Märchen für die Kleinsten Wehrfritz [Kompatibilitätsmodus]
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Märchen für die Kleinsten Wehrfritz [Kompatibilitätsmodus]
Märchen von Anfang anMärchen für die Kleinsten?! Gabi Koppehele 2010 Merkmale des Volksmärchens (nach Max Lüthi) und ihre pädagogische Bedeutung 1. Eindimensionalität: im Märchen lebt alles: Menschen, Tiere, Pflanzen Gegenstände, alle können reden, denken, fühlen treten miteinander in Aktion = EINWELTKARAKTER Päd. Wert: entspricht der Sicht des Kindes. Kinder unterscheiden nicht zwischen real und irreal Gabi Koppehele 2010 2. Flächenhaftigkeit: keine Körperlichkeiten keine Innenwelt, keine Umwelt. keine Krankheiten kein Blut kein Schmerz keine Heilungsprozesse Keine Städteangaben keine genauen Uhrzeiten Päd. Wert: dem Kind wird viel Raum für die eigene Phantasie geboten! Gabi Koppehele 2010 3. Formelhaftigkeit: „Es war einmal…“ „Einst lebte…..“ „Es hatte ein Mann….. Diverse Verse: „Knusper, knusper, kneischen…“ „Spieglein, Spieglein an der Wand…“ Päd. Wert: Wiederholungen und Rituale erzeugen Sicherheit Gabi Koppehele 2010 4. Polarisierung: das Märchen lebt von Gegensätzen: hässlich – schön arm - reich gut – böse fleißig - faul Durch die Polarisierung steht der Held am Ende noch besser da. Die Tat wird stärker hervorgehoben. Päd. Wert: das Kind lernt früh, gut und böse zu unterscheiden, Gerechtigkeit u. Unrecht. Gabi Koppehele 2010 5. Das gute Ende: das Märchen geht immer gut aus. Päd. Wert: Das sorgt für eine durchweg positive Grundstimmung und Zufriedenheit 6. Achterngewicht: (Seemannssprache: hinten) (nach Axel Olrik) Das Märchen sympathisiert mit den „Hinteren“: den Armen dem Dummling den Kleinsten den Jüngsten Päd. Wert: Kinder finden sich wieder und erkennen, dass auch die Schwächsten siegen können Gabi Koppehele 2010 Zitat von Bruno Bettelheim: „In jedem Lebensalter suchen und brauchen wir einen Sinn und sei es nur ein Teilsinn, der der Entwicklung unserer Seele und unseres Begriffsvermögens entspricht“ Gabi Koppehele 2010 Das Märchen erzählt in eindringlichen Bildern, sparsam und ohne zu psychologisieren, von den inneren Vorgängen der Menschen. Für Kinder erscheint das Leben oft verwirrend. Sie brauchen also Hilfe, um sich selbst im unserer schwierigen Welt zu verstehen und sich in ihrem eigenen Gefühlsdurcheinander zurechtzufinden. Märchen können das ermöglichen. Weil sie einfach sind und klar und, weil sich die ganze Welt darin widerspiegelt. Und, weil sie den Kindern helfen, mit großen und kleinen Problemen zurechtzukommen. Gabi Koppehele 2010 Schon die Allerkleinsten: … beobachten ihre Umwelt mit großer innerer Anteilnahme. … entdecken das Wesentliche sehr schnell. Von Nebensächlichkeiten lassen sie sich kaum aufhalten. … haben ein komplett anderes Welterleben als Erwachsene. (Polarisieren) … (je jünger, desto ausgeprägter) leben zeitlos, d.h., sie sind vollkommen in der Gegenwart verhaftet. (Schwarz-weiß Denken) … erleben alles mit allen Sinnen. (mit dem ganzen Körper) Gabi Koppehele 2010 … brauchen Sicherheit und Lebensvertrauen. (Ist in unserer „schnellen Zeit“ sehr schwierig, denn hier bleiben Gewohnheiten meist auf der Strecke.) … spüren beim Hören eines Märchens durchaus den Schmerz der Trennung, der Eifersucht, des Zurückgewiesenwerdens etc. … können mit der reifen Sicht der Erwachsenen nichts anfangen. Gabi Koppehele 2010 Kinder brauchen verlässliche Rituale!! Der Alltag in der Kinderkrippe ist geprägt von Ritualen: z.B. Begrüßung/Ankommen, gemeinsames Spielen, Singen, Erzählen, Essen, Schlafen, Aufräumen, Verabschieden… Märchen und Rituale können eng bei einander stehen. Denn beides hilft Orientierung in der Welt (Gesellschaft) zu finden und somit auch einen eigenen Platz . In Märchen finden Kinder klare Strukturen und Ordnung. Wir nehmen die Kinder an der Hand und führen sie ins Leben hinaus. Dabei helfen uns neben den Märchen die Rituale sehr, allerdings sollen sie nicht starr sein und zu wichtiger als alles andere werden. Gabi Koppehele 2010 Märchen in der Krippe erfordern eine besonders ruhige Erzählatmosphäre, denn die Kleinsten haben besonders empfindliche Sinnesorgane und ein sehr sensibles Nervensystem. (Ständig zu hoher Lärmpegel führt zu Zappeligkeit und Konzentrationsmangel) Gabi Koppehele 2010 Das RICHTIGE Märchenalter: Definition: die Zeit, in der der Mensch besonders empfänglich für Märchen ist. Expertenmeinungen: Charlotte Bühler (1958) und Bruno Bettelheim: 4 Jahre bis ca.10 Jahre Hans Diekmann(1968): zw. dem 2. und 10. Lbj. Hildegard Schaufelberger (1991): zw. dem 3. und 10. Lbj. Gabi Koppehele 2010 Unterteilung des Märchenalters in 3 Abschnitte: (Z.B. nach H. Schaufelberger, „Märchenkunde für Erzieher“) - Märchen mit geradliniger Handlung (für die direkte Affinität des Kindes, 2-4J.) - Zaubermärchen mit wundersamen Ereignissen (bis ca. 6J) - das Auftreten mehrerer Motive und Schauplätze (ab Schulalter) Gabi Koppehele 2010 Das sog. „Märchenalter“ (nach W. Psaar und M. Klein) hängt, allen Untersuchungen nach zu schließen, mit dem magischem Denken und Begreifen der Kinder zusammen. Die Phase des magischen Denkens beginnt etwa im 2. Lebensjahr und endet Mit ca. 10 Jahren. Erst dann beginnt allmählich das abstrakte Denken. Das „richtige Märchenalter“ ist also in der Zeit angesiedelt, in der das magische Denken eine große Rolle spielt. Kinder denken, dass ihr Handeln und ihre Gedanken Ereignisse hervorbringen können. Dies ist aber keinesfalls eine Art des primitiven Verstehens, sondern vielmehr ein anderes Denken, dass tief in die Persönlichkeitsschichten hineingeht. Bis heute weiß niemand genau, was ein jüngeres Kind von einem Märchen wirklich begreift und was ihm fremd bleibt. Sicher weiß man allerdings, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Umfeld des Kindes und seinen Erfahrungen. Gabi Koppehele 2010 Kinder, die ein ausgeprägtes „Wohlgefühl“ haben, lassen sich bereits sehr früh auf ein Märchen ein. Wohlgefühl äußert sich u. A. durch: - Mitsprechen von Reimen oder Mitzählen - Tiefe Entspannung und Ruhe Sicher können sie noch nicht viel zum Märchen sagen, außer: „schön“. Gabi Koppehele 2010 Übergangsphänomen und Übergangsobjekt (Übergangsgegenstand): Der englische Kinderarzt und Psychologe Dr. Donald Winnicott prägte diese Begriffe. In der Zeit des Übergangs vom „Verschmolzensein“ mit der Mutter hin zur Trennung von ihr, kann man bei Kindern das sog „Übergangsphänomen“ und „Übergangsobjekt“ erkennen. Mit dem Auftauchen des ÜO entsteht ein Raum der Illusion neben der Wirklichkeit = Anfänge von Spiel, Kreativität und Phantasie Übergangsphänomene: - Daumen in den Mund und gleichzeitiges Streicheln der Wange oder der Oberlippe mit einem anderen Finger Lallmonologe und Selbstgespräche (später: Lieder oder Einschlafrituale z.B. als Schutz vor Ängsten.) Gabi Koppehele 2010 Übergangsobjekt: (kurz ÜO) - ist ein realer, vom Kind gewählter Gegenstand, der als Ersatz dient, um die Abwesenheit der Mutter zu ertragen. - das ÜO Übernimmt die Rolle der mütterlichen Geborgenheit (die z.B. beim Stillen oder Füttern besonders gespürt wird) Die „Schmusewindel“ ist meist ein solches ÜO. Der Geruch der Mutter haftet an ihr, weil sie diese evt. beim Füttern auf der Schulter/unter dem Kinn hatte. = Verbindung zwischen Muttergeruch, Babygeruch und das wohlige Saugen am ÜO. Gabi Koppehele 2010 - das ÜO kann ein Stofftier, eine Puppe o. Ä. sein, Hauptsache weich und schmusig. - Bei der Trennung von der Mutter wird das ÜO besonders gebraucht. - Beim Einschlafen dient es als „Brücke“ vom Wachsein zum Schlaf. WICHTIG: Die Kinder sind fest auf das ÜO angewiesen! Spätestens VOR dem Schlafengehen muss es da sein! Säubern etc. wird nicht akzeptiert! (=anderer Geruch) - Das ÜO ist der erste Besitz des Kindes, darf nicht verändert werden = bedroht die Kontinuität der kindlichen Erfahrung Gabi Koppehele 2010 Die Mutter als ÜO: Für manche Kinder ist und bleibt die Mutter das ÜO (z.B. wegen langer Stillzeit) Das führt oft zu Problemen bei Trennungen und beim Einschlafen. = Schwere Ablösung Märchen werden zum Übergangsobjekt: wenn Kinder die „Märchenstunde“ als etwas ganz besonders Geborgenes erleben. So stehen Märchen später für ein wohlig-beruhigendes Gefühl. Kinder lieben Geschichten von früher = Märchen gehören dazu. Sie finden Dinge darin, die sie selbst erleben und entdecken so die Kontinuität des Lebens. Gabi Koppehele 2010 Geeignete Märchen: Viele Volksmärchen sind bereits für die Kleinsten geeignet. Es gibt nichts, was sie nicht hören dürfen. Man spricht von einem sog. „Filter“, der nur das hindurch lässt, was die kindliche Seele auch verträgt. Das Sich konfrontieren mit Ängsten macht die Kinder angstfrei (Impfung) und stark. Märchen sind Nahrung für die Seele, gerade in unserem hektischen, technischen Zeitalter. Am wichtigsten ist der verantwortungsvolle Umgang mit Märchen, das bedeutet, den richtigen Erzählzeitpunkt zu wählen, die richtige Atmosphäre zu schaffen, den „richtige Ton“ anzuschlagen und nicht zuletzt die Dauer eines Märchens. Geeignet sind grundsätzlich alle Volksmärchen, die kurz sind, mit einfacher Handlung (mit nur einem Handlungsstrang und wenigen Personen) Das können z.B. Tiermärchen oder Kettenmärchen sein. Hier ist die Botschaft oft eindeutig : Kleinsein heißt nicht schwach oder dumm sein. Gabi Koppehele 2010 Auch Märchen mit dem Thema „Trennung von der Mutter“ sind durchaus im letzten Drittel des Krippenalters (also zw. 2 und 3 Jahren) einsetzbar. Hierzu haben die Kinder ja bereits schon (genügend) eigene Erfahrungen gemacht. Beispiele: Läuschen und Flöhchen (Grimm) Das Rübenziehen (Grimm) Der dicke, fette Pfannkuchen (norw. Märchen) Die drei Schmetterlinge (dt. Volksmärchen) Die Sterntaler (Grimm) Der süße Brei (Grimm) Der goldene Schlüssel (Grimm) Der Wolf und die sieben jungen Geißlein (Grimm) Gabi Koppehele 2010 „Märchen machen Kinder stark“ – Warum? 1. Märchen sind Lebenshilfe: Kinder finden sich in ihren aktuellen Situationen im Märchen wieder und bekommen Antworten auf ihre Fragen. z.B.: Trennung der Eltern, Eifersucht auf Geschwister, Tod eines geliebten Menschen… 2. Märchen geben Hoffnung: der Schwache und Kleine siegtwenn ich mutig bin erscheint Hilfees gibt Helfer in der Not- Gabi Koppehele 2010 3. Märchen vermitteln ein kindgerechtes Weltbild: Gut und Böse - durch die Polarisierung trainieren Kinder die Unterscheidungsfähigkeit 4. Märchen haben Botschaften: es gibt Konflikte, Probleme die man überwinden kann, auch wenn man sich klein u. schwach fühlt. 5. Märchen leisten Hilfe bei der Ablösung von den Eltern: z.B. „Der Wolf u. die sieben Geißlein“ Trennung – Rückkehr z.B. „Hänsel u. Gretel“ Selbständigkeit, Selbsthilfe Gabi Koppehele 2010 6. Kinder identifizieren sich mit den Märchenfiguren: am liebsten mit den Helden: - stark – mutig – klug – großes Herz aber auch mit den Bösen: - Bestrafung ihrer Widersacher in ihrer Fantasie (Freunde, Geschwister, Eltern….) 7. Der durchweg positiver Verlauf und das gute Ende: weckt eine lebensbejahende Grundstimmung und begleitet die Kinder ein leben lang Gabi Koppehele 2010 Märchen wird es solange geben, solange es noch Erzähler und Zuhörer gibt… Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Gabi Koppehele 2010