Mucius Scaevola vor Porsenna. Frühneuzeitliche

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Mucius Scaevola vor Porsenna. Frühneuzeitliche
Andrea Garen
Mucius Scaevola vor Porsenna.
Frühneuzeitliche Auffassungen einer
römischen Bürgertugend in der europäischen
Malerei vom 15. - 18. Jahrhundert.
Band: I
Osnabrück: Universitätsbibliothek 2003
Vorwort
Im Januar 2001 lag diese ikonologische Untersuchung dem
Fachbereich Kultur- und Geowissenschaften der Universität
Osnabrück als kunsthistorische Dissertation vor. Die Anregung
zur Bearbeitung dieses Themas gab mir meine Professorin Jutta
Held, die auch meine Forschung kritisch begleitete. Von ihr habe
ich gelernt, die Motive in Ihrer sozialgeschichtlichen Bedeutung zu
sehen und immer wieder nach dem 'warum' zu fragen.
Jutta Held übernahm zu Beginn meiner Arbeit an der Dissertation
das indisziplinäre DFG-Graduiertenkolleg 'Bildung in der Frühen
Neuzeit', in dem ich vom Oktober 1996 bis September 1999 als
Koordinatorin mitgewirkt habe.
Dieser Arbeitskreis bot den grundlegenden Rahmen für meine
Forschungen. Der wissenschaftliche Austausch unter den
Stipendiaten, Lehrenden und Gastwissenschaftlern bot einen
breiten Blick auf das historische Umfeld der Frühen Neuzeit.
Dabei waren häufig gerade die Sichtweisen der anderen
Disziplinen aufschlußreich und ergaben neue Perspektiven für die
eigene Arbeit. Zu diesem Kreis gehörte als assoziiertes Mitglied
auch Martin Papenbrock, der dankenswerterweise das
Zweitgutachten erstellt hat.
Ohne die Fördermittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft
wären wichtige Reisen, die Beschaffung von Literatur und
Bildmaterial nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich gewesen.
Eine gute Ausgangslage für die Recherchen zu Literatur und
Bilddokumenten fand ich im Zentralinstitut für Kunstgeschichte
und in der Staatsbibliothek in München sowie im Rijksbureau voor
Kunsthistorische Documentatie in Den Haag. Bei Fragen zu
einzelnen Gemälden waren mehrere Museen sehr kooperativ und
verschafften mir Zugang zu den Bildakten und den Depots.
Besonders möchte ich Herrn István Németh aus dem Museum für
Bildende Künste in Budapest für seine Gastfreundschaft danken,
bei dem ich das Gemälde aus der Rubenswerkstatt und die
Kopien studieren durfte und der mir großzügig Reproduktionen
zur Verfügung stellte. Ebenso habe ich Herrn Dr. Tilman Kossatz
vom Martin von Wagner Museum in Würzburg zu danken sowie
dem Generaldirektor der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen
Museums in Wien, Dr. Karl Schütz. Für das Bereitstellen von
Bildmaterial danke ich ferner dem Städelschen Kunstinstitut in
Frankfurt am Main, dem Badischen Landesmuseum Schloß
Bruchsal und der Gemäldegalerie Alte Meister der Staatlichen
Kunstsammlungen in Dresden.
Nicht zuletzt will ich meiner Familie und allen Freunden danken,
die mich bei der Arbeit unterstützt haben. Als engste Vertraute
und kunsthistorische Weggefährtin hat mich in der ganzen Zeit
meine Freundin Anja Hartmann-Janssen begleitet. Ihr verdanke
ich die intensivste Zusammenarbeit, viele Diskussionen und
ständige Anteilnahme an dem Fortschreiten der Arbeit.
Meine Schwester Ina Garen hat mit mir über viele
Forschungsaufenthalte in München Ihre Wohnung geteilt und so
eine bestmögliche Arbeitsatmosphäre geschaffen.
Bei allen Fragen zur elektronischen Text- und Bildbearbeitung
standen mir über die Jahre Johannes Reentjes und Yvonne
Kasten von der Firma S & H in Oldenburg zur Seite. Trotz Ihres
Alltagsgeschäftes haben sie mir immer wieder freundschaftlich
und mit großer Geduld bei der Bearbeitung der Dissertation
geholfen. Auch mein Kollege Uwe-Jens Langer war in dieser
Hinsicht gerade in den letzten Monaten ein wichtiger
Ansprechpartner.
Für das kritische Gegenlesen und Korrekturen in der
Endredaktion danke ich Anja Hartmann-Janssen, Thomas H.
Schulze-Helmholz und meiner Freundin Bianca Börtz.
Leider ließ mein berufliches Eingebundensein einerseits und die
beschränkten Fördermöglichkeiten für Drucklegungen
andererseits kein Einwerben von finanziellen Zuschüssen und
damit die Veröffentlichung in einem klassischen Verlag zu. Umso
mehr danke ich Herrn Stefan Fangmeier von der
Universitätsbibliothek Osnabrück für die freundliche und
unbürokratische Hilfe bei der elektronischen Veröffentlichung.
Die wichtigste Unterstützung gab mir mein lieber Lebensgefährte
Thomas H. Schulze-Helmholz über alle Phasen der Bearbeitung.
Ohne ihn wäre diese Arbeit nicht entstanden und ihm gilt mein
größter Dank. Ihm sei diese Arbeit in Liebe gewidmet.
Andrea Garen
Dresden im Dezember 2003
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
Frühneuzeitliche Auffassungen einer
römischen Bürgertugend in der Malerei vom
15. bis zum 18. Jahrhundert.
Dissertation zur Erlangung des Grades Doktor der Philosophie am
Fachbereich Kultur- und Geowissenschaften der Universität
Osnabrück
vorgelegt von
Andrea Garen
Emden, Januar 2002
INHALT
EINLEITUNG
1
Untersuchungsgegenstand
3
Zur Forschung
5
Methode und Ziel
7
IKONOGRAPHISCHE VORGESCHICHTE
11
Mucius Scaevola in der Malerei
11
Die Heldengalerien der uomini famosi
12
Anticappella im Palazzo Pubblico, Siena
14
Sala dei Gigli im Palazzo Vecchio, Florenz
18
Mucius Scaevola als kommunaler Tugendheld
20
ENTWICKLUNG ZUM HISTORIENBILD
24
Die ersten szenischen Darstellungen
24
Filaretes Relief an der Bronzetür zu St. Peter
Historiengemälde in frühen Kontexten
25
27
Cassonemalerei in Florenz
27
Die Kassettendecke von Girolamo Mocetto
33
Die frühen Historien
36
Weitere Entwicklung im Cinquecento
38
Römische Fassadenmalerei
38
Venezianische Fassaden
42
Tintorettos Interpretation des Motivs
45
Überblick zur Motiventwicklung im Cinquecento
48
DAS MOTIV IN FRESKENZYKLEN RÖMISCHER
REPRÄSENTATIONSRÄUME
51
Palazzi der Curia romana
55
Mucius Scaevola vor Porsenna in den Palästen der Kurie
Repräsentationsräume der Päpste
65
67
Gewölbe der Stanza della Segnatura im Appartamento Della Rovere
68
Das Gewölbe in der Sala della Biblioteca in der Engelsburg
74
Zu den Freskenzyklen in päpstlichen Räumen
78
Mucius Scaevola im kommunalen Raum
Die Sala dei Capitani im Konservatorenpalast
80
80
Funktionen des Motivs in Freskenzyklen römischer
Repräsentationsräume
89
ERSTE DARSTELLUNGEN IM NORDEN
93
Motivauffassungen in den deutschen und schweizer Städten
93
Buchillustrationen als Vorlagen für kommunale Wandbilder
96
Die Fassade des Hertensteinhauses von Hans Holbein d. J.
101
Zwei Szenen in der Lüneburger Gerichtslaube
108
Die Darstellung dieses Themas im Nürnberger Rathaus unterscheidet sich
in wesentlichen Motivelementen und spiegelt eine andere Haltung.Ein
Medaillon nach Albrecht Dürer im Nürnberger Rathaus
114
Ein Tafelbild von Hans Baldung Grien
121
Ursachen einer "deutschen" Ikonographie
Die weitere Entwicklung deutscher Darstellungen im 16. Jahrhundert
125
128
BILDER IN DEN NIEDERLANDEN
130
Antike Themen im 16. Jahrhundert vor dem Freiheitskampf
130
Mucius Scaevola als Tugendheld
132
Niederländische Darstellungen als Historie
135
Darstellungen vor dem Freiheitskampf
138
Darstellungen in der Republik der vereinigten Niederlande
142
Holländische Historienbilder zu Themen aus der römischen Geschichte 146
Gemälde von Utrechter Caravaggisten
147
Die Gemälde des Bürgermeisters Louis Trip
149
Darstellungen in Flandern
154
RUBENS' GEMÄLDE FÜR PHILIP IV.
156
Biographische Hintergründe
156
Römische Heldenlegenden im Werk von Rubens
159
Der Auftrag für den spanischen Hof
161
Bildanalyse des Rubensgemäldes
164
Zum Stand der Forschung
168
Imitation und Invention
171
Die Affektdarstellung im Gemälde von Rubens
172
MUCIUS S CAEVOLA VOR PORSENNA als Spiegel neostoischer Werte
175
Das Ideal des spanischen Soldaten
177
Funktion des Motivs am spanischen Hof
181
Rezeption des Gemäldes
183
DAS MOTIV IN VENEZIANISCHEN PALÄSTEN 1680-1740 187
Darstellungen seit dem Cinquecento
Vorgeschichte: Antike Historien in den Villen der Terraferma
187
188
Römische Historie in venezianischen Freskenzyklen des 17. Jahrhunderts
191
Venezianische Adelspaläste im 18. Jahrhundert
195
MUCIUS S CAEVOLA VOR PORSENNA in Monumentalgemälden für den
venezianischen Adel
204
Änderung der ikonographischen Programme
206
Auftragsrückgang von antiken Historien
208
RESÜMEE
211
Perspektiven für weiterführende Arbeiten
218
ANHANG
220
Literarische Quellen
220
BIBLIOGRAPHIE
231
Nachschlagewerke
231
Bücher und Aufsätze
234
Kataloge
279
Datenbanken/Internet
289
EINLEITUNG
Das geflügelte Wort 'Seine Hand für etwas ins Feuer halten'
bedeutet voll und ganz hinter einer Person oder Sache zu stehen
und bekundet die Bereitschaft zum persönlichen Einsatz . Die
sprichwörtlich gewordene Tat geht auf einen römischen Helden,
mit lateinischem Namen Gaius Mucius Cordus Scaevola 1, zurück.
Die Geschichte stammt aus einer ursprünglich sagenhaften
Erzählung, die zu einer Reihe von Episoden gehört, die von der
Tugend und den heldenhaften Taten der römischen Bürger
berichten.
Im Jahr 507. v. Chr. soll Mucius seine Hand für Rom in das Feuer
gehalten haben. Das Ereignis ist historisch nicht belegt, sondern
nur durch literarische Quellen überliefert. Für die Frühzeit Roms
gibt es nur wenige historisch gesicherte Fakten. Um 510 v. Chr.
wurde der siebte König, Tarquinius Superbus, aus Rom vertrieben
und damit die Herrschaft der Könige beendet. In den darauf
folgenden drei Jahrhunderten der römischen Republik wuchs der
kleine Stadtstaat bis über die ganze italienische Halbinsel und
wurde schließlich die beherrschende Macht im westlichen
Mittelmeerraum. In der Literatur wird diese republikanische Zeit
Roms mit vielen Geschichten ausgeschmückt. Sie berichten von
heldenhaften Römern, durch deren Tugenden und Taten der
Aufstieg Roms möglich wurde. Eine davon ist die Heldentat des
Mucius Scaevola vor dem etruskischen König Porsenna.
Die Sage erzählt von dem jungen Römer Gaius Mucius zur Zeit
der Belagerung Roms durch die feindlichen Etrusker. Die Lage
der Stadt war nicht zuletzt deshalb bedrohlich, da die Versorgung
mit Lebensmitteln, vor allem Getreide, nicht gewährleistet war. In
1
Ital.: Muzio Scevola.
1
dieser Situation trifft Mucius die Entscheidung, etwas gegen den
Belagerungszustand zu tun. Der Sage nach hatte er sich heimlich
in das Lager der Etrusker vor den Toren Roms geschlichen mit
der Absicht, König Porsenna zu töten und die Belagerung so zu
beenden. Es gelang ihm tatsächlich, bis zum Thron vorzudringen,
wo er jedoch, durch die kostbare Kleidung irregeführt, den
Sekretär niederstach. Daraufhin wurde er ergriffen und vor den
König geführt. An Porsenna gerichtet, gab sich Mucius als
römischer Bürger zu erkennen. Zugleich beschwor er, zahlreiche
Römer würden ebensoviel Mut für ihr Vaterland beweisen. Zum
Beweis seiner Furchtlosigkeit oder um sich selbst für seinen
Irrtum zu bestrafen, hier gibt es unterschiedliche Versionen, hielt
er seine rechte Hand ins Feuer und ließ sie verbrennen. Von
dieser Tat beeindruckt, gab ihm der König die Freiheit und
verhandelte den Frieden mit den Römern. 2
Mit Beginn der Renaissance erlangte die Figur des Mucius
Scaevola und seine bürgerliche Heldentat zunehmende
Popularität. Das Interesse der humanistischen Gelehrten an der
römischen Geschichte und den Schriften der antiken Autoren,
deren Verarbeitung durch Literaten und Künstler und nicht zuletzt
die Verbreitung durch den Buchdruck, machten die Geschichte
auch weiteren Rezipientenschichten geläufig.
Ausgehend von der literarischen Vorlage wurde das Thema vor
allem in der Malerei immer wieder aufgegriffen. Von Autoren und
Musikern wurde das Sujet hingegen weniger verarbeitet. In der
Literatur finden sich im 17. und 18. Jahrhundert vereinzelte
Bearbeitungen und in der Musik gibt es seit Mitte des 17.
Jahrhunderts einige Libretti zu Muzio Scevola, die von
verschiedenen Komponisten vertont wurden.3
2
3
Die Versionen verschiedener Autoren im Anhang, S. 220-230.
Beispielsweise von Paolo Antonio Rolli, vertont von F. Amadei, G.B.
Bonincini und G. F. Händel, weitere Hinweise in
Moormann/Uitterhoeve 1989, S. 460. Zu Heldendarstellungen in
2
Untersuchungsgegenstand
In dieser Arbeit untersuche ich die Geschichte des Motivs Mucius
Scaevola vor Porsenna in der europäischen Malerei.
Der Untersuchungsrahmen erstreckt sich über die Zeiten, in
denen das Motiv nachgefragt wurde mit Blick auf die
Kunstzentren der Frühen Neuzeit, in denen die Bilder vornehmlich
entstanden. In der europäischen Malerei wurde die Sage aus der
römischen Antike seit der Renaissance bis in das 18. Jahrhundert
thematisiert. Das Thema wurde vor allem in Italien zu einem
beliebten Bildmotiv. Aber auch in den nördlichen Ländern wird
das Thema immer wieder aufgegriffen, insbesondere in
Süddeutschland und der schweizerischen Eidgenossenschaft.
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die Historienbilder zu
diesem Ereignis. Der römische Held wird in der Situation
dargestellt, als er nach dem verfehlten Attentat auf den
feindlichen König Porsenna seine Hand in ein Feuer hält.
Die ikonographische Forschung ordnet das Thema MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA den profanen Geschichtsdarstellungen
zu, die von den großen Gruppen römischer und griechischer
Geschichten bestimmt werden. Sie umfassen sowohl Bilder von
historisch verbürgten Ereignissen als auch literarische
Erzählungen sowie Sagen und Mythen. Das Sujet gehört zu der
Gattung profaner Historien, die denkwürdige Ereignisse aus der
frühen Geschichte Roms darstellen.
Das Bildthema, um das es hier geht, wird in wenigen Fällen auch
FEUERPROBE DES MUCIUS SCAEVOLA oder MUCIUS SCAEVOLA AM
Malerei und Musik sind in den letzten Jahren einige interdisziplinäre
Untersuchungen entstanden, besonders zu Venedig im 18.
Jahrhundert, vgl. Gottdang 1999, Galle 1991 und Meyer zur Capellen
1991.
3
ALTAR genannt. In der Regel wird das Sujet als MUCIUS SCAEVOLA
VOR PORSENNA bezeichnet.
Unter diesem Titel wird die gerühmte Tat des Helden dargestellt,
das Verbrennen der Hand in Anwesenheit von Porsenna.
Seltener sind Darstellungen, die den Mord an dem Schreiber des
Königs zeigen oder die Gefangennahme von Mucius Scaevola.
Diese Untersuchung bezieht sich auf die Darstellungen des
Helden in der Situation vor Porsenna. In erster Linie zeigen sie
Mucius Scaevola, als er seine Hand in die Flammen eines Feuers
hält.
Von diesem ikonographischen Grundmuster von M UCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA müssen ähnliche Ikonographien
unterschieden werden, in denen die über ein Feuer gehaltene
Hand ebenfalls ein zentrales Thema ist oder als solches
interpretiert wird. So wurden in der Vergangenheit Opferszenen
fälschlicherweise als MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA gedeutet.
Ein anwesender Priester, eine Opferschale in der Hand des
Opfernden oder ein Tier, das an den Brandaltar geführt wird, sind
Hinweise auf die Darstellung einer Feueropferung.4 Allerdings
werden einige dieser Motivelemente aus den Opferszenen im
Laufe der Zeit auch in die Ikonographie von MUCIUS SCAEVOLA
VOR PORSENNA übernommen. Motivisch verwandt ist auch das
Thema der Feuerprobe, bei der das Verbrennen der Hand von
außen veranlaßt wird.5 Auch bei Bildern die Hadrian zeigen, als er
die Wechsel der Römer verbrennt, kann es zu dem Eindruck
kommen, daß eine Hand in die Flammen gehalten wird.6
4
Vgl. hierzu Saxl 1938/39
Beispielsweise die Feuerprobe des kleinen Moses, vgl. Pigler S. 9495. Oder der Märtyrer Barlaam von Antiochien, der zum heidnischen
Opfer gezwungen werden sollte, vgl. LCI, Artikel 'Barlaam von
Antiochien'. Beides sind jedoch selten dargestellte Sujets.
6
Gaspare Diziani setzte das Sujet im Palazzo Spineda in Treviso in
ganz ähnlicher Weise wie seine Gemälde zu MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA um, vgl. Coletti 1934-35, Fig. 19.
5
4
Das Motiv wurde in unterschiedlichen Techniken und Formen
umgesetzt. In der Malerei wurde es als Fresko in der Wand- und
Deckenmalerei eingesetzt, als quadro riportati in Möbel oder
Wände eingelassen oder als Tafelbild realisiert. Die Untersuchung
konzentriert sich auf Gemälde, es werden aber auch
Ausführungen in anderen bildkünstlerischen Medien wie der
Graphik oder der Plastik herangezogen. Diese Werke können
aufschlußreiche Dokumente der Motivtradierung sein. So geben
Zeichnungen als Vorarbeiten Einblick in die Planung und
Konzeption der späteren Gemäldekomposition. Als
Reproduktionsgraphiken enthalten sie zum Teil auch wertvolle
Hinweise auf verschollene Originale. Nicht zuletzt lohnt sich ein
Blick auf die druckgraphischen Illustrationen, die sich an eine
breitere Öffentlichkeit wandten.
Zur Forschung
Zu MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA liegt bislang keine
ikonographische Monographie vor. Überhaupt ist der Motivkreis
der Historien aus der klassischen Geschichte Roms wenig
untersucht, obwohl dieses Desiderat wiederholt beklagt wird.
Die erste Arbeit, die sich ganz allgemein der Ikonographie der
römischen Heldengeschichten annahm, stammt von Gerhard
Zinserling. Er veröffentlichte 1959 den Aufsatz Studien zu den
Historiendarstellungen der römischen Republik. Er vermutet darin,
daß die Gemälde dazu dienten, didaktische und politische
Botschaften zu transportieren.
Viele der bisherigen Erkenntnisse stammen aus Forschungen, die
das Bildthema unter anderen Fragestellungen am Rande
aufgreifen.
So wurde dieser Stoffkreis bereits in Arbeiten zur Historienmalerei
in Venedig gewürdigt. George Knox erwähnte 1955 in seinem
5
Aufsatz Venetian History Painters of the Settecento die römische
Geschichte als einen wichtigen Themenkomplex innerhalb der
venezianischen Malerei. Seitdem hat er zahlreiche weitere
Untersuchungen dazu publiziert. Klára Garas hat 1965 in ihrem
Aufsatz Allegorie und Geschichte der venezianischen Malerei des
18. Jahrhunderts auf dieses von der Forschung weitgehend
unberücksichtigte ikonographische Themenfeld hingewiesen. Ihr
Beitrag zielt jedoch auf den Zusammenhang zwischen Allegorie
und Geschichte.
Nicht ganz zufällig wurden diese Ikonographien relativ früh und
vergleichsweise ausführlich im Zusammenhang mit der
venezianischen Historienmalerei untersucht, da die römischen
Heldentaten hier besonders häufig und zudem in monumentalen
Gemälden dargestellt wurden.
Neben diesen auf die Gattung der Historienmalerei bezogenen
Untersuchungen wurde das Motiv zum Gegenstand von
monographischen Analysen zu Gemäldezyklen. Diese
Untersuchungen geben aufschlussreiche Hinweise auf die
Themen, Inhalte und Kontexte, mit denen Mucius Scaevola
zusammengedacht wurde.
Schließlich wurde das Motiv auch im Rahmen von Oeuvre- oder
Museumskatalogen untersucht. Bei Besprechungen der
bekannten Gemälde wurde so ansatzsweise auf die Ikonographie
von MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA eingegangen. Die
Forschungen zu den prominenteren Werken von Rubens oder
Tiepolo sind entsprechend umfangreicher und liefern auch
dezidiertere Erkenntnisse zu den Diskursen, in denen das Motiv
aufgegriffen wird.
In jüngster Zeit hat sich die Forschung zunehmend mit dem
Themenfeld der Historien der römischen Helden aus der Antike
und den ikonologischen Bedeutungen vor dem Hintergrund
sozialer und politischer Verhältnisse befasst.
6
Das geschah beispielsweise im Rahmen der Kölner Ausstellung
Triumpf und Tod des Helden, 1987 oder in der Dissertation von
Andrea Gottdang über Venedigs antike Helden, 1999.
Methode und Ziel
Methodischer Ausgangspunkt für diese Arbeit ist die
Grundannahme, daß Bilder von historischen Verhältnissen, in
denen sie entstanden, geprägt sind. Themenwahl und
Interpretation sind nicht zufällig, sondern kommentieren den
Kontext, in dem sie entstehen oder für den sie bestimmt sind. Die
Bilder reflektieren gegenwärtige Einstellungen und Ansprüche der
Auftraggeber. Dabei kann das augenscheinlich gleiche Motiv mit
unterschiedlichen Inhalten und sozialhistorischen Funktionen
verbunden sein, die es zu differenzieren gilt. Sie offenbaren sich
beispielsweise in Motivelementen, die der Ikonographie
hinzugefügt oder gezielt ausgeblendet wurden.
Ziel der Arbeit soll sein, zum einen breiten, zugleich aber auch
differenzierten Überblick über die verschiedenen Entwicklungen
der Ikonographie zu geben. Zur Untersuchung wurde daher der
gesamte Entstehungszeitraum und das gesamte
Verbreitungsgebiet des Sujets herangezogen.
Es galt daher zunächst, einen Überblick über möglichst viele
Werke zu erhalten. Zu Beginn der Arbeit stand somit eine breit
angelegte Recherche, ohne Einschränkungen hinsichtlich der
bildkünstlerischen Medien. Dazu wurde das Motiv in seinen
verschiedenen Erscheinungsformen erfasst und analysiert. Die
Ergebnisse flossen in ein Bildarchiv und eine Datenbank ein, die
ein systhematisierbares Korpus ergaben, das den
Forschungsgegenstand und die Grundlage für den Katalog
bildete.
7
Die komparatistische Analyse zeigte Phasen und Zentren
intensiverer Bildproduktion gegenüber Zeiten und Orten, in denen
kaum oder keine Darstellungen entstanden. Ebenso ließen sich
gängige, typische Darstellungsweisen gegenüber individuell
abweichenden Motiven definieren.
Die weitergehenden Analysen wurden von der Fragestellung
geleitet, welche ikonographischen Muster das Sujet entwickelte
und welche Diskurse damit angesprochen wurden.
Dazu gilt es zunächst festzustellen, wie der Held und seine Tat
dargestellt wurden und für welche Umgebungen die Bilder
ursprünglich nachgefragt wurden. Durch den Vergleich werden
Gruppen von Werken gleicher Phänomene fassbar sowie die
Ausnahmen dazu. Mein Interesse gilt sowohl jenen Bildern, die
typisch für eine Zeit, einen Ort oder eine soziale Gruppe sind als
auch den davon abweichenden Darstellungen. Letztere sind
wichtige Untersuchungsgegenstände, da sie häufig besondere
Sinnpotentiale bergen. Durch die Analyse der Differenzen
gegenüber tradierten Motivauffassungen sind aufschlußreiche
Erkenntnisse zu erwarten, da die Inhalte in diesen Fällen bewußt
verändert werden. Solche Motivverschiebungen weisen nicht
selten auf neue soziale Ansprüche und Forderungen oder auch
bereits erzielte Errungenschaften hin. Deshalb kommt diesen
Bildern in der vorliegenden Arbeit eine besondere
Aufmerksamkeit zu, da mit ihnen gesellschaftlich virulente
Diskurse konturiert werden.
Schließlich geht es darum, die Bedeutungen der typischen
ikonographischen Grundmuster und
die Gründe für die Ausbildung der Varianten in Zusammenhang
mit den historischen Diskursen zu formulieren.
Tiefer gehende Erkenntnisse waren durch ikonologische Analysen
von einzelnen Werken und der Kontexte, in denen sie entstanden,
8
zu erzielen. Die Bildanalysen vor dem Hintergrund der
historischen und sozialen Räume, offenbaren die verschiedenen
Codes, die mit dem Sujet kommuniziert wurden.
Die Arbeit folgt dabei im wesentlichen einer chronologischen
Struktur. Die Chronologie geht jedoch nicht immer mit
topologischen und kontextuellen Phänomenen der
Motiventwicklung einher. So sind zum Teil Vor- bzw. Rückgriffe
nötig.
Die Arbeit beansprucht nicht, einen erschöpfenden Überblick zur
Motiventwicklung zu bieten, der alle Werke gleichermaßen
einbezieht. Vielmehr habe ich schwerpunktmäßig jene Werke und
ihre sozialen Räume untersucht, die eine eigene Facette des
Themas formulieren. Es wurden einerseits aus Kontexten, in
denen das Thema häufig dargestellt wurde, einzelne, sozusagen
typische Werke analysiert. Andererseits wurden die Werke
untersucht, die das Motiv vor dem Hintergrund der vorhandenen
Bildtradition individuell interpretieren und damit auch neue
inhaltliche Aspekte mit dem Thema verbinden.
Die Kapitel sind daher zum Teil als Motivvergleich mehrerer
Werke angelegt, zum Teil konzentrieren sie sich auf wenige oder
auch nur ein Gemälde.
Durch diese Auswahl bleiben viele Gemälde unbesprochen, auch
wenn einige von ihnen zu den bekannteren Werken dieses Sujets
gehören, wie die Grisaille von Mantegna oder das Gemälde von
Tiepolo für Balthasar Neumann.
Auf diese Weise werden verschiedene ikonographischen Modelle
des Motivs vom 15. bis zum 18. Jahrhundert identifiziert. Es wird
aufgezeigt werden, wer das Motiv nachfragt und für sich in
Anspruch nimmt und welche Gruppen es übernehmen. Die
ikonologischen Bildanalysen ergeben, welche semantischen
Positionen an das Sujet geknüpft waren. Die Heldentat des
Mucius Scaevola wurde in den meisten Fällen als ein bürgerliches
Vorbild konstruiert. Die Bilder geben damit Auskunft über die
9
Wertvorstellungen und die politischen Konstellationen ihrer
Entstehungszeit.
Der Katalog ergänzt den analytischen Teil durch
Bildreproduktionen und den wichtigsten Daten dazu. Er gliedert
sich in zwei Teile. Der erste Teil enthält die in den Kapiteln
eingehender behandelten Darstellungen. Der daran
anschließende Werkindex listet weitere Werke zum Thema
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA auf.
Diese Arbeit ist als chronologischer und topographischer
Überblick zur Motivgeschichte angelegt. Sie versteht sich als
ikonographische Forschungsarbeit ebenso, wie als Beitrag zur
Sozialgeschichte der Historienmalerei in der Frühen Neuzeit.
10
IKONOGRAPHISCHE VORGESCHICHTE
Mucius Scaevola in der Malerei
Die ersten nachweisbaren Darstellungen, die Mucius Scaevola
zeigten, waren Porträts. Sie waren Teil von Freskenzyklen, die
aus einer Reihe von Helden oder berühmten Männern bestanden,
den sogenannten uomini famosi.
In diesen Zyklen wird die Figur an Inhalte und Kontexte
gebunden, die auch in den späteren Historien relevant bleiben.
Sehr wahrscheinlich sind die ersten Gemälde, die MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA zeigen, in Zusammenhang mit uomini
famosi -Zyklen entstanden. Diese Porträts römischer Helden
wurden bereits durch kleinere Szenen ergänzt, die die Ereignisse
der Heldentaten schilderten. 7 Die Zyklen der uomini famosi bilden
damit nachweislich einen, vielleicht den wesentlichen,
Ausgangspunkt für die Motiventwicklung der römischen
Heldenhistorien, zu denen auch das Sujet MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA zählt.
7
Zum Beispiel im Palazzo Carrara 1367-69 in Padua, vgl. Mommsen
1952, Abb. 2.
11
Die Heldengalerien der uomini famosi
Die ersten Zyklen der uomini famosi entstanden in Italien zu
Beginn des Trecento.8
Die meisten uomini famosi-Zyklen wurden in Form
großdimensionierter, wanddeckender Fresken verwirklicht. Zum
Teil wurden auch Vertäfelungen, die sogenannten spalliere, mit
Bildern von berühmten Männern verziert. 9 Die Zyklen bestanden
aus einer Reihe ganzfiguriger Heldenporträts, die allein oder zu
dritt vor neutralem Hintergrund innerhalb scheinarchitektonischer
Rahmen stehen. Sie waren zum Teil mit Attributen augestattet,
jedoch ohne Einbindung in eine narrative Szenerie. Die
Identifizierung der Dargestellten geschieht in der Regel durch
begleitende tituli, oder eindeutige Attribute.
Zur gleichen Zeit waren auch verwandte Gattungen in der
Literatur wiederbelebt worden. Sammelbiographiken waren
bereits seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. von Autoren wie Varro,
Plutarch oder Plinius d. J. verfasst worden. Dieser Literaturtyp
wurde im Trecento mit den Viten von Boccaccio und Petrarca
wieder aufgegriffen.10 Sowohl die antiken als auch die
humanistischen Schriften enthielten zum Teil Porträts von
Schriftstellern, Feldherren und Staatsmännern.11
8
Zu den Zyklen der uomini famosi vgl. Böcker-Dursch 1973, Donato
1985, Hansmann 1993, Neumüller 1996.
9
Vgl. Ellen Callmann in: Dictionary of Art 1996, Artikel 'Spalliera', S.
359-363, besonders S. 362.
10
Boccaccio verfasste zwischen 1356-58 De casibus illustrium virorum
in neun Büchern. Petrarca hatte seine römischen Sammelviten De
viris illustribus bereits um 1337 begonnen, sie wurden nach seinem
Tode 1374 von seinem Schüler Lombardo della Seta vollendet.
11
Vgl. Rave 1959, S. 121-122.
12
Die frühesten Beispiele in der bildenden Kunst werden Giotto
nachgesagt. So soll er um 1330 in Neapel für König Robert d'
Anjou, genannt der Weise, die Sala dei Giganti des Castel Nuovo
mit berühmten Männern ausgemalt haben. Etwas später, in den
30er Jahren soll Giotto den uomini famosi-Zyklus für den Palazzo
von Azzo Visconti in Mailand geschaffen haben.12
Über die Zusammensetzung der frühen Porträtgalerien gibt es nur
begrenzte Informationen. Es waren indivduell zusammengestellte
Gruppen, die Personen aus der klassischen Geschichte, der
Mythologie und der Bibel mit Zeitgenossen vereinten.
Darin unterschieden sie sich von verwandten Bildtypen. So war
der mittelalterliche Topos der Neun guten Helden sowohl in der
Anzahl als auch in der Besetzung festgelegt.13 Ahnengalerien,
Herrscher- oder Papstreihen bildeten zwar individuellere
Porträtzyklen, aber auch deren Sequenz war durch die
Zusammengehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und
die Generationenfolge vorgegeben.
Die Zyklen berühmter Männer hingegen bestanden aus einer
freien Auswahl von Figuren aus unterschiedlichen Zeit- und
Kulturräumen. Das konnten historische oder legendäre Personen
aus der Bibel, der antiken Geschichte oder der Mythologie sein.
Ebenso wurden aber auch berühmte Persönlichkeiten aus der
Gegenwart in diese Zyklen integriert.14 Entsprechend flexibel und
12
Nach Neumüller entstand dieser Zyklus um 1335, sicher vor 1339.
Giotto starb 1337.
13
Die Neun guten Helden oder auch neuf preux setzten sich aus den
drei weltlichen Herrschen der heidnischen Antike, drei jüdischen
Oberhäuptern und drei Führern aus der christlichen Welt zusammen,
die einen Kanon ritterlicher Idealgestalten bildeten: Julius Caesar,
Hektor von Troja, Alexander der Große daneben Josua, König David,
Judas Makkabäus und Gottfried von Boullion, Karl der Große und
König Artus.Vgl. LCI, Artikel 'Helden, neun'; Böcker-Dursch 1973.
14
Beispielsweise waren in dem Zyklus der aula minor im Palazzo
Vecchio in Florenz die fünf florentinischen Dichter Claudian, Zanobi
da Strada, Boccaccio, Petrarca und Dante integriert, vgl. Neumüller
1996, S. 10.
13
variabel konnten die Zyklen den Intentionen der Auftraggeber
angepasst werden.
Der im Trecento formulierte Darstellungstypus der uomini famosi
gewann im Quattrocento zunehmend an Popularität.
Waren die uomini famosi-Zyklen im Trecento zunächst
Bildprogramm für Residenzen der Könige und Fürsten15, so
gehörten sie im Quattrocento auch zum Ausstattungsprogramm
von Rathäusern, Zunfthäusern und Privatpalästen16.
Interessant ist, daß die Darstellungen von Mucius Scaevola und
anderen uomini famosi aus der republikanischen Zeit Roms vor
allem in den kommunalen Bauten der italienischen Städte zu
finden sind. Hier entstanden auch die ältesten Zyklen mit dem
römischen Helden.
Anticappella im Palazzo Pubblico, Siena
Ein frühes Beispiel für die Darstellung von Mucius Scaevola als
uomo famoso befindet sich im Palazzo Pubblico in Siena. 1413
hatte der Senat Taddeo di Bartolo mit der Ausmalung des
Vorraumes des Concistoro beauftragt, heute zumeist als
Anticappella bezeichnet.17 Das Bildprogramm enthält einen uomini
15
Neben den bereits genannten Ausstattungen von Giotto in den
1330er Jahren für Robert den Weisen und für Azzo Visconti wurden
zum Ende des Trecento uomini famosi für den Palazzo von
Francesco da Carrara in Padua und für den Palazzo von Kardinal
Giordano Orsini in Rom geschaffen, vgl. Böcker-Dursch 1973,
Systematische Übersicht, S. 25-26.
16
Zum Beispiel in der aula minor im Palazzo Vecchio in Florenz zum
Ende des Trecento oder 1445-55 in der Villa Carducci in Legnaia.
Zur gleichen Zeit wurde das Rathaus von Lucignano mit uomini
famosi ausgemalt und später, 1496-1500, die Sala di Udienza im
Collegio del Cambio in Perugia.
17
Zur ursprünglichen Funktion des Raumes, vgl. Hansen 1989, S. 133134.
14
famosi-Zyklus, der sich deutlich von den früheren Zyklen
unterscheidet.
In der Anticapella des Palazzo Pubblico bilden die uomini famosi
keine gleichförmige Porträtreihe, sondern werden auf zwei
verschiedene Arten dargestellt. Zum einen als größere
ganzfigurige Helden, zusammengefasst in Triaden, und zum
anderen als kleinere Halbporträts in Medaillons. Die uomini
stehen nicht für sich allein, sondern sind Teil eines
übergeordneten Bildprogramms, das sie mit vier Tugenden
verbindet.
An den Längsseiten der Anticappella sind die
Tugendpersonifikationen Justitia neben Magnanimitas und,
gegenüber, Fortitudo neben Prudentia in den Lünetten dargestellt.
Unterhalb von Justitia und Magnanimitas stehen je drei
ganzfigurige uomini famosi nebeneinander unter einer Arkatur.
Alle Figuren sind mit tituli und appellierenden inscriptiones
versehen.
Nicolai Rubinstein hat festgestellt, daß die uomini famosi an der
Westwand der Anticapella im Vergleich zu früheren Zyklen, einer
spezifischen Auswahl unterliegen. 18 Den Tugenden sind
ausschließlich solche uomini beigestellt, die große Taten in der
republikanischen Zeit Roms vollbracht haben.
Jede der Dreiergruppen ganzfiguriger uomini steht für ein Ideal
und bezieht sich jeweils auf die Tugend oberhalb und auf der
gegenüberliegenden Seite. Mit Curius Dentatus, Furius Camillus,
und Scipio Africanus werden wehrhafte Verteidiger der Republik
angeführt. Sie zeigen sich in ihrer Rüstung als Vertreter der
Magnanimitas und Fortitudo. Auf der Seite von Justitia und
18
Vgl. Rubinstein 1958, S. 195, den schematischen Aufriss siehe unter
Kat. 1.
15
Prudentia stehen die zivileren Helden Cicero, Porcius Cato und
Scipio Nasica für jene, die die Republik theoretisch verfechten.
An der Schmalseite sind weitere uomini dargestellt. Aristoteles ist
unter einem breiteren Säulenbogen als eine Art Magister
dargestellt, der den Eintretenden in das Bildprogramm einführen
soll. 19 Caesar und Pompeius, die abseits an der Schmalseite
dargestellt sind, stammen aus der späteren Kaiserzeit. Sie waren
Zerstörer der Republik und damit gewissermaßen Gegenspieler
der positiv konnotierten Helden aus der römischen Republik.
Darüberhinaus ist jede der Tugenden von vier Medaillons mit
weiteren Heldenporträts umgeben.20 Eines der kleinen
Porträtmedaillons links der Justitia zeigt Mucius Scaevola 21 als ein
relativ undifferenziertes Halbporträt, das durch die Inschrift
'SCAEVOLA' am unteren Halbrund identifiziert wird. Die Bildnisse
sind hier noch an die frühen Münz- und Medaillondarstellungen
angelehnt.
Die berühmten Männer stehen für ihren gerechten Einsatz im
Dienste der Republik und sollten der Stadtregierung als Vorbilder
dienen.22
Einen denkbaren Erklärungsansatz für diese Kombination von
uomini famosi mit den Tugenden lieferte Dorothee Hansen in ihrer
ikonographischen Interpretation der Anticappella. Sie hat dieses
Bildprogramm auf das juristische Denksystem zurückgeführt, wie
es im Corpus iuris civilis angelegt ist.23 Die abstrakten
19
Als einziger der uomini sitzend, mit erhobenem Zeigefinger und
geschlossenem Buch, vgl. Rubinstein 1958, S. 18a.
20
Um Justitia: Mucius Scaevola, Fabricius, Curius Dentatus und Appius
Caecus, vgl. Rubinstein 1958, S. 195-196.
21
Siehe Kat. 1.
22
Dies geht auch aus den Inschriften hervor, vg. Rubinstein 1958, S.
192-194.
23
Der Corpus iuris civilis ist eine bereits in der Antike angelegte
Sammlung des römischen Rechts, vgl. Hansen 1989.
16
Zusammenhänge innerhalb des Rechtssystems waren in den
Digesten zusammengefasst und wurden im Codex durch einzelne
Fallbeispiele, die sogenannten causae, erläutert. Dabei wurde
vorzugsweise auf Exempel aus der römischen Geschichte
zurückgegriffen.
Tatsächlich könnte das Corpus iuris civilis als konzeptionelle
Vorlage für diese und andere kommunale Freskenzyklen gedient
haben. Die uomini famosi haben für die Tugenden eine ähnliche,
beispielgebende Funktion wie die causae im Codex. Das ist nicht
zuletzt deshalb naheliegend, weil die Bildprogramme von Juristen
erdacht wurden.24
Grundsätzlich wurde die Verbindung von Tugenden mit antiken
Helden auch in der Literatur thematisiert. So könnte das
Bildprogramm in der Anticappella auch durch Cicero oder Dante
inspiriert gewesen sein, die den vier Kardinaltugenden bestimmte
Helden der Antike zuordneten. 25
Seit dem Zyklus von Taddeo di Bartolo wurden die
republikanischen Helden Roms zu einem festen Bestandteil der
kommunalen Ausstattungen der italienischen Stadtrepubliken.
Die Zyklen konzentrieren sich auf wenige, aber typisierte
Porträts. 26 Dabei sind die römischen uomini famosi als Vertreter
24
Christoforo d'Andrea und Pietro de Pecci, beide Juristen im Dienste
der Stadt Siena, vgl. Hansen 1989, S. 134.
25
Darauf hat Roettgen im Zusammenhang mit der Darstellung der
uomini famosi in der Sala di Udienza im Collegio del Cambio in
Perugia hingewiesen, vgl. Roettgen 1996, S. 258. Im Rathaus von
Lucignano beschreibt eine Inschrift aus Dantes Inferno Brutus, den
Gründer der römischen Republik, vgl. Southard 1979, S. 485.
26
Beispielsweise entsteht 1445 ein uomini famosi-Zyklus im Rathaus
der Stadt Lucignano. Diesmal erscheint Mucius Scaevola als
ganzfiguriges Porträt in einer Lünette, die drei römische uomini zeigt.
Zusammen mit Brutus flankiert er den Dichter Cicero. Er wird nicht
nur durch einen Schriftzug identifiziert, sondern auch durch das
Attribut der Opferschale mit dem Feuer, in das er seine Hand hält,
vgl. Rubinstein 1958, S. 207, Abb. 20c.
17
bürgerlicher Werte häufig zu Triaden zusammengefasst und
Tugenden zugeordnet.
Mucius Scaevola hatte sich in den Kommunalbauten der
Stadtrepubliken als uomo famoso durchgesetzt. Er nimmt in den
späteren Zyklen eine deutlich prominentere Position unter den
uomini famosi ein, als in dem sienesischen Zyklus von Taddeo di
Bartolo.
Sala dei Gigli im Palazzo Vecchio, Florenz
Im Palazzo Vecchio in Florenz wird Mucius Scaevola schließlich
als die zentrale Figur in einer Triade römischer Helden eingesetzt.
Unter Lorenzo de' Medici entstand im Zuge von Umbauten die
Sala dei Gigli als ein neuer Empfangs- und Versammlungsraum
für die Signoria, dem Stadtrat von Florenz. Domenico Ghirlandaio
wurde 1482 beauftragt, die Sala dei Gigli zu dekorieren. 27 Die
Ostwand gestaltete er als scheinarchitektonischen Triumpfbogen.
Im mittleren Teil thront der Heilige Zenobius, einer der
Stadtpatrone von Florenz. Im oberen Teil der Seitenöffnungen
waren je drei uomini aus der römischen Republik dargestellt.28 In
der Mitte der linken Triade steht Mucius Scaevola und legt seine
linke Hand selbstverweisend auf seine Brust. Die rechte hält er in
eine Schale mit glühenden Kohlen. Er steht zwischen Brutus, der
das Land von den Königen befreite und die römische Republik
begründete und Camillus, der den Feind niederrang und die
Siegesstandarte hält. Unterhalb sind Inschriften auf einem
Architrav angebracht, die die Taten der Helden beschreiben. 29 Sie
27
Zum Einfluss von Lorenzo de' Medici auf die Ausstattung des Saales
vgl. Hegarty, 1996.
28
Siehe Kat. 2.
29
BRUTUS EGO ASSERTOR PATRIAE; REGUMQ FUGATOR / URO
MANUM SPRETIS ERRANTEM SCAEVOLA FLAMMIS / HOSTE
REFERT CAESO VICTRICIA SIGNA CAMILLUS, vgl. vgl. Hegarty
1996, S. 275, Anm. 99.
18
bilden zusammen mit einer weiteren Heldentriade aus Decius
Mus, Scipio Africanus und Cicero auf der rechten Seite eine
Chronologie der römischen Republik. 30 Wie im Palazzo Pubblico
werden hier drei militärische neben drei zivilen Verfechtern der
Republik dargestellt.
Auch in diesem Fall unterstanden die dargestellten uomini einer
Tugend. Über der Tür, die von der Sala di Udienza zur Sala dei
Gigli führte, thronte die Justitia unter dem Schriftband "Diligite
iustitiam qui iudicatis terram"31.
Das Zitat aus dem Buch der Weisheit Salomos ist ein Apell an die
Regierenden, der im ikonographischen Programm durch die
Justitia und die uomini verbildlicht wird. Es ist ein Hinweis darauf,
daß die politischen und militärischen Leistungen für den Staat als
hohes Verdienst der Gerechtigkeit im Sinne der 'rechten,
republikanischen Ordnung' verstanden wurde.
Nach der Fertigstellung fand in der Sala dei Gigli alle zwei
Monate, wenn die neue Signoria das erste Mal zusammentrat,
eine feierliche Zeremonie statt. Dabei wurden von den
Bannerträgern panegyrische Reden vorgetragen, die
sogenannten protestationes de iustitia. In einer protestatio von
1475 wurden die römischen Helden und ihre Taten für die
Republik als Beispiele der Tugend der Justitia genannt.32
30
Diese sind unterschrieben mit SUM NTO EXEMPLAR DECIUS, SUM
VICTIMA ROMAE / SCIPIO SUM, VICI HANNIBALE, POENOSQ
SUBEGI / SUM CICERO; TREMUIT NOSTRAS CATILINA
SECURES ,vgl. Hegarty 1996, S. 275, Anm. 99.
31
"Liebt die Gerechtigkeit, die ihr die Erde regiert!"Ursprünglich aus
dem Buch der Weisheit Salomos, 1, 1, aus den Apokryphen des
Alten Testamentes. Der Text beginnt mit einer Mahnung an die
Regierenden. Vgl. Kautzsch 1975, S. 576-480. Die Worte wurden
später von Dante in der Divina commedia zitiert, paradiso, canto
XVIII.
32
Vgl. Hegarty 1996, S. 275.
19
Der Rückgriff auf die antiken Helden sollte der ständig
wechselnden Besetzung der Signoria die republikanischen
Vorbilder vor Augen führen.
Die Signoria trug nicht nur die Verantwortung für die allgemeine
Verwaltung der Stadt, sondern leitete auch die äußeren
Angelegenheiten und besaß das Initiativrecht für
Gesetzesvorlagen. Das Bildprogramm in der Sala dei Gigli,
ebenso wie die darin vorgetragenen protestationes de iustitia
zielten darauf ab, die Signoria zu Gerechtigkeit und politischen
Leistungen im Interesse der Stadt Florenz zu ermahnen. In
engerem Sinne werden die Tugenden der Helden auch auf die
Medici übertragen, die zu dieser Zeit zwar die
Hegemonialherrschaft in Florenz innehatten, sich aber gegen
Verschwörung und Anfeindungen durch Papst Sixtus IV.
verteidigen mußten. 33
Mucius Scaevola als kommunaler Tugendheld
Diese uomini famosi-Zyklen in kommunalen Räumen des
Quattrocento unterschieden sich von jenen im Trecento, die vor
allem an den Höfen entstanden.34 Die Zyklen an Königs- oder
Fürstenhöfen setzten sich aus einer breiteren Palette berühmter
Männer zusammen. Sie vereinten Helden mit antiken Herrschern,
Feldherren, berühmten Dichtern und Zeitgenossen. In den
späteren Ausstattungen der kommunalen Stadtpaläste in Siena
oder Florenz hingegen, wurden Helden aus der römischen
Republik bevorzugt. 35 Die Zyklen konzentrieren sich dabei auf
33
Vgl. Hegarty 1996, S. 275 und Rubinstein 1978, S. 37-38. Zum
Zeitalter Lorenzo de' Medicis vgl. Brucker 1990, S. 311-323.
34
Beispielsweise für König Robert in Neapel oder für Azzo Visconti in
Mailand und für die Carrara in Padua, vgl. Neumüller 1996, S. 5-7,
Schlosser 1895 und Mommsen 1952.
35
Allenfalls als Gegenspieler oder einführende Personen kamen andere
hinzu.
20
eine kleinere Anzahl von Personen, die dafür genauer typisiert
sind, durch Kostüm, Attribute oder Gesten. Sie stehen nicht für
sich allein, sondern werden durch Inschriften, die auf ihre Taten
verweisen und durch übergeordnete Tugendpersonifikationen
ergänzt.
Die Bildprogramme richteten sich an die Regierenden, die damit
auf wichtige republikanische Grundwerte eingeschworen werden
sollten. Sie rankten sich häufig um die Justitia, die zu den
wichtigsten Tugenden der Kommunen zählte.36 Sie symbolisierte
das entscheidende Instrument der frühmodernen Staaten. 37
Gerechtigkeit wurde als Grundvoraussetzung für eine stabile
Regierung angesehen. Sie wurde als unparteiisch und stark
dargestellt, bereit, jeden zu bestrafen, der der Stadt Schaden
zufügt. Diese Auffassung ist auch darauf zurückzuführen, daß in
der Regel Juristen aufgrund ihrer humanistischen Bildung zur
Konzeption der kommunalen Bildprogramme herangezogen
wurden und ihr eigenes Fach als elementar für die Regierung der
Städte ansahen. Die Justitia wurde mit solchen uomini verbunden,
die sich für den gerechten Staat einsetzten und Opfer für das
Vaterland erbracht haben. 38 Dazu wurden Vorbilder aus der
antiken römischen Republik gewählt, die auf die lange Tradition
der ruhmreichen und rechtschaffenden Staatsform hinwiesen.
Siena und Florenz führten sich durch diese Helden, wie viele
andere Städte in Nord- und Mittelitalien, auf antike römsiche
36
Zur Bedeutung der Justitia in kommunalen Stadtpalästen, vgl.
Southard 1979, S. 61-62 und 70-72.
37
Vgl. Held 1996, S. 215
38
Beispielsweise auch in der späteren Ausstattung der Sala del
Concistoro im sieneser Palazzo Pubblico 1529 von Domenico
Beccafumi. Um die zentrale Justitia waren Mucius Scaevola, Decius
Mus, Zaleukos und Charondas, Spurius Mellus, Marius Manilius,
Spurius Cassius oder auch Lucius Junius Brutus dargestellt, vgl.
Southard 1979, S. 399-413. Die Beispiele demonstrieren die
konsequente Anwendung der Gesetze, auch gegen die eigene
Person und die eigenen Kinder.
21
Wurzeln zurück.39 Das herrschende Patriziat identifizierte sich vor
allem mit der republikanischen Zeit und sah sich in der Nachfolge
der Konsuln und des Senats.40
Bestimmte Helden wie Mucius Scaevola traten häufiger in solchen
kommunalen Bildprogrammen auf, da sie zudem dafür bekannt
waren, Großes für die Sache der römischen Republik geleistet zu
haben. Mucius Scaevola war Vorbild für selbstloses Handeln im
Dienste des Staates und gab mit anderen Helden ein Beispiel für
die Tugenden der Tapferkeit, Vaterlandsliebe und
Aufopferungspflicht. Er hatte die Bereitschaft gezeigt, für seine
Stadt zu kämpfen und Opfer zu bringen.
Dieses Thema ist Kern der antiken Virtus-Lehre. Die römische
virtus ist der Inbegriff der Männlichkeit41 und den damit
verbundenen militärischen und politischen Tugenden. Virtus
bezeichnet weniger eine moralische Qualität als vielmehr die
Bereitschaft und Fähigkeit etwas Tüchtiges für das Staatsganze
zu leisten. Durch virtus konnte man Ruhm erlangen, Ansehen und
eine anerkannte Stellung im öffentlichen Leben erreichen. Die
Anerkennung und Ehrung konnte beispielsweise durch ein
Staatsamt erlangt werden, das wiederum weiteren persönlichen
Einsatz für den Staat erforderte. Besondere politische Leistungen
sicherten den Ruhm über den Tod hinaus. 42 Das Wohl des Volkes
war oberstes Gesetz für den römischen Bürger, der sich in den
Dienst des Gemeinwesens stellt und sich für die Macht und
Größe seines Volkes einsetzt.43
Der persönliche und gerechte Einsatz im Sinne der res publica
war wichtig für die Aufrechterhaltung der rechten Ordnung in den
Stadtstaaten. Durch das Prinzip kurzer Amtszeiten, das allen
39
Vgl. Southard 1979, S. 66-70 und 95-97.
Vgl. Burke 1996, S. 45.
41
Virtus enthält den Wortstamm vir* (= Mann).
42
Vgl. Meyer 1974, über die staatsformenden Gedanken und Kräfte, S.
541.
43
Zur virtus vgl. Oppermann 1974 und Dahlmann 1970.
40
22
kommunalen Regierungen in Italien zu eigen war, gab es einen
ständigen Wechsel der Verantwortlichen. Die Wahrung der
politischen Kontinuität war daher ein zentrales Anliegen der
Städte.
Mucius Scaevola fungierte in kommunalen Räumen der
Stadtstaaten als antiker Tugendheld, der ein Vorbild für den
patriotischen Bürger im Dienste der Republik war. Den
wechselnden Mitgliedern der Räte wurden so die tradierten Werte
der Republik vor Augen geführt.
23
ENTWICKLUNG ZUM HISTORIENBILD
Die ersten szenischen Darstellungen
War Mucius Scaevola in der Malerei zunächst vor allem als
Heldenporträt innerhalb von uomini famosi-Zyklen bekannt,
wurden seit Ende des Quattrocento zunehmend auch narrative
Darstellungen der Heldensage in Auftrag gegeben. Wo, wann und
in welchem Kontext die ersten Darstellungen der Heldentat
entstanden, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Es ist aber
nicht unwahrscheinlich, daß die ersten szenischen Darstellungen
von Heldentaten bereits in Zusammenhang mit frühen uomini
famosi-Zyklen gemalt wurden. Die Ausmalung der Sala virorum
illustrium im Palazzo Carrara in Padua ist ein frühes Beispiel aus
dem Trecento, das zeigt, daß die Porträts der uomini famosi
durch Szenen aus ihrem Leben ergänzt werden konnten. 44
In späteren Darstellungen, wie in Perugia 45 und Siena 46 wird
deutlich, daß die Tugendhelden zunehmend in narrativen
Zusammenhängen gezeigt werden und schließlich innerhalb von
44
Die heutige Dekoration entspricht nach mehrmaligen Restaurierungen
nicht mehr dem Originalzustand. Mommsen vermutet, daß die
ursprünglichen Historien und Triumpfzüge im Darmstädter Codex
kopiert wurden, vgl. Mommsen 1952, S. 106-113. In jedem Fall sind
sie Beleg dafür, daß bereits um 1400 Historien statt Porträts zur
Illustration der Viten herangezogen wurden, vgl. auch Schlosser
1895.
45
Zyklus von Perugino im Audienzsaal der Wechslerzunft, dem Collegio
del Cambio in Perugia, 1496-1500. Zu den Wandmalereien im
Collegio del Cambio in Perugia vgl. Roettgen 1996, S. 259.
46
1529 beauftragte der Rat von Siena Domenico Beccafumi mit der
Ausmalung der Decke in der Sala dei Concistoro im Palazzo
Pubblico in Siena, vgl. Southard 1979, S. 399-400.
24
Historienbildern als exempla virtutis auftreten.47 Neben den
Freskenzyklen läßt sich eine Entwicklung ebenso bei den
Plaketten vom Porträt zur szenischen Darstellung feststellen.48
Die ersten Szenen, die Mucius Scaevola vor Porsenna zeigen,
entstanden im Quattrocento und sind an eine antike
Darstellungstradition angelehnt. 49 In der Antike hatten die Römer
ihre Erfolge in Historienzyklen auf Siegessäulen, Triumphbögen
und Sarkophagen der Feldherren in Stein gemeißelt oder in
Bronze gegossen. In der Renaissance wurde an diese Tradition
durch Künstler wie Filarete angeknüpft, der die Heldentaten in
Reliefs oder Reliefimitationen darstellte.
Filaretes Relief an der Bronzetür zu St. Peter
Ein frühes Beispiel für einen Zyklus, der berühmte Männer und
ruhmreiche Taten aus der Antike gleichwertig aneinander reiht, ist
an den Bronzetürflügeln des Haupttores zu St. Peter in Rom zu
sehen, die Filarete und seine Gehilfen 1455 fertigstellten.50
Die christlichen Szenen auf beiden Türflügeln werden von einer
spiraligen Akanthusranke gesäumt, in die verschiedene profane
Darstellungen eingefügt sind. Neben dekorativen Elementen wie
Tiere, Früchte und Blumen wurden mythologische Stoffe und
auch berühmte Männer und Episoden aus der antiken Geschichte
47
Im Bildprogramm des Collegio del Cambio wird die Vereinzelung der
Figuren aufgehoben, indem sie vor einer Landschaft gezeigt werden,
die einen gemeinsamen Hintergrund bildet, vgl. Roettgen 1996, S.
254-267. Das Deckenfresko von Beccafumi zeigte sowohl Porträts
als auch Historien mit den Taten römischer Helden, vgl. Southard
1979, Pl. 114, 116.
48
Zum Motiv MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA auf Plaketten vgl.
Molinier 1886, No. 108, 138, 336, 453, 623, 703 sowie Weber 1975,
Nr. 82, 149, 230, 301, 340, 534, 921.
49
Siehe Kat. 3-5, 8-9, 11 und 17. 12
50
Siehe Kat. 3, vgl. Buchowiecki 1967, S. 143-44.
25
Roms eingeflochten. Mythologische Szenen aus Ovids
Metamorphosen stehen neben Darstellungen aus der
sagenumwobenen römischen Frühzeit, von der capitolinischen
Wölfin bis hin zu Kaiserporträts. 51
Auf dem rechten Türflügel, links der großen Petrusdarstellung, ist
die Tat des Mucius Scaevola gezeigt. Eine Person steht vor
einem Feuer und hält seine rechte Hand über die Flammen.52
Allerdings ging es hier offensichtlich nicht darum, Mucius
Scaevola zu porträtieren, sondern das Ereignis seiner Tat zu
schildern. Die Figur wird schlicht als handelnde Person in einer
kleinen Szene dargestellt, ohne identifizierende Inschrift oder
heroische Pose.
Auf die Legende des Mucius Scaevola wird hier nicht durch ein
Heldenporträt in der Tradition der uomini famosi hingewiesen,
sondern durch die Darstellung der heroischen Handlung.
Die in der Akathusranke integrierten Kaiserporträts und
Heldentaten fungieren an der Bronzetür als säkulärer Rahmen,
der die Heiligen und das Papsttum im mittleren Teil mit der
Geschichte der antiken Welt verbindet.53
Insofern hat die kleine Szene, die Mucius Scaevola am Altar zeigt,
in diesem Fall eine historische Funktion. Sie ist als ein Teil der
Antike, speziell der römischen Geschichte integriert, die
Christentum und Kirche umrankt.
Zum Zeitpunkt als Filarete die Bronzetüren zu St. Peter schuf, gab
es bereits Historiengemälde mit römischen Helden. Es gibt gute
Gründe anzunehmen, daß die ersten Historiengemälde, die
51
Eine Identifizierung aller Szenen, die sich entlang der Girlande
aneinanderreihen, findet sich bei Schubring 1923, Anhang III.
52
Vgl. Letarouilly 1999, pl. 54.
53
Eine ähnliche Funktion haben die Reiliefstreifen zwischen den
Bildfeldern, die einen aktuellen Bezug zu den politischen Leistungen
von Papst Eugen IV. herstellen, vgl. Buchowiecki 1967, S. 144.
26
Mucius Scaevola in der Situation vor Porsenna zeigen, in Florenz
entstanden sind und erst dann, zum Beispiel durch Künstler wie
Filarete, nach Rom gelangten.
Historiengemälde in frühen Kontexten
Cassonemalerei in Florenz
Die Themen an der Bronzetür zu St. Peter in Rom waren die
gleichen, die bereits für die Ausstattung der florentinischen
Truhen, den sogenannten cassoni, verwandt wurden. 54
Als cassoni werden große, reich dekorierte Truhen bezeichnet,
die vom Trecento bis zum Ende des Cinquecento in Italien
verbreitet waren. 55 Cassoni waren Truhenmöbel mit vielfältigen
Funktionen. Neben Tisch und Bett gehörten sie zu den
gebräuchlichsten und in allen sozialen Schichten verwendeten
Möbel in der italienischen Renaissance. Für gewöhnlich wurden
verschiedene Hausgegenstände darin transportiert oder
aufbewahrt, sie konnten aber auch als Sitz- und
Schlafgelegenheit dienen. Dementsprechend unterschied man
verschiedene Truhenformen, die heute alle unter dem Begriff
cassoni subsummiert werden.56
Seit dem Ende des Trecento wurden besonders wertvolle
cassoni, häufig waren das Brauttruhen, mit gemalten Szenen auf
54
Vgl. Schuring 1923, Anhang III.
Grundlegend zu den Cassone ist die Arbeit von Schubring 1923, vgl.
auch Gombrich 1978, Callmann in: Dictionary of Art 1996, Artikel
'Cassone' und Baskins 1998.
56
Die Truhen wurden auch als forzieri, goffani oder cassette bezeichnet.
Zur Terminologie, die offenbar auch regional variierte, vgl. Thornton
1991 und 1984.
55
27
Vorder-, Schmal- und Deckelinnenseite geschmückt.57 Die
meisten Cassonetafeln zeichnen sich durch ein extremes
Querformat aus, woraus sich eine ursprüngliche Position an den
Längs- also Vorderseiten bzw. Deckelinnenseiten der cassoni
ergibt.
Die Cassoni wurden hauptsächlich in Florenz produziert, daneben
auch in Siena, dem Veneto und vereinzelt in anderen Regionen.
Florenz wurde zum wichtigsten Produktionsort der
Cassonemalerei. Hier wurden verschiedene künstlerische
Techniken weiterentwickelt und neue Themen erprobt.
Florenz war im Quattrocento ein Zentrum der europäischen
Malerei, wo sich neue Aufgaben herausbildeten. Die
Cassonemaler orientierten sich an den neuesten Entwicklungen
der Kunst. Für die Erfindung weltlicher Kompositionen standen
ihnen Gelehrte mit ihren Kenntnissen aus Dichtung, Geschichte
und Mythologie zur Seite.
In der Truhenmalerei zählten die antiken Themen aus der
Mythologie und der römischen Geschichte seit der Mitte des
Quattrocento zu den bevorzugten Sujets. 58
Die dargestellten Tugenden kreisten in erster Linie um Heirat,
Familie und bürgerliche Pflichten. Gängige Sujets waren daher
Themen wie der Liebesgarten oder Szenen aus Novellen, wie
Boccaccios Caccia di Diana. Zum Teil wurden auch antike
Heldinnen auf den cassoni dargestellt. Paul Schubring erwähnt
aber auch einige Truhenbilder mit dem Motiv MUCIUS SCAEVOLA
VOR PORSENNA . Die ersten Beispiele sind für die Zeit um 1480
fassbar. 59
57
Peter Thornton hat darauf hingewiesen, daß die mit Figuren und
Szenen geschmückten Truhen sehr kostspielig waren und eher die
Ausnahme darstellten, vgl. Thornton 1991, S. 193.
58
Zu den dargestellten Themen vgl. Callmann in: Dictionary of Art 1996,
S. 2-3.
59
Vgl. Schubring 1923, Kat. 332, 558, 670, 782, 957. Siehe Werkindex
Nr. 8 und 11.
28
Die Lanfredini-Cassone
Ein erhaltenes Beispiel für eine Cassone-Tafel, die die Legende
von Mucius Scaevola darstellt, ist heute im Besitz des
Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt.60
Das Gemälde stammt offensichtlich von der vorderen Schauseite
einer Cassone, die es in der gesamten Breite ausgefüllt haben
muß. Sie bildet ein Pendant zu einer gleich großen Tafel, die die
Geschichte von Horatius Cocles zeigt. 61 Der Legende nach geht
die Tat des Horatius Cocles der von Mucius Scaevola voraus.62
Die Gemälde imitieren Reliefs und sind bichrom in den Farben
braun und grau gehalten und mit Gold gehöht. Beide Bilder
vereinen mehrere Szenen der legendären Taten vor einem
gemeinsamen Hintergrund. Die Darstellung als Abfolge von
mehreren Szenen geht auf frühe Cassonegestaltungen zurück,
wo häufig drei Szenen zu einer Geschichte auf einzelnen
Gemäldetafeln nebeneinander eingelassen waren.
Der Handlungsablauf für die Legende Mucius Scaevolas ist
jedoch in einer Bildtafel zusammengefasst. In einem Lager vor
den Mauern Roms wird in drei aufeinander folgenden Szenen die
Geschichte der Heldentat nacherzählt. In der linken Hälfte ist vor
einem Zelt die Ermordung des Schreibers und die
Gefangennahme Mucius zu sehen. Die rechte Bildhälfte zeigt die
Verbrennung der Hand vor Porsenna. Der Tötung des Schreibers
und der Gefangennahme des Mucius wird genauso viel Raum
zugestanden wie der Verbrennung der Hand.
60
Siehe Kat. 4.
In der Regel haben zwei Cassoni ein Pendant gebildet.
62
In Livius Ab urbe condita wird zuerst von der Tat des Horatius Cocles
erzählt (2, 10) und dann von Mucius Scaevola (2, 12). Auch Valerius
Maximus erwähnt zuerst Horatius Cocles als Beispiel für Tapferkeit
(im 3. Buch, 2. 'De fortitudine') und dann Mucius Scaevola als
Exempel für Leidenfähigkeit (im 3. Buch, 3. 'De patientia'), siehe
Anhang I und II.
61
29
Links eines Opferaltares steht Mucius begleitet von zwei
Soldaten. Ihm gegenüber steht Porsenna mit einigen Soldaten
und einem Priester, die zusehen, wie Mucius seine Hand in die
Flammen des Altars hält.
Die Stadt im Hintergrund entspricht dem damaligen Bild Roms im
Quattrocento mit den antiken und zeitgenössischen Bauten.63
Auch Kostüm und die Ausstattung der Szenen im Vordergrund
sind den gegenwärtigen Verhältnissen im Quattrocento
angepasst. Die Soldaten tragen zwar fantasievolle Rüstungen,
aber die Kleidung und Kopfbedeckungen der übrigen Personen
sind an die bürgerliche Mode in Florenz angelehnt.64
Über die in den Bildern enthaltenen heraldischen Hinweise hat
Lutz Malke die florentinische Familie Lanfredini als Auftraggeber
identifiziert. 65 Die Cassonetafeln gehörten wohl ursprünglich zu
zwei Hochzeitstruhen für den Palazzo der Familie Lanfredini.
Die Bildthemen Mucius Scaevola und Horatius Cocles
unterschieden sich deutlich von den sonst üblichen
mythologischen Liebesszenen auf Brauttruhen. Die früheren
Themenkreise rankten vorwiegend um Ehe und Familie, wie es
für den Anlaß und den späteren Bestimmungsort, meist die
Schlafzimmer, angemessen war. 66
Die Lanfredini-Truhen wurden nun mit republikanischen
Heldenlegenden ausgestattet, die auf staatsbürgerliche Tugenden
abzielten. Das erscheint zunächst unpassend für die Dekoration
von Brauttruhen in intimen Privaträumen, denn solche Sujets
63
Leicht zu identifizieren sind das Colosseum, der Konstantinsbogen,
die Diokletiansthermen, die Trajansäule und das Pantheon. Lutz
Malke erkennt auch die 1475 durch Papst Sixtus IV. erbaute
Tiberbrücke, vgl. Malke 1982.
64
Vgl. den Schreiber und die Person im Zelteingang mit eng
anliegenden Kappen und Faltentappert.
65
Der Löwe unter der Sonne mit dem Spruchband 'pour trouver' im
Sinne von 'die Wahrheit finden', war auch am Palazzo der Lanfredini
angebracht, vgl. Malke 1982
66
Vgl. Schubring 1923, S. 182.
30
trugen normalerweise politische und patriotische Ideale in die
Öffentlichkeit.
Genau das wurde zu einer wichtigen Funktion für Hochzeitstruhen
in der zweiten Hälfte des Cinquecento. In wohlhabenden
florentinischen Familien bestellte der Bräutigam zur Hochzeit
solche kostbar verzierten und bemalten Cassoni. Sie wurden
dann mit der Mitgift gefüllt und in einem festlichen Umzug zum
neuen Haus getragen. 67 Jede Familie versuchte ihre Nachbarn an
Prachtentfaltung anläßlich solcher Feierlichkeiten zu übertreffen.
Die Hochzeitszeremonien waren eine willkommene Gelegenheit
zur sozialen Abgrenzung der florentinischen Familien
untereinander. Die Palazzi und ihre Ausstattung waren konkrete
Symbole für Reichtum und Rang der Familie. Ebenso war
humanistische Bildung ein Zeichen gesellschaftlicher
Vornehmheit mit der sich die Patrizier als cognoscenti vom Rest
der florentiner Gesellschaft zu unterscheiden suchten.68
Durch die Bildinhalte der Cassonegemälde konnten anläßlich der
feierlichen Prozession jene Ideale nach außen getragen werden,
die fortan mit der neugegründeten Familie verbunden werden
sollten. Die Lanfredini wählten dafür die bildliche Nacherzählung
der Geschichte von Mucius Scaevola und Horatius Cocles. Beide
Helden demonstrierten den Patriotismus eines mutigen,
tatkräftigen Bürgers, der zur selbstlosen Verteidigung seiner
Republik bereit war.
Die Lanfredini setzten die Heldenlegenden ein, um zu
dokumentieren, daß die Familie sich mit diesem Ideal
republikanischer Tugend identifizierte, die von den Medici für die
kommunalen Ämter gefordert wurden.69 Tatsächlich bekleideten
die Mitglieder der Familie Lanfredini die höchsten Ämter in der
67
Vgl. Malke 1982.
Vgl. Brucker 1990, S. 318-323.
69
Lorenzo de' Medici hatte etwa zur gleichen Zeit die Sala dei Gigli mit
Helden zum Vorbild der Signoria ausmalen lassen, darunter auch
Mucius Scaevola, siehe S. 18ff.
68
31
Signoria. Sie wurden mehrfach zu Gonfalonieri und Priori gewählt
und waren in diplomatischer Mission für Lorenzo de' Medici tätig.70
Neben der Wahl der Tugendhelden wird die enge Verbindung zu
den Medici noch in dem Pendant Horatius Cocles angedeutet. An
der Schabracke eines der Pferde ist das Medici-Sinnbild der drei
ineinandergesteckten Diamantringe zu sehen. 71
So kann in der Cassonetafel ein Loyalitätsbeweis gegenüber
Lorenzo de' Medici gesehen werden, indem genau auf jene Werte
abgezielt wurde, die in dieser Zeit von treuen Bürgern erwartet
wurden. Nachdem Lorenzo de' Medici dem Attentat der Pazzi
entkommen war, war Loyalität zur entscheidenden Forderung an
die Bürger geworden, die die Lanfredini auf diese Weise für sich
reklamierten.
Lorenzo de' Medici ging zu dieser Zeit auch im bildkünstlerischen
Sinne hart gegen die Illoyalität seiner politischen Gegner vor 72.
Nach der Verschwörung der Pazzi, im April 1478 beauftragte
Lorenzo de' Medici Botticelli die Attentäter als Gehängte auf der
Fassade des bargiello in der Via de' Gondi, gleich hinter dem
Palazzo Vecchio zu malen.
Mit solchen pitture infamanti wurden Gesetzesbrecher an
öffentlichen Orten bildlich angeprangert, indem sie als bestraft,
also zum Beispiel gehängt, dargestellt wurden. 73 Mit der
Darstellung der physischen Strafen dokumentierten die
frühneuzeitlichen Staaten ihren Anspruch auf die weltliche
Gerichtsbarkeit und die rigorose politische Disziplinierung der
Bevölkerung.
In diesem Sinne kann das Motiv Mucius Scaevola vor Porsenna
auch als eine selbstbewußte Gegendarstellung der bürgerlichen
Lanfredini verstanden werden, die die Notwendigkeit der
70
Vgl. Di Crollalanza 1986, Stw. Lanfredini di Firenze
Nach Malke könnte dies auf eine Liason mit den Medici hinweisen,
vgl. Malke 1982.
72
Roeck 1995, S. 10-11.
73
Vgl. Edgerton 1985, S. 104-109.
71
32
Disziplinierung durch Androhung von Folter und Schändung
zurückweist und die eigene Leidensbereitschaft betont.74
Die Lanfredini-Cassone mit den Geschichten der
republikanischen Helden dient der Selbstdarstellung der Familie
gegenüber den florentinischen Bürgern und den Medici. Durch die
Verbindung der narrativen Darstellungen mit zeitgenössischen
Motivelementen75 konnten die gewünschten Tugendideale einer
breiteren Öffentlichkeit, auch dem illiteraten Publikum, vermittelt
werden.
Die Cassonetafel mit den Taten Mucius Scaevolas bot eine
verherrlichende Assoziation zum politischen Einsatz der Familie
für ihre Stadt an und zeigte die loyale Identifikation mit den
Idealen der Medici.76 Zugleich formt sie mit dem Motiv Mucius
Scaevola vor Porsenna ein Gegenbild zu deren zeitnah in Auftrag
gegebenen pitture infamanti, mit denen die Loyalität der Bürger
über die abschreckende Darstellung von Bestrafungen an
Staatsfeinden eingefordert werden sollte.
Die Kassettendecke von Girolamo Mocetto
Zu den ältesten erhaltenen Gemälden zu MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA zählt eine Grisaille einer venezianischen
Kassettendecke aus insgesamt fünfundzwanzig
Kompartimenten.77 Sie wird dem venezianischen Künstler
Girolamo Mocetto zugeschrieben und ist heute als Rekonstruktion
im Musée Jacquemart- André in Paris zu sehen.78 Mocettos
74
Diesen Hinweis verdanke ich Martin Papenbrock, z.Zt. Universität
Karlsruhe.
75
Wie das Kostüm und die heraldischen Hinweise auf die
florentinischen Familien Lanfredini und Medici.
76
Vgl. Malke 1982.
77
Siehe Kat. 5.
78
Vgl. Kat. Musée Jacquemart-André, Paris 1997, 14. The Venetian
Gallery.
33
Gemälde zu MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA zeigt sich ebenfalls
im chiaroscuro. Er beschränkte sich auf wenig Figuren und eine
reduzierte Ausstattung. Die Szene spielt auf einer schmalen
Bildfläche im Vordergrund. Etwas rechts der Bildmitte befindet
sich Mucius, der gerade seine Hand in die Flammen einer
Opferschale hält. Links sitzt Porsenna auf seinem Thron. Er neigt
sich Mucius zu und weist mit der Linken auf die verbrennende
Hand. Etwas zurück, neben ihm, stehen zwei seiner Soldaten.
Alle, einschließlich Porsenna, tragen schlichte, antikisierende
Kleidung.
Im Mittelgrund ist eine hügelige Landschaft mit einigen Büschen
angedeutet. In der oberen Hälfte des rechten Bildrandes sind
zwei Gestalten gezeigt, deren Köpfe hinter einem Hügel
hervorschauen. Einer der beiden schwenkt eine Fahne mit der
Aufschrift S.P.Q.R. Im Hintergrund ist eine zeitgenössische Burgoder Palastarchitektur zu sehen. Wie bei den anderen Gemälden
der Decke ist der Himmel in einem dunklen Blau gehalten,
während der Rest unfarbig im chiaroscuro erscheint. Die
Darstellung ist in unspektakulärer Weise auf die Heldentat des
Mucius fokussiert. Auf Verzierungen und weitere Symbole wird
weitestgehend verzichtet.
Das gesamte Ensemble der Kassettendecke fügt sich zu einer
rechteckigen Fläche zusammen, die in fünfundzwanzig
rechteckige Bildfelder gegliedert ist. Je fünf horizontale und
vertikale Bildreihen werden von ornamentalen Reliefbändern
gerahmt. Die Themen stammen aus verschiedenen
Erkenntnisbereichen und Morallehren. . Tugendallegorien
stehen neben Planetengöttern, Figuren aus dem alten Testament
neben römischen Helden und Vertretern der Wissenschaften und
schließlich mythologische Episoden zwischen Trionfi Petrarcas.
34
DECKENSCHEMA79
MARS
RAUB DER E UROPA
KLUGKEIT
NARZIß
SATURN
LUCRETIA
ANTIKER TRIUMPH
DAVID
ANTIKER TRIUMPH
JUDITH
MÄßIGKEIT
GERECHTIGKEIT
SALOMONS
STÄRKE
GERECHTIGKEIT
TRAJANS
GERECHTIGKEIT
TRIUMPH DES
(ARISTOTELES?) RUHMS
ASTRONOM
TRIUMPH DER
LIEBE
GEOMETER
D IANA
HOFFNUNG
SCAEVOLA
MUCIUS
MERKUR
PHILOSOPH
MYRRHA UND ADONIS
(PTOLEMÄUS?)
(EUKLID ?)
Bezüge zwischen den Motiven sind kaum nachzuvollziehen. Den
Tugenden sind die meisten Bildfelder gewidmet. Dargestellt sind
die vier Kardinaltugenden, ergänzt durch die christliche Tugend
der Hoffnung. Die zweitgrößten Gruppen bilden die Triumphzüge
und die mythologischen Szenen, die in je vier Gemälden vertreten
sind. Darüberhinaus sind jeweils drei Planetengötter,
Wissenschaftler, römische Helden und Figuren aus dem Alten
Testament vertreten.
Seznec unterstellt dem Gesamtprogramm eine lehrhafte Absicht.
Die dargestellten Figuren bilden seiner Meinung nach ein
Resümee von wissenschaftlichen und moralischen Lehren sowie
der großen Exempel der Geschichte, das von paganen Fabeln
und Göttern rahmend illustriert wird.80
Es scheint plausibel, daß die Historien und die Figuren, seien es
Personifikationen, Götter, Helden oder Weise, gleichermaßen für
ein humanistisches Wertesystem stehen, das verschiedene
Erkenntnisbereiche der Zeit vereint.
Die Motive sind Exempel humanistischen Bildungswissens und
moralischer Werte, die in einem Bildprogramm zusammengeführt
wurden.
79
80
Nach Seznec 1972, S. 130.
Vgl. Seznec 1972, S. 130-132.
35
In diesem Fall ist die Historie Mucius Scaevola vor Porsenna als
integraler Bestandteil von Bildungs- und Moralwerten in das
Deckenprogramm eingefügt und steht weniger in politischem
Kontext.
Die frühen Historien
Die ältesten Gemälde zu Mucius Scaevola vor Porsenna
stammen aus Florenz, Venedig und Rom. Zusammenfassend
lässt sich für die frühen Historien sagen, daß die entscheidenden
Impulse für die Motiventwicklung aus den Stadtrepubliken kamen.
In der zweiten Hälfte des Quattrocento hatten sich Darstellungen
römischer Heldentaten vor allem für cassone durchgesetzt. 81 Die
Geschichte Mucius Scaevolas wurde aber als quadro riportato
auch in anderen Bereichen des Interieurs eingesetzt.
Die meisten der Cassonemalereien aus dem Quattrocento waren
als Grisaillen ausgeführt, die dreidimensionale skulpturale
Oberflächen nachahmen, um andere Kunstmedien, Reliefs aus
Bronze oder Stein, zu imitieren. Man spricht in diesem
Zusammenhang auch von Steinmalerei.
Die Gründe für den Rückgriff auf das antikisierende Relief lagen
jedoch nicht nur in der Anwendung einer modernen Bildästhetik. 82
Unter anderem war es ein finanzielles Argument, das diesen
Illusionismus förderte. Die Grisaillemalerei wurde als Surrogat der
kostenintensiveren Reliefs aus Metall oder Stein eingesetzt.83
81
Zur Entwicklung der Truhenmalerei in der Frühzeit und im
Quattrocento vgl. Schubring 1923, S. 91-172.
82
Zur Materialikonologie vgl. Bandmann, 1969. Zum monochromen
Wandgemälde in Italien, vgl. auch Dittelbach 1993.
83
Michaela Krieger hat die Funktionen der Grisaille untersucht, vgl.
Krieger 1995.
36
Der Besitz von "originalen" antiken Kunstwerken mit römischen
Historien galt als Status- und Bildungssymbol.
Durch die illusionistischen Grisaillen konnte man kostengünstig
vermeintlich antike Kunstwerke schaffen, die es auch weniger
betuchten Bürgern erlaubten, den Ruhm Roms für sich in
Anspruch zu nehmen.
Mit den vermeintlich antiken Reliefs war ein historischer Effekt
beabsichtigt. Sie waren gewissermaßen historische Dokumente,
die Geschichten aus der Frühzeit in Stein und Erz wiedergaben.
Das Phänomen der Reliefimitation wird in die ersten Hälfte des
Cinquecento zunehmend durch das farbige Historienbild abgelöst.
Die Auftraggeber gehörten dem Stadtadel an. Anders als bei den
uomini famosi-Zyklen, die eher von den Regierungen nachgefragt
wurden, sind die gemalten Historien auch für private Aufträge
nachzuweisen. Nachgefragt wurden die kostspieligen
Dekorationen von finanziell potenten Bürgern.
Das waren im Falle der florentinischen Cassonemalerei vornehme
Familien des Patriziats. 84 Sie konnten mit der Darstellung des
antiken Helden auf ihre Loyalität zur Republik anspielen. Das
Beispiel der Lanfredini-Cassone hat gezeigt, daß nicht nur
Staatstreue, sondern auch eine Gunstbezeugung an die Medici in
das Motiv integiert wurde. In der Kassettendecke von Mocetto war
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA Teil eines didaktischen
Programmes mit dem humanistische Bildungsinhalte
veranschaulicht wurden.
84
Vgl. Gombrich 1978, S. 11.
37
Weitere Entwicklung im Cinquecento
Römische Fassadenmalerei
Neben den Dekorationen von Inneneinrichtungen wurden die
antiken Sujets zu Beginn des Cinquecento populär für die
Bemalung von Fassaden.
Im Quattrocento wurde mit dem Wandel des schmalen,
hochgestreckten Wohnhauses hin zum breitgelagerten, kubischen
Stadtpalast die Fassadengestaltung durch die Malerei populär.
Die Außenfronten der Häuser wurden im Verlaufe des
Jahrhunderts zunächst durch Dekorationselemente in der Technik
des Sgraffito verziert. Die monochromen Sgraffiti zeigten noch
keine figürlichen Motive. Anfänglich wurden vorwiegend
Ornamente, flächenfüllende Muster, Scheinarchitektur und
Grotesken dargestellt.85 Zentrum war auch in diesem Fall Florenz,
aber auch in Rom wurden die Fassaden auf diese Weise verziert.
Nachdem Leonardo, Michelangelo und Raffael Florenz verlassen
hatten, mußte die Stadt ihre kulturelle Führungsposition an Rom
abtreten. In den ersten Jahrzehnten des Cinquecento entstanden
hier neue Möglichkeiten der Fassadendekoration. An den
mittelitalienischen Palastfassaden, besonders in Rom, wurden
eigene Motive entwickelt, die sich formal unmittelbar an den
antiken Denkmälern orientierten. 86 Die Grotesken in Sgraffito
wurden durch figürliche Motive in reliefhaft aufgefasster
Helldunkelmalerei verdrängt. Wände und Fassaden wurden zu
einem beliebten Träger für die Darstellung von legendären Taten
der antiken Helden.
85
86
Zur toskanischen Fassadendekoration vgl. Thiem 1964.
Vgl. Thiem 1964, S. 41-42.
38
An den römischen Fassaden des frühen Cinquecento wurden die
profanen Historien häufig als Szenenfolge in langgestreckten
antikisierenden Friesen gezeigt. Im Stile der antiken Reliefs
wurden die Szenen durch ein umfangreiches Figurenaufgebot
parallel zur Bildebene präsentiert. 87 Die chiaroscuri waren stark
von den bildfüllenden Figuren beherrscht. Szenen der frühen
klassischen Geschichte bildeten gewöhnlich die Hauptelemente in
den ikonographischen Programmen. Mit der Entwicklung zur
selbständigen Bildgattung war die Fassadenmalerei zunehmend
an einzelne Künstlerpersönlichkeiten gebunden, die sich auf
dieses Genre spezialisiert hatten. Die monochrome
Fassadenmalerei entfaltete sich in Rom besonders durch Peruzzi
und Polidoro da Caravaggio, aber auch durch Perino del Vaga,
Battista Franco, Guilio Romano oder Taddeo Zuccari. Die
römische Tradition der Fassadenmalerei wurde von Federico
Zuccari bis in das späte 16. Jahrhundert fortgesetzt. 88
Polidoro da Caravaggio
Polidoro da Caravaggio gehörte zusammen mit seinem Partner
Maturino zu den erfolgreichsten Fassadenmalern des frühen
Cinquecento in Rom. 89
Seine chiaroscuri sind jedoch, wie die meisten Fassadengemälde
aus der Zeit, nicht mehr erhalten. Witterungseinflüsse und die
dadurch häufigere Überarbeitung haben Fassadenmalereien
zerstört bzw. so verfälscht, daß nur rudimentäre Reste erhalten
sind. So bleiben für die Untersuchung von Polidoros
87
Vgl. Kultzen 1972, S. 264-265.
Vgl. Ronen 1974, S. 7.
89
Während ihrer kurzen aktiven Zeit in Rom zwischen dem Tod von
Raffael und dem Sacco di Roma, 1520-1527, sollen sie um vierzig
Haus- und Palastfassaden dekoriert haben, vgl. Marabottini 1969, I,
S. 107.
88
39
Fassadengestaltungen nur die Dokumente und Kopien zu seinen
Werken.90
Ein langer Freskenfries von Polodoro da Caravaggio an der
Fassade des Palazzo Ricci ist in mehreren Zeichnungen kopiert
worden. In Höhe des ersten Stocks waren von Polidoro mehrere
Episoden aus dem Leben des Mucius Scaevola
aneinandergereiht worden. Dabei handelt es sich um
Darstellungen von Mucius Scaevola wie er den Tiber überquert,
um in das Lager der Etrusker einzudringen, die Tötung des
königlichen Schreibers, die Gefangennahme von Mucius und die
Verbrennung der Hand vor Porsenna.91 Alle Szenen werden durch
dichtgedrängte, bildfüllende Figurengruppen aus der Antike
dargestellt.
In dem Teil des Frieses, der MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
zeigt, hat Polidoro die Anwesenden als dynamisch agierende
Personen dargestellt. Fast alle anwesenden Soldaten sind in
Bewegung und machen ausladende, große Schritte. Selbst Haar
und Kleidung sind zum Teil wie durch einen Windstoß bewegt,
ebenso die Flammen auf dem Altar. Durch die Ausrichtung der
dicht nebeneinander stehenden Soldaten auf der schmalen
Bildfläche, entsteht der Eindruck als bildeten sie einen Kreis um
Mucius. Dieser steht in breitem Stand und aufrechter Haltung vor
dem Altar. Während sein linker Arm in die Hüfte gestemmt ist, hält
er die rechte Hand mit dem Dolch am ausgestreckten Arm nach
vorn über das Feuer auf dem Altar. Ihm gegenüber, zwischen den
Soldaten, sitzt Porsenna auf dem Thron, der sich mit mit einem
abwehrend erhobenen, linken Arm abwendet.
Das ursprüngliche Fresko imitierte ein steinernes antikes Relief.
Dadurch wurde nicht nur durch den Inhalt, sondern auch durch
die formale Gestaltung auf die Antike Bezug genommen.
90
91
Siehe Kat. 6, vgl. Kultzen 1961, S. 61.
Zu Kopien des Frieses vgl. Ravelli 1978, S. 311-319.
40
Polidoro hat das Thema in dieser Form mehrmals ausgeführt.
Ravelli hat in seinem Katalog zu Zeichnungen von Polidoro und
Kopien seiner Werke, einige Darstellungen zum Motiv MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA aufgeführt. 92 Hier wird der immense
Einfluß der Kompositionen von Polidoro auf verschiedenste
nachfolgende Künstler deutlich. Unter Polidoros Einfluß gestaltete
man im Rom des frühen 16. Jahrhunderts solche
Frieserzählungen stets als reliefimitierende, flächenparallele
Darstellung.
Seine Werke wurden zu bedeutenden Vorlagen für nachfolgende
Maler, nicht nur in Rom.93 Nach dem Sacco di Roma ging Polidoro
nach Neapel und später nach Messina, wo er weiter großen
Erfolg hatte. Seine Kompositionen und Motivelemente aus seinen
Darstellungen wurden häufig zitiert. Dazu gehören die
Rückenfiguren von Soldaten am Bildrand. Entweder als
Einzelperson, die am Bildrand der Szene beiwohnt, oder auch
zwei nebeneinander schreitende Soldaten als Rückenfiguren,
wobei einer den Arm auf die Schulter des anderen legt. Ebenso
wird häufig die Pose Mucius Scaevolas und der konkav
geschwungene Steinaltar mit antiken Reliefs in späteren
Darstellungen übernommen.
In Rom selbst besaßen die Darstellungen der römischen Helden
aus der Antike natürlich von vornherein eine besondere
Bedeutung. Sie waren ein genealologischer Rückgriff auf die
antiken Vorfahren und die Ursprünge der Stadt.
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA wurde in Rom vorwiegend an
den Fassaden von kleineren Wohnpalästen und Bürgerhäusern
dargestellt. 94 Das waren vornehmlich jene Häuser, deren
92
Vgl. Ravelli 1978.
Außerhalb Roms sind Einflüsse beispielsweise bei Frans Floris oder
Peter Paul Rubens auszumachen. Avraham Ronen hat einen Zyklus
von Gherardi mit römischen Historien im Castello Bufalini in San
Giustino auf verlorene Fassadenfresken von Polidoro zurückgeführt,
darunter an zentraler Stelle Mucius Scaevola, vgl. Ronen 1974.
94
Das Äußere der monumentaleren römischen Repräsentationsbauten
93
41
Außenfronten sich im Straßenverband oder an Plätzen
geschlossen aneinanderreihten, wie sie in den Neubauvierteln
entstanden. Hier ließen sich die neuen Bürger nieder, die sich in
nicht geringer Zahl aus den Kaufmannsfamilien der umliegenden
Stadtrepubliken rekrutierten.
Mit dem Motiv M UCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA konnten gerade
jene, die nicht zu den vornehmen Geschlechtern gehörten, ihre
Loyalität und Einsatzbereitschaft für Rom dokumentieren.
Die römische Fassadenmalerei bildet eine wichtige Schnittstelle in
der Motiventwicklung. Die dargestellten Motive sind an die
gesamte weite Öffentlichkeit gerichtet. Die allgemeine
Bekanntheit der Ikonographie wurde so gesteigert und zur Quelle
der Inspiration für lokale und auswärtige Künstler.
Ausgehend von Rom erreichte diese Vorliebe später auch die
anderen italienischen Kunstzentren. Auch in Oberitalien wurden
neue Möglichkeiten der Fassadendekoration entwickelt, jedoch
entfaltete die formale Ausgestaltung der Fassadenbilder dort eine
andere Ästhetik. 95
Venezianische Fassaden
Im Venedig der Renaissance war die Fassadenmalerei zu einer
beliebten Form des Architekturschmuckes geworden. Die
repräsentative Ausgestaltung der Fassaden war weit verbreitet.
Auch hier sind durch die klimatischen Einflüsse keine Beispiele
dieser Fassadenmalereien erhalten. Heute zeugen nur noch
und die großen Grundstücke um sie herum, wurde eher durch
großzügige architektonische Gliederungelemente gestaltet. Dazu
gehörten große Zufahrten, aufwendige Portale und eine
repräsentative Fassadenarchitektur statt einer Bemalung, vgl.
Kultzen 1972, S. 266-267.
95
Zum Vergleich von römischer und venezianischer Fassaden vgl.
McTavish 1985 und Kultzen 1972, S. 263-264.
42
Berichte von Zeitgenossen96 oder Zeichnungen97 von den
Darstellungen MUCIUS SCAEVOLAS VOR PORSENNA an den
Fassaden venezianischer Häuser.
An bedeutenden campi war nahezu jede Hausfassade bemalt.
Ihre Häuser schmückten zunächst allegorische und
mythologische Themen. Die Ereignisse aus der römischen Antike,
wurden bis in die 1530er Jahre kaum auf venezianischen
Fassaden dargestellt.
Ab 1540 allerdings entstanden aus der Hand einer neuen
Künstlergeneration vermehrt Fresken, die Historien der römischen
Helden zeigten. 98 Im Unterschied zu den monochromen
Reliefimitationen an den römischen Fassaden waren die Historien
wie MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA an den venezianischen
Fassaden vorwiegend farbig.99
Der Loredanpalast
Der Campo Santo Stefano war einer der Plätze, an dem mehrere
Fassadenfresken zu bewundern waren. Hier waren gleich zwei
Fassaden von Giorgione und weitere von Tintoretto, Salviati,
Zago und Aliense zu sehen. 100
96
Zum Beispiel von Vasari, Dolce, Ridolfi, Boschini, Pino und
Aretino,vgl. McTavish 1985, Anm. 2,4, 25,27,30,32.
97
Eine Zeichnung von Caliari im Rijksmuseum Amsterdam, entspricht
evtl. dem Fresko an der Fassade des Palazzo Mocenigo oder von
Salviati in den Staatlichen Kunstsammlungen Weimar, die evtl. ein
ehemaliges Fresko am Palazzo Loredan zeigt, vgl. McTavish 1985,
Fig. 6, 7.
98
McTavish glaubt, daß die Szenen aus der römischen Geschichte in
der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu den beliebtesten Sujets
an venezianischen Fassaden gehörten, vgl. McTavish 1985, S. 195.
99
Zur Farbigkeit der venezianischen Fresken im Gegensatz zu
römischen Fassaden, vgl. McTavish 1985, besonders S. 189, Anm.
9, S. 193, Anm 38. Eine Zeichnung von Benedetto Caliari zu MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA ist mit Farbangaben versehen, vgl.
McTavish 1985, fig. 7 und 8.
100
Vgl. McTavish 1985, S. 188.
43
Der Palazzo Loredan am Campo Santo Stefano war mit Fresken
zur römischen Geschichte geschmückt. Nach Ridolfi zeigte die
Fassade des Loredanpalastes unter anderem die Heldinnen
LUKRETIA und CLOELIA und auch MUCIUS SCAEVOLA .101 Sie
stammten von Giuseppe Salviati, der sich schon einen Namen als
Fassadenmaler gemacht hatte. Er hatte bereits mehrere
Fassaden entlang des Canale Grande mit Szenen in chiaroscuro
dekoriert. 102 Die Fresken am Loredanpalast hingegen waren
farbig, was dafür sprechen würde, daß die Ausmalungen in den
späten 1550er Jahren entstanden, wie McTavish vermutet. In
diesen Jahren ging Salviati dazu über, die venezianische Praxis
der farbigen Freskomalerei für die Fassaden anzunehmen.
Von den Fresken ist nichts erhalten, auch kein Hinweis auf die
Anordnung oder Ausgestaltung der Szenen. Im Schloßmuseum in
Weimar befindet sich eine Zeichnung, die M UCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA zeigt. David McTavish sieht sie im Zusammenhang mit
der Fassade des Loredanpalastes.103
Die Szene ist in zwei Teile geteilt. Links ist mit einer Draperie ein
Zelt angedeutet, das die Personen davor zum Teil verschattet.
Dazu gehört Porsenna, der mit erhobenen Händen auf einem
Podest vorm Zelt sitzt und ein Begleiter zu seinen Füßen. Im
rechten Vordergrund ist der ermordete Schreiber am unteren
Bildrand zu sehen. Ein Mann steht dahinter, beugt sich zu dem
Toten herab und greift ihm unter die Arme als wolle er den
Leichnam wegschleppen. Links am Bildrand steht eine
Rückenfigur, die das Hantieren beobachtet und auf Mucius
Scaevola weist. Dieser steht am rechten Bildrand vor dem
Hintergrund eines Lagers mit mehreren Soldaten. Er streckt
seinen Arm in ein Feuer einer Standschale etwas links von ihm.
101
Vgl. McTavish 1985, S. 192-3, Anm. 35,38.
Vgl. Mc Tavish 1985, Anm. 32.
103
Vgl. McTavish 1985, S. 192-93, Anm. 37, Fig. 6.
102
44
Mit der Darstellung der römischen Historien führten sich die
Loredan auf alte Tugendheldinnen und -helden zurück. Mucius
Scaevola reklamierten sie sogar als ihren direkten Vorfahren.
Ihren Familiennamen Loredan führten sie auf die Laureati zurück,
die siegreichen Nachkommen von Mucius Scaevola.104
Mucius Scaevola ist in diesem Fall nicht nur ein allgemeines
Vorbild oder Tugendbeispiel, sondern verbildlichte die Genealogie
der Familie Loredan.105 Er stand für ihre besonderen
Eigenschaften und Tugenden, von denen man annahm, daß sie
von einer Generation auf die andere vererbt werden. 106 Mit der
Darstellung ihres vermeintlichen Vorfahren an der Palastfassade
präsentierten die Loredan ihre edle Abstammung und den Ruhm
ihrer Familie der venezianischen Öffentlichkeit. Mucius Scaevola
ist gewissermaßen Beleg für die lange Tradition des politischen
Engagements der Loredan. Die Loredan gehörten zum
regierenden Uradel Venedigs aus der Zeit vor dem 9.
Jahrhundert, den sogenannten case vecchie. Mit dem Fresko
betonten sie ihren Status gegenüber den case nuove und
nouvissime, die aufgrund ihrer Verdienste in den Adelsstand
erhoben worden waren. 107
Tintorettos Interpretation des Motivs
Etwa um 1545 schuf Tintoretto ein farbiges Ölgemälde auf
Leinwand zum Thema MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA .108 Es
gehört einer Serie von Gemälden mit extremen Querformaten an,
104
Vgl. Tassini 1970 und Loredan 1970 sowie McTavish 1985, S. 195,
Anm. 48 und Gottdang 1999, S. 13.
105
Die Indentifikation der Venezinaer mit der Antike und die
Rückführung der Stammbäume auf römische Vorfahren, war weit
verbreitet, vgl. Fortini Brown 1997, S. 232-232.
106
Vgl. Gottdang 1999, S. 61-63.
107
Vgl. Zorzi 1987, S. 473-476.
108
Siehe Kat. 7, vgl. Pallucchini/Rossi 1990, Kat. Nr. 97.
45
die im allgemeinen als cassoni identifiziert werden, grundsätzlich
jedoch andere quadri riportati sein könnten.109
Tintoretto interpretiert das Thema auf eine Weise, die sowohl von
den Cassoni im Quattrocento als auch von den zeitgenössischen
venezianischen Cassonebildern des Cinquecento abweicht.110
Er zeigt die Szene in einer Landschaft, aber umgeben von
Architektur, die einen unspezifischen Außenraum schafft. Im
mittleren Teil eröffnet sich ein Blick in die weitere Landschaft mit
antiken Architekturzitaten zum Forum Romanum. Vor dieser
Kulisse spielt das Geschehen im Vordergrund. Dort, im unteren
Teil der Bildmitte, liegt der getötete Schreiber ausgestreckt am
Boden. Links daneben steht Mucius vor einem niedrigen Altar, zu
dem er sich tief herabbeugen muß, um seine rechte Faust mit
dem Dolch in die Flammen zu halten. Rechts und links im Raum
befinden sich Personen, die sich alle der Leiche am Boden
zuwenden. Hinter Mucius stehen zwei reich gekleidete
Lanzenträger, die ihre Köpfe in Richtung des getöteten
Schreibers verneigen. Auf der rechten Bildhälfte befinden sich
fünf Personen, wie auf einem Tribunal. Die Person in der Mitte,
Porsenna, sitzt auf einem gestuften Podest. Ihm zur Seite sitzen
drei Männer und ganz rechts steht eine Frau, die ihre
Aufmerksamkeit, die wie Anteilnahme wirkt, auf den Getöteten
richtet. Ihre Anwesenheit läßt sich nicht durch die literarischen
Quellen erklären. Möglicherweise wurde sie auf Wunsch des
Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin in die Kompsition
aufgenommen.111
109
Vgl. Krischel 1994, S. 26-28.
Siehe Kat. 4, 8, 11, 18-21und 29.
111
In einem späteren Gemälde von Piazetta für Almorò Barbaro ist
ebenfalls eine Person am Rande der Szene gegenüber von Mucius
Scaevola integriert, die als Porträt des Auftraggebers vermutet wird.
Siehe S. 196-199 und 118.
110
46
Abgesehen von Mucius tragen die Anwesenden lange Gewänder,
die der zeitgenössischen Mode angepasst waren, zum Teil mit
orientalischen Elementen wie Turbane.
Dabei handelt es sich um ein allgemeines Phänomen, das sowohl
beim zeitgenössischen Kostüm112, als auch in einigen
Historiengemälden festzustellen ist.113 In ganz Italien wurden
Elemente ausländischer Moden in die eigenen Lokaltrachten
übernommen. Gerade in der venezianischen Tracht machte sich
aber der Einfluß aus dem Orient mit seiner Vorliebe für prunkvolle
Stoffe deutlich geltend.114
Unter den venezianischen Gemälden gab es Darstellungen, die
Mucius Scaevola vor Porsenna als antike Szene zeigten, als auch
solche, die das Thema in die Gegenwart übertrugen. Nicolò
Giolfino schuf in der ersten Hälfte des Cinquecento ein Tafelbild,
in dem er die Szene auf einem venezianischen campo mit
Venezianern als Protagonisten darstellte.115
Tintoretto verwies im Hintergrund auf das antike Rom, passte die
Handlungen im Vordergrund jedoch der gegenwärtigen Kultur an.
Er schuf so einen Bezug zu den aktuellen Verhältnissen, ähnlich
wie bei der Lanfredini-Cassone.116
Unter den venezianischen Cassonebildern gibt es einige, die sich
ausschließlich auf die Darstellung der Handverbrennung vor
Porsenna konzentrieren. Andere venezianische Darstellungen
von MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA , wie das von Tintoretto
112
Durch die Kreuzfahrer wirkten Einflüsse aus dem vorderen Orient auf
die Mode, was sich unter anderem in turbanähnlichen
Kopfbedeckungen zeigte, vgl. Loschek 1993, S. 112 - 115.
113
Die Integration von Orientalen in Historiengemälden war nicht
ungewöhnlich zu Beginn des 16. Jahrhunderts, vgl. Ausst.kat. Berlin
1989, S. 231-239.
114
Vgl. Thiel 2000, S. 158.
115
Der urprüngliche Kontext des Gemäldes ist nicht mehr zu
rekonstruieren, siehe Kat. 30, vgl. Martini 1992, S. 46, Fig. 26.
116
Siehe Kat. 4.
47
zeigen diese Szene, integrieren aber das Mordmotiv neben der
Verbrennung der Hand an zentraler Stelle.117
Solche Motivelemente finden sich auch in einigen Gemälden
nördlich der Alpen, die dem Umfeld protestantischer Kreise
zuzuordnen sind.118 Der Einfluß wäre nicht unwahrscheinlich, da
enge Beziehungen der venezianischen Protestanten in die
Schweiz und in das deutsche Reich bestanden. 119
Ungewöhnlich ist die tief gebeugte Haltung von Mucius Scaevola.
Die Darstellung des gebückten Helden vor dem Feuer ist eine
Ausnahme unter den venezianischen Darstellungen aus dem
Cinquecento. Es könnte sich dabei um die Darstellung der
männlichen Fortitudo passiva handeln, die in Cassoni bisweilen
der weiblichen Castitas passiva gegenübergestellt wurde.120
Da der ursprüngliche Kontext nicht mehr bekannt ist, fehlt die
Grundlage für weitergehende Interpretationen zu diesem
Gemälde von Tintoretto.
Überblick zur Motiventwicklung im Cinquecento
Zur Entwicklung des Motivs im Cinquecento läßt sich
zusammenfassend sagen, daß das Thema zunehmend populär
für die Bemalung von Cassoni und Fassaden geworden war.
In Rom wurde zunächst noch die bildliche Nacherzählung in
mehreren Episoden als Grisaille in der Bildtradition der antiken
Reliefs bevorzugt. In Venedig formulierte man das Thema eher in
einer einzigen, polychromen Szene.
Die frühen venezianischen Darstellungen von MUCIUS SCAEVOLA
VOR PORSENNA im Cinquecento waren zunächst mit den gleichen
117
Wie in den Truhenbildern von Bonifazio di Pitati, siehe Kat. 18-21
und den Darstellungen von Salviati und Giolfino, Kat. 29 und 34.
118
Siehe unten, ab S. 93.
119
Zum Protestantismus in Venedig vgl. Seidel Menchi 1990.
120
Vgl. dazu die Interpretation von Schubring zu zwei Cassone-Paaren
von Giolfino, Schubring 1925-26, S. 168.
48
Kontexten verbunden wie in den anderen Kunstzentren Italiens.
Aber die ikonographische Konzeption war eine andere. Die
Darstellungen zeichnete zunächst eine ikonographische Vielfalt
aus. Sie waren größtenteils antikisierend, konnten aber
zeitgenössische Motivelemente beinhalten oder wie bei Giolfino
ganz in die Gegenwart übertragen worden sein. 121 Mucius
Scaevola wurde sowohl als glorreicher stolzer Held wie auch als
demutsvoll gebeugte Figur präsentiert.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts setzte dann auch in
Rom der Umschwung vom Chiaroscuro zum farbigen
Fassadenfresko ein. 122
Auch für die Gestaltung der römischen Fassaden wurden die
Darstellungen vom gewerbetreibenden Bürgertum, dem mittleren
Stadtadel und den zur Kurie zählenden Würdenträgern in Auftrag
gegeben. 123 Jene Bürger, die nicht zum alten Stadtadel zählten
und nicht selten Neubürger aus den Stadtrepubliken waren,
konnten auf diese Weise adelige Werte wie Altertum, Ruhm oder
politische Tugend für sich reklamieren.
In ähnlicher Weise ging es auch in Venedig um die Kompensation
der Unterschiede von altem und neuem Adel. Die case vecchie
dokumentierten mit den antiken Tugendhelden, daß sich ihr
Status ebenso auf Verdienste für den Staat gründet. Anders als
die Familien, die erst im 13. oder 14. Jahrhundert geadelt wurden,
konnten sich Familien wie die Loredan jedoch auf eine weit
zurückreichende Tradition berufen. Dazu deklarierten sie antike
Tugendexempel als ihre Vorfahren.
121
Vgl. Haussherr 1984, S. 28-34.
Vgl. Kultzen 1961, S. 71.
123
Darauf hat Kultzen hingewiesen, vgl. Kultzen 1972, S. 266-267.
122
49
Für die italienischen Darstellungen im Cinquecento zeichnet sich
ab, daß verschiedene Auftraggeberinteressen und Kontexte mit
dem Thema verbunden werden. Anhand von Ausstattungen in
römischen Repräsentationsräumen sollen diese ikonographischen
Variationen innerhalb unterschiedlicher Kontexte abgegrenzt und
differenziert analysiert werden.
50
DAS MOTIV IN FRESKENZYKLEN
RÖMISCHER
REPRÄSENTATIONSRÄUME
Wie die Cassoni und die Fassadenmalerei gehören die römischen
Repräsentationsräume zu den frühen Kontexten, in denen das
Sujet MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA auftritt.
In Rom setzte sich das Bildthema Mucius Scaevola vor Porsenna
für die Ausmalung von Schauräumen durch. Die Dekoration von
Bauten durch Fresken mit Themen aus der römischen Geschichte
war eng an Neu- und Umbauten in der Stadt geknüpft. 124
Mit dem Pontifikat von Nikolaus V. hatte der Wiederaufbau Roms
im Quattrocento begonnen. Die rege Bautätigkeit wurde von den
Mitgliedern des neu konsolidierten Kirchenstaates initiiert. Für die
kurialen Ämter wurden Männer aus den führenden
Gesellschaftsschichten oder unter gebildeten, ambitionierten
Aufsteigern rekrutiert. Unter den Kardinälen und Prälaten waren
häufig Humanisten mit weltlichen Interessen, die den
Anforderungen eines modernen Staates gerecht werden
konnten. 125
Päpste, Kardinäle und Prälaten aus den toskanischen und
oberitalienischen Kommunen brachten eine fortgeschrittenere,
zivilisiertere Wohnkultur mit. Auch Bankiers und Händler, die von
der prosperierenden Stadt angezogen wurden, ließen sich hier
nieder und begannen, neue palazzi in unmittelbarer Nähe des
Papsthofes zu bauen. Es verwundert daher nicht, daß die ersten
124
Zu römischen Freskendekorationen vgl. De Jong 1987, besonders
Deel II: V Frescodecoraties met klassieke onderwerpen in Rome,
Circa 1370-1555, S. 91-118.
125
Zu den Renaissancekardinälen vgl. Firpo in: Garin 1996, S. 79-142.
51
römischen Historien in den Repräsentationsräumen ihrer Palazzi
zu finden waren.
Die neuen Paläste wurden mit aufwendigen
Dekorationsprogrammen ausgestattet. Römische Historien wie
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA sind seit dem späten
Quattroento in Bildprogrammen repräsentativer Innenräume
nachzuweisen. Vor allem in der ersten Hälfte des Cinquecento
entstanden in Rom komplexe Freskenzyklen von den
renommiertesten Malern der Zeit. Die Raumaustattungen in
anderen Zentren Italiens orientierten sich an den römischen
Vorbildern und wurden häufig auch von römischen Künstlern
freskiert. 126
Zu den prächtigsten Innenräumen der Palazzi zählten die großen
Säle, die für verschiedene Anlässe genutzt werden konnten. Die
Sala Grande oder auch salone, aula oder nur sala genannt, gab
es sowohl in den Palazzi und Castelli als auch in den Villen.
Gewöhnlich befand sich dieser repräsentative Raum im Piano
Nobile des Fassadentraktes. Bei üppigem Wand- und
Deckenschmuck waren die Säle ansonsten nur spärlich
eingerichtet und entsprechend vielseitig einsetzbar. Hier wurden
Gäste empfangen, Geschäfte getätigt, fanden vor allem die
offiziellen und die wichtigen privaten Ereignisse statt. Dazu
zählten große Zeremonien und Audienzen ebenso wie Feste,
Bankette und Theateraufführungen.127
Die opulenten Ausschmückungen beschränkten sich jedoch nicht
immer nur auf den Großen Saal. Ebenso konnten andere, für
Aussenstehende zugängliche Räume, wie Bibliotheken oder
Loggien, in aufwendiger Weise ausgemalt sein.
126
Raumausstattungen mit dem Sujet Mucius Scaevola wurden von
Falconetto in Mantua, Perino del Vaga in Genua und später von
Romanelli in Paris geschaffen. Gherardi, der Mucius im Castello
Bufalini malte, war von Vasari und Polidoro angeregt.
127
Frommel, 1973, Bd. 1, S. 66ff.
52
Für die Ausstattung der Innenräume wurde wie in der
Fassadenmalerei auf antike Schemata und Formen
zurückgegriffen.128 Beliebt war die Anlehnung an antike
Kassettendecken, wo verschiedene Motive innerhalb einer
rahmenden Struktur zu einem komplexen Programm arrangiert
wurden. Sie wurde in der Regel als Fresko in Verbindung mit
rahmenden Stuckelementen ausgeführt, seltener waren
eingelassene Leinwände. Durch die Stuckrahmen waren die
Decken zumeist symmetrisch gegliedert. Das Zentrum der
Decken war oft durch das Familienwappen der Auftraggeber
bestimmt. In die verschiedenen Felder konnten Historien,
Porträtmedaillons oder Embleme eingebracht sein. Verbleibende
Zwischenräume können mit ornamentalen Elementen, Grotesken
oder heraldischen Motiven gefüllt sein. Die Gliederung in
Kompartimente, das Rahmen von Bildfeldern mit Ornamenten und
illusionistische Architektur wurden konstitutiv für die Decken- und
Wanddekorationen in Repräsentationsräumen.
Diese Gestaltung geht auf Pinturicchio zurück, der als
Wiederentdecker antikischer Raumgestaltung gilt. 129 Er war der
bedeutendste Maler komplexer Bildprogramme all' antica. Seine
frühen Fresken beherrschten wichtige römische
Repräsentationsräume am Ende des Quattrocento, da er sich und
seiner Werkstatt nahezu alle großen Aufträge sichern konnte.130
Pinturicchio nutzte die illusionistischen Möglichkeiten der Malerei,
die auch in der Cassone- und Fassadenmalerei eingesetzt
wurden. Andere künstlerische Techniken wie Mosaik und Reliefs
wurden imitiert 131 oder es wurden architektonische Strukturen
128
Diese sind im Gegensatz zu den Fassadenfresken häufig noch in
situ.
129
Vgl. Schulz, 1962, S. 36.
130
Wichtige Aufträge übernahm er für die Riario-und Della RovereNeffen von Sixtus IV. und für den Borgia-Papst Alesander VI., vgl.
Nesselrath in: Ausst.kat. Bonn 1999, S. 241.
131
In der Loggia des Palazzo Della Rovere an der Piazza SS. Apostoli
hatte Pinturicchio einige Szenen in Grisaille gemalt, die wie Kameen
53
initiiert, die antike Mauern, Ausblicke, Säulen, Bögen oder
Architekturschmuck suggerierten.132 So wurden kostbare
Ausstattungen mit vermeintlich antiken Spolien oder wertvollen
Materialien vorgetäuscht.
Diese Bildprogramme wurden von verschiedenen Auftraggebern
favorisiert. Die darin integrierten Darstellungen der römischen
Helden waren zu Beginn des Cinquecento nicht mehr nur in den
Palazzi der Bürger und der städtischen Regierungen zu sehen,
sondern auch am Papsthof. Römische Historien und andere
profane Bildthemen wurden zum Teil in den weltlichen
Schauräumen der Kurie eingesetzt, für deren Ausstattung im
Prinzip die gesamte Bandbreite der Ikonographie zur Verfügung
stand.133 Für die Bibliotheken der Päpste schien das Thema
ebenso adäquat wie für die repräsentativen Empfangs- und
Festsäle der Kardinalspaläste.
Neben dem Papst und den obersten Vertretern des
Kirchenstaates wurde die Heldentat des Mucius Scaevola auch in
Rom vom Stadtregiment für den Konservatorenpalast in Auftrag
gegeben.
Entsprechend der spezifischen Kontexte wurde das Sujet in
unterschiedlicher Form umgesetzt und dementsprechend
variierten auch die mit dem Bildthema verbundenen Inhalte.
Verschiedene römische Repräsentationsräume, die Zyklen mit
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA zeigen, und die damit
verbundenen Themenkreise, sollen im folgenden untersucht
werden.
vor einem Hintergrund aus fingiertem goldenem Mosaik erscheinen.
Andere sind in Tondi als imitierte Bronzemedaillons dargestellt, vgl.
Carli 1960, S. 32.
132
Wie in der Ausmalung von Pinturricchio im Palazzo von Domenico
della Rovere, vgl. Carli 1960, S. 32-33 und Redig de Campos 1962.
Zu antiken Elementen in Pinturicchios Dekorationsprogrammen, vgl.
Schulz 1962.
133
Anders als in sakralen Räumen, vgl. Held/Schneider 1993, S. 137.
54
Palazzi der Curia romana
Die römische Kurie, curia romana, bezeichnet den päpstlichen
Regierungsapparat von Behörden und Ämtern, die dem Papst als
geistlichem und weltlichem Souverän dienten.
Das Kardinalskollegium bildete das Hauptberatungsgremium der
Päpste. Im Laufe des Mittelalters hatten die Kardinäle ihren
Einfluss gestärkt und es war ihnen gelungen, an der Regierung
der Kirche mitzuwirken und an den Einkünften der Päpste
teilzuhaben. Der Machtzuwachs fand Ausdruck im Mäzenatentum
und einer fürstlichen Hofhaltung, besonders unter den Nepoten
und ihren Familien. 134
Das Bestreben, der eigenen Macht und dem Ansehen der Familie
durch prachtvolle Ausmalungen in den Palästen Ausdruck zu
verleihen, war auch unter den weiteren Mitgliedern der Kurie
unterhalb des Kardinalsranges verbreitet. Dazu zählten die
Mitglieder der römischen Prälatur und der Behörden sowie
weitere Amtsträger, die Dienstleistungen für den Papst, im
päpstlichen Palast und innerhalb kirchlicher Funktionen
ausführten. 135
Die Loggia im Palazzo Della Rovere
Das älteste erhaltene Beispiel für die Darstellung von MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA in einem Repräsentationsraum befindet
134
Zum Lebensstil, Einkünften und Ausgaben der Kardinäle vgl. Firpo
in: Garin 1996, S. 79-142, besonders S. 96-106.
135
Die Prälaten gehörten ebenfalls der Kurie an, standen aber an Rang
unter den Kardinälen. In der Hierarchie folgen die Advokaten,
Notare, Expeditoren und Agenten als Kurialen im engeren Sinne, vgl.
Ganzer in Ausst.kat. Bonn 1999, S. 160-161. Auch die Prätendenten
(Amtsanwärter) ließen ihre Paläste und Villen ausmalen, vgl.
Partridge 1996, S. 145.
55
sich im Palazzo Della Rovere-Colonna an der Piazza SS.
Apostoli.
In der ehemaligen Loggia, heute die Sala della Fontana im
Appartamento Principessa Isabelle, sind Teile einer
Gewölbeausmalung von Pinturicchio erhalten, die neben Themen
aus dem Alten Testament auch Sagen aus der griechischen und
der römischen Geschichte zeigen, darunter auch die Heldentat
von Mucius Scaevola.136
1484, ließ Kardinal Giuliano della Rovere, der spätere Papst
Julius II, seinen Palazzo zum wiederholten Male erweitern. Der
Bau lag hinter der Apsis und hatte die Form einer Loggia, die
nach Süden zu einem Innenhof mit Garten geöffnet war. Diesen
Raum, überspannt von einem Spiegelgewölbe, ließ Giuliano
zwischen 1484 und 1492 von Pinturicchio ausmalen.137
Von den Ausmalungen sind noch die Zwickel sowie die
Stichkappen an der Längseite erhalten.138 Dieser Teil imitiert eine
stuckierte Decke, deren Grund in blau und gold gefasst ist.
Alle Zwickel enthalten jeweils drei Szenen zu einem Thema aus
dem Alten Testament, der griechischen oder der römischen
Geschichte. Eine größere Darstellung in der Mitte wird von zwei
kleineren Tondi begleitet. Die Szenen zeigen sich in
reliefimitierender Malerei und sind auf ein Minimum reduziert. Die
zentralen Szenen in den vier Zwickeln der Längsseiten haben
eine polygone Form, während die beiden Zwickel der
Schmalseiten von rechteckigen Hauptszenen bestimmt werden.
136
Siehe Kat. 12, vgl. Safarik 1999, S. 90-93.
Zur Zeit, als Kardinal Giuliano die Ausmalung der Loggia in Auftrag
gab, war er Anführer der Opposition gegen die Borgias. Als sein
Gegenspieler, der Vize-Kanzler Podrigo Borgia, 1492 zum Papst
Alexander VI. gewählt wurde, floh er zu König Karl VIII. von
Frankreich. Damit läßt sich die Entstehung der Fresken für die Jahre
zwischen dem Bau 1484 und dem Exil 1492, festlegen.
138
Die Ausmalung des Spiegels und der Lünetten an den Seiten wurde
im 17. Jahrhundert durch Werke von Cavaliere D`Arpino und
Francesco Allegrini und Gaspar Dughet ersetzt, vgl. De Jong, 1987,
S. 275; Schulz, 1962, S. 45ff.
137
56
Sie erscheinen in Grisaillemalerei wie Kameen vor einem
goldenen Hintergrund. Die zugeordneten Tondi sind dagegen
imitierte Bronzemedaillons. 139
Nur ein Teil der dargestellten Szenen läßt sich identifizieren.
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA bestimmt als die zentrale,
rechteckige Hauptszene eine Schmalseite der Loggia.140 Die
vermeintlichen Bronzemedaillons darüber zeigen die Heldentaten
des Marcus Curtius und Horatius Cocles. In einem der sich
anschließenden Zwickel an der Längsseite scheinen ebenfalls
Sagen aus der römischen Antike dargestellt zu sein. Der TOD DER
VIRGINIA ist das zentrale Motiv, begleitet von DER FLUCHT DER
CLOELIA und einer nicht identifizierten Szene.141 Der folgende und
der Zwickel an der gegenüberliegenden Schmalseite enthalten
Szenen aus der griechischen Geschichte. Die Hauptszenen
zeigen den SELBSTMORD DES THEMISTOCLES und den Triumpf
eines Königs. Begleitende Szenen zeigen Cinegirus und eine
spartanische Mutter, die ihrem Sohn einen Schild reicht.142 Die
anderen Motive in den Medaillons sind nicht identifiziert.
Die Polygone und Medaillons an der gegenüberliegenden
Längsseite zeigen Themen aus dem Alten Testament. Die beiden
zentralen Zwölfecke darin verweisen auf bekannte
Enthauptungen.
Eines stellt JUDITH MIT DEM HAUPT DES HOLOFERNES dar; die
begleitenden Szenen sind ESTHER VOR AHASVER und SAMSON
STÜRZT DIE SÄULEN DES PHILISTERTEMPELS . Die Hauptszene im
daneben liegenden Zwickel zeigt DAVID MIT DEM HAUPT DES
GOLIATH , daneben JONATHAN UND DAVID und ABSALOMS TOD.
139
Vgl. Carli 1960, S. 32.
Siehe Kat. 12.
141
Ein Mann zu Pferd tötet ein Ungeheuer, wahrscheinlich auch ein
Motiv aus der römischen Geschichte wie die anderen beiden
Szenen. De Jong schlägt Atilius Regulus vor, der eine Schlage tötet,
vgl. de Jong 1987, S. 276.
142
Nach der Interpretation von de Jong 1987, S. 275-76.
140
57
In dem Gewölbe der Loggia werden biblische Erzählungen und
antike römische und griechische Sagen zu einem Bildprogramm
vereint. Historische Taten für das jüdische Volk und den Staat
Israel-Juda stehen neben Heldenszenen aus der Geschichte des
griechischen und römischen Staates. Die verschiedenen Motive
zeigen inhaltliche Parallelen. Es sind elementare Ereignisse aus
der Geschichte verschiedener Völker und Staaten dargestellt. Alle
Sujets behandeln legendäre Heldentaten, die dem Wohle oder
der Errettung eines Volkes dienten. Vor allem der persönliche
Einsatz einzelner für ihren Staat bzw. für ihr Volk wird hier
thematisiert.
Damit wird das Thema der antiken virtus, wie zuvor schon in den
kommunalen Bildprogrammen, durch legendäre Figuren aus der
Geschichte illustriert. Nur wurden für die Loggia des
Kardinalspalastes Heldinnen und Helden verschiedener Völker
ausgewählt. Zusammen mit dekorativen Motivelementen dienten
die Szenen an den Gewölbewangen als Rahmen für das oder die
zentralen Motive am Gewölbespiegel. Dies ähnelte in der
Konzeption der Akanthusranke um die zentralen Bildfelder an der
Bronzetür von Filarete.
Giuliano Della Rovere war zu dieser Zeit Kardinal unter Papst
Sixtus IV ., Francesco Della Rovere, seinem Onkel und Förderer.
Dieser hatte Giuliano im Franziskanerkloster in Perugia Recht
studieren lassen und hatte ihn, direkt nach seiner Wahl zum
Papst, zum Kardinal gemacht und verlieh ihm in den folgenden
Jahren noch weitere Ämter. Giuliano nutzte diese, um zahlreiche
Kontakte zu knüpfen, die ihn unter dem Nachfolger Sixtus IV .,
Innocentius VIII., zum wichtigsten Mann in der Kurie machten.143
Schon als Kardinal, später auch als Papst verschrieb er sich der
Festigung und Expansion des Kirchenstaates.
143
Vgl. Stadler 1983, Artikel 'Julius II.' sowie TRE, Artikel 'Julius II.'
58
Zur Zeit seines großen Machtzuwachses untermauerte Giuliano
mit der Ausschmückung seine Position und verlieh sich
zusätzliches Prestige. Die Ausmalung der Loggia entsprach der
Vorstellung von einer idealen Palastdekoration mit Darstellungen
von großen Taten. 144 Die prächtige Ausstattung der
Kardinalspaläste wurde als Pflicht angesehen. Der Palast war ein
politisches Instrument, das die Macht der Bewohner und der
Institution, der sie dienten, stützte und stärkte. Da Giuliano selbst
aus bescheidenen Verhältnissen aus Savona stammte, war die
Ausmalung nicht zuletzt dazu angetan, von seinen
staatsmännischen Fähigkeiten zu überzeugen und von seiner
Motivation sich für den Staat einzusetzen.
Die Bildprogramme in den Kardinalspalästen sollten die Kardinäle
als Humanisten führende Patrone der Kultur ausweisen. Giuliano
zeigt sich mit den Fresken in der Loggia seines Palastes nicht nur
als engagierter Staatsdiener, sondern ebenso als humanistischer
Fürst.
Der salone der Villa Turini
In einem etwas anderen Kontext steht die Darstellung von MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA in der Villa Turini 145. Bereits unter Julius
II. hatten die Mitglieder des jungen Adels begonnen, ihre
Wohnsitze aus der lebhaften Altstadt vor die Tore der Stadt zu
verlegen, wo regelrecht Viertel mit villenartigen Anlagen
entstanden.146 Zu diesen ville suburbane zählte auch die Villa
Turini.
144
Nach Paolo Cortesi 'De cardinalatu', wo im 2. Kapitel des 2. Buches
der ideale Palast des Kardinals beschrieben wird, abgedruckt und
kommentiert von Weil-Garris/D' Amico 1980, vgl. S. 47-64. Vgl. auch
Alberti 1991, Buch VII, Kapitel X und Buch IX, Kapitel IV, S. 381,
485.
145
Heute durch den späteren Besitz der Familie Lante, als Villa TuriniLante bezeichnet.
146
Anders als in den übrigen Regionen Italiens, beispielsweise im
59
Die Villa wurde von einem Kunstliebhaber und engem Vertrauten
des Medici-Papstes Leo X. außerhalb der Stadtmauern auf dem
Gianicolo, einem der Hügel Roms, erbaut.
Der Bauherr, Baldassare Turini, stammte aus einer einflußreichen
Familie in Brescia und hatte früh engen persönlichen Kontakt zu
den Medici, insbesondere zu Giovanni de Medici.147 Als dieser als
Papst Leo X. den Thron bestieg, ernannte er Turini zum datario,
dem Chef der päpstlichen Kanzlei.148
Schon kurz nach seiner Ernennung, im April 1518, begann Turini
mit dem Bau seiner Villa mit Sicht auf Rom. Wahrscheinlich hat
Raffael, der ein guter Bekannter von Turini war, ihm seinen
Schüler Giulio Romano als Architekten vermittelt.149 Die
Bauarbeiten dauerten mit Unterbrechung bis etwa 1531.150 Nach
einer Inschrift auf der Mauer des Salons waren die Dekorationen
1527 abgeschlossen.
Veneto, hatten diese römischen Villen in unmittelbarer Nähe der
Stadt keine landwirtschaftlichen Funktionen, sondern dienten
hauptsächlich der kurzfristigen Erholung. Die Besitzer waren in der
Regel römische Neubürger, die mit dem Papsthof verbunden waren.
Die alteingesessenen Clans hingegen, pflegten das Landleben in
familieneigenen rocche oder castelli, vgl. De Jong 1987, S. 118-120.
147
Vgl. Stenius 1981, S. 72.
148
Das Amt des datario wurde nur mit besonderen Vertrauensleuten
besetzt, wegen der Schlüsselposition im Benefizienwesen und
wegen der Tatsache, daß die Einnahmen der Datarie als
Privatschatulle des Papstes galten, aus der beispielsweise auch die
Zahlungen an die Nepoten geleistet wurden. Zu Papstfinanz und
Nepotismus, vgl. Reinhard 1974, S. 8. Vgl. auch LThK, Artikel
'Datarie' und 'Apostolische Kammer'.
149
Vgl. Keller 1986, S. 353-55 sowie Frommel 1973, S. 113f. Anm. 42.
De Jong bezweifelt, daß Giulio Romano der Architekt war, da dies
sein erster Bau im Alter von neunzehn Jahren gewesen wäre, vgl.
De Jong 1987, S. 459.
150
Der Bau war zwischenzeitlich zum erliegen gekommen, da Turini
nach dem Tod von Leo X. seinen Posten verlor. Mit der Wahl des
neuen Medici-Papstes 1523, Clemens VII, erlangte er wieder eine
Stellung im Vatikan und konnte den Bau fortsetzen. Zu den Daten
vgl. de Jong, S. 459.
60
Die Dekorationen im piano nobile der Villa Lante gehören zu den
vielgerühmten und besterhaltenen des frühen 16. Jahrhunderts. 151
Die Decke wird von einem Spiegelgewölbe mit Fresken und
Stukkaturen überwölbt.152 Von welcher Hand die Fresken
stammen, ist umstritten. Vasari nennt Guilio Romano, andere
vermuten Polidoro da Caravaggio.153
Den Gewölbespiegel hat ursprünglich wahrscheinlich das Turinioder Medici-Wappen geschmückt. 154 Zu den vier Seiten schließt
sich je ein Rechteck an, das in drei horizontale Bildfelder
gegliedert ist. Die größeren mittleren Teile bergen die
Hauptszenen mit Ereignissen aus der römischen Antike.
Dargestellt sind die Begegnung von JANUS UND SATURNUS , die
FLUCHT DER CLOELIA , die BEFREIUNG DER CLOELIA und die
AUFFINDUNG DES GRABES VON NUMA POMPILIUS . Die antiken
Historien sind durch den Umstand verbunden, daß sie sich alle
auf dem Gianicolo abgespielt haben sollen, dem Hügel auf dem
auch die Villa errichtet wurde.
Ober- und unterhalb dieser Hauptszenen sind Tondi mit
Terracottabüsten und dekorative Szenen mit kriegerischen
Auseinandersetzungen zu sehen. Zu den Seiten der großen
151
Vgl. Mond in: La collezione Hertz e gli Affeschi di Giulio Romano nel
Palazzo Zuccari, 1928, S. 5. Die Fresken am Gewölbe des Salone
waren 1891 abgenommen worden und wurden in einer speziell dafür
konstruierten Decke im Palazzo Zuccari, heute Sitz der Biblioteca
Hertziana, angebracht.
152
Das Deckenprogramm des Salone wird ausführlich bei Lilius
beschrieben, S. 133-263, Taf. 30-32, 45-78, vgl. auch Steinby in:
Prandi 1954, S. 1-29, Fig. 5, 7.
153
Zuletzt hat Gnann die Decke als gemeinsame Arbeit von Giulio und
Polidoro identifiziert, Gnann 1997, S. 137-157, vgl. auch McGrath
1997, S. 236; Frommel 1989, S. 92; Hartt 1981, S. 62-64, §13: Villa
Lante und Marabottini 1969, S. 80-81.
154
Heute befindet sich an dieser Stelle das Borghese-Wappen von
Papst Paul V, das anläßlich seines Besuches der Villa 1607
angebracht wurde, vgl. Prandi 1954, S. 12 und de Jong, 1987, S.
463.
61
Rechteckfelder sind jeweils zwei kleinere Hochformate
übereinander angeordnet. Die oberen zeigen Impresen der Medici
und Turini.155 Darunter sind Episoden, die Bezug auf die
Hauptszenen nehmen, dargestellt. Sie setzen sich aus Motiven
der römischen Geschichte, der griechisch-römischen Mythologie
und zum Teil aus Allegorien zusammen.
Eine dieser hochformatigen Szenen zeigt MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA als Grisaille.156 Die Szene beschränkt sich auf die
wichtigsten Personen: Mucius, Porsenna und den getöteten
Schreiber. Als Umgebung ist ein Zelteingang am oberen Bildrand
angedeutet. Links befindet sich das Opferfeuer und dahinter im
Halbprofil steht Mucius Scaevola. Er hält seine Rechte in die
Flammen und blickt dabei auf den getöteten Schreiber am Boden.
Mit der Linken zeigt er auf das Messer in der Brust des Toten.
Porsenna sitzt am rechten Bildrand und sieht mit erhobenen
Händen auf die Tat des Mucius.
Auffällig an diesem Motiv ist, daß nicht das Verbrennen der Hand,
sondern der Hinweis auf den zuvor durch ihn begangenen Mord
in den Bildmittelpunkt gerückt ist. Im Zentrum steht die linke
Hand, mit der Mucius auf die Leiche am Boden weist. Hier wird
nicht allein auf die mutige Tat vor Porsenna, sondern vielmehr auf
den zuvor getöteten Schreiber verwiesen. 157 Der geschichtliche
Kontext, die Auseinandersetzung zwischen Etruskern und
Römern, wird so stärker berücksichtigt.
Mucius Scaevola ist hier als einer der genii loci dargestellt, deren
denkwürdige Taten auf dem Gianicolo stattgefunden haben sollen
155
Vgl. Lilius 1981, S. 233-235.
Siehe Kat. 13.
157
Hier liegt eine ähnliche Akzentverschiebung wie in dem Truhenbild
von Tintoretto vor. Eventuell ist dies auf litarische Vorlagen
zurückführen, die zum Teil deutlich von der Geschichte bei Livius
abweichen, wie die Version des Valerius Maximus, die die
Selbstverbrennung als Bestrafung der versagenden Hand
interpretiert, vgl. Valerius Maximus 3, 3, siehe Anhang II.
156
62
und die den Standort der Villa als historisch bedeutsamen Ort
erscheinen lassen. Auch für die Villa selbst sollte der Mythos
einer bedeutenden antiken Geschichte herausgebildet werden.
Turini hat dazu, wahrscheinlich mit Hilfe der Antiquare um Raffael,
die antike Villa von Martial als Ursprungsbau seiner Villa
reklamiert.158 Das gelang offenbar so überzeugend, daß in der
nachfolgenden antiquarisch-topographischen Literatur Martials
Villa am Ort der Villa Turini lokalisiert wird.159 Die Identifizierung
des Bauplatzes auf dem Gianicolo als einen geschichtsträchtigen
Ort könnte durch die Studien Raffaels zu seinem antiken Romplan
inspiriert worden sein.160 Der Aufbau einer so komplexen Legende
und die Umsetzung in das künstlerische Programm konnte durch
gelehrte Humanisten und Künstler um Raffael geschehen, mit
denen Turini persönlich bekannt war.161 Bereits vor ihrer
Fertigstellung war die Villa und die sich darum rankende Legende
über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt.162
Die Ausstattung mit Szenen aus der antiken Geschichte Roms
entsprach eher den ikonographischen Programmen der
158
Die Identifizierung erfolgt durch angebrachte Inschriften oder ist in
Gemälden angedeutet.Eine Inschrift über der Tür der Loggia zitiert
ein Gedicht von Martial und erläutert die Aussicht: HINC TOTAM
LICET AESTIMARE ROMAM . Die Aussicht auf ganz Rom und die
Konzeption als Stadthaus stimmen mit der antiken Villa des Martial
überein, vgl. Keller 1986, S. 349-353. In dem Gemälde, das die
Auffindung des Grabes von Numa Pompilius zeigt, ist eine antike
Villa auf dem Gianicolo zu sehen, die der Villa Turini gleicht, vgl.
Prandi 1954, Fig. 8, S. 16.
159
Vgl. Keller 1986, S. 350-351.
160
Keller verweist darauf, daß Raffael 1518/19 mit intensiven Studien
zur Descrittione et pittura di Roma antiqua beschäftigt war, vgl.
Keller 1986, S. 350.
161
Marabottini beschreibt, daß sich in der Villa Künstler, Dichter und
Literaten trafen, vgl. Marabottini 1969, S. 80. Turini selbst war Mäzen
und wohl auch als Vermittler zu Künstlern für die Medici tätig, vgl. De
Jong 1987, S. 461 und Stenius 1981, S. 80.
162
Baldassare Castiglione erkundigte sich in einem Brief an seinen
Agenten in Rom nach dem Fortschreiten der Bauarbeiten. vgl.
Steinby in: Prandi 1954, S. 7 und Lilius, S. 38-39, Anm. 11 und S. 40.
63
städtischen Palazzi.163 Interessanterweise bezeichnen die
zeitgenössischen Quellen die Villa Turinis auch als palazzo oder
palazzo suburbano. 164 Mit der Ausstattung waren ähnlich
repräsentative Funktionen verbunden.
Das Bildprogramm an der Decke des salone diente nicht allein
der Konstruktion einer bis in die Antike zurückreichenden
Geschichte der Villa. Die Historien sind mit den Impresen der
Familien Turini und Medici verbunden und sagen damit auch
etwas über die Beziehung der Familien und ihr Selbstverständnis
aus. Ein Teil der dargestellten Ereignisse kreist um die
Auseinandersetzungen zwischen Etruskern und Römern bzw. um
die anschließende Aussöhnung und den seitdem besiegelten
Frieden, wie Gnann es zuletzt formuliert hat. 165 Besonders die
Geschichte der Cloelia, die in zwei der vier Hauptszenen
dargestellt wird 166, steht für die Beendigung des Krieges zwischen
Etruskern und Römern. Die FLUCHT DER CLOELIA wird von den
Darstellungen MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA und HORATIUS
COCLES VERTEIDIGT DIE BRÜCKE begleitet, die vorausgegangene
Konfrontationen thematisieren. 167
Die historischen Konflikte zwischen Etruskern und Römern hatten
aktuelle Parallelen in dem Verhältnis von Florenz und Rom, das
nicht immer zum besten stand. 168 Unter Leo X. und später auch
unter Clemens VII. war die Politik darauf ausgerichtet, die
Beziehungen zwischen Rom und Florenz zu verbessern. Der
163
Zur Bedeutung der römischen Villen und ihrer
Ausstattungsprogramme vgl. De Jong 1987, S. 118-163, zur
Ikonographie der Ausstattungen, S. 126-134.
164
Obwohl die Architektur dem Villenbau angelehnt war, vgl. Lilius 1981,
S. 53.
165
Vgl. Gnann 1997, S. 136-137, Anm. 572.
166
In weiteren Bildfeldern auch ihr Reiterstandbild und ihre Porträtbüste.
167
Vgl. Livius, Ab urbe condita, Liber II, 10 (Horatius Cocles), 12
(Mucius), 13,6 (Cloelia).
168
Lilius hat die antiken Themen auf die zeitgenössische politischideologische Situation unter dem Pontifikat Leo X. übertragen, Lilius
1981, S. 251-263.
64
ikonologische Gehalt des Freskenprogrammes an der Decke im
Salone war somit die Friedensleistung von Leo X., der die
gegnerischen Institutionen der Medici und des Papstes in sich
vereinte.
Turini inszeniert mit dem Bau seiner Villa und in der Dekoration
des salone einen legendären Ort, wo sich wichtige Ereignisse aus
der Stadtgeschichte abgespielt haben und wo schon Martial
lebte.169 Damit übernimmt er die künstlerischen Ausdrucksformen
der alten Clans von Rom.170 Zugleich wird ein Bezug von den
antiken Auseinandersetzungen zwischen den Etruskern und
Römern zu den Turini und Medici hergestellt, die gerade für die
Aussöhnung zwischen den aktuellen Pendants Florenz und Rom
standen. In diesem Sinne wird die Politk von Leo X. mit diesem
Bildprogramm gefeiert.
Mucius Scaevola vor Porsenna in den Palästen der
Kurie
Die Beispiele der Freskenzyklen im Palazzo della Rovere und der
Villa Lante haben gezeigt, das für die Bildprogramme in den
Kurialpalästen Sujets aus der römischen Republik gewählt
wurden, die letztlich in den kommunalen Kunstzentren entwickelt
worden waren. Beide Gewölbedekorationen zeigen auch noch
formale Einflüsse der Historienbilder aus dem Quattrocento.
Beispielsweise erinnert die Einbindung der Heldengeschichten im
Palazzo della Rovere an die Gestaltung der Bronzetüren. In
169
Der im übrigen auch ein Epigramm zu Mucius Scaevola verfasst hat,
siehe Anhang VI (21).
170
Das Berufen auf altrömische Wurzeln durch Häuser an historischen
Orten war ansonsten die Sache der großen alten Adelsfamilien, die
sich so von den Parvenüs zu distanzieren suchten. Ein Beispiel dafür
ist der von Baldassare Peruzzi ab 1519 neugestaltete Palast der
Savelli, der auf den Resten des antiken Marcellus-Theaters
aufgebaut wurde, vgl. Reinhardt 1992, S. 107-109, Abb. 28.
65
beiden Fällen bilden reduzierte Szenen aus verschiedenen
Quellen zusammen mit ornamentalen Schmuckformen einen
Rahmen für eine zentrale Darstellung.
Im Palazzo Turini sind einige Gemälde an der Decke noch
deutlich an die Vorbilder der cassoni angelehnt. 171
Das Thema MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA ist in beiden
Kurialpalästen als Reliefimitat in kleinen Zyklen zusammen mit
anderen Episoden aus der klassischen Geschichte in die
aufwendigen Dekorationsprogramme integriert. Die üppigen
Bildprogramme entsprachen dem repräsentativen Anspruch, dem
die Palazzi der Kurie genügen sollten.172
Die integrierten Sujets wurden nach den persönlichen
Ansprüchen der Auftraggeber gewählt und zu einem individuellen
Dekorationsprogramm entsprechend der beabsichtigten Idee,
dem fondamento principale, zusammengestellt. Sie wurden in der
Regel von beauftragten Humanisten in Abstimmung mit dem
Auftraggeber und dem Künstler konzipiert. Die Aufgabe war, den
Bewohner und den Staat, dem er als Günstling oder Nepot diente,
politsch und kulturell zu repräsentieren.
Die Auftraggeber waren Neubürger aus anderen Städten Italiens,
die die beruflichen Möglichkeiten im sich neu konsolidierenden
Kirchenstaat genutzt hatten. Für die Ämter wurden zu einem nicht
unwesentlichen Teil Fachleute aus den Stadtrepubliken rekrutiert.
Sie hatten dabei offenbar keine Probleme, Heldentaten wie
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA , die ehemals für kommunale
Ideale standen, für ihre Dienste am Papsthof zu übernehmen. Sie
übertrugen die Themen auf ihre politischen Leistungen für den
Kirchenstaat. Daß sie mit republikanischen Werten verbunden
waren, musste nicht zwangsläufig ein Widerspruch zu ihrem
171
Besonders das Format der Hauptszenen weist darauf hin, vgl. Prandi
1954, Fig. 7.
172
Wie etwa von Cortesi festgehalten, vgl. Weil-Garris/D'Amico 1980, S.
47-68.
66
Einsatz am Papsthof sein. Paolo Cortesi hat sogar den
Kirchenstaat mit der antiken Republik verglichen. 173
Im Palazzo della Rovere war Mucius Scaevola in einen Zyklus
von Exempeln eingereiht, die für patriotisches Engagement
standen. Die Analyse der Gewölbedekoration in der Villa Turini
ergab, daß die antiken Geschichten um die frühen
Auseinandersetzungen zwischen Etruskern und Römern kreisten.
Sie entsprachen dem aktuellen Konflikt zwischen Florenz und
Rom, für dessen Beilegung sich die Medici-Päpste eingesetzt
hatten.
So wurden die Geschichten der römischen Republik zum Teil in
die Bildprogramme der Kurialpalazzi integriert. MUCIUS SCAEVOLA
VOR PORSENNA konnte hier als Vorbild für den Dienst im
Kirchenstaat stehen, als auch Hinweis auf die politischen Erfolge
der päpstlichen Regierung sein. Es ist vielleicht kein Zufall, daß
sowohl Turini als auch della Rovere für die Ausstattung ihrer
Palazzi auf die Sujets aus der republikanischen Geschichte Roms
zurückgriffen. Beide Auftraggeber und auch die Päpste, denen sie
dienten, stammten aus italienischen Stadtrepubliken, in denen
politische Leistungen mit diesen Themen verbunden waren.
Repräsentationsräume der Päpste
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA gehörte zu den profanen
Motiven aus der klassischen Geschichte Roms, die sich zunächst
in bürgerlichen Kontexten etabliert hatten174 und zu Beginn des
173
Gleichzeitig wird Kaiser Karl V. als Entsprechung zu Caesar
verstanden, dem Feind der Staatsform, vgl. Weil-Garris/ D'Amico
1980, S. 91, Anm. 98.
174
Vgl. dazu die Kapitel zu den frühen Darstellungen auf Cassoni, ab S.
27 und auf Fassaden, ab S. 38.
67
Cinquecento für die Ausstattung von säkulären Räumen am
Papsthof übernommen wurden. 175
Standen in den Kirchen und Kapellen am Papsthof die
christlichen Qualitäten im Vordergrund, so wurden in den
weltlichen Repräsentationsräumen der Päpste vor allem die
politischen Fähigkeiten gerühmt.
Der Repräsentationsraum war eine der Ausdrucksformen, die das
Papsttum der Hochrenaissance von den weltlichen Höfen
übernommen hatte. Die prunkvolle Architektur sowie deren reiche
und qualitätvolle Ausmalung diente als Spiegel der überirdischen
Herrlichkeit und sollte Bürger und Besucher von der Erhabenheit
der Kurie überzeugen.
Darüberhinaus formten die komponierten ikonographischen
Motive ein individuelles Programm, das Werte, Normen und
Ideale der Päpste spezifizierte.
Seit Nikolaus V. hatten die kulturellen Leistungen einen wichtigen
Anteil innerhalb der Machtpolitik der Päpste. Nach der Rückkehr
aus dem Exil in Avignon strebten sie danach, dem Papsttum
international wieder Reputation und Einfluss zu verschaffen und
den Kirchenstaat zu konsolidieren. Ausdruck der weltlichen Macht
des Papsthofes waren die großen Bau- und Kunstprojekte, die
nun initiiert wurden.176
Gewölbe der Stanza della Segnatura im
Appartamento Della Rovere
Am Gewölbe der Stanza della Segnatura ist MUCIUS SCAEVOLA
177
VOR PORSENNA in einer kleinen Reliefimitation dargestellt.
175
Vgl. Burckhardt 1988, S. 154.
Vgl. Held/Schneider 1998, S. 177.
177
Siehe Kat. 14.
176
68
Der Kardinal Giuliano della Rovere bestieg 1503, nach dem
päpstlichem Exil in Frankreich und dem kurzen Pontifikat von Pius
III., als Julius II. den Papstthron. Im Vatikanspalast bezog er
zunächst das von seinem Erzfeind Alexander VI. eingerichtete
Appartamento Borgia. Im November 1507 gab Julius II. bekannt,
daß er nicht länger in diesen Räumen wohnen wolle. Statt dessen
dachte er die darüberliegenden Gemächer im dritten Stock zu
nutzen und nach seinen persönlichen Vorstellungen zu
gestalten. 178 Unmittelbar an sein neues Apartment schlossen sich
die Stanzen auf der gleichen Etage an.179 Sie dienten den
weltlichen Aufgabenbereichen der Verwaltung und des Studiums.
1508 begannen die Arbeiten an der Dekoration der neuen
Papstgemächer mit dem ersten Raum, der Stanza della
Segnatura. Sie sollte eine persönliche Bibliothek mit
ausgewählten Werken aufnehmen und Julius II. als Studiolo
dienen.180 Die Bibliothek Julius II. lag, auch im übertragenen
Sinne, über der allgemein zugänglichen Biblioteca Vatikana.181
Die Ausmalung, wie sie sich heute zeigt, geht auf zwei Künstler
zurück. Nach Vasari begann zunächst Sodoma 182 mit den
Fresken. Zum Ende des Jahres berief Julius II. dann aber Raffael
für die Ausmalung der Stanzen nach Rom, derweil Sodoma schon
einige Monate an der Dekoration gearbeitet und einen Teil des
Gewölbes fertiggestellt hatte.
Der heutige Forschungsstand bestätigt die Aussagen Vasaris. Bei
der letzten Restaurierung wurden die Spuren des neueren von
178
Vgl. Shearman 1971, Partridge 1996, S. 148, sowie Beck, 1993.
Die Räume waren durch die heutige Stanza d'Eliodoro direkt
zugänglich, vgl. De Jong 1987, S. 378.
180
Vgl. La biblioteca di Guilio II in Kat. Raffaello el la Roma dei Papi
1986, S. 51ff.
181
Vgl. Kat. Rom 1985, S. 51.
182
Eigentlich Giovan Antonio Bazzi zusammen mit Baldassare Peruzzi,
Bramantino und Lorenzo Lotto, vgl. Hoogewerff 1950, S. 317 und
Santi 1979, S. 26.
179
69
Raffael aufgetragenen Putzes festgestellt. Demnach änderte
Raffael die Pläne und überarbeitete zum Teil die Fresken seines
Vorgängers. Raffael schuf die großen Tondi mit den
Personifikationen und die allegorischen und historischen Szenen
der Rechteckbilder in den Zwickeln und wandelte das
ursprünglich zentrale Tondo in ein Oktogon. Den übrigen Teil von
Sodomas Fresko ließ er unangetastet stehen und bezog ihn in
seine Komposition mit ein.183
Dazu gehörten acht kleine Szenen, die sich als Paare direkt an
das Oktogon zwischen den großen Tondi anschlossen.
Übereinander angeordnet ist je eine antike römische Historie als
fingiertes Marmorrelief mit einer farbigen mythologischen Szene
verbunden. Edgar Wind identifizierte die Sujets und deutete die
vier Szenenpaare als Darstellungen der Elemente Feuer, Wasser,
Erde und Luft.
Eine der kleinen Reliefimitationen zeigt MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA . In dem Bildfeld darunter ist die Schmiede des Vulkan
dargestellt. 184 In beiden Bildern ist das Feuer ein zentrales Thema.
Mucius Scaevola steht etwas links der Bildmitte in leichtem
Kontrapost. Seine Rechte hält er in das Feuer vor ihm.
Gegenüber, am rechten Bildrand, steht Porsenna im Halbprofil
und blickt auf die verbrennende Hand. Zwischen den beiden steht
eine als Priester gekennzeichnete Figur, die in das Gesicht des
Mucius blickt. Die Szene wird von fünf weiteren umstehenden
Personen beobachtet, von denen zum Teil nur die Köpfe zu
erkennen sind. Die Figuren füllen nahezu die gesamte Bildfläche
183
Vgl. Redig de Campos, 1984, S. 22; De Jong, 1987, S. 378/9; Beck
1993.
184
Die anderen Szenenpaare werden gebildet aus der Episode von
Mettius Curtius und der Liebesszene "Amor vincit Aquam", das Urteil
des Junius Brutus ist zusammen mit den besiegten Giganten
dargestellt und schließlich die "Pax Augustea" zusammen mit der
Rückkehr Amphitrites. vgl. Wind 1938/39 und De Jong 1987, S. 380383.
70
vor einem Hintergrund aus goldfarbenem Mosaikimitat. Die
Grisaille wirkt wie eine Kamee vor goldenem Mosaik.
Alle Motive der Gewölbedekoration sind konzentrisch auf den
Scheitel ausgerichtet. Im zentralen Oktogon schwebt das Wappen
des ursprünglichen Erbauers der Stanzen, Papst Nikolaus V., vor
himmelblauem Grund, gehalten von fliegenden Putten. Außer den
vier Tondi mit den Personifikationen der Fakultäten Theologie,
Recht, Philosophie und Poesie sind noch vier hochformatige
Bildfelder entlang der abgeflachten Grate des Gewölbes
angeordnet, die Szenen zu den durch die Personifikationen
vertretenen Disziplinen darstellen. Der Sündenfall steht für die
Theologie, Apoll und Marsyas für die Poesie, die Gerechtigkeit
Salomons für das Recht und Urania bzw. Primum Mobile für die
Philosophie.185
Edgar Wind entwarf in einer Miszelle von 1938 ein mögliches
Gesamtkonzept aller Einzelikonographien.186
Die ikonographischen Analysen zur Stanza della Segnatura
beziehen sich häufig nur auf den von Raffael geschaffenen Teil.
Der von Sodoma geschaffene Part wird häufig als nicht
dazugehörig ausgeklammert und damit werden auch die
Analysen, die die gesamte Dekoration berücksichtigen,
abgelehnt.187 Die Annahme eines Gesamtkonzeptes, das auch
den älteren Teil von Sodoma berücksichtigt, hat durchaus ihre
Berechtigung, da Raffael diese Motive bewußt erhalten hat. Er
185
Zur Identifizierung der Sujets vgl. Hoogewerff 1950, S. 320-321, De
Jong 1987, S. 380-383, Wind 1938/39, S. 78 und Santi 1979, S. 2628.
186
Wind hat nicht nur in den kongruenten Bildfeldern, sondern auch
quer dazu, entlang der Diagonalen oder zwischen benachbarten
Sujets inhaltliche Parallelen aufgezeigt, die die säkularen
Wissenschaften mit der christlichen Offenbarung verbanden, vgl.
Wind 1938/39, S. 75-80.
187
Wie beispielsweise von Edgar Wind, 1938/39 oder Heinrich Pfeiffer,
1975 und auch Redig de Campos, 1984, S. 22, Anm. 3.
71
hätte die kleinen Szenen aus der Mythologie und die Reliefimitate
mit der römischen Geschichte ebenso abschlagen können, wie er
es mit den anderen Malereien seines Vorgängers getan hat.
Die Gewölbedekoration knüpfte an die traditionelle Ikonographie
für Bibliotheken an, indem die Personifikationen und hier auch die
Historien, Ausdruck des gesamten Weltwissens waren. Das
Gewölbefresko der Stanza illustriert die verschiedenen
Wissensinhalte, die Julius II. in diesem Raum studierte. Es war
das weite Spektrum von Disziplinen, das auch die ausgewählte
Bibliothek des studiolos mit profanen und religiösen Werken
ausmachte.188
Neu war, daß die gesamte Dekoration des Raumes Elemente aus
den Geisteswelten der Antike, des Humanismus und des
Christentums vereinigte. Themen aus der Mythologie, der
aristotelischen Philosophie, der antiken Geschichte und dem
Alten Testament stehen in den Gruppen gleichformatiger
Bildfelder nebeneinander. 189 Das Gewölbe zeigt sich als
Beziehungsgeflecht von christlichen und säkulären Sujets, die
sich zu Gruppen übergeordneter, allgemeingültiger Inhalte
zusammenschließen. Das Bildprogramm rekurriert auf die
Raumfunktion einerseits und spiegelt andererseits das
Selbstverständnis seiner Person, des Papsttums und Kirche.
Die Ausmalung deutet ein vereintes Weltwissen an und ordnet es
Julius II. und Nikolaus V.190 zu, symbolisiert durch die goldene
Eiche der della Rovere zwischen den Bildfeldern und dem
zentralen Wappen. Julius II. präsentiert sich hier als Inhaber
allumfassender Weisheit und legitimiert sich im humanistischen
Sinne als oberste geistliche und weltliche Autorität.
188
Zum Inventar vgl. Kat. Rom 1986, S. 51-53.
Vgl. Santi 1979, S. 26ff.
190
Nikolaus V. hatte die Vatikanische Bibliothek begründet, vgl. Del Re
1998, Artikel 'Nikolaus V.'.
189
72
Als vermeintlich antikes Relief war Mucius Scaevola als eine
Episode aus dem Altertum dargestellt, die hier mit einem der
Grundelemente aus der antiken Philosophie verbunden wird.
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA ist Teil eines innovativen
Bildkonzeptes, das die Kirche mit neuen modernen
Geisteshaltungen und der Kultur des Bürgertums verbinden sollte.
Solche bildkünstlerischen Konzeptionen wurden unter Julius II. im
neuen Kunstzentrum Rom gezielt gefördert mit der Absicht, die
Korrespondenz von antiker und christlicher Welt aufzuzeigen. 191
Das Papsttum sollte so als Instanz für sämtliche staatlichen und
kirchlichen Belange bestätigt werden.
191
Bereits zwei Jahrzehnte zuvor hatte er in seinem Kardinalspalast von
Pinturicchio das Gewölbe der Loggia mit einem Freskenprogramm
ausmalen lassen, das Motive aus Christentum und klassischer
Geschichte vereinte, siehe unten, S. 55-59.
73
Das Gewölbe in der Sala della Biblioteca in der
Engelsburg
Gegen 1545 entstand noch einmal eine Darstellung von MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA für eine repräsentative
Raumausstattung im Auftrag des Papstes, die ebenfalls noch in
situ ist. Das Thema war auch hier Teil eines Deckenfreskos in
einem der päpstlichen Prunkgemächer.
Papst Paul III., Alessandro Farnese, ließ die Engelsburg im
Inneren neu gestalten und luxuriöse pästliche Gemächer
herrichten, die seit 1542 von verschiedenen Künstlern
ausgestaltet wurden. Zu den ersten Räumen, die ausgemalt
wurden, zählte die Sala della Biblioteca, deren Spiegelgewölbe
und Wände unter der Leitung von Luzio Romano mit Stuck und
Fresken dekoriert wurden. 192
Ob auch dieser Saal zur Zeit der Ausmalung als Bibliothek
konzipiert war, ist umstritten. Dafür spricht, daß man bei
Restaurierungen Eisenhalterungen an den Längsseiten der
Wände gefunden hat, die der Fixierung von Bücherregalen
dienten. Anderseits wären die Wände kaum mit Malereien
versehen worden, wenn hier von vornherein eine
Regalanbringung geplant war.193 Die Name Sala della Biblioteca
ist nicht die urprüngliche Bezeichnung für diesen Raum. 194 Sie
könnte entstanden sein, weil hier später das archivio segreto
aufgenommen wurde. In jedem Fall diente der Raum wohl der
Wissenschaft oder der Verwaltung und gehörte damit zu jenen
192
Ein Schema des Gewölbes siehe unter Kat. 15. Vgl. Borgatti 1930, S.
350-352, De Jong 1987, S. 385-402, Lavagnino 1950, S. 62-63, Abb.
45-47.
193
Zu diesem Problem vgl. Borgatti 1930, S. 350-352.
194
In den Dokumenten ist von der 'sala nova verso Prata' oder auch der
'sala depenta' die Rede, vgl. Ausst. kat. Rom 1981, S. 19.
74
Papstgemächern, in denen auch weltliche Sujets angesprochen
wurden.
Während an den Wänden nur noch Spuren der ursprünglichen
Bemalung zu sehen sind, ist die Dekoration des Gewölbes noch
weitestgehend erhalten.
Der stuckierte Spiegel des Gewölbes ist ganz den Insignien des
Papstes und seiner Familie gewidmet. Das Zentrum ist mit einem
aufwendigen Rahmen versehen. Das zentrale Wappen und die
Impresen dienen der Verehrung des Papstes und seiner Familie.
In der Mitte der Längsseiten schließen sich größere Bildfelder an,
die Motive aus der römischen Geschichte zeigen. In den zwei
Bildfeldern werden Ursurpationen gegenübergestellt. Auf der
einen Seite ist die Einnahme Roms durch die Sabiner mit Hilfe der
Römerin Tarpeia dargestellt. Dabei steht die Bestrafung der
Verräterin, die den Feinden die Stadttore öffnete, im Mittelpunkt.
Auf der anderen Seite steht die Einnahme der reichen
etruskischen Stadt Veii durch die Römer.
Acht weitere solcher stuckumrandeten querformatigen Szenen
sind im äußeren Bereich, oberhalb entlang der abschließenden
Friese angeordnet. Die Längsseiten zeigen je zwei Darstellungen
mit Bauten Hadrians. An den Schmalseiten sind je zwei
Ereignisse aus der römischen Republik dargestellt. Die
Heldentaten von M UCIUS SCAEVOLA und HORATIUS COCLES stehen
der FLUCHT DER CLOELIA und einer nicht mehr zu identifizierenden
Szene 195 gegenüber.
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA ist hier in einem Zyklus neben
vier anderen Heldenlegenden der Antike dargestellt. Anders als in
der Stanza ist die Szene nicht als Reliefimitationen all' antica,
195
Wahrscheinlich war auch hier eine Historie aus der republikanischen
Zeit Roms dargestellt.
75
sondern als farbiges Gemälde aufgefasst, das die Heldentat in
einer Landschaftskulisse zeigt.
Weite Teile des Freskos sind leider zerstört, so daß vieles nicht
mehr zu erkennen ist.196 In der Mitte des Bildes steht der Altar mit
dem Feuer, in das Mucius seine Hand hält. Zwei als Soldaten
gekennzeichnete Personen stehen unmittelbar am Feueraltar
umringt von weiteren Soldaten in einem Lager. Der Soldat rechts
des Feuers trägt einen roten Umhang und steht leicht gebeugt mit
Blick auf sein Gegenüber. Der andere steht in stolzer, aufrechter
Haltung zum Betrachter und hält seinen rechten Arm quer über
den Körper zum Feuer. Sein Kopf war wahrscheinlich in die
entgegengesetzte Richtung gewandt, wo offensichtlich Porsenna
auf seinem Thron zu sehen war.
Die Flächen zwischen den Bildfeldern waren mit dekorativen
Ornamentformen in Malerei und Stuck geschmückt. Innerhalb von
Grotesken sind verrgleichsweise kleine, stilisierte Szenen aus der
römischen Mythologie eingefügt.
In gleicher Weise wurden zwei Gestalten integriert, die eng mit
der Engelsburg verbunden sind. Auf der Längsachse stehen sich
der Erbauer Hadrian und der Erzengel Michael gegenüber, der
590 n. Chr. auf der Burg erschienen sein soll. 197 Ebenso finden
sich kleine Porträts antiker Götter als stuckierte Medaillons in
Verlängerung des Stuckrahmens um den Spiegel.
In der Symmetrie des Deckenprogrammes kongruiert der Zyklus
mit den republikanischen Helden an den Schmalseiten mit dem
Zyklus der Bauwerke Hadrians an den Längseiten. Die Szenen
aller umlaufenden größeren Bildfelder tragen der Geschichte
196
197
Zum Schema der Gewölbedekoration, siehe Kat. 15..
Papst Gregorius der Große soll den Erzengel Michael auf der Burg
gesehen haben, der das Ende der Pestepidemie ankündigte. Auf
dieses Erreignis wird der Name der Engelsburg zurückgeführt.
76
Roms Rechnung, die durch die Leistungen berühmter Römer
definiert wird.
Sie zeigen Leistungen des Kaisers Hadrian und politischmilitärischen Einsatz von Römern. Wie Hadrian hatte Papst Paul
III. sich dem Bau bzw. Umbau zentraler Bauten Roms
verschrieben. 198 Die Engelsburg war gewissermaßen ihr
gemeinsames Werk.199 Auch sonst liebte der Papst die durch
Kunst hergestellte Verbindung zu römischen Kaisern und
dokumentierte so seinen imperialen Anspruch. 200
In der Gewölbedekoration der Sala della Biblioteca wurde eine
Verbindung von Paul III. mit berühmten Römern der Antike
geschaffen, die besondere Leistungen für ihre Stadt erbracht
hatten. In der Familiengeschichte der Farnese finden sich
tatsächlich einige condottiere, die militärische Erfolge für Rom
erzielt hatten und so zum Aufstieg der Familie beigetragen hatten.
Auch im anstehenden Feldzug gegen den Schmalkaldischen
Bund führten Mitglieder der Farnese die päpstlichen Truppen
an. 201
Die Historien am Gewölbe der Sala della Bibliotheca stellten
einen Bezug von berühmten römischen Heldentaten mit der
Familientradition der Farnese her, die eigentlich Landadelige aus
der Umgebung des Bolsena-Sees waren und erst spät, im 15.
198
Nach dem Sacco di Roma initiierte er den Weiterbau der
Peterskirche, die seitdem geruht hatte. Darüber hinaus hatte er
kühne Pläne das Kapitol umzugestalten.
199
Hadrian ließ die Engelsburg 135 n.Chr. als Mausoleum für sich und
seine Nachfolger erbauen, Papst Paul III. stattete sie ab 1542 mit
seinen Prunkgemächern aus, vgl. De Jong 1987, S. 385-402.
200
1538 ließ Paul III. die antike Reiterstatue des Kaisers Aurel auf den
neugestalteten Kapitolsplatz, vor die Tür der zunehmend
entmachteten städtischen Behörden stellen, die hier seit
Jahrhunderten residierten. Das wurde als eine Demonstration
imperialer Macht im päpstlichen Namen verstanden, da Paul lll.
seinen Namen und Wappen an dem Sockel von Michelangelo
anbringen ließ, vgl. Reinhardt, Rom 1992, S. 144-146.
201
Darauf wird in ähnlicher Weise in dem Bildprogramm der Sala dei
Fasti Farnese verwiesen, vgl. Partridge 1996, S. 167-170.
77
Jahrhundert, in vornehmere römische Kreise eingeheiratet
hatten. 202
Zu den Freskenzyklen in päpstlichen Räumen
Die Untersuchung des Motivs in päpstlichen Räumen hat
ergeben, daß am Papsthof selbst andere Voraussetzungen für die
Darstellung galten. Das Motiv Mucius Scaevola vor Porsenna
wurde zuerst in den Palästen der Kurialen dargestellt, bevor es an
den Papsthof gelangte. Das Personal des Kirchenstaates
stammte häufig aus den erfolgreichen Kaufmannsfamilien wie den
Medici. Über sie kam das Motiv aus den bürgerlichhumanistischen Kontexten in den Vatikan.
Am Papsthof hatte das Motiv M UCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
jedoch eine vergleichsweise marginale Bedeutung.
Profane Historien traten überhaupt nur in den Räumen auf, die
weltlichen Interessen wie dem Studium oder der Verwaltung
dienten. Die zwei bekanntesten Darstellungen Mucius Scaevolas
am Papsthof befanden sich, wie bereits diskutiert, in
Bibliotheken.
Julius II. und Paul III. dokumentierten mit diesen Bildern ihr
humanistisches Bildungswissen und ihre Identifikation mit jenen,
die sich durch die altrömische virtus auszeichneten.
In der Stanza della Segnatura ist MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA als antikes Relief in das Bildprogramm integriert. Hier
steht das Thema für einen humanistischen Bildungsinhalt, der,
neben den christlichen Sujets, die politische und kulturelle
Führungsposition des Papstes zum Ausdruck bringen sollte.
Das Thema in der Sala della Biblioteca zeigt den persönlichen
Einsatz eines Römers für seine Stadt. Paul III. erinnert mit dem
202
Vgl. Reinhardt, Familien Italiens 1992, Artikel 'Farnese', S. 259-276
und Reinhardt, Rom 1992, S. 138.
78
Thema MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA an eine der
vielgerühmten Taten, die dazu beitrugen, daß das Imperium Rom
entstehen konnte. In der farbigen Fassung erscheint es weniger
als antikes Kunstwerk und damit sozusagen nicht so sehr als ein
Kulturgut, sondern eher als Verbildlichung einer historischen
Begebenheit. In diesem Raum ging es offenbar nicht so sehr um
die Vereinigung verschiedener Kultur- und Wissensinhalte, wie in
der Stanza della Segnatura von Julius II. Paul III. umgab sein
Wappen vielmehr mit den Historien von solchen Helden, die in der
Vergangenheit Großes für die Stadt geleistet haben.
Wie bei den Mitgliedern der Kurie, waren es jene Päpste, die auf
das Sujet MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA zurückgriffen, die aus
Familien der Stadtrepubliken stammten oder dort eine
humanistische Bildung erhalten hatten.203
Allerdings setzten Julius II. und Paul III. das Sujet MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA in den weniger repräsentativen
Räumen, die der Bildung dienten, ein.
Für den Audienzsaal in der Engelsburg, die Sala Paolina, wählte
Paul III. lieber Szenen aus dem Leben Alexanders des Großen.
Ein anderer Vergleich zeigt die gleiche Akzentsetzung. Gut
zwanzig Jahre vorher waren im salone der Villa Turini die
Leistungen der Medici-Päpste um die Versöhnung von Rom und
Florenz mit Heldengeschichten aus der römischen Republik
gefeiert worden. Etwa zur gleichen Zeit ließen die Päpste Leo X.
und Klemens VII. die Sala di Costantino im Vatikan von Raffael
und seiner Werkstatt ausmalen. Der Saal diente für Audienzen
und Zeremonien und war mit monumentalen Szenen aus dem
Leben Konstantins ausgemalt. Nicht edles Handeln stand im
Mittelpunkt, sondern Demonstration von Autorität und Stärke.
203
Vgl. Vatikan-Lexikon, Artikel 'Paul III.', S. 554-555.
79
Insgesamt bleibt das Thema am Papsthof und in den Palazzi der
Kurie relativ selten und wird in vergleichsweise kleinen Szenen
als Teil von Zyklen in Deckenprogrammen dargestellt.
Ganz anders wird das Thema MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
von der Stadtregierung Roms präsentiert.
Mucius Scaevola im kommunalen Raum
Die Sala dei Capitani im Konservatorenpalast
Im Vergleich zu den Darstellungen Mucius Scaevolas im Umkreis
des Papstes zeigt sich das Thema hier in deutlich anderer Form
und wird mit anderen Inhalten verbunden. Bei der Sala dei
Capitani im Konservatorenpalast handelt es sich um einen
kommunalen Versammlungsraum aus der zweiten Hälfte des 16.
Jahrhunderts, der nicht dem unmittelbaren Einflußbereich des
Papstes angehörte.204
Der Konservatorenpalast auf dem Kapitol war seit dem Mittelalter
Sitz des römischen Senats, der städtischen Regierung Roms.
Neben den kommunalen Behörden war der Palast auch Residenz
der Konservatoren und ihres Hofstaates. Der kapitolinische Hügel
war das zweite römische Machtzentrum neben dem Lateran, bzw.
Vatikan. Die Sala dei Capitani diente als Versammlungsraum und
Sitzungssaal für den consiglio segreto. 205 Meist wurde dieser Saal,
204
205
Siehe Kat. 16.
Die kommunalen Regierungsbehörden Roms setzten sich aus dem
großen Rat, dem consiglio generale oder pubblico und dem
geheimen, engen Rat, dem consiglio segreto, zusammen. Im
consiglio segreto wurde die eigentliche politische und administrative
Arbeit geleistet. Den Kern des geheimen Rates bildeten drei
80
auch seconda sala genannt, nur zu besonderen Anlässen
genutzt, wenn besonders viele Personen anwesend waren.
Ansonsten tagten die consigli in der quarta sala, die heute Sala
degli Arazzi genannt wird.206
Die Wände der Sala dei Capitani waren bereits zu Beginn des
Cinquecento von Jacopo Ripanda mit überdimensionalen
Darstellungen römischer Bürgertugenden freskiert worden. Sie
zeigten wahrscheinlich die Heldentaten des Brutus, Horatius
Cocles, Mucius Scaevola, der Cloelia und der Konsuln Camillus
und Fabritius. 207
Im Zuge der Neugestaltung der Fassade des
Konservatorenpalastes nach den Entwürfen Michelangelos
wurden die ursprünglichen Fresken der Sala dei Capitani von
Jacopo Ripanda aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts stark
zerstört.208
Eine Komission aus dem Senator, den amtierenden
Konservatoren und ausgesuchten Abgeordneten wurde daraufhin
mit der Auftragserteilung für die Neudekorationen betraut. Für die
Ausmalung der Sala dei Capitani wählten sie schließlich Tomaso
Laureti, der sich durch die Ausmalung der Decke in der Sala di
Costantino im Vatikan einen Namen gemacht hatte. Er sollte die
durch die Renovierung zerstörten Fresken Ripandas durch
gleiche oder ähnliche Szenen ersetzen. 209
Konservatoren mit dreizehn caporioni, den Stadtteilvorstehern, deren
Prior und weiteren hinzugewählten consiglieri, vgl. Güthlein 1985, S.
93.
206
Zu Funktionen und Gebrauch der Räume vgl. Güthlein 1985, S. 9598.
207
Vgl. Tittoni in: Fagiolo 1985, S. 216 und in: Ausst.kat. Rom 1993, S.
166. Ebert-Schifferer nennt zusätzlich noch Virginia und eine Szene
aus den Samniterkriegen, vgl. Ebert-Schifferer 1988, S. 211.
208
Vgl. Brummer/Janson 1976, S. 83.
209
Zu Fakten und Details der Ausstattung vgl. Pietrangeli 1962, S. 641643.
81
Zwischen 1587 - 94 schuf Tomaso Laureti in der Sala dei Capitani
insgesamt vier monumentale Fresken, die die Wandflächen
oberhalb der Türstürze ausfüllen. Die vier Szenen bilden eine
chronologische Folge aus Ereignissen der republikanischen
Geschichte Roms. Den Beginn macht DIE GERECHTIGKEIT DES
BRUTUS an der dem Eintretenden gegenüberliegenden Seite des
Saales. Darauf folgen im Uhrzeigersinn: HORATIUS COCLES
VERTEIDIGT DIE SUBLICANISCHE BRÜCKE , MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA und der SIEG AM LAGO REGILLO. Die Fresken imitieren
monumentale Tafelbilder, die an Haken im Gesims befestigt zu
sein scheinen. Gemalte Rahmen und Schnüre unterstreichen die
Illusion von vor der Wand hängenden Gemälden.
Das Fresko MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA befindet sich an der
Schmalseite des Raumes, von der aus man die Sala dei Capitani
betritt.
Laureti hat das Sujet als figurenreiche Komposition mit mehreren
Nebenschauplätzen in symmetrischer Form wie eine
Gegenüberstellung angelegt.210 Im Unterschied zu den üblichen
Bildaufbauten ist das Zentrum entlang der vertikalen Mittelachse
frei von Figuren und Handlungen. Im Mittelpunkt steht ein
wuchtiger Zahltisch auf dem Münzen und Schreibzeug zu sehen
sind, vor einem Baldachin. Rechts und links davon stehen sich die
beiden Protagonisten gegenüber.
Rechts steht Mucius Scaevola frontal zum Betrachter in
entspannter Haltung in leichtem Kontrapost zwischen dem Tisch
und einem Altarfeuer. Den linken Arm in die Seite gestemmt, hält
er den rechten Arm schräg vor dem Körper in die Flammen. Dabei
ist sein Kopf entgegengesetzt in Richtung Porsenna auf der
210
Genauso symmetrisch ist das gegenüberliegende Fresko mit der
Gerechtigkeit des Brutus komponiert. Partridge deutet die
Gegenüberstellung der Figurenarrangements als Darstellung der
Handlung auf der einen Seite und Reaktion auf der anderen, vgl.
Partridge 1996, S. 172.
82
anderen Seite des Tisches gedreht. Dieser ist, konfrontiert mit
Mucius Tat, von seinem Thron aufgesprungen und streckt seinen
rechten Arm mit erhobener Hand Mucius entgegen.
Die symmetrische Komposition beschränkt sich nicht nur auf die
Konfrontation von Mucius und Porsenna, sondern ist auf das
gesamte Bild und seine Motivelemente angewandt. Auch ganze
Figurengruppen und die Staffage im Hintergrund bilden
motivische und kompositorische Pendants. Dieses
kompositorische Stilmittel ergibt einen prononcierten Vergleich
zwischen den im Detail unterschiedlichen Motiven in den beiden
Bildhälften.
Um die Bildmitte herum steht ein überschaubarer Kreis von
Personen. Wichtige Figuren und Figurengruppen haben jeweils
eine Entsprechung in der anderen Bildhälfte. Häufig nehmen sie
eine ähnliche Körperhaltung in gegengesetzter Richtung an.
In unmittelbarer Nähe von Porsenna und Mucius stehen zwei
Männer in langen Gewändern. Beide schauen auf die Tat des
Mucius. Der Mann neben Mucius ist als Priester gekennzeichnet
und steht frontal zum Betrachter, während das Pendant neben
Porsenna als Rückenfigur erscheint. Ähnlich sind zwei Jungen
weiter im Vordergrund unterhalb der Protagonisten gezeigt. Der
links wird frontal gezeigt und wendet den Kopf nach hinten, um
die Szene zu sehen. Der Junge auf der rechten Bildhälfte wohnt
dem Ereignis mit dem Rücken zum Betrachter bei.
Im rechten und linken Vordergrund sind Gruppen bewegter
Männer mit gebeugten Körpern zu sehen, die schwer tragen, sich
nach etwas strecken und zupacken. Bei dem Gerangel links
werden hastig Säcke, mit Getreide oder ähnlichem, weggeschafft,
während rechts die Leiche des toten Schreibers fortgetragen wird.
Darüber, im Mittelgrund, sind weitere Soldatengruppen
gegenübergestellt, die gebannt auf die verbrennende Hand
schauen oder andere auf das Geschehen aufmerksam machen.
In den Hintergrund schließt sich ein Heer zahlloser Lanzenträger
83
an sowie an den Bildrändern je eine kleinere Szene aus dem
militärischen Lager.
In der linken Bildhälfte, auf der Seite des feindlichen Belagerers
Porsenna, geht es um das Aneignen von Gütern. Darauf weisen
zum Beispiel die angehäuften Zahlungsmittel auf der linken
Tischhälfte hin. Die Gruppe bewegter Männer im linken
Vordergrund stellt offenbar eine Plünderung dar. Weiter zur Mitte
trägt ein Junge den Helm eines Soldaten unter dem Arm. Zwei
kleinere Jungen rechts und links von ihm sind ebenfalls dabei,
Dinge in ihren Besitz zu bringen. Der links umklammert einen
Schild, so groß wie er selbst, der rechts schaut neugierig in eine
große Amphore. Hier ist das Nehmen, das Haben und das
Erstreiten von Waren, offenbar Getreidesäcke und andere
Lebensmittel, dargestellt.
Auf der rechten Bildhälfte, dort wo Mucius als republikanischer
Held steht, wird das Geben gezeigt, der Schmerz und der Verlust.
Dafür steht in erster Linie das Verbrennen der Hand. Diese Szene
ist wie eine Opferung dargestellt. 211 Dies wird durch den
beistehenden Priester und auch durch das Lamm bzw. den
Schafbock als Opfertier vor dem Feueraltar suggeriert. Ebenso
weisen die anwesenden Kinder auf eine Opferung hin. Bei
wichtigen Ereignissen war es bei den Römern üblich, daß Kinder
dabei waren, die später davon berichten konnten.212
Daneben, im rechten Vordergrund, wird der geborgene Leichnam
von mehreren Männer weggetragen. Fritz Saxl hat in seinem
Aufsatz Pagan sacrifice in the italian renaissance nachgewiesen,
daß die blutige und gewaltvolle Aufopferung für die Republik und
211
Vgl. die Darstellungen paganer Opferungen bei Saxl in: Journal of
Warburg and Courtauld Institutes 1938/39, II, S. 346-367 oder bei
Romano 1985, S. 52, Abb. 31, 32.
212
Dazu wurde einem anwesenden Kind in das Ohr gekniffen oder eine
Ohrfeige gegeben, damit es sich später daran erinnerte, vgl. Seiler
1922, S. 246-247.
84
politischer Triumpf in der römischen Renaissance
zusammengedacht wurden.213
Im Vergleich zu den früheren Tugendheldmotiven in
Repräsentationsräumen sind die römischen Historien in der Sala
dei Capitani in völlig neuer Weise dargestellt.
Die Motivfülle der Raumprogramme wird zugunsten narrativer
Qualitäten einzelner Motive aufgegeben. Die Szenen sind
gegenüber früheren Ausführungen deutlich detailreicher, mit viel
Staffage und Nebenschauplätzen ausgestattet. Die
erzählerischen Inhalte der römischen Historien in der Sala dei
Capitani werden in weitaus größerem Maße als zuvor
bildkünstlerisch umgesetzt.
Den Taten der römischen Helden wird eine ungleich größere
Bedeutung zugemessen als in den Bildprogrammen, die im
Auftrag von Papst und Kurie entstanden. In der Sala dei Capitani
bestimmt nur ein einziger Zyklus aus vier Historien das gesamte
Bildprogramm des Raumes. Hier wurden Stoffe aus der
römischen Antike erstmals auf monumentale Maße vergrößert, so
daß sie nahezu je eine Wand füllen. Jacopo Ripanda hatte in der
früheren Ausmalung der Sala dei Capitani die antiken römischen
Historien zum ersten Mal auf dieses überdimensionale Format
gebracht.214
Gleichzeitig wird auf dekorative Schmuckelemente zwischen den
Historien weitestgehend verzichtet. Der Material- und
Formenreichtum der Deckenmalereien in den päpstlichen
Prachtsälen ist hier weniger präsent.215
213
Fritz Saxl zieht als Beleg dafür Machiavelli in seinen Discorsi sopra le
Deche di Tito Livio heran, vgl. Saxl 1938/39, II, 7. Triumph and
Sacrifice, S. 365-367.
214
Vgl. Ebert-Schifferer 1988, S. 175-176.
215
Partridge deutet die prachtvollen Ausstattungen in den Papsträumen
gewissermaßen als künstlerische Kompensation der wachsenden
Kritik an Papsttum und Kirche, die in der Stadtregierung nicht nötig
waren, vgl. Partridge 1996, S. 152-153.
85
Nie zuvor waren Mucius Scaevola und den anderen Helden der
römischen Republik derart aufwendige Fresken gewidmet
worden. Allein die Ausmaße und die Positionierung an den
Wänden weist den Helden aus der republikansichen Zeit Roms
eine exponierte Bedeutung für die Ikonologie des Raumes zu.
Der Grund für die ausdifferenzierte und exponierte
Darstellungsweise des Motivs liegt in den Ansprüchen der
römischen Stadtregierung und ihrem Selbstverständnis im
Gegensatz zum Papsthof.
Die Ausmalungen des Konservatorenpalastes sollten die
politische Potenz der kapitolinischen Behörden und ihre lange
Tradition in der römischen Geschichte demonstrieren. Dazu
orientierte man sich an den monumentalen künstlerischen
Ausdrucksformen des Papsthofes.
Laureti lehnte die Ausmalung der Sala dei Capitani mit den vier
wandfüllenden Fresken direkt an eine Saaldekoration im Vatikan
an. Die formale Gestaltung der Sala dei Capitani korrespondiert
mit der Sala di Costantino, die 1519 bis 1524 von Raffael und
seinen Schülern für die Medici-Päpste Leo X. und Klemens VII.
ausgeschmückt wurde.216 Laureti kannte die Ausmalung dieses
Saales gut, da er kurz zuvor, 1582-85, mit der Ausmalung des
Gewölbes beauftragt war.
Die horizontale Aufteilung der Wände ist die gleiche. Der untere
Teil bis in Höhe der Türen besteht aus einer Art gemalter
Sockelzone, die mit fingierten Bronzereliefs und Skulpturen
geschmückt ist. Den Abschluß zur Decke bildet in beiden Sälen
ein Fries. Dazwischen sind jeweils an jeder Wand große
wandfüllende Szenen dargestellt. Laureti übernahm
darüberhinaus auch den Illusionismus der vor der Wand
hängenden Kunstwerke.
Die Bildprogramme der Sala di Costantino und der Sala dei
Capitani unterscheiden sich allerdings deutlich in den Inhalten.
216
Zum Programm der Sala di Costantino vgl. Quednau 1979
86
In der Sala di Costantino sind in vier illusionistisch gemalten
Wandteppichen Szenen aus dem Leben Konstantins dargestellt:
die Ansprache Konstantins an seine Truppen, die Taufe
Konstantins, die Konstantinische Schenkung und die Schlacht an
der Milvischen Brücke. Diese Szenen stehen für den Ursprung
der weltlichen Autorität des Papstes und demonstierten die
Vorherrschaft der Kirche über das Reich. Flankiert wurden die
Konstantinsszenen von acht überlebensgroßen Papstporträts vom
heiligen Petrus bis zu Gregor dem Großen, die die geistliche
Amtsfolge bezeugten.
Während die Medici-Päpste ihren Anspruch auf weltliche Macht
durch den historischen Verweis auf Kaiser Konstantin
legitimierten, griffen die städtischen Magistrate im Gegenzug auf
die denkwürdigen Ereignisse aus der republikanischen
Geschichte zurück.
Die eingesetzten Symbole und Ikonographien sollten die
Verbindung zur altrömischen Republik aufzeigen und so auf die
glorreiche Vergangenheit des Popolo Romano hinweisen. Die
Szenen in der Sala dei Capitani erzählten von der Gründung und
dem Glanz der Republik, die sich auf der Tugendhaftigkeit des
einzelnen begründet. Mucius Scaevola und die anderen Helden
demonstrierten die Macht von politisch handlungsfähigen
Bürgern. Sich in diese Tradition einzureihen war das Ziel, das die
Konservatoren mit der Ausmalung der Sala dei Capitani,
erreichen wollten. 217
Zugleich war in Lauretis Darstellung von Mucius Scaevola vor
Porsenna eine deutliche Kritik an der päpstlichen Politik
enthalten.
217
Ebert-Schifferer hat gezeigt, daß sich auch das Portikusprogramm,
die plastischen und epigraphischen Legitimationurkunden an der
Fassade und auch die Ausmalungen der anderen Säle in das
Gesamtkonzept einer kontinuierlichen republikanischen Staatsidee
einfügen, vgl. Ebert-Schifferer 1988 und Tittoni 1985, S. 216.
87
So verweist die Darstellung von dem Gerangel um die
Lebensmittel auf die Versorgungskrise Roms 218, die einen
zeitgenössischen Bezug hatte. Rom war in der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts durch elementare Getreideknappheit und dem damit
verbundenen Kaufkraftverlust und Absinken des Lebenstandards
in weiten Bevölkerungsschichten bedroht. 219 Damit wird in dem
Gemälde eine Kritik an der aktuellen Versorgungspolitik der
päpstlichen Regierung angesprochen. Die römische
Getreideversorgung gehörte ursprünglich zum Kompetenzbereich
der kapitolinischen Behörden, der ihr aber im 15. Jahrhundert
entzogen und der apostolischen Kammer übertragen wurde.
Die Beauftragung der Ausmalung geschah nicht zufällig gerade in
der Situation, als die kommunalen Regierungsbehörden Roms
weitestgehend entmachtet waren. Seit sich zu Beginn des
Quattrocento die päpstliche Macht in Rom konsolidierte, wurden
die einstmals weitreichenden Kompetenzen der Räte zunehmend
beschnitten. 220 Bis zum 16. Jahrhundert waren die wichtigsten
Zuständigkeiten weitgehend an kuriale Karriereprälaten
übergegangen.221 Zwar blieben die Konservatoren als
Regierungsorgan formal bestehen, hatten aber keinen wirklichen
Einfluss gegenüber der päpstlichen Macht mehr. 222 Zu dieser Zeit
218
Livius erwähnt, daß Rom durch die Belagerung Porsennas von der
Getreideversorgung abgeschnitten wurde. Knappheit und Teuerung
des Getreides führt er als Grund für den Entschluß Mucius
Scaevolas an, Porsenna zu töten. vgl. Anhang I.
219
Eine umfassende Untersuchung zur Getreideversorgung in Rom hat
Volker Reinhardt unternommen, vgl. Reinhardt 1991.
220
Zu den Aufgaben des Stadtrates gehörten die Verwaltung der Stadt,
die Lebensmittelversorgung, die Aufsicht über die römische
Universität, die Reglementierung der Zünfte und Gewerbe und die
Rechtsprechung. Zum päpstlichen Einfluss auf die Befugnisse der
kommunalen Institutionen, vgl. Güthlein 1985, S. 88-91, 94.
221
Vgl. Reinhardt 1992, S. 144-148.
222
Vgl. Aikin, 1985, S. 206; De Jong, 1987, S. 263.
88
gaben sie die erste Ausmalung der Sala dei Capitani bei Jacopo
Ripanda in Auftrag.
Als im Laufe des 16. Jahrhunderts Papst Paul III. die
Neugestaltung des Kapitols initiierte und mit päpstlichen
Machtsymbolen ausstatten wollte, war es für die Konservatoren
umso wichtiger ihrem politischen Selbstverständnis durch die
künstlerische Ausstattung ihres Palastes Ausdruck zu verleihen.
Sie bedienten sich dazu der gleichen bildnerischen
Instrumentarien, wie die päpstliche Regierung. Die großen
Wandgemälde in der Sala dei Capitani waren der Versuch einer
Kompensation des Macht- und Funktionsverlustes durch die
Palastausstattung.223 Die Fresken Lauretis waren, wie die
gesamte Neugestaltung des Konservatorenpalastes, eine erneute
Demonstration des römisch-republikanischen Staatsideals der
städtischen Magistrate gegenüber den päpstlichen
Allmachtsansprüchen. 224
Funktionen des Motivs in Freskenzyklen
römischer Repräsentationsräume
Im späten Quattrocento und Cinquecento waren Kunst und
Architektur Zeichen von sozialem Status und politischer Macht.225
Das Erreichen einer entsprechenden Postition ging oft mit der
sofortigen Beauftragung repräsentativer Raumausstattungen
einher.226 Die imposante bildkünstlerische Ausschmückung diente
der Demonstration des eigenen Machtpotentials oder der
Legitimation des Status. Die Bedeutung einer adäquaten
Ausstattung stieg mit zunehmender repräsentativer Funktion des
223
Vgl. Aikin 1985, S. 206, Anm. 2.
De Jong zieht auch den Papst als Auftraggeber in Betracht, de Jong,
1987, S. 263, allerdings gab es allein in der in der Entstehungszeit
von 1587 - 94 fünf Pontifikate.
225
Vgl. Reinhardt 1992, S. 709/10 und Weil-Garris/D'Amico 1980, S. 50.
226
Beispielsweise bei Julius II.
224
89
Raumes. Die Räume zeigten sich in umso reicheren und
kostbareren Ausstattungen, je größer der Legitimationsbedarf
war.
Die ersten aufwendig dekorierten Räume in Rom, die Fresken der
Heldenlegende enthielten, waren Empfangs- oder Festsäle in den
Palazzi der Kurie.
In diesen Umgebungen ist das Thema zunächst als eines unter
mehreren anderen in ein komplexes Bildprogramm integriert. In
Anlehnung an antike Dekorationsformen wurden, vorwiegend in
Gewölben, Gemälde in Zyklen oder Reihen miteinander verwoben
und mit Ornamenten und Grotesken kombiniert. Dabei stehen
verschiedene Schmuckformen, Techniken sowie unterschiedliche
Gattungen und Ikonographien unmittelbar nebeneinander:
Ornamente neben Historien und christliche neben heidnischen
Motiven.
Erst danach gelangten die profanen Geschichten in die
Papstgemächer.
Die Päpste übernahmen das humanistische Gedankengut und
machten sich zu Förderern von säkulären Bildinhalten, die die
weltlichen Repräsentationsräume schmückten. Für die Päpste
war es wichtig, sich nicht nur als Kirchenoberhaupt, sondern auch
und vor allem als weltliche Herrscher zu präsentieren. Die reiche
Dekoration von Räumen war Teil der fürstlichen Prachtenfaltung,
die von den Päpsten übernommen wurde. Aufwendiger Wandund Deckenschmuck hatte die Aufgabe, den Auftraggeber und
seine Familie, deren Vorfahren, das Volk und schließlich auch
den Staat zu ehren.227
Mit den profanen Bildthemen innerhalb prachtvoller
Raumausstattungen demonstrierten sie ihr politisches
Machtpotential.
227
Schon von Alberti konstatiert, vgl. de Jong 1987, S. 47-48, Anm. 8.
90
Von Julius II. und Paul III. gab es Aufträge für
Gewölbeausmalungen, die Mucius Scaevola neben anderen
römischen Historien zeigten. Am Papsthof schmückten diese
Sujets nicht die größten und prächtigsten Räume, sondern jene,
die dem Studium dienten.
Für die prominentesten Stellen und großen Formate in weltlichen
Schauräumen im Vatikan und der Engelsburg wurden jedoch
Geschichten von römischen Kaisern oder anderen Herrschern
aus der Antike bevorzugt, beispielsweise die Wandmalereien mit
Szenen aus dem Leben von Kaiser Konstantin in der Sala di
Costantino oder von Alexander dem Großen in der Sala Paolina.
Während sich die Päpste auf das kaiserliche Rom beriefen, um
ihre weltliche Autorität zu untermauern, zogen die Konservatoren
die republikanische Geschichte zur ihrer Legitimation heran. Im
Konservatorenpalast wurden die Heldentaten aus der römischen
Republik dann auch erstmals als wandfüllende Fresken mit
differenzierter Ikonographie verwirklicht. Die Konservatoren
führten die bürgerlichen Helden in ihren ursprünglich kommunalen
politischen Kontext zurück und schilderten ihre Taten ausführlich
und in großen Formaten. 228
Das Sujet Mucius Scaevola bot den Auftraggebern aus den
unterschiedlichen Lagern verschiedene Identifikationsansätze, in
dem es für verschiedene Themenkreise fruchtbar gemacht
werden konnte.
In den frühen Repräsentationsräumen war Mucius Scaevola eines
von mehreren antiken Würdemotiven, die Deckenprogrammen
228
Die kaiserliche Geschichte Roms wurde in den Ausmalungen des
Konservatorenpalastes ausgeklammert. Die Sitzungssäle der
consigli zeigten Szenen zur Gründung Roms und der frühen
Geschichte unter den etruskischen Königen (Sala degli Orazie e
Curiazi) sowie zur Gründung der Republik und Sieg über die
etruskischen Könige (Sala dei Capitani), vgl. Partridge 1996, S. 170.
91
dienten, die die kulturelle Bandbreite humanistischen
Bildungswissens veranschaulichten. In dieser Weise wurde das
Motiv von Giuliano della Rovere eingesetzt, zunächst in der
Loggia seines Kardinalspalastes, später in der Stanza della
Segnatura.
Die Legende konnte ebenso als Teil der Stadtgeschichte
angeführt werden mit dem Ziel der Auftraggeber, sich und seine
Familie in die glorreiche Tradition der Stadt zu stellen. Dies war
etwa bei Papst Paul III. in seiner Sala della Biblioteca der Fall. In
ähnlicher Absicht war Mucius Scaevola in dem ausgefeilten
Programm der Villa Turini dargestellt. Als Lokalheld warb er für
die Prominenz des Ortes und seiner Bewohner.
In den Raumausstattungen der Kurie und am Papsthof wurde das
Sujet als eines unter mehreren anderen in kleinerem Format
dargestellt. Sie standen in diesen Zusammenhängen vor allem für
Altertum, edle Tugend und humanistisches Bildungwissen. Im
Konservatorenpalast wurde dem Thema ungleich mehr Raum
zuteil. MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA wurde in
überdimensionalem, wandfüllendem Format gezeigt. Der Held
stand in diesem kommunalen Kontext für die republikanische
Tugend und ihre Grundlage in der römischen Geschichte.
92
ERSTE DARSTELLUNGEN IM NORDEN
Motivauffassungen in den deutschen und
schweizer Städten
Das Motiv MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA gelangte bereits früh
in die Länder nördlich der Alpen. Hier wurde das Thema vorrangig
in der Druckgraphik umgesetzt, zum großen Teil als
Buchillustration. Erste Gemälde entstanden im frühen 16.
Jahrhundert. Die erhaltenen Darstellungen zeigen, daß das
Thema im Norden eine eigene Interpretation erfuhr, die von den
italienischen Vorlagen abwich.
Die Impulse für Darstellungen nördlich der Alpen gingen
wesentlich von humanistischen Kreisen aus, die für die
Anregungen aus Italien offen waren. Durch den zunehmenden
geistigen Austausch gelangten die Sujets der klassischen
Geschichte von Italien über die Alpen.. 229 Zum einen war für die
nordischen Künstler, Diplomaten, Adelige und Humanisten die
Studienreise nach Italien üblich geworden. Gleichzeitig gab es in
der Zeit von 1480 - 1520 eine Abwanderung der Intellektuellen
von Italien in das nördliche Ausland..230 Die reisenden
Humanisten und Künstler brachten die Legenden aus der
römischen Geschichte als Text- und Bildvorlagen in die kulturellen
Zentren nördlich der Alpen.
Dieser Kulturtransfer war begünstigt durch die im 16. Jahrhundert
enorm angestiegene Produktion von Druckerzeugnissen, der
229
230
Vgl. Maas, 1981, S. IX-XVI.
Zu deren Einfluß im Ausland vgl. Burke, 1990, S. 51-57.
93
medialen Voraussetzung für die Verbreitung der
wiederentdeckten Themen.
Mit zunehmendem humanistischen Interesse und der Entdeckung
der antiken Schriftsteller wurden seit dem Beginn des 16.
Jahrhunderts die Bildmotive aus der antiken Überlieferung, vor
allem aus der römischen Welt, bildkünstlerisch umgesetzt.231
Die meisten Darstellungen nördlich der Alpen der Tat des Mucius
Scaevola und die anderen Legenden aus der Frühzeit Roms
stammen aus dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.
Die ersten Bilder von MUCIUS SCAEVOLAS VOR PORSENNA
entstanden in den humanistischen Zentren der deutschen
Territorien. Hier wurden schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts
Historiengemälde zu diesem Thema in repräsentative
Raumausstattungen integriert.
Bereits 1503-05 hatte Friedrich der Weise sein neu errichtetes
Wittenberger Schloß mit drei Römergeschichten ausmalen
lassen. In dem Aestuarium maius sollen neben den Taten des
Herkules drei Historien aus dem römischen Altertum zu sehen
gewesen sein. Dabei handelte es sich um die Geschichten von
HORATIUS COCLES, PORSENNA UND CLOELIA , und MUCIUS
SCAEVOLA .232 Wahrscheinlich stammten die heute nicht mehr
erhaltenen Malereien von Jacopo de Barbari 233, der in den
Jahren 1503-05 zusammen mit Dürer in Wittenberg tätig war. Der
Venezianer gehörte zu jenen Künstlern, die das Motivrepertoire
der italienischen Renaissance nördlich der Alpen vermittelten.
Jacopo de Barbari war von Friedrich dem Weisen zum Hofmaler
berufen worden, als es galt, die Räume der kurfürstlichen
Schlösser auszustatten. Der italienische Künstler war bekannt für
seine 'antikische Art', die nicht ohne Wirkung auf die anderen
231
Zu den frühen deutschen Buchillustrationen vgl. Muther 1884 und
Kunze 1993.
232
Leider nicht erhalten, vgl. Bruck, 1903, S. 148.
233
Ebd., Bruck, 1903, S. 171.
94
Maler am Hofe Friedrichs des Weisen war. 234 Auch Dürer
bekannte, durch Barbari zur Beschäftigung mit der Antike
angeregt worden zu sein.235
Die ältesten erhaltenen Darstellungen sind Buchillustrationen aus
den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts. Später wurden häufiger
Gemälde und Fresken in Auftrag gegeben, die den römischen
Helden vor dem feindlichen König Porsenna zeigten, vor allem in
den süd- und mitteldeutschen Territorien. Sie erschienen
innerhalb von Zyklen in kommunalen Räumen wie Rathaussälen,
vereinzelt auch an Höfen.
In der Schweizer Eidgenossenschaft erfreuten sich die antiken
Motive in der Glasmalerei gewisser Beliebtheit.236 Seit den ersten
Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts ersetzten nicht religöse
Themen zunehmend die altgläubig geprägten Inhalte in den
Bildscheiben der Sakral- und Profanbauten. Sie enthielten
zunächst nur Wappen und Stifterfiguren, später wurden sie mit
antiken Motiven bemalt. Darunter war die Heldentat von Mucius
Scaevola oft vertreten. 237
In den nördlicheren Kreisen des Reiches und jenseits der
Reichsgrenzen238 sind die Darstellungen dieses Sujets seltener
und treten erst später auf. In den norddeutschen Regionen und
darüber hinaus gibt es im 16. Jahrhundert mit Ausnahme der
Deckenmalerei in der Lüneburger Gerichtslaube keine Beispiele
für M UCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA als gemalte Historie.
234
Vgl. Bruck, 1903, S. 165.
Ebd., sowie Anzelewsky, 1983, S. 180-90.
236
Zu den antiken Motiven in der Schweizer Glasmalerei vgl. Boesch
1955, S. 144-152 sowie Ganz 1966, zu den Basler Glasmalern der
Spätrenaissance.
237
Vgl. Boesch, 1955, S. 146.
238
Vereinzelte Darstellungen finden sich in Schweden, vgl. Bedoire,
1975.
235
95
Man muß davon ausgehen, daß die Darstellungen römischer
Tugendhelden im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation
grundsätzlich anders motiviert waren. Der römische Held war hier
weniger bekannt, anders als in Italien und besonders in Rom. Die
Legende war ohne Kommentar nur von den wenigsten zu
identifizieren. 239 Anders als in Italien, wo man sich stark mit
Mucius Scaevola als einem legendären Vorfahren identifizierte,
waren es im Norden andere Bewegründe, die dazu führten, die
Geschichte eines römischen Tugendhelden malen zu lassen.
Daher soll zunächst eine Analyse der Darstellungen im Reich und
in der Eidgenossenschaft und deren Abweichungen von den
italienischen Werken folgen. Anschließend wird die
Motiventwicklung in den Niederlanden untersucht, wo sich
wiederum andere Bildinterpretationen von MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA finden.
Buchillustrationen als Vorlagen für kommunale
Wandbilder
Die ersten Darstellungen des römischen Helden von deutschen
Künstlern waren Holzschnitte, die als Illustrationen angefertigt
wurden. Der florierende Buchdruck bot günstige Voraussetzungen
für die Motiventwicklung. Ausgehend von Mainz hatten sich vor
allem in den großen Handelsstädten Zentren mit Druckhäusern
und Verlagen gebildet. 240 Hier wurden lateinische und griechische
Texte aus der antiken Literatur von Gelehrten und Künstlern für
die Leser aufbereitet. Die neuen Genres mit ihren weniger
bekannten Inhalten wurden übersetzt, kommentiert und nicht
zuletzt mit reichen Holzschnittillustrationen zum besseren
Textverständnis ausgestattet. 241
239
Vgl. dazu Roeck, 1999, S. 128-30.
Vgl. Geldner, 1986, S. 44-45.
241
Vgl. London und Parshall, 1994.
240
96
Die ersten auf deutschem Boden gedruckten Bücher, in denen die
Tat Mucius Scaevolas als erläuternde Bebilderung dargestellt
wurde, waren Kompendien römischer Geschichten nach Livius.
Die Römischen Historien von Titus Livius waren bereits im 15.
Jahrhundert wieder entdeckt und verbreitet worden und lagen
schon vor Beginn des 16. Jahrhunderts in mehreren gedruckten
Ausgaben vor. 242 Doch erst 1505 erschien eine sehr freie
deutsche Übersetzung von Bernhard Schöfferlin bei Johann
Schöffer in Mainz. 243 Es war gleichzeitig auch die erste illustrierte
Ausgabe mit insgesamt 214 Holzschnitten, die Vorbild wurde für
eine ganze Reihe weiterer illustrierter Liviusdrucke.244
Sowohl der Text als auch die Illustrationen unterschieden sich
deutlich von den italienischen Vorlagen. 245 In dem Holzschnitt zu
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA war eine ganz eigene
Bildinterpretation angelegt, an der sich die meisten
nachfolgenden Illustrationen orientierten. 246
Mucius Scaevola in den Liviusausgaben bei
Schöffer
Die von Johann Schöffer herausgegebene illustrierte
Liviusausgabe wurde 1521 und 1523 mit neuen Holzschnitten
wiederholt. 247
Die Illustration zu MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA aus der
späteren Ausgabe von 1523, ist wie ein Triptychon in drei Szenen
242
Vgl. Kunze 1993, S. 179.
Vgl. Ludwig 1987, S. 8-10, Anm. 10.
244
Vgl. Kunze 1993, S. 179 und Muther 1884, S. 91-92.
245
Bernhard Schöfferlins Römische Historien waren keine reine
Übersetzung, sondern von ihm selbst verfasst, wobei er sich an
Livius und andere Autoren anlehnte, vgl. Ludwig 1987, S. 9-22.
246
Siehe Romische Historie vß Tito Liuio gezogen, gedruckt in Mainz
von Johann Schöffer 1505, S. 24v° und vgl. Kunze 1993, S. 179.
247
Vgl. dazu Kunze 1993, S. 263.
243
97
geteilt. 248 Der große mittlere Teil zeigt die Ermordung des
Schreibers. Die Hauptszene spielt im Eingang eines Zeltes. In der
Bildmitte sitzt der Schreiber wie ein Zahlmeister hinter einem
massiven Tisch mit einigen Münzen darauf. Links davon steht
Mucius, der ihm gerade das Schwert in die Brust stößt. Der
schmalere Holzschnitt links zeigt Mucius Scaevola, der als
Rückenfigur nach rechts zur Bildmitte schaut. Dabei läßt er seinen
linken Arm in ein Feuer eines steinernen Kamins am äußersten
linken Bildrand herabhängen, so daß Hand und Unterarm von
Flammen umzüngelt werden. Im rechten Seitenteil sind eng
beieinander stehende Soldaten zu sehen.
Alle Personen tragen deutsches Kostüm, zeitgenössische
Kleidung der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Mucius
Scaevola ist wie die anderen Soldaten im rechten Bildteil mit
geschlitzter Kleidung und großem, federgeschmücktem Hut in der
typischen Tracht eines Landknechtes dargestellt. Die anderen
Figuren sind durch die Kleidung als deutsche Edelleute
gekennzeichnet.
Wie der Text von Schöfferlin sind auch die Illustrationen der
römischen Historien auf die Gegenwart übertragen. 249
Die dreiteilige Illustration setzt einen eigenen motivischen
Schwerpunkt und verwendet neue Motivelemente 250 für die
bildnerische Umsetzung der Geschichte. Dabei steht der
Mordanschlag, anders als in italienischen Darstellungen, hier im
Mittelpunkt, während das Verbrennen der Hand am Rande
gezeigt wird. In der deutschen Illustration ist diese Szene nur als
rahmende Nebenhandlung ohne die übliche Konfrontation mit
Porsenna im linken Teil des Holzschnittes gezeigt.
248
Aus: Titus Livius, Romische historien... Mainz: Johann Schoeffer
1523, fol. 24v. Siehe Kat. 36.
249
Vgl. die Vorrede von Schöfferlin in: Romische Historie uß Tito livio
gezogen. Mainz 1505, Bl. I, recto und verso. Auch abgedruckt bei
Ludwig 1987, S. 76-79.
250
Wie beispielsweise das Feuer im Kamin.
98
Im Mittelpunkt steht die Ermordung des Schreibers an einem
Wechseltisch. Gegenüber den italienischen Vorlagen, deren
Hauptmotiv in der Regel das Verbrennen der Hand vor den
Augen des Königs ist, setzt dieser Holzschnitt einen deutlich
anderen ikonographischen Akzent.
Das Medium Buchdruck und die Arbeitsweise der Drucker führten
zu einer weiten Verbreitung dieser neuen Ikonographie. Um
Kosten zu sparen, wurden für neue Buchdrucke nicht jedesmal
andere Holzschnitte angefertigt, sondern zum großen Teil auf
bereits vorhandene Druckstöcke zurückgegriffen, die mehrfach
wiederverwandt wurden.251 Die Offizinen, die noch über keine
eigenen Druckstöcke verfügten, kauften gebrauchte Bestände
von anderen Druckern oder ließen die Holzschnitte aus den
bereits erschienenen Ausgaben nachschneiden. Darüberhinaus
entstanden auch kleinere Bilderbücher mit den neuen Themen, in
denen die Holzschnitte von erklärenden Texten in Versen
begleitet waren. 252 Diese Kunstbüchlein dienten Künstlern und
Kunsthandwerkern als Vorlageblätter für ihre Arbeiten. 253 Das
führte dazu, daß die ersten deutschen Darstellungen von MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA in vielen gleichen oder zumindest
ähnlichen Bildern in hohen Auflagen weit verbreitet wurden.254 Als
frühes und gleichzeitig stark verbreitetes Bildkonzept blieb das
Motiv nicht ohne Einfluß auf die nachfolgenden Darstellungen des
Sujets in Graphik und Malerei.
Es war sicher kein Zufall, daß gerade diese ikonographische
Neuschöpfung im Norden entwickelt und populär wurde. Die
betonte Darstellung des Mordanschlages wurde hier besonders
251
Zu den frühen illustrierten Liviusausgaben, vgl. Kunze 1993, S. 179.
Vgl. Lejsková-Matyášová 1952, S. 107.
253
Vgl. Kunze 1993, S. 107.
254
Vgl. die Ausgaben von Johannis Grüninger, Straßburg 1507, S. 28v
und von Johann Schoeffer 1523, S. 24v, siehe auch die deutschen
Darstellungen im 16. Jahrhundert, siehe Kat. 36-38, 47-50.
252
99
häufig kopiert und setztesich schließlich als gängige
Motivinterpretation durch.
Die neue Ikonographie war für Kompendien entwickelt worden,
die zur Regentenliteratur zählten. In den Vorreden der Römischen
Historien nach Livius wird deutlich, daß mit den römischen
Geschichten die Grundlagen der Rechtsprechung und Regierung
exemplifiziert werden sollten. Die Beispiele aus der römischen
Geschichte sollten Vorbilder für die gegenwärtige Politk liefern
und wurden besonders jenen empfohlen, die Land oder Stadt
regierten.255
Zumeist waren es Juristen, die die Texte zusammenstellten,
übersetzten und kommentierten. Wie in den italienischen
Kommunen berieten sie auch die Künstler, in diesem Fall die
beauftragten Holzschneider, in der Darstellung antiker Historien.
Die Juristen verfügten durch ihr Studium in der Regel über eine
breites Wissen in Bezug auf die römische Antike. Seit dem 14.
und 15. Jahrhundert wurde das im Norden rezipierte römische
Recht vor dem Hintergrund der Kultur und Gesellschaft des alten
Rom interpretiert. 256 Grundlegend dafür war eine profunde
Kenntnis der lateinischen Sprache, der römischen Geschichte und
der klassischen Literatur.257 Dieses Wissen prädestinierte Juristen
als Vermittler der römischen Kultur und ihren Leitbildern.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß die
Illustrationen aus den Regentenspiegeln als Vorlagen für die
repräsentative Ausstattung kommunaler Bauten finanzkräftiger
255
Vgl. die Vorrede von Bernhard Schöfferlin in der Ausgabe von
Johann Schöffer, Mainz 1505.
256
Dorothee Hansen hat darauf hingewiesen, daß Juristen durch ihr
Studium häufig eine profunde Kenntnis der antiken Historien hatten,
die sich in der Ikonographie der Bildprogramme niederschlägt, vgl.
Hansen 1989.
257
Zum Teil studierten die Juristen auch mehrere Jahre in Italien, vgl.
Ludwig, S. 32-36, Anm. 66.
100
Städte verwandt wurden. 258 Zumal es hier in der Regel wiederrum
die Juristen mit ihrem speziellen Bildungshintergrund waren, die
das auftraggebende Stadtpatriziat in bezug auf den Bildschmuck
für ihre Rathäuser berieten.
So gelangten die Darstellungen der römischen Helden als
Beispiele vorbildlicher Regierung in die Ausstattungsprogramme
der Kommunalbauten im Norden. Die antiken Historien wurden
zusammen mit biblischen oder auch mythologischen Bildthemen
in die Bildprogramme integriert. Die Graphiken aus den Büchern
wurden dabei häufig als Vorlagen genutzt. 259
Zum Teil leisteten sich auch wohlhabende Patrizier eine
Ausmalung ihrer Häuser. Die neuen Themen aus der antiken
Geschichte dienten der politischen und sozialen Selbstdarstellung
der Bürger. Ein frühes Beispiel dafür ist die Fassadenmalerei von
Hans Holbein d. J.am Hertensteinhaus in Luzern.
Die Fassade des Hertensteinhauses von Hans
Holbein d. J.
Hans Holbein d. J. hatte das Motiv MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA in das Bildprogramm der Fassade des
258
Zum Einfluß der Regentenspiegel auf die Rathausdekorationen der
Frühen Neuzeit, vgl. Tipton 1996.
259
Außer den im folgenden besprochenen Malereien am
Hertensteinhaus und in der Lüneburger Gerichtslaube sind das
Ulmer Rathaus und Sgaffitto-Haus zu Weitra Beispiele für
Fassadengemälde nach Illustrationen. Ein Holzschnitt von Hans
Schäufelein aus der Schwarzenbergschen Ciceroübersetzung war
Vorlage für die Mucius Scaevola-Darstellung an der Nordfassade
des Ulmer Rathauses, vg. Tipton 1996, S. 466-473, siehe Kat. 50.
Die Fassade am Sgrafitto-Haus zu Weitra wurde nach
Liviusillustrationen von Jost Amman gestaltet, vgl. LejskovaMatyasova 1952, S. 106-107.
101
Hertensteinhauses in Luzern integriert. 260 Seine Darstellung
innerhalb des Fassadenfreskos ist noch durch eine Zeichnung
überliefert. 261
Als Geselle seines Vaters hatte der neunzehnjährige Holbein
1517 die Fassade des neuen Hauses des Geschäftsmannes und
Schultheißen Jakob von Hertenstein in Luzern bemalt. Dieser
hatte 1510 ein Haus am nördlichen Kapitellplatz erworben, das er
abreißen ließ und durch einen stattlichen Neubau ersetzte. Für
die umfangreichen Wandmalereien im Innern und außen rief er
den angesehensten Maler Süddeutschlands, Hans Holbein d. Ä.,
nach Luzern. Es wurde ein anspruchsvolles Bildprogramm erstellt,
das sich unter anderem an Vorlagen Mantegnas zu einem
oberitalienischen Fürstenhof orientierte.262
Das Hertensteinhaus mit seiner Fassade war einzigartig im
Stadtbild Luzerns und hob sich besonders ab, da kein anderes
Bürgerhaus bemalt war.263
Die Fassade war in mehrere, übereinander durchlaufende
Bilderfriese eingeteilt. Das gesamte Bildprogramm bestand im
wesentlichen aus Historienbildern, die in eine dekorative
Scheinarchitektur integriert waren, so daß sie wie Bühnenbilder
wirkten. 264
Im Bereich des Erdgeschosses war die Fassade von
illusionistischer Architekturmalerei geprägt. Das erste Geschoß
schmückten allegorische Frauenfiguren zwischen den Fenstern.
Im Zentrum der Fassade prangte die größte Szene. Die
Darstellung der KÖNIGSPROBE, auch als LEICHENSCHIEßEN bekannt,
260
Zu Holbeins Fassadenmalereien vgl. die Literatur in Michael 1997
unter 8.4, S. 557-567.
261
Siehe Kat. 39.
262
Vgl. Bätschmann 1989, S. 1-2.
263
Zum Hertensteinhaus im Vergleich zu anderen freskierten
Patrizierhäusern, vgl. Riedler 1978.
264
Einen Gesamteindruck der Fassadendekoration vermittelt die
Rekonstruktionsskizze von Albert Landerer aus dem Jahre 1870, vgl.
Ausst.kat. Basel 1997, Kat. Nr. 25.3.
102
war in einer von Säulen getragenen scheinperspektivischen Halle
dargestellt und wird als Mahnung an die Nachkommen von
Hertensteins interpretiert.265 Die Wandfläche zwischen zweitem
und dritten Geschoß nimmt der TRIUMPFZUG CAESARS nach
Mantegnas Werk für den Markgrafen von Mantua ein. 266
Im obersten Geschoß schließlich war eine Reihe von fünf
Episoden aus der griechischen und römischen Geschichte zu
sehen, die weitere Tugendexempel zeigen MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA war die mittlere Szene, die zudem ein größeres
Bildfeld als die Darstellungen links und rechts davon einnahm. Die
begleitenden Szenen links außen zeigen den SCHULMEISTER VON
FALERII, gefolgt von der athenischen HETÄRE LEAINA . Rechts
außen war MARCUS CURTIUS zu sehen und zur Mitte der
SELBSTMORD DER LUCRETIA .
Die Darstellung von M UCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA innerhalb
dieses Bildprogrammes wurde in der Literatur wiederholt als
Selbstporträt oder bildliche Signatur des Malers interpretiert, weil
Hans Holbein selbst ein ausgeprägter Linkshänder war, der mit
der rechten Hand nichts zeichnen konnte.267 Diese Interpretation
scheint jedoch wenig plausibel im Hinblick auf die zentrale
Anordnung und Größe der Darstellung, die diesem Thema eine
besondere Bedeutung zuweist.
Eine Nachzeichnung aus dem Jahr 1825 in der Zentralbibliothek
Luzern die Komposition des Motivs wieder, die deutliche
Abweichungen zu den italienischen Motivauffassungen erkennen
läßt. 268
265
Die Hochzeitsdaten und Allianzwappen weisen auf die vier Ehen des
Jakob von Hertenstein hin, vgl. Klinger /Hoettler 1998, HH.V.1, S.
267
266
Vgl. Bätschmann 1989, S. 1, Anm. 4.
267
Vgl. Bätschmann 1989, S. 4 und Bätschmann/Griener 1997, S.68
sowie Ausst.kat Basel 1997, Kat. 25.3, S. 348-350, Anm. 6 auch
noch bei Klinger und Hoettler 1998, S. 267.
268
Erstellt beim Abbruch des Hauses, vgl. Bätschmann, 1989, Abb. 7.
103
Im rechten Vordergrund, hinterfangen von einer Draperie, befand
sich eine Gruppe von Soldaten. In deren Mitte stand Porsenna
gegenüber von Mucius Scaevola, der die Gruppe nach rechts
abschließt. Holbein zeigt Mucius Scaevola in aufwendigen
Schlitzhosen und -ärmeln der Schweizer Söldner, der
sogenannten Reisläufer.269 Porsenna, als Fürst oder Herr
gekennzeichnet, redet mit erhobenem Zeigefinger auf Mucius ein.
Die Figur des Porsenna wird hier offenbar auf den deutschen
Okupator übertragen, Mucius ist als Reisläufer dargestellt, der
passiven und aktiven Widerstand gegen die Truppen des Heiligen
Römischen Reiches leistet. Mucius streckt seine Hand hinter sich
in das Feuer einer Standschale am äußersten rechten Bildrand.
Die mutige Tat wird am Rand dargestellt und ist hinter dem
Rücken Mucius Scaevolas für Porsenna und sein Gefolge kaum
zu sehen.
Eine zweite Szene links im Hintergrund zeigt den Schreiber an
einem Tisch sitzend, der gerade von Mucius erstochen wird.
Die Ikonographie beinhaltet Parallelen zu den deutschen
Buchillustrationen. Im Gegensatz zu den italienischen
Darstellungen wird auch hier das Motiv in die Gegenwart
projeziert indem das antike Thema durch zeitgenössisch
gekleidete Figuren auf aktuelle politische Konstellationen
übertragen wird.
Die eigene Stärke gegenüber dem feindlichen Herrscher wird
durch das Verbrennen der Hand einerseits und die Darstellung
des Mordanschlags andererseits versinnbildlicht.
Die Szene am Hertensteinhaus orientiert sich stark an einem
zuvor entstandenen Titelholzschnitt Holbeins von 1516 mit dem
gleichen Motiv. 270 Er verwandte die Elemente aus den
269
Nach Michael Riedler wirkt die Darstellung im ersten Eindruck wie
eine typische Reisläuferszene, vgl. Riedler 1987, S. 15-26.
270
Siehe Kat. 40, vgl. Hollstein's German Engravings, Etchings and
Woodcuts 1400 - 1700, 14: Ambrosius Holbein to Hans Holbein the
104
Titeleinfassungen für den Buchdruck häufiger für gleichzeitige
Entwürfe für Fassadengestaltungen. 271
Hans Holbein ein Titelblatt für Johann Froben in Basel
geschaffen, der es für verschiedene Buchausgaben verwandte.272
Es ist eine Titeleinfassung um ein gerahmtes Feld, das etwas aus
der Mitte nach links gesetzt ist. Oben ist ein Kindertriumphzug zu
sehen, die Seiten werden mit Grotesken eingefasst. Im unteren
Bereich ist die Geschichte von Mucius Scaevola dargestellt. In
dieser Darstellung Holbeins zur Geschichte Mucius Scaevolas
sind beide Szenen, die Verbrennung der Hand und der
Mordanschlag, gleichberechtigt auf einer Bildebene dargestellt.
Die Figuren tragen zeitgenössische Kleidung und werden durch
Inschriften identifiziert. Der linke Teil des Holzschnittes bildet die
seitenverkehrte Vorlage für die Szene im späteren Fassadenbild.
Holbein zeigt Porsenna mit der gleichen maßregelnden Geste und
Mucius' Hand in den Flammen versteckt am Bildrand.
Die Mordszene, rechts im Titelholzschnitt, ist deutlich von den
frühen Buchillustrationen bei Schöffer inspiriert. Holbein
übernahm die Ikonographie aus der deutschen Buchillustration für
seinen Titelholzschnitt und stellt Mucius in zwei Situationen dar.
Zum einen, wie er von der Obrigkeit zurechtgewiesen wird und
fast unbemerkt von den Anwesenden Schmerz erträgt. Und zum
zweiten, wie er den Mordanschlag auf den König ausführt. Die
ikonographische Gestaltung von M UCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
am Hertensteinhaus ist also letztendlich unter dem Einfluß der
deutschen Buchillustration entstanden.
Diese Tatsache ist besonders interessant, da Holbein die
Kenntnis oberitalienischer Kunst mitbrachte und diesen Einfluß
Younger, 1988, 12, Abb. S. 160 sowie Ausst.kat. Basel 1997, Kat.Nr.
13.
271
Vgl. Bätschmann/Griener 1997, S. 70, Anm. 19
272
Zunächst für Aeneas von Gaza, Aeneas Platonicus verwandt, später
auch für Werke von Thomas Morus und Desiderius Erasmus u.a.,
vgl. ebd. S. 161-163.
105
auch in der Bemalung der Fassade geltend machte.
Beispielsweise geht das für Holbein typische illusionistische
Aufbrechen der geschlossenen Wandfläche auf oberitalienische
Vorbilder zurück. 273 Auch waren einige Motive am
Hertensteinhaus an Kompositionen von Mantegna angelehnt.
Trotz dieser deutlichen Orientierung an italienischen Fassaden,
wählte Holbein für das Motiv MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
eine Interpretation, die nicht den italienischen Vorlagen
entsprach, sondern auf süddeutsche Vorbilder zurückging.274
Auch die anderen in der Schweiz entstandenen Darstellungen
entsprachen der in den deutschen Territorien entwickelten
Ikonographie.
Darstellungen römischer Heldentaten wurden in der Schweiz
generell zunehmend nachgefragt, vor allem auch das Sujet
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA .275
In einer etwa gleichzeitig entstandenen Züricher Glasscheibe
wurden die ikonographischen Akzente im Vergleich zum Fresko
Holbeins sogar noch deutlicher verschoben. Hier steht der Mord
an dem Schreiber im Vordergrund und Mucius, der seine Hand in
das Feuer hält, ist auf eine kleine Szene im Hintergrund
reduziert.276
273
Lange Zeit wurde dieser wandauflösende Illusionismus als
Innovation Holbeins oder als direkter Rückgriff auf pompeijanische
Wandmalereien gedeutet, vgl. Bergström 1957, S. 11-18. Rolf
Kultzen verweist jedoch auf die Dekorationen von Giorgione und
Tizian am Fondaco dei Tedeschi als wahrscheinliche Vorbilder, vgl.
Kultzen 1972, S. 263-264.
274
Zu diesem Schluß kommt auch Michael Riedler, wenn auch ohne
motivische Belege anzuführen, vgl. Riedler 1978, S. 26.
275
Boesch erwähnt, daß das Thema in der darauffolgenden Zeit oft
dargestellt wurde, hauptsächlich in den Oberbildern von Standesund anderen Scheiben, vgl. Boesch, 1955, S. 146.
276
Siehe Kat. 41. Eine von drei Glasscheiben für das Augustinerkloster
in Zürich, gestiftet vom Bund der 13 Orte, vgl. Boesch, 1955, S. 144146, Abb. 87.
106
Das Thema MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA konnte zur
Demonstration des neuen Selbstbewußtseins der Eidgenossen
eingesetzt werden. Für die Schweizer war Mucius Scaevola eine
Identifikationsfigur im Sinne eines starken Bürgers, der seine
eigenen Interessen gegenüber fremden Herrschern
durchzusetzen weiß. Die Stadt Luzern gehörte zu einem festen
Bund von Stadtrepubliken und Ländern, die die Schweizer
Eidgenossenschaft bildeten und die besonders durch ihre
Kriegsführung zu internationalem Ansehen gekommen waren.
Nach dem Widerstand gegen die Reichsreformbestrebungen
Kaiser Maximilians hatte sich die Schweiz vom Reich gelöst und
wurde seit 1513 politisch unabhängig vom Bund der 13 Orte
regiert. Auf die Soldaten des Schweizer Heeres gründete sich
letztendlich die militärische Überlegenheit, die die Durchsetzung
der Autonomie und Abspaltung vom Reich ermöglichte.
Holbeins Fresko betont, daß der König trotz seines Status und
seines Gefolges nicht in der Lage ist, Mucius Scaevola, der als
Schweizer Soldat erscheint, an seinen Taten zu hindern.
Die Identifizierung mit Mucius Scaevola erklärt den Schweizer
Soldaten zum bürgerlichen Helden, der sich gegenüber den
Großmächten durchzusetzen weiß.
Vielleicht hat der Auftraggeber Holbeins, Jakob von Hertenstein,
mit dem Motiv M UCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA auf seinen
Einsatz für die Stadt während der Ablösung der
Eidgenossenschaft vom Reich angespielt. Als Mitglied des
Luzerner Stadtpatriziats war er zum Zeitpunkt der
Fassadenbemalung bereits über dreissig Jahre politsch aktiv und
zählte zu den mächtigsten Männern in der Eidgenossenschaft. 277
In seinem politischen Leben war der Widerstand gegen die
Besatzer, der zum Schweizerkrieg und der letztlich zur politischen
277
Nährere Hinweise zum gesellschaftlichen und politischen Status des
Auftraggebers finden sich bei Klinger/Hoettler 1998, S. 267.
107
Eigenständigkeit führte, sicherlich eines der wichtigsten
Ereignisse.
Die Fassade war eine besonders augenfällige und öffentliche
Repräsentation des Hausherrn und seiner Familie, der den
Familienbesitz durch ertragreiche Pensionen und geschickte
Heiraten vermehrt hatte. Sie spiegelte seine politische Machtfülle,
den großen Reichtum aber auch seine humanistische Bildung und
moralischen Ansprüche wider.
Ähnliche ikonographische Neuinterpretationen zu MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA finden sich an und in vielen deutschen
Kommunalbauten, vornehmlich den Rathäusern. Von Anfang des
16. bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts beauftragten die
finanzkräftigen Kommunen nördlich der Alpen vermehrt
Neudekorationen für ihre Rathäuser. Im Heiligen Römischen
Reich waren es die wirtschaftlich potenten Handelszentren und
die freien und Reichsstädte, die sich eine aufwendige Dekoration
der Amtsräume, Festsäle und Fassaden leisteten.
In den folgenden Analysen sollen die Ikonographien von MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA in Rathausausstattungen der
Hansestadt Lüneburg und der freien Reichsstadt Nürnberg und in
einem Gemälde von Hans Baldung Grien für die Stadt Straßburg
verglichen werden.
Zwei Szenen in der Lüneburger Gerichtslaube
Die mittelalterliche Rathausanlage der Hansestadt Lüneburg war
in der wirtschaftlichen Blütezeit der Stadt im Verlauf des 14. und
15. Jahrhunderts in einen vielteiligen Komplex umgebaut worden.
Zwischen 1408 und 1411 wurde die Baulücke zwischen dem alten
Rathaus und dem Gewandhaus durch einen zweigeschossigen
108
Ratssaalbau geschlossen. Im ersten Obergeschoß befand sich
die sogenannte Gerichtslaube.278
1529 wurde ein Maler namens Marten für die Ausmalung der
Holztonnendecke des Ratssaales entlohnt. 279
Die bemalte Decke in der Lüneburger Gerichtslaube enthielt
Szenen aus der klassischen Geschichte Roms nach den
Holzschnittillustrationen der Römischen Historien aus der
Druckerei von Johannes Schöffer in Mainz von 1523. Die
Illustration zu MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA wurde in zwei
Szenen übernommen.280
Wie zuvor am Hertensteinhaus, ließ man sich auch in Lüneburg
im Hinblick auf die Gesamtkonzeption der Decke direkt von einem
italienischen Vorbild inspirieren. Die Disposition der Motive und
die Gliederung des Deckenschemas der Lüneburger
Gerichtslaube gehen auf Saalausstattungen in Rom, bzw. Mantua
zurück. Das Arrangement des Bildprogrammes gleicht den
Ausmalungen mit Monatsbildern, wie sie von Pinturicchio im
Palazzo Domenico della Rovere in Rom 281 oder von Falconetto in
der Sala dello Zodiaco im Palazzo d`Arco in Mantua 282 erhalten
sind. Für das Lüneburger Bildprogramm wurden ebenfalls profane
Motive aus der klassischen Geschichte gewählt, jedoch in anderer
Auswahl und mit anderen Ikonographien. 283
278
Vgl. Tipton 1996, S. 350-351.
Vgl. Pfeiffer 1961, S. 13.
280
Siehe Kat. 45, 46.
281
Die Ausstattung der Sala delle Stagioni im Palazzo della Rovere
wurde 1490 abgeschlossen und gilt als Vorbild für die Sala dello
Zodiaco in Mantua. Zu den Fresken Pinturicchios vgl. Redig de
Campos, 1962, zur Motivtradition vgl. Buddensieg, 1963.
282
Die Sala dello Zodiaco ist in einem alten Teil des Palazzo d' Arco,
der ehemaligen Casa della Valle, erhalten. Die Mantuaner Fresken
werden Giovanni Maria Falconetto zugeschrieben und um 1520, vgl.
Capodieci, 1996 mit Vermutungen zur Auftraggeberschaft,
Buddensieg, 1963, S. 124, Anm. 13 und 58.
283
In Rom und Mantua verkörpern die Szenen in den Ädikulä
Monatsbilder, die in ein makrokosmisches Gefüge von Sternzeichen,
Planeten und Jahreszeiten integriert sind. Zur Ikonographie vgl.
279
109
An der Decke der Gerichtslaube reihen sich auf einer mit
Blattranken, Blüten und Früchten dekorierten Grundfläche fünf
Scheinädikulä auf jeder Längsseite. Jeder der zehn Ädikulä gibt
vermeintliche Ausblicke auf profane Szenen.284 Ein Architrav
trennt eine größere Szene zwischen den beiden Pfeilern von
einem kleineren Motiv in der aufgesetzten Lünette.
Zwei der Lünettenbilder zeigen Szenen aus der Geschichte
Mucius Scaevolas entsprechend der Liviusillustration von Johann
Schöffer. Die Ermordung des königlichen Schreibers und das
Verbrennen der Hand vor Porsenna sind als getrennte Szenen in
je einer Lünette dargestellt. In der westlichen Ädikula des 3.
Joches ist die Hauptszene aus der Vorlage mit dem Motiv der
Ermordung kopiert worden. 285 Daneben, im 4. Joch, ist gezeigt,
wie Mucius Scaevola seine Hand in einem Feuer verbrennt.286
In dem Lünettenbild, das Mucius vor Porsenna zeigt, steht Mucius
als Halbfigur etwas rechts der Bildmitte vor einer
Landschaftskulisse. Mit dem Rücken zum Betrachter hat er
seinen rechten Arm hinter sich ausgestreckt, wo am unteren Rand
des Bogenfeldes ein Feuer lodert, in das er seine Hand hält. Dies
ist die spiegelbildliche Reproduktion der Figur des Mucius
Scaevola aus der Vorlage. Ergänzt wird die Szene noch um die
Figur des Königs. Gegenüber von Mucius steht Porsenna in
zeitgenössischer und prachtvoller Kleidung. Durch ein Zepter und
die Kleidung ist er als König bzw. Kaiser gekennzeichnet.
Im Lüneburger Lünettenbild steht nicht die Heldentat im
Mittelpunkt, sondern die Gegenüberstellung von Mucius und dem
König. Hier wurde der motivische Akzent von der Präsentation der
Schweikhart, 1985, Tervarent, 1963, Fiocco, 1931, Moretta, 1918.
Dabei handelt es sich hauptsächlich um Themen aus der römischen
Geschichte. Daneben sind Planetengötter und biblische Gestalten
repräsentiert, vgl. Pfeiffer, 1961 und Alpers, 1977.
285
Siehe Kat. 45.
286
Siehe Kat. 46.
284
110
heroischen Tat hin zur direkten Konfrontation von deutschem
König und einem Landsmann verschoben. Das Verbrennen der
Hand hinter dem Rücken von Mucius ist, wie schon im Luzerner
Fresko von Holbein, eher als ein unerkanntes Erleiden von
Schmerz dargestellt. MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA steht in
diesem Fall für das gewaltfreie Gegenübertreten von König und
tapferem Untertan, der das Leid erträgt.
Die zweite Lünette zeigt die Ermordung des Schreibers. Die
Komposition ist in diesem Fall ohne Ergänzungen entsprechend
der Vorlage übernommen worden. Der Ausschnitt ist allerdings
enger gewählt, so daß stärker auf den Mord fokussiert wird. In
einem Zelteingang wird Porsenna als deutscher Fürst wie ein
Wucherer hinter einem Zahltisch dargestellt. Ihm zur Seite steht
Mucius in der Kleidung der Landsknechte und stößt ihm gerade
das Messer in die Brust.
Diese Szene zeigt einen gewaltsamen Angriff gegen einen
herrschaftlichen Vertreter.
Die Szenen in der Lüneburger Gerichtslaube sind auf die Figuren
und ihre Handlungen reduziert, die auf die gegenwärtige Situation
übertragen sind. Die antiken Heldenhistorien aus der römischen
Vergangenheit wurden auch hier wie zeitgenössische Ereignisse
dargestellt. 287 Damit spielen sie auf aktuelle Verhältnisse an.
In den Lünettenbildern der Gerichtslaube war Mucius Scaevola
Beispiel für mutiges Vorgehen gegen den Tyrannen. Beide
Szenen thematisieren die Opposition gegenüber der Obrigkeit.
Jede steht für eine Form des Widerstandes zu dieser Zeit.
Die dargestellten Exempel korrelieren mit zwei gegensätzlichen
politischen Positionen, die zu dieser Zeit diskutiert wurden.
287
Bevor Pfeiffer die Historien mit den Liviusillustrationen in Verbindung
brachte, wurden sie zum Teil auch als Beispiele aus der eigenen
Geschichte interpretiert, vgl. Pfeiffer 1961, S. 16, Anm. 12.
111
Humanisten und Reformatoren fragten sich, ob Gehorsamspflicht
oder Widerstandsrecht im Tyrannenstaat gelte.288 Sie reflektierten
zwei Auffassungen von ständischem Widerstand gegenüber dem
Kaiser. Die moraltheologische Frage des Widerstandsrechts
gegen den Kaiser entwickelte sich im Vorfeld der protestantischen
Bündnisse, als sich der Gegensatz zwischen neugläubigen
Ständen und Kaiser zum offenen Verfassungskonflikt zuspitzte.289
Die wohlhabende Hansestadt Lüneburg mit reformatorischer
Gesinnung sah sich genau wie der welfische Landesherr Herzog
Ernst in politischer und in konfessioneller Opposition zum
Kaiser.290
Die gleiche Gewichtung beider Szenen innerhalb des
Programmes könnte bedeuten, daß das gewaltsame Vorgehen
gegen den Kaiser für die Lüneburger Stadtherren durchaus eine
Alternative zum leidenden Erdulden der kaiserlichen Politik war.
Damit würden die bildlichen Interpretationen der Legende Mucius
Scaevolas in der Lüneburger Gerichtslaube auf das aktuelle
Spannungsverhältnis der Stadt zum Reich anspielen. Sie stünden
für die protestantische Opposition der Stadt und ihre Bereitschaft
zum gewaltsamen Widerstand gegen Karl V.
Gleichzeitig gab es aber seit den 20er Jahren des 16.
Jahrhunderts auch Spannungen mit dem Landesherrn. Die
Hansestadt Lüneburg war zu Zeiten der wirtschaftlichen Blüte
politisch unabhängig und selbständig regiert worden, de facto wie
eine Reichsstadt. De jure stand sie jedoch unter landesherrlicher
288
Das Widerstandsrecht wurde während der Reformation am Problem
des Tyrannenmordes diskutiert, vgl. EKL, Artikel 'Widerstandsrecht',
S. 1278-1283.
289
Zur Kontroverse um das Widerstandsrecht, vgl. Scheible, 1969.
290
Der im Fürstentum Lüneburg regierende welfische Herzog Ernst
zählte zu den ersten Territorialherren in Norddeutschland, die sich
Luther anschlossen, vgl. Eckhard Zum Verhältnis Stadt und
Landsherr in der Lüneburger Geschichte des Mittelalters und in der
frühen Neuzeit in Ausst.kat. Lüneburg 1997, S. 201-207.
112
Oberhoheit, an die sie im Laufe des 16. Jahrhunderts immer mehr
ihrer politischen Freiheiten abtreten mußte. Die Grundlage für die
städtische Macht und den Reichtum war die Salzproduktion und
der Salzhandel gewesen. Als im 16. Jahrhundert die Bedeutung
des Salzwerkes Lüneburg zurückging, verlor auch die Stadt ihre
führende Position. 291
Die Szenen zu Mucius Scaevola in der Gerichtslaube sind damit
auch als Demonstration städtischer Freiheit zu deuten, da die
Helden der römischen Republik für kommunale Selbständigkeit
und politische Unabhängigkeit standen. 292
Daß Mucius Scaevola in Lüneburg für die libertatis stand,
veranschaulicht ein Stück aus dem Lüneburger Ratssilber.
Die Fahne eines silbernen Gießbeckens ist mit acht römischen
Historien verziert, die das Thema der Freiheit thematisieren. Wie
in der Gerichtslaube ist Mucius Scaevola auch hier durch zwei
Szenen, der Tötung des Schreibers und dem Verbrennen der
Hand, repräsentiert. Das überschriebene Motto am Boden des
Beckens benennt die von den Vorfahren errungene Freiheit und
mahnt die Nachkommen diese zu erhalten: LIBERTATEMQVAM
PEPERE(RE) MAIORES/ DIGNE STVDEAT SERVARE
POSTERITAS.293
Mit der Legende von Mucius Scaevola und den anderen
römischen Heldentaten reklamierten die Stadtoberen ihre
städtische Freiheit. Die Wahrung der politschen Eigenständigkeit
der Stadt war eines der wichtigsten Anliegen des oligarischen
Rates, der seine Privilegien durch die Herzöge von Braunschweig
Lüneburg bedroht sah. 294
291
Zuvor war die Stadt in der Lage gewesen, mit den Erträgen der
Saline wichtige Selbständigkeitsrechte von den Fürsten zu erkaufen,
vgl. Kat. Lüneburg 1991, S. 34-51.
292
Zur Thematisierung von Freiheiten und Privilegien in der
kommunalen Ikonographie vgl. Tipton 1996, S. 104-118.
293
Vgl. Ausst.kat. Berlin 1990, Das Lüneburger Ratssilber, Staatliche
Museen Preußischer Kulturbesitz, Kunstgewerbemuseum, Kat. Nr.
29.
294
Vgl. Tipton 1996, S. 104-105, sowie Kat. Lüneburg 1991, S. 66-71.
113
Im Lüneburger Rathaus war Mucius Scaevola offensichtlich eine
beliebte Identifikationsfigur. 295 Der römische Held stand hier für
den Erhalt der Souveränität der Stadt und das mutige Vorgehen
gegen die Tyrannei. Damit konnte Kaiser Karl V. ebenso wie der
welfische Herzog Ernst gemeint sein, die beide die Rechte der
städtischen Obrigkeit und die damit verbunden Freiheiten und
Privilegien bedrohten.
Die zwei Szenen in der Gerichtslaube demonstrieren das
Verteidigen des stadtrepublikanischen Status in Form von
unerschrockener Standfestigkeit einerseits und aktivem,
gewaltsamen Widerstand gegen den Tyrannen andererseits.
Damit wird und auf die Frage der Rechtmäßigkeit des
Tyrannenmordes angespielt, die Bestandteil der aktuellen
Diskussion um das Widerstandsrecht war. So wird mit den
Darstellungen Mucius Scaevola vor Porsenna in der Lüneburger
Gerichtslaube eine eindeutig oppositionelle Position gegenüber
dem Herrscher bezogen.
Die Darstellung dieses Themas im Nürnberger Rathaus
unterscheidet sich in wesentlichen Motivelementen und spiegelt
eine andere Haltung.
Ein Medaillon nach Albrecht Dürer im Nürnberger
Rathaus
Im Großen Saal des Nürnberger Rathauses befand sich ein
Zyklus mit antiken Historien. Dürer hatte die Südwand mit einer
Reihe von Medaillons dekoriert, die verschiedene Historien aus
der Antike zeigen, darunter auch MUCIUS SCAEVOLA VOR
295
Mucius Scaevola war neben den genannten Werken auch als
Aufsatzfigur auf der südlichen Wange des Ratsstuhles in der Großen
Ratsstube zu sehen, vgl. Haupt in: Ausst.kat. Lüneburg 1997, S.
149-175.
114
PORSENNA .296 Diese Darstellung zeichnete sich durch eine
abweichende Interpretation im Vergleich zu den beschriebenen
deutschen Ikonographien aus.
Auf den ersten Blick liegt ein vergleichbarer Kontext zu Lüneburg
vor. In beiden Städten dienen sie der repräsentativen
Saalausstattung eines Rathauses in einer protestantischen
Reichsstadt. Das Thema ist eine von mehreren Historien, die in
gleichem Format dargestellt sind und eine Reihe bzw. einen
Zyklus bilden.
Allerdings zeichnet sich das Nürnberger Medaillon durch eine
andere Ikonographie aus, die letztendlich auf die besondere
reichspolitische Position der Stadt zurückgeführt werden kann.
Die komplette Ausmalung des Nürnberger Rathaussaales in den
1520er Jahren geht auf einen Entwurf Dürers zurück 297, wobei
dieKonzeption, Motivauswahl und Bestimmung der Abfolge, in
Zusammenarbeit mit Willibald Pirkheimer geschah. 298
Alle vier Wände waren unterschiedlich gestaltet. Über die
gesamte Länge der Nordwand war der Triumpfwagen des Kaisers
Maximilian zu sehen. Die Ostwand war von Dürer rein ornamental
gestaltet worden; die Bemalung der Westwand zu der Zeit ist
nicht überliefert. An der stark durchfensterten Südwand prangten
zwischen den Spitzbögen zwölf Medaillons mit Historienbildern. 299
Sie zeigten seltene Themen, die auf antike und mittelalterliche
Sagen aus verschiedenen Quellen zurückgingen.300
Die Bildinhalte von Ost nach West waren:
296
Die ausführlichste Untersuchung zur Ausmalung des Großen Saales
hat Matthias Mende unternommen, vgl. Ausst.kat. Nürnberg 1978.
297
Detailierte Informationen zur Baugeschichte und Ausstattung des
Großen Saales im Ausst.kat. Nürnberg 1978.
298
Beide waren 1495 aus Italien zurückgekehrt und hielten seitdem
Kontakt zu humanistischen Zirkeln, vgl. Anzelewsky 1983, S. 192-97.
299
Ausführliche Informationen zu den Medaillons im Ausst. kat.
Nürnberg 1978, S. 245-251.
300
Eine Übersicht dazu bei Tipton 1996, S. 377-379.
115
DIE VERSCHWIEGENHEIT DES KNABEN L. P APIRIUS PRAETEXTATUS
SOLON UND DIE ATHENISCHEN FLÜCHTLINGE
C. P OPILLIUS LAENAS ZWINGT DEN SYRISCHEN KÖNIG ANTIOCHUS IV.
ZUM FRIEDEN
OPFERTOD DES DECIUS MUS
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
TITUS MANLIUS TORQUATUS LÄßT SEINEN SOHN ENTHAUPTEN
MARTERTOD DES M. A TILIUS REGULUS
TOD DER VIRGINIA
GERECHTIGKEIT TRAJANS
HERKINBALD TÖTET SEINEN NEFFEN
ZÜCHTIGUNG DES CYRUS
ANACHARSIS ERLÄUTERT SOLON DAS GLEICHNIS VOM SPINNENNETZ
Die meisten zeigten Ereignisse aus der klassischen Geschichte,
vor allem aber römische Heldentaten. Unterhalb der zwölf
Medaillons waren illusionistisch gemalte Tafeln zu sehen, die
lateinische Bildunterschriften von Pirckheimer trugen.
Im fünften Rundbild von Osten war MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA dargestellt. Darunter die Inschrift:
C.MVTIVS SCAEVOLA QVI/
ERRORE SCRIBAM PRO RE/
GE TRVCIDASSET; IGNE SA /
CRIFICIO MANVM TORRVIT.
Die ursprüngliche Komposition der Szene läßt sich nur mittelbar
rekonstruieren, da weder die Wandmalereien noch der Entwurf
Dürers erhalten sind.301 Die jeweiligen Restaurierungen des
301
Die Dürerwerkstatt führte die Ausmalung nicht als Fresko aus,
wodurch sich keine dauerhafte Verbindung von Untergrund und
Malschicht ergab. Zusammen mit den ungünstigen klimatischen
Verhältnissen an der durchfensterten Südwand, der Verschmutzung
durch rußende Kerzen und Umbauten wurden die Malereien
116
Saales orientierten sich zwar an dem ursprünglichen Arrangement
der Bildfelder, interpretierten die darin enthaltenen Themen
jedoch neu.302 Der letzte Zustand wurde im Zweiten Weltkrieg
vernichtet, so daß heute nur mehr Reproduktionen auf die
Ausgestaltung der Fresken schließen lassen.
Eine Kopienfolge von 1530 vermittelt wohl am ehesten einen
Eindruck von der ursprünglichen Gestaltung nach Dürer.303 Die
anonymen Federzeichnungen tragen das falsche DürerMonogramm und das Datum 1521.304 Auch wenn die anonyme
Kopie des Medaillons den Entwurf Dürers nicht exakt
wiedergibt305,so läßt sie doch einige Rückschlüsse zu. Dürers
Interpretation von M UCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA wich zwar,
wie die Darstellungen der anderen deutschen Künstler, von den
italienischen Vorbildern ab, unterschied sich aber gleichzeitig
deutlich von den gängigen deutschen Darstellungen dieser Zeit.
Am augenfälligsten ist, daß die zentrale Szene die tapfere Tat des
Mucius Scaevola ist.
Das Medaillon zeigt eine Figurengruppe vor einem angedeuteten
Zelteingang an einem Tisch versammelt. Rechts sitzt Porsenna
auf den Tisch gestützt, in schlichtem Gewand mit Krone und Kette
geschmückt. Er blickt auf Mucius Scaevola, der in einem
verzierten Harnisch an der anderen Seite des Tisches steht. Im
Zentrum des Medaillons wird das Verbrennen der Hand gezeigt.
Während Mucius mit der linken Hand das Schwert an seiner Hüfte
mehrmals beschädigt und wieder erneuert, vgl. Ausst.kat Nürnberg
1978, S. 70.
302
Vgl. Ausst.kat. Nürnberg 1978, Kat. Nr. 307, 308.
303
Siehe Kat. 47.
304
Darunter auch die Kopie des fünften Südwandmedaillons, das
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA zeigt. Vgl. Ausst.kat Nürnberg
1978, Abb. 127c, Kat. 305. Siehe Kat. 47.
305
Dies wird von Matthias Mende aus stilistischen Gründen vermutet
und weil gleichzeitig entstandene Kopien sehr unterschiedlich
ausgeführt sind, vgl. Ausst.kat Nürnberg 1978, Kat. 278 und unter
Kat. 305.
117
umfaßt, hält er die rechte Hand mit gestrecktem Arm in ein Feuer,
das in einer Schale auf dem Tisch brennt. Am Boden unter der
Schwertspitze Mucius Scaevolas ist der Leichnam des getöteten
Schreibers angedeutet.
Im Eingang des Zeltes, hinter dem Tisch stehen zwei Wachen, die
auf die verbrennende Hand in den Flammen schauen. Links steht
ein Hellebardenträger in einer Rüstung mit federgeschmücktem
Helm. Der zweite, bärtig mit längeren Haaren, trägt ein ähnliches
Gewand wie der König und eine tief ins Gesicht gezogene
Kopfbedeckung.
Im Gegensatz zu den Darstellungen von Holbein oder in
Lüneburg, in denen der Mord in den Mittelpunkt gestellt wird,
enthält das Medaillon nach Dürer nur einen dezenten Hinweis auf
die vorangegangene Tat. Allem Anschein nach hat Dürer die
drastische Darstellung des Anschlags auf den König, die von
anderen deutschen Künstlern betont wurde, vermieden. Dafür
rückte Dürer das mutige Verbrennen der Hand vor dem König
wieder in das Zentrum, wie es in italienischen Interpretationen der
Legende der Fall ist.
Zugleich gibt es aber Übereinstimmungen mit den Darstellungen
seiner deutschen Künstlerkollegen, etwa die Inszenierung an
einem Tisch oder auch die Tatsache, daß die Legende nicht als
ein Ereignis aus der römischen Antike gezeigt wird. Dürer zeigt
die beteiligten Personen in langen Gewändern und Rüstungen,
die weder als eindeutig antikes oder zeitgenössisches Kostüm zu
identifizieren sind. Umgebung und Kleidung blieben eher
unspezifisch, was den Schluß zuläßt, daß hier eine zeitlose
Szene gemeint ist.
Damit nimmt Dürer genau die Motivelemente aus, die Bezüge zur
Gegenwart enthalten. Ebenso fehlt die Darstellung des
Königsmordes. Er vermied den zeitgenössischen Bezug mit der
direkten Anspielung auf den Tyrannenmord und wählte eine
118
neutralere Interpretation des Sujets. Dürer zeigte die Szene als
eine historisch unbestimmte Begebenheit, die ein Vorbild in der
klassischen Geschichte hat. 306 Das Thema wird somit als
allgemeingültige Legende präsentiert, ohne direkten, oder gar
kritischen Bezug zum Zeitgeschehen.
Das Medaillon im Nürnberger Ratssaal fügte sich ganz im
Gegensatz zu anderen deutschen Darstellungen des Themas in
ein Bildprogramm ein, das auf die Verehrung von Kaiser
Maximilian abzielte.307
Die freie Reichsstadt Nürnberg hatte ihre Vorrangstellung im
Reich der traditionell engen Verbindung zu Kaiser und Reich zu
verdanken. 308 Nürnberg verstand sich als freie Stadtrepublik, war
aber zugleich dem Kaiser unterstellt, der nominell der Stadtherr
war. Die Stadt hatte die Reichsunmittelbarkeit erlangt und war seit
der Goldenen Bulle die Stadt des ersten Reichstags nach der
Neuwahl des römischen Königs. Darüber hinaus wurden die
Reichskleinodien hier verwahrt. 309 Das Rathaus der Stadt mußte
somit nicht nur die städtischen Behörden und den Stadtrat
aufnehmen, sondern auch den Bedürfnissen von Kaiser und
Reich entsprechen. Nürnberg gehörte zu den größten
Reichsstädten, die Räumlichkeiten für die verschiedenen
Reichsversammlungen zur Verfügung stellen mußten.310 Der
306
Darauf wird nicht nur durch die stärkere kompositorische Anlehnung
an die italienischen Vorbilder verwiesen, sondern auch durch die
integrierte traditionelle Darstellung am Fuße des Tisches.
307
Dies wird in dem Brief von Willibald Pirckheimer an Kaiser Maximilian
1518 deutlich, abgedruckt im Ausst.kat. Nürnberg 1978, S. 118-120,
Anhang I.
308
Vgl. Endres in: Ausst.kat. Nürnberg 2000, S. 31-39.
309
Vgl. Tipton 1996, S. 370.
310
Auf die Stellung von Reichstädten wie Nürnberg zwischen
monarchischer und stadtrepublikanischer Regierung hat Thomas
Fröschl hingewiesen, vgl. Selbstdarstellung und Staatssymbolik in
europäischen Republiken, in: Koenigsberger 1988, S. 239-271,
besonders S. 243.
119
Große Saal im Nürnberger Rathaus diente also auch als
Tagungsort des Reichstages.
Obwohl das Medaillon mit MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA in
einer Reihe von mehreren Historien stand, die wiederrum nur
einen Teil des gesammten Bildprogrammes bildete, konnte dieses
Bild ein großes Publikum erreichen. Nürnberg war 1521 bis 1523
Sitz des zweiten Reichsregimentes und 1522/23 fand hier der
Reichstag statt. Die Ausmalungen konnten daher mehr als andere
Rathausausstattungen, von den Vertretern der Reichsstände
verfolgt werden.311
Die Loyalität zum Kaiser sicherte der Stadt wichtige politische und
wirtschaftliche Privilegien. Nürnberg hatte sich daher nicht mit
anderen Reichsständen gegen den Kaiser verbündet, sondern
pflegte eine königstreue Haltung.
Obwohl sich das Stadtpatriziat zu weiten Teilen der
reformatorischen Bewegung angeschlossen hatte, vertrat es eine
gemäßigtere Durchsetzung des Reformglaubens, ohne den
gewaltsamen politischen Protest. 1523/25 hatte der Rat gezielt
und unter Vermeidung von Aufruhr oder Bilderstürmen die
Reformation durchgeführt. Kritische und reformatorische
Bildinhalte wurden offiziell nicht geduldet. Radikal denkende
Humanisten und Künstler wurden aus der Stadt verbannt.312 Das
entsprach sowohl der theologischen Haltung der fränkischen
Lutheraner als auch der engen politischen Bindung der Stadt
Nürnberg zum Reich. In der Diskussion um das Widerstandsrecht
lehnten die fränkischen Lutheraner ein gewaltsames Auflehnen
gegen den Kaiser ab und hielten entschieden am leidenden
Ungehorsam fest. 313
311
Vgl. Ausst.kat. Nürnberg 1978, S. 85.
Zur Verurteilung kritischer Bildpublizistik durch den Rat der Stadt
Nürnberg vgl. Zschelletzschky, 1975. Vgl. auch Rebel 1996, S. 6978.
313
Vgl. die Gutachten des Nürnberger Ratschreibers Lazarus Spengler
1529/30 und der Ansbacher Theologen 1531, abgedruckt in
Scheible, 1969, S. 29-40, 50-56 und 83-88.
312
120
Als Mitglied des Großen Rates und enger Bekannter der
Nürnberger Humanisten kannte Dürer die Gesinnungen führender
Kräfte der Stadt.314
Dürer beließ es mit den Historien in den Medaillons bei Exempeln
für gutes und gerechtes Regieren. Als solche wurden sie schon in
der früheren Ausstattung des Großen Saales dargestellt. 315
Darüberhinaus spiegelt die von anderen deutschen Darstellungen
abweichende Ikonographie von M UCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
die konformistische Haltung der Nürnberger Ratsherren zum
Kaiser wider. Die Ausmalungen im Rathaus fielen in diesem
reichsunmittelbaren Kontext opportunischer aus, als in dem
privaten Auftrag eines Schultheissen in der Eidgenossenschaft
oder in einem Rathaussaal einer freien Hansestadt, die eine
kritischere Einstellung gegenüber dem Kaiser demonstrierten.316
In einem Tafelbild von Baldung Grien zielen einzelne
Motiveinheiten noch deutlicher auf einen protestantischen
Hintergrund.
Ein Tafelbild von Hans Baldung Grien
1531 malte Hans Baldung Grien einen Tafelbildzyklus mit antiken
Mythologien und profanen Historien zu den THEMEN HERKULES
UND ANTÄUS , P YRAMUS UND THISBE, MARCUS C URTIUS , MUCIUS
314
Vgl. Machilek in: Ausst.kat. Nürnberg 2000, S. 44-76.
Sigmund Meisterlin berichtet in einer Chronik von 1488: 'Es war das
rathaus under Ludowico etwa gepawet und gemalt mit historien,
genomen auß Valerio Maximo, Plutarcho und Aggellio: die histori die
ratsherren und richter solten bewegen zu gerechtigkeit, desgleichen
die notari und schreiber.', vgl. Ausst. kat. Nürnberg 1978, S. 104,
Anm. 50.
316
Vgl. die vorangegangenen Bildbeispiele von Holbein und die
Darstellungen in der Lüneburger Gerichtslaube.
315
121
SCAEVOLA und LUKRETIA .317 Der Auftraggeber ist nicht überliefert.
Die Übernahme des Motivs läßt aber auf den Rat der Stadt
Straßburg als wahrscheinlichen Auftraggeber schließen.318
Baldung Grien formulierte eine Ikonographie zu dem Thema, die
eine dezidierte Kritik an der kaiserlichen Regierungspolitik
enthielt.
Daß Baldung sich mit seinem Gemälde an italienischen Vorlagen
orientiert hat, wie Osten vermutet, kann angesichts der deutlichen
Parallelen zu deutschen Darstellungen allenfalls in sehr
eingeschränktem Maße zutreffen. 319 Die allgemeine Komposition
und Staffage entspricht in weiten Teilen den bis dahin bekannten
Darstellungen des Themas in der deutschen Buchillustration und
kommunalen Wandmalereien im Reich.
Das Verbrennen der Hand findet am äußeren linken Bildrand
statt. Mucius wendet sich in die entgegengesetzte Richtung, wo
ihm Porsenna gegenüber sitzt. Daneben, im Vordergrund, ist die
Leiche des Schreibers in zusammengesackter, sitzender Position
dargestellt. Der König und sein Schreiber erscheinen als
Edelmänner mit samtener und pelzverbrämter Kleidung sowie mit
goldenen Ringen und Ketten geschmückt. Baldung verwandte viel
Sorgfalt auf die Typisierung Porsennas. Er zeigt ihn nicht nur als
König, sondern identifiziert ihn durch das typische Habsburger
Profil als den herrschenden Monarchen im Reich. Mucius
Scaevola ist dagegen nicht individualisiert, sondern allgemeiner
als Ritter oder Soldat dargestellt. Übertragen auf die aktuellen
Verhältnisse entspricht seine Figur den evangelischen Fürsten
und Städten, die bereit waren, für ihren Glauben zu kämpfen. Sie
waren durch Mucius in der Figur des christlichen Ritters vertreten.
317
Siehe Kat. 51.
Vgl. die Vermutungen von Osten, 1983, S. 203.
319
Vorlage für die Scaevola-Tafel könnte ein Stich von Cristofano
Robetta gewesen sein, der Ähnlichkeiten aufweist, vgl. Ausst.kat
Karlsruhe 1959, Kat. 60, Osten, 1983, S. 201.
318
122
Die Szenen in der unmittelbaren Umgebung Porsennas
charakterisieren die kaiserliche Regierungspolitik.
In der Mitte des Bildes steht ihm eine, auch im übertragenen
Sinne, bunt gemischte Truppe von Lanzen- und
Hellebardenträgern zur Seite, die auf den immensen Einsatz von
Söldnern an den verschiedenen Fronten des Reiches deuten. Die
heterogene Gruppe deutet an, daß es sich bei diesem
vermeintlichen Machtinstrument um keine verläßliche Basis
handelt.Trotz des enormen Einsatzes von Söldnern hing die
militärische Stärke vor allem von der Zahlungsfähigkeit der
Regierung ab. Inflation und permanenter Geldmangel standen
eskalierenden Kriegskosten gegenüber. 320 Somit war es für die
Kriegsfürsten ein zunehmendes Problem zusätzliche Geldmittel
aus den Landesfürstentümern zu erheben.
Diese finanzielle Situation des Reiches wird durch eine weitere
Szene hinter Porsenna kommentiert. Der König sitzt an einer Art
Schreibtisch, auf dem sich ein Haufen Münzen und kostbare
Trinkgefäße befinden. Dahinter, im Inneren des Zeltes, sitzen
zwei Personen wie in einem Kontor hinter einem Tisch und sind
mit zwei grauen Geldsäcken und vielen Münzen beschäftigt.
Diese Szene spiegelt den enormen Bedarf an Finanzmitteln der
kaiserlichen Regierung hin, der nur durch die finanzielle
Unterstützung der großen Handelshäuser gedeckt werden konnte.
Vor allem die Fugger betätigten sich als Finanziers des Kaisers
und verschafften sich dadurch einen nicht unerheblichen Einfluß
auf die finanzschwache Regierung Karls V., den sie für ihre
eigenen Interessen zu nutzen wußten. 321
Im Hintergrund ist eine venezianisch anmutende Stadtkulisse
dargestellt. Tatsächlich führte sich die Stadt Straßburg auf die
Stadtrepublik Venedig zurück. Ein Vers aus Sebastian Brants
320
Zur finanziellen Situation vgl. Kennedy 1989, S. 90-103 und Pleticha
1987, Bd. 5, S. 258-261.
321
Zum Einfluß der Fugger, vgl. Moeller, 1985, S. 56-59.
123
"Freiheitstafel" preist die Freiheitsliebe der Republik Venedig, die
den Straßburgern als ein Vorbild aktiven Widerstands gegen ihre
außenpolitischen Gegner vor Augen geführt wurde.322
Baldung weist in diesem Gemälde sehr direkt auf die Mißstände
der Habsburger Regierung und die Schwäche des Kaisers hin,
den er in der Figur des Porsenna eher lethargisch zeigt. Mucius
Scaevola wird hingegen als aktiver, kämpferischer Gegenpart
dargestellt.
Baldung stellt mit den Protagonisten zwei Kräfte im Reich
gegenüber, die sich im gleichen Jahr konsolidierten. Auf der einen
Seite wird mit Mucius Scaevola die Verteidigungsbereitschaft der
protestantischen Reichsstände betont, die sich in Schmalkalden
zu einem militärischen Bündnis zusammengeschlossen hatten.
Entsprechend ist Mucius als Kämpfer für den wahren Glauben der
Figur des miles christianus angelehnt.323
Ihm gegenüber sitzt Porsenna, der entweder mit Kaiser Karl V. zu
identifizieren ist oder mit seinem Bruder Ferdinand I., der gerade
auf dem Reichstag zu Augsburg zum König gewählt worden war,
und die kaiserlichen Interessen im Reich vertreten sollte.
In Mucius Scaevola verbildlicht Baldung die verbündeten
Reichsstände, die der habsburgischen Erbmonarchie als neue
Machtkonstellation gegenüber standen.
Der Auftraggeber wäre daher im Umkreis der Straßburger
Protestanten zu suchen. Ihnen standen auch die Mitglieder der
Familie Herlin nahe, in die Baldung 1510 eingeheiratet hatte.324
Ein führender Kopf wie der reformatorische Ratsherr Jakob
Sturm, der bereits von Osten als möglicher Auftraggeber
vorgeschlagen wurde, scheint durchaus wahrscheinlich. 325
322
Vgl. Tipton 1996, S. 92-93.
Vgl. Lurker 1991, Artikel 'Militia christiana'.
324
Hierzu vgl. Hans Baldung an his in-laws, the Herlins in Brady 1975,
S. 303-306.
325
Jakob Sturm vertrat seine Stadt Staßburg im Schmalkaldischen
323
124
Ursachen einer "deutschen" Ikonographie
Der ikonologische Vergleich der besprochenen Bilder gibt
Anhaltspunkte für die frühe Darstellung des Motivs im Reich und
für die Entwicklung einer eigenen Ikonographie in den deutschen
Territorien.
Im humanistisch-gelehrten Klima der kulturellen Zentren des
Reichs, das unter Maximilian zu Beginn des 16. Jahrhunderts
entstand, wurden die modernen Geschichtsthemen intensiver als
in anderen Ländern nördlich der Alpen rezipiert. Seit Maximilian
Graphik und Buchdruck zu seiner Repräsentationskunst erwählt
hatte, hatte das illustrierte Buch eine Aufwertung erfahren.326 So
waren die ersten Darstellungen von MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA nördlich der Alpen als Holzschnittillustration
entstanden. Dabei hielten sich die deutschen Künstler nicht an die
Vorlagen aus Italien, sondern entwarfen zusammen mit
humanistischen Beratern in den großen Druckereien eine eigene,
spezifisch deutsche Ikonographie. Im Wettstreit mit den Italienern
strebten die deutschen Humanisten eine eigene Interpretation der
Quellen mit zum Teil nationalistischen und antirömischen
Tendenzen an.327 MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA wurde auf
zeitgenössische Inhalte im Reich übertragen und durch
Vorlagenbücher und Reproduktionsgraphik verbreitet.
Die Gemälde, die nach diesen Vorlagen entstanden, wurden als
Wandmalereien in repräsentativen kommunalen Ausstattungen
der Reichsstädte verwandt. Holbein und Dürer gehörten zu den
deutschen Künstlern, die das Motiv in kommunalen
Bildprogrammen einsetzten. Obwohl sie sich in ihrer
Gesamtkonzeption an den italienischen Vorbildern orientieren,
Bund, vgl. Der Schmalkaldische Bund..., Schmalkalden, 1995.
Vgl. Kunze 1993, S. 224-143.
327
Die textkritische Quellenarbeit zu griechischen und römischen
Werken verband sich mit Kritik an der römischen Kirche, vgl. Schulze
1997, S. 70-72. Dazu auch Keller 1940 und Mertens 1998, S. 203.
326
125
wurde für das Einzelmotiv MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA die
deutsche Interpretation gewählt, wie sie durch die
Illustrationsgraphik tradiert war. Bei den deutschen Darstellungen
des Motivs stehen sich solche, die deutlich den gewaltsamen
Widerstand gegen den König thematisieren, gemäßigteren
gegenüber, die das tapfere Erleiden des Schmerzes in den
Mittelpunkt stellen.
Jene Motivauffassungen, die in mehr oder weniger unverhohlener
Weise den Widerstand gegen die Habsburger Monarchie
demonstrierten, entstanden ausschließlich in protestantischen
Städten und im Auftrage des Stadtpatriziats. Das Spannungsfeld
zwischen bürgerlichen Reformationsbestrebungen einerseits und
kaiserlicher Reichspolitik andererseits, wurde von den deutschen
Künstlern in die bildliche Konfrontation von Mucius Scaevola und
Porsenna transferiert. Die Kennzeichnung des Königs als Tyrann
geschieht durch die Integration des Wuchermotivs. Inflation und
zunehmende Steuern trugen zu Unzufriedenheit der Bürger bei
und machten die desolate finanzielle Situation des Reiches zum
Hauptkritikpunkt an der kaiserlichen Regierung. Die Anspielung
auf Wucher ist ein Hinweis auf die steigende Steuerlast und rigide
Einzugspraxis, die von den Städten zunehmend als Tyrannei
empfunden wurde.328
Mucius Scaevola fungiert in den deutschen Territorien als
Indentifikationsfigur für Bürgertum und Bauern, die von dieser
wachsenden Besteuerung betroffen waren.
Die Darstellungen, die besonders das radikale Vorgehen Mucius
Scaevolas gegen die Obrigkeit betonen, sind dann auch in jenen
Städten zu finden, die bereit waren, mit Waffengewalt gegen den
Kaiser vorzugehen. Luzern gehörte zum Bund der 13 Orte, die
328
Dies ist den radikalprogrammatischen Schriften von 1525 oder auch
den Äußerungen von Thomas Müntzer zu entnehmen, vgl. Peter
Blickle, Unchristliche Steuern in: Schultz, 1992, S. 144-152.
126
sich durch den Schweizerkrieg von der kaiserlichen Obrigkeit
befreiten. Lüneburg war unter den norddeutschen Reichständen
im Schmalkaldischen Bund vertreten, genau wie die Stadt
Straßburg, die unter Jacob Sturm die oberdeutschen Städte im
Bund anführte.
Der Held ist als kämpferisch handelnder Bürger oder abstrahiert
als christlicher Ritter dargestellt und offenbart das jeweilige
stadtbürgerliche Selbstverständnis. Die aktuellen politischen und
konfessionellen Konflikte im Reich wurden so auf das Motiv
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA projeziert. .
Dementsprechend sind Gemälde, die außerhalb dieses Kontextes
entstanden, von einer anderen Ikonographie geprägt. Beispiel
dafür ist das Medaillon im Nürnberger Rathaus, wo die Räte eine
opportunistischere Haltung zum Kaiser einnahmen.
Auch das Gemälde von Abraham Schöpfer, das in einem
Historienzyklus für Herzog Wilhelm IV. von Bayern entstand, zeigt
eine ganz andere Umsetzung des Motivs.329 Obwohl der
Wittelsbacher ein Widersacher des habsburgischen Kaisers war
und sich zeitweise auch dem Schmalkaldischen Bund anschloß,
übernahm er als katholischer Fürst, der selbst nach der
Kaiserkrone strebte 330, die antikaiserliche Interpretation nicht.
Greiselmayer führt die abweichende Ikonographie auf die
Intention zurück, mit dem Motiv MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
die Belagerung Wiens durch die Türken zu versinnbildlichen. Die
Komposition wurde zudem durch die formale Angleichung an die
zuerst enstandene Alexanderschlacht von Altdorfer bestimmt. 331
Diese singuläre Interpretation des Themas ist wohl ursächlich
darin begründet, daß die in den deutschen protestantischen
Kreisen entwickelte Ikonographie vermieden werden sollte. Diese
Bildauffassung stand ja nicht nur für das Überwinden der
329
Siehe Kat. 52 vgl. Greiselmayer 1996 und Goldberg 1983
Zur Politk Wilhelms IV. vgl. Glaser in Ausst.kat. München 1997, S.
55-60.
331
Vgl. Greiselmayer 1996, S. 73-79, 189.
330
127
Tyrannei, sondern auch für das Bewahren und Wiederherstellen
der republikanischen Freiheit. Eine Identifikation mit der res
publica war natürlich nicht im Sinne des Wittelsbacher Herzogs
und bedingte schon deshalb eine andere Ikonographie.
Die weitere Entwicklung deutscher Darstellungen im
16. Jahrhundert
Die meisten deutschen Darstellungen zu MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA in der Malerei und Bildpublizistik entstanden bis Mitte
des 16. Jahrhunderts.332
Die gewaltlosere Interpretation von Dürer wird dabei weniger
häufig aufgegriffen. 333 In den meisten dieser Graphiken setzen
sich die aufständischen Interpretationen fort, die den
Tyrannenmord betonen und so den gewaltsamen Widerstand
gegen die kaiserliche Politikthematisierten. Im Stich von Pencz
oder dem Holzschnitt von Schäufelein werden zeitgenössische
Bezüge durch entsprechendes Kostüm hergestellt, der König wird
als Wucherer an einem Wechseltisch gezeigt und sein
ermorderter Zahlmeister wird zentral bzw. im Vordergrund
gezeigt. 334 Als Graphiken konnten diese oppositionellen Inhalte
eine besonders breite Wirkung erzielen und im Sinne einer
protestantischen Bildpublizistik wirken.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind im Heiligen
Römischen Reich Deutscher Nation weitaus weniger Gemälde mit
der Geschichte M UCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA entstanden.335
332
Beispielsweise auch an der Nordfassade des Ulmer Rathauses
1539/40 vgl. Tipton 1996, s. 466-473.
333
Die Stiche von Heinrich Aldegrever und Selbald Beham sind ähnlich
konzipiert, siehe Kat. 37 und 47.
334
Siehe Kat. 49 und 50.
335
Am Neubau des Rathaustraktes in Worms entstanden zwischen
1581 und 1608 fünf Historien am Durchgang zum Hof, in denen
Freiheitsliebe und Opfermut von Helden der römischen Republik in
128
Die hier vorherrschende politisch-kritische Interpretation des
Motivs verlor zu dieser Zeit ihre Bedeutung.
Karl V. hatte die Religionsfrage im Reich nicht nach seinen
Vorstellungen klären können. Nach den Widerständen gegen die
römische Papstkirche und den Auseinandersetzungen um die
Religionspolitik im Reich, wurde die Glaubensspaltung im
Augsburger Religionsfrieden 1555 besiegelt. Noch im gleichen
Jahr dankte Karl V. ab, nachdem er durch den Fürstenaufstand
1551/52 seine Machtpostition im Reich verloren hatte.
Damit war eine elementare Motivation für die Darstellung von
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA , die Thematisierung von Kritik
und Widerstand an der kaiserlichen Politik, nicht mehr gegeben,
was einen Rückgang der Darstellungen des Motivs zur Folge
hatte.
Bezug auf die Stadt Worms beschrieben wurden, vgl. Tipton 1996, S.
476-481.
129
BILDER IN DEN NIEDERLANDEN
In der niederländischen Kunst wurde das Motiv MUCIUS SCAEVOLA
VOR PORSENNA wiederrum auf andere Art und Weise eingesetzt.
Die frühen Darstellungen des römischen Helden aus dem 16.
Jahrhundert unterschieden sich in der Ikonographie deutlich,
sowohlvon den deutschen als auch von den und italienischen
Vorlagen. Der Held war zwar schon im 16. Jahrhundert bekannt,
wurde aber zunächst bevorzugt als Heldenporträt in der
Druckgraphik dargestellt.
Die ersten Beispiele, die Mucius Scaevola in szenischem
Zusammenhang zeigen, sind vorwiegend der Druckgraphik, in
halbplastischen Verzierungen oder in Tapisserien zu finden. In
den Niederlanden sind erst im 17. Jahrhundert Historiengemälde
zur Tat Mucius Scaevolas auszumachen. Insgesamt finden sich in
den niederländischen Zentren trotz der florierenden Kunstszene
und der verstärkten Orientierung an der italienischen Kunst
weniger Darstellungen als in den deutschen Territorien.
Antike Themen im 16. Jahrhundert vor dem
Freiheitskampf
In der Zeit um 1510/20 entwickelten die niederländischen Künstler
ein erstes Interesse an antiken Themen.336 Mit Jan Gossaert,
genannt Mabuse und Maarten van Heemskerk entstand eine
niederländische Strömung, die sich mit den Kunstformen aus
Italien auseinandersetzte. Die sogenannten Romanisten nahmen
sich die italienische Renaissance zum Vorbild. Das Zentrum war
336
Vgl. Von der Osten 1973, S. 48.
130
Antwerpen, von wo aus sich die Bewegung bis in die nördlichen
Niederlande verbreitete.
Wichtige Vertreter waren, neben Gossaert und van Heemskerk,
auch Barend van Orley, Jan van Scorel, Pieter Coecke van Aelst,
Michiel van Coxie, Lambert Lombard, Pieter Pourbus, Anthonis
Mor und Frans Floris. Die Künstler reisten vermehrt nach Italien
und machten sich dort mit den antiken Formen und Themen
sowie den Errungenschaften der Renaissancemalerei vertraut.
Die Sujets der klassischen Geschichte wurden in den
Niederlanden generell erst später als in Süddeutschland von den
Künstlern aufgegriffen.
Einer der ersten Aufträge für ein Werk antiker Thematik stammte
vom Domkapitel in Utrecht aus dem Jahre 1519. Der damalige
Bischof Philipp von Burgund war Humanist und gehörte zu den
wenigen Persönlichkeiten, die die Übernahme antiker Motive aus
Italien stützten. Er selbst war 1508 von Margerete von Österreich
zu Julius II. nach Rom gesandt worden, wo er zusammen mit Jan
Gossaert Antiken studierte.
Für den Martinsaltar in der Utrechter Kathedrale sollte eine
Chorschranke mit antiken Themen entstehen. Der Antwerpener
Holzschnitzer Gregorius Wellemans wurde damit beauftragt, ein
Modell zu fertigen. Dafür ließ er sich Antikenschneider aus
Frankreich kommen, da vor Ort offenbar keine geeigneten
Kunsthandwerker zu bekommen waren. 337
Philip von Burgunds Auftrag war offensichtlich eine Ausnahme, für
den es in den Niederlanden keine Spezialisten gab. Auch von den
Romanisten wurden kaum Sujets aus der römischen Geschichte
bearbeitet. Die Übernahme antiker Themen konzentrierte sich
weitestgehend auf die Mythologie.
337
Vgl. Gelder/Duverger 1956, Bd. 1, S. 370-371 und Ausst.kat
Amsterdam 1986, S. 34.
131
Im folgenden werden verschiedene niederländische
Interpretationen des Motivs MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
vorgestellt.
Mucius Scaevola als Tugendheld
Es scheint, als wäre der römische Held zunächst nicht als Historie
dargestellt worden. Die ältesten Bilder aus der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts zeigen Mucius als antiken Tugendhelden.
Ein Holzschnitt von Cornelis Anthoniszoon zeigt Mucius Scaevola
als Tugendhelden.338
Der große Druck über zwei Blätter war als Wandschmuck
konzipiert und wurde 1536 vom Buchdrucker und Holzschneider
Jan Ewoutszoon in Amsterdam herausgegeben.339
Die Figur Mucius Scaevolas ist an einem Stich des deutschen
Künstlerkollegen Aldegrever angelehnt. Anthoniszoon klammerte
jedoch die darin enthaltenen weiteren Figuren aus.340 Mucius
Scaevola bestimmt in ganzer Figur das Bild. Er steht unter einem
Arkadenbogen, der einen Ausblick auf die dahinterliegende
Landschaft gibt. Die linke Hand hält er in ein Feuerbecken auf
einem Sockel, die rechte hält er mahnend in die andere Richtung
erhoben.
Die Vorderseite des Sockels trägt folgende Inschrift:
Die alle sijn leet met leet wil wreke(n)/
MANU BELLATORIA/
Samsons cracht sal hem ghebreke(n)/
NEC ERIT VICTORIA/
338
Siehe Kat. 55.
Zu den Holzschnittwerken von Cornelis Anthoniszoon vgl. Dubiez,
1969, S. 37-47.
340
Siehe Kat. 37, vgl. Ausst.kat Amstdam 1986, S. 269-70, Kat. 149.
339
132
Soe leert u leet met lijden breken./
SIC VIVES IN GLORIA
Darin wird die Patientia, die Leidensfähigkeit, gelobt, der Ruhm
gebührt. Andererseits mahnt die Inschrift jene, die Leid mit Leid
vergelten. Ihnen soll tugendhafte Stärke 341 versagt bleiben.
Illustriert werden die Worte durch verschiedene Motivelemente in
der Graphik. Die Leidensfähigkeit des Mucius wird mit Symbolen
der Stärke verbunden. Auf dem Sockel, neben dem Feuerbecken,
in das Mucius seine Hand hält, befindet sich noch sein Schwert
und eine gebrochene Säule, ein Sinnbild für Kraft und Attribut der
Tugend Fortitudo. Über dem Kopf Mucius Scaevolas wird ein
Lorbeerkranz von einem Putto gehalten, in dem das Wort 'Fama'
zu lesen ist.
Der zweiteilige Holzschnitt von Anthoniszoon erklärt den
römischen Helden als Beispiel für Patientia, die zur Fortitudo
führt.
Die Figur Mucius Scaevolas dient als Tugendheld einer
allegorischen Konzeption. Mucius Scaevola wird hier als
legendäres Beispiel für ruhmreiche Leidensfähigkeit genannt, die
der Fortitudo zugeordnet wird, im Gegensatz zur aktiven Gewalt,
vor der gewarnt wird. Dies entspricht der Schilderung von Valerius
Maximus, der die Geschichte Mucius Scaevolas als Beispiel für
Patientia anführt, die mit Ruhm belohnt wird.342
Zwei weitere Werke aus den 30er Jahren integrieren Mucius
Scaevola als Tugendhelden in Triumpfzügen.
Beispielsweise ist er auf einer Brüsseler Tapisserie zu sehen, die
um 1535 entstand und den Triumpf der Fortitudo zeigt. 343 Um die
zentrale Personifikation der Fortitudo sind Beispiele für diese
341
Als 'Samsons cracht' bezeichnet, siehe oben.
Vgl. Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia, 3, 3, siehe
Anhang II.
343
Siehe Kat. 54.
342
133
Tugend aus biblischer und profaner Geschichte dargestellt. 344
Mucius Scaevola steht mit einem reich verzierten
Phantasieharnisch an einem Altar und hält seine Hand in die
Flammen. Wie schon bei Anthoniszoon wird der Held auch hier
eingesetzt, um ein Beispiel für die Tugend der Fortitudo zu geben.
Eine ähnliche Darstellung ist in der Grote Kerk in Dordrecht zu
sehen. Auf den Friesen des Chorgestühls von 1538-42 sind
verschiedene Triumpfzüge eingeschnitzt. Diese
Kirchenausstattung wurde, wie in dem Utrechter Auftrag auch,
von einem französisch-stämmigen Künstler, Jan Terwen
Aertszoon, geschaffen.345 Der Triumpf von Mucius Scaevola ist
neben dem Triumpf von Karl V. plaziert, gegenüber den
Triumpfzügen von Christus und der Kirche.346 Die Auswahl würdigt
die verschiedenen Institutionen. Auf der religiösen Seite waren
Gott und die Kirche angeführt und auf der weltlich-politischen
Seite der Kaiser und der Bürger, vertreten durch Mucius
Scaevola. Wahrscheinlich wird mit den weltlichen Triumpfzügen
auf die politische Struktur in den Niederlanden angespielt. Die
kaiserliche Zentralgewalt stand relativ eigenständig agierenden
Provinzen gegenüber.
Im 16. Jahrhundert war es offensichtlich nicht ungewöhnlich, daß
ein profanes Thema für die Ausstattung eines sakralen Raumes
gewählt wurde. Es gab keine trennscharfe Scheidung zwischen
religösen und profanen Sujets. So war es auch durchaus nicht
unüblich, christliche und säkulare Themen zu verbinden.347
344
Vgl. McGrath 1997, Text ill. 5., z.B. Judith und Holofernes, Königin
Tomyris.
345
Das Chorgestühl in Dordrecht war ebenso wie die Chorschranke in
Utrecht ein Ausnahmewerk, dessen Umsetzung nur durch
ausländische Künstler und Handwerker möglich war, die
entsprechende Vorlagen nutzten, vgl. Gelder/Duverger, 1956, Bd. I,
S. 149.
346
Vgl. dazu Bangs 1996, S. 76-79.
347
Beispielsweise erscheint Mucius Scaevola auch als Randzeichnung
134
Die ersten niederländischen Werke beschränkten sich zunächst
auf die Darstellung der Person Mucius Scaevolas. Nur einige
Attribute wie das Feuer, in dem seine Hand verbrennt, sind dem
Helden beigegeben. Der Held und seine Tat werden isoliert
dargestellt, ohne den erzählerischen Rahmen der Historie. Mucius
Scaevola erscheint in antikisierter Rüstung ohne Anklänge an das
Kostüm der Gegenwart. Die kritischen Anspielungen auf die
aktuellen politischen Verhältnisse, wie sie in dieser Zeit in den
deutschen Territorien mit dem Sujet verbunden sind, fehlen in den
niederländischen Darstellungen. Die Niederländer präsentieren
mit dem römischen Helden in der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts einen überzeitlichen, moralischen Wert. Mucius
Scaevola fungiert als Tugendheld der Fortitudo.
Niederländische Darstellungen als Historie
Wenig später wird die Figur Mucius Scaevola zunehmend in
szenische Handlungszusammenhänge eingebunden.
Um 1545 entstand ein aufwendig gestalteter Kamin für den
Schepensaal des Kampener Rathauses.348 Er wurde von Colijn de
Nole geschaffen, einem in Utrecht arbeitenden Künstler, der aus
einer Bildhauerfamilie aus Cambrai stammte.349
Den Kaminsturz schmücken zwei Historien. Die Reliefs 350 zeigen
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA und das URTEIL SALOMONS .351
in dem Gebetbuch Kaiser Maximilians. Randzeichnung abgebildet
bei Greiselmayer 1996, S. 76.
348
Siehe Kat. 58.
349
Vgl. Casteels 1961.
350
Von Moormann/Uitterhoeve, 1989 fälschlicherweise als Gemälde
angegeben, S. 460.
351
Karl Simon hat angedeutet, daß es einen weiteren Kaminfreis
gleichen Themas von de Nole im Lightenberg-Haus in Utrecht gibt,
vgl. Simon 1948, S. 64. Die Fragmente, heute im Utrechter Centraal
Museum, wurden jedoch weder von de Nole geschafffen, noch
135
Sie sind nebeneinander angeordnet und korrespondieren mit den
darüber dargestellten Tugendpersonifikationen der FORTITUDO
und PRUDENTIA auf dem Kaminaufbau. 352
Die Komposition von MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA weist
Ähnlichkeiten zu den deutschen Illustrationen auf. Die Mitte ist
bestimmt durch ein aufgeschlagenes Zelt. Hinter einem Pult sitzt
der König. Neben ihm, vornüber gestreckt mit ausdrucksvoll
verdrehten Gliedern, liegt sein ermordeter Schreiber. Links davon
steht Mucius als Rückenfigur. Sein rechter Arm hängt herab, so
daß die Hand in die Flammen eines kleinen Altars reicht. Sein
linker Arm ist mit ausstrecktem Zeigefinger erhoben. Der übrige
Bildraum ist von anwesenden Soldaten und einem Ausblick in die
Landschaft erfüllt. Im Gegensatz zu den deutschen Darstellungen
sind jedoch keine zeitgenössischen Elemente integriert, die
Bezüge zu aktuellen Verhältnissen herstellen.
Die szenische Darstellung birgt gegenüber dem Porträt
komplexere Inhalte. Hier steht nicht allein das tapfere Ertragen
des Schmerzes im Mittelpunkt, sondern ebenso der kühne Mord,
auf den der dramatisch hingestreckte Tote verweist.
Zuvor hatte es in den niederländischen Darstellungen keine
Hinweise auf das von Mucius Scaevola begangene Tötungsdelikt
gegeben. In dem Holzschnitt von Anthoniszoon wurde aktive
Gewalt sogar dezidiert abgelehnt. Im Bildprogramm des
Kampener Kamins hingegen wird die gesamte Szene mit beiden
Taten Mucius Scaevolas mit der Tugendpersonifikation der
Fortitudo verbunden. Das heißt, sowohl das Verbrennen der
eigenen Hand als auch die Ermordung des Schreibers sind als
Beispiel der Fortitudo angeführt.
zeigen sie die Tat Mucius Scaevolas, wie noch von Fischbacher
1993 auf S. 67 angedeutet. Vgl. Klinckaert 1997, cat. 275, S. 493494.
352
Vgl. Propyläen, 16. Jh. S. 280, Abb. 250 und Simon 1948, S. 64.
136
Die zwei Historien am Kaminsturz, MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA und das Pendant URTEIL DES SALOMON, waren als
Tugendexempel den darüberstehenden Personifikationen
Fortitudo und Prudentia zugeordnet. Über dem gesamten
Bildprogramm thronte die Justitia. Im Kontext des Schöffensaals
thematisieren die historischen Szenen das Durchsetzen von
Gerechtigkeit durch Gewalt, bzw. deren Androhung.
Ein weiteres Beispiel einer Darstellung der historischen Szene
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA ist aus der Druckgraphik
erhalten. 353
Im Jahre 1563 hat Philip Galle eine figurenreiche Komposition von
Frans Floris nachgestochen. 354
Die Komposition und Motivzitate weisen auf den Einfluß der
Entwürfe Polidoros hin.355 Der Druck zeigt die Tat Mucius
Scaevolas als antike Szene auf einem Lagerplatz.
Etwas links der Mitte hält Mucius Scaevola seine Hand mit dem
Schwert in ein Feuer auf einem steinernden Altar. Um ihn herum
eine große Runde von Soldaten, die rechts mit Porsenna und der
am Boden liegenden Leiche des Schreibers abschließt.
Der Stich ist mit dem Liviuszitat ET AGERE ET PATI FORTIA
ROMANVM EST unterschrieben. 356
Auch hier dient das Sujet der allegorischen Präsentation eines
moralischen Wertes. Durch die szenische Darstellung sind mehr
Handlungsmotive in das Heldenbild integriert, die eine
differenziertere Tugendallegation anbieten. Wie schon in dem
Relief von De Nole ist nicht nur das standhafte Ertragen
353
Allgemein zur Umsetzung antiker Themen in der niederländischen
Druckgraphik vgl. in Kat. Padova 1994 Catarina Limentani Virdis:
Storie di santi, di eroi, di dei e di gente comune, S. 11-21 sowie
Davide Banzato: Da Bruegel a Goltzius: stampe, temi e generi, S.
22-28.
354
Siehe Kat. 56, vgl. TIB 56, 5601, .099.
355
Siehe Kat. 6.
356
Livius, Ab urbe condita, Liber II, 12 (9).
137
angesprochen, sondern auch das kämpferische Handeln, worauf
der tote Schreiber und die Waffe in der Hand des Mucius
verweisen. Auch die Bildunterschrift aus Livius 357 nennt explizit
beide Eigenschaften, die Tatkraft und die Leidensfähigkeit, als
römische Stärken.
In den Niederlanden wurden diese Eigenschaften mit der Tugend
der Constantia verbunden. Dies wird an einem Beispiel aus der
Emblematik deutlich. Im gleichen Jahr wie der Stich von Galle
erschien die zweite Auflage der Symbola Heroica von Claude
Paradin und Gabriele Simoni.358 Ein Emblem unter der Überschrift
'Constantia' zeigt eine Hand mit einem Schwert in einem Feuer.
Das Motto dazu ist das gleiche Liviuszitat AGERE ET PATI
FORTIA.359
Auch Philippe Galle selbst hat die Constantia mit der Tat des
Mucius Scaevola verbunden. Ende des 16. Jahrhunderts stellte
Philippe Galle die personifizierte Constantia in seiner
Prosopographia dar, wie sie mit dem rechten Arm eine Säule
umfasst und die linke Hand mit einem Schwert in die Flammen
streckt.360 So wurde sie dann auch von Ripa in die Iconologia
aufgenommen.361
Darstellungen vor dem Freiheitskampf
Wie einige der niederländischen Porträts sind auch die
besprochenen Historien MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA von De
Nole und Floris Allegationen der Fortitudo. Der Held stand für die
römischen Tugenden der Standhaftigkeit und Leidensfähigkeit,
357
"Et agere et pati fortia romanum est" aus Livius, 2. Buch, 12 (9).
Paradin, Claude und Gabriele Simeoni, Symbola Heroica, 15632,
Exemplar in der Universiteitsbibliotheek Leiden.
359
Ebd. S. 72v°, siehe Fig. 1.
360
Siehe Fig. 2.
361
Einen Überblick gibt Okayama in The Ripa Index, Doornspijk 1992,
unter dem Artikel 'Constanza'.
358
138
eine mentale Stärke, die mit der Tugend Fortitudo verbunden
wurde. Neben der Leidensfähigkeit wird in den Motiven von De
Nole und Floris auch die aktive Kampfeskraft von Mucius als Teil
der Fortitudo herausgestellt.
Durch eingefügte Texte wurden die tugendhaften Eigenschaften
spezifiziert, wie in den genannten Graphiken von Anthoniszoon
und Floris. Die druckgraphischen Darstellungen bekommen durch
die beigegebenen Texte einen nahezu emblematischen
Charakter.
Motivisch orientierten sich die Niederländer zum großen Teil an
den deutschen und italienischen Vorlagen. Häufig wurden auch
ausländische Künstler oder solche, die Erfahrungen im Ausland
gesammelt hatten, mit der Darstellung beauftragt. Sie
präsentierten den Helden allerdings in anderen Gattungen und
durch andere bildkünstlerische Medien. Die Werke entstanden
vorwiegend als Einblattdrucke oder als halbplastische Verzierung
im öffentlichen oder sakralen Raum. Anders als in deutschen
Städten gibt es für die Niederlande des 16. Jahrhunderts noch
keine Hinweise auf Bearbeitungen des Motivs in der Malerei.
In den niederländischen Darstellungen wird die römisch-antike
Identität des Helden nicht negiert. Die Figuren erscheinen in
antiken Gewändern und deuten damit nicht unmittelbar auf
zeitgenössische Bezüge hin. Offenbar schien das Motiv hier
weniger geeignet, die aktuellen politischen Verhältnisse zu
kommentieren.
Tatsächlich herrschte in den Niederlanden eine andere politische
Situation. Der Widerstand gegen die kaiserliche Obrigkeit, der in
den deutschen Darstellungen durch das Motiv M UCIUS SCAEVOLA
VOR PORSENNA angesprochen wurde, war in den Niederlanden
zunächst nicht gegeben.
139
Obwohl die Niederlande seit der Burgundischen Erbschaft 1477
dem Römischen Kaiser unterstanden, waren die Provinzen und
Städte eigenständiger als die deutschen Reichsstände. Die
Niederlande hatten eine reichsrechtliche Sonderstellung inne.362
Die Provinzen unterstanden nur nominell der gleichen
kaiserlichen Zentralgewalt wie die deutschen Territorien, waren
aber praktisch weniger mit den politischen Mißständen unter
Maximilian I. und Karl V. konfrontiert. So hatten die
Generalstatthalterinnen Margaretha von Österreich und ihre
Nachfolgerin Maria von Ungarn eine Beteiligung der Niederlande
an den Reichsteuern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu
verhindern gewußt.
Erst im Burgundischen Vertrag auf dem Augsburger Reichstag
von 1547/48 gelang Kaiser Karl V. eine engere Anbindung des
Burgundischen Kreises an das Reich. Als Zentrum von Handel,
Gewerbe und Finanzwesen waren die Erblande eine interessante
Einnahmequelle für den wirtschaftlich geschwächten Kaiser. Er
verpflichtete die 17 Provinzen zu Steuerzahlungen und
unterdrückte die Reformationsbestrebungen.
Nun regte sich auch in den Niederlanden verstärkter Widerstand
gegen die spanische Fremdherrschaft, allerdings von anderer
Seite als in den deutschen Territorien. Waren es dort die
Reichsstände, Fürsten und Städte, die gegen den Kaiser
opponierten, so waren es in den Niederlanden die Kaufleute. Sie
waren unmittelbar von der strikten Steuerpolitik betroffen, da ihre
Profite nun dem fiskalischen Zugriff ausgesetzt waren.
Die Kaufmannschaft demonstrierte ihre kritischen Haltungen zum
Steuersystem und bürgerliche Verteidigungsbereitschaft mit
anderen Bildmotiven als die deutschen Städte. Das
niederländische Patriziat bevorzugte genrehafte Wuchermotive,
362
Zu der Beziehung zwischen den Niederlanden und dem Heiligen
Römischen Reich vgl. Helmut Gabel in Ausst.kat. Krefeld 1999, S.
27-42.
140
um bildliche Kritik am rigiden Fiskalsystem des feudalkatholischen
Regimes auszudrücken.363 Bürgerliche Kampfesbereitschaft
spiegelte sich hingegen in Porträts von Bürgerwehren, der Gilden.
In der bildenden Kunst wie im Humanismus orientierte man sich
an lebenspraktischen Motiven. 364
Das niederländische Patriziat setzte sich vorwiegend aus
Kaufleuten zusammen, denen die römische Geschichte kaum
bekannt gewesen sein dürfte.
Die Drucke antiker Autoren, die das maßgebliche Vehikel für die
Verbreitung der Legenden aus der klassischen Geschichte waren,
wurden hier erst später und in geringeren Auflagen als in den
deutschen Städten verbreitet. Die ersten Liviusausgaben
erschienen ab 1519 in Antwerpen noch in lateinischer Sprache.365
Zur gleichen Zeit gab es im Reich bereits mehrere Übersetzungen
in deutscher Sprache.
Craig Harbison hat auf die unterschiedlichen Auffassungen und
Rezeptionen der antiken Sujets der Niederländer hingewiesen.
Ließen sich die Renaissancekünstler Italiens unmittelbar von
antiken Formen und Inhalten inspirieren, so mußte der Norden
eigene Methoden entwickeln, sich der antiken Geschichte zu
nähern. 366 Themen der klassischen Geschichte wurden in den
niederländischen Ateliers distanzierter betrachtet und
entwickelten eine eigene Semantik. Römische Helden dienten
nicht wie etwa in Venedig der genealogischen Identifikation und
wurden weniger für die eigene Vergangenheit reklamiert. 367
Entsprechend wurde die Legende von M UCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA auch nicht als historische Begebenheit dargestellt. Die
363
Vgl. Held/Schneider 1993, S. 84-88.
Zum Humanismus in den Niederlanden, vgl. Asmuth 1998, S. 156.
365
Vgl. Nijhoff/Kronenberg 1923, Bd.II, 3412, 3413, sowie Bd. I, 1377,
1378.
366
Vgl. Harbison 1995, S. 161ff.
367
Vgl. Burke, 1993, S. 131-144.
364
141
Historien wurden vielmehr moralisierend als exempla moralia
aufgefasst. 368 Das Motiv schien eher als modernes und gelehrtes
Sinnbild zu fungieren.
Darstellungen in der Republik der vereinigten
Niederlande
In den 1560er Jahren kam es zur Revolte, die zur Spaltung der
Niederlande führte. Unter Philipp II. hatten sich die politischen und
religiösen Restriktionen so verschärft, daß der spanische König
zunehmend als Despot und Rechtsbrecher empfunden wurde.369
1566 kam es zur ersten Welle der Bilderstürme und ab 1568
entlud sich die Unzufriedenheit der reformiertgläubigen
Bevölkerung im Freiheitskampf gegen die spanische
Fremdherrschaft und dem damit verbundenen traditionellen
Glaubenszwang. Unter der Führung von Willem von Oranje
eroberte der Widerstand weite Teile der Niederlande von den
Spaniern. 1579 formierten sich die aufständischen sieben
nördlichen Provinzen in der 'Union von Utrecht' zu den
Generalstaaten mit einer eigenen Verfassung. Das föderalistische
System der jungen Republik bestand aus den Einzelgremien der
Städte, vertreten durch Bürgermeister und Räte, den Provinzialund Generalständen.
Die Abspaltung der Niederlande hatte auch eine unterschiedliche
Entwicklung der Künste in den nördlichen und südlichen
Provinzen zur Folge.
Krieg und Bildersturm wirkten sich zunächst lähmend auf die
Kunstproduktion aus. Im nun vorwiegend protestantischen Norden
fehlten die Aufträge aus dem Umkreis der altgläubigen Kirche, die
368
369
Dazu vlg. Hans Vlieghe in: Ausst.kat Köln 1994 S. 45.
Vgl. Mout 1988, in: Republiken und Republikanismus im Europa der
Frühen Neuzeit, S. 171f.
142
zuvor zu den größten Auftraggebern zählten.370 In den 80er
Jahren des 16. Jahrhunderts begann sich die Kunstproduktion im
Norden zu erholen. Nach dem Frieden mit Spanien 1609 nahm
die allgemeine Auftragslage in der Republik aufgrund der
verbesserten ökonomischen Situation zu. Die Nachfrage privater
Auftraggeber nach Gemälden stieg rasant.371
Die neuen Inhaber der politischen und finanziellen Macht, zu
einem großen Teil prominente Persönlichkeiten aus den
Kaufmannsgilden, wurden zu den wichtigsten Käufern und
Auftraggebern für Kunst. 372 So wurden die Bildthemen der
nordniederländischen Künstler zunehmend von der Nachfrage der
bürgerlichen Käufer bestimmt. Waren vor dem Bildersturm und
der Revolte vor allem religöse Themen und Porträts
vorherrschend, häuften sich nach dem protestantischen
Bilderverbot die Aufträge für profane Dekorationen, sowohl für
öffentliche als auch für private Bauten. Diese bürgerlichen
Auftraggeber verlangten für private und offizielle Kunst andere
Inhalte. Von ihnen wurden die zeitgenössischen Motive den
historischen Sujets vorgezogen. Dazu zählten Gruppenporträts,
Genrebilder, niederländische Landschaften, Marinemotive und
Stilleben.
In den Generalstaaten der Niederlande herrschte daraufhin eine
besondere Situation in der Ausbildung der Künstler. Im Norden
bestand kein Anlass mehr, die großen vorbildhaften Werke der
katholischen Kirche in Italien zu studieren. Die Schulung durch
einen Italienaufenthalt wurde weniger wichtig. Die Ausbildung der
Künstler änderte sich entsprechend. Zu Beginn des 17.
Jahrhunderts gab es unter den holländischen Malern immer
weniger, die nach Italien gingen. Nach 1620 fand die Ausbildung
fast gänzlich in den Niederlanden selbst statt. 373 Dabei orientieren
370
Vgl. Bok 1994, S. 54.
Vgl. Montias 1987, S. 459.
372
Vgl. Bok 1994, Tabel 3.5 'Beroepen van eingenaren', S. 83.
373
Vgl. Haak 1996, S. 29.
371
143
sich die holländischen Künstler eher an der manieristischen
Bilderpracht des Prager Hofes und Fontainebleau als an der
gegenreformatorischen Kunst Italiens oder Spaniens. 374
Die ersten Gemälde in den nördlichen Provinzen, die Mucius
Scaevola zeigen, entstanden wieder als Porträt.
Nach einem Bericht von Karel van Mander soll Goltzius im frühen
17. Jahrhundert ein großes Gemälde geschaffen haben, das den
römischen Helden zeigte. Das Gemälde ist verschollen. Durch
van Mander wissen wir aber, daß es offensichtlich zu der
repräsentativen Ausstattung eines Bürgermeisterhauses gehörte.
"[...] In die tijd zag ik ook een groot, langwerpig grisailledoek van
hem in olieverf, dat de Romein voorstelt, die zijn hand verbrandt.
Het is wonderlijk goed opgezet en uitgevoerd en het dankt zijn
afmetingen aan een plek in een kamer van een groot, prachtig
huis dat destijds toebehoorde aan burgemeester Gerrit Willemsen
van Haarlem maar nu het eigendom is van Goltzius; het werk is
daar, meen ik, nog steeds te zien. [...]" 375
Goltzius hatte 1583 die sogenannte Haarlemer Akademie
zusammen mit Karel van Mander und Cornelis Ketel gegründet
und betrieb eine eigene graphische Druckerei.
Hendrick Goltzius hat das gleiche Thema auch in einem
Kupferstich einer Serie römischer Helden für Rudolph II.
ausgeführt. 376 In diesem Blatt ist die Geschichte als kleine
Hintergrundszene zur Identifizierung eines großen in Untersicht
gezeigten Helden integriert. Die Kupferstichserie mit den
römischen Helden entstand zu der Zeit als Goltzius einen höfisch
eleganten Stil pflegte und hauptsächlich nach Vorlagen
Bartholomäus Sprangers stach. In diesem Stich wurde Mucius
374
Vgl. Arasse/Tönnesmann 1997, S. 367-369.
Vgl. Karel van Mander, Nachdruck 1995, S.337.
376
Siehe Kat. 57, vgl. Strauss 1977, S. 390-391.
375
144
Scaevola erstmals als römischer Held, als eine legendäre Figur
präsentiert, die nicht vorrangig der Illustration einer Tugend dient.
145
Holländische Historienbilder zu Themen aus der
römischen Geschichte
Die Historienmalerei stellte in Holland keineswegs eine
Ausnahme dar, entstand aber unter anderen Voraussetzungen
mit anderen Gewichtungen.
Albert Blankert ist es vor allen anderen zu verdanken, daß die
holländische Historienmalerei wieder in den Blickpunkt der
Forschung gerückt ist. 377 Lange Zeit wurden die Genre-,
Landschafts- und Stilllebenmalerei als künstlerische
Hauptaufgaben der Maler angesehen. In dem Katalog Gods,
Saints and Heroes, Washington 1980, lenkte er das Augenmerk
auf die Historienmalerei, die, wie im übrigen Europa, größte
Wertschätzung genoß. Darunter sind allerdings kaum Gemälde
zur römischen Geschichte zu finden. Dies wird auch in dem
Katalog Hollands Classicisme in de seventiende-eeuwse
schilderkunst, Rotterdam 1999 deutlich. Gerade weil hier der Blick
noch stärker auf das antike Ideal gelenkt ist, wird deutlich, wie
gering der Anteil antiker römischer Heldentaten unter den
holländischen Historienbildern ist. Unter den Historien waren die
Motive aus dem Alten Testament und Mythologien begehrt. Die
meisten darunter stammen aus der griechischen Geschichte. Der
Eindruck, in den nördlichen Niederlanden hätte es so gut wie
kaum Historienbilder gegeben, ist sicherlich falsch. Doch trotz der
hohen Wertschätzung der Historienmalerei war die Produktion
gegenüber den anderen Gattungen vergleichsweise gering.378
377
Vgl. den Ausst.kat. Washington 1980 und Rotterdam 1999. Für
Amsterdam vgl. Tümpel 1980.
378
Dies war den niederländischen Gelehrten durchaus bewußt. 1809
brachte Teyler`s tweede genootschap mehrere Abhandlungen
heraus: Opgevende de Redenen van het klein getal der
Nederlandsche Historieschilders, en de Middelen om in dit Gebrek te
voorzien. Pieter Kikkert beklagt einleitend, daß 'inderdaad ons
vederland wenig waarlyk groote mannen, in dat alles omvattend vak
146
Dennoch gab es auch in den nördlichen Provinzen Auftraggeber
für repräsentative Gemälde mit profanen Historien, wenn auch
nicht in vergleichbar großer Anzahl wie in anderen Kunstzentren.
Diese Sujets wurden vom hohen Adel, den Regenten und den
städtischen Korporationen, die ihre Paläste, Rathäuser, Gildenund Bruderschaftshäuser mit Gemälden ausstatteten
nachgefragt. 379
Die bedeutensten Historiengemälde mit Themen aus der
römischen Geschichte entstanden um die Mitte des 17.
Jahrhunderts für den Oranjezaal im Huis ten Bosch in Den Haag
und für den Ratssaal der Bürgermeister im Amsterdamer
Rathaus. 380 Diese speziellen Aufträge zu klassischen
Geschichtsthemen wurden in den nördlichen Provinzen von
einzelnen Künstlern bearbeitet, die vor allem den Gruppen der
Haarlemer und Utrechter Manieristen und den Caravaggisten
zugeordnet werden können. 381
Gemälde von Utrechter Caravaggisten
Drei der erhaltenen Gemälde aus den nördlichen Provinzen
stammen von den Utrechter Caravaggisten. Der alte Bischofssitz
Utrecht unterhielt enge Verbindungen zu Rom und war wie keine
andere Stadt von der Kunst und Kultur Italiens beeinflußt.382 Fast
alle Maler dieser streng katholischen Stadt besuchten Italien und
entwickelten eine Kunst, die sich von der in den anderen
der kunst, heeft voortgebragt;'.
Vgl. Kat. Prag 1998, S. 24-25.
380
Vgl. Haak 1996, S. 358-364.
381
Zu den Gruppen und Strömungen der Klassischen Themen vgl. de
Vries 1983, in: NKJB 33, 1983, S. 1-19. Albert Blankert differenziert
nach verschiedenen Stilrichtungen, in denen diese Themen eine
Rolle spielten: dem Manierismus, Caravaggismus und Klassizismus,
vgl. Ausst. kat Frankfurt 2000, S. 13-33.
382
Zur Kunst in Utrecht, vgl. Ausst.kat Utrecht 1986.
379
147
niederländischen Städten unterschied.383 Die Bloemaert-Schüler
entwickelten nach ihrer Rückkehr aus Italien einen eigenen Stil,
der vom Werk Caravaggios geprägt war.
Ein caravaggeskes Gemälde zu MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
stammt von Hendrik Terbrugghen384 und zwei weitere von
Matthias Stomer385. Über das Gemälde von Terbrugghen ist nur
bekannt, daß es 1625 in Amsterdam aus der Sammlung
Hoeffslager verkauft wurde.386
Stomer wird zwar zum Umkreis Utrechter Caravagisten gezählt,
arbeitete aber den größten Teil seiner Schaffenszeit, spätestens
seit 1630, in Italien. Seine Gemälde zu Mucius Scaevola waren
für süditalienische Auftraggeber bestimmt und entstanden
wahrscheinlich nach 1640 in Sizilien.387 Obwohl Stomers Bilder
und das von Terbrugghen unabhängig voneinander enstanden,
haben sie ähnliche Formate und zeigen deutliche motivische
Parallelen, die ein gemeinsames Vorbild möglich erscheinen
lassen.
Bei allen drei Gemälden handelt es sich um nahsichtige
Kompositionen mit bildfüllenden Figuren in ähnlicher Position.
Über die Figuren hinaus ist kaum Räumlichkeit angedeutet.
In diesen Bildauffassungen wird auf das Verbrennen der Hand
und die Konfrontation von Mucius und Porsenna fokussiert.
Porsenna sitzt leicht erhöht und weist mit einer Hand auf Mucius,
der direkt vor ihm an einem Feueraltar steht. Mit breitem Stand,
den linken Arm in die Seite gestemmt, hält er seine rechte Faust
am gerade ausgestrecktem Arm über die Flammen. Dicht um den
König und Mucius stehen die anwesenden Soldaten. Der tote
Schreiber ist in allen Gemälden im linken Vordergrund zu
sehen. 388 In dem Gemälde von Terbrugghen ist die Figur des
383
Vgl. Lynn Ferderle Orr in Ausst. kat. London 1998, S. 100-120.
Siehe Kat. 67.
385
Siehe Kat. 65 und 66.
386
Vgl. Ausst.kat Utrecht 1986, S. 71, Anm. 98.
387
Zu den Schaffensphasen von Stomer vgl. Nicolson, 1977.
388
Die Figur ist beispielsweise in dem Gemälde von Guido Reni DER
SIEGREICHE SAMSON als gefallener Philister zu sehen. Vgl. Nicolson
384
148
toten Schreibers eine gespiegelte Motivübernahme aus
italienischen Gemälden. Die Gemälde zu MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA von Matthias Stomer, die in Messina entstanden,
zeigen deutliche Einflüsse der Entwürfe Polidoros. 389
In einem genuesischem Inventar aus dem Jahre 1658 wird ein
großes, querformatiges Gemälde von Caravaggio erwähnt, das
als Vorbild gedient haben könnte.390
In jedem Fall ist für diese Gemälde ein starker Einfluß der
italienischen Darstellungen des Motivs festzuhalten.
Die Gemälde des Bürgermeisters Louis Trip
Neben Haarlem und Utrecht war seit den 30er Jahren des 17.
Jahrhunderts auch Amsterdam ein Ort, an dem Historienbilder
gemalt und nachgefragt wurden. In einem Amsterdamer Inventar
von 1684 ist ein Gemälde mit der Geschichte Mucius Scaevolas
erwähnt. 391 Das Gemälde befand sich im sogenannten
Trippenhuis am Kloveniersburgwal und gehörte Louis Trip, einem
reichen Geschäftsmann, der zum Bürgermeister und Stadtrat
aufgestiegen war. 392 Dem früh verstorbenen Vater seiner Frau,
Hendrik Hoefslager, hatte das von Terbrugghen geschaffene
Gemälde zu MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA gehört.393
1973, S. 239, fig. 8, 9. Auch in späteren venezianischen Gemälden
ist die Figur als getöteter Schreiber integriert, beispielsweise bei
Piazetta, siehe Kat. 118 oder Diziani, siehe Kat. 109, 110.
389
Siehe Kat. 65, 66 und 6. Polidoro war wie Stomer zunächst in Neapel
tätig und später in Messina. Zu seinen Scaevola-Gemälden vgl.
Ruffo 1916, Nicolson 1977, Kat. Messina 1992 und Fischbacher
1993.
390
Vgl. Getty Provenance Index, I-829.
391
Getty Provenance Index, N-100.
392
Zu Louis Trip und seiner Familie vgl. van Eeghen 1983.
393
Vgl. van Eeghen 1983, S. 31.
149
Louis und Hendrik Trip hatten sich mit dem 1662 fertiggestellten
Bau eine Art Kaufmannspalast geschaffen, Beispiel für den
aufkommenden aristokratischen Lebensstil bei den Amsterdamer
Regenten.394 Für die kostbare Innendekoration wurden Aufträge
an die besten Amsterdamer Maler vergeben.395 Im 'rechterhuis',
dem Teil den Louis Trip mit seiner Familie bewohnte, gab es
gleich zwei Gemälde, die MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
zeigten. Ein Bild befand sich im großen Saal, wo es während der
Sommermonate als Einsatz für den Kamin diente. Der
repräsentative Empfangssaal war mit eingelassenen Gemälden
und Tapisserien geschmückt, die die Geschichten berühmter
Männer zeigten, unter anderem auch die von dem römsichen
Konsul Decius Mus.
Das zweite Gemälde hing in der sogenannten 'groene kamer', die
wahrscheinlich als Wohnraum diente. Auch hier schmückte das
Motiv den Kamin, jedoch am Rauchfang als ständiges
Kaminstück. 396
[...] Opte groene kamer, Een schilderij staende voor de
schoorsteen in de muur vast gemaeckt, sijnde de historie van
Mutius Scevola [...] 397
Bei dem hochformatigen Gemälde handelt es sich um eine freie
Kopie nach dem Gemälde von Rubens. 398
Die Gemälde waren hier offensichtlich nicht zuletzt wegen des
zentralen Feuermotivs für den Schmuck der Kamine ausgewählt
worden. Dies entsprach den Forderungen der kunsttheoretischen
Traktate, die seit dem 15. Jahrhundert dazu rieten, die Bildthemen
der Palast- und Villendekorationen auf die Raumfunktionen bzw.
394
Vgl. Meischke/Reeser mit dem Band Het Trippenhuis te Amsterdam,
darin: Klein 1983, S. 22-25.
395
Vgl. van Eeghen 1983, S. 61, zur Ausstattung der Räume vgl. Snoep
1983.
396
Zu den Gemälden MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA vgl. Snoep
1983, S. 204, Afb.128, siehe Kat. 59.
397
Aus der Ergänzung vom 4. Oktober zum Inventar vom 14. Juli 1648,
vgl. van Eeghen, 1983, S. 111, Bijlage III.
398
Siehe Kat. 59.
150
den Bestimmungsort des Gemäldes abzustimmen. Für Kamine
hielt man solche Themen für passend, in denen Feuer eine Rolle
spielte.399
Außer den hier erwähnten Gemälden existieren aus den
Niederlanden lediglich noch Zeichnungen zu diesem Thema.
Mehrere Blätter sind aus der Rembrandt-Schule erhalten, unter
anderem auch von Lievens.400 Über entsprechende Gemälde
dazu ist nichts bekannt. 401 Eine Tuschzeichnung von Ottmar
Elliger hingegen könnte auf ein Gemälde von Gérard Lairesse
zurückzuführen sein, das 1756 in Rotterdam verkauft wurde, aber
heute verschollen ist. 402
Das historische Interesse konzentrierte sich in kleinen Bereichen
und war nicht zu vergleichen mit der allgemein verbreiteten
großen Vorliebe der Römer oder Venezianer für Geschichte. Die
nicht-aristokratische, niederländische Elite definierte sich weniger
über die Abstammung, als vielmehr über selbsterbrachte
Leistungen.403 Die nordniederländischen Auftraggeber
bevorzugten im allgemeinen eher unhistorische Themen in der
Malerei, die sich an gegenwärtigen Fragen und Werten
orientierten.404
Abgesehen von der grundsätzlich geringeren Motivation zur
Auseinandersetzung mit historischen Themen, wurden historische
399
Schon bei Filarete, Lomazzo und Armenini, vgl. De Jong 1987, S. 45.
Noch im 18. Jahrhundert weist Adamo Chiusole darauf hin und nennt
als Beispiel die Darstellung Mucius Scaevolas, die sich gut in einem
Kaminzimmer ausnehmen würde, vgl. Gottdang 1999, S. 30.
400
Siehe Kat. 60-64, 68.
401
Zu römischen Historien von Rembrandt und seinem Schüler Bol vgl.
Stechow, in: Oud Holland 46, 1929, S. 134-139.
402
Vgl. Roy, 1992, S. 488, M 113.
403
Vgl. Burke, 1993, S. 52.
404
Vgl. Burke, 1997.
151
Vorbilder für die Regierenden nicht unbedingt der römischen
Geschichte entnommen.
Die Machtelite der jungen Republik sah weniger die Römer,
sondern in engerem Sinne die Bataver als ihre heldenhaften
Vorfahren an. 405 Um Unabhängigkeitsbestrebungen und
Befreiungskampf durch ein Historienbild zu thematisieren, mußten
die Niederländer nicht auf die Geschichte eines römischen Helden
zurückgreifen. Im Zuge des aufkommenden Nationalbewußtseins
bevorzugte man Exempel der eigenen Vorfahren. Seit der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts, als sich die Generalstaaten als
unabhängige Nation konsolidierten, bekam der Mythos der
Bataver größere Bedeutung. Vom germanischen Stamm der
Bataver, die sie als ihre Ahnen reklamierten, waren
entsprechende Legenden überliefert, die geeignet waren, das
niederländische Selbstbild zu vermitteln. Der Aufstand der
Bataver wurde zum Sinnbild des niederländischen Aufstandes
gegen Philip II., mit dem Bataverführer Julius Civilis in der Rolle
des Willem von Oranien. Mit der batavischen Vergangenheit
ließen sich die politischen Ideale der Niederlande sehr viel
adäquater vermitteln als mit römischen Helden.
Von Hugo Grotius wurde 1610 in seinem Liber de antiquitate
reipublicae Baravicae dargelegt, daß schon die Bataver eine antimonarchistische Regierungsform hatten, die stark der
holländischen Regentenrepublik des 17. Jahrhunderts glich. 406
1659 vergaben die Amsterdamer Stadtväter einen
prestigeträchtigen Auftrag für einen Bataverzyklus aus zwölf
Gemälden für die öffentliche Galerie des Burgerzaals.407
In den Kontexten, die eine Ausstattung mit repräsentativen
Historien zuließen, mußten die römischen Themen mit den
405
Vgl. Burke 1993, S. 117 und Van der Waal 1952, S. 94-104.
Vgl. Bejczy/Stegeman 1998, S. 23-24.
407
Vgl. Haak 1996, S. 360-364.
406
152
nationalen Geschichten um die Bataver konkurrieren, wenn es um
die Darstellung der heroischen Vergangenheit ging.
In den Niederlanden bleibt das Thema MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA die Ausnahme. Anders als in den Darstellungen des
16. Jahrhunderts wurde dem Motiv später in großformatigen
Tafelbildern größere Aufmerksamkeit zuteil.
Auffällig ist, daß sich mehrere der Gemälde im Besitz von
Bürgermeistern befanden. Der Bürgermeister, der Stadtrat, der
Schultheiß und die Schöffen stellten die Machtelite in den Städten
dar. Die regierenden Körperschaften vergaben den Großteil der
Aufträge an die Künstler. 408 Das Bürgermeisteramt gehörte zu
jenen Positionen der gesellschaftlichen Elite in denen sich
besonders viele Kunstsammler fanden.409 Die Amtsinhaber
rekrutierten sich aus der Oberklasse, deren Mitglieder sich
weniger durch die Zugehörigkeit eines bestimmten Standes
auszeichneten als vielmehr durch gegenwärtige Macht und
Reichtum. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern
konnte ein Kaufmann in den Stadtrat oder zum Bürgermeister
gewählt werden, wenn er nur genügend Einfluß und finanzielle
Mittel besaß. Die Inhaber dieses Amtes identifizierten sich zum
Teil gern mit der römischen Geschichte.410 Sie übernahmen dazu
Bildthemen aus dem internationalen ikonographischen Repertoire
und lehnten die Ausstattung ihrer Paläste an die ästhetische
Formensprache des Adels und der Höfe an.411
408
Vgl. Haak 1996, S. 46.
Vgl. Bok 1994, Tabel 3. 6. "Frequentie van de meest gewichtige
politieke en maatschappelijke functies vervuld door eigenaren", S.
84.
410
Darauf hat Peter Burke hingewisen, vgl. Burke 1993, S.117.
411
Die Vorbilder für die erhaltenen Werke waren wahrscheinlich von
Caravaggio oder Diziani für führende italienische Familien
geschaffen worden bzw. von Rubens für den spanischen König.
409
153
Darstellungen in Flandern
Im katholischen Süden herrschten nach der Spaltung der
Niederlande andere Voraussetzungen für die Künste.412 Nach den
Verlusten durch den Bildersturm, wurden für die Wiedererrichtung
und Ausstattung von Kirchen, Klöster und Abteien zahllose
Aufträge vergeben. Zu den Hauptaufgaben gehörte das religiöse
Historienbild im Geiste der Gegenreformation. Daher war für die
Maler die Ausbildung in Italien nach wie vor wichtig, um die
Vorbilder in der italienischen Kunst zu studieren. Dort eigneten sie
sich das römisch-katholische Formenrepertoire an, wurden aber
ebenso mit den profanen Themen aus der Antike und deren
neuzeitlicher Rezeption konfrontiert, die zum internationalen
ikonographischen Repertoire der Machtzentren gehörten.
Nach dem wirtschaftlichen Niedergang der Handelsmetropole
Antwerpen verlagerten sich die Absatzmärkte der flämischen
Künstler. In der Scheldestadt selbst war die Nachfrage drastisch
zurückgegangen. Die in der verarmten Handelsstadt verbliebenen
Maler mußten einen neuen Markt für ihre Arbeiten finden und
begannen ihre Bilder ins Ausland zu verkaufen. 413 Die flämischen
Historienmaler orientierten sich an der internationalen Nachfrage.
Das ist ein Grund dafür, daß in den spanischen Niederlanden
weitaus mehr Gemälde zu MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
geschaffen wurden als in den nördlichen Provinzen, die
vornehmlich für den nationalen Markt arbeiteten. 414
412
Zur flämischen Kunst vgl. Gerson/TerKuile (Pelikan History of Art)
und Ausst.kat. Köln 1992.
413
Vgl. J. Denucé, Bronnen voor de geschiedenis van de Vlaamse kunst
I: Kunstuitvoer in de 17e eeuw te Antwerpen. De Firma Forchoudt,
Antwerpen/Amsterdam 1931
414
Zum quantitativen Vergleich von flämischer und holländischer
Historienmalerei vgl. Kikkert 1809, S. 10-17.
154
Die meisten flämischen Gemälde zu Mucius Scaevola stammen
von Rubens, seiner Werkstatt und seinen Nachahmern. Als ein
international tätiger Künstler mit einer umfassenden
humanistischen Bildung und einer Klientel an den bedeutensten
europäischen Höfen, ist seine Bearbeitung des Themas
überregional zu beurteilen
Sie ist vielmehr Beispiel für einen sogenannten internationalen
höfischen Stil.
Seine Interpretation des Motivs ist in mehreren Werken überliefert
und hatte starken Einfluß auf zahlreiche Maler, die das Thema in
späteren Jahren bearbeiteten.415
415
Zur Rezeption des Entwurfes von Rubens, siehe S. 183ff.
155
RUBENS' GEMÄLDE FÜR PHILIP IV.
Anders als in den vorausgegangenen Kapiteln, konzentriert sich
die Analyse an dieser Stelle auf ein Einzelwerk. Oder, anders
formuliert, um eine große Gruppe von Werken, die sich alle an
einem einzigen Gemälde orientieren, das Rubens im Auftrag des
spanischen Königs, Philip IV ., malte.
Das Thema MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA bearbeitete Rubens
in mehreren Gemälden, Ölskizzen und Zeichnungen, die alle
mehr oder weniger Vorarbeiten bzw. Kopien zu einem Hauptwerk
sind.416 Kein anderer Maler nördlich der Alpen hat sich intensiver
mit dem Motiv auseinandergesetzt und keine Interpretation des
Sujets ist so häufig kopiert worden.
Rubens künstlerisches Schaffen war international ausgerichtet. Er
malte im Auftrag der prominentesten Sammler des europäischen
Auslandes und sein Themenrepertoire war den Nachfragen dieser
internationalen Auftraggeber angepasst. Im Gegensatz zu
anderen niederländischen Malern schuf Rubens gleich mehrere
Gemälde mit Heldentaten aus der römischen Geschichte.417
Historien mit römischen Helden wurden vor allem von
Regierungen oder finanzstarken Sammlern außerhalb der
Niederlande nachgefragt.
Biographische Hintergründe
Seine Bildung und seine Faszination von der Antike boten eine
wichtige Voraussetzung für die Auseinandersetzung mit den
vergleichsweise seltenen Sujets der klassischen Geschichte.
416
417
Siehe Kat. 69-74.
Vgl. McGrath, 1997.
156
Durch seinen gelehrten Vater und die Schulen, die Rubens
besuchte, wurde früh der Grundstein für sein humanistisches
Bildungswissen gelegt. Seine Lehrjahre verbrachte er im
weltoffenen, vom Humanismus geprägtem Klima Antwerpens, wo
sich Künstler, Sammler und Händler rege mit dem Kunstschaffen
der anderen Länder, allen voran Italien, auseinandersetzten. Eine
Reihe von Künstlern des 16. Jahrhunderts, vornehmlich die
Romanisten mit Ihrer Orientierung an der Antike und
Hochrenaissance in Italien, hatten Kopien römischer
Heldendarstellungen von ihren Italienreisen mit in den Norden
gebracht. Zu ihnen gehörte auch Otto van Veen, Rubens dritter
Lehrer, der ihn mit Renaissancethemen und der Antikenrezeption
vertraut machte.418
1600 unternahm Rubens dann selbst die mittlerweile üblich
gewordene Studienreise nach Italien, wo er zahlreiche
Kunststätten bereiste. In Venedig, erregte er die Aufmerksamkeit
von Vincenzo I. Gonzaga, der ihn an seinen Mantuaner Hof
berief. In Diensten des Herzogs war Rubens sowohl als
Hofkünstler als auch als Kunstagent tätig. Seine
Sprachkenntnisse und humanistische Gelehrtheit prädestinierten
ihn zum Gesandten, der sich in internationalen Herrscherhäusern
zu bewegen wußte.419 Dabei knüpfte er Kontakte zu mehreren
Gelehrten, lernte Könige, Fürsten und andere große Sammler in
ganz Europa kennen und bekam Einblicke in ihre wertvollen
Sammlungen.420 Auf diese Weise hatte Rubens früh persönliche
Bindungen zu jener kleinen Gruppe höfischer Auftraggeber in
ganz Europa, die als potentielle Klientel Historien der römischen
Geschichte nachfragten.
418
Zur Biographie von Rubens vgl. zuletzt Von Simson 1996.
Zum humanistischen Umfeld und den Anregungen zur
Auseinandersetzung mit der Antike vgl. den Aufsatz von White
Rubens and Antiquity in: Ausst.kat Boston 1993, S. 147.
419
Zu politischen Karriere von Rubens vgl. Wedgwood 1975.
420
Vgl. David Jaffé in: Ausst.kat. Canberra 1992, S. 26.
157
Auf seinen Reisen im Auftrag des Herzogs von Mantua blieb auch
Zeit für eigene breitgefächerte Studien der Kunst und Architektur.
Während der acht Jahre in Italien eignete er sich profunde
Kenntnisse der antiken und modernen Kunst an.421 Er studierte
die Werke, das Themenrepertoire und den Formenkanon von
Antike und Renaissance.422 Die Stationen seiner Reise, darunter
Venedig, Mantua, Genua, besonders aber Rom, boten vielfach
Gelegenheit, Themen wie MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA an
Fassaden und in Repräsentationsräumen zu sehen.
Darüber hinaus pflegte Rubens auch das wissenschaftliche
Studium des klassischen Altertums. Ihn beschäftigten
archäologische und philologische Fragen ebenso wie
philosophische und politische Theorien. Einen Teil seines
enzyklopädischen Wissens erlangte er durch Selbststudium mit
Hilfe seiner umfangreichen Bibliothek.
Zudem stand er im Austausch mit befreundeten Gelehrten der
verschiedenen Disziplinen. Ein gemeinsames Thema waren
Werte der antiken Geisteswelt und deren neuzeitliche
Rezeption.423
1608 kehrte Rubens nach Antwerpen zurück, wo er seine
literarische und bildkünstlerische Motivkenntnis vor dem
Hintergrund seiner humanistischen Gelehrtheit zu eigenen
Bildideen assimilierte.424
421
Vgl. Baudouin 1977 und Ausst. kat. Canberra 1992.
Vgl. Pilo in: Ausst.kat. Padova 1990, S. 21-27 sowie Sutton, 1993, S.
20-24. Marjon van der Meulen hat einen Katalog von Rubens Kopien
nach antiken Werken und Themen zusammengestellt: Rubens,
Copies after the antique, 1994.
423
Rubens Kontakte zu den Gelehrten seiner Zeit wurden erstmals von
Goeler von Ravensburg eingehender untersucht, vgl. Goeler von
Ravensburg, 1882, S. 19ff. sowie Gerstenberg 1932 und zu den
jünsten Forschungen vgl. Huemer 1996.
424
Vgl. die Untersuchung von Oldenburg 1917/18
422
158
Römische Heldenlegenden im Werk von Rubens
Die Historien der klassischen Geschichte gehörten eine zeitlang
zu den von Rubens favorisierten Inhalten der italienischen
Malerei. Nach seinem Italienaufenthalt thematisierte Rubens
mehrfach die Taten römischer Helden in Anlehnung an die
italienischen Ikonographien. 425 Er wählte vor allem solche Helden,
die sich selbstlos für ihren Staat einsetzten.
Seine künstlerische Umsetzung unterschied sich von den
italienischen Werken. Rubens übertrug die in Italien hauptsächlich
an Möbel oder Architektur gebundenen Darstellungen der
Heldenhistorien auf mobile Bildträger wie Tapisserien oder
Tafelbildern. Dabei konzentriert er sich auf autonome
Darstellungen einzelner Helden, die nicht in einen Zyklus
integriert sind, der einem übergeordneten Bildprogramm dient.
Sein DECIUS MUS - Zyklus widmet allein einer Heldentat fünf
Tapisserien. 426 Anders als in den früheren Heldendarstellungen
innerhalb eines Zyklus formen die DECIUS MUS-Gemälde keine
Chronologie eines Heldenlebens oder eine Aufzählung der
wichtigsten Taten. Rubens beschreibt über fünf Gemälde den
Ablauf einer einzigen Heldentat; ähnlich den Darstellungen auf
den Cassone, die auch verschiedene Phasen einer Heldentat
zeigen.427
Andere Tugendhelden konzentriert er ganz auf eine einzige
unabhängige Darstellung. Die ENTHALTSAMKEIT DES SCIPIO
AFRICANUS , C ORIOLAN und auch MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
zeigen die Helden in selbständigen Gemälden. Diese Werke sind
für sich konzipiert und stehen in keinem programmatischen
Zusammenhang mit anderen Historien oder in einer Reihe von
425
Darunter waren Decius Mus, Scipio Africanus, Cloelia und Coriolan,
vgl. McGrath, 1997, II, Index II: Subjects und Index III: Other Works
by or after Rubens.
426
Zu diesem Zyklus vgl. die Arbeit von Susanne Tauss, 2000.
427
Darauf hat Elizabeth McGrath verwiesen, vgl. McGrath 1997, I, S.
74-78.
159
Geschichten um einen Helden. Damit wird die Tat des Einzelnen
herausgestellt und wirkt als eigenständiges Exempel.
Rubens' erste nachweisbare Arbeit zu MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA stammt aus den frühen Jahren des 17. Jahrhunderts.
Es ist eine rundformatige Zeichnung im British Museum in
London, die als Bearbeitung von Rubens selbst oder von Van
Dyck nach einem Entwurf von Rubens gilt.428
Er und seine Werkstatt haben dieses Thema seitdem mehrfach
ausgeführt. 429 Das herausragenste Gemälde war ein großes,
heute verschollenes Auftragsbild für den spanischen König, die
Vorzeichnung dazu und eine Werkstattkopie.
Das heute verschollene Originalwerk schuf Rubens für einen der
bedeutendsten königlichen Sammler der Zeit, den jungen
spanischen König, Philip IV. Das Gemälde war in Öl auf Leinwand
ausgeführt und 250 x 250 cm groß. 430
Die Zeichnung, die als Vorarbeit zu diesem Gemälde angesehen
wird, befindet sich heute im Kupferstichkabinett der Staatlichen
Museen Preußischer Kulturbesitz in Berlin. 431 Ein in den
Ausmaßen etwas kleineres Gemälde als das Original, heute im
Museum für Bildende Künste in Budapest, gilt als Studioreplik des
ehemaligen Auftragsgemäldes für den spanischen König.432
428
Siehe Kat. 69. Speziell zu dieser Zeichnung vgl. Wood, 1989 und
McGrath 1997, II, cat. 45, fig. 161.
429
Außer der frühen Londoner Zeichnung sind heute noch eine weitere
Zeichnung, siehe Kat. 70 und zwei Ölskizzen des Sujets
nachweisbar, siehe Kat. 73 und Kat. 74, vgl. McGrath 1997, II, cat.
46 (2) und 46b.
430
Siehe Kat. 71.
431
Siehe Kat. 70.
432
Siehe Kat. 72.
160
Der Auftrag für den spanischen Hof
Mit sechzehn Jahren trat der Habsburger Philip IV. 1621 die
Regentschaft als spanischer König an. Wie schon sein Großvater
Philip II. entwickelte der junge König eine Leidenschaft für die
Malerei.433 Während seiner Regierungszeit wurden die königlichen
Sammlungen durch zahlreiche Ankäufe und Aufträge nachhaltig
geprägt.
Unter dem Einfluss von Olivares, seinem Erzieher und Berater,
begann er mit der Neuausstattung der Räumlichkeiten des
Alcázar.434 Dies geschah im Zuge von Umbauten, die bereits unter
seinem Vater, Philip III., geplant waren. Der Madrider Palast sollte
ein einheitliches Wohn- und Repräsentationsensemble erhalten,
das bei festlichen Anlässen dem Zeremonialweg zum Thron des
Herrschers einbezogen wurde.435
Mittelpunkt des höfischen Lebens und des Zeremoniells war der
Thronsaal, der in einem neu geschaffenen Raum über dem
Haupteingang eingerichtet wurde. Der sogenannte Salón Nuevo,
später Salón de los espejos genannt, entstand durch eine neue
vorgezogene Fassade zwischen zwei Türmen entlang der
Südflanke des Alcázar.436
Während der Regierungszeit Philips IV ., etwa ab 1626, wurde
dieser Raum über mehrere Jahre mit kostbaren Gemälden
ausgestattet.437 Diese Einrichtung unterschied sich wesentlich von
den bis dahin gängigen Ausstattungen. Während sich der junge
König und sein erster Minister bei der Erweiterung der
Räumlichkeiten an die vorliegenden Pläne hielten, war für die
Innenausstattung ein gänzlich neues Konzept vorgesehen.
433
Zur Person Philips IV. vgl. Stradling in: Dictionary of Art, Artikel
'Habsburg, §II: (7) Philip IV'.
434
Brown/Elliott 1980.
435
Zur neuen Konzeption der Räume vgl. Minges, 1998, S. 143-51.
436
Vgl. Orso, 1986, S. 32.
437
Zur Ausstattung des Salón Nuevo vgl. Crawford Volk 1980 und Orso
1986, Kap. II, hier als 'Hall of Mirrors'.
161
Die gängigen Sammlungs- bzw. Ausstattungsprogramme sahen
Galerien mit wandfesten Malereien und enzyklopädische
Kunstkammern vor. Für Philip war das enzyklopädische
Sammlungsprinzip offenbar nicht mehr maßgebend. Er war vor
allem an Gemälden interessiert. Statt der üblichen
Ausschmückung mit Fresken und Stuckaturen wurden besondere
Stücke an die Wände der Gemäldesammlung gehängt. Damit war
die erste barocke Gemäldegalerie mit variabler Bildausstattung
geschaffen, die bald zur notwendigen Ausstattung der Paläste
gehörte und die Kunstkabinette zunehmend ersetzte.438
Dazu war die von Karl V. begründete Gemäldesammlung von
Philip umfassend erweitert worden. Er tätigte umfangreiche
Ankäufe und vergab Aufträge an die berühmtesten Maler der
Zeit. 439 In der Wahl der Gemälde ließ er sich ebensowenig von
Konventionen leiten und hielt sich an seine privaten Vorlieben.
Neben der in der Familie traditionellen Verehrung für die
Venezianer, bevorzugte Philip den flämischen Barock,
insbesondere die Werke von Rubens. Im Inventar von 1686 war
Rubens neben Tizian mit der größten Anzahl von Gemälden im
Alcázar vertreten. 440
1628 reiste Rubens in diplomatischer Mission nach Madrid. Er
hatte für die Statthalterin Isabella Kontakte zum englischen Hof
aufgenommen und war bemüht, Friedensverhandlungen zwischen
England und Spanien zu initiieren. 441 Über Isabella hatte er dem
spanischen König seine Dienste für die Vermittlung zwischen den
Parteien angeboten.
438
Vgl. Minges 1998, S. 143-144.
Zu Philip IV. als Auftraggeber und Sammler vgl. Brown/Elliott, 1980,
S. 43-44, 114.
440
Steven N. Orso hat die Anzahl der Gemälde von den verschiedenen
Künstlern verglichen, siehe Orso, 1986, S. 88.
441
Vgl. Lohse Belkin, 1998, S. 200-208.
439
162
In seinem Gepäck hatte er acht Gemälde für Philip. IV. Sechs der
von Rubens mitgebrachten Gemälde sind Pendants: zwei
Jagdszenen, SATYR ZERDRÜCKT DIE TRAUBEN und DREI NYMPHEN
MIT FÜLLHORN sowie SAMSON ZERREIßT DEN LÖWEN und D AVIDS
KAMPF MIT DEM BÄREN. Zwei der Gemälde, MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA und JACOB UND ESAU, sind einzelne, unabhängige
Werke.442
Wegen der heterogenen Sujets ist oft vermutet worden, daß die
acht Gemälde aus Rubens Werkstattbestand stammen und
ursprünglich nicht für den Salón Nuevo bestimmt waren.443
Richtig ist, daß die Gemälde schon zuvor, unabhängig von
diesem diplomatischen Anlaß, angefertigt worden sein müssen,
da Rubens Berufung an den spanischen Hof relativ kurzfristig
geschah. Als Philip IV. einwilligte, Rubens in vermittelnder
Funktion an den Hof zu rufen, verging weniger als ein Monat,
bevor er abreiste.
Die These, daß Rubens auf Gemälde aus dem Bestand
zurückgriff, ist seit längerem widerlegt. Der Auftrag für die
Gemälde bestand schon vor der Berufung Rubens an den
spanischen Hof. Sie waren von Philip IV ., wahrscheinlich über
seine Tante, die Erzherzogin Isabella, bei Rubens bestellt
worden. 444 Wie Alexander Vergara zuletzt nachvollzogen hat,
waren die Gemälde speziell auf die Ausstattung des Salon Nuevo
abgestimmt. Maße und Ausführungen orientierten sich an der
vorgesehenen Hängung und an bereits vorhandenen
Gemälden. 445 Wer allerdings die Bildthemen bestimmt hat und
442
Zu den Gemälden vgl. Orso, 1986, S. 56-57.
Vgl. Justi, 1933, S. 247. Diese Mutmassung findet sich noch bei
Volk, 1980, S. 176-77.
444
Vgl. Vergara, 1999, S. 46, McGrath 1997,II, S. 235, Anm. 11,12 und
Balis, 1986, S. 180, 183. Dies geht aus einer Depesche von
Averardo Medici, einem florentinischen Gesandten, hervor.
Abgedruckt in: Justi, Velàzaquez, 1933, S. 247, Anm. 1.
445
Vgl. Vergara 1999, S. 49-51 sowie McGrath 1997, II, S. 235, Anm.
13, 14, S. 237.
443
163
inwieweit Rubens Einfluß auf die Wahl der Sujets hatte, ist nicht
mehr nachzuvollziehen.
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA hing an der Nordwand in der
unteren Reihe und war in seinen Abmessungen ODYSSEUS
ENTDECKT ACHILLES angepasst, einem Gemälde von Rubens, das
bereits seit 1626 im Salón de los espejos hing.446 Die Inventare
verzeichnen den MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA bis 1700. Die
Forschung geht davon aus, daß es bei dem Brand des Alcázar
1734 zerstört wurde, so daß heute nur die erhaltenen Kopien
einen Eindruck von dem Original vermitteln können.
Daher muß für die ikonographische Analyse die Version im
Museum der bildenden Künste in Budapest herangezogen
werden. In den Abmessungen etwas kleiner, gilt sie ansonsten als
originalgetreue Werkstattkopie des Gemäldes für den spanischen
König.
Bildanalyse des Rubensgemäldes
Das Budapester Gemälde war ursprünglich, ebenso wie das
Original, in quadratischem Format ausgeführt, mit etwa einem
Meter kürzeren Seitenlängen. 447
Auf einer relativ großen Tafel wird die nahsichtige Szene von
einer Figurengruppe im Vordergrund bestimmt.
Rubens konzentriert sich stark auf wenige, fast lebensgroße
Figuren, die nahezu das ganze Bild füllen. Zusammen mit der
geringen Bildtiefe entsteht ein vergleichsweise enger
Bildausschnitt, der die Tat des Mucius Scaevola in den
Mittelpunkt rückt. Im Zentrum steht der reich skulptierte Altarblock
446
447
Vgl. Orso, 1986, S. 75, diagram II und S. 82-83, table.
Das Original maß etwa 250 x 250 cm, die Werkstattkopie
ursprünglich 157 x 156 cm, heute durch Anstückungen 187 x 156
cm, Budapest, Museum der Bildenden Künste, Inv. Nr. 749. Siehe
Kat. 71 und 72.
164
mit dem lodernden Feuer. Davor, etwas rechts der Bildmittel steht
Mucius, der seine Hand in die Flammen hält. Am linken Bildrand
sitzt Porsenna leicht erhöht auf einem steinernen Thron. Ihm zu
Füßen, am unteren Bildrand, liegt die Leiche des getöteten
Schreibers. Dichtgedrängt um Mucius herum stehen einige
etruskische Soldaten, die Zeugen der Tat sind.
Die Szene wird nahezu vollständig von einer Draperie
hinterfangen. Nur im rechten oberen Bildteil ist ein Ausblick in den
Himmel gegeben. Zwei gespannte Seile deuten an, daß es sich
um ein Zelt handelt, das den Bereich von links oben bis zur
Bildmitte hin leicht verschattet. In den Vordergrund um Mucius
Scaevola fällt dagegen Licht ein. Die Umgebung bleibt
unbestimmt zwischen Innen- und Außenraum, vermittelt aber den
Eindruck eines abgeschlossenen Interieurs.
Mucius Scaevola steht etwas rechts der Bildmitte in
Schrittstellung fest auf beiden Beinen. Sein Oberkörper ist leicht
in Schrittrichtung vorgebeugt, um die geballte Faust mit
ausgestrecktem Arm in die Flammen zu halten. Die Muskeln des
Armes zeichnen sich angespannt über dem hellen, sprühenden
Feuer ab. Während seine Hand verbrennt, sieht er Porsenna an,
ohne Anzeichen von Schmerz zu zeigen. Sein Profil zeigt
entspannte Gesichtszüge, der Mund ist wie zum Sprechen leicht
geöffnet. Die linke Hand hat er entspannt in die Taille gelegt. Die
angedeutete aktive Bewegung in Richtung des Feuers ist
verbunden mit einem festen Stand und ruhiger, beherrschter
Physiognomie.
Das Verhalten von Porsenna ist deutlich zu dem des Mucius
kontrastiert. Etwas nach hinten versetzt, sitzt Porsenna
gegenüber Mucius und seinen Soldaten erhöht auf einem
verzierten Thron, der einen Großteil der linken Bildhälfte
einnimmt. Mit gerunzelter Stirn und heruntergezogenen
Mundwinkeln sieht er seinem Gefangenen ins Gesicht und weicht
165
zugleich vor ihm zurück.448 Die der grausamen Tat zugewandte
linke Körperhälfte Porsennas scheint besonders erschüttert durch
den Anblick der Selbstverstümmelung, während die rechte Seite
seines Körpers noch ruhiger wirkt.
Wie bei König Porsenna sind auch die Haltungen seiner vier
Soldaten bewegter und instabiler als die ihres Gefangenen. Sie
stehen dicht um Mucius Scaevola und werden zu unmittelbaren
Zeugen seiner Tat.
Am rechten Bildrand ist einer der Soldaten ganzfigurig in einer
dynamischen Körperhaltung dargestellt. Seine Erscheinung weist
viele Ähnlichkeiten zu dem danebenstehenden Mucius Scaevola
auf.449 Auffällig sind die angeglichenen Posen. Der junge,
etruskische Soldat nimmt eine parallele Schrittstellung zu Mucius
Scaevola ein, sein Oberkörper und Kopf sind ebenfalls
gegeneinander verdreht. 450
Die Parallelen in ihrer Pose lassen die Unterschiede im Verhalten
besonders deutlich werden. Im Gegensatz zum ruhig stehenden
Mucius Scaevola ist der Soldat im Moment einer wuchtigen
ungerichteten Bewegung gezeigt; gut zu erkennen an der weiten
Schrittstellung mit der rückwärtig aufgesetzten Fußspitze und der
durch die Bewegung gebauschte Toga. Das dynamische Agieren
des Soldaten wirkt spontan und ungerichtet.
Die anderen, vermeintlich älteren Soldaten stehen dahinter. Von
Ihnen sind kaum mehr als ihre Gesichter zu sehen.
448
Er schiebt sich mit dem linken Arm und Bein von Mucius weg auf die
rechte Seite seines Thrones.
449
Beide scheinen in gleichem Alter zu sein, sie wirken jünger als alle
anderen Beteiligten. Sie tragen keinen Helm und sind die einzigen
mit wenig Barthaar. Auch markante Teile der Rüstung wie der
metallene Brustpanzer, das umgehängte Schwert und die Toga
finden sich bei beiden.
450
Die Bewegungsrichtung ist der des Mucius jedoch entgegengesetzt.
Der Soldat steht mit dem Rücken zum Betrachter, orientiert sich mit
dem Körper vom Geschehen weg, wendet den Kopf hingegen nach
links in Richtung Mucius.
166
Die Wachen, die Mucius vor den König führten, sind als behelmte
Soldaten dargestellt. Obwohl der Wachsoldat links hinter Mucius
ihn an seiner Schulter erfasst und der zweite offensichtlich seine
Fesseln am linken Arm hält, vermögen sie ihn nicht von seiner Tat
abzuhalten. Der Wachsoldat rechts hinter Mucius neigt den Kopf,
um auf die Faust im Feuer sehen zu können. In Anbetracht des
verbrennenden Fleisches hält er sich die Nase zu. Der zweite
neigt sich so, daß er Mucius Scaevola ins Gesicht sehen kann.
Mit geweiteten Augen blickt er in die entspannten Züge seines
Gefangenen.
Während sich die beiden Wachsoldaten auf Mucius und seine
verbrennende Hand konzentrieren, richtet ein älterer Soldat mit
weißem Haar seinen Blick auf Porsenna. Sein Mund ist leicht
geöffnet, und er scheint erstaunt über die Reaktion des
etruskischen Königs.
Zu Füßen Porsennas, liegt der ermordete Schreiber auf dem
Rücken mit dem Schwert in der Brust. Durch den linken Bildrand
beschnitten, ist nur der Oberkörper zu sehen, der ausgestreckt
entlang des unteren Bildrandes auf dem Boden liegt. Der linke
Arm liegt angewinkelt an der Seite, der rechte ist über den Kopf
gestreckt. In seinem Gesicht sind noch deutlich die Zeichen des
Schmerzes zu sehen.
Die Verlängerung des Schwertes über den Griff hinaus führt
genau zu der rechten Hand von Mucius Scaevola, die die Waffe
kurz zuvor gegen den Schreiber geführt hatte.
Hinter dem Haupt des getöteten Schreibers bestimmt der
Steinaltar mit dem lodernden Feuer die Mitte der unteren
Bildhälfte. Die Ecken des skulpturalen Unterbaus sind mit
Sphingen geschmückt. Darüber, unter der Altarplatte, prangen
Widderköpfe, die mit Festons über die Seiten verbunden sind. Die
weibliche Sphinx als Fabelwesen mit Menschenhaupt und
Löwenkörper ist Sinnbild für Weisheit und Stärke. Sie verkörpert
167
die Verbindung von menschlichem Geist und tierischer Kraft.451
Auch die Widder sind als Symbole für physische Stärke zu
deuten. 452
Rubens stellt das Verbrennen der Hand in das Zentrum und zeigt
die Aufmerksamkeit der Anwesenden, die auf dieses Ereignis
gerichtet ist. Das ruhige Agieren Mucius Scaevolas steht im
Gegensatz zu den affektiven Reaktionen der Etrusker.
Zum Stand der Forschung
Das Gemälde mit seinen Vorarbeiten und Kopien ist bereits
mehrmals Gegenstand kunsthistorischer Untersuchungen
gewesen, jedoch zumeist im Rahmen von Rubens' Oeuvre. Die
Analysen beschränken sich in der Regel auf die Erwähnung der
literarischen Quellen und der Nacherzählung der Legende. Eine
umfassende Katalogisierung von Rubens Werken zu MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA einschließlich der Kopien hat Elizabeth
McGrath in dem Band Rubens. Subjects from History
vorgenommen. Ihre detaillierten Recherchen zu den Werken
bilden die Grundlage für weitere Analysen zur Ikonographie.
Darüberhinausgehende ikonographische Ansätze bieten die
Aufsätze von Ildikó Ember, 1977 und Jeremy Wood, 1989.
Ausgehend von diesen Untersuchungen soll eine tiefergehendere
ikonologische Studie vorgenommen werden.
Rubens orientierte sich an den ikonographischen Mustern der
Italiener. Die Situierung der Szene und die Anordnung der
Personen entspricht dem tradierten Schema. Elizabeth McGrath
451
Zur Bedeutung der Sphinx vgl. Castel 1958 sowie Lurker 1991,
Artikel 'Sphinx'.
452
Zur symbolischen Bedeutung vgl. Lurker 1991, Stw. Widder und Held
1980, cat. 286, S. 383-384.
168
hat Vorbilder für einzelne Motive in italienischen Werken
identifiziert.
Die ausgestreckte Leiche des Schreibers mit dem Dolch in der
Brust führt sie auf die Grisaille von Polidoro da Caravaggio in der
Deckendekoration der Villa Lante in Rom zurück. 453
Diese Vermutung liegt nicht nur aufgrund der motivischen
Ähnlichkeit nahe. Mehrere Motivzitate lassen erkennen, daß
Rubens sich an den frühen Fassaden- und
Innenraumdekorationen orientiert hat. Polidoro gehörte zu den
gefragtesten Fassadenmalern des 16. Jahrhunderts 454 , dessen
Werke Rubens kannte und sie häufig kopierte.455 Polidoros
Darstellungen zu MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA enthalten
Motive, die Rubens in seiner Version übernimmt. So haben
beispielsweise die Haltung Mucius Scaevolas, Porsenna auf dem
Thron und die Rückenfigur des etruskischen Soldaten im Entwurf
Polidoros ihr Vorbild. Nachzeichnungen eines Frieses mit Szenen
zum Leben Mucius Scevolas zeigen deutliche Parallelen zu
Rubens Version. 456
Auch die Form und Dekoration des Altares, die einigen Forschern
rätselhaft erscheinen, wurden schon von Polidoro dargestellt. 457
Die Gestaltung entspricht antiken Opferaltären.458
453
Kat. Nr. 13.
Die Originalwerke Polidoro da Caravaggio sind nur noch in
Handzeichnungen und Stichen vorhanden. Zu seinem Werk vgl.
Marabottini, 1969 und Kat. Bergamo 1978
455
Vgl. Ravelli 1978, S. 476-479.
456
Vgl. Kat. Bergamo 1978, S. 311ff. cat. 516ff. nach einem Fries am
Palazzo Ricci. Zur Motivtradierung und Kopien nach Polidoro vgl.
Ronen, 1974.
457
In den Fresken am Palazzo Gaddi, vgl. Ravelli 1978, S. 349. Es gibt
aber mehrere Beispiele für ähnliche Altardarstellungen. McGrath
vermutet, daß ein Holzschnitt von Antonio da Cremona nach
Parmigianino das Vorbild für den Altarblock mit den Sphingen und
den Widderköpfen war. Zum Stich Antonio da Cremonas, vgl.
McGrath 1997, I, Abb. 159; II, S. 236.
458
Für die Darbringung von Tier-, Brand- und Rauchopfern wurde in der
Antike ein steinerner Block verwandt, der an den Ecken der
Altarplatte mit Voluten oder Tierschädeln verziert war, der Unterbau
konnte mit Girlanden oder figürlichen Reliefs geschmückt sein. Vgl.
454
169
Auch im Bildaufbau ähnelt MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA den
frühen Reliefimitationen der Fassaden und
Repräsentationsräume. Dichtgedrängte Figurengruppen auf
schmalem Bildgrund mit wenig weiteren räumlichen Angaben
übernahm Rubens in die von ihm bevorzugte großfigurige
Komposition. 459 Um die Tat und die Reaktionen der Anwesenden
deutlich sichtbar darzustellen, war diese Darstellung mit
bildfüllenden Figuren günstig.
Die Darstellung von Affekten war immer wieder ein Thema in der
Rubensforschung. Dieser Komplex wurde erst jüngst in einem
Band zu einem Symposium in Köln aufgegriffen. Ulrich Heinen
und Andreas Thielemann haben hier versucht, neueste
Forschungsansätze zu diesem Thema zu bündeln. 460
Interessante Aspekte zum Thema Affektdarstellungen fanden sich
aber auch in dem Aufsatz von Matthias Bleyl zum Schmerz in der
Bildenden Kunst.
Die Forschung hat in den letzten Jahren verstärkt das geistige
Umfeld und die Zusammenhänge zum Werk Rubens in den Blick
genommen. Der humanistische Kreis der Lipsius-Schüler und sein
Einfluß auf die Bildprogrammatik bei Rubens wurde zuerst von
Martin Warnke untersucht.461 Ausführlichere Studien unternahmen
Mark Morford in Stoics and Neostoics. Rubens and the circle of
Lipsius., 1993 und Frances Huemer in Rubens and the Roman
Circle, 1996. Beide Autoren zeichnen die intensiven Kontakte und
Koepf, 1968, Artikel 'Altar'.
Anders als etwa die Lösung in dem großen und figurenreichem
Fresko von Laureti 1586 in der Sala dei Capitani mit tiefem Bildgrund
und mehreren Nebenschauplätzen.
460
Vgl. Heinen (Hg.) 2001.
461
In seinem Buch Kommentare zu Rubens, Berlin 1965, widmet er
Rubens und der Neostoa ein ganzes Kapitel, vgl. besonders den
Abschnitt 3. Justus Lipsius und seine Schüler, S. 33-38.
459
170
die übereinstimmenden Interessen nach, die schließlich auch zu
gemeinsamen Projekten führten. 462
Imitation und Invention
Die italienischen Motivzitate fügte Rubens nicht eklektisch
zusammen, sondern modifizierte sie für seinen Entwurf. Je nach
Funktion und beabsichtigter Wirkung wählte Rubens
Motivelemente aus bekannten Darstellungen Mucius Scaevolas,
die er sinnstiftend und abhängig von seiner Bildidee in sein
Gemälde einfügte. Die Ikonographie Mucius Scaevolas lädt er so
mit neuer oder zusätzlicher Bedeutung auf.
Beispielsweise übernahm er die Figur des toten Schreibers
höchstwahrscheinlich aus dem Fresko Polidoros, setzte sie aber
anders als dieser in den Bildzusammenhang ein. Weist bei
Polidoro noch Mucius selbst per Fingerzeig auf seine begangene
Mordtat hin463, so wird er von Rubens auf subtilere Weise als
Mörder entlarvt. Durch geschicktes Ausrichten des Schwertes in
der Brust des toten Schreibers wird angedeutet, daß Mucius die
Waffe führte. Das Schwert ist so in das Bild gesetzt, daß der Griff
genau in Richtung der Hand im Feuer zeigt. In seinen früheren
Zeichnungen von Rubens streckt Mucius Scaevola noch die Hand
mit einem Dolch in das Feuer. In der Version für den spanischen
König zeigt Rubens Mucius ohne die Mordwaffe. Im Zentrum ist
die unbewaffnete Hand im Feuer und damit allein die tapfere Tat
dargestellt. Der Dolch in der Hand wurde ersetzt durch die
noblere Waffe des Schwertes, die noch in dem Leichnam steckt.
462
Vgl.Huemer, 1996, S. 43 und 55. Rubens lieferte auch die
Illustrationen zu den Werken der Lipsius-Schüler, beispielsweise für
das Electorum libri II, Antwerpen 1608 seines Bruders oder für
Lipsius Opera Omnia, Antwerpen 1637.
463
Siehe Kat. 13.
171
Auf diese Weise wurde Mord als Tat eines Edelmannes
ausgezeichnet und damit gewissermaßen nobilitiert. Der Mord
wird damit als edle Tat charakterisiert.
Die Rückenfigur wird so arrangiert, daß sie den Antagonismus der
Affekte betont. Sie ist kompositorisches Pendant zu Mucius und
gleichzeitig Träger heftiger, unkontrollierter Reaktion. Der
etruskische Soldat in dieser Haltung ist ein figuraler Bestandteil
vieler Mucius Scaevola - Darstellungen. Vorbilder für diese Figur
finden sich auch bei Polidoro.464 Neu an Rubens Darstellung ist
die Parallelisierung der Figur zu der des Helden bei gleichzeitiger
Kontrastierung ihres Verhaltens. Das überlegene Agieren des
Mucius Scaevola wird durch den direkten Vergleich mit dem
etruskischen Soldaten herausgestellt
Durch die Fokussierung auf bedeutungstragende Elemente und
bildimmanente Valenzen gelangt Rubens zu einer eigenen
komplexen Syntax. Er nutzt bekannte Motiveinheiten und versieht
sie mit eigenen Inventionen, um die Figuren und deren
Handlungen zu profilieren.
Die Affektdarstellung im Gemälde von Rubens
Rubens erzählt die literarische Quelle nach, indem er die
Schlüsselszene als dramatischen Moment inszeniert und die
Gemütszustände der Beteiligten nachzeichnet.
In einer bewegten Szene konfrontieren die nahsichtigen
lebensgroßen Figuren den Betrachter unmittelbar mit der
Situation. Dabei ist die Ausstattung und die Menge der Personen
auf ein Minimum beschränkt, zugunsten einer detaillierten
Darstellung der Tat und der Reaktionen darauf. Dazu werden die
physischen Verletzungen deutlich in das Licht gerückt. Den
464
Siehe Kat. 6.
172
Mittelpunkt bildet der in das Feuer gestreckte Arm mit der Faust
inmitten der sprühenden Flammen. In der Verlängerung des
Armes stellt Rubens die Wunde in der Brust des Schreibers mit
dem herausragenden Schwert in den Vordergrund. Rubens stellt
Mucius Scaevola und den Erstochenen mit gegensätzlichen
Empfindungsäußerungen dar. Trotz der Verbrennung seiner Hand
sind die Gesichtszüge Mucius Scaevolas ruhig und entspannt.
Der seiner Verletzung erlegene Schreiber zeigt hingegen noch
deutliche Spuren von quälendem Schmerz.
Die übrigen Anwesenden sind ebenfalls in ihren Gebärden und
Stimmungen genau typisiert. Muskelspiel, Mimik und Blicke
ergänzen den Ausdruck von Haltungen und Gestik und
charakterisieren die Beteiligten in ihrem individuellen Verhalten.
Im Zentrum steht das kontrollierte Agieren von Mucius Scaevola
im Gegensatz zu den im Affekt handelnden Etruskern. Er ist als
rational handelnder Held definiert. Seine Körperhaltung und
Physiognomie sind beherrscht. Die Muskulatur des rechten Armes
und die zur Faust geballte Hand zeigen eine gewisse
Anspannung, die auf seine Entschlossenheit hinweist, daß weder
die Hitze des Feuers noch der Hinderungsversuch des Soldaten
hinter Mucius ihn von seiner Tat abhalten können.
Rubens zeigt Mucius Scaevola als entschlossenen,
selbstbestimmten Akteur. Sein ruhiges Vorgehen bei der
grausamen Selbstverstümmelung löst bei seinem Gegenüber
Porsenna heftige Emotionen aus. Allein der Anblick des souverän
ertragenen Schmerzes, berührt ihn sichtlich. Seine Soldaten
werden ebenso von ihren Affekten übermannt, was sich in
ausdrucksstarken Gebärden und Reflexhandlungen offenbart.
Die Blicke der aufgebrachten Soldaten betonen den
Antagonismus zwischen dem tapferen Agieren des Mucius
Scaevola und der Reaktion Porsennas. Ein Teil wendet sich
Mucius zu, andere schauen ungläubig auf ihren impulsiv
173
zurückweichenden König. Alle Anwesenden sind von der Tat des
Mucius Scaevola offensichtlich so beeindruckt, daß sie ihre
spontanen Empfindungsäußerungen nicht kontrollieren können.
Die Verbildlichung von Empfindungen, Emotionen und
Reflexhandlungen ist eine für Rubens typische Inszenierung
eines Renaissancethemas. Dies erreicht er durch eine
ausgeprägte Physiognomik, Gestik und der Visualisierung
spontaner Reaktionen, die in dieser Ausdifferenziertheit zuvor
nicht dargestellt wurden. Rubens hatte sich während seines
Italienaufenthaltes bereits intensiv mit physiognomischen Studien
und der Darstellung von Affekten auseinandergesetzt.465
Christine Göttler hat darauf hingewiesen, daß die novità und
varietà des gestischen und mimischen Ausdrucks den neuen
Maßstäben der Kunstkritik im 16. Jahrhundert entsprach. 466
Rubens gelang die Verbindung von literarischer Überlieferung mit
empirisch beobachteter Wirklichkeit. Die Vermittlung der mentalen
Stärke des Helden wird nicht durch allegorische oder
emblematische Bildelemente erreicht, sondern mit sinnlichaffektiven Hinweisen in der Gestik und Mimik. 467
Matthias Bleyl hat in einer Untersuchung zu den
Darstellungsmöglichkeiten des Schmerzes in der bildenden Kunst
zwischen den den gestischen und mimischen Äußerungen der
primären und sekundären Protagonisten unterschieden. Soll in
Figurengruppen die Tugend der Hauptfigur betont werden,
geschieht dies häufig vor der Schmerzäußerung der Besiegten
465
Die Affektdarstellung bei Rubens wurde im Juni 1999 auf dem
Symposium "Rubens - battaglie, aufragi, giuochi, amori ed altre
passioni" in Köln diskutiert. Vgl. Heinen (Hg.), 2001
466
Vgl. Göttler in: Diletto e Maraviglia, 1998, S. 169-170.
467
Christine Göttler weist darauf hin, daß Rubens' Interesse für den
Ausdruck von Leidenschaften und Affekten durch bewegte
menschliche Körper mit der Aufwertung der actio und des gestischen
Spiels in der rhetorischen, ästhetischen und moralphilosophischen
Diskussion einherging, vgl. Göttler 1998, S. 173-177.
174
oder Geretteten. In dieser Weise fungieren auch die
unterschiedlich ausgeprägten Affekte bei Porsenna und Mucius,
so daß die differierenden mentalen Dispositionen betont werden.
In seinem MUCIUS SCAEVOLA verbildlicht Rubens die
Beherrschung der Affekte durch die ratio und stellt sie den
Empfindungsäußerungen Porsennas und seiner Soldaten
gegenüber.
M UCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA als Spiegel
neostoischer Werte
Rubens charakterisierte Mucius Scaevola mit jenen Qualitäten,
die der Tugend der Constantia zugeschrieben wurden. Die
Selbstbeherrschung, Leidensfähigkeit sowie das aktive
selbstbestimmte Handeln wurden mit der Tat Mucius Scaevolas
verbunden, die in den Niederlanden schon Mitte des 16.
Jahrhunderts als Sinnbild der Constantia galt. 468
Mit dem Aufkommen von neostoischen Tendenzen bekam die
Tugend der Constantia eine aktuelle Bedeutung entsprechend der
Ethik des Lipsius.
Constantia war ein zentraler Begriff in der Philosophie der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts geworden.469 Justus Lipsius hatte
damit verbundene Werte der Beständigkeit oder Standhaftigkeit in
die politisch-ethische Diskussion Europas eingebracht. 470 Als
468
Tervarent will bereits auf einer florentinischen Medaille aus dem 15.
Jahrhundert eine constantia erkennen, die ihre Hand in ein Feuer
hält, vgl. Tervarent, 1958, Stw. colonne, II. Dabei handelt es sich
jedoch um eine Fehlinterpretation. Die Constantia auf dieser Medaille
ist auf einen Bündel Pfeile gestützt und hält einen Pfeil hoch erhoben
in der rechten Hand, vgl. Hill. A corpus of italian medals of the
renaissance before Cellini. London, British Mus. 1930, 2 vols, no
1005, pl. 165.
469
Zum Stoizismus in der Frühen Neuzeit vgl. Abel 1978.
470
Vgl. Oestreich 1989, S. 202-203.
175
Philologe interpretierte er die antiken Philosophen in Bezug auf
die aktuelle politische Situation neu und schuf eine neuzeitliche,
später als neostoisch bezeichnete Philosophie.
In seinem 1584 veröffentlichten Buch De constantia resümierte er
die Prinzipien seiner überkonfessionellen, politischen
Lebenslehre.471 Die Schrift war vor dem Hintergrund der
politischen und religiösen Wirren in den Niederlanden entstanden
und richtete sich an den Staatsbürger, dem Leitlinien für privates
und öffentliches Verhalten in solchen Krisenzeiten vorgegeben
wurden. Gerade in unruhigen Zeiten spricht sich Lipsius für einen
starken Willen, moralische Festigkeit und geistige Stabilität aus.
Aktive Widerstandskraft und souveränes Handeln in bedrohlichen
Situationen bildeten ein Kernthema in der populären Philosophie.
Lipsius verurteilte die bloß theoretisierende Schulphilosophie und
strebte eine lebensnahe Lehre an. Constantia wird bei Lipsius als
Strategie zur praktischen Bewältigung der aktuellen Probleme der
Zeit wie religiöse Unruhen und Kriege definiert.
De constantia war weitreichender Erfolg beschert. Das Buch
wurde in mehrere Sprachen übersetzt und zählte zu den
auflagenstärksten Werken der Zeit. Die Inhalte der Schrift
nahmen bald eine führende Stellung in der weltanschaulichen
Diskussion Europas ein.472
Rubens selbst war eng mit der niederländischen Philologenschule
um Lipsius verbunden. 1606, zur Zeit seines zweiten
Romaufenthaltes, pflegte Rubens intensiven Kontakt zur
neostoischen Bewegung um Lipsius und seinen Schülern. 473 Zu
ihnen zählten Gelehrte unterschiedlicher Disziplinen. Neben
seinem Bruder Philipp Rubens gehörten der Arzt und
Universalgelehrte Johann Faber, Galileo sowie Kaspar Schoppe
und Johann Scaliger dem römischen Gelehrtenkreis an, die nicht
471
Vgl. Oestreich 1956, S. 35-37.
Vgl. Asmuth, 1998, S. 138/39.
473
Zu den Verbindungen von Rubens zum Kreis um Lipsius, vgl.
Morford 1991.
472
176
nur untereinander in regem Austausch standen, sondern auch
Verbindungen zu führenden Persönlichkeiten aus Kultur und
Politik unterhielten.
In diesem Kreis verband sich die Auseinandersetzung mit der
Politik mit der Vorliebe für die römische Vergangenheit. Aus den
Ereignissen und Theorien der römischen Antike wurden konkrete
Leitbilder für aktuelle politische Fragen entwickelt.
Unter dem Einfluß des intellektuellen Austausches mit den
Mitgliedern der Lipsius-Schule und seiner ikonographischen
Studien in Rom, begann Rubens nach seiner Rückkehr die Taten
römischer Helden darzustellen.
Auch Lipsius griff auf die römische Geschichte und die Exempel
zurück. In den antiken Quellen der römischen
Geschichtsschreiber fand er Vorbilder für den modernen
Staatsbürger. 474
Aber nicht nur Rubens, sondern auch das spanische Königshaus
reflektierten den neostoischen Diskurs.475 Mit M UCIUS SCAEVOLA
VOR PORSENNA als dem Sinnbild der Constantia waren seit Lipsius
neue, gegenwartsbezogene Tugendqualitäten verbunden. Die
ikonologische Bedeutung des Sujets aus der Sicht von Künstler
und Auftraggeber vor dem Hintergrund der populären Philosophie
soll im folgenden skizziert werden.
Das Ideal des spanischen Soldaten
Bezeichnend ist, daß Rubens vor allem jene Helden wählte, die
sich in den Dienst des Staates stellten und sich dafür aufopferten.
474
Vgl. Abel 1978, S. 111-112 sowie Strohm, 1996, S. 169, auch zum
Einfluß von Neostoizismus auf moderne Staats- und Militärtheorien,
S. 172-183.
475
Vgl. Strading in: Dictionary of Art, Artikel 'Habsburg, §II: (7) Philip IV'.
177
Damit sind speziell die militärischen Qualitäten eines der
Gemeinschaft treu dienenden Staatsbürgers angesprochen.
In seiner Darstellung des Mucius Scaevola akzentuierte Rubens
besonders die Affektkontrolle und betonte die Willenskraft und
Selbstbeherrschung. Die Tat Mucius Scaevolas steht für die
Bereitschaft, freiwillig Leib und Leben für seinen Staat
einzusetzen. Solche Stärken zeichneten den disziplinierten und
für den Staat engagierten Bürger aus, der von Lipsius als
wesentliche Stütze des neuzeitlichen Machtstaates beschrieben
wurde.476 In seinem Werk De militia romana (1595/96) ist die
disciplina militaris sein Hauptanliegen. Nach Lipsius war die
militärische Disziplin eine charakterliche Qualität, die derzeit nicht
gegeben war und die es galt, von den idealisierten römischen
Vorbildern neu zu erlernen. 477
Mucius Scaevola war ein Beispiel für die militärische Tugend der
Römer, die der von Lipsius geprägten Idealvorstellung des
neuzeitlichen Soldaten entsprach.
Schon bevor Rubens MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA für Philip
IV. malte, galt der römische Held in Spanien als militärisches
Exempel. Die Tat Mucius Scaevolas wurde direkt auf die
Tapferkeit der spanischen Soldaten übertragen.
Bereits 1599 pries Hernando de Soto in seinem Emblembuch
Emblemas. Moralizádas die Qualitäten der spanischen Soldaten
mit der Tat Mucius Scaevolas. Unter dem lateinischen Motto
'Producit Hispania Scaeuolas' berichtet ein spanisches Epigramm
vom spanischen Soldaten Zamora, der seinen Arm vor den Augen
seines Generals in die Flammen einer Fackel hielt und so Italien
lehrte, daß Spanien Scaevolas gebiert.478 Das Epigramm wird von
einer Graphik illustriert, die einen spanischen Soldaten zeigt, der
476
Vgl. Oestreich, 1989, S. 40.
Vgl. Abel 1978, S. 110.
478
Siehe Anhang VII.
477
178
seine Hand in Anwesenheit eines Generals und zwei weiteren
Soldaten in die Flammen einer Fackel hält. 479
Auch Rubens formulierte mit seinem Bild für den spanischen
König ein Ideal des modernen spanischen Soldaten.
Der charakterlich gefestigte und dem Königshaus treu dienende
Soldat hatte in der außenpolitischen Situation Spaniens eine
besondere Bedeutung bekommen.
Philip IV. gehörte nach wie vor zu den wichtigsten Machthabern in
Europa, der über weit auseinanderliegende und von
verschiedenen Seiten bedrohte Territorien herrschte. Darunter so
bedeutende Gebiete wie Flandern, die Freigrafschaft Burgund
und ein großer Teil Italiens mit dem Herzogtum Mailand und dem
Königreich Sizilien-Neapel. Zur Verteidigung dieser entfernten
Territorien war eine starke Armee unabdingbar und zählte zu den
wichtigsten Machtinstrumenten der Monarchie. Das spanische
Heer wurde aus einer stehenden Armee gebildet, die durch
angeworbene Söldnertruppen ergänzt wurde. Außergewöhnliches
Ansehen genossen die spanischen Regimenter der tercios, deren
Offiziere vom König ernannt wurden die sich ursprünglich aus
dem Adel rekrutierten. Sie zeichneten sich durch eine moderne
militärische Ausbildung und ein patriotisches Selbstverständnis
aus. 480
Obwohl ein Großteil der Staatsfinanzen zum Unterhalt der
spanischen Heere verwandt wurde, zwang die wirtschaftliche
Krise die spanische Monarchie zum Abbau der Truppenstärken.
Trotz der zahlenmäßigen Reduktion hatte die Regierung
zunehmend Schwierigkeiten ihre Armeen zu unterhalten, vor
allem jene an weit entfernten Kriegsschauplätzen. Ausbleibende
Soldzahlungen zogen Armut und Hunger nach sich und
479
480
Siehe Fig. 3.
Die besonderen Anforderungen der Heeresführung an diese Armee
sind festgehalten in dem Diensthandbuch von Londoño, Discurso
sobre la forma de reduzir la disciplina militàrà à mejor y antiguo
estado, Brüssel 1587, vgl. Jähns, 1966, S. 722-726.
179
demoralisierten die Truppen. Die einst so gerühmte militärische
Disziplin der Spanier war unter diesen Umständen kaum mehr
durchzusetzen. Viele wurden zu Fahnenflüchtigen und
Marodeuren. Der Ruf der tercios als besonders vorbildliche
Soldaten, begann sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu
wandeln. 481 Es gab immer weniger Freiwillige, die im spanischen
Heer dienen wollten, vor allem der Adel tendierte dazu, sich dem
Militärdienst zu entziehen482. Die Rekrutierungshauptleute mußten
zunehmend auf Bettler, Straftäter und Söldner zurückgreifen,
deren moralische Disposition kaum dem soldatischen Ideal der
Zeit entsprach.483 Angesichts des desolaten Zustandes der Armee
wurden die militärischen und moralischen Qualitäten des
einzelnen Soldaten zu einem dringenden Anliegen. Besonders
unter Philip IV, zur Zeit der Auseinandersetzungen mit den
Franzosen, Engländern und den Aufständen der Vereinigten
Provinzen war der Niedergang der Heeresdisziplin fatal. Der
Bedarf eines zahlenmäßig starken und mental gefestigten Heeres
stand einem eklatanten Mangel an engagierten und integeren
Soldaten gegenüber.
Vor dem Hintergrund der außenpolitischen Situation Spaniens
und den kritischen Zuständen in der Armee stützte Mucius
Scaevola das Ideal des spanischen Soldaten.
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA stellte gewissermaßen einen
Gegenentwurf zur tatsächlichen Disposition der spanischen
Soldaten dar. Das Gemälde zeigte die noble Tat des edlen
Helden, die im Zentrum des königlichen Palastes besonders den
Hofadel ansprach, der sich dem Militärdienst zunehmend
verweigerte.
481
Vgl. Defourneaux, 1986, S. 223, 241.
Vgl. Defouneaux, 1986, S. 223f. Mitte des 16. Jahrhunderts die
tercios noch großenteils vom spanischen Kleinadel gestellt, vgl.
Jähns, 1966, S. 724.
483
Näheres zum Unterhalt der spanischen Armee bei Parker, 1988,
besonders im Kapitel 2, Supplying war, S. 45.
482
180
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA verkörpert damit nicht nur
soldatische Tugenden im Sinne einer neuzeitlich philosophischen
Grundhaltung, sondern ist auch als Aufforderung an die
spanischen Höflinge zu verstehen, dem Staat treu zu dienen und
den freiwilligen Militärdienst zu leisten.
Funktion des Motivs am spanischen Hof
Mit seiner Ausführung und Interpretation des Themas MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA wird Rubens verschiedenen
Ansprüchen des spanischen Königshauses in der ersten Hälfte
des 17. Jahrhunderts gerecht.
Der Entwurf als Historienbild und die Ausführung durch die
Rubenswerkstatt, entsprach der höfischen Ambition, den Glanz
des Könighauses durch Luxus und Kunst zu demonstrieren. Eine
prachtvolle Hofausstattung mit Kunstwerken war ein wesentliches
Element der reputación und damit eine politische Notwendigkeit.
Besonders im Thronsaal konzentrierten sich die Objekte, von
denen man annahm, daß sie den splendor des Königshauses
gegenüber Besuchern repräsentierten. Hier hingen nur die besten
Stücke der Gemäldesammlung von den gefragtesten Malern der
Zeit. Zu einer luxuriösen Hofausstattung zählten in besonderem
Maße die Werke von Rubens.484
Die Themenwahl und die intelligente Umsetzung zeichnen das
Gemälde als gelehrtes Historienbild aus. Zum umfassenden
Wissen um die schönen Künste gehörte auch die Kenntnis
seltenerer Ikonographien. MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
gehörte keinesfalls zu den lange tradierten, weit verbreiteten und
allgemein bekannten Bildthemen in Spanien. Dieses Sujet zu
identifizieren und die konnotierten Inhalte zu erkennen, bedurfte
484
In den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts war es bereits Ausdruck
eines besonderen Status, ein Gemälde von Rubens zu besitzen, vgl.
Wedgewood, 1975, S. 31.
181
es spezieller humanistischer Bildung. Solche Gemälde waren
geeignet, Fürstentugenden, wie den genius und die Kenntnis der
bonae artes zu rühmen. Mit der Hängung dieses Sujets im salón
de los espejos, dem Mittelpunkt des höfischen Lebens, wurde ein
umfassendes Bildungswissen und Kunstkennerschaft reklamiert.
Für die Wahl des Sujets MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
sprachen gleich mehrere Gründe.
Das Motiv MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA steht im Kontext der
neostoischen Philosophie, die in Spanien eine breite
Anhängerschaft hatte. Mit der antiken Geschichte Mucius
Scaevolas stellte Rubens ein Ideal moderner Weltanschauung
dar. Als Sinnbild der Constantia verkörperte Mucius Scaevola die
ethischen Werte der Neostoa, die Philip IV. von Olivares vermittelt
wurden und Grundlage der Fürstenerziehung und
Regierungspolitik am spanischen Hof waren.485
Römische Tugendexempel wie Mucius Scaevola als Vorbild für
den neuzeitlichen Staatsdiener einzusetzen, entsprach sowohl
der philosophischen Vorlage als auch der ikonologischen
Tradition des Motivs in Italien. Diese Motivtradition dürfte dem
Conde-Duque de Olivares bekannt gewesen sein, der als Sohn
eines Diplomaten in Sizilien und Neapel aufwuchs.486
Rubens selbst hatte zu dieser Zeit eine Vorliebe für die
Darstellung von römischen Helden. Er kannte Mucius Scaevola
als Beispiel römischer Disziplin und soldatischer Tugend. Durch
seine diplomatischen Tätigkeiten war Rubens über die Situation in
Spanien informiert.
Er wußte daher, daß dieses Exempel zu der am Hofe reziperten
Philosophie des Lipsius passte und ebenso den aktuellen
Forderungen der spanischen Regierung an die Armee entsprach.
485
In den ersten Jahren der Regentschaft des jungen Königs wurden
die Regierungsgeschäfte von Olivares und Zúñiga geführt. Über
deren Rezeption des Lipsius vgl. Elliott, 1986.
486
Vgl. Elliott in: The Dictionary of Art, Artikel 'Olivares', S. 404-405.
182
Rezeption des Gemäldes
Die Inhalte der königlichen Sammlung waren weithin bekannt.
Besonders die Gemälde im Thronsaal waren Teil eines
modernen, repräsentativen Sammlungskonzeptes, das durch die
diplomatischen Aktivitäten der spanischen Habsburger verbreitet
wurde.
Die häufige Reproduktion des MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
läßt auf die Popularität des Gemäldes schließen, das
offensichtlich großen Anklang fand. Aus heutiger Sicht wurde
keine andere Darstellung der Heldentat Mucius Scaevolas so
häufig kopiert.
Rubens Darstellung der Szene schien den Geschmack und
Kunstsinn der Zeit zu treffen. Neben der mehrfachen Bearbeitung
durch Rubens und seine Werkstatt existieren eine Reihe Kopien
und Varianten seines Entwurfs von anderen Künstlern. Elizabeth
McGrath ordnet dem Original elf Kopien zu, die außerhalb der
Rubenswerkstatt entstanden. 487 Darunter sind sieben Gemälde,
beziehungsweise Ölskizzen488, zwei Zeichnungen und zwei
Stiche 489. Zwei weitere Gemälde von Willem van Haecht und
Gonzales Coques zeigen Rubens' MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA als Bildzitat im Hintergrund.490
Zitate des Bildes im Porträt oder Kabinettbild sprechen für den
hohen Bekanntheitsgrad von Rubens' Entwurf . Nur ein in seiner
Bedeutung bekanntes und identifizierbares Bild kann für den
487
Die Zeichnungen von Willem Panneels, die Details kopieren, sind
hier nicht berücksichtigt, vgl. McGrath 1997, II, cat. 46, Kopien 1014.
488
Vgl. McGrath 1997, II, cat. 46: Kopien 2,3,6,7 und cat. 46b, die
angegebene Kopie sowie ein Gemälde im Budapester Museum, das
McGrath im anschließenden Kommentar erwähnt.
489
Vgl. McGrath 1997, II, cat. 46: Kopien 8 und 9 sowie cat. 46: Kopien
15 und 16.
490
Siehe Fig. 4 und 5, vgl. McGrath 1997, II, cat. 46, Kopien 4 und 5,
Abb. 169 und 166.
183
besonderen Wert einer Sammlung 491 oder für das spezielle
Selbstverständnis einer porträtierten Gruppe sprechen.492 Die
heute erhaltenen Darstellungen nach Rubens sind alle
hochformatig. Es hat jedoch auch mindestens eine querformatige
Variante nach Rubens gegeben, die Vorbild für das von Coques
dargestellte Gemälde gewesen sein könnte. Im Utrechter
Kunsthandel wurde im August 1811 eine querformatige Version
erwähnt. 493
Neben den bereits von Elizabeth McGrath aufgeführten Kopien
ließen sich noch weitere Werke nach Rubens' MUCIUS SCAEVOLA
VOR PORSENNA recherchieren. In der öffentlichen Kunstsammlung
Basel befindet sich ein kleineres Gemälde von Johann Rudolf
Huber494, das 1776, wahrscheinlich im Umkreis des Prinzen
Wenzel Anton Kaunitz, entstand. Dabei handelt es sich wohl, wie
der zur gleichen Zeit entstandene Stich von Jacques Schmutzer,
um eine Kopie der heute in Budapest befindlichen Studioreplik,
die der Prinz in diesem Jahr erwarb.495 Eine anonyme Zeichnung
im Louvre ist ebenfalls bislang von der Forschung
unberücksichtigt geblieben. Sie soll ebenfalls eine Kopie des
Gemäldes in Budapest sein. 496
Darüber hinaus blieben einige Inventare und Dokumente aus dem
Kunsthandel in bezug auf den Einfluß von Rubens' Mucius
Scaevola bisher unbeachtet. 497
491
Schütz in Ausst.kat Köln 1992, S. 161-170.
Zur Interpretation der Festgesellschaft vgl. Katlijne Van der Stighelen
in: Mai 1994, S. 117-118.
493
Öl/Leinwand, 115 x 136 cm, Verkauf F.J.O. Boymans bei Ommeren,
Utrecht, vgl. Getty Provenance Index, Sale Contents Database, BBF
Nr. N-218.
494
Vgl. Ember, 1977, S. 38, Abb. 7.
495
Vgl. Rooses, 1977, Bd. 4, Nr. 808, S. 22-23, Abb. 256 und McGrath,
1997, cat. 46, Kopie 1 und 15.
496
Paris, Musée du Louvre, Inv. 20343, Base Joconde.
497
Sie lassen sich allerdings zumeist nur schwierig den Provenienzen
vorhandener oder verschollener Werke zuordnen. Vgl. Getty
Provenance Index, PI Inventory No. I-254, Sale Contents Database,
BBF Nr. B-417, B-4.
492
184
Aus diesen Quellen lassen sich die Sammlungen ermitteln, in
denen Gemälde dieses Sujets vorhanden waren. Wenn es sich
dabei auch nicht um Kopien des Orignals von Rubens gehandelt
hat, so sprechen die Quellen doch für ein gewisses Interesse an
diesem Bildthema, nachdem das Gemälde im Thronsaal des
Alcázar ausgestellt war.
Es gibt mehrere Hinweise auf Gemälde in Sammlungen, deren
Besitzer dem Adel im Umkreis des spanischen Hofes
zuzurechnen sind und die zum Teil engen Kontakt zu Philip IV.
pflegten.
Im Inventar von Gaspar de Haro y Guzmán, dem Großneffe von
Olivares, ist beispielsweise ein Gemälde mit diesem Motiv
verzeichnet. 498
Juan Gaspar Enríquez de Cabrera war in den 1630er Jahren
mayordomo mayor des Königs und besaß einen Mucius Scaevola
von Tintoretto.499 Jerónimo de Villanueva war neben Olivares der
engste Vertraute von Philip IV. und sehr interessiert an den
Gemälden der Palastdekoration.500 Er kaufte 1641 einen Mucius
Scaevola aus dem Nachlaß des Prinzen Phillipe Charles
d`Arenberg.501
In den Sammlungen des Adels befanden sich zahlreiche Kopien
bekannter Werke großer Künstler. Bei jenen Sammlern aus der
unmittelbaren Umgebung des spanischen Königs, ist es nicht
ganz abwegig zu vermuten, daß sie Kopien nach dem Gemälde
von Rubens für ihre Sammlungen in Auftrag gaben. Zumindest ist
es aber nicht unwahrscheinlich, daß ihre Gemälde unter dem
Einfluß von Rubens' Original angekauft wurden.
498
Vgl. Burke/Cheery 1997, Kat. 114, Getty Provenance Index,
Inventory Contents Database, PI-Inventory No. E-858.
499
Vgl. Burke/Cheery 1997, Kat. 117, Getty Provenance Index,
Inventory Contents Database, PI-Inventory No. I-846.
500
Vgl. Burke/Cheery, 1997, Kat. 59, S. 521-526, Getty Provenance
Index, Inventory Contents Database, PI-Inventory No. E-821.
501
Vgl. Burke/Cheery 1997, Kat. 30/31, S. 343-358, Getty Provenance
Index, Inventory Contents Database, PI-Inventory No. E-863.
185
Neben Kopien des gesamten Entwurfes, gab es auch
Übernahmen einzelner Motive in nachfolgenden Werken. Pieter
van Lint malte als einer der wenigen niederländischen Künstler
nach Rubens die Heldentat Mucius Scaevolas. Vom Bildaufbau
weniger nahsichtig mit mehr Staffage und Nebenszenen,
stammen einzelne Motivelemente unverkennbar aus Rubens'
Entwurf. Gerade die akzentuierten Affektäußerungen durch
differenzierte Physiognomik und Gebärden gehen auf ihn
zurück.502
Auch wenn Rubens' Interpretation des Sujets in ganz Europa
rezipiert wurde und Einfluß nahm, blieb doch die künstlerischen
Verarbeitung seines Entwurfs stark auf den Norden konzentriert.
Von spanischen Künstlern sind keine Darstellungen des Themas
bekannt.
502
Siehe Kat. 86.
186
DAS MOTIV IN VENEZIANISCHEN
PALÄSTEN 1680-1740
Darstellungen seit dem Cinquecento
Der mit Abstand größte Teil aller noch erhaltenen Gemälde, die
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA zeigen, kommt aus Venedig und
dem Umland.
Für kein anderes Zentrum Europas sind bis in das 18.
Jahrhundert derart viele Gemälde dieses Themas nachzuweisen.
Wie zu Beginn besprochen, war das Motiv in den Innenräumen
des späten Quattrocento noch nicht als Bestandteil von
großformatigen Dekorationsprogrammen konzipiert, sondern
schmückte einzelne Einrichtungsgegenstände wie Cassoni. Ein
halbes Jahrhundert später begann sich das Thema MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA in der Fassadenmalerei durchzusetzen.
Die ersten monumentalen Raumausstattungen mit Freskenzyklen
entstanden dann in der zweiten Hälfte des Cinquecento
außerhalb der Stadt Venedig in den Villen auf der Terraferma.
Hier hatten die umfangreicheren, wandfesten
Dekorationsprogramme mit Themen der antiken Geschichte ihren
Ursprung.503
503
Vgl. Gottdang 1999, S. 37.
187
Vorgeschichte: Antike Historien in den Villen der
Terraferma
Mit Salviati hatte sich auch eine neue Art der Gestaltung von
Wänden in Innenräumen entwickelt. Man fand Gefallen daran, die
Innenräume der venezianischen Villen durch die Bemalung mit
Scheinarchitektur so zu gestalten, daß illusionische Ausblicke in
die Landschaft entstanden. 504 Darin waren Episoden aus der
antiken Geschichte, der Mythologie und auch dem
zeitgenössischen Leben dargestellt worden. 505 Bestimmte Helden
wurden immer wieder dargestellt und bildeten bald einen engeren
Themenkanon. Unter den antiken Helden waren neben MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA vor allem ALEXANDER, SCIPIO , C ORIOLAN
und auch Heldinnen wie LUKRETIA , VIRGINIA und KLEOPATRA
vertreten.
Die Ausmalungen waren in den neuen Villen von Venezianern
entstanden, die ihren Wohnsitz auf das Festland verlegt hatten.
Im Laufe des 16. Jahrhunderts begann ein Trend von
Niederlassungen des Patriziats auf der Terra Ferma, der sich bis
in das 18. Jahrhundert fortsetzte.
Die Republik Venedig als Seemacht war zu dieser Zeit in Frage
gestellt. Die anhaltende Bedrohung durch die Türken und ihre
Einnahme venezianischer Territorien im östlichen Mittelmeerraum
erschwerten den einst blühenden Seehandel ebenso, wie die
wachsende Konkurrenz aus dem Norden. Das Mittelmeer und die
Adria wurden von holländischen und englischen Händlern
erschlossen und gleichzeitig immer unsicherer wegen der
zunehmenden Piraterie.506 Erfolgreiche Kaufleute und Adelige, die
504
Zur illusionistischen Wandmalerei seit der Renaissance vgl
Bergström 1957.
505
Vgl. Pallucchini 1968, S. 203.
506
Vgl. Burke 1993, S. 162.
188
direkt oder indirekt vom Seehandel lebten, begannen sich
umzuorientieren. Nach und nach kauften sie Ländereien im
Hinterland, wo sie als Gutsbesitzer die Landwirtschaft pflegten
oder als Rentiers lebten.507 Das Leben auf dem Lande wurde
nobilitiert und bekam für die Venezianer eine besondere
Bedeutung, die in zeitgenössischen Schriften thematisiert wurde.
1550 war in Brescia das Traktat Le vinti giornate dell' agricoltura
et de piaceri della villa von Agostino Gallo erschienen.508 Gallo
preist das Leben auf dem Lande als absolutes Ideal und stellt es
dem Stadtleben gegenüber, vor dem er als Gefahr für die Moral
und die Gesundheit des Menschen warnt. Diese Auffassung
unterscheidet sich von Alberti, der sich noch beide Lebensformen
als ideale Ergänzung dachte. Die Villa wird als Ort des Friedens
und der Tugend beschrieben, im Gegensatz zur städtischen
Kultur und ihren negativen Einflüssen auf den Menschen.
Diese Meinung wurde von norditalienischen Traktaten des
Cinquecento, die ab etwa 1550 erschienen, verbreitet.
Francesco Antonio Doni unterschied in seinem Traktakt Attavanta
kurz nach 1550 fünf Arten von Landleben und die entsprechende
Architektur. Die casa agricola oder die casa di risparmio dienten
dem Betreiben von Landwirtschaft bzw. der Deckung des privaten
Bedarfs an Lebensmitteln. Die Villen waren hingegen eher dem
contemplativen kulturellen Leben auf dem Lande gewidmet.
Wohlhabende Venezianer leisteten sich eine Villa für
gesellschaftliche Veranstaltungen auf dem Lande. Hier fanden
Feste und große Essen statt. Zugleich waren die Villen aber auch
Orte der Gelehrsamkeit, des Studiums von Kunst und Literatur.
Die Städter übernahmen damit den Lebensstil und die Werte vom
Adel des norditalienischen Festlandes. 509
507
Vgl. dazu Klotz 1995, S. 171 und auch Burke 1993, Kap. 9: Vom
Unternehmer zum Rentier.
508
Zu den Traktaten über den Villenbau und -ausstattung vgl. Rupprecht
1968.
509
Zur Ikonologie der Villen vgl. Rupprecht 1968.
189
Diese neuen Ansprüche an das Landgut spiegelten sich in der
Architektur und Innenausstattung, die sich deutlich von den
rustikalen Bauernhöfen unterschied. Dabei wurde der
landwirtschaftlichen Funktion der Bauten, zumindest zur Deckung
des Eigenbedarfs, durchaus noch Rechnung getragen510, indem
etwa Räume für die Einlagerung von Vorräten oder für die
Weinkelter vorgesehen waren. Die äußere Erscheinung der Villa
war jedoch der Repräsentation verpflichtet. Die Landgüter
wandelten sich zu herrschaftlichen Adelssitzen. In die Bauten
waren edelste Architekturmotive integriert, wie die Tempelfront,
ausladende Säulengänge oder breite, repräsentative
Treppenaufgänge.
So wurde nicht nur darauf Wert gelegt, daß die Ausstattung
möglichst prächtig war, sondern auch darauf, daß adäquate
Inhalte vermittelt wurden.
Die Tendenz, die Villa als paradiesischen Ort zu sehen, schlug
sich auch in der Ikonographie der Ausstattung nieder. Innen gab
es luxuriös gestaltete Säle mit aufwendigen, prachtvollen
Dekorationen. Hier trafen Luxus und moralische Ideale
zusammen. Neben mythologischen Themen und Allegorien,
werden auch die antiken Historien dazu verwandt, moralische
Vorbilder darzustellen. Vor allem Fasolo und Zelotti statteten in
der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Villen des Veneto mit
Darstellungen der antiken Geschichte aus.511 Sie brachen die
Wände in illusionistische Räume auf und bevölkerten sie mit
zeitgenössischen Figuren.
Monumentale Reihen von Historien illustrierten die Tugenden, die
mit dem moralischen Konzept des Aufenthaltes in der Villa
verbunden waren. Die herangezogenen Historien waren nicht auf
510
511
Vgl. Klotz 1995, S. 174-175.
Vgl. Barbieri 1961, Pallucchini 1968.
190
eine Quelle oder eine Epoche beschränkt. Es ging offenbar
weniger um den urprünglichen Kontext, vielmehr hatten die
Historien exemplarischen Charakter.
Die Szenen antiker Helden waren bereits im Cinquecento in
raumfüllende Bildprogramme integriert worden, die Vorbild für die
späteren Ausmalungen in den Stadthäusern wurden. 512
Römische Historie in venezianischen Freskenzyklen
des 17. Jahrhunderts
Im 17. Jahrhundert entstanden zunächst vergleichsweise wenig
Darstellungen zu Themen der antiken Geschichte. Altarbilder
machten den größten Anteil an der Kunstproduktion aus, daneben
gab es einen Markt für sakrale und mythologische Gemälde. Die
ehrgeizigen Großaufträge blieben dagegen aus. Der Grund dafür
war die wirtschaftliche Krise Venedigs zwischen 1602 und 1669.
Die kostspieligen Kriege mit den Türken und die Pest hatten
Investitionen in Um- und Neubauten gestoppt. Für monumentale
Dekorationen mußte erst wieder Raum geschaffen werden. 513
Das geschah in den achziger Jahren des 17. Jahrhunderts. Die
ersten Aufträge nach der Wirtschaftskrise wurden wieder für
Ausmalungen von Villen auf dem Festland vergeben. Ab etwa
1680 wurden die Sujets aus der römischen Geschichte in
monumentalen Freskenzyklen zunächst auf der Terraferma
wieder aufgegriffen, wo sie bereits im Cinquecento zum festen
Bestandteil der Innendekoration gehörten. Die venezianischen
Maler knüpften an diese Tradition an und schmückten die Räume
und Fassaden der Stadthäuser mit den Legenden aus der
römischen Antike.
512
513
Vgl. Gottdang 1999, S. 37-43.
Vgl. Gottdang 1999, S. 25-26.
191
Parallel zu den wandfesten Malereien entstanden in den ersten
Jahren des 18. Jahrhunderts auch kleinere Tafelbildzyklen mit
den Themen der antiken Historien. Sie waren eine
kostengünstigere Alternative im Vergleich zu den raumfüllenden
Fresken. Frühe Leinwandbilder von MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA stammen beispielsweise von Girolamo Pellegrini 514, der
auch an den ersten Ausmalungen der Villen seit 1680 beteiligt
war. 515 Er war unter anderem von Sebastiano Ricci beeinflußt, der
ebenfalls Ölgemälde zu MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA schuf.516
Der Salone des Palazzo Antonini-Belgrado in Udine
Die neue Welle von Aufträgen für Ausstattungsprogramme blieb
nicht nur auf die Villen der Terraferma beschränkt, sondern
wurden jetzt auch für die Stadtpaläste nachgefragt.
1697 wurde Giulio Quaglio vom Conte Antonio Antonini mit der
Ausmalung des salone in seinem Palast in Udine beauftragt. Ein
Fries am oberen Rand der Wände unter der Decke zeigte fünf
Historien an gegenüberliegenden Längswänden. CYNEGIRUS IN
DER SCHLACHT VON SALAMINA , ESTHER UND AHASVER sowie MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA standen TOMYRIS MIT DEM HAUPT DES
CYRUS und SEMIRAMIS gegenüber. Ähnlich wie im Cinquecento
sind sie Historien von Scheinarchitektur gerahmt und gleichen
Bühnenszenen. 517
514
Siehe Kat. 116 und 117, vgl. Knox 1995, Kat. Nr. P.327 und P.415
sowie Kat. Museo Correr 1960, E. 284-286.
515
In der Villa Poli in San Pietro di Cadore und der Villa Alessandri in
Mira, vgl. Gottdang 1999, S. 39-43.
516
Siehe Kat. 93. Ricci malte für Carlo Panizza in Parma fünf
griechische und fünf römische Ereignisse, darunter auch MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA, vgl. Ausst.kat. Udine 1989, S. 50-52
sowie Ghidiglia Quintavalle 1975.
517
Siehe Kat. 119.
192
Porsenna steht in stolzer Pose vor einer Draperie. Mucius
Scaevola hingegen neigt sich gegenüber Porsenna in nahezu
devoter Haltung über den Opferaltar. Während sein rechter Arm
von den Flammen umzüngelt wird, wendet er sich Porsenna zu
und schaut zu ihm auf. Den anderen Arm hält er in einer
beschwichtigenden, verteidigenden Geste. Hinter Mucius und
dem brennenden Feuer stehen noch zwei weitere Personen, die
der Szene beiwohnen. Das Kind, was hinter Porsenna gebannt
auf die verbrennende Hand des Mucius schaut, ist ein Hinweis auf
die belehrende Absicht des Bildes als exemplum .518
Die Ausmalung für den Conte Antonio Antonini ist der einzige
Auftrag dieser Art, zu dem noch schriftliche Dokumente
existieren. 519 In den vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem
Grafen und dem Maler, wurden die Historien für den Fries nicht
konkret benannt. Wie schon zuvor bei der Darstellung der Monate
an der Decke des salone, überließ Antonini zum Teil dem Maler
die Wahl der Motive. Aus einem Schriftstück für die folgende
Ausmalung der übrigen Wandflächen, wird deutlich, daß es dem
Grafen wichtig war, daß mehr als nur die Hauptpersonen in den
Historien dargestellt waren. Offenbar ging es weniger darum,
welche Themen das Bildprogramm enthielt, als vielmehr darum,
daß ihre inhaltliche Aussage in das Gesamtkonzept paßte und
wie sie umgesetzt wurden.
Die Darstellung von Quaglio zeigt jedenfalls deutlich, daß die
Legende von Mucius Scaevola hier anders aufgefasst wird, als in
den früheren römischen Freskenzyklen. Mucius Scaevola
erscheint in dem Udiner Stadtpalast eher als ergebener,
unterwürfiger Held, ähnlich wie schon bei Tintoretto, der ihn ja
ebenfalls in einer demütigen Haltung dargestellt hat. 520
518
Siehe Anm. 212.
Vgl. Gottdang 1999, S. 43-46.
520
Siehe Kat. 7.
519
193
Gleichzeitig wird Porsenna wie ein tapferer triumphierender
Tugendheld gezeigt. Diese Interpretation des Sujets könnte auf
die literarischen Vorlagen von Valerius Maximus, Plutarch oder
Martial zurückgehen, die differenzierte Schilderungen der
Heldentat anbieten.521
Auffällig ist, daß alle Helden in ähnlichen Situationen gezeigt
werden. Die Historien vereinen inhaltliche Parallelen, die
möglicherweise um einen gemeinsamen Grundgedanken kreisen.
Klára Garas deutet die Fresken als Beispiele tragischer
Schicksalswenden, die zeigen, wie falsches Verhalten bestraft
wird.522 Andrea Gottdang vermutet hinter den Darstellungen eine
ähnliche moralische Botschaft. Sie glaubt, daß die fatalen Folgen
dargestellt werden, die eintreten, wenn Unberechtigte sich selbst
überschätzen und Aufgaben übernehmen, denen sie nicht
gewachsen sind.523
Tatsächlich haben alle der dargestellten Historien in diesem
Raum die Tendenz eher gescheiterte, statt triumphierende Helden
zu zeigen. Die Ikonographie von Mucius Scaevola wurde
dementsprechend modifziert.
Dabei handelt es sich um eine seltene Interpretation des Helden,
die aber schon im Quattrocento von Filarete für römische Helden
erwähnt wurde. Er sprach von Historien antiker Helden, die für
ihre Fehltaten bestraft werden. 524
Warum aber für den Salone von Antonio Antonini in Udine gerade
diese Art der Darstellung gewählt wurde, kann nicht mehr
521
So betont Valerius Maximus das Moment der Selbstbestrafung von
Mucius Scaevola. Plutarch weist ausdrücklich auf den Großmut
Porsennas in dieser Situation hin und Martial schließlich kommentiert
das Verbrennen der Hand als verzweifelte Tat eines Mannes, der
sich von der Folter bedroht sieht. Siehe Anhang II, III, VI (25).
522
Vgl. Garas 1965, S. 290.
523
Vgl. Gottdang 1999, S. 48-49.
524
Vgl. Weil-Garris/ D'Amico, S. 55, Anm. 30, Filarete, Trattati di
architettura, Mailand 1972, IX, 112-121 und XIV, 186.
194
vollständig geklärt werden. Kaum zwanzig Jahre später malte
Quaglio in einen monumentalen Freskenzyklus für den Palazzo
Martinengo Palatini in Brescia ein ganz anderes Bild des
römischen Helden vor dem feindlichen König.525
Venezianische Adelspaläste im 18.
Jahrhundert
Kurz nachdem bereits die Villen und Stadtpaläste auf der
Terraferma mit antiken Historien in großem Format ausgestattet
worden waren, folgten die Adelspaläste der Stadt Venedig. Etwa
um 1680 ging der Adel dazu über, seine Häuser mit Fresken oder
großformatigen Leinwandbildern, die in die Wände eingelassen
wurden, zu schmücken. Bis in die zweite Hälfte des 18.
Jahrhunderts wurden die meisten antiken Historien in Venedig
und dem Umland in Auftrag gegeben.
Das venezianische Patriziat entwickelte eine neue
Repräsentationspolitik für die Privatpaläste. Traditionell waren
prachtvolle Ausmalungen mit Fresken in den Stadtpalästen der
Venezianer nicht üblich gewesen. Anders als die Römer oder
Florentiner hatten die Venezianer auf große
Dekorationsprogramme, die einem bestimmten Thema gewidmet
waren, verzichtet und die Innenräume ihrer Case vergleichsweise
schlicht belassen. Repräsentative Innenausstattungen mit
monumentalen Malereien waren nur dem Dogenpalast
vorbehalten. 526
Im 18. Jahrhundert war Venedig politisch und wirtschaftlich längst
keine europäische Großmacht mehr. Gleichzeitig, trotzdem oder
525
526
Siehe Kat. 120.
Jedoch ohne römische Historien, zum Bilderschmuck des
Dogenpalastes vgl. Wolters 1983.
195
gerade deshalb, blühten Kunst und Vergnügen und es entstanden
kostspielige Palastbauten mit reicher Ausstattung.
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA war ein Motiv, das in und an
Privathäusern des venezianischen Adels dargestellt wurde. Daß
heißt, es geht weniger um die Darstellung der Stadtrepublik als
vielmehr um Repräsentation und Abgrenzung der Familien
innerhalb der venezianischen Oberschicht.
Hier ging es darum, die Legenden auf eigene Ansprüche zu
übertragen.
Palazzo Barbaro
Im heutigen Palazzo Barbaro-Curtis am Canale Grande in der
Nähe von S. Vidal befindet sich einer der wenigen Räume,
dessen Ausstattung noch in situ ist. Der große Raum zum Canale
Grande ist mit aufwendigem Stuck und mehreren Gemälden
versehen. 527 An den Wänden sind drei monumentale
Historiengemälde in Stuckrahmen eingelassen. Sie zeigten den
RAUB DER SABINERINNEN, MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENA und
CORIOLAN UND DIE FRAUEN, früher fälschlicherweise manchmal als
DIE FAMILIE DES DARIUS VOR ALEXANDER bezeichnet.528 Sie tragen
weder Signaturen noch Datierungen.
Seit Aikema einige Quellen untersucht hat, weiß man mehr über
die Entstehungsbedingungen dieser Gemälde.529 Die Ausstattung
des Raumes wurde vom procuratore Alvise Barbaro einige Jahre
vor seinem Tod 1698 in Auftrag gegeben. Anlaß war die
anstehende Heirat seines Sohnes Almorò mit Modesta Valier. 530
527
Zu den Gemälden vgl. Knox 1975.
Zum Beispiel von noch von Knox 1975.
529
Vgl. Aikema 1987.
530
Vgl. Aikema 1987, S. 148.
528
196
Zunächst entstand die Decke 1631-1722 von Antonio Zanchi mit
Gemälden von berühmten Frauen aus der antiken Welt. 531 Das
Oval in der Mitte zeigt Zenobia. Sie wird von vier kleineren Ovalen
umringt, die Porträts von Artemisia, Cloelia, Ersilia und Ipsicrateia
zeigen.
Von den drei Wandgemälden ist zuerst DER RAUB DER
SABINERINNEN von Sebastiano Ricci gemalt worden. Aus dem
Inventar des Palazzo, das kurz nach dem Tod von Alvise Barbaro
im Februar 1699 erstellt wurde, geht hervor, daß die
Deckengemälde und DER RAUB DER SABINERINNEN von Ricci
bereits fertiggestellt und zwei weitere Leinwände vorbereitet
waren. 532 Mit der Bemalung der kleineren flankierenden Werke
wurden später andere Künstler beauftragt.
Bis zu diesem Zeitpunkt war das Bildprogramm ausschließlich
den weiblichen Tugenden bzw. der Frauenehre gewidmet. Das
erklärt sich aus dem Umstand, daß Alvise Barbaro diesen Teil des
Palazzo zunächst für seine Frau, Marina Grimani, vorgesehen
hatte und nicht wie üblich an seine Söhne vererben wollte.533
Alvise hatte verfügt, daß sie erst im Alter von fünfundzwanzig
Jahren in den vollen Bestiz des Erbes gelangen sollten.
1707 ging das Appartment der Mutter an Almorò Barbaro über.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Marina Grimani an der
unvollendeten Raumausstattung nichts geändert. Almorò setzte
nun die Arbeiten an dem Bildprogramm fort. Er engagierte den
bereits etablierten Antonio Balestra und den noch jungen Giovan
Battista Piazetta für die zwei ausstehenden Wandgemälde. Für
die Leinwände wurden römische Heldenhistorien als Beispiele
männlicher virtus gewählt. Antonio Balestra malte CORIOLAN UND
531
Zum Deckenprogramm vgl. Hannegan 1983.
'in Cameron / nel cielo quadri n°5, cioè uno in mezzo grande, et 4 più
piccoli ovi del Zanchi / Un quadro grande del Rizzi / Due tele
imprimite', vgl. Aikema 1978, S. 148.
533
Vgl. die Auswertung des Testamentes von Aikema 1987, S. 148.
532
197
DIE FRAUEN.
534
Piazetta schuf das Gemälde MUCIUS SCAEVOLA VOR
535
PORSENNA .
Mit Coriolan und Mucius Scaevola wurde das Bildprogramm des
Raumes um zwei männliche Tugendhelden erweitert. Das Sujet
CORIOLAN UND DIE FRAUEN zeigt den Helden, der zum Wohle
seiner Familie und seines Vaterlandes von seinen persönlichen
Racheplänen ablässt. MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA ist als
antike Szene dargestellt. Mucius steht als antiker Soldat gekleidet
vor einem Feuerbecken, in dem er seine Hand verbrennen läßt.
Die linke Hand legt er selbstverweisend auf seine Brust. Dabei
schaut er zu Porsenna auf, der auf einem steinernen Podest sitzt,
sich abwendet und die Hände abwehrend erhebt. In der Mitte liegt
in starker Verkürzung der Schreiber, wie er häufiger dargestellt
wird.536 Links am Bildrand im Vordergrund sitzt ein Zuschauer, der
der Szene beiwohnt. Dabei könnte es sich um ein Porträt des
Auftraggebers handeln.
Die Ausstattungen des Salone im Palazzo Barbaro waren immer
eng an die Familiengeschichte der jeweiligen Bewohner
gebunden. Die Gemälde wurden ihnen zu Ehren und anläßlich
bedeutender familiärer Ereignisse in Auftrag gegeben.537
Die Ausmalungen des Palazzo Barbaro waren zur Feier der
Tugenden und Erfolge der Familie bestimmt. Daß Almorò die
Helden Coriolan und Mucius Scaevola wählte, weist darauf hin,
daß es ihm besonders wichtig war, Loyalität und Vaterlandsliebe
zu demonstrieren.
534
In den Jahren 1708-19 entstanden, vgl. Knox 1992, S. 51, Anm. 36.
Siehe Kat. 118, schon bei Pallucchini 1936.
536
Siehe Anm. 388.
537
Später, als Almorò im Alter von 63 Jahren zum procuratore von San
Marco gewählt wurde, beauftragte er Tiepolo mit einer
Deckenausmalung, vgl. Aikema 1987, S. 148.
535
198
Der Festsaal der Ca' Dolfin
Tiepolo schuf zwischen 1720 und 1730 einen Zyklus von zehn
monumentalen Gemälden für den Empfangsraum des
Familienpalastes der Dolfin.538
Die Dolfin oder Delfino gehören zu den ältesten Adelsfamilien
Venedigs.539 Die Familiengeschichte weiß zu berichten, daß die
Dolfin zusammen mit Antenor in die Lagune kamen, um die Stadt
Altino zu gründen. Eingebürgert hat sich die Anekdote von der
Begründung der Dolfin durch einen Gradenigo, der sich durch so
überragende Schwimmkünste auszeichnete, daß er im Jahr 452
den Namen Delfino annahm. Das Wasser blieb über Jahrhunderte
hinweg das Element, in dem die Dolfin erfolgreich waren, wenn es
darum ging, sich in abenteuerlichen Seegefechten für die
Interessen Venedigs einzusetzen. Die Familie Dolfin zählte wie
die Loredan oder Mocenigo zu den alteingesessenen
Adelsfamilien. Sie stellte der Republik Venedig einen Dogen und
zahlreiche andere Amtspersonen und Würdenträger.540
Im November 1621 wurde der Palast am Rio di Ca' Foscari von
den Dolfins erworben.541 Der Palast wurde daraufhin über lange
Zeit umgebaut und neu ausgestattet. Erst ein Jahrhundert später
waren die Arbeiten abgeschlossen.
Zu dieser Zeit, Anfang des 18. Jahrhunderts, waren drei
Dolfinbrüder die Oberhäupter der Familie. Der jüngste, Dionisio
Dolfin (1663-1734), war der Patriarch von Aquileia. Für ihn
arbeitete Tiepolo bereits im Dom und im Schloß, dem
Patriarchatspalast, von Udine.542 Die beiden älteren Brüder,
538
Vgl. Gottdang, 1999, S. 64-79: Der Festsaal des Palazzo Dolfin.
Dolfin ist die venezianische dialektale Form für Delphin. Das Wappen
der Dolfin wird von drei Delphinen geschmückt, vgl. Pedrocco in
Ausst.kat. Udine 1996, S. 43-44.
540
Vgl. Barcham 1996, S. 106-109.
541
Vorherige Besitzer war die Familie Secco, vgl. Knox 1991, S. 302.
542
Vgl. Gemin/Pedrocco 1995, S. 60-61.
539
199
Daniele III., genannt Giovanni 543 und Daniele IV., genannt
Girolamo, standen unermüdlich im diplomatischen und
militärischen Dienst der Serenissma und stiegen auf der
Karriereleiter von einem Amt ins nächste auf. 544 Girolamo Dolfin
war einer der bekanntesten Militärführer unter Francesco
Morosini, "il Peloponnesiaco". Sein Bruder Giovanni war ein
begabter Redner, der lange als Botschafter in Polen und Wien für
die Republik im Ausland tätig war. 545
In dem salone der Ca' Dolfin wurde zuerst etwa um 1710 die
Decke des Raumes von Antonio Felice Ferrari und Cavalier
Bambini freskiert.546 Zu dieser Zeit waren die Gemälde an den
Wänden bereits eingeplant und in Anzahl und Ausmaßen durch
leere Rahmen bestimmt. 547
Der ältere Bruder Giovanni Dolfin wollte die Wände 1726 mit
repräsentativen Gemälden ausstatten lassen. 548 Der Auftrag ging
schließlich an Tiepolo, der bis 1729 zehn monumentale
Leinwände mit Szenen aus der römischen Geschichte schuf, die
auf die bereits vorhandenen Rahmungen an den Saalwänden
abgestimmt waren. Tiepolo füllte die Rahmen mit zwei
Triumpfdarstellungen, zwei Schlachten und sechs Historien aus
der Frühzeit Roms, darunter auch MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA .549
Die Rekonstruktion der ursprünglichen Hängung, wie sie bis 1872
bestand, ist heute noch möglich. Der Raum hat einen
543
Venezianisch auch Zuanne, 1654-1729.
Vgl. Gottdang 1999, S. 64.
545
Vgl. Gemin/Pedrocco 1995, S. 222 und Knox 1991, S. 304.
546
Vgl. Knox 1991, S. 304.
547
Vgl. Gottdang 1999, S. 66.
548
Durch neue Auswertungen von Dokumenten ist jetzt klar, daß der
Auftrag für die Gemälde nicht vor 1726 erteilt wurde; vgl. Conticelli
1998, S. 231.
549
Siehe Kat. 121.
544
200
Haupteingang an einer langen Seite. Gegenüber waren fünf
Fenster mit Blick auf den Rio di Ca' Foscari.
An jeder Schmalseite hingen drei Gemälde, die eine Art
Tryptichon formten, mit einem großen vertikalen Gemälde eines
römischen Triumpfzug in der Mitte. An der Westwand hing der
TRIUMPF DES MARIUS , flankiert von FABIUS MAXIMUS und
CINCINNATUS . An der gegenüberliegenden Wand hängen M UCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA sowie VETURIA UND CORIOLAN neben
dem TRIUMPH DER TARENTINER. Links des mittleren Fensters hing
der TOD DES LUCIUS JUNIUS BRUTUS und rechts HANNIBAL MIT DEM
HAUPT DES HASDRUBAL und den Haupteingang flankierten zwei
quadratische Schlachten.550
Knox vermutet, daß diese zwei Schlachtengemälde erst etwa 25
Jahre nach den anderen Gemälden entstanden sind.551
Die anderen Historien berichten von Heldentaten aus der
römischen Geschichte, die alle einer Quelle entnommen sind. Mit
Ausnahme der beiden Schlachten waren die anderen Gemälde
mit Banderolen mit identifizierenden Inschriften aus Lucius
Anneus Florus' Epitome de Tito Livio bellorum - Libri II
versehen. 552
Die Serie als Ganzes liefert eine Zusammenfassung über die
Expansion und Verteidigung Roms aus der Zeit der Gründung bis
zur Beherrschung ganz Italiens.
Der Zyklus beginnt mit MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA , dem
frühesten Ereignis unter allen dargestellten in der Geschichte.
Eine stark zerstörte Inschrift betont den dramatischen Moment:
Et ut sias, inquit, quem virum effugeris, idem trecenti pura
vimus; quum interim (immane dictu:) nic interritus, ille
trepidaret, tan quam manus regis arederet. 553
550
Vgl. das Schema bei Christiansen 1998, S. 12/13.
Vgl. Knox 1991, S. 309.
552
Siehe Anhang IV.
553
Aus: Lucius Annaeus Florus, Epitolamae de gestis Romanorum I, 10,
551
201
In dem hochformatigen Gemälde steht Mucius auf der linken
Bildhälfte frontal zum Betrachter. Seine Hand hält er in ein Feuer
aus Holzscheiten auf einem antiken Altar am linken Bildrand. Der
Held steht ganz vorn im Bildraum und nimmt den größten Raum
vor allen anderen Figuren ein. Dabei wendet er sich zurück zu
Porsenna, der oberhalb am rechten Bildrand auf seinem Thron
vor einer Draperie sitzt.
Anders als in dem Cassonebild von Tintoretto oder dem Fresko
von Quaglio, wird Mucius von Tiepolo aufrecht stehend, in stolzer
Pose gezeigt. Der König hinter ihm hat sich etwas vorgebeugt, um
auf die Szene herabzuschauen.
Weitere Anwesende verteilen sich zu beiden Seiten hinter Mucius.
Ein behelmter Mann hinter dem Altar hat sich herabgebeugt, um
auf die verbrennende Hand von Mucius zu schauen. Die Hitze
des Feuers ist so stark, daß er die Hand schützend vor sein
Gesicht hält. Darüber sind die Köpfe von zwei jüngeren Männern
zu sehen. Einer trägt eine Standarte mit einem Lorbeerkranz
darauf und blickt direkt aus dem Bild heraus. Dahinter befindet
sich ein Reiter, der nach oben schaut und in die Ferne zeigt. Auch
der junge Mann auf der gegenüberliegenden Seite hat seinen
Blick nach oben gerichtet. Er lehnt an einem Tisch auf dem
Bündel mit Geldscheinen und andere Kostbarkeiten angehäuft
sind.
Die ungewöhnliche Komposition im Hochformat mit der
ganzfigurigen Darstellung von Mucius Scaevola im Vordergrund
kommt einem feierlichen Porträt nahe. Tiepolo integrierte einen
deutlichen Hinweis auf die Identifikation der Familie mit dem
römischen Helden. Auf dem Helm des Mucius prangt ein Delfin,
das Wappentier der Dolfin.
Die Dolfin führten sich nicht durch einen Stammbaum auf Mucius
Scaevola zurück wie die Loredan, sondern durch motivische
abgedruckt in Kat. The Hermitage 1992, Kat. 237.
202
Hinweise und Lobreden, die Parallelen zu ihren Taten für die
Republik Venedig zogen.
Eine zeitgenössche Lobrede, die ebenfalls diesen Konnex
zwischen Mucius Scaevola und den Dolfin herstellt, hat Andrea
Gottdang entdeckt und ediert.
Aprò di Patria in duro assedio afflita
Arse il pugno guerrier l'Eroe Romano,
E rese ad istupor del Re Toscano
Olocausto di Fe la man sua dritta:
Oggi da Turche fiamme arsa, e trafitta
Spiega la destra pur Duce Sovrano,
E Consunta da bronzo empio Ottomano
Mostra alla nostro età la mano invitta.
Non Muzio ad altro il forte braccio
accinse;
Ma in morti, e staggi il gran Dolfin
s'inuolse,
Fulminò, ributtò, disperse, e vinse.
Così il colpl fatal nulla gli tolse;
Con man recisa un maggior brando
ei strinse,
Con dita tronche un più bel lauro
ei colse.554
Hier wird auf den militärischen Einsatz von Girolamo Dolfin gegen
die Türken hingewiesen und mit der Tat Mucius Scaevolas
verglichen. Im Jahr 1690 hatte Girolamo in der Schlacht von
554
Aus: Nicolò Madrisio, Sonett, in: Intreccio 1716, S. 7, abgedruckt in
Gottdang 1999, S. 75.
203
Metelino, in der er sich in einem abenteuerlichen Seegefecht
auszeichnete, vier Finger seiner linken Hand verloren. Diese
Verletzung bot einen naheliegenden Vergleich zur verstümmelten
Hand des Mucius Scaevola. Girolamos Kriegsverletzung wurde
damit einer legendären Heldentat gleichgesetzt und als
patriotisches Opfer für das Vaterland gefeiert. Der Vergleich
wurde in den Panegyrischen Sammlungen zur Pflichtübung. Die
biographische Entsprechung wurde so häufig genannt, daß
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA als Allusion auf Girolamos
Einsatz im Türkenkrieg zu verstehen war.555
Die Gemälde im Festsaal des Palazzo Dolfin ziehen deutliche
Parallelen zwischen den Oberhäuptern der Familie Dolfin und den
römischen Tugendhelden, die wie Girolamo und Giovanni in
militärischem und diplomatischen Dienst für das Vaterland
kämpften. Dabei ging es den Brüdern darum, ihre Leistungen für
Venedig herauszustellen.
M UCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA in
Monumentalgemälden für den venezianischen Adel
Die großen venezianischen Familien schmückten ihre Palazzi zu
Beginn des 18. Jahrhunderts mit monumentalen Darstellungen
römischer Helden. Sie dienten dem Tugend- und Altersbeweis der
Familie. Damit hatten die Historien eine andere Funktion als in
den früheren Darstellungen von Mocetto oder Quaglio, wo sie
einem didaktischen oder moralischen Bildprogramm dienten.
Die großformatigen Fresken oder Gemälde von MUCIUS SCAEVOLA
VOR PORSENNA waren repräsentatives Instrument, um den Status
der Familie innerhalb der Oligarchie zu bestätigen.
555
Vgl. Gottdang 1999, S. 75.
204
Die Nobili unterschieden zwischen alten und neuen Familien.
Letztere hatten sich durch größere Summen in den Adelsstand
eingekauft.
Die Türkenkriege Mitte des 17. Jahrhunderts belasteten die
Staatskasse so sehr, daß dringend zusätzliche Geldquellen
erschlossen werden mußten. Für die Aufnahme in den Adel
waren viele Familien bereit, ein Vermögen auszugeben oder sich
sogar in den Ruin zu stürzen. Der Vorschlag, Familien gegen
Zahlung von 60.000 Dukaten in den Adelsstand aufzunehmen
und so die Kriegskasse aufzufüllen, wurde zunächst empört
abgelehnt. Schließlich wurde es aber auch ohne gesetzliche
Grundlage möglich, für die deutlich höhere Summe von 100.000
Dukaten in das Goldene Buch eingetragen zu werden und damit
die einzig gültige Eintrittskarte zum Maggior Consiglio zu erhalten,
die Voraussetzung für die Beteiligung an der politischen
Machtausübung. Bis 1669 machten insgesamt zweiundachzig
Familien von dieser Möglichkeit Gebrauch. Sie konnten sich
fortan mit den Titeln Nobil Uomo und Nobil Donna schmücken,
hatten aber kaum politischen Einfluss, da die wichtigsten Ämter in
den Händen des alten Adels blieben.
Generell waren es nicht die Fähigsten, sondern die Reichsten
unter ihnen, die Schlüsselpostionen ausfüllten. Die Amtsinhaber
mußten zur Entlastung der Staatskasse die mit ihrer Position
verbundenen Ausgaben selbst aufbringen. Auf diese Weise hatte
sich eine Oligarchie der wirtschaftlich potenten, alten
Adelsfamilien herausgebildet. 556
Die bloße Zugehörigkeit zum venezianischen Adel war kein
ausreichendes Unterscheidungsmerkmal mehr. Innerhalb des
Patriziats mußten nun neue Abgrenzungsstrategien entwickelt
werden. Die führenden Familien versuchten sich durch grandezza
abzugrenzen, die durch Hinweise auf in der Vergangenheit
556
Vgl. Gottdang 1999, S. 21-23.
205
erworbenen Reichtum, politischen Erfolg und Ruhm aufgebaut
wurde.557
Garas möchte die gleichen Szenen in Venedig jedoch nicht
politisch deuten, sondern interpretiert sie für den privaten Bereich,
was nicht ganz richtig ist. Die repräsentativen Gemäldeaufträge
dienten der Illustration des Familienverständnisses, das im
venezianischen Patriziat immer auch mit der lokalen Politik
verknüpft war. Cozzi hat gezeigt, daß es in der venezianischen
Aristokratie Bestrebungen gab, die grundsätzlich bestehende
republikanische Gleichheit unter den mächtigen Familien zu
unterwandern. Teile der Oligarchie intendierten ein
monarchisches System.
Änderung der ikonographischen Programme
Nach der Fertigstellung des Saales des Palazzo Dolfin wurde das
Sujet in der Serenissima nur noch vereinzelt für Villen oder
Paläste auf der Terraferma verlangt. Erhalten sind noch Gemälde
von Diziani aus den 1750er Jahren und ein abgenommenes
Fresko von Fontebasso von 1763. 558
Das ist zunächst dadurch zu erklären, daß für einige Jahre
generell keine Monumentaldekorationen mit Themen der antiken
Geschichte in Auftrag gegeben wurden. Die Bildproduktion mit
Sujets aus der römischen Geschichte setzte erst nach über zehn
Jahren wieder ein.
In dieser späten Phase der Darstellung der antiken Geschichte
änderten sich die Dekorationsprogramme in ihrer Ausgestaltung
und inhaltlichen Zusammensetzung. Traditionell waren die antiken
557
558
Vgl. Cozzi 1988, S. 52.
Siehe Kat. 110-113.
206
Historien an der Wand als Exempel einem zentralen Thema
untergeordnet, das in allegorisierter Form in einem
Deckengemälde präsentiert wurde. Das Deckenbild, das
gewissermaßen die inhaltliche Klammer für die beigeordneten
antiken Historien bildete, entfiel. Die antiken Historien waren nicht
mehr unter einem bestimmten Grundgedanken
zusammengefasst, sondern standen ihrerseits für einen
allegorischen Gehalt.
Zudem wurden in den nach wie vor populären
Monumentaldekorationen nach 1730 nun andere Heldenszenen
favorisiert. Themen wie MUCIUS SCAEVOLA oder HORATIUS COCLES
wichen Darstellungen von SCIPIO AFRICANUS oder ALEXANDER DEM
GROßEN.559
Beliebte Szenen waren etwa ALLUCIUS UND SEINE BRAUT VOR
SCIPIO560 oder die FAMILIE DES DARIUS VOR ALEXANDER. Beide
Historien zeigen Herrscher oder Heeresführer, die großmütige
Entscheidungen treffen. 561
Es waren nun die Machtinhaber der Antike, die als Tugendhelden
fungierten. Die populärsten Heldenfiguren wurden nicht mehr
durch den Bürger oder Soldaten repräsentiert, sondern von einem
Feldherrn und einem König, mit denen andere Tugendqualitäten
verbunden waren. Statt der kriegerischen Tugenden wie
Tapferkeit waren nun Herrscherqualitäten wie Mildtätigkeit,
Großmut und Enthaltsamkeit gefragt.
Die geänderten Inhalte der Bildprogramme für Ausstattungen der
venezianischen Paläste mit antiken Historien stehen in engem
Zusammenhang mit einem zu dieser Zeit einsetzenden
559
Zum Beispiel in der Villa Cordellina, vgl. Gottdang 1999, S. 80-88.
Auch als ENTHALTSAMKEIT oder GROßMUT DES SCIPIO bezeichnet.
561
Dem Feldherrn Scipio Africanus wird nach Eroberung von Cartagena
ein wunderschönes Mädchen übergeben. Großmütig gibt Scipio die
Braut des Allucius zurück, die ihm als Kriegsgefangene zugeführt
worden war. Eine ähnliche Moral beinhaltet die Szene der Familie
des Darius vor Alexander dem Großen.
560
207
Gesinnungswandel in Bezug auf die adeligen Tugenden. Der
valor der militärischen Tugenden war weniger gefragt.
Dieses Phänomen ist zuvor auch in Frankreich zu beobachten.
Wurden im 17. Jahrhundert noch die kriegerischen Tugenden des
Eroberers in den Vordergrund gestellt, wird nun verstärkt auf
friedliche und weise Regierungsqualitäten hingewiesen. 562
Auftragsrückgang von antiken Historien
Der Rückgang der Aufträge für antike Historien setzte etwa ab
1750 ein, um schliesslich ab 1770 fast ganz aus dem
venezianischen Themenrepertiore zu verschwinden. Tatsache ist,
daß im späten 18. Jahrhundert die Verarmung des
venezianischen Adels zu Einsparungen zwang, insbesondere was
den Luxus anging. Die finanzielle Situation hatte bei vielen
Familien sogar zu einem Abverkauf des vorhandenen Mobiliars
der Paläste geführt.563 Auch waren die berühmtesten
Historienmalerer Venedigs bereits betagt und starben ohne
adäquate Nachfolger aus. 564
Andrea Gottdang sieht die Ursachen für den Rückgang der
Darstellungen der antiken Geschichte allerdings nur bedingt in der
wirtschaftlichen Krise oder dem Aussterben der großen
Protagonisten der Historienmalerei in Venedig. Die große
Nachfrage nach antiken Sujets wie die Jahrzehnte zuvor war nicht
mehr gegeben. Gottdang macht auf die zunehmende Beliebtheit
einiger Gattungen aufmerksam, die ihrer Meinung nach neuen
Berdürfnissen der Auftraggeber eher gerecht werden. Die
562
Vgl. Garas 1965, S. 286-90.
Vgl. Gottdang 1999, S. 10.
564
1754 starb Piazetta, 1760 hatte Francesco Guardi die
Historienmalerei aufgegeben, 1762 verließ Tiepolo Venedig, 1767
starben Diziani und Pittoni, 1769 Fontebasso, 1787 Zugno und 1796
Chiarottini.
563
208
historisch antiken Ereignisse hatten keinen fundamentalen Rang
mehr - sie waren entbehrlich geworden. Sie wurden durch
Landschaft und Genre verdrängt.565
Die antiken Historien hatten ihre wichtigste Funktion verloren. Sie
berichteten von den glorreichen Taten der römischen Helden, die
von den venezianischen nobili als Vorfahren beansprucht wurden.
Sie fungierten nicht nur als Beleg für die edle Abstammung,
sondern gleichzeitig für die eigene Tugendhaftigkeit. Die
Auffassung, daß die Tugenden und die Fähigkeit zu heldenhaften
Taten an die Nachkommen vererbt wurden, hatte sich langsam
geändert.
Der Adel wurde nun verstärkt an den Taten gemessen, nicht mehr
so sehr an seiner Abstammung. In der Malerei schlug sich das in
Darstellung jüngster Ereignisse nieder, die anstelle antiker
Heldentaten bevorzugt wurden.
Nicht mehr der strahlende Barockheld wurde thematisiert,
sondern der tragische Held wurde zur zentralen
Identifikationsfigur in der Malerei. Durch den Einfluß
aufklärerischer Schriften wird der tragische oder gebrochene Held
vor allem in Frankreich, aber auch in weiten Teilen des übrigen
Europas seit dem späten 18. Jahrhundert dargestellt. 566 Der
Wandel zu diesem Heldentypus ist auch in der Musik und der
Literatur nachweisbar. Klaus Hortschansky hat den tragischen
Helden in der italienischen Oper am Ende des 18. Jahrhunderts
untersucht. 567 Auch im Theater zwischen Barock und Aufklärung
werden verschiedene Typen tragischer Helden erfolgreich.568
565
Vgl. Gottdang 1999, S. 242-56.
Vgl. dazu Mai/Repp-Eckert 1990.
567
Vgl. Hortschansky 1991.
568
Über die Helden im Drama des 17. und 18. Jahrhunderts vgl. Galle
1991.
566
209
Diese neue aufklärerische Auffassung von Tugendidealen und
Heldenbildern setzte sich auch international durch.
Die triumphierenden Helden boten keine adäquaten
Identifikationsfiguren mehr.
210
RESÜMEE
Ziel der Arbeit war, das Motiv MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
und seine Bedeutungen in der Frühen Neuzeit zu untersuchen.
Dies ist als Nachzeichnung der Motiventwicklungen geschehen,
die chronologisch angelegt ist und den topologischen und
sozialen Vergleich berücksichtigt. Die Auswahl der analysierten
Werke war von der Frage geleitet, wann und wo ikonographische
oder kontextuelle Veränderungen festzustellen sind. Die Intention
war, die dahinterstehenden semantischen Abgrenzungen oder
Verschiebungen aufzuspüren.
Die Analysen haben die Konturierung des ikonographischen
Motivs MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA ergeben. Dazu war die
Auswahl der Werke von vornherein heterogen angelegt, um ein
möglichst differenziertes Bild der ikonographischen Umsetzungen
zu gewährleisten. Das Grundmuster, Mucius Scaevola, der seine
Hand vor dem feindlichen König in das Feuer hält, zeigt sich in
verschiedenen Varianten. Zum Teil wurde es in den
unterschiedlichen historischen und sozialen Räumen auch
grundlegend verändert. Durch die Rekonstruktion der sozialen
und politischen Verhältnisse, in denen die Gemälde entstanden,
konnte gezeigt werden, mit welchen historischen Funktionen die
ikonographischen Varianten verbunden waren.
Das Thema MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA wurde erstmals in
den kommunalen Bildprogrammen der italienischen
Stadtrepubliken, allen voran Florenz bildkünstlerisch umgesetzt.
Hier wurde Mucius Scaevola von den Kommunen eingesetzt, um
politische Normen für die bürgerlichen Amtsinhaber vorzugeben.
211
Die Historie entwickelt sich zum einen aus der Darstellung Mucius
Scaevolas als uomo famoso zum anderen aus den antiken
Darstellungen politischer Geschichte in Reliefs.
Bald wurde Mucius Scaevola auch in Gemälden der führenden
Familien eingesetzt, um sich damit selbst als politisch aktive und
loyale Bürger zu präsentieren. Dabei wird der antike Held nicht
mehr exemplarisch als vorbildliche Person porträtiert, sondern bei
der Ausführung seiner Taten gezeigt. Für wertvolle Cassoni
entstanden die ersten Gemälde, die Mucius Scaevola zeigen, wie
er vor dem feindlichen König seine Hand verbrennt. Im Falle der
Lanfredini-Cassone konnte gezeigt werden, daß durch eingefügte
heraldische und zeitgenössische Motivelemente Bezüge zur
gegenwärtigen politischen Situation geschaffen wurden. Mit der
Darstellung von Mucius' Anschlag und mutiger Selbstopferung
dokumentiert der Auftraggeber seine Vorstellungen von
bürgerlicher Tugend und weist auf seine Loyalität zu der
führenden Familie hin.
Die führenden Kulturkräfte in den Stadtrepubliken identifizierten
sich mit den Helden aus der römischen Republik. Mucius
Scaevola war von den bürgerlichen Humanisten als ruhmreiches
Beispiel einer republikanischen Tugend entdeckt worden.
Als Rom zum aufstrebenden Kunstzentrum wurde, entstanden
auch hier vermehrt Darstellungen von MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA .
Die Bilder der republikanischen Helden wurden nicht zuletzt durch
die Neubürger aus den Stadtrepubliken eingeführt, die Ämter in
dem neu konsolidierten Kirchenstaat übernahmen. Mit der
Darstellung der Heldentat Mucius Scaevolas bekräftigten sie ihre
politischen Fähigkeiten und untermauerten ihre
Einsatzbereitschaft. Zudem war der antike Held geeignet, eine
noble römische Tradition für die Neubürger zu suggerieren, die
nicht den alten römischen Clans angehörten. So wird wird der
212
Held von ihnen eingesetzt, um sich als Amtsinhaber zu
legitimieren.
Am Papsthof selbst wird das Motiv zwar übernommen, bleibt in
seiner Bedeutung aber marginal. Im Vatikan bleibt es letztlich bei
wenigen Darstellungen in kleinerem Format. Die Recherchen
ergaben, daß nur zwei Päpste die Darstellungen M UCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA für die Bildprogramme ihrer Bibliotheken
wählten. In beiden Fällen ist das Motiv vorrangig als Exempel der
römischen Geschichte gewählt. Julius II. setzt es in der Stanza
della Segnatura als humanistisches Motiv ein. In der Sala della
Biblioteca auf der Engelsburg steht das Motiv für eine der antiken
römischen Leistungen, die mit Papst Paul III. und seiner Familie,
den Farnese, verbunden wurden.
Es war also nicht ganz unmöglich M UCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA , ein Bildmotiv, daß ursprünglich republikanische Ideale
verbildlichte, am Papsthof in andere inhaltliche Zusammenhänge
einzufügen. Das Sujet blieb jedoch auf bestimmte Räume
beschränkt, die nicht vordergründig Regierungsgeschäften
dienten.
Für die politische Repräsentation nach außen wurden andere
Bildthemen bevorzugt. In den Sälen, die weltliche Macht
demonstrierten, wurde im Vatikan oder auch der Engelsburg auf
großformatige Darstellungen imperialer Herrscher aus der Antike
zurückgegriffen, wie in der Sala di Costantino.
An diese päpstliche Ausstattung im Konstantinssaal war die Sala
dei Capitani im Konservatorenpalast formal direkt angelehnt. Hier
wurde allerdings auf Historien republikanischer Helden für den
Freskenzyklus zurückgegriffen. Die Konservatoren antworteten
auf diese Weise dem Papsthof mit einer Darstellungen ihrer
politischen Traditionen in monumentalen Historien. Das
mittlerweile populäre Thema MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA
wird hier für die kommunalen Werte der Stadtregierung
213
zurückerobert. Das Gemälde bietet ein Geschichtsbild, das die
republikanischen Ideale feiert und Kritik an der gegenwärtigen
päpstlichen Politik formuliert.
Die stärkste formale und inhaltliche Wandlung erfuhr das Motiv in
der Eidgenossenschaft und den deutschen Städten.
Das Motiv wurde auch im Norden durch die humanistisch
gebildeten Juristen entwickelt. Die Wand- oder Deckengemälde
entstanden im Auftrag von Städten für kommunale
Raumausstattungen beispielsweise in Rathäusern oder auch von
Mitgliedern des Patriziats für Privatbauten.
Die Darstellungen aus dem Norden integrieren den Mordanschlag
als zentrales Motiv in das Historienbild. Das Verbrennen der Hand
wird zur Tat am Rande. Zwar war der Mord an dem Schreiber
bereits in den frühen Friesen oder Cassoni dargestellt worden,
hier handelte es sich jedoch um mehrere aufeinanderfolgende
Szenen, in denen die gesamte Geschichte Mucius Scaevolas
nacherzählt wird.
In den deutschen Darstellungen ist weniger die Selbstaufopferung
thematisiert als die Bereitschaft zur aktiven
Vaterlandsverteidigung gegen die Tyrannenherrschaft. Diese
Bilder entstanden in Kreisen der protestantischen
Reichsstandschaft und waren Ausdruck der politisch-religiösen
Opposition gegen den Kaiser. Das Sujet MUCIUS SCAEVOLA VOR
PORSENNA wurde auf den protestantischen Widerstand gegen den
Kaiser übertragen.
In den Niederlanden wurde die Tat des Helden nicht direkt mit der
aktuellen politischen Situation verbunden, sonder eher sinnbildlich
als Exempel der Constantia aufgefasst. Die Tugend der
Constantia stand für einen Wertbegriff aus der modernen
Philosophie des Lipsius, für den Mucius Scaevola ein antikes
Vorbild bot. Daran knüpft auch noch Rubens Interpretation des
Helden an. Jedoch hat das Sujet hier eine aktuelle politsche
214
Relevanz, da Mucius Scaevola für das Ideal des spanischen
Soldaten steht und an die militärischen Pflichten des Adels
appelliert.
In Venedig wurde das Motiv nicht von der regierenden Institution,
beispielsweise für den Dogenpalast, nachgefragt, sondern eher
von den regierenden Familien und jenen, die sich dazu zählten.
Die römischen Helden galten als Beweis von Tugend und altem
Adel. Mit Mucius Scaevola wurde auf die Tradition des
persönlichen Einsatzes für den Staat hingewiesen, als
Legitimation und Abgrenzung zwischen den case.
Das Sujet MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA wurde vom 15. bis
zum 18. Jahrhundert von verschiedenen Auftraggebern genutzt,
um unterschiedliche Inhalte zu vermitteln. Je nach Kontext und
vorherrschenden historischen Diskursen konnte die Tat Mucius
Scaevolas ein patriotisches Ideal für die Ratsmitglieder in
italienischen Stadtrepubliken darstellen oder für den Widerstand
der deutschen Protestanten stehen. In den Niederlanden wurde
sie zum Exempel für den Tugendbegriff der Constantia aus der
modernen Philosophie. In Venedig hingegen fungierte das Sujet
als Adelsbeweis. Überhaupt bot das Motiv in Italien zu allen
Zeiten die Option als Adelsbeweis zu fungieren. Im Norden
hingegen wurde Mucius Scaevola nicht als edler Vorfahre
reklamiert.
Ebenso konnte Mucius Scaevola als Beleg für humanistisches
Bildungswissen eingesetzt werden.
In einigen Fällen wurde Mucius Scaevola vor anderen Helden
wohl deshalb als Bildthema gewählt, weil das Motiv Feuer in ein
Konzept oder einen Kontext passte, etwa in der Stanza della
Segnatura oder dem Kaminstück im Trippenhuis.
215
Nach der Untersuchung der ikonographischen Varianten, die
gleichermaßen größere Werkgruppen als auch einzelne
Ausnahmewerke berücksichtigt hat, stellt sich abschließend die
Frage nach den Kontinuitäten. Damit ist nicht ein roter Faden
gemeint, auf den sich alle bildkünstlerischen Lösungen auffädeln
ließen. Vielmehr sollen an dieser Stelle die durch die Methode
verschobenen quantitativen Gewichtungen zwischen den
Varianten wieder geradegerückt werden. Wo liegen die
hauptsächlichen Motivtraditionen? Gibt es semantische oder
funktionale Gemeinsamkeiten, die über die historischen,
topologischen und soziologischen Kontexte hinweg an das Motiv
gebunden sind?
Aufgrund der Geschichte war das Thema für bestimmte Kontexte
prädestiniert. MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA war ein
historisches Exemplum, daß als memoria einer Person oder eines
Ereignisses zum Vorbild präsentiert wurde.
Mucius Scaevola war als Tugendheld aus der römischen Republik
grundsätzlich dazu angetan, die römische virtus und die
entsprechenden Qualitäten, Ideale und Ansprüche des
Auftraggebers darzustellen. Diese Bürgertugend stellte einen
kommunalen Leitwert für die wechselnden Verantwortlichen dar,
die eine kontinuierliche Politik jenseits individueller Interessen im
Sinne der res publica sichern sollten.
Gleichzeitig ist das Thema Ruhmesmotiv, das auf lange Tradition
und glorreiche Vergangenheit verweist. Je nach Kontext, wurde
das republikanische oder antik-römische Moment hervorgehoben.
Ist der Auftraggeber eine obrigkeitliche Institution, kann mit dem
Vorbild eine Erwartungshaltung an Untergebene reklamiert
werden. Das ist in erster Linie der selbstlose Einsatz für den
Staat. Ebenso kann mit Mucius Scaevola auf die eigenen
politischen oder militärischen Leistungen hingewiesen werden wie
im Festsaal der Dolfin oder der Sala della Biblioteca von Paul III.
216
Der Ruhm wurde an den Familiennamen gebunden und
verpflichtete die Nachkommen zum Erhalten. Indem man sich auf
Mucius Scaevola zurückführte, deklarierte man auch seine
eigenen Tugenden.
Humanistisches Bildungswissen war in jedem Fall eine
notwendige Voraussetzung für die Darstellung des Themas.
MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA wurde dort thematisiert, wo
humanistisches Bildungswissen virulent war. Es waren aber nicht
primär die Orte der Bildung, die die Gemälde nachfragten,
sondern die oligarchisch regierten Städte und ihre führenden
Familien. Die ersten Darstellungen entstanden nicht umsonst in
Florenz und Venedig, die sowohl Stadtrepubliken als auch
Humanistenzentren waren. Bestimmt waren die Gemälde mit der
Heldentat des Mucius Scaevola für jene Orte, an denen sich die
Regierungsgeschäfte konzentrierten wie beispielsweise in
Ratssälen. Ebenso wurden sie für die vornehmsten Säle in den
Palästen nachgefragt, um tugendhafte Staatsführung im Sinne
der römischen Republik zu demonstrieren. Da die Legende aus
den Anfängen der legendären römischen Republik stammte, war
sie für alle neuzeitlichen Republiken ein ruhmreiches Beispiel
ihrer antiken Ursprünge. Dabei wurde der Widerspruch zu der
aktuellen Romfeindlichkeit nicht gesehen, vielmehr sah man sich
in der Tradition der antiken Republik.
Mucius Scaevola und die anderen Tugendhelden waren
bürgerliche Vorbilder, mit deren Taten sich die aufstrebenden
politischen Kräfte identifizierten. Nicht selten standen die
Auftraggeber in Konflikten mit anderen Mächten. Mit MUCIUS
SCAEVOLA VOR PORSENNA konnte Freiheit und Abgrenzung zu
einer als despotisch empfundenen Obrigkeit thematisiert werden.
Für die Werke, die außerhalb Italiens entstanden, läßt sich noch
ein anderes durchgehendes Phänomen beobachten. Wenn
Gemälde im übrigen Europa mit dem Thema Mucius Scaevola vor
217
Porsenna in Auftrag gegeben wurden, ist immer auch ein
italienischer Einfluß festzustellen. Diese Darstellungen sind zum
Teil durch italienisch geprägte Berater wie Bernhard Schöfferlin
oder Olivares angeregt. Vielfach sind es auch Werke, die
während oder kurz nach einer Italienreise eines Künstlers
entstanden.
Perspektiven für weiterführende Arbeiten
Durch die Zielsetzung, einen Überblick zu den Ikonographien von
Mucius Scaevola vor Porsenna zu geben, mußte zwangsläufig
eine Auswahl unter den Darstellungen getroffen werden. Hier gibt
es noch mehrere Gruppen, die Perspektiven für weitere
Forschungen eröffnen. Interessant wären etwa die Gemälde, die
in Frankreich des 17. und 18. Jahrhunderts in Auftrag gegeben
worden sind.569 Oder die deutschen Darstellungen im 18.
Jahrhundert, die sich sowohl in Rathäusern als auch an den
Fürstenhöfen finden.570
An verschiedenen Stellen wurden Phänomene deutlich, die
Ansätze für weitere Fragestellungen bieten.
Überall dort, wo ikonographische Auffälligkeiten aus dem
Vergleich mehrerer Werke erkannt und definiert wurden, lohnen
intensivere ikonologische Studien zu den einzelnen Werken, wie
sie etwa bei Rubens vorgenommen wurden.
So konnte in diesem Rahmen nicht gänzlich geklärt werden,
welche Motivation letztlich zu den Motivauffassungen bei Polidoro
in der Villa Lante, Tintoretto und Quaglio führten. Einflüsse aus
dem Norden sind nicht unwahrscheinlich und auch Filarete hatte
die römischen Helden schon in dieser Weise beschrieben. Warum
569
570
Siehe Kat. 97-101 und 124-130.
Siehe Kat. 131-136 sowie Tipton 1996, S. 317-321.
218
Mucius Scaevola in diesen Gemälden in dieser unterwürfigen
Haltung und in anderen, gleichzeitig entstandenen, als stolzer
Römer dargestellt wurde, ließe sich nur durch weitere Forschung
zur Abgrenzung der Kontexte erfahren.
Schließlich bietet diese Arbeit Ausgangspunkte und Anregungen
für weitere ikonographische Forschungsbeiträge zur
Historienmalerei um den Themenkreis der klassischen
Geschichte.
Da es in der Regel Zyklen sind, in denen diese Sujets aufgegriffen
werden, können weitere paradigmatische Analysen der
favorisierten Bildthemen die Erkenntnisse zu den historischen
Bedeutungen der Bildrogramme ausbauen.
219
ANHANG
Literarische Quellen
Im folgenden sind die wichtigsten Quellen zur Geschichte Mucius
Scaevolas zitiert, in Übersetzungen aus dem Lateinischen und
Griechischen. Darüber hinaus sind auch Texte angeführt, die für
einige Werke, die in dieser Arbeit untersucht wurden, relevant
waren.
Das Ereignis ist durch verschiedene Autoren überliefert, die
unterschiedliche Schwerpunkte in Aussage und Deutung legen,
was zu verschiedenen Versionen der Sage führte.
I.
Titus Livius. Ab urbe condita , II, 12
"(2) Aber Gaius Mucius, ein vornehmer junger Mann, sah diese
Lage mit Empörung: Die Römer - einst in ihrer Knechtschaft unter
den Königen in keinem Krieg und von keinem Feind belagert wurden jetzt als freies Volk von eben diesen Etruskern belagert,
deren Heere sie so oft geschlagen hatten. (3) Er meinte daher,
man müsse dieser Schmach und Schande durch eine Kühne Tat
ein Ende machen. Zunächst beschloß er, auf eigene Faust ins
feindliche Lager einzudringen. (4) Dann kamen ihm jedoch
Bedenken: Wenn er ohne Befehl der Konsuln ginge und ohne
jemand eingeweiht zu haben, würde er vielleicht von den
römischen Wachen ergriffen und als Überläufer zurückgebracht,
ein Verdacht, der bei der gegenwärtigen Lage der Stadt durchaus
220
berechtigt war. Deshalb wandte er sich an den Senat. (5) »Ich will
über den Tiber gehen, ihr Väter«, sagte er, »und wenn ich kann,
ins Lager der Feinde eindringen. Ich will aber keine Beute
machen und ihnen auch nicht ihre Plünderungen vergelten. Mit
Hilfe der Götter plane ich eine größere Tat.« Die Väter gaben ihre
Zustimmung, Mucius steckte einen Dolch in sein Gewand und
machte sich auf den Weg. (6) Dort angekommen, mischt er sich in
die Menschenmenge, die dichtgedrängt den Stuhl des Königs
umstand. (7) Ein Schreiber saß neben dem König; er trug fast das
gleiche Prunkgewand wie dieser und tat sehr geschäftig. Die
Soldaten traten einer nach dem anderen vor ihn hin. Mucius hatte
Bedenken, sich zu erkundigen, welcher von beiden Porsenna sei,
um sich nicht dadurch zu verraten, daß er den König nicht kannte.
So ließ er sich vom Schicksal die Hand führen und tötete statt des
Königs den Schreiber. (8) Mit dem blutigen Dolch bahnte er sich
den Weg durch die erschrocken zurückweichende Menge. Auf
deren Geschrei lief die königliche Wache herbei, ergriff Mucius
und brachte ihn zurück. Sie ließen ihn vor den Stuhl des Königs
treten, er aber wirkte auch jetzt noch, angesichts seines
drohenden Schicksals, eher furchterweckend als furchtsam. (9)
»Ich bin ein römischer Bürger«, sagte er, »man nennt mich Gaius
Mucius. Als Feind wollte ich einen Feind töten. Aber zum Sterben
habe ich nicht weniger Mut als zum Töten. Tapfer zu sein im
Handeln im Leiden zeichnet den Römer aus. (10) Ich habe auch
nicht als einzelner diesen Anschlag auf dich geplant. Nach mir
kommt eine lange Reihe junger Männer, die nach der gleichen
Heldentat begierig sind. Also wappne dich, wenn es dir beliebt,
gegen diese Gefahr, in jeder Stunde dein Leben aufs Spiel zu
setzen und gegenwärtig zu sein, daß Dolch und Mord im Vorraum
deines Königszeiltes lauern. Wir, die Jugend von Rom, erklären
dir diesen Krieg. (11) Du brauchst keine Schlacht, kein Gefecht zu
fürchten. Du wirst es stets ganz allein nur mit einem einzelnen zu
tun haben.« (12) Der König war von Zorn entbrannt und
erschrocken über die Gefahr; er befahl drohend, Mucius mit
221
Brandfackeln zu umstellen, wenn er nicht sogleich die drohenden
Anschagspläne näher erkläre, auf die er in dunklen Andeutungen
hingewiesen habe. Da erwiderte Mucius: (13) »Schau her, damit
du erkennst, wie wertlos der Körper für die ist, die großen Ruhm
vor Augen haben.« Und er streckte die rechte Hand in das Feuer,
das in einem Opferbecken brannte. Mit einer Festigkeit, als ob er
keinerlei Empfindung habe, ließ er die Hand verbrennen. Da
sprang der König, fast außer sich über diese unglaubliche Tat,
von seinem Sitz auf, ließ den jungen Mann vom Opferfeuer
wegreißen und sprach: (14) »Geh du nur; du bist feindlicher
gegen dich als gegen mich gewesen. Ich würde dich wahrhaftig
zu deiner Tapferkeit beglückwünschen, wenn sie meinem
Vaterland diente. Nun sprech ich dich frei vom Kriegsrecht und
entlass dich unangetastet und ungekränkt von hier.« (15) Darauf
entgegnete Mucius, als wolle er sich für die ehrenvolle
Behandlung erkenntlich zeigen: »Da du die Tapferkeit ehrst, sollst
du zum Dank von mir erfahren, was du mit Drohungen nicht
erreichen konntest. Wir sind 300 adlige junge Männer in Rom, die
sich verschworen haben, auf diese Weise gegen Dich
vorzugehen. (16) Das erste Los fiel auf mich. Die übrigen werden
sich - ganz gleich, wie es dem ersten ergangen sein mag - jeder
zu seiner Zeit einfinden, bis dich das Schicksal einem von ihnen
in die Hand gibt." 571
Livius berichtet dann weiter, daß Porsenna Mucius nach Rom
entließ und daraufhin Friedensverhandlungen mit den Römern
einging. Mucius bekam später wegen seiner verlorenen rechten
Hand den Namen Scaevola.
Livius beschrieb die Heldentat des Mucius Scaevola als Teil der
römischen Geschichte. Es ging ihm um eine
Geschichtsdarstellung von der Stadtgründung an, orientiert an
571
aus: Titus Livius. Ab urbe condita. Liber II. / Römische Geschichte. 2.
Buch. Lateinisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Marion
Giebel. Stuttgart 1987
222
der republikanischen Annalistik und an Polybius. Autoren wie
Valerius Maximus und Plutarch hingegen erwähnen die Legende
um Mucius Scaevola in ihren Exempla-Sammlungen von großen
Griechen und Römern und deren denkwürdigen Taten und
Worten.
II.
Valerius Maximus. Facta et dicta memorabilia. 3. Buch, 3.
"3. Leidensfähigkeit
Mit Heldentaten von Männer und ebenso von Frauen zeigte sich
die Tapferkeit den Blicken der Menschen und forderte die
Leidensfähigkeit auf, nach vorn zu treten; dieser wird von gewiß
keinen schwächeren Wurzeln gehalten, noch mangelt es ihr an
ebenso edler Gesinnung, sondern sie ist der Tapferkeit so
ähnlich, daß sie ihre Schwester, ja ihre Mutter zu sein scheint. /
[...]
(1) Was nämlich paßt besser zu den oben erwähnten Beispielen
als die Tat des Mucius? Weil er darunter litt, daß unsere Stadt von
Porsenna, dem König der Etrusker, in einem schweren und
langen Krieg bedrängt wurde, betrat er heimlich, mit einem
Schwert bewaffnet, dessen Lager und versuchte den vor dem
Brandaltar Opfernden zu töten. Als er aber bei der Ausführung
seines ebenso patriotischen wie tapferen Vorhabens überrascht
wurde, nannte er offen den Grund seines Kommens und zeigte
mit seiner bewundernswerten Gleichgültigkeit gegenüber dem
Schmerz, wie wenig ihm Qualen anhaben konnten. Voller Haß
nämlich legte er - ich glaube - seine rechte Hand, weil sie ihm bei
dem Mordanschlag auf den König den Dienst versagt hatte, auf
den Brandaltar und ließ sie verbrennen. In der Tat betrachteten
die unsterblichen Götter keine ihren Altären erwiesenen
Verehrung mit größerer Aufmerksamkeit. Auch den Porsenna
223
persönlich brachte Mucius dazu, die Gefahr, in der er sich
befunden hatte, zu vergessen und seine Rachegelüste in
Bewunderung umschlagen zu lassen. Er sagte nämlich: »Kehre
zu deinen Leuten zurück, Mucius, und melde ihnen, ich hätte dir,
obwohl du es auf mein Leben abgesehen hattest, das Leben
geschenkt.« Ohne sich für seine Milde zu bedanken, begab sich
Mucius - er war eher traurig über Porsennas Rettung als froh über
die seine - nach Rom zurück und erhielt den Beinamen
»Scaevola«, der ihm ewigen Ruhm eintrug." 572
Für Valerius Maximus dient die Tat als Beispiel von patientia.
Seine Schilderung beschreibt vor allem das Verhalten und die
Haltung von Mucius, das ihn zum Exempel für die
Leidensfähigkeit macht, die starker Wurzeln und edler Gesinnung
bedarf.
III.
Plutarch. Vitae parallelae. Solon/Poplicola, 17.
»Die Tat des Mucius ist von vielen und sehr verschieden
dargestellt; ich will sie so erzählen, wie sie mir am besten
beglaubigt scheint. Er war ein in jeder Hinsicht ausgezeichneter
Mann, vor allem aber durch kriegerische Tüchtigkeit. Er hatte sich
vorgenommen, Porsinna zu töten, und schlich sich ins Lager in
etruskischer Kleidung und etruskisch sprechend. Er ging um das
Tribunal herum, auf dem der König saß, und da er ihn nicht genau
kannte und sich scheute, nach ihm zu fragen, so zog er sein
Schwert und tötete denjenigen von den da Zusammensitzenden,
den er am ehesten für den König hielt. Er wurde ergriffen und
verhört. Da nun dem Porsinna, der eben opfern wollte, ein
572
aus: Valerius Maximus. Facta et dicta memorabilia. / Denkwürdige
Taten und Worte. Lateinisch /Deutsch. Übersetzt und
herausgegeben von Ursula Blank-Sangmeister. Stuttgart 1991.
224
Kohlenbecken mit Feuer gebracht worden war, hielt Mucius seine
rechte Hand darüber, und während sein Fleisch verbrannte, stand
er da und blickte mit trotzigem und unbewegtem Gesicht auf
Porsinna, bis dieser voll Bewunderung ihn freiließ und ihm sein
Schwert vom Tribunal herunter zurückgab. Mucius streckte die
linke Hand aus und nahm es in Empfang, und davon soll er den
Beinamen Scaevola, da heißt Linkshand, bekommen haben.
Dazu sagte er, die Furcht vor Porsinna habe er überwunden, jetzt
aber werde er durch seine Großmut geschlagen und wolle ihm
zum Dank entdecken, was er gezwungen nicht gestanden hätte.
»Dreihundert Römer streifen mit der gleichen Absicht wie ich in
deinem Lager herum und lauern auf eine günstige Gelegenheit.
Ich bin durchs Los bestimmt worden, als erster den Versuch zu
wagen, und zürne meinem Schicksal nicht, daß ich einen edlen
Mann verfehlt habe, der es verdient, lieber ein Freund als Feind
der Römer zu sein.« Porsinna glaubte das und war nun eher zur
Versöhnung geneigt, nicht so sehr, scheint es mir, aus Furcht vor
den dreihundert wie aus Hochachtung und Bewunderung für den
Mut und die edle Gesinnung der Römer. Während alle anderen
Autoren diesen Mann einhellig Mucius und Scaevola nennen,
behauptet Athenodoros, Sandons Sohn, in seiner, der Octavia,
der Schwester des Augustus, gewidmeten Schrift, daß er auch
Postumus (= der Nachgeborene) geheißen habe." 573
Ebenso betont Plutarch die hohe moralische Disposition des
Helden, aber auch seines Gegners Porsenna, der dies großmütig
zu würdigen weiß.
573
aus: Plutarch. Große Griechen und Römer. 6 Bde. München 1979,
'Solon und Poplicola, 17.
225
IV.
Florus, Lucius Annaeus. Epitoma rerum Romanarum, Buch I.,
IIII.10
IIII. The Etruscan War against King Porsenna
10. The first arms which the Roman people took up after the
expulsion of the kings were for the defence of their liberty. For
Porsenna, king of the Etruscans, arrived with a huge army and
was eager to restore the Tarquinii by force. Although he pressed
hard upon them both with arms and with famine and , having
seized the Janiculum, held the very approach to the city, they
withstood and repelled him and finally inspired him with such
admiration that, in spite of his superior strength, he actually
concluded a treaty of friendship with an all but conquered enemy.
It was on this occasion that those three prodigies and marvels of
Rome made their appearance, Horatius, Mucius and Cloelia, who,
were they not recorded in our annals, would seem fabulous
characters at the present day. For Horatius Cocles, finding that he
could not alone drive back the enemies sohe threatened him on
every side, after the bridge had been broken down, swam across
the Tiber without abandoning his arms. Mucius Scaevola by a
stratagem attempted an attack upon the king in his own camp,
and when he was seized after aiming a blow by mistake at his
purple-clad attendants, placed his hand in a blazing fire an by a
crafty device doubled the king's alarm. "Behold," he said, " and
know from what sort of a man you have escaped; three hundred
of us have sworn to attempt the same deed." Meanwhile,
incredible to relate, Mucius was unafraid, but the king was startled
as though his own hand were burning. So much for the valour of
the men; but that neither sex might lack praise, lo and behold,
maidens too showed valour. Cloelia, one of the hostages handed
over to the king, escaped from her guards and swam on
horseback through the river of her native city. The king, indeed,
226
alarmed at all these prodigies of valour, bade the Romans
farewell and told them to keep their freedom. The Tarquinii,
however, continued the struggle until Brutus with his own hand
killed Arruns, the king's son, and fell dead on his voldy from a
wound dealt him by his foe, as though he would pursue the
adulterer even to the infernal regions." 574
V.
Dionysios von Halikarnassos. Antiquitates Romanae, Buch V., 26
"XXVI. After the battle that has been described the king of the
Tyrrhenians, encamping on the neighbouring hill, from whence he
had driven the garrison of the Romans, was master of all the
country on that side of the river Tiber. The sons of Tarquinius an
his son-in-law, Manilius, having transported their forces in rafts
and boats to the other, or Roman, side of the river, encamped in a
strong position. And making excursions from there, they laid
waste the territory of the Romans, demolished their farm houses,
and attacked their herds of cattle when they went out of the
strongholds to pasture. All the open country being in the power of
the enemy and no food supplies being brought into the city by
land and but small quantities even by the river, a scarcity of
provisions was speedily felt as the many thousands of people
consumed the stores previously laid in, which were
inconsiderable. Thereupon the slaves, leaving their masters,
deserted in large numbers daily, and the worst element among
the common peoplewent over to the tyrants. The consuls, seeing
these things, resolved to ask those of the Latins who still
respected the tie of kinship an seemed to be continuing in their
574
aus: Florus, Lucius Annaeus. Epitome of Roman History. With an
English translation by Edward Seymour Forster. Cambridge, Mass.
1984
227
assistance; and also resolved to send ambassadors both to
Cumae in Campania and to the cities in the Pomptine plain to ask
leave to import grain from there. The Latins, for their part, refused
to send the desired assistance, on the ground that it was not right
for them to make war against either the Tarquinii or the Romans,
since they had made their theaty of friendship jointly with both of
them. But Larcius and Herminius, the ambassadors who had been
sent to convey the grain from the Pomptine plain, filled a great
many boats with all sorts of provisions and brought them from the
sea up the river on a moonless night, escaping the notice of the
enemy. When these supplies also had soon been consumed and
the people were oppressed by the same scarcity a before, the
Tyrrhenian, learning from the deserters that the inhabitants were
suffering from famine, sent a herald to them commanding them to
receive Tarquinius if they desired to be rid of both war and
famine." 575
Bei diesem Autor fehlt die Episode der Verbrennung der Hand.
Für den großen Eindruck auf Porsenna genügt die Mitteilung, es
stünden noch 300 Römer für weitere Anschläge bereit.
VI.
M. Valerius Martialis. Epigrammata, 21und 25
21 Mucius Scaevola
Als die rechte Hand den König suchte, sich aber durch den
Leibwächter getäuscht sah, legte sie sich, um zu verbrennen, auf
den heiligen Herd. Doch ein so grausiges Wunder ertrug der edle
Feind nicht: Er riß den Mann von den Flammen weg und befahl
ihm zu gehen: Die Hand, die Mucius, das Feuer nicht achtend,
575
aus: Dionysius of Halicarnassus. Roman Antiquities. With an English
translation by Earnest Cary on the basis of the volumes of Edward
Spelman. 7 Bde, Cambridge/Mass. 1971.
228
verbrennen konnte, die konnte Porsenna nicht ansehen. Größer
sind Ruhm und Ehre der Rechten, die sich getäuscht hat: Hätte
sie sich nicht geirrt, hätte sie weniger vollbracht.
25 Ein Mucius Scaevola, der tapfer ist aus Todesangst
Will dir der Mucius , der seine Hand auf den Herd legt
-erst kürzlich sah man ihn morgens in der Arena standhaft, abgehärtet und tapfer erscheinen,
dann hast du so viel Verstand wie die Leute von Abdera.
Denn sagt man zu jemanden, der das Foltergewand vor Augen
hat:
»Lege in Feuer deine Hand!«, dann bedeutet es mehr, zu sagen:
»Ich tue es nicht.« 576
VII.
Hernando de Soto. Emblemas. / Moralizádas 577
Das Emblem auf S. 24 zeigt einen Holzschnitt mit einem
Soldaten, der seine Hand in eine brennende Fackel hält.578 Es ist
mit dem lateinischen Motto PRODUCIT HISPANIA SCAEUOLAS
überschrieben. Darauf folgt die spanische Übersetzung und das
Epigramm:
"Sceuolas produze España.
Tras seruir como se deue
576
aus: M. Valerius Martialis. Epigrammaton / Epigramme. Lateinisch deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Paul Barié und Winfried
Schindler. Düsseldorf, Zürich 1999.
577
Emblemas. / Moralizádas / per Hernando de Soto, Con / tador y
Veedor del la casa / de Castilla de su / Magestad. / Dirigidas a don
Francisco Gomez de / Sandonal, Duque de Lerma, Mar- / ques de
Denia, & c. / Con Privilegio. / - / en Madrid. / Por los heredos de Iuan
Iñiquee / de Lequerica / 1.5.9.9. (en Madrid), / - / En casa de
Licencia- / do Varez de Castro, / Año de M. D. / X C. IX.
578
Siehe Fig. 3.
229
A muerte fue condenado
Zamora Español soldado
por cierto descuydo leue.
Y viendose en trance tal,
Para que del se admirassen,
Solo pidio le Ileuassen
Aver a su General.
Puesto ante el con osadia
El braço a vna hacha entregò,
Assi Italia conocio
Que España Sceuolas cria." 579
579
abgedruckt in: Henkel/Schöne 1978, Sp. 1066-1067.
230
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Basel 1997
Hans Holbein d.J. Die Druckgraphik im Kupferstichkabinett Basel.
Bearb. von Christian Müller, Kunstmuseum Basel, 14. Mai - 07.
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Berlin 1995
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Brescia 1965
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bearb. von Andor Pigler
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Bearb. von Klára Garas
Budapest 1985
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Hrsg. von Piero Boccardo. Genua, Galleria di Palazzo Rosso 21.
Mai - 23. Aug. 1992. Florenz 1992
Genf 1978
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d'art et d'histoire, 7. April - 1. Okt. 1978
Hamburg 1989
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September - 19. November 1989 zum 200. Jahrestag der
Französischen Revolution, hrsg. von Werner Hofmann. Köln 1989
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trough Nineteenth Centuries. Hrsg. von Jean K. Cadogan. New
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Karlsruhe 1966
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Freunde der Staatlichen Kunsthalle, bearb. von Jan Lauts,
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Karlsruhe 1986
Die Renaissance im deutschen Südwesten zwischen Reformation
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21. Juni - 19. Oktober 1986 2 Bde
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Peter Paul Rubens. 1577 - 1640. Köln, Wallraf-Richartz-Museum,
15. Okt. - 15. Dez. 1977
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Rubens bis Manet. Köln, Wallraf-Richartz-Museum, 30. Okt. 1978
- 10. Jan. 1988, hrsg. von Ekkehard Mai und Anke Repp-Eckert
Köln 1992
Von Bruegel bis Rubens. Das goldene Jahrhundert der
flämischen Malerei. Hrsg. von Ekkehard Mai und Hans Vlieghe.
Köln, Wallraf-Richartz-Museum, 04. September - 22. November
1992
Krefeld 1999
Onder den Oranje boom: Niederländische Kunst und Kultur im 17.
und 18. Jahrhundert an deutschen Fürstenhöfen. Krefeld, KaiserWilhelm-Museum, 18. April - 18. Juli 1999. München 1999
London 1958
The age of Louis XIV. London, Royal Academy of Arts, Winter
Exhibition 1958
London 1992
Andrea Mantegna. London, Royal Academy of Arts, 17. Jan. - 5.
April 1992
283
Lüneburg 1991
Museum für das Fürstentum Lüneburg. Braunschweig 1991
Lüneburg 1997
Alles was Recht ist! 750 Jahre Stadtrecht in Lüneburg.
Lüneburger Rathaus, 28. April - 31. Oktober 1997, hrsg. von
Christian Lamschus, Hilke Lamschus und Uta Reinhardt.
Lüneburg 1997
Mâçon 1960
Musée Municipal de l' hotel de ville, Section des Beaux-Arts,
Catalogue Sommaire
Messina 1992
Museo Regionale. Bearb. von Federico Zeri und Francesca
Campagna Cicala. Palermo 1992
München 1975
Italienische Malerei. München, Alte Pinakothek, Katalog V, hrsg.
von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, bearb. von
Rolf Kultzen
München 1980
Wittelsbach und Bayern. Bd. II, 2: Um Glauben und Reich.
Kurfürst Maximilian I. München, Residenz, 12. Juni - 05. Oktober
1980, hrsg. von Hubert Glaser, München 1980
München 1997
Rom in Bayern. Kunst und Spiritualität der ersten Jesuiten. Hrsg.
von Reinhold Baumstark. München, Bayerisches
Nationalmuseum, 30. April - 20. Juli 1997
284
New York 1986
François Boucher. 1703-1770. New York, Metropolitan Museum
of Art, 17. Feb. - 4. Mai 1986
Nürnberg 1978
Das alte Nürnberger Rathaus. Baugeschichte und Ausstattung
des großen Saales und der Ratsstube. Bd.1, bearb. von Matthias
Mende, hrsg. von der Stadt Nürnberg, Stadtgeschichtliche
Museen, 1979
Nürnberg 1987
Vorbild Dürer. Kupferstiche und Holzschnitte Albrecht Dürers im
Spiegel der europäischen Druckgraphik des 16. Jahrhunderts.
Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, 8. Juli - 10. Sept.
1978. München 1978
Nürnberg 2000
Albrecht Dürer - ein Künstler und seine Stadt. Hrsg. von den
Museen der Stadt Nürnberg und der Albrecht-Dürer-Haus-Stiftung
e.V. Nürnberg, bearb. von Matthias Mende mit Beiträgen von
Rudolf Endres, Franz Machilek und Karl Schlemmer. Nürnberg
2000
Padua 1990
Pietro Paolo Rubens (1577-1640). Hrsg. von Didier Bodart
Padova, Palazzo della Ragione, 25. März - 31. Mai 1990
Padua 1994
Da Bruegel a Goltzius. Specchio dell`antico e de nuovo mondo.
Incisioni fiamminghi e olandesi della seconda metà del
Cinquecento dei Civici Musei di Padova., hrsg. von Caterina
Limentani Virdis u. a., Milano 1994
285
Paris 1971
Venise au dix-huitième siècle. Peintres, dessins et gravures des
collections française. Paris, Orangerie des Tuileries, 21. Sept. 29. Nov. 1971
Paris 1988
Seicento. Le siècle de Caravage dans les collections francaises.
Paris, Galeries nationales du Grand Palais, 11. Okt. 1988 - 02.
Jan. 1989, Paris 1988
Rom 1960
Le case romane con facciate graffite e dipinte. Rom, Palazzo
Braschi, November - Dezember 1960, a cura di Cecilia Pericoli
Ridolfini
Rom 1981
Gli affreschi di Paolo III a Castel Sant' Angelo. Progetto ed
esecuzione 1543-1548. Roma, Museo Nazionale di Castel Sant'
Angelo, 16. Nov. 1981 - 31. Jan. 1982, 2 Bde
Rom 1985
Raffaello e la Roma dei Papi. Hrsg. von Giovanni Morello.
Vatikan, Salone sistino, Jan. - Okt. 1985, Mai - Okt. 1986, Rom
1985
Rotterdam 1999
Hollands Classicisme in de seventiende-eeuwse schilderkunst.
Rotterdamm, Museum Boijmans Van Beuningen, 25. Sept. 1999
bis 09. Jan. 2000, bearb. von Albert Blankert u. a., Rotterdam
1999
286
Rouen 1961
Nicolas Poussin et son temps. Le classicisme français et italien
contemporain de Poussin. Rouen, Musée des Beaux-Arts, April Mai 1961
Saint-Omer 1971
Le Musée-Hôtel Sandelin de Saint-Omer. Bearb. von PhilippeGérard Chabert. Paris 1971
St. Petersburg 1992
The Hermitage. Catalogue of Western European Painting. II.
Venetain Painting. Fourteenth to Eighteenth Centuries. Von
Tamara D. Famichova. Florenz 1992
Udine 1968
Mostra della Pittura veneta del seicento in Friuli. Udine, Chiesa di
S. Francesco, 8. Sept. - 17. Nov. 1968
Udine 1989
Sebastiano Ricci. Di Aldo Rizzi, presentazione di Giuseppe
Bergamini. Udine, Villa Manin di Passariano, 25. Juni - 31. Okt.
1989. Mailand 1989
Utrecht 1986
Holländische Malerei in neuem Licht: Hendrik ter Brugghen und
seine Zeitgenossen. Utrecht, Central Museum, 13. Nov. 1986 12. Jan. 1987. Braunschweig 1986
Venedig 1996
Giambattista Tiepolo. Venedig, Museo del Settecento Veneziano,
6. Sept. - 8. Dezember 1996. Ostfildern-Ruit 1996
287
Versailles 1963
Charles Le Brun 1619-1690. Peintre et Dessinateur. Versailles,
Chateau de Versailles, Juli - Okt. 1963
Washington 1980
Gods, Saints & Heroes. Dutch Paintings in the Age of Rembrandt.
Bearb. von Albert Blankert u. a., National Gallery of Art, 02. Nov.
1980 - 04. Jan. 1981
Wien 1965
Katalog der Gemäldegalerie, I. Teil: Italiener, Spanier, Franzosen,
Engländer. Wien 1965
Wien 1991
Die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien.
Verzeichnis der Gemälde. Wien 1991
Würzburg 1986
Gemäldesammlung des Martin von Wagner Museums der
Universität Würzburg. Bearb. von Volker Hoffmann und Konrad
Koppe. Würzburg 1986
Würzburg 1996
Der Himmel auf Erden. Tiepolo in Würzburg. 2 Bde, hrsg. von
Peter O. Krückmann. München, New York 1996
Wuppertal 1995
Rembrandt, Rubens, Van Dyck... Italiensehnsucht nordischer
Barockaler. Meisterwerke aus dem Museum der Bildenden
Künste Budapest. Hrsg. von Ildikó Ember und Marco Chiarini.
Wuppertal, Von der Heydt-Museum, 30. Juli - 24. September
1995
288
Datenbanken/Internet
Frühe Neuzeit digital
http://www.hab.de/kataloge/de/fnd/datenb.htm
Getty Provenance Index
http://piedi.getty.edu
Base Joconde
http://mistral.culture.fr/documentation/joconde/pres.htm
289
Andrea Garen
17. März 1970 geboren in Emden
05/1989
Abitur in Emden
1990 - 1995
Magisterstudium Kunstgeschichte und
Sprachwissenschaft, Universität
Osnabrück
Zweitstudium Volkswirtschaftslehre,
Universität Osnabrück
10/1996
10/1996 - 9/1999
Koordination des interdisziplinären
Graduiertenkollegs 'Bildung in der
Frühen Neuzeit' der Deutschen
Forschungsgemeinschaft an der
Universität Osnabrück
seit 10/1999
Promotionsstudium Kunstgeschichte,
Universität Osnabrück
seit 03/2002
Kundenmanagement, Die Gläserne
Manufaktur von Volkswagen, Dresden
290
Andrea Garen
Mucius Scaevola vor Porsenna.
Frühneuzeitliche Auffassungen einer römischen Bürgertugend in der europäischen Malerei
vom 15. - 18. Jahrhundert.
Band II: Katalog
Osnabrück: Universitätsbibliothek 2003
Inhalt
Frühe Werke im 15. Jahrhundert
Kat. 1-11
1
Römische Freskenzyklen im 16. Jahrhundert
Kat. 12-16
8
Italienische Freskenzyklen, Repräsentationsräume, Cassoni
Kat.17-35
11
Deutsche Buchillustration im 16. Jahrhundert
Kat. 36-38
14
Schweizer Darstellungen im 16. Jahrhundert
Kat. 39-44
15
Rathausdekorationen und protestantische Bildpublizistik
Kat. 45-50
17
Historienzyklen
Kat. 51-53
20
Niederländische Darstellungen im 16. Jahrhundert
Kat. 54-58
22
Niederländische Darstellungen im 17. Jahrhundert
Kat. 59-68, Fig. 1-2
26
Kat. 69-74, Fig. 3-5
30
Rubens
Rubenskopien
Kat. 75-86
35
Italien im 17. Jahrhundert
Kat. 87-96
38
Frankreich im 17. Jahrhundert
Kat. 97-101
41
17. Jahrhundert, sonstige
Kat. 102-103
42
Norditalien, Venedig 1680-1760
Kat. 104-123
43
Frankreich, 18. Jahrhundert
Kat. 124-130
49
18. Jahrhundert, Deutschland
Kat. 131-136
Fotonachweis
51
53
Frühe Werke im 15. Jahrhundert
1.
Wandschema aus der sogenannten Anticappella im Palazzo Pubblico in
Siena nach Rubinstein 1958, Fig. I
TADDEO DI BARTOLO (ca. 1362/63-nach 1422)
Fresko, 1413/14
Siena, Palazzo Pubblico, Anticapella
Lit.:
Rubinstein 1958 - Böcker-Dursch 1973 - Southard 1979 - Hansen 1989 Roettgen 1996
KATALOG
1
Frühe Werke im 15. Jahrhundert
2.
GHIRLANDAIO (1452-1525)
Fresko
Florenz, Sala dei Gigli im Palazzo Vecchio
Lit.:
Southard 1979 - Rubinstein 1978 - Hegarty 1996
KATALOG
2
Frühe Werke im 15. Jahrhundert
3.
FILARETE, eigentl. Averlino, Antonio di Pietro (1400-1469)
Relief am rechten Flügel der Bronzetür, 1433-45
Rom, St. Peter
Lit.:
Schubring 1923, Anhang III - Buchowiecki 1967, S. 143-144 - Letarouilly
1999, Pl. 54, S. 281-282
KATALOG
3
Frühe Werke im 15. Jahrhundert
4.
FLORENTINISCHER CASSONEMALER
Cassonetafel der Familie Lanfredini
Bichrom, mit Gold gehöht, Holz, 69 x 152 cm, um 1480
Frankfurt/M., Städelsches Kunstinstitut, Inv. 1182
Lit.:
Kat. Frankfurt/M. 1971 - Malke 1982
KATALOG
4
Frühe Werke im 15. Jahrhundert
6.
5.
MOCETTO, Girolamo (um 1458-1531)
Grisaille, Teil einer Kassettendecke aus 25 Kompartimenten
Paris, Musée Jacquemart André
Lit.:
Schubring 1923, cat. 782 - Seznec 1972, S. 130-132
KATALOG
5
nach POLIDORO DA CARAVAGGIO , eigentl. Polidoro Caldara (um 1500-1543)
Kopie eines Teilstückes des Frieses am Palazzo Ricci mit Episoden aus dem
Leben Mucius Scaevolas
Zeichnung, Tinte u. Aquarell, 179 x 630 cm
Rom Gabinetto Nazionale delle Stampe, Inv. F.N. 32741
Lit.:
Marabottini 1969 - Ronen 1974, Abb. 18 - Ravelli 1978, S. 311-326, Abb. 522
Frühe Werke im 15. Jahrhundert
7.
TINTORETTO, Jacopo, eigentlich Jacopo Robusti (1518-1594)
Öl / Lw., polychrom, 39 x 120 cm, um 1545
Wien, Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums, Inv. 2693
Lit.:
Tietze 1948, S. 380, Abb. 41 - Kat. Wien 1965, Nr. 690 -Bernari 1970, cat. 35 - Pallucchini/Rossi 1990, Nr. 97 - Kat. Wien 1991, T. 62
KATALOG
6
Frühe Werke im 15. Jahrhundert
8.
ANONYM, Schule der Romagna
Cassone, 0,29 x 0,88 cm, um 1500
Florenz, Uffizien, Depot II, 144
Lit.:
Schubring 1923, cat. 558
9.
BECCAFUMI, Domenico, eigtl. Domenico di Pace (1481-1551)
Fresko, 1529-35
Siena, Palazzo Pubblico, Sala del Consistoro
Lit.:
Southard 1979, S. 399-413
10.
ANONYM, veronesisch
Cassone, 0,17 x, 0,75 cm, um 1480
Verona, Museo civico, Inv. 389
Lit.:
Schubring 1923, cat. 670
KATALOG
7
11.
MANTEGNA , Andrea (1431-1506)
Grisaille, Lw., 40,7 x 34,2 cm, um 1490
München, Alte Pinakothek, Graph. Slg. Inv. 13792
Lit.:
Kat. München 1975, S. 72-73, Abb. 29 - Lightbown 1986, cat. 139, pl. 168,
Ausst.kat. London 1992, cat. 30
Frühe Werke im 15. Jahrhundert
Römische Freskenzyklen im 16. Jahrhundert
12.
13.
PINTURICCHIO , eigentl. Bernardino di Betto (1454 - 1513)
Fresko, um 1490
Grisaille, Teilmotiv in Deckenmalerei
Rom, Palazzo Della Rovere Colonna, Sala della Fontana, ehem. Loggia
Lit.:
Carli, 1960, S. 32, Taf. 54,55 - Schulz, 1962, S. 45/46 - Rizo 1977/78 - Gatti,
1979 - De Jong, 1987, S. 273-276 - Safarik 1999, S. 88-96
POLIDORO DA CARAVAGGIO , eigentl. Polidoro Caldara (1495/1500 - 1543)
Fresko, ca. 1518 - 31
Grisaille, Teilmotiv innerhalb der Deckenmalerei
Rom, Villa Lante, Salone d`onore
Lit.:
Richter, 1928, Prandi, 1954 - Marabottini, 1969, S. 63-81 - Hartt, 1981, S. 6264, Stenius 1981 - Lilius, 1981 - Keller, 1986 - Beluzzi, 1987 - De Jong, 1987,
S. 459-465 - Pagden, 1989 - Frommel 1989
KATALOG
8
Römische Freskenzyklen im 16. Jahrhundert
15.
14.
SODOMA , eigentl. Giovanni Antonio Bazzi (1477 - 1549)
Fresko, 1508
Teilstück innerhalb der Gewölbedekoration
Rom, Palazzi Vatikani, Stanza della Segnatura im Appartamento Della Rovere
Lit.:
Wind, 1938/39 - Hoogewerff, 1950 - Santi, 1979, S. 22-? - Shearman, 1971 Brock, 1982 - Redig de Campos, 1984 - Ausst.Kat. Rom 1985, S. 51-53 - De
Jong, 1987, S. 378-384
KATALOG
9
Gewölbeschema der Sala della biblioteca in der Engelsburg nach De Jong
1987, cat. 19: Castel Sant'Angelo, S. 388, Bildfeld 9: Mucius Scaevola vor
Porsenna
LUZIO ROMANO
Fresken und Stuck, 1545
Rom, Engelsburg, Sala della biblioteca
Lit.:
Borgatti 1930, S. 350-352 - Lavagnino 1950 - De Jong 1987, cat. 19S. 385402 - Ausst.kat. Rom 1981, S. 18-2
Römische Freskenzyklen im 16. Jahrhundert
16.
LAURETI, Tommaso (1530-1602)
Fresko, farbig 1586
Rom, Konservatorenpalast, Sala dei Capitani
Lit.:
Pietrangeli, 1962 - Brummer und Janson, 1976 - Aikin, 1985 - Tittoni, 1985 - De Jong, 1987, S. 263-272 - Ebert-Schifferer, 1988
KATALOG
10
Römische Freskenzyklen im 16. Jahrhundert
Italienische Darstellungen in Freskenzyklen, Repräsentationsräumen und Cassoni
17.
21.
ANONYM, nach Polidoro da Caravaggio
Fresko, monochrom, ca. 1588
Sabbioneta, Casino Gonzaga (Pal. del Giardino), Sala dei Cesari
Lit.:
Ronen 1974, Abb. 18a
BONFAZIO V ERONESE, eigtl. Bonifazio de Pitati (1487-1553)
New York, Slg. Julius Weitzner
Lit.:
Berenson 1957, Abb. 1145
Weitere Kopien nach den Fresken von Polidoro da Caravaggio finden sich bei
Ravelli 1978.17.
18.
BONFAZIO V ERONESE, eigtl. Bonifazio de Pitati (1487-1553)
Cassone
Öl/Lw., 28 x 89 cm
Venedig, Slg. Viviani
Lit.:
Martini 1992, Kat. 21
20.
BONFAZIO V ERONESE, eigtl. Bonifazio de Pitati (1487-1553)
20 x 53,3 cm
Venedig, Privatsammlung
Lit.:
Martini 1992, Kat. 21, Fig. 39
KATALOG
11
19.
CALIARI, Benedetto (1538-1598)
Handzeichnung
Amsterdam, Rijksmuseum
Lit.:
McTavish1985, Fig.7, 8
22.
CALIARI, Benedetto (1538-1598)
Grisaillefresko
Venedig, Palazzo Mocenigo
Lit.:
Pigler 1974
23.
CAMBIASO, Luca (1527-1587)
Fresko
Genua, ehem. Palazzo Saluzzo
Lit.:
Frabetti 1959, Abb.1
Italienische Freskenzyklen, Repräsentationsräume und Cassoni
24.
27.
CORONA , Leonardo (1561-1605)
Handzeichnung
London, Courtauld Institute of Art, Slg.R.Witt 1725
Lit.:
Tietze-Conrat 1944, pl. CXXXIII, No. 672
FASOLO, Giovanni Antonio (1530-1572)
Deckengemälde, Lw., 1568
ehem. Vicenza, Palazzo Prefettizio, Loggia del Capitaniato
Lit.:
Barbieri 1961, fig. 291
25.
28.
D EL VAGA , Perino (1501 - 1547)
Fresko, 1528
Oktogon am Gewölbescheitel
Genua, Palazzo del Principe, Loggia degli Eroi
Lit.:
Askew, 1956 - Davidson, 1959
GHERARDI, Christofano (1508-1556)
Fresko,
Gemälde am Spiegel der stuckierten Decke
San Giustino, Castello Bufalini
Lit.:
Ronen 1974
26.
29.
FALCONETTO, Giovanni Maria (1468 - 1534)
Mucius Scaevola vor Porsenna im Monatsbild "März"
Fresko, ca. 1516-21
Wandmalerei, Tierkreiszeichenzyklus
Mantua, Palazzo d`Arco, Sala dello Zodiaco
Lit.:
Moretta 1918 - Fiocco 1931 - Redig de Campos 1962 - Tervarent 1963 Buddensieg 1985 - Schweikhart 1985 - Capodieci/ Ilari 1
GIOLFINO, Nicolò (1476-1555)
Cassonetafel
München, Sammlung Drey
Lit.:
Schubring 1925/26, S. 168, Abb. S. 166
KATALOG
12
Italienische Freskenzyklen, Repräsentationsräume und Cassoni
30.
33.
GIOLFINO, Nicolò (1476-1555)
Öl/Holz, um 1555
London, Sotheby
Lit.:
Martini 1992, S. 46, Fig. 26
ROMANO, Luzio
Fresko, Tondo, 1543-50
Rom, Palazzo Stati-Cenci, heutige Bibliothek
Lit.:
De Jong 1987, S. 340-346
31.
34.
MATTIOLI, Girolamo (gest. 1602)
Fresko
Bologna, Palazzo Zani
Lit.:
Pigler 1974
SALVIATI, Giuseppe (um 1520-um 1575)
Handzeichnung, Tinte und Kreide, 204 x 301 mm
Weimar, Staatliche Kunstsammlungen Schlossmuseum, Inv. KK 882
Lit.:
McTavish 1985, Fig. 6
32.
35.
ROMANINO, Girolamo (nach 1485-nach1559)
Zeichnung, 22, 5 x 41, 3 cm
Oxford, Ashmolean Museum
Lit..:
Ausst.kat Brescia 1965, Nr. 124, fig. 210
VERONESE, Paolo (1528-1588)
Handzeichnung
Privatbesitz
Lit.:
Kat. Paris, Rotterdam, Haarlem 1962, pl. LXXXVII
KATALOG
13
Italienische Freskenzyklen, Repräsentationsräume und Cassoni
Deutsche Buchillustration im 16. Jahrhundert
37.
36.
ANONYM
Holzschnitt, bis 1523
Illustration zu den Römischen Historien von Livius, Ausgabe Johannes
Schöffer, Mainz 1523, 1. Buch, fol. 24 v
Lit.:
Pfeiffer, 1961, Taf. 14, Kunze 1993, S. 263
ALDEGREVER, Heinrich (1502-nach 1555)
148 x 103 mm, 1530
Amsterdam, Rijksmuseum, Rijksprentenkabinett
Lit.:
TIB 16, 69 - Ausst.kat. Amsterdam 1986, Kat. 149a
38.
AMMANN, Jost (1539-1591)
Holzschnitt für die Liviusausgabe von Raben, Feyrabend und Hanen Erben,
Frankfurt/M. 1568, S. 247
Lit.:
Boesch 1955, S. 14
KATALOG
14
Deutsche Buchillustration
Schweizer Darstellungen im 16. Jahrhundert
39.
nach HANS HOLBEIN D. J. (1497/98-1543)
Nachzeichnung der Fassade am Hertensteinhaus in Luzern, gemalt von Hans
Holbein d. J. 1517-19
Bleistift, 20,6 x 20,6 cm, 1825
Luzern, Zentralbibliothek
Lit.:
Riedler 1978, S. 15-26 - Bätschmann, 1989, S. 1-4, Abb. 7 - Ausst.kat. Basel
1997, Kat. 25.3 - Klinger/Hoettler 1998, Kat. HH.V.1
KATALOG
15
40.
HOLBEIN, Hans d. J. (1497/98-1543)
Holzschnitt, 18,3 x 12,0 cm, 1516
Titelblatt für den Verlag Johann Froben in Basel; wurde für verschiedene Titel
verwandt.
Lit.:
Hollstein German, vol. XIV, S. 160- 163
Schweizer Darstellungen
42.
BOCKSDORFER, Christoph (1522-1552)
435 x 326 mm
Entwurf für Glasmalerei
Iconclass
42.
EGERI, Karl von (1510/15-1562)
Grisaille, 1543
Stein am Rhein, Rathaus, Stadtscheibe von Aarau
Lit.:
Boesch 1955, S. 146
43.
R INGLER, Ludwig (1535-1605)
Handzeichnung, Feder laviert und aquarelliert, Entwurf für Glasmalerei
München, Staatl. Graph. Slg, Inv. 189
Lit.:
Ganz 1966, Abb.10
41.
ZÜRICHER GLASMALER
Bildscheibe für das Refektorium des Augustinerklosters, 1519
Zürich, Schweizerisches Landesmuseum
Lit.:
Boesch, 1955, S. 144 - 152, Abb. 87
KATALOG
16
44.
STIMMER, Tobias (1539-1584)
Holzschnitt, 107 x 146 mm, für Liviusausgabe 1575
Lit.:
Boesch 1955, S. 146 - TIB 19 (2) 64.18
Schweizer Darstellungen
RATHAUSDEKORATIONEN UND PROTESTANTISCHE BILDPUBLIZISTIK
45.
ANONYM, Marten Jaster?
Lünette im Deckengemälde, um 1529
Mucius Scaevola, Ermordung des Schreibers
Lüneburg, Rathaus, alter Ratssaal, sogenannte Gerichtslaube
Lit.:
Pfeiffer 1961, Taf. 13
KATALOG
17
46.
ANONYM, Marten Jaster?
Lünette im Deckengemälde, um 1529
Lüneburg, Rathaus, alter Ratssaal, sogenannte Gerichtslaube
Lit.:
Pfeiffer 1961, Taf. 19
Rathausdekorationen und protestantische Bildpublizistik
47.
ANONYM nach Dürer
Federzeichnung auf braunem Papier mit Gold gehöht,
auf Holz aufgezogen, 10, 2 cm im Durchmesser
Paris, Cabinet des Dessins du Musée du Louvre,
Inv. Nr. R. F. 5622
Lit.:
Ausst.kat Nürnberg 1978, Kat. 305, Abb. 127c
KATALOG
18
48.
BEHAM, Hans Sebald (1502-1540)
Eisenätzung, 67 x 52 mm, um 1530
London
Lit.:
TIB 15, 81 - Ausst.kat. Nürnberg 1978, Kat. 309a
Rathausdekorationen und protestantische Bildpublizistik
49.
PENCZ, Georg nach Dürer, um 1500-1550
Kupferstich, um 1535
11,5 x 7,3 cm
Germanisches Nationalmuseum, St.n.3753
Lit.:
TIB 16, 74 - Kurzwelly, 1895, S. 42-43 - Bedoire, 1975 - Zschelletzschky,
1975, S. 123, Abb. 70 - Ausst.kat. Nürnberg 1978, Kat. 309, Abb. 134
50.
SCHÄUFELEIN, Hans (1480/85-1538/40)
Holzschnitt, 142 x 151 mm, um 1533
Illustration zu Memorial der Tugend (Der Teütsch Cicero) von Johann von
Schwarzenberg, erschienen in Augsburg bei Heinrich Steiner 1534
Lit.:
TIB 11, 274 - Kat. Nördlingen 1990, Kat. 966
KATALOG
19
Rathausdekorationen und protestantische Bildpublizistik
HISTORIENZYKLEN
51.
BALDUNG, Hans, gen. Grien (1484/85-1545)
Öl/Lindenholz, 98 x 68 cm, 1531
Tafelbild eines Historienzyklus
Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister
Lit.:
Ausst.kat. Karlsruhe 1959, cat. 60, Abb.24 - Kat. Dresden, 1982, S. 98 - von
der Osten, 1983, S. 28, S. 196-203
KATALOG
20
Historienzyklen
HISTORIENZYKLEN
53.
SCHÖPFER, Abraham
Vorzeichnung zu Nr. 52
Bremen, Kunsthalle
Lit.:
Thieme-Becker
52.
SCHÖPFER, Abraham
Öl/Holz, 157 x 120cm, 1533
Teil eines Historienzyklus
Stockholm, Nationalmuseum, Inv. 295
Lit.:
Winzinger, 1975, S. 36/37, 40/41 - Ausst.kat. München 1980, S. 423-426, cat.
682* - Goldberg, 1983, S. 49-51 - Greiselmayer, 1996, S. 73-79
KATALOG
21
Historienzyklen
Niederländische Darstellungen im 16. Jahrhundert
54.
ANONYM
Brüsseler Tapisserie 'Triumpf der Fortitudo', um 1535
San Francisco, M.H. de Young Memorial Museum
Lit.:
McGrath 1997, I, ill. 5
55.
ANTHONISZOON, Cornelis (1499-1556)
Holzschnitt, 54,3 x 37,3 cm (über zwei Blätter) 1536
hrsg. von Jan Ewoutszoon, Amsterdam
Amsterdam, Rijksprentenkabinett
Lit.:
Dubiez 1969 - Heezen-Stoll 1987
KATALOG
22
Niederlande, 16. Jahrhundert
56.
GALLE, Philippe (1537-1612) nach Frans Floris (1516-1570)
Kupferstich, 320 x 423 mm, 1563
Brüssel
Lit.:
TIB 56, 5601, .099.
KATALOG
23
57.
GOLTZIUS , Hendrik (1558-1617)
Kupferstich, 353 x 232 mm, 1586
Teil einer Serie von zehn Blättern mit römischen Helden
Lit.:
Strauss 1977, cat. 233
Niederlande, 16. Jahrhundert
Fig. 1
Emblem aus Symbola Heroica von Claude Paradin und Gabriele Simeoni,
Antwerpen 1563, S. 72v°.
KATALOG
24
Fig. 2
Constantia aus der Prosopographia von Philippe Galle, Antwerpen um 1600,
Nr. 8.
Niederlande, 16. Jahrhundert
58.
NOLE, Colijn de
Kaminfries 1543-45
Kampen, Altes Rathaus, Schepensaal
Lit.:
Casteels 1961, S. 70-71 - Propyläen Kunstgeschichte, Spätmittelalter und
beginnende Neuzeit, S. 280, Abb. 250 - Fischbacher 1993, S. 67
KATALOG
25
Niederlande, 16. Jahrhundert
Niederländische Darstellungen im 17. Jahrhundert
60.
KETEL, Cornelis (1548-1616)
Holzschnitt um 1614
Leiden, Universitätsbibliothek
Lit.:
Heezen-Stoll 1987, Abb. 30
61.
LANSINCK , Berendtszoon
Handzeichnung 1605
Zwolle, Slg. Zebinden
Lit.:
Thieme-Becker
59.
ANONYM
Gemälde
Trippenhuis, Bilderdijkkamer
Lit.:
Snoep 1983, S. 187-211, Abb. 128
KATALOG
26
Niederlande, 17. Jahrhundert
63.
Rembrandt-Schule
Federzeichnung, 20 x 31,2 cm, 1655-61
Paris, Louvre, Inv. 22988
Base Joconde
64.
Rembrandt-Schule
Federzeichnung, 11 x 8,6 cm, 1655-61
Paris, Louvre, Inv. 22920
Base Joconde
62.
LIEVENS, Jan (1606-1674)
Handzeichnung, Feder laviert, 45,5 x 53 cm, um 1626
Leiden, Rijksuniversiteit, Prentenkabinett, Inv. AW 903
Lit.:
Kat. Braunschweig 1979, S. 139
KATALOG
27
Niederlande, 17. Jahrhundert
65.
66.
STOMER, Matthias (1600-nach 1650)
Lw., 125 x 175 cm
Messina, Museo Regionale, Inv. 1082
Lit.:
Ruffo 1916 - Nicolson 1977 - Kat. Messina 1992, Kat. 100 - Fischbacher
1993, S. 68-72, Abb. 6
STOMER, Matthias (1600-nach 1650)
152 x 2,05 m
Sydney, Art Gallery of New South Wales
Lit.:
Fischbacher 1993, S. 68-72, Abb. 7
KATALOG
28
Niederlande, 17. Jahrhundert
68.
ZETTER, Jaques de
Stich, vor 1614
Amsterdam, Rijksprentenkabinet
Lit.:
Heezen-Stoll 1987, Abb. 28
67.
TERBRUGGHEN, Hendrik (1588-1629)
Öl/Lw., 183 x 222 cm, 1625Kunsthandel
Lit.:
Nicolson 1973 - Slatkes 1986, S. 49
KATALOG
29
Niederlande, 17. Jahrhundert
Rubens
70.
69.
RUBENS , Peter Paul (1577 - 1640) oder VAN DYCK , Anthonis (1599-1641)
Zeichnung, 22 cm Durchmesser
London, Britisch Museum, Print Room, Inv. 1860.6.16.135
Lit.:
Wood 1989, Abb. 2 - McGrath 1997, Kat. 45, Abb. 161
KATALOG
30
RUBENS , Peter Paul (1577 - 1640)
Federzeichnung, braune Tinte/Papier, 31,6 x 20,5 cm
Vorzeichnung unten
Berlin, Staatliche Museen Preussischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, Inv.
KdZ 3241, recto
Lit.:
Kat. Berlin 1977, Nr. 27r - Held, 1980, Kat. 286 - Wood, 1989, Abb. 3 McGrath, 1997, Kat. 46a
Rubens
71.
RUBENS , Peter Paul (1577 - 1640)
Öl/Leinwand, 250 x 250 cm, um 1627
Gemälde für den Thronsaal Philips IV.
verschollen, wahrscheinlich 1734 im Alcázar verbrannt
Lit.:
Kat. Budapest 1967, Nr. 749 - Ember, 1977 - Crawford Volk, 1980 - Held,
1980, Kat. 286 - Orso, 1986 - McGrath, 1997, Kat. 46 - Minges, 1998, S. 143150 - Vergara, 1999, S. 45-60
72.
RUBENS , Peter Paul (1577 - 1640)
Öl/Leinwand, 187 x 156 cm, davon oben 22 cm, unten 8cm später angestückt
Werkstattkopie
Budapest, Museum der Bildenden Künste (Szépmüvészeti Múzeum), Inv. 749
Lit.:
Kat. Budapest 1967, Kat. 749 (418) - Ember, 1977 - McGrath, 1997, unter
Kat. 46 als Kopie (1) - Vergara, 1999, S. 45-60
KATALOG
31
Rubens
73.
74.
RUBENSWERKSTATT
Gemälde, monochrom braun mit weiß, rosa und gelb gehöht, 31,1 x 24,5 cm
London, Privatsammlung M. Jaffé
Lit.:
Ember 1977, Abb. 6 - McGrath, 1997, unter Kat. 46 als Kopie (2)
RUBENSWERKSTATT
Ölskizze, 44,7 x 35,5 cm
Moskau, Puschkin Museum, Inv. 334
Lit.:
McGrath, 1997, Kat. 46b
KATALOG
32
Rubens
Fig. 3
Emblem aus Emblemas Moralizádas von Hernando de Soto, Madrid 1599, S.
24, siehe Anhang VII.
KATALOG
33
Rubens
Fig. 4
Fig. 5
COQUES , Gonzales (1614-1684)
Gemälde
Im Hintergrund einer Festgesellschaft hängt ein Gemälde, das eine Kopie von
Rubens' MUCIUS SCAEVOLA VOR PORSENNA darstellt.
Paris, Musée du Petit Palais, Inv. DUT 943
Lit.:
Van der Stighelen, 1994, fig. 7 - McGrath, 1997, unter Kat. 46 als Kopie (5),
fig. 166
HAECHT, Willem van
Öl/Holz, 73 x 104 cm
Rubens Komposition des MUCIUS S CAEVOLA VOR PORSENNA wird als Gemälde
in einem Kabinettbild rechts im Bild gezeigt.
London, South Kensington Museum, Bute Collection
Lit.:
McGrath, 1997, unter Kat. 46 als Kopie (4), Abb. 169
KATALOG
34
Rubens
Rubenskopien
75.
ANONYM, nach Rubens
Öl/Kupfer, 37,5 x 29,5 cm
Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle, Inv. 1997
Lit.:
McGrath, 1997, unter Kat. 46 als Kopie (3) - Kat. Karlsruhe 1966, S. 261-262,
1997
76.
ANONYM, nach Rubens
Leinwand auf Eichenholz geklebt, 30,7 x 26,5 cm
Skizze nach Rubens
Budapest, Museum der Bildenden Künste, Inv. 890
Lit.:
Kat. Budapest 1977, Kat. 7 - Crawford Volk 1980, Abb. 29
78.
ANONYM, nach Rubens
Holz, 66 x 53 cm
verschollen
Lit.:
Mc Grath, 1997, unter Kat. 46 als Kopie (7)
79.
ANONYM, nach Rubens
Leinwand, 63 x 55 cm (oder 76 x 73 cm?)
verschollen
Lit.:
McGrath, 1997, unter Kat. 46 als Kopie (6)
77.
80.
ANONYM, nach Rubens
Gemälde?
verschollen, 1911 im Kunsthandel Julius Böhler, München
Lit.:
Ember, 1977, Abb. 5 - McGrath, 1997, unter Kat. 46b als Kopie
ANONYM, nach Rubens
Zeichnung, 39,2 x 35 cm
Paris, Louvre, Inv. 20343
Base Joconde
KATALOG
35
Rubenskopien
81.
BIE, CORNELIS DE?, nach Rubens
Wasserfarben,
Teil eines Manuskriptes, angefügt einer Kopie von Cornelis de Bie "Het
gulden cabinet oft Schatkamer van de Edele vry schilder-const", Lier 1675
Brüssel, Bibliothèque Royale MS 14648, folio 117r
Lit.:
Van der Stighelen, 1994, S. 117, Anm. 31 - McGrath, 1997, unter Kat. 46 als
Kopie (8)
84.
SCHMUTZER, JACQUES , nach Rubens
Stich, 482 x 468 mm, 1776
nach Studioreplik (jetzt Budapest) dem Prinzen Wenzel Anton Kaunitz, Wien
gewidmet
Lit.:
Rooses, 1977, unter Kat. 808 als Kopie, Abb. 256 - Ember 1977, Abb. 8 McGrath, 1997, unter Kat. 46 als Kopie (15)
82.
85.
HUBER, J OHANN RUDOLF, nach Rubens
Kopie nach Budapester Version, wahrscheinlich im Umkreis des Grafen
Wenzel Anton Kaunitz, der 1776 das Budapester Gemälde erwarb
Basel, Öffentliche Kunstsammlungen
Lit.:
Ember, 1977, Abb. 7
MARCHAND, G, nach Rubens
Stich, 491 x 402 mm, um 1755
Lit.:
McGrath 1997, unter Kat. 46 als Kopie (16)
83.
THULDEN, THEODOOR VAN, zugeschrieben, nach Rubens
Zeichnung, schwarze und rote Kreide, 236 x 220 mm
Paris, Louvre, Inv. 20332
Lit.:
McGrath, 1997, unter Kat. 46 als Kopie (9) - Sérullaz 1978, p.149, no. 165
Base JOCONDE
KATALOG
36
Rubenskopien
86.
LINT, Pieter van (1609-1690)
Öl/Lw., 151 x 200 cm
Budapest, Museum der Bildenden Künste, Inv. 971
Lit:.:
Garas 1969, No. 13, fig. 83
KATALOG
37
Rubenskopien
Italien im 17. Jahrhundert
87.
ANDREANI, Andrea (1548-1610 tätig)
Holzschnitt, chiaroscuro, 211 x 140 mm, 1608
Genf, Musée d'art et d'histoire, cabinet des estampes
Lit.:
Ronen 1974, Abb. 19 - Ausst.kat. Genf 1978
88.
CARLONE, Giovanni Andrea, gen. il Genovese (1590-1630)
Gemälde
ehem. Brescia, Palazzo Avogadri
Lit.:
Ausst.kat. Ansbach 1990
89.
90.
CAVALLINO, Bernardo (1616-1656)
Gemälde/Kupfer, 60 x 85 cm
Fort Worth, Texas, Kimbell Art Museum
Lit.:
Ausst.kat. Fort Worth, Texas 1985, cat. 84, S. 120-23
CARNEO, Antonio (1637-1692)
Öl/Lw., 159 x 234 cm
Udine, Privatslg. Dr. Ferruccio Job
Lit.:
Kat. Udine 1968, cat. 12
KATALOG
38
17. Jahrhundert, Italien
Italien im 17. Jahrhundert
91.
93.
CORTONA , Pietro da (1596-1669)
Fresko, 1633-39
Rom, Palazzo Barberini, großer Saal
Lit.:
Briganti 1982, S. 196-203, Abb. 132
R ICCI, Sebastiano (1659-1734)
Öl/Lw., 134 x 127 cm, ca. 1695
Parma, Gall. Nazionale, Inv. D313
Lit.:
Daniels, L'opera completa, 1976, S. 86, Abb. 8 - Daniels, Sebastiano, 1976,
S. 91-94, cat. 313, fig. 234 - Ausst.kat. Udine 1989, S. 52, cat. 2
92.
94.
GUERCINO, eigentl. Barbieri, Giovanni Francesco (1591-1666)
Öl/Lw., 290 x 282 cm, um 1640
Genua, Palazzo Durazzo Pallavicino
Lit.:
Ausst.kat. Paris 1988, S. 29-39 - Stone 1991, cat. 231
R ICCI, Sebastiano (1659-1734)
Öl/Lw.
ehem. Venedig, Palazzo Sagredo
Lit.:
Daniels, L'opera completa, 1976, S. 142, Abb. 647 - Daniels, Sebastiano,
1976, S. 140-141, cat. 484b
KATALOG
39
17. Jahrhundert, Italien
96.
TREVISANI, Angelo (1669-nach 1753)
Gemälde, 17./18. Jh.
ehem. Rovigo, Palazzo Manfedini
Lit.:
Pigler 1974
95.
ROMANELLI, Giovanni Francesco (1610-1662)
Fresko, 1655/56
Teilmotiv unter mehreren Deckengemälden, Dichtkunst und Geschichte
verkünden die Kriegstaten Roms
Paris, Louvre, Sommerwohnung Anna von Österreichs, Salle de Septime
Sévère
Lit::
Gowing 1994
KATALOG
40
17. Jahrhundert, Italien
Frankreich im 17. Jahrhundert
97.
100.
CORNEILLE, Michel II (1641-1708)
Handzeichnung
Paris, Louvre
Lit.:
Guiffrey/Marcel 1909, 97, No. 2448
POUSSIN, Nicolas (1594-1665)
Zeichnung, 13,2 x 14 cm
St. Petersburg, Hermitage, Inv. 5146
Lit.:
Friedländer/Blunt 1974, cat. 418, pl. 305
98.
L EBRUN, Charles (1619-1690)
Öl/Lw., 96 x 134 cm,1642-1645
Mâçon, Musée des Ursulines
Lit.:
Ausst.kat. London 1958, cat. 123 - Kat. Mâçon 1960, cat.. 27 - Ausst.kat.
Rouen 1961, cat. 43, pl. 24 - Ausst.kat. Versailles 1963, cat. 6 - Montagu
1994, S. 32, Fig. 48
99.
POUSSIN, Nicolas (1594-1665)
Gemälde 1643-45
Moskau, Puschkin Museum
Lit.:
Hoet/Terwesten 1770, III, 190, No. 72
101.
TASSEL , Jean (1608-1667)
Öl/Lw., 120 x 152 cm
Paris, Coll. Heim
Lit.:
Garnier 1968 - Ronot 1990, cat. 107, S. 289-299, pl. XXXIV
KATALOG
41
17. Jahrhundert, Frankreich
17. Jahrhundert, sonstige
103.
SCHÖNFELD, Johann Heinrich (1609-1682/83)
Handzeichnung, Rötel, 17,4 x 23,3 cm, 1670
Wien, Albertina, Inv. 24450
Lit::
Ausst.kat. Ulm 1967, Kat. 135, Abb. 138
102.
SCHÖNFELD, Johann Heinrich (1609-1682/83)
Lw., 90,5 x 120 cm, 1670
Èastalovièe, Schloß, Inv. 5211
Lit.:
Ausst.kat. Ulm 1967, Kat. 83, Abb. 88
KATALOG
42
17. Jahrhundert, Frankreich
Norditalien, Venedig 1680 - 1760
104.
107.
BORROMINI, Paolo Vincenzo, eigtl. Bonomini (1757-1839)
Fresko
Bergamo, Palazzo ex Moretti
Lit.:
Ravelli 1987, Fig. Q
DAMINI, Vincenzo
Lw., 1,648 x 1290 m, um 1725-30
Wadsworth, Atheneum
Lit.:
Cunningham 1964 - Young 1979, S. 76, fig. 14 - Kat. Hartford, Connecticut
1991, S. 132
105.
CARLONE, Carlo (1686-1775)
Öl/Lw., 50 x 83 cm
Straßburg, Musée des Beaux-Arts
Lit.:
Ausst.kat. Ansbach 1990, Kat. 8
106.
C ELESTI, Andrea
Supraporte
Bogliaco (Brescia), Villa Bettoni-Cazzago, Sala da pranzo
Lit.:
Terraroli 1986
KATALOG
43
108.
D IZIANI, Gaspare (1689-1767)
Öl/Lw., 100 x 136 cm, 1750-55
Udine, Privatbesitz
Lit.:
Zugni-Tauro 1971, S. 87-88, Tav. 177,178
109.
D IZIANI, Gaspare (1689-1767)
Öl/Lw., 44,5 x 29 cm, 1750-55
Périgeux, Musée des Beaux-Arts, Inv. M.N.R. 322
Lit.:
Ausst.kat. Paris 1971, cat. 46 - Zugni-Tauro 1971, S. 82-83
Norditalien, Venedig 1680 - 1760
110.
114.
D IZIANI, Gaspare (1689-1767)
GUARDI, Giovanni Antonio (1699-1760)
Lw., 209 x 190 cm
Kopie nach Piazetta, siehe Kat. 38
Oslo, Villa di Bogstad
Lit.:
Pallucchini 1962, fig. 247 - Bortolatto 1974, cat. 33 - Morassi 1984, fig. 116,
cat. 95 - Pedrocco/ Montecuccoli degli Erri 1992, cat. 139, fig. 176
Padua, Palazzo Emo-Capodilista
Lit.:
Pavanello 1981,S. 132-133, Abb. 14
111.
FONTEBASSO, Francesco (1709-1768/9)
Fresko auf Lw. übertragen, 1763
Carate Brianza, Villa Beldosso
Lit.:
Sesler 1978, fig. 4 - Magrini 1988, cat. 89, S. 151-152
112.
FONTEBASSO, Francesco (1709-1768/9)
Zeichnung, 462 x 333 mm
London, Colnaghi
Lit.:
Magrini 1990, S. 178, cat.. 59, fig. 138
113.
FONTEBASSO, Francesco (1709-1768/9)
Zeichnung, 215 x 377 mm
Lit.:
Magrini 1990, S. 191, cat. 162, fig. 63
115.
GUARDI, Giovanni Antonio (1699-1760)
Lw., 110 x 140 cm
Kopie nach Tiepolo, siehe Kat. 39
ehem. Mailand, Privatslg. De Angeli-Frua
Lit.:
Morassi 1952, fig. 87 - Morassi 1984, fig. 112, cat. 92 - Pedrocco/
Montecuccoli degli Erri 1992, cat. 107, fig. 127
116.
PELLEGRINI, Giovanni Antonio (1675-1741)
Öl/Lw., 1,79 x 1,39 cm,
Venedig, Ca' Rezzonico, Inv. 1914
Lit.:
Pignatti 1960, S. 284-286 - Knox 1995, P.415
117.
PELLEGRINI, Giovanni Antonio (1675-1741)
Gemälde, 139 x 98 cm, stark zerstört
Padua, Museo Civico
Lit.:
Knox 1995, P.327
KATALOG
44
Norditalien, Venedig 1680 - 1760
119.
118.
QUAGLIO, Giulio (1668-1751)
Fresko, 1698
Udine, Salone im Palazzo Antonini-Belgrado
Lit.:
Gottdang 1999, S. 43-50, Abb. 6
PIAZETTA , Giovanni Battista (1682-1754)
Öl / Lw., 316 x 302 cm, um 1710
Venedig, Sala im Palazzo Barbaro-Curtis
Lit.:
Pallucchini 1936, S. 194-204 - Ruggeri 1981- Pallucchini 1982, cat. 125 Aikema 1987 - Knox 1992, S. 46-54, Abb. 44, Appendix
KATALOG
45
Norditalien, Venedig 1680 - 1760
120.
QUAGLIO, Giulio (1668-1751)
Fresko, 1714/15
Brescia, Palazzo Martinengo Palatini, Salone di Apollo
Lit.:
Bergamini 1994, S. 229-234, Abb. S. 233
KATALOG
46
Norditalien, Venedig 1680 - 1760
121.
TIEPOLO, Giovanni Battista (1696-1770)
Öl / Lw., 387 x 227 cm
Ermitage, St. Petersburg, Inv. ÃÝ 7473
Lit.:
Moschetti 1939 - Piovene 1968, cat. 48 H - Mariuz 1981 - Knox 1991 - Kat.
Hermitage 1992, Kat. 237 - Gemin/Pedrocco 1995, S. 60-63, 222-223 Barcham 1996 - Centanni 1998 - Christiansen 1998
KATALOG
47
Norditalien, Venedig 1680 - 1760
123.
TIEPOLO, Giovanni Battista (1696-1770)
Ölskizze/Lw., 48,5 x 27 cm, 1725-30
Dijon, Musée Magnin
Lit.:
Kat. Brejon 1980, no. 101 - Kat. St. Petersburg 1992, S. 309, Nr. 237
122.
TIEPOLO, Giovanni Battista (1696-1770)
Öl/Lw., 103,2 x 121,7cm , um 1752
Würzburg, Martin von Wagner-Museum, Inv. F 82/K 137
Lit.:
Ausst.kat. Köln 1987, Kat. 78 - Kat. Würzburg 1986, Kat. 494 Gemin/Pedrocco 1995, Nr. 422 - Ausst.kat.
Würzburg 1996, I, Nr. 84 und II, S. 74-79
KATALOG
48
Norditalien, Venedig 1680 - 1760
Französische Darstellungen im 18. Jahrhundert
125.
BOUCHER, François (1703-1770)
Zeichnung, schw. Kreide gehöht mit weiß, 465 x 378 mm
New York, Coll. Suida-Manning
Lit.:
Ausst.kat. New York 1986, S. 109, Fig. 84
126.
COYPEL , Charles-Antoine (1694-1752)
Handzeichnung
Düsseldorf, Kunstmuseum
Lit.:
Kat. Düsseldorf 1930, Taf. 139, Nr. 756
124.
BOUCHER, François (1703-1770)
Ölskizze/Lw., 60 x 48,5 cm, um 1730
Saint-Omer, Musée Sandelin, Inv. D3
Lit.:
Kat. Saint-Omer 1971 - Ausst.kat. New York 1986, S. 108, cat. 8
Base Joconde
KATALOG
49
18. Jahrhundert, Frankreich
129.
GIRODET DE ROUCY -TRIOSON, Anne, Louis (1767-1824)
Zeichnung 22,3 x 30 cm
Lyon, Musée des Arts Decoratifs, Inv. 5756 A
Lit.:
Base Joconde
130.
L E SUEUR, Bleise-Nicolas (1716-1783)
Handzeichnung, Feder laviert, um 1755
Berlin-Dahlem, Kupferstichkabinett
Lit.:
Berckenhagen 1964, I, Abb. 437
127.
DUMONT, Jacques, gen. Le Romain (1701-1781)
Gemälde 1747
Besancon, Museum, Inv. 166
Lit.:
Thieme-Becker - Locquin 1978
128.
FICHOT, Michel Charles (1837-1903)
Federzeichnung für ein Kaminstück, schw. Tinte/Karton, 16,5 x 25 cm
Troyes, Musée des Beaux-Arts, Inv. D.45.7.646
Lit.:
Base Joconde
KATALOG
50
18. Jahrhundert, Frankreich
18. Jahrhundert, Deutschland
131.
ANWANDER, Johann (1715-1770)
Öl/Lw., 94 x 160 cm, 1750-55
Bamberg, Historisches Museum, Inv. 498D
Lit.:
Schöttl 1962, S. 93Merk 1982, S. 15-18
132.
FEUERLEIN, Peter (1668-1728)
Gemäldetondo, Dm 96 cm, 1726
Ansbach, Galerie der Residenz
Lit.:
Krieger 1966, S. 168, WVZ Nr. 47
133.
HOFMANN, Johann Daniel (1734-1777)
Gemälde 1760
ehem. Frankfurt/M., Schatzungs-Amtsstube im Römer
Lit.:
Thieme-Becker
KATALOG
51
134.
SEEKATZ , Johann Conrad (1719-1768)
Gemälde 1765
ehem. Darmstadt, Altes Schloß, 1944 verbrannt
Lit.:
Bamberger 1916, S. 187, Abb. 51 - Emmerling 1991, S. 155/56, WVZ Nr. 387,
Abb. S. 150
135.
SEEKATZ , Johann, Conrad (1719-1768)
Öl/Lw., 50 x 22 cm
Hôtel Fontmichel, ehemals Hôtel Thoranc, Gartensalon
Lit.:
Emmerling 1991, WVZ Nr. 291
18. Jahrhundert, Deutschland
136.
ZICK, Johann Michael (1702-1762)
Supraporte, Lw., 116 x 137 cm, 1755-60
Bruchsal, Schloß, Musiksaal, Inv. G759
Lit.:
Feulner 1920, S. 35, Anm. 1 - Strieder 1990, S. 228
KATALOG
52
18. Jahrhundert, Deutschland
Fotonachweis
Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt:
Kat. 4
Musée Jacquemart André, Paris:
Kat. 5
Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien:
Kat. 7
Museum der Bildenden Künste (Szépmûvészeti Múzeum), Budapest:
Kat. 86
Martin von Wagner-Museum, Würzburg:
Kat. 122
Schloß Bruchsal:
Kat. 136
KATALOG
53