Itten (1888–1967) Das 1918 entstandene Ölbild Der rote Turm ist eine Reflexion über den Kreislauf des Lebens. Es enthält im Vergleich mit anderen Bildern Ittens aus dieser Periode viele gegenständliche Details. Die erste Anregung zu diesem Bild war laut Itten ein Blick aus dem Fenster seiner Wiener Wohnung in der Peter-Jordan-Straße, von der er sowohl auf die Ignaz-Semmelweis-Klinik als auch auf zwei Kirchen mit roten Backsteintürmen sah. Der von den Backsteinkirchtürmen angeregte rote Turm ist zu einem die Bildmitte beherrschenden Rechteck verdichtet und weist wie ein Zeigefinger auf einen Stern, umgeben von »Luftwesen«, sowie einen mondähnlichen gelben Kreis im oberen Drittel des Bildes. Die Mittelachse wird von einander überschneidenden Formen umspielt, die dem Bild seinen lebendigen, pulsierenden Charakter verleihen. © 2014 Jasper Johns | Bildrecht Wien Jasper Johns, Target (Zielscheibe), 1967/69 Öl, Collage, Transfertechnik auf Leinwand 157 x 157 x 2,5 cm mumok, Wien, Leihgabe der Österreichischen LudwigStiftung seit 1981 (weiters in der Sammlung des mumok: Two Flags (Zwei Flaggen), 1959, Acryl auf Leinwand, 203,5 x 148,5 cm, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung, seit 1978) Johns, Jasper (* 1930) US-amerikanischer Bildhauer und Grafiker Nach seinem Kunststudium in South Carolina geht Jasper Johns 1952 nach New York und beginnt einen intensiven Ideenaustausch mit Robert Rauschenberg. Ausgehend vom abstrakten Expressionismus, wandte er sich Mitte der 1950er-Jahre bewusst banalen Sujets zu, die allen aus dem täglichen Leben vertraut sind, wie Zahlen, Zielscheiben und der US-amerikanischen Flagge. Johns verwendet eine spezielle Enkaustiktechnik, ein Gemisch aus Wachs und Farbpigmenten, in das er collagierte Zeitungsfetzen integriert. Diese Technik wurde zu seinem Markenzeichen. Seine Zielscheibenbilder hatten viele Nachahmer_innen und wurden aufmerksam studiert. Die amerikanische Flagge tritt allgemein nicht mehr so ins Bewusstsein, wird aus der alltäglichen Umgebung befreit und so gemalt, dass möglichst wenig subjektive Ansätze erkennbar sind. Die Provokation liegt in der Abbildung des vermeintlich Banalen. Es geht nicht um Bedeutung, Inhalt und Interpretation, sondern um die formale Identität. Es wird nicht komponiert, sondern der Gegenstand wird gezeigt, wie er ist. Eine Wiederholung der Wirklichkeit mit malerischen Mitteln. Wir haben es mit grundlegenden Problemstellungen von Malerei wie der des Objektcharakters eines Bildes zu tun: Handelt es sich um eine Flagge oder um ein Bild? Ist es Abgebildetes oder Abbildung? © 2014 Franitsek Lesák | Bildrecht Wien Frantisek Lesák, Halbvoll / Halbleer, 1975 Holz, Messing, Glas, Glyzerin 158 x 30 x 30 cm Sammlung Dieter und Gertraud Bogner im mumok, seit 2007 (weiters in der Sammlung des mumok: Ohne Titel, 1991, Kunststoff bemalt, Ø 60 cm, Sockel: 103 x 45 x 45 cm, erworben 1993; Machtspiele, 1973, Video, s/w, Ton, 11:36 min, Sammlung Dieter und Gertraud Bogner im mumok, seit 2010; Demonstrationsfeld, 1993, Video, s/w, Ton, 17:25 min, Sammlung Dieter und Gertraud Bogner im mumok, seit 2010; Irrtümer, 1973, Video, s/w, Ton, 5:32 min, Sammlung Dieter und Gertraud Bogner im mumok, seit 2010; Hermes des Praxtiteles punktiert mittels Licht, 2003, vier S/WFotografien, je 40 x 30 cm, erworben mit Unterstützung der Gesellschaft der Freunde der bildenden Künste, 2004) Lesák, Frantisek (* 1943) Tschechischer Konzeptkünstler Seit 1964 lebt Lesák in Wien, wo er von 1979 bis 2003 plastisches Gestalten an der Technischen Universität lehrte. Frantisek Lesák beschäftigt sich in seiner Arbeit u. a. mit Messvorgängen und ihrer Darstellung. Er vermisst räumliche Strukturen und quantitative Verhältnisse und visualisiert sie mit grafischen Mitteln oder mit Alltagsgegenständen. Frantisek Lesáks Arbeit Halbvoll / Halbleer zeigt ein exakt bis zur Hälfte mit klarer Flüssigkeit gefülltes Viertellitertrinkglas, das auf einem schlanken Holzsockel unter einem messinggefassten Glassturz steht. An der unteren Leiste der Vitrinenfassung ist auf zwei Seiten jeweils eine Plakette angebracht, in die einerseits Autor und Datum und andererseits der Titel des Werks eingraviert sind. Sockel, Sturz, Objekt und Titel thematisieren zwei unterschiedliche Aspekte der Erfassung von Wirklichkeit: einen persönlichen und einen wissenschaftlichen. Zum einen verweist der Titel auf die zur umgangssprachlichen Redewendung gewordene philosophische Erkenntnis der Perspektivgebundenheit unserer Sicht der Dinge: Ob wir das Glas halb voll oder halb leer sehen, hängt von unserer persönlichen Lebenseinstellung ab. Andererseits aber ähnelt die Präsentation des mit der klaren Flüssigkeit gefüllten Glases der Zurschaustellung eines musealen Präparats, das, aus jedem Gebrauchskontext isoliert und mit einer Bezeichnung versehen, eine wissenschaftliche Aussage illustriert. © 2014 Sol LeWitt | Bildrecht Wien Sol LeWitt, Form Derived from a Cube, 1986 5-teilig: Holz, Lack Kuben #1–#3 à 65 x 65 x 65 cm, #4 75 x 50 x 65 cm, #5 65 x 55 x 70 cm mumok, Wien, Leihgabe der Österreichischen LudwigStiftung, seit 1988 (weiters in der Sammlung des mumok: Untitled, 1963; Lines to Specific Points, 1975, 4 Aquatinta-Radierungen auf Papier, je 45,5 x 45,5 cm, erworben 1984; On the Walls to the Lower East Side, 1976; 37 Offsetdrucke auf Karton, je 24,5 x 46,5 cm, Schenkung Egidio Marzona, 2005; Walldrawing 116. Arcs from Four Corners, Using Four Colors, One from each Corner, 1971, Buntstift und Bleistift, erworben 2005) LeWitt, Sol (1928–2007) US-amerikanischer Künstler der Minimal Art Sol LeWitt ist ein führender Vertreter der Minimal Art. Von Bauhaus, de Stijl und dem Konstruktivismus beeinflusst, beginnt er 1962 Boden- und Wandstücke mit rein geometrischen Formen zu schaffen. Mit seinem theoretischen Werk Paragraphs on Conceptual Art von 1967 wird er wegweisend für die Konzeptkunst. Seit den 1960er-Jahren arbeitet Sol LeWitt mit geometrischen Grundformen wie Kubus oder Quadrat. Die Eigenschaft des Würfels, »neutral«1 zu sein, ermöglicht es LeWitt, das Augenmerk weg von der Form des Objekts hin zum dahinterliegenden Konzept zu richten. Die Ausführung geschieht durch andere nach seinen Instruktionen. Indem er seine eigene Handschrift am Werk auf ein Minimum reduziert, wird das Konzept wichtiger als das fertige Objekt. Damit verweist er über die Minimal Art hinaus auf die Concept Art: »In der Konzeptkunst ist die Idee oder das Konzept der wichtigste Aspekt der Arbeit. Wenn ein Künstler eine konzeptuelle Form von Kunst praktiziert, heißt das, dass alle Pläne und Entscheidungen im Voraus erledigt werden und die Ausführung eine rein mechanische Arbeit ist. Die Idee wird zu einer Maschine, die Kunst macht.«2 Auch in Untitled (Form Derived from a Cube) von 1986 entwickelt er aus der Grundstruktur des Würfels eine variierende Reihe geometrischer Formen. Die fünfteilige Arbeit des mumok verdeutlicht LeWitts Abkehr von der strengen Geometrie früherer Arbeiten. Statt den Würfel als standardisiertes Modul einzusetzen, dynamisiert LeWitt die Form durch Abschrägungen und Fragmentierungen. Durch die eingesetzte weiße Farbe lenkt er die ungeteilte Aufmerksamkeit auf die Essenz des Würfels. 1 »Die interessanteste Eigenschaft des Würfels ist, dass er relativ uninteressant ist«, so Sol LeWitt. Zitiert nach Sol LeWitt, »Der Kubus«, in: Minimal Art. Eine kritische Retrospektive, Gregor Stemmrich (Hg.), Verlag der Kunst, Dresden/Basel, 1995, S. 185. 2 Sol LeWitt, »Paragraphen über konzeptuelle Kunst«, in: Über Kunst. Künstlertexte zum veränderten Kunstverständnis nach 1965, Gert de Vries (Hg.), DuMont Schauberg, Köln, 1974, S. 177. © 2014 Roy Lichtenstein | Bildrecht Wien Roy Lichtenstein, The Red Horseman (Der rote Reiter), 1974 Öl und Magna auf Leinwand 284,5 x 213,5 cm mumok, Wien, Leihgabe der Österreichischen LudwigStiftung, seit 1978 (weiters in der Sammlung des mumok: Untitled (Around the U.S.A.) From the portfolio: 1 CENT LIFE, 1964, Farbfotografie, 41 x 58 cm, erworben 1983; Modular painting with four Panels, 1969, Öl, Magna auf Leinwand, 244 x 244 cm, Leihgabe der Österreichischen LudwigStiftung, seit 1981; Mirror in Six Panels No. 1, 1970, Öl, Magna auf Leinwand, 243,8 x 274,3 cm, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung, seit 1991) Lichtenstein, Roy (1923–1997) US-amerikanischer Maler, Grafiker und Bildhauer der Pop Art Roy Lichtenstein ist neben Andy Warhol der bekannteste Vertreter der amerikanischen Pop Art. Seine Benday-Dots, die den industriellen Druck imitieren, werden zu seinem Markenzeichen. Die Motive entnimmt Lichtenstein aus Comicheften und Werbeanzeigen sowie aus der Kunstgeschichte und hebt somit die Grenzen zwischen trivialer und hoher Kunst auf. Er beschränkt die Farbigkeit auf ein Minimum und bevorzugt die Grundfarben und die Nichtfarbe Schwarz: Farben, die im kommerziellen Druck verwendet werden. Neben der Malerei beschäftigt sich Lichtenstein auch mit Sieb- und Holzdruck sowie mit Keramik. Mit Der rote Reiter paraphrasiert Roy Lichtenstein das gleichnamige Bild des Futuristen Carlo Carrà von 1913, eine Hommage an Bewegung und Geschwindigkeit. Ihm selbst nur als Reproduktion bekannt, zitiert Lichtenstein das berühmte Original nicht mehr als wertvolles Objekt der Hochkultur, sondern als beliebig verfügbaren Teil einer Massenkultur, die nicht mehr zwischen Populär- und Hochkultur differenziert. Er unterwirft das kunsthistorische Vorbild der für ihn charakteristischen Bildsprache der Benday-Rasterpunkte. Durch die Übertragung in die Grundfarben Rot, Blau und Gelb, in gepunktete Schattierungen und starre Konturen friert Lichtenstein die ursprüngliche Bewegung und Dynamik des futuristischen Bildes ein und hebt die malerische Dynamik auf. Vergleichbar der Siebdrucktechnik von Andy Warhol, nobilitiert Lichtenstein ein kommerzielles Druckverfahren zur künstlerischen Technik. Seine Arbeiten sind jedoch keineswegs Druckerzeugnisse, sondern Ergebnis eines aufwendigen Herstellungsprozesses, in dem er die nach Bildvorlagen angefertigten Zeichnungen mithilfe eines Episkops auf die Leinwand projiziert und die Farben auf das Kompositionsgerüst mittels Schablonen schrittweise aufträgt. Long, Richard (* 1945) Britischer Land-Art Künstler »Meine persönliche Philosophie unterscheidet sich von der der amerikanischen Land-Art-Künstler, die in ihren Werken Gebrauch von Grundbesitz und Geld, Maschinen und Monumentalität machen. Einfaches Wandern und Zurücklassen ephemerer Spuren in öffentlichen Naturlandschaften bedeutet für mich künstlerische Freiheit, in der Natur, ohne all das vermittelnde Zeug. (...) Ich mag den Gedanken, Land zu verwenden, ohne es zu besitzen.« So formuliert der britische Land-Art-Künstler Richard Long seinen behutsamen Umgang mit Natur als Antithese zu den spektakulären Eingriffen der amerikanischen Kollegen. Seine Erkundung von Landschaft, die sich innerhalb vorher festgelegter Parameter bewegt, lässt gleichsam Skulptur entstehen. Auf seinen Wanderungen in den entlegensten Gebieten der Erde sammelt er Naturmaterialien wie Steine oder Hölzer, mit denen er geometrische Markierungen in Form von Kreisen, Spiralen oder Linien setzt – elementare Ordnungssysteme, die an prähistorische Monumente erinnern. Nachdem er sie fotografisch dokumentiert hat, löst er sie wieder auf und führt sie so in den Kreislauf der Natur zurück. Mit Bodenskulpturen wie dem Steinkreis von 1980 schafft Long komplementäre Situationen. Dem Landschaftskontext enthoben, erfahren die Anordnungen im Ausstellungsraum eine Ästhetisierung. Ein Zertifikat soll die exakte Anordnung der Steine gewährleisten und garantiert deren Identität als Kunstobjekt. Longs geometrisches Formenrepertoire erinnert an die Minimal Art, doch richtet sich sein Fokus nicht auf die Erschaffung formalistischer Artefakte, sondern auf Ergebnisse realer Handlungen und individueller Raum- und Zeiterfahrungen in der Natur. Richard Long, Stone Circle, 1980 Marmor Ø 280 cm mumok, Wien, erworben 1986 (weiters in der Sammlung des mumok: Black and White Willow Circles, 1981, Schwarze und weisse Holzstäbchen, in vier Kreisen aneinandergelegt, Ø 400 cm; mumok Wien, erworben 1997; Dark Charcoal Line, 1988, Kohle, 650 x 40 cm, mumok Wien, erworben 1995; Untitled, 1970, mumok, Wien, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung, seit 1981) © 2014 René Magritte | Bildrecht Wien René Magritte, La Voix du sang (Die Stimme des Blutes), 1959 Öl auf Leinwand 116,5 x 89,5 x 2 cm, mumok, Wien, erworben 1960 (weiters in der Sammlung des mumok: La Fidelité des images, 1928–1955, 16 S/W-Fotografien, je 8 x 14 bzw. 14 x 8 cm, erworben 1995) Magritte, René (1898–1967) Belgischer Maler René Magritte wird zu den bedeutendsten Surrealisten gezählt. Nach einem Studium in Brüssel experimentiert er anfänglich, beeinflusst von Futurismus, Orphismus und Kubismus, mit verschiedenen Stilen. Von 1927 bis 1930 lebt er in Paris und schließt sich den Surrealisten um André Breton an. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit Entwürfen für Plakate, Tapeten und Reklamezeichnungen. Er sucht eine spezifisch metaphysische Ausdrucksform, die traumatisch hintergründige Assoziationen hervorruft. In seinen Werken löst er Dinge aus ihrem gewohnten Kontext und komponiert scheinbare Nonsenskonstellationen. Er malt keine konkreten Träume, macht sich aber Traumszenarien zunutze. Als Künstler interessiert er sich für Figuren aus legendären Horror- und Kriminalgeschichten und die Trivialität von Grusel und Spannung, die Figuren wie Dracula, Frankenstein und Fantomas umgab. Die magische Wirkung seiner Bilder beruht auf der unerwarteten Gegenüberstellung alltäglicher Objekte. Großes ist ganz klein, Schweres schwebt im Himmel, Tag und Nacht erscheinen gleichzeitig im Bild. Magritte verwehrt sich gegen symbolhafte Bezüge und verwendet Bildtitel, die als zusätzliches Verunklärungsmoment dienen sollen. Hinter der banalen Erscheinungsform sollen das Rätselhafte, Poetische und Wunderbare der Wirklichkeit sowie die geheimnisvolle Natur des menschlichen Wahrnehmens und Denkens spürbar sein. © 2014 Karel Malich | Bildrecht Wien Malich, Karel (* 1924) Tschechischer Zeichner, Maler und Bildhauer Karel Malich studiert nach dem Krieg in Prag Zeichnen, Pädagogik und Ästhetik und beginnt zunächst Zeichnungen und Malereien nach der Natur anzufertigen. Erst Anfang der 1960er-Jahre findet er zur Abstraktion und erweitert seinen künstlerischen Ausdruck auch auf die Skulptur. Seine Malereien werden zunehmend reliefartig und seine Zeichnungen zu dreidimensionalen Draht skulpturen. »Karel Malich hat die Auffassung der Statue revolutioniert. Er hat sie ihrer Masse beraubt und sie nur aus Drähten oder durchsichtigen Plexiglasstäben modelliert. Dadurch schuf er etwas, das kein Vorbild in der Geschichte der Kunst hatte«, sagt der tschechischer Kunsthistoriker Tomáš Vlček1 über Malichs filigrane Plastiken, die im Raum zu schweben scheinen. Der Künstler selbst beschreibt sie als »Sprache des Raums, die in Harmonie mit dem Universum und seinen Elementen« sein sollten. Malichs Arbeiten sind den Ideen des Konstruktivismus und der Kinetik ebenso verpflichtet wie seiner Offenheit gegenüber kosmologischen und spirituellen Erfahrungen mit dem Licht, mit dem Erblicken des Strahlenflusses und der Energienetze, die alles Lebende verbinden. In seiner Installation Entfesselte Landschaft versucht Malich unsichtbare Energiefelder zu visualisieren. Der Titel unterstreicht zudem Malichs tiefe Bewunderung der Natur und seine konzentrierte und sensible Aufmerksamkeit für alles, was er sieht und wahrnimmt. 1 Zit. nach Marco Zimmermann, »Einer der ganz Großen. Karel Malich und der menschlichkosmische Geschlechtsverkehr«, 20.04.2013, http://www.radio.cz/de/rubrik/kultur/einer-derganz-grossen-karel-malich-und-der-menschlich-kosmische-geschlechtsverkehr (23.10.2013). Karel Malich, Entfesselte Landschaft II, 1973/74 Draht 167 x 134 x 190 cm mumok, Wien, erworben 1995 (weiters in der Sammlung des mumok: Ohne Titel, 1989, Pastell auf Papier, 100 x 70 cm, erworben 1999; Blauer Korridor, 1966, Lack auf Holz, 95 x 158 x 8 cm, erworben, 2002; Schwarzes Relief, 1968/69, Lack, Kunststoff auf Holz, 90 x 64 x 8 cm, erworben 1994; Entfesselte Landschaft III, 1973/74; Draht, 130 x 170 x 106, erworben 1995; Licht, 1991, Pastell auf Papier, 100 x 70 cm, erworben, 1999; Licht, 1993, Pastell auf Papier, 100 x 70 cm, erworben, 1999; Licht, 1993, Pastell auf Papier, 101 x 72 cm, erworben, 1999; Ich sah es, 1995, Pastell auf Papier, 102 x 74 cm, erworben, 1999) © 2014 Mondrian/Holtzman Trust c/o HCR International USA Piet Mondrian, Komposition mit Doppellinie und Blau (unvollendet), 1935 Öl auf Leinwand 60 x 50 cm mumok, Wien, erworben 1967 Mondrian, Piet (1872–1944) Niederländischer Maler, Begründer des Neoplastizismus Piet Mondrian studiert in Amsterdam und malt zunächst Landschaften, die in der holländischen Tradition des 19. Jahrhunderts stehen. Von 1911 bis 1914 lebt er in Paris, wo seine künstlerische Entwicklung einen starken Impuls und Einfluss durch den Kubismus erfährt, den er bis zur extremen Vereinfachung seiner Plus-und-Minus-Bilder abstrahiert. Auf der Suche nach bildnerischen Symbolen für eine universelle Wirklichkeit gelangt er 1917 in den Niederlanden zur vollständigen Abstraktion. Im gleichen Jahr gründet er mit Theo van Doesburg die De-Stijl-Bewegung. Farbe soll autonom sein, frei von individueller Gefühlsbeschreibung. Er beschränkt seine Farbskala weitgehend auf die drei Primärfarben Rot, Gelb und Blau und die drei Nichtfarben Schwarz, Grau und Weiß. Eine exakte Gestaltung von ausgewogenen Farb beziehungen soll subjektive Emotionen vermeiden, der rechte Winkel schafft eine Gleichgewichtsbeziehung von Ausdehnung und Begrenzung, schwarze Linien verlaufen in der Vertikalen und Horizontalen. Die Diagonale lehnt Mondrian als Mittel der Perspektive – die Illusion einer Tiefendarstellung – ab. Geprägt von den Ideen des Philosophen M. H. J. Schoenmaekers, sind die Bilder für Mondrian Gleichnisse einer universalen Harmonie, die er auf alle Lebensbereiche ausdehnen wollte. Sein Denken hatte große Wirkung auf die Gestaltung moderner Umwelt, vor allem in der Architektur und im Städtebau. © 2014 Henrik Olesen | Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/Köln Henrik Olesen, Zwischenstufen (nach Magnus Hirschfeld), 1999–2011 Fußleiste, Milchtüte Maße variabel mumok, Wien, erworben 2011 (weiters in der Sammlung des mumok: Some gaylesbian artists (and/or artists relevant to homo-social) born inbetween 1717–1864, 2006, Collage von Computerausdrucken, auf Holztafel, 208,3 x 300 x 86,4 cm, erworben 2011) Olesen, Henrik (* 1967) Dänischer Konzeptkünstler Henrik Olesen studiert in Kopenhagen und Frankfurt am Main. In seinen konzeptuell angelegten Skulpturen, Rauminstallationen, Collagen und architektonischen Interventionen widmet er sich aktuellen wie historischen Themen aus der Kunst- und Kulturgeschichte sowie der Naturwissenschaft. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit der bildlichen Repräsentation von gleichgeschlechtlicher Kultur und setzt sich mit den Mechanismen der Identitätsproduktion auseinander. Mit umfassenden Recherchen und dem Aufbau eines Bildarchivs thematisiert er die Tätigkeit des Sammelns und die Problematik dieser Form der Informationserfassung. Als Künstler ordnet er Dinge und Dokumente nach eigenen Kriterien und setzt bestehenden Ordnungen eine mögliche Alternative entgegen. Seine Arbeiten sind kontinuierliche Untersuchungen von Geschlechts- und Identitätskonstruktionen, wie sie auch in Kunstinstitutionen fortgeschrieben werden. Olesen wirft einen kritischen Blick auf das Museum als Gedächtnisspeicher und zeigt, wie es maßgeblich zur Konstitution und Konstruktion gesellschaftlicher Konventionen beiträgt. Dabei setzt er sich u. a. mit dem britischen Mathematiker Alan Turing auseinander sowie mit dem Sexualforscher Magnus Hirschfeld (1868–1935), besonders mit dessen Modell der Homosexualität als einer Zwischenstufe der menschlichen Sexualität und seinem Ziel der Verwirklichung der sexuellen Menschenrechte. © 2014 Roman Opalka | Bildrecht Wien Roman Opalka, OPALKA 1965/1–∞ (4185294– 4207974, 4207975–4232327, 4232328–4253355), 1965 Acryl auf Leinwand 196 x 135 cm mumok, Wien, Leihgabe der Österreichischen LudwigStiftung, seit 1995 Opalka, Roman (1931–2011) Polnisch-französischer Maler Roman Opalka studiert in Lodz und in Warschau und lebt ab 1977 im südfranzösischen Bazérac. Sein Werk wird der prozessorientierten Konzeptkunst zugeordnet. In seiner künstlerischen Arbeit setzt er sich mit der Frage der Zeitlichkeit auseinander. Es geht ihm um die Sichtbarmachung einer Idee, eines Prinzips, einer Strategie, die erst durch zeitliche Dauer und Repetition entfaltet werden kann. Seit 1965 verfolgt er die »Beschreibung« der eigenen Existenz in Form von kontinuierlich fortlaufenden natürlichen Zahlen. Atelier und Wohnort sind nicht getrennt, längere Unterbrechungen seiner Arbeit nicht möglich. Mit titanweißer Farbe und dem kleinsten verfügbaren Pinsel (Nr. 0) werden die Zahlen von Null fortlaufend auf Leinwände, mit der konstant bleibenden Größe 196 × 135 cm, aufgetragen. Opalka fügt der anfangs schwarzen Hintergrundfarbe bei jedem weiteren Bild ein Prozent weiße Farbe zu und hellt sie so kontinuierlich auf. Nachdem er den Pinsel in die weiße Farbe taucht, schreibt er so lange, bis die Linien sehr hell werden. Es entstehen sichtbare Rhythmen. Nach Abschluss eines Bildes, auch »Detail« genannt, wird der Pinsel mit der ersten und letzten ausgeführten Zahl gekennzeichnet und aufbewahrt. Die Zahlen werden in polnischer Sprache laut gelesen und aufgenommen. Am Ende eines Arbeitstages erfolgt ein fotografisches Selbstporträt mit Selbstauslöser in immer gleicher Kleidung, Haltung, Lichtverhältnissen und »neutralem« Gesichtsausdruck. Während seiner letzten Ausstellung in Berlin im Juni 2011 war er bei der Zahl 5.590.000 angekommen. Bis zum reinen Weiß als Hintergrundfarbe kam er nicht mehr. Am 6. August 2011 ist Opalka verstorben. Seine letzte Zahl 5.607.249 definiert das Ende der Unendlichkeit in seinem Werk. © 2014 Michelangelo Pistoletto | Bildrecht Wien Michelangelo Pistoletto, Divisione e moltiplicazione. Specchio-angolo, 1976/90 2 Spiegel mit Holzrahmen, je 230 x 128 x 5 cm mumok, Wien, Leihgabe der Österreichischen LudwigStiftung (weiters in der Sammlung des mumok: Hunger, 1988, Holz, Schaumgummi, Leinwand, 47 x 200 x 85 cm und 111 x 200 x 6 cm, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung; Uomo con barba, 1980, Siebdruck auf verspiegeltem Edelstahl, 40 x 40 x 1,2 cm, erworben 1995; Uomo in camicia seduto, 1993, Siebdruck auf verspiegeltem Edelstahl, 228 x 125 x 3 cm, erworben 1998) Pistoletto, Michelangelo (* 1933) Italienischer Maler, Objekt- und Aktionskünstler, Kunsttheoretiker, Vertreter der Arte povera Der Autodidakt Michelangelo Pistoletto beginnt seine künstlerische Aktivität in den 1950er-Jahren als Maler. Sein Werk wird im Kontext der Arte povera rezipiert und von Manifesten, theoretischen Texten und selbstkritischen Reflexionen des Künstlers begleitet. Schon in den ersten Selbstporträts, die er oft auf glänzendem Grund malt, reflektiert Pistoletto die Problematik der Widerspiegelung und des Abbildes. 1961 schließlich setzt er zum ersten Mal den Spiegel als Instrument unmittelbarer Realitätserfassung ein. Divisione e moltiplicazione. Specchio-angolo gehört zu einer Serie, in der Pistoletto mit der Teilung und Multiplikation von Spiegelbildern experimentiert: »Wir können jede Sache im Reflex des Spiegels verdoppeln, während wir den Spiegel jedoch nicht verdoppeln können. Falls wir dem Spiegel sein eigenes Doppel geben wollen, müssen wir ihn in zwei Teile trennen. Auf diese Weise kann ein Teil, indem er sich im anderen spiegelt, eine Vervielfachung des Spiegels bis ins Unendliche hervorrufen. So haben wir in der Teilung der Einheit, der vom Spiegel dargestellten Einmaligkeit, das Prinzip der Vervielfachung.« (Michelangelo Pistoletto) Die spiegelnden Oberflächen in Pistolettos Werk nehmen das Abbild der Betrachtenden sowie des sie umgebenden Raumes auf. Das Werk verändert sich somit unaufhörlich, es wird zur Projektionsfläche für alle erdenklichen Bilder. © 2014 Fred Sandback Archive Sandback, Fred (1943–2003) US-amerikanischer Künstler des Minimalismus Der studierte Bildhauer Fred Sandback wird durch seine minimalistischen Skulpturen aus feinen Metallstäben, bemalten Gummischnüren oder bemalter Acrylwolle bekannt. Seine linear-subtilen Markierungen im Raum bezeichnet er selbst als Skulpturen. Sie haben jedoch nichts mit der konventionellen Vorstellung von Skulptur als abgeschlossenem Volumen zu tun: »Ich habe mich schon früh von dem Modell solcher einzelnen skulpturalen Volumina zugunsten einer Skulptur gelöst, die weniger ein Ding an sich wurde und mehr eine diffuse Schnittstelle zwischen mir, meiner Umgebung und anderen, die diese Umgebung bevölkern; errichtet aus dünnen Linien, die ausreichend Raum ließen, um sich durch sie hindurch- und in ihr herumzubewegen. Noch Skulptur, wenn auch weniger dicht, mit einer Ambivalenz zwischen Außenraum und Innenraum. Eine Zeichnung, die man bewohnen kann.«1 Untitled zeigt zwei horizontal und parallel in deutlichem Abstand hintereinander gestaffelte Schnüre in Augenhöhe. Indem sie die gegenüberliegenden Wände miteinander verbinden, thematisieren sie die Raumecke. Sie schreiben eine visuelle Markierung in den Raum ein, der den analysierenden Blick in eine Pendelbewegung versetzt: Schnur und Ecke, Kunstwerk und Raum definieren einander und bestimmen die Wahrnehmung als die eigentliche Schaltstelle dieser Werk-Raum-Dialektik. Man kann den Blick so steuern, dass die hintere von der vorderen Schnur verdeckt wird, und damit das Wahrnehmen als einen Akt erfahren, in dem Wissen und Sehen unablässig ineinander spielen. Diese Arbeit sensibilisiert nicht nur für die Zusammenhänge räumlicher Parameter, sondern auch für jene zwischen Wahrnehmung und Interpretation. 1 Fred Sandback, Friedemann Malsch und Christiane Meyer-Stoll (Hg.), Ausst.-Kat. Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz, Hatje-Cantz, Ostfildern-Ruit 2005. Fred Sandback, Untitled, 1971 Elastische Schnur, graue Acrylfarbe 162,6 x 243,8 x 243,8 cm mumok, Wien, erworben 2011 (weiters in der Sammlung des mumok: drawing from the fourth of sixty-four three part pieces/75/rust-brown, 1975, Bleistift, Farbe, Tinte auf Papier, 20 x 19,5 cm, Schenkung Christine König, 2011) © 2014 Oskar Schlemmer | Bildrecht Wien Oskar Schlemmer, Abstrakte Figur, 1921 (1962) Bronzeguss 107 x 63 x 21 cm mumok, Wien, erworben 1962 (weiters in der Sammlung des mumok: Dreiergruppe mit Rückenakt, 1929, Pastell auf Papier, 60 x 44 cm, erworben 1980) Schlemmer, Oskar (1888–1943) Deutscher Maler, Bildhauer und Bühnenbildner Oskar Schlemmer studiert, unterbrochen durch Kriegsdienst, in Stuttgart. 1920 wird er von Walter Gropius als Leiter der Bildhauereiabteilung und Bühnenwerkstatt an das Bauhaus berufen. Bis zu seiner Entlassung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1932 unterrichtet er an der Berliner Akademie. Wie bei vielen anderen zeitgenössischen Künstlern wird seine Arbeit vom Regime als »entartete Kunst« entwertet. Seine Werke werden aus den Museen entfernt, er erhält Ausstellungsverbot, und es folgen für ihn bilderlose Jahre. Während seiner Bauhaus-Zeit beschäftigt er sich hauptsächlich mit dem Thema der Figur im Raum, arbeitet als Choreograf, Kostüm- und Bühnenbildner, Regisseur und Tänzer. Sein ganzes Leben setzt er sich mit dem Menschenbild und der menschlichen Figur auseinander. Seine Objektivierung und Entpersönlichung seiner abstrakten Figuren weist den Weg zu allgemeingültiger Typengestaltung. Die naturalistische Wiedergabe zufälliger, individueller Züge lehnt er ab, ebenso jede Form expressiver Übersteigerung. Seine Figuren gestaltet er in zeitloser, klassisch-maßvoller Harmonie. Er reduziert das Naturvorbild auf das Wesentliche und setzt die Menschenfigur in strenge, geometrische Formen um. Diese Kunstfiguren strahlen in ihrer sachlich-nüchternen Präzision den Geist technischer Errungenschaften aus. Sein Leben lang strebt Schlemmer nach Synthese, Harmonie und Universalität, sein Menschenbild erscheint als technisch-funktional, zum Teil als Mischung zwischen Maschine und Mensch. So findet er zu seinem Sinnbild des modernen Menschen, eines überindividuellen, sachlichen und überzeitlichen Typus. Segal, George (1924–2000) Amerikanischer Bildhauer Durch den Ausbruch des Krieges und der Arbeit auf der elterlichen Hühnerfarm, die er später als Atelier benützte, unterbrach er sein Studium und setzte es 1946 an der Rutgers University fort. Durch seine Begegnung mit Allan Kaprow und dem Einfluss des Neuen Realismus, der Pop Art und dem Happening gab er seine anfänglich figurative Malerei auf und wandte sich der environmentalen Plastik zu. In seinen ersten Skulpturen arbeitete er noch mit Holz und Draht als Gerüst für seine Figuren. 1961 begann er, mit Gipsbandagen direkte Körperabformungen vorzunehmen und diese nach dem Entfernen der Gipshülle zu einem Körper zusammenzusetzen. An der Technik fasziniert ihn das Wegfallen von Posen und äußerlichen, zurechtgelegten Haltungen, bestimmt durch die langwierige Prozedur des Bandagenauflegens, der unangenehmen Nässe und Unbeweglichkeit. Die »innere« Form, die »Wahrheit« des jeweiligen Menschen tritt zu Tage. Das Material Gips hat kein Eigenleben, es passt sich vollkommen der jeweiligen Oberfläche an. Es geht ihm nicht um das Herausarbeiten von Details, sondern um einen Gesamteindruck des Menschen. 1959/60 präsentiert Segal seine erste situationelle Skulptur Man on a Bicycle. Typisch für ihn ist die Verbindung von Gipsfiguren und echten Gegenständen. In den folgenden Jahren entstanden unter Einbeziehung realer Gegenstände Environments wie zum Beispiel Cinema (1963) und The Restaurant (1967). Seine Arbeiten verkörpern in ihrer Stummheit und der jeweils speziellen Körperhaltung zumeist Isolierung, Anonymität und Einsamkeit des modernen Großstadtmenschen. George Segal Woman in a Restaurant Booth (Frau in Restaurantnische), 1961 Tisch, Bank, Figur aus Gipsbandage, Tasse 130 x 175 x 110 cm mumok, Wien, ehemals Sammlung Hahn, erworben 1978 © 2014 Jean Tinguely | Bildrecht Wien Jean Tinguely, Méta-Harmonie, 1978 Dreiteilige Maschinenskulptur aus Eisen und Holz mit diversen Gegenständen und Fundstücken, 3 Elektromotoren 290 x 600 x 150 cm mumok, Wien, Leihgabe der Österreichischen LudwigStiftung seit 1983 (weiters in der Sammlung des mumok: Méta-matics, 1959 (10 Blätter) Farbstift, Filzstift, Farbstoff auf Papier, je 30 × 19 cm, erworben 1983; Maschinenbild Haus Lange, 1960, Eisenblech, Farbe auf Holzplatte, Elektromotor, 65 x 65 cm, ehemals Sammlung Hahn, erworben 2004; Demi Barock, 1961, Eisenschrott, Gummischläuche, Wassersprenger, Elektromotor, 240 x 85 x 70 cm, ehemals Sammlung Hahn, erworben 1978; Brief an Dr. Dieter Ronte, Palazzo Grassi Venedig, 1991, Farbe, Tusche auf Papier, 30 × 31 cm, Schenkung des Künstlers, 1988) Tinguely, Jean (1925–1991) Maler und Bildhauer des Nouveau Réalisme, Vertreter der kinetischen Kunst Jean Tinguely arbeitet zunächst als Schaufensterdekorateur in der Schweiz und zieht Anfang der 1950er-Jahre nach Frankreich, wo er mit der Neoavantgarde in Kontakt kommt. 1954 setzt er erstmals eine seiner Skulpturen aus Draht und Blech in Bewegung. 1960 ist Jean Tinguely Gründungsmitglied der Gruppe der Nouveaux Réalistes, zu denen unter anderen auch Raymond Hains, Daniel Spoerri, Niki de Saint Phalle und Yves Klein gehören. Ab diesem Jahr beginnt er, Fundstücke in seine Arbeit zu integrieren, und montiert aus Alteisen, Metallteilen und Schrott Maschinen, die, wie er findet, nichts nutzen und produktive Aktionen lächerlich machen sollen.1 Sein absurder Maschinenbau ist verzerrtes Spiegelbild und Ironisierung der Technik zugleich und versteht sich als Gesellschaftskritik. Tinguely löst die tatsächlichen wissenschaftlichen und technischen Bezüge der sonst zweckgebundenen Maschinen, und es bleibt nichts als der künstlerisch-ästhetische Eigenwert. So rattert, quietscht, dreht und lärmt es im sonst leisen und statischen Kunstraum, sobald Elektromotoren die drei Teile der Méta-Harmonie in Gang setzen. Die Abfolge von Bewegungen und Geräuschen ist nur scheinbar zufällig. Vielmehr ist sie eine rein technische Abfolge, die, von außen nicht beeinflussbar und nicht veränderbar, immer gleich abläuft. Die einzelnen Teile des Kunstwerks funktionieren unabhängig voneinander und reagieren nicht auf die Umgebung. Seine kinetischen – also sich bewegenden – Skulpturen demontieren den eigenen Gattungsbegriff und fordern seine Neudefinition. 1 Rudolf Suter, »Stillstand gibt es nicht«, Neue Zürcher Zeitung, 16.02.2013, http://www.nzz.ch/ aktuell/feuilleton/literatur-und-kunst/stillstand-gibt-es-nicht-1.18004162 (29.10.2013). © 2014 The Andy Warhol Foundation for Visual Arts Inc. | Bildrecht Wien Andy Warhol, Orange Car Crash, 1963 Acryl, Siebdruck auf Leinwand 334,1 x 418 x 4,3 cm Leihgabe der Sammlung Ludwig, Aachen, seit 1978 (weiters in der Sammlung des mumok: Mick Jagger, 1975, (10 Blätter), Siebdruck, Acetat auf Papier, je 110 x 73 cm, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung, seit 1981; Flowers, 1970, 10 Siebdrucke auf Papier, je 91 x 91 cm, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung, seit 1980; Ladies and Gentlemen, 1975, Siebdruck auf Leinwand, 305 x 205 cm, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung, seit 1987; u. v. m.) Warhol, Andy (1928–1987) Amerikanischer Maler, Grafiker und Filmemacher Als Hauptvertreter der Pop Art übte Andy Warhol großen Einfluss auf die zeitgenössische Kunstszene aus. Nach einem Studium in Pittsburgh ist er zunächst erfolgreich als Werbegrafiker in New York tätig. 1960 entstehen die ersten Gemälde mit Comicstripfiguren. 1962 folgen die für sein Schaffen typischen Siebdrucke mit Motiven wie der Campbell’s-Suppendose oder der Coca- Cola-Flasche. Seine künstlerische Absicht ist, die Herstellung von Kunstwerken zu entpersonalisieren und sich vom Originalitätsund Kreativitätsanspruch zurückzuziehen. Alles, was Warhol begegnet, ist schön für ihn: die Künstlichkeit der Konsumkultur, die Formensprache der kommerziellen Kultur- und Werbeindustrie, das Klischee und die Lüge in den Massenmedien sowie die Idole und der Glamour aus der Welt des Starkults. Durch Zeitungsbilder bekannt gewordene Gesichter werden isoliert, gereiht, künstlich eingefärbt, vergrößert, massenweise mittels Siebdruck vervielfältigt und mit Farbe und Pinsel weiterbearbeitet. In den 1970er-Jahren widmet sich Andy Warhol vermehrt dem Porträt als einer spezifischen künstlerischen Form. Mit seinen Werken berühmter Sänger_innen, Schauspieler_innen und Künstler_innen wird Andy Warhol Chronist seiner Zeit und nimmt mit seinen konzeptuellen Tendenzen spätere Kunstentwicklungen vorweg. © 2014 Franz West | Archiv Franz West Franz West, Redundanz, 1986 Papiermaché, bemalt 3 Teile: 92 x 143 x 47 cm; 210 x 95 x 95 cm; 62,9 x 172,7 x 72,4 cm mumok,Wien, erworben 2007, 2008 und 2011 (weiters in Sammlung des mumok: Approximation, 1985/86, Metall, Papier, Gips, 2 Teile: 185 x 110 x 40 cm; 180 x 95 x 30 cm, erworben 1986; Homemades, 1989, Papiermaché, Holz, Eisen, Dispersion, 60 x 41 x 41 cm, erworben 1998; Ohne Titel, E-Rohr, Draht, Molino, Polyester, Dispersion, 29 x 41 x 27 cm, erworben 1999; Ohne Titel (Rosa Labstück), 1983, Holz, Glas, Metall, Papiermaché, Dispersion, 22 x 39 x 28 cm, erworben 1999; Onkel, 2002, Stahlrohr, gewebte Textilgurte, 88 x 46 x 50 cm, erworben mit Unterstützung der Gesellschaft der Freunde der bildenden Künste 2003; Reduktion Teil III, 1986–88, Papiermaché, Farbe, Draht, 220 x 68 x 53 cm, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung, seit 2005; u. a. m.) West, Franz (1947–2012) Österreichischer Künstler Franz Wests Kunst ist im Gegensatz zu traditionellen Werkbegriffen partizipativ angelegt. Mit seinen Arbeiten sucht der Künstler den Dialog mit den Rezipient_innen und begreift deren jeweilige Reaktionen als notwendige, integrale Bestandteile. So können seine Passstücke und Möbel angefasst oder auf andere Weise körperlich benutzt werden. Seine »legitimen Skulpturen«, zu denen auch Redundanz gehört, suchen den Dialog auf der assoziativen und intellektuellen Ebene und werden häufig von Textbeigaben begleitet. Die dreiteilige Skulpturengruppe ist aus Papiermaché gefertigt und bemalt. Der innere Kern besteht aus diversen alltäglichen Objekten, z. B. aus übereinandergestapelten Hüten. Diese informellen Skulpturen provozieren unsere assoziative Wahrnehmung: Eine Säule kann zu einem menschlichen Gegenüber werden, eine Öffnung zu einem aufgerissenen Maul. West selbst sprach vom »Spuk der Semantik im Informel«. Redundanz ist zudem ein Beispiel für Wests Praxis der Kombination und Rekombination von Arbeiten. Die Skulpturengruppe wurde 1986 zum ersten Mal in der Galerie Pakesch in Wien gezeigt und kurz darauf für das Foto eines Katalogcovers mit drei Arbeiten von Heimo Zobernig Ohne Titel kombiniert. 1988 wurde dann gegen den Willen des Künstlers ein Teil von Redundanz verkauft, woraufhin West im selben Jahr die beiden verbleibenden Teile mit einer neuen Skulptur ergänzte und die neu arrangierte Werkgruppe Reduktion nannte. Diese wurde später vom mumok angekauft. 2011 konnte das mumok auch die Stele erwerben und so die ursprüngliche Redundanz wieder vereinen. Für die Wiedervereinigung von Redundanz hat Franz West einen neuen Text verfasst: »REDUNDANZ. Diesen Begriff fand ich in der Einführung in die Semiotik bei Umberto Eco. Ich hatte damals das Spruchband der documenta 7 im Kopf, wo es heißt, Kunst wäre überflüssig (Ben Vautier). Auf diese Kunstsicht wird hier eingegangen. Man kann sich das Urteil selber bilden, ob das, was da steht, überflüssig (redundant) ist.«1 1 Franz West, 2011, anlässlich der Ausstellung Museum der Wünsche, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, zitiert nach Franz West. Wo ist mein Achter?, Eva Badura-Triska (Hg.), König, Köln, 2013, S. 24. © 2014 Heimo Zobernig | Bildrecht Wien Heimo Zobernig, Ohne Titel (Weißer Kubus), 2002 Diverse Materialien 340 x 340 x 700 cm Auftragsarbeit mumok, Wien (weiters in der Sammlung des mumok: de nada, 1981, Video, Farbe, Ton, 67:00 min, Schenkung des Künstlers, 2011; Ohne Titel, 1984, Öl auf Molino, 60 x 60 x 2,5 cm, erworben mit Unterstützung der Sammlung Ploil, 2005; Ohne Titel, 1985, Kunstharzlack auf Karton, 119 x Ø 66 cm, erworben mit Unterstützung der Sammlung Ploil, 2005; Ohne Titel, 1985, Kunstharzlack auf Karton, 190 x Ø 40 cm, Leihgabe der Artothek des Bundes, seit 1988; Die Kunst der Enzyklopädie, 1988, Serigrafie, je 59 x 84 cm, erworben mit Unterstützung der Sammlung Ploil, 2005; Ohne Titel, 2007, Pressspanplatte, Stahlwinkel, 3,8 x 280 x 30 cm, Sammlung Dieter und Gertraud Bogner im mumok, seit 2007; Heimo Zobernig erklärt seinem Double, wie man eine Performance macht, 2008, Video, Farbe, Ton, 61:58 min, erworben 2009; u. a. m.) Zobernig, Heimo (* 1958) Österreichischer Künstler Heimo Zobernig arbeitet medienübergreifend. Seinen Gemälden, Skulpturen, Videos, Performances oder architektonischen Eingriffen liegen immer ein klares Konzept und eine nüchterne Formensprache zugrunde. Er knüpft an die abstrakte Formensprache des russischen Konstruktivismus, der niederländischen De-Stijl-Bewegung oder der Zürcher Konkreten an. Viele seiner Skulpturen weisen formale Ähnlichkeiten zur Minimal Art auf, jedoch unterläuft Zobernig zuweilen deren Erhabenheit durch eine bewusst nachlässige Herstellung (sichtbare Arbeitsspuren), preiswerte Materialien (Karton, Styropor, Spanplatten, Beton) oder durch einen funktionalen Nutzen (Sockel, Bank, Tisch z. B.). Heimo Zobernigs Ohne Titel (Weißer Kubus) im mumok ist autonome Skulptur und begehbares Raumelement in einem. Als das Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien im Herbst 2001 den Neubau im MQ bezog, war das Museum durch einen zentral gelegenen, alle Stockwerke durchziehenden Licht- und Liftschacht räumlich zweigeteilt. Edelbert Köb, der Anfang 2002 die Direktion des Hauses übernahm, bat Zobernig, die Ebene 2 durch einen künstlerischen Eingriff optisch zu markieren. Zobernigs Idee bestand darin, in den Schacht einen weißen Kubus einzubauen, der ein durchgängiges Raumkontinuum schafft. Seit 2002 besteht diese Verbindungsbrücke auf halber Höhe zwischen Foyer und Dach und zieht als Ohne Titel (Weißer Kubus) im Herzen des White Cube die Blicke nach oben.