offenen Brief

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offenen Brief
Göttingen, den 7.3.2016
Wie die Naturkostbranche Fluchtursachen abbauen könnte
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Flüchtlingskrise, aus meiner Sicht die Völkerwanderung ist das aktuelle Thema der letzten 20
Monate. Dass es sich bei dieser Wanderung nicht nur um Menschen handelt die aus Kriegsgebieten
kommen, sondern auch um viele Menschen die aus der wirtschaftlichen Not heraus sich auf den Weg
machen, ist bekannt. In allen Diskussionen wird immer wieder betont, dass wir die Fluchtursachen
bekämpfen müssen. Nach meinem Verständnis heißt das:
zum einen müssen wir dabei helfen, die kriegerischen Auseinandersetzungen zu beenden. Zum
anderen müssen wir dazu beitragen, den Menschen in ihrer Heimat ein menschenwürdiges Leben zu
ermöglichen.
Ein Wert der Naturkostbranche zu Beginn war, dass alle Menschen die in der Wertschöpfungskette
unserer Produkte beteiligt sind, auch von ihrer Arbeit menschenwürdig leben können. Da wir heute
viele Produkte auch aus Ländern beziehen, aus denen die Menschen abwandern, oder wie es heißt,
fliehen, können wir durchaus dazu beitragen, die Fluchtursachen zu bekämpfen.
An dieser Stelle nur ein Beispiel. Wir bekommen zu dieser Zeit viele frische Produkte aus Marokko.
Hier beträgt der Mindestlohn pro Tag, wenn er denn überhaupt gezahlt wird, 63 Dihram, für 44
Stunden in der Woche, 6 Tage die Woche. Das sind zur Zeit ca. 9 € pro Tag. Für die Importeure unter
uns wäre es nicht schwierig bei den Exporteuren eine Erhöhung des Arbeitslohns durch zu setzten.
Es wäre ein einfacher Weg Fluchtursachen zu bekämpfen, und das Geld würde da ankommen, wo es
gebraucht wird. Bei den Mengen, die durch die Naturkostbranche an Bio Gemüse importiert werden,
ca. 5000 t in der Saison nur aus Marokko, würde sich der Preis nur um wenige Cent erhöhen. Das ist
nur ein Beispiel. Wenn wir bei allen Produkten, die von der Naturkostbranche importiert werden,
darauf achten und auch kontrollieren, das die Löhne auch tatsächlich bei den Arbeitern ankommen,
dann wäre das eine echte Bekämpfung von Fluchtursachen. Und Flüchtlinge gibt es zur Zeit laut der
UN ca. 60 Millionen auf der Welt. Doch leider wird auch in unserer Branche der Preis am Markt
gemacht. Er spiegelt nicht mehr den Wert wieder, den das Produkt hat.
Viele Firmen spenden und unterstützen Projekte in verschiedenen Ländern der Welt. Das ist gut,
kommt aber häufig nur indirekt bei den Menschen vor Ort an. Wenn alle Hersteller und Importeure
sich darüber einig wären, Preise für die Produkte zu zahlen, die den Menschen vor Ort ein
menschenwürdiges Leben ermöglichen, dann würde die Biobranche dazu beitragen, wirklich
Fluchtursachen zu bekämpfen. Wenn wir das gut kommunizieren, würden die meisten unserer
Kunden sich damit solidarisieren und wir würden mit Sicherheit eine breite Unterstützung von Seiten
der Bevölkerung erfahren.
Das könnte dazu führen, das auch Edeka und Co. daran nicht vorbeikämen und unserer Idee folgen
würden. Aber wir müssen den Anstoß geben, damit der Stein ins Rollen kommt. Wir haben bewiesen,
dass wir Dinge verändern können, also wo drauf warten wir noch?
Viele Grüße
Hermann Heldberg