Inhalt Der Wolf und die sieben jungen Geißlein [KHM 5] ................. 7

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Inhalt Der Wolf und die sieben jungen Geißlein [KHM 5] ................. 7
Inhalt
Der Wolf und die sieben jungen Geißlein [KHM 5] ................. 7
Hänsel und Gretel [KHM 15] .................................................. 12
Die drei Schlangenblätter [KHM 16] ...................................... 23
Das Mädchen ohne Hände [KHM 31] .................................... 28
Der gescheite Hans [KHM 32] ................................................ 38
Der Schneider im Himmel [KHM 35] ..................................... 41
Frau Trude [KHM 43] ............................................................. 45
Von dem Machandelboom [KHM 47] ...................................... 48
Der Frieder und das Catherlieschen [KHM 59] ....................... 62
Sechse kommen durch die ganze Welt [KHM 71] ................... 72
Das kluge Gretel [KHM 77] .................................................... 79
Der König vom goldenen Berge [KHM 92] ............................. 83
De drei Vügelkens [KHM 96] .................................................. 92
Hans mein Igel [KHM 108] ..................................................... 99
Die klare Sonne bringt’s an den Tag [KHM 115] .................. 107
Das blaue Licht [KHM 116] .................................................. 110
Die sieben Schwaben [KHM 119] ......................................... 119
Die drei Brüder [KHM 124] .................................................. 124
Der undankbare Sohn [KHM 145] ........................................ 127
Meister Pfriem [KHM 178] ................................................... 129
Die Nixe im Teich [KHM 181] .............................................. 134
Spindel, Weberschiffchen und Nadel [KHM 188] ................. 143
Das Meerhäschen [KHM 191] ............................................... 148
Der Meisterdieb [KHM 192] ................................................. 156
Die Kristallkugel [KHM 197] ................................................ 167
Jungfrau Maleen [KHM 198] ................................................ 173
Zu-Sätze zum Nach-Denken ................................................ 182
Der Wolf und die sieben jungen Geißlein
[KHM 5]
Es war einmal eine alte Geiß, die hatte sieben junge Geißlein und
hatte sie lieb, wie nur eine Mutter ihre Kinder liebhat. Eines Tages
wollte sie in den Wald gehen und Futter holen, da rief sie alle sieben
herbei und sprach: »Liebe Kinder, ich will hinaus in den Wald, seid
auf der Hut vor dem Wolf, wenn er hereinkommt, so frisst er euch alle
mit Haut und Haar. Der Bösewicht verstellt sich oft, aber an seiner
rauen Stimme und an seinen schwarzen Füßen werdet ihr ihn gleich
erkennen.« Die Geißlein sagten: »Liebe Mutter, wir wollen uns schon
in acht nehmen, Ihr könnt ohne Sorgen fortgehen.« Da meckerte die
Alte und machte sich getrost auf den Weg.
Es ist eins der beliebtesten Märchen. Warum können wir es nicht vergessen? Was fesselt uns? – Die alte Geiß wollte Futter aus dem Wald
holen. Ziegen gehören zu den frühesten Haustieren, sie waren die Milchquelle der Armen, trugen kleine Lasten, man kann ihre Haut zu Leder
verarbeiten und ihr Haar zu Garn. Neben Gras fressen sie auch Laub,
das alles steht im Sommer im Wald zur Verfügung. Aber nicht recht
passen will, dass es sieben Kinder gewesen sein sollen. Ziegen haben
höchstens Drillinge, immer bleiben sie ein Jahr bei der Mutter.
Es dauerte nicht lange, so klopfte jemand an die Haustür und rief:
»Macht auf, ihr lieben Kinder, eure Mutter ist da und hat jedem von
euch etwas mitgebracht.«Aber die Geißerchen hörten an der rauen
Stimme, dass es der Wolf war. »Wir machen nicht auf«, riefen sie, »du
bist unsere Mutter nicht, die hat eine feine und liebliche Stimme, aber
deine Stimme ist rau; du bist der Wolf.« Da ging der Wolf fort zu einem
Krämer und kaufte sich ein großes Stück Kreide; die aß er und machte
damit seine Stimme fein. Dann kam er zurück, klopfte an die Haustür
und rief: »Macht auf, ihr lieben Kinder, eure Mutter ist da und hat
jedem von euch etwas mitgebracht.« Aber der Wolf hatte seine schwarze Pfote in das Fenster gelegt, das sahen die Kinder und riefen: »Wir
machen nicht auf, unsere Mutter hat keinen schwarzen Fuß wie du: du
bist der Wolf.« Da lief der Wolf zu einem Bäcker und sprach: »Ich
habe mich an den Fuß gestoßen, streich mir Teig darüber.« Und als
der Bäcker die Pfote bestrichen hatte, so lief er zum Müller und sprach:
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»Streu mir weißes Mehl auf meine Pfote.« Der Müller dachte: »Der
Wolf will einen betrügen«, und weigerte sich, aber der Wolf sprach:
»Wenn du es nicht tust, so fresse ich dich.« Da fürchtete sich der Müller und macht ihm die Pfote weiß. Ja, das sind die Menschen.
Wie in allen ›Tiermärchen‹ üblich, handeln die Geißen menschlich. Die
drei Handwerker dagegen sind nur Beiwerk wie die Möbel und das
Geschirr im Haus der Ziegenmutter. Sie war ›alleinerziehend‹. Von den
Kindern verlangte sie Umsicht und warnte vor dem Bösen. Dann machte sie sich getrost auf den Weg, um für Nahrung zu sorgen. – Der Wolf
hat die Hilfe vom Krämer, vom Bäcker und dem Müller in Anspruch
genommen. Der war selbst oft ein Betrüger, bald dachte er, der Wolf
wolle einen betrügen und tat auch, was der wollte.
Nun ging der Bösewicht zum drittenmal zu der Haustüre, klopfte an
und sprach: »Macht mir auf, Kinder, euer liebes Mütterchen ist heimgekommen und hat jedem von euch etwas aus dem Walde mitgebracht.«
Die Geißerchen riefen: »Zeig uns erst deine Pfote, damit wir wissen,
dass du unser liebes Mütterchen bist.« Da legte er die Pfote ins Fenster, und als sie sahen, dass sie weiß war, so glaubten sie, es wäre alles
wahr, was er sagte, und machten die Türe auf. Wer aber hereinkam,
das war der Wolf. Sie erschraken und wollten sich verstecken. Das
eine sprang unter den Tisch, das zweite ins Bett, das dritte in den
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Ofen, das vierte in die Küche, das fünfte in den Schrank, das sechste
in die Waschschüssel, das siebente in den Kasten der Wanduhr. Aber
der Wolf fand sie alle und machte nicht langes Federlesen: eins nach
dem anderen schluckte er in seinen Rachen; nur das jüngste in dem
Uhrkasten, das fand er nicht. Als der Wolf seine Lust gebüßt hatte,
trollte er sich fort, legte sich draußen auf der grünen Wiese unter
einen Baum und fing an zu schlafen.
Die Geißerchen befolgten die Worte der Mutter, doch als sie erschöpft
heimkam, war der Wolf schon dreimal dagewesen. Die Geißlein müssen den erreichbarsten Schutz für den sichersten gehalten haben, doch
ihr Kindervertrauen ließ sie nicht nachdenken; jedes sprang in irgendein Versteck, und es wurde gefunden. – Der Kasten der Wanduhr war
eine Art Wandschrank, in den das jüngste Geißlein sprang. Dieser
›Bockprung‹ konnte es den Hals kosten, doch er war die Rettung.
Nicht lange danach kam die alte Geiß aus dem Walde wieder heim.
Ach, was musste sie da erblicken! Die Haustüre stand sperrweit auf;
Tisch, Stühle und Bänke waren umgeworfen, die Waschschüssel lag in
Scherben, Decke und Kissen waren aus dem Bett gezogen. Sie suchte
ihre Kinder, aber nirgend waren sie zu finden. Sie rief sie nacheinander
bei Namen, aber niemand antwortete. Endlich, als sie an das jüngste
kam, da rief eine feine Stimme: »Liebe Mutter, ich stecke im Uhrkasten.« Sie holte es heraus, und es erzählte ihr, dass der Wolf gekommen
wäre und alle anderen gefressen hätte. Da könnt ihr denken, wie sie
über ihre armen Kinder geweint hat. – Endlich ging sie in ihrem Jammer hinaus, und das jüngste Geißlein lief mit. Als sie auf die Wiese
kam, so lag da der Wolf an dem Baum und schnarchte, dass die Äste
zitterten. Sie betrachtete ihn von allen Seiten und sah, dass in seinem
angefüllten Bauch sich etwas regte und zappelte. »Ach Gott«, dachte
sie, »sollten meine armen Kinder noch am Leben sein?« Da musste
das Geißlein nach Haus laufen und Schere, Nadel und Zwirn holen.
Dann schnitt sie dem Ungetüm den Wanst auf, und kaum hatte sie
einen Schnitt getan, so streckte schon ein Geißlein den Kopf heraus,
und als sie weiterschnitt, so sprangen nacheinander alle sechse heraus und waren noch am Leben, sie hatten nicht einmal Schaden gelitten, denn das Ungetüm hatte sie in der Gier ganz hinuntergeschluckt.
Das war eine Freude! Da herzten sie ihre liebe Mutter und hüpften wie
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ein Schneider, der Hochzeit hält. Die Alte aber sagte: »Jetzt geht und
sucht Wackersteine, damit wollen wir dem gottlosen Tier den Bauch
füllen, solange es noch im Schlafe liegt.«
Die Ziegenfamilie war stabil wie die Zahl Sieben, die nicht nur in der
frühen Mystik so wirkte, sondern bis heute unter anderem als die Zahl
der Wochentage. Der Ruf des Jüngsten »Liebe Mutter, ich stecke im
Uhrkasten!« hat den Mut der Mutter neu belebt. Wackersteine sind
›wacker‹ zugehauene Steine mit sehr scharfen Kanten, nicht runde Kiesel. Im Märchen ›Rotkäppchen‹ [KHM 26] hat ebenfalls das Kind, nicht
der Jäger, den Wolf mit solchen Steinen getötet. Vom Wolf als dem gottlosen Tier hat die treu sorgende, zuverlässige Mutter der Geißerchen
gesprochen. Ob die Erzähler mit diesem Wort gemeint haben, er sei
teuflisch?
Da schleppten die sieben Geißerchen die Steine herbei und steckten
sie in den Bauch, so viel sie hineinbringen konnten. Dann nähte ihn
die Alte in aller Geschwindigkeit wieder zu, dass er nichts merkte und
sich nicht einmal regte. Als der Wolf endlich ausgeschlafen hatte, machte er sich auf die Beine, und weil ihm die Steine im Magen so großen
Durst erregten, so wollte er zu einem Brunnen gehen und trinken. Als
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er aber anfing zu gehen und sich hin und her zu bewegen, so stießen
die Steine in seinem Bauch aneinander und rappelten. Da rief er:
»Was rumpelt und pumpelt
in meinem Bauch herum?
Ich meinte, es wären sechs Geißlein,
so sind’s lauter Wackerstein.«
Und als er an den Brunnen kam und sich über das Wasser bückte und
trinken wollte, da zogen ihn die schweren Steine hinein, und er musste
jämmerlich ersaufen. Als die sieben Geißlein das sahen, da kamen sie
herbeigelaufen, riefen laut: »Der Wolf ist tot! Der Wolf ist tot!«, und
tanzten mit ihrer Mutter vor Freude um den Brunnen herum.
Der ratlose Wolf sang sein Lied und verdammte damit sich selbst. Ganz
poetisch ist die Sprachgestalt dieses Zauberspruchs: »Was rumpelt und
pumpelt ...?« Dem dumpfen ›u‹ stehen in Geißlein und Wackerstein
die Endreimsilben -lein / -stein entgegen, sie machen alles wieder hell.
Symbole sind für uns schwer zu durchschauen, aber immer gehören sie
zu den Märchen. Die Brüder GRIMM haben zehn frühere Buchveröffentlichungen mit Geislein und Wolf aufgezählt, sie nennen 1565 als
erstes Druckjahr, doch muss die ›Sage vom versteinerten Wolf‹ viel
älter sein.* Mit seinen Sprachbildern erzählt dieses Märchen vom Kampf
der Lebenskräfte, von der wölfischen Macht und vom Mütterlichen,
und welch starke, kluge Gegenkraft nötig ist, dass Lüge und Betrug
nicht siegen. – Die Tiere tanzten wie Menschen um den Brunnen herum. Gerade für zuhörende Kinder ist das ein unvergessliches Bild: die
Liebe zwischen der Mutter und den Kindern, die reinste Liebe, überwindet das Boshafte. So bewahren wir es seit langem im Bewusstsein.
***
* Brüder GRIMM, Kinder- und Hausmärchen, herausgegeben von Heinz Rölleke,
Band III, Stuttgart 2001, S. 15.
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Hänsel und Gretel
[KHM 15]
Vor einem großen Walde wohnte ein armer Holzhacker mit seiner Frau
und seinen zwei Kindern; das Bübchen hieß Hänsel und das Mädchen
Gretel. Er hatte wenig zu beißen und zu brechen, und einmal, als große Teuerung ins Land kam, konnte er auch das täglich Brot nicht mehr
schaffen. Wie er sich nun abends im Bette Gedanken machte und sich
vor Sorgen herumwälzte, seufzte er und sprach zu seiner Frau: »Was
soll aus uns werden? wie können wir unsere armen Kinder ernähren,
da wir für uns selbst nichts mehr haben?«
Von einer Kindheit, die nicht heiter war, wird erzählt. Bei der Krise im
Land, einer Teuerung, konnte die Familie nicht froh werden. Die Kinder mochten sieben Jahre alt sein, so deuten es die Wortformen an:
Bübchen, Hänsel und Gretel.
»Weißt du was, Mann«, antwortete die Frau, »wir wollen morgen in
aller Frühe die Kinder hinaus in den Wald führen, wo er am dicksten
ist; da machen wir ihnen ein Feuer an und geben jedem noch ein
Stückchen Brot, dann gehen wir an unsere Arbeit und lassen sie allein.
Sie finden den Weg nicht wieder nach Haus, und wir sind sie los.«
»Nein, Frau«, sagte der Mann, »das tue ich nicht; wie sollt ich’s übers
Herz bringen, meine Kinder im Walde allein zu lassen, die wilden
Tiere würden bald kommen und sie zerreißen.« »O du Narr«, sagte
sie, »dann müssen wir alle vier Hungers sterben, du kannst nur die
Bretter für die Särge hobeln«, und ließ ihm keine Ruhe, bis er einwilligte. »Aber die armen Kinder dauern mich doch«, sagte der Mann.
Die zwei Kinder hatten vor Hunger auch nicht einschlafen können
und hatten gehört, was die Stiefmutter zum Vater gesagt hatte.
Zuerst wird sie die Frau genannt, sie war fleißig und half bei der Arbeit
im Walde. Dann hat sie allein den Plan zur Aussetzung im Walde ausgedacht, denn sie war ganz ohne Hoffnung. Ab diesem Zeitpunkt ist sie
›die Stiefmutter‹. Im Wort ›Stief-‹ steckt der Anklang an ein altes
›stiufen, die Familie berauben‹. Oft sind in den Zeiten der Märchen
Mütter gestorben und Stiefmütter waren nicht selten. In GRIMMs erster Handschrift von 1812 hieß sie noch die Mutter; doch ihr Handeln
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lässt erkennen, dass sie nie eine gute Frau war. Nur der Mann sagte
»meine Kinder«.
Gretel weinte bittere Tränen und sprach zu Hänsel: »Nun ist’s um uns
geschehen.« »Still, Gretel«, sprach Hänsel, »gräme dich nicht, ich
will uns schon helfen.« Und als die Alten eingeschlafen waren, stand
er auf, zog sein Röcklein an, machte die Untertüre auf und schlich
sich hinaus. Da schien der Mond ganz helle, und die weißen Kieselsteine, die vor dem Haus lagen, glänzten wie lauter Batzen. Hänsel
bückte sich und steckte soviel in sein Rocktäschlein, als nur hinein
wollten. Dann ging er wieder zurück, sprach zu Gretel: »Sei getrost,
liebes Schwesterchen, und schlaf nur ruhig ein, Gott wird uns nicht
verlassen«, und legte sich wieder in sein Bett. Als der Tag anbrach,
noch ehe die Sonne aufgegangen war, kam schon die Frau und weckte
die beiden Kinder: »Steht auf, ihr Faulenzer, wir wollen in den Wald
gehen und Holz holen.« Dann gab sie jedem ein Stückchen Brot und
sprach: »Da habt ihr etwas für den Mittag, aber esst’s nicht vorher
auf, weiter kriegt ihr nichts.« Gretel nahm das Brot unter die Schürze,
weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte. Danach machten sie sich
alle zusammen auf den Weg nach dem Wald. Als sie ein Weilchen gegangen waren, stand Hänsel still und guckte nach dem Haus zurück
und das tat er wieder und immer wieder. Der Vater sprach: »Hänsel,
was guckst du da und bleibst zurück, hab acht und vergiss deine Beine
nicht.« »Ach, Vater«, sagte Hänsel, »ich sehe nach meinem weißen
Kätzchen, das sitzt oben auf dem Dach und will mir ade sagen.« Die
Frau sprach: »Narr, das ist dein Kätzchen nicht, das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein scheint.« Hänsel aber hatte nicht nach
dem Kätzchen gesehen, sondern immer einen von den blanken Kieselsteinen aus der Tasche auf den Weg geworfen.
Ohne Plan schlich Hänsel hinaus. Erst die im Mond glänzenden weißen Kieselsteine haben ihm den eingegeben, Quarzgestein, das von Flüssen rundgeschliffen war.
Als sie mitten in den Wald gekommen waren, sprach der Vater: »Nun
sammelt Holz, ihr Kinder, ich will ein Feuer anmachen, damit ihr
nicht friert.« Hänsel und Gretel trugen Reisig zusammen, einen kleinen Berg hoch. Das Reisig ward angezündet, und als die Flamme recht
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hoch brannte, sagte die Frau: »Nun legt euch ans Feuer, ihr Kinder,
und ruht euch aus, wir gehen in den Wald und hauen Holz. Wenn wir
fertig sind, kommen wir und holen euch ab.« – Hänsel und Gretel
saßen am Feuer, und als der Mittag kam, aß jedes sein Stücklein Brot.
Und weil sie die Schläge der Holzaxt hörten, so glaubten sie, ihr Vater
wäre in der Nähe. Es war aber nicht die Holzaxt, es war ein Ast, den
er an einen dürren Baum gebunden hatte und den der Wind hin und
her schlug. Und als sie so lange gesessen hatten, fielen ihnen die Augen zu, und sie schliefen fest ein. Als sie endlich erwachten, war es
schon finstere Nacht. Gretel fing an zu weinen und sprach: »Wie sollen wir nun aus dem Wald kommen!« Hänsel aber tröstete sie: »Wart
ein Weilchen, bis der Mond aufgegangen ist, dann wollen wir den Weg
schon finden.« Und als der volle Mond aufgestiegen war, so nahm
Hänsel sein Schwesterchen an der Hand und ging den Kieselsteinen
nach, die schimmerten wie neu geschlagene Batzen und zeigten ihnen
den Weg.
Die Morgensonne und der volle Mond haben die Kinder behütet, so
wurde an älteste Naturverehrung gedacht. Doch die wie Batzen, also
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Silbergeld, schimmernden Kieselsteine erinnern an die Armut der Familie. Im Wald sorgte der Vater mit einem Feuer für Wärme; und ein an
einen dürren Baum gebundener Ast erklang im Ton seiner Holzaxt. Diese
hörbare Täuschung ergänzte die Lügen der Frau.
Sie gingen die ganze Nacht hindurch und kamen bei anbrechendem
Tag wieder zu ihres Vaters Haus. Sie klopften an die Tür, und als die
Frau aufmachte und sah, dass es Hänsel und Gretel war, sprach sie:
»Ihr bösen Kinder, was habt ihr so lange im Wald geschlafen, wir
haben geglaubt, ihr wolltet gar nicht wiederkommen.« Der Vater aber
freute sich, denn es war ihm zu Herzen gegangen, dass er sie so allein
zurückgelassen hatte. – Nicht lange danach war wieder Not in allen
Ecken, und die Kinder hörten, wie die Mutter nachts im Bette zu dem
Vater sprach: »Alles ist wieder aufgezehrt, wir haben noch einen halben Laib Brot, hernach hat das Lied ein Ende. Die Kinder müssen
fort, wir wollen sie tiefer in den Wald hineinführen, damit sie den Weg
nicht wieder heraus finden; es ist sonst keine Rettung für uns.«
Sie benahm sich wieder als die Mutter, weil die Zeiten besser waren,
doch bald sagte sie: »Die Kinder müssen fort«. An Rettung dachte sie
immer nur »für uns«.
Dem Mann fiel’s schwer aufs Herz, und er dachte: »Es wäre besser,
dass du den letzten Bissen mit deinen Kindern teiltest.« Aber die Frau
hörte nicht, was er sagte, schalt ihn und machte ihm Vorwürfe. Wer A
sagt, muss auch B sagen, und weil er das erstemal nachgegeben hatte,
so musste er es auch zum zweitenmal. – Die Kinder waren aber noch
wach gewesen und hatten das Gespräch mit angehört. Als die Alten
schliefen, stand Hänsel wieder auf, wollte hinaus und Kieselsteine
auflesen wie das vorige Mal, aber die Frau hatte die Tür verschlossen, und Hänsel konnte nicht heraus. Aber er tröstete sein Schwesterchen und sprach: »Weine nicht, Gretel, und schlaf nur ruhig, der liebe
Gott wird uns schon helfen.« Am frühen Morgen kam die Frau und
holte die Kinder aus dem Bette. Sie erhielten ihr Stückchen Brot, das
war noch kleiner als das vorige Mal. Auf dem Wege nach dem Wald
bröckelte es Hänsel in der Tasche, stand oft still und warf ein Bröcklein
auf die Erde. »Hänsel, was stehst du und guckst dich um«, sagte der
Vater, »geh deiner Wege.« »Ich sehe nach meinem Täubchen, das sitzt
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auf dem Dache und will mir ade sagen«, antwortete Hänsel. »Narr«,
sagte die Frau, »das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein
oben scheint.« Hänsel aber warf nach und nach alle Bröcklein auf den
Weg. Die Frau führte die Kinder noch tiefer in den Wald, wo sie ihr
Lebtag noch nicht gewesen waren. Da ward wieder ein großes Feuer
gemacht, und die Mutter sagte: »Bleibt nur da sitzen, ihr Kinder, und
wenn ihr müde seid, könnt ihr ein wenig schlafen; wir gehen in den
Wald und hauen Holz, und abends, wenn wir fertig sind, kommen wir
und holen euch ab.« Als es Mittag war, teilte Gretel ihr Brot mit Hänsel, der sein Stück auf den Weg gestreut hatte. Dann schliefen sie ein,
und der Abend verging, aber niemand kam zu den armen Kindern. Sie
erwachten erst in der finstern Nacht, und Hänsel tröstete sein Schwesterchen und sagte: »Wart nur, Gretel, bis der Mond aufgeht, dann
werden wir die Brotbröcklein sehen, die ich ausgestreut habe, die zeigen uns den Weg nach Haus.« Als der Mond kam, machten sie sich
auf, aber sie fanden kein Bröcklein mehr, denn die viel tausend Vögel,
die im Walde und im Feld umherfliegen, die hatten sie weggepickt.
Hänsel sagte zu Gretel: »Wir werden den Weg schon finden«, aber sie
fanden ihn nicht.
Im ersten Märchen-Teil wird lange von der Lebenswirklichkeit der
Holzhauerfamilie erzählt, die so armselig war, dass die Mutter ihr Herz
ganz und gar verhärtete. Die Oper ›Hänsel und Gretel‹ von Engelbert
HUMPERDINCK wurde seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts beliebt und darin das Lied von den »Vierzehn Englein«, die »um mich
stehn«. Die Szene wird sogar von hübschen Chorkindern dargestellt.
Ähnliches hat Hänsel im Märchen gesagt: »Der liebe Gott wird uns
schon helfen«. Das klingt nach Gewissheit. Doch kein Bröcklein hat
ihnen beim zweiten Mal geholfen.
Sie gingen die ganze Nacht und noch einen Tag von Morgen bis Abend,
aber sie kamen aus dem Wald nicht heraus und waren hungrig, denn
sie hatten nichts als die paar Beeren, die auf der Erde standen. Und
weil sie so müde waren, dass die Beine sie nicht mehr tragen wollten,
so legten sie sich unter einen Baum und schliefen ein. – Nun war’s
schon der dritte Morgen, dass sie ihres Vaters Haus verlassen hatten.
Sie fingen wieder an zu gehen, aber sie gerieten immer tiefer in den
Wald, und wenn nicht bald Hilfe kam, so mussten sie verschmachten.
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Als es Mittag war, sahen sie ein schönes schneeweißes Vöglein auf
einem Ast sitzen, das sang so schön, dass sie stehenblieben und ihm
zuhörten. Und als es fertig war, schwang es seine Flügel und flog vor
ihnen her, und sie gingen ihm nach, bis sie zu einem Häuschen gelangten, auf dessen Dach es sich setzte und als sie ganz nahe herankamen, so sahen sie, dass das Häuslein aus Brot gebaut war und mit
Kuchen gedeckt; aber die Fenster waren von hellem Zucker.
Mit dem dritten Morgen beginnt der zweite Teil des Märchens. Hinausgedrängt aus ihres Vaters Haus, gab es für die armen Kinder kein Zurück. – Da kam ein schneeweißes Vöglein und führte sie immer tiefer
in den Wald. War das ein Traumbild? So weiße Vögel kommen im Wald
nicht vor. Nach germanischem Mythen-Verständnis konnte es ein Zeichen der Hoffnung sein; und im christlichen Volksglauben kam die symbolische Reinheit dazu. Die Heimat vom Vöglein ist das Reich der Phantasie, wo auch das essbare Häuslein stand, dem Regen und Schnee
nichts anhaben konnten. Für die Kinder aber gehörte beides durchaus
zum Leben.
»Da wollen wir uns dranmachen«, sprach Hänsel, »und eine gesegnete Mahlzeit halten. Ich will ein Stück vom Dach essen, Gretel, du kannst
vom Fenster essen, das schmeckt süß.« Hänsel reichte in die Höhe
und brach sich ein wenig vom Dach ab, um zu versuchen, wie es
schmeckte, und Gretel stellte sich an die Scheiben und knusperte daran.
Da rief eine feine Stimme aus der Stube heraus:
»Knuper, knuper, kneischen
wer knupert an mein Häuschen?«
Die Kinder antworteten:
»Der Wind, der Wind,
das himmlische Kind«,
und aßen weiter, ohne sich irremachen zu lassen. Hänsel, dem das
Dach sehr gut schmeckte, riss sich ein großes Stück davon herunter,
und Gretel stieß eine ganze runde Fensterscheibe heraus, setzte sich
nieder und tat sich wohl damit. Da ging auf einmal die Türe auf, und
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eine steinalte Frau, die sich auf eine Krücke stützte, kam herausgeschlichen. Hänsel und Gretel erschraken so gewaltig, dass sie fallen ließen, was sie in den Händen hielten. Die Alte aber wackelte mit
dem Kopfe und sprach: »Ei, ihr lieben Kinder, wer hat euch hierhergebracht? kommt nur herein und bleibt bei mir, es geschieht euch kein
Leid.« Sie fasste beide an der Hand und führte sie in ihr Häuschen.
Da ward gutes Essen aufgetragen, Milch und Pfannekuchen mit Zucker, Äpfel und Nüsse. Hernach wurden zwei schöne Bettlein weiß gedeckt, und Hänsel und Gretel legten sich hinein und meinten, sie wären im Himmel.
Draußen hatten die Kinder gefühlt, dass der Wind ihnen beistand, sie
besangen ihn als »das himmlische Kind«. Da wunderten sie sich auch
nicht über das, was es tief im Wald gab: runde Scheiben, Butzenscheiben als Fenster von einem Häuschen. Dort bezauberte sie eine steinalte Frau mit Wohltaten, die aussahen wie Wirklichkeit. Es gab Äpfel
und Milch und Zucker, und die Bettlein waren weiß gedeckt. So eine
dämonische Hexe ist ›Bild‹ für das überall lauernde, schwer erkennbare, aber wirklich Böse.
Die Alte hatte sich nur so freundlich angestellt, sie war aber eine böse
Hexe, die den Kindern auflauerte, und hatte das Brothäuslein bloß
gebaut, um sie herbeizulocken. Wenn eins in ihre Gewalt kam, so machte
sie es tot, kochte es und aß es, und das war ihr ein Festtag. Die Hexen
haben rote Augen und können nicht weit sehen, aber sie haben eine
feine Witterung, wie die Tiere, und merken’s, wenn Menschen herankommen. Als Hänsel und Gretel in ihre Nähe kamen, lachte sie boshaft und sprach höhnisch: »Die habe ich, die sollen mir nicht wieder
entwischen.« Frühmorgens, ehe die Kinder erwacht waren, stand sie
schon auf, und als sie beide so lieblich ruhen sah mit den vollen runden Backen, so murmelte sie vor sich hin: »Das wird ein guter Bissen
werden.« Da packte sie Hänsel mit ihrer dürren Hand und trug ihn in
einen kleinen Stall und sperrte ihn mit einer Gittertüre ein; er mochte
schreien, wie er wollte, es half ihm nichts. Dann ging sie zur Gretel,
rüttelte sie wach und rief: »Steh auf, Faulenzerin, trag Wasser und
koch deinem Bruder etwas Gutes, der sitzt draußen im Stall und soll
fett werden. Wenn er fett ist, so will ich ihn essen.« Gretel fing an
bitterlich zu weinen, aber es war alles vergeblich, sie musste tun, was
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die Hexe verlangte. – Nun ward dem armen Hänsel das beste Essen
gekocht, aber Gretel bekam nichts als Krebsschalen.
Schon die Frau des Vaters hatte die Kinder mit dem Satz »Steht auf,
ihr Faulenzer« geweckt. Sie und die Hexe verkörperten das Böse. Ob
die Krebsschalen die Nähe vom großen Wasser anzeigen oder daran
erinnern, dass Krebse sich seitwärts bewegen, beides lässt sich denken.
Möglich ist auch der Gedanke daran, dass die Kinder die alten Fesseln
ablegen mussten wie Krebsschalen.
Jeden Morgen schlich die Alte zu dem Ställchen und rief: »Hänsel,
streck deine Finger heraus, damit ich fühle, ob du bald fett bist.« Hänsel streckte ihr aber ein Knöchlein heraus, und die Alte, die trübe Augen hatte, konnte es nicht sehen und meinte, es wären Hänsels Finger,
und verwunderte sich, dass er gar nicht fett werden wollte. Als vier
Wochen herum waren und Hänsel immer mager bleib, da übernahm
sie die Ungeduld, und sie wollte nicht länger warten. »Heda, Gretel«,
rief sie dem Mädchen zu, »sei flink und trag Wasser: Hänsel mag fett
oder mager sein, morgen will ich ihn schlachten und kochen.« Ach,
wie jammerte das arme Schwesterchen, als es das Wasser tragen musste,
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und wie flossen ihm die Tränen über die Backen herunter! »Lieber
Gott, hilf uns doch«, rief sie aus, »hätten uns nur die wilden Tiere im
Wald gefressen, so wären wir doch zusammen gestorben.« »Spar dir
dein Geplärre«, sagte die Alte, »es hilft dir nichts.« – Frühmorgens
musste Gretel heraus, den Kessel mit Wasser aufhängen und Feuer
anzünden. »Erst müssen wir backen«, sagte die Alte, »ich habe den
Backofen schon eingeheizt und den Teig geknetet.«
Als Bild der Gier ist die Hexe dargestellt. Sie freute sich schon darauf,
dass sie die Kinder kochte und aß. Sie glaubte noch, das Verspeisen bedeute das Einverleiben der Kräfte vom Gegessenen. Aber ihr böses Auftrumpfen zeigt schon ihre Schwäche: Mit ihren trüben Augen verwechselte sie das Knöchlein mit Hänsels Finger. Sie hatte vier Wochen
gewartet. Als nun der Mond wechselte, heizte sie den Backofen ein mit
der großen runden Öffnung. Sich sicher fühlend, erzählte sie dem Mädchen, was sie vorhatte, und dass dazu noch Brot zu backen sei.
Sie stieß das arme Gretel hinaus zu dem Backofen, aus dem die Feuerflammen schon herausschlugen. »Kriech hinein«, sagte die Hexe, »und
sieh zu, ob recht eingeheizt ist, damit wir das Brot hineinschießen
können.« Und wenn Gretel darin war, wollte sie den Ofen zumachen,
und Gretel sollte darin braten, und dann wollte sie’s auch aufessen.
Aber Gretel merkte, was sie im Sinn hatte, und sprach: »Ich weiß nicht,
wie ich’s machen soll; wie komm ich da hinein?« »Dumme Gans«,
sagte die Alte, »die Öffnung ist groß genug, siehst du wohl, ich könnte
selbst hinein«, krabbelte heran und steckte den Kopf in den Backofen.
Da gab ihr Gretel einen Stoß, dass sie weit hineinfuhr, machte die
eiserne Tür zu und schob den Riegel vor. Hu! da fing sie an zu heulen,
ganz grauselich; aber Gretel lief fort, und die gottlose Hexe musste
elendiglich verbrennen. Gretel aber lief schnurstracks zu Hänsel, öffnete sein Ställchen und rief: »Hänsel, wir sind erlöst, die alte Hexe ist
tot.« Da sprang Hänsel heraus wie ein Vogel aus dem Käfig, wenn ihm
die Türe aufgemacht wird. Wie haben sie sich gefreut, sind sich um
den Hals gefallen, sind herumgesprungen und haben sich geküsst! Und
weil sie sich nicht mehr zu fürchten brauchten, so gingen sie in das
Haus der Hexe hinein, da standen in allen Ecken Kasten mit Perlen
und Edelsteinen. »Die sind noch besser als Kieselsteine«, sagte Hänsel und steckte in seine Taschen, was hinein wollte, und Gretel sagte:
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»Ich will auch etwas mit nach Haus bringen«, und füllte sein Schürzchen
voll. »Aber jetzt wollen wir fort«, sagte Hänsel, »damit wir aus dem
Hexenwald herauskommen.«
Zuerst hatte immer der Bruder den nächsten Schritt getan, während die
Schwester weinte und jammerte. Endlich am Backofen reichte ihre Kraft
sogar für einen Stoß ins Feuer aus: die gottlose Hexe musste verbrennen und zu Asche werden. Im Haus fanden sie haufenweise Perlen und
Edelsteine. – Die Hexe hat diese schönen, der Erde entwendeten Steine
nicht behalten dürfen. Im Märchen ›Schneeweißchen und Rosenrot‹
[KHM 161] hatte ein Zwerg mit roten feurigen Augen ebensolches Gut
angehäuft. Beiden Räubern sind von kindlichen Geschwistern die Schätze
abgenommen worden. (Freilich kann bei den Schätzen auch im übertragenen Sinn jeweils an den Gewinn von Erfahrungen gedacht werden.)
Als sie aber ein paar Stunden gegangen waren, gelangten sie an ein
großes Wasser. »Wir können nicht hinüber«, sprach Hänsel, »ich sehe
keinen Steg und keine Brücke.« »Hier fährt auch kein Schiffchen«,
antwortete Gretel, »aber da schwimmt eine weiße Ente, wenn ich die
bitte, so hilft sie uns hinüber.« Da rief sie:
»Entchen, Entchen
da steht Gretel und Hänsel.
Kein Steg und keine Brücke,
nimm uns auf deinen weißen Rücken.«
Das Entchen kam auch heran, und Hänsel setzte sich auf und bat sein
Schwesterchen, sich zu ihm zu setzen. »Nein«, antwortete Gretel, »es
wird dem Entchen zu schwer, es soll uns nacheinander hinüberbringen.« Das tat das gute Tierchen, und als sie glücklich drüben waren
und ein Weilchen fortgingen, da kam ihnen der Wald immer bekannter und immer bekannter vor …
Nun hatte Gretel den Überblick, in ihrem Sprüchlein nannte sie sogar
sich selbst zuerst: »Gretel und Hänsel«. Ein Entchen, das mit seinem
weißen Rücken dem Vöglein im Walde glich, sollte sie über ein großes
Wasser tragen. Beide Vögel waren die märchenhaften Helfer der Kinder, die sich nun weder vor dem Wald noch vor dem großen Wasser
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fürchteten. – Die Verse sind Zaubersprüche, die nur in den phantastischen Abschnitten des Märchens vorkommen.
… und endlich erblickten sie von weitem ihres Vaters Haus. Da fingen
sie an zu laufen, stürzten in die Stube hinein und fielen ihrem Vater um
den Hals. Der Mann hatte keine frohe Stunde gehabt, seitdem er die
Kinder im Walde gelassen hatte, die Frau aber war gestorben. Gretel
schüttete sein Schürzchen aus, dass die Perlen und Edelsteine in der
Stube herumsprangen, und Hänsel warf eine Handvoll nach der anderen
aus seiner Tasche dazu. Da hatten alle Sorgen ein Ende, und sie lebten
in lauter Freude zusammen. Mein Märchen ist aus, dort läuft eine Maus,
wer sie fängt, darf sich eine große, große Pelzkappe daraus machen.
Im ganzen Märchen sind Geldsorgen und drohender Tod die Grundgedanken , doch auch die Verbundenheit von Vater und Kindern. – Wie
soll dazu eine Maus passen für eine Pelzkappe? Mäuse finden überall
Wege. Oder ist sie nur Spaß?
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