Eine glatte Fälschung

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Eine glatte Fälschung
KAPITALANLAGEN
Daytrading
„Eine glatte Fälschung“
Am 8. August war es endlich
vorbei: Die BAFin untersagte der
Private Commercial Office Inc.
(PCO) mit Sitz in Florida und
ihrem Chef Ulrich Engler das
(grenzüberschreitende) Einlagengeschäft.
Hinter dieser formalen Hülle „unerlaubtes Einlagengeschäft“ steckt ein ziemlich
dreistes Strickmuster: Engler präsentierte sich als Daytrader, der mit dem schnellen Kaufen und Verkaufen von Aktien
innerhalb eines Tages nicht nur sich
selbst, sondern auch seine Kunden reich
machen wollte. Die wurden vorzugsweise in Deutschland gesucht, soweit bisher
erkennbar mit einem Schwerpunkt in Bayern, und auch in der Schweiz.
Beteiligt wurde die Kundschaft an den
Geschäften über ein Darlehen an die
PCO mit einer Grundlaufzeit von einem
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FINANZWELT 05.2007
Jahr samt Option zur Verlängerung, das
je nach konkreter Ausgestaltung mit Sätzen in der Größenordnung um 5-7 %
monatlich verzinst werden sollte, was
doch als sportliche Zielvorgabe bezeichnet werden darf. Zumal zu dieser Verzinsung nach den vorliegenden Hinweisen noch eine laufende Provision für den
Vertrieb hinzukam und zwar mit Monatssätzen zwischen 1 und 2,4 %. Rechnet
man den Zins für die Anleger und die
Provision für den Vertrieb zusammen,
erreicht man sehr schnell eine Schwelle
für den Break-even in einer Größenordnung um 100 % jährlich bezogen auf das
Engler genoss bis
vor kurzem noch
ziemlich ungestört die
Sonne Floridas.
eingezahlte Mittel. Kurz: Wer immer die
vier Grundrechenarten beherrscht, hätte
wissen müssen, dass es bei Englers PCO
nicht mit rechten Dingen zugehen kann.
Unter diesem Gesichtspunkt sind denn
auch die enormen Provisionen (im
Extremfall über 25 % p. a.) zu verstehen
– irgendwo an der Grenze zwischen
Schweigegeld und Bestechung. Indes
waren da noch mehr Auffälligkeiten:
„Ulrich Engler startete seine Karriere bei
der UBS Bank in der Schweiz und wechselte dann zur Chase Manhattan Bank,
wo er 21 Jahre beschäftigt war. Zuletzt
bekleidete er dort zehn Jahre lang die
Position des Cheftraders für Derivate und
Bankgarantiehandel. Der 45-jährige
Bankfachwirt für Investment-Banking
widmet sich seit 2002 dem Aufbau seines
eigenen Daytrading-Unternehmens in
Florida. Dabei verfolgt er im Interesse seiner Kunden eine konservative und auf
kontinuierlichen, sicheren Erfolg ausgerichtete Strategie“, heißt es in einer Pressemitteilung aus dem letzten Jahr.
Die Sache hat gleich drei Haken: Der
genannte Bankgarantiehandel ist eine
reine Betrugsmasche, an der sich Chase
nie beteiligt hat, es gab also auch keinen
Cheftrader für Bankgarantiehandel. Wenn
Engler zudem 2002 nach 21 Jahren Tätigkeit bei der Chase Manhattan Bank mit
einer eigenen Firma begonnen hat, dann
hat der Wechsel von UBS zu Chase Anfang
der 80er Jahre stattgefunden. Die UBS
entstand aber erst 1997 durch die Fusion
von Schweizer Bankgesellschaft (SBG)
und Schweizer Bankverein (SBV) - was
1980, 81 oder 82 niemand auf der Rechnung haben konnte, vom neuen Namen
ganz zu schweigen. Chase Manhattan hat
gegen Engler sogar inzwischen Klage
erhoben wegen des Missbrauchs des
Namens. Engler hat nach Chase-Aussagen nie für die US-Bank gearbeitet.
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KAPITALANLAGEN
„Vermittler müssen auch das Strafrecht fürchten“
Ein Gespräch mit dem auf US-Fälle spezialisierten Frankfurter Anwalt Stefan Winheller von der Frankfurter
Kanzlei Winheller Rechtsanwälte über die Konsequenzen für die Vertriebe von Englers Produkten.
FINANZWELT: Herr Winheller, kann sich
der Vertrieb nur durch einfaches Vermitteln
von Anlagen überhaupt schon strafbar
machen?
WINHELLER: Das Kreditwesengesetz
(KWG) schreibt in § 54 vor, dass jeder, der
Finanzdienstleistungen erbringt, dafür eine
Erlaubnis der BAFin braucht. Wenn die nicht
vorliegt, macht sich der Vertrieb strafbar.
FINANZWELT: Gilt das auch, wenn – wie
im Fall Engler – formal nur ein einfaches
Darlehensgeschäft vermittelt wird?
WINHELLER: Die Vermittlung der Engler“Produkte“ ist als so genannte „Drittstaateneinlagenvermittlung“ anzusehen. Damit ist
die Vermittlung von Einlagen für Unternehmen
mit Sitz außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) gemeint, was unter die
oben genannten „Finanzdienstleistungen“
fällt. Da besteht eine Erlaubnispflicht.
FINANZWELT: Wo können Anleger
Näheres über „ihre“ Vermittler erfahren?
WINHELLER: Auf der Internetseite der
BAFin (www.bafin.de) können unter „Datenbanken“ alle Banken und sonstwie durch
die Aufsicht zugelassene Finanzdienstleister
eingesehen werden. Auch der Bundesanzeiger (www.ebundesanzeiger.de) vermerkt
die Zulassungen.
Solche Ungereimtheiten wecken Misstrauen und tatsächlich tauchten vor
allem in den verschiedenen InternetForen (Wallstreet-online, Candletalk oder
Focus-online) auch sehr schnell weitere
Punkte auf, die das Misstrauen verstärkten: Dort veröffentlichte Unterlagen
lassen es zweifelhaft erscheinen, ob Engler überhaupt Börsengeschäfte macht: So
ließ er sich sensationelle Gewinne ausweisende Abrechnungen für die PCO
bescheinigen – bezogen auf Jahre, in
denen die Firma nach Auskunft der USRegister ohne Geschäftstätigkeit ruhte.
Von Engler angegebene Kaufkurse für
seine Geschäfte passen nicht zur Kursstatistik und selbst innerhalb der veröffentlichten Abrechnungen seiner Portfolios fanden sich Widersprüche.
Ein wenig Licht in diese Unklarheiten
brachte das Urteil (Az.: 608 KJs 1/07)
der Großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg gegen einen „Partner“
Englers: Den dort festgehaltenen Tatsachenfeststellungen zufolge nutzte Engler seine PCO Inc. auch noch zu anderen
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Stefan Winheller
FINANZWELT: Wie ist Ihr Recherchestand in dieser Sache?
WINHELLER: Soweit wir bislang sehen
können, haben die für Engler tätigen Vermittler in der Regel keine Erlaubnis der
BAFin. Soweit sie fahrlässig gehandelt
haben, haben sie sich auch strafbar gemacht
und müssen mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft rechnen. Etwaige Strafen liegen
bei Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder
einer Geldstrafe. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft könnten die Durchsetzung von
Schadenersatzansprüchen natürlich sehr
erleichtern, weil die Strafverfolgung sehr viel
bessere Möglichkeiten hat, Beweise zu
beschaffen.
Geschäften zusammen mit seinem Komplizen H.. Demnach verkauften die beiden nicht-existente Erotikseiten im
Internet, für die teilweise nicht einmal
die Domains gesichert waren, vom
Fleisch auf diesen rechtlichen Knochen
ganz zu schweigen. Im Angebot hatten
sie auch Beteiligungen an der Startfinanzierung für eine „Offshore-Bank“,
für die auch eine Banklizenz vorgezeigt
wurde – des „Dominions of Melchizedek“, ein karibisch klingender Phantasiestaat. Dass unter solchen Umständen
auch noch die Wandelanleihe auf einen
wirtschaftlich inhaltsfreien Firmenmantel an einen Anleger verkauft
wurde, ist nach alledem auch keine
Überraschung mehr. Unterm Strich
ergab das eine Haftstrafe ohne Bewährung für Englers Komplizen, bei dem
auch einschlägige Vorstrafen ins
Gewicht fielen. Engler genoss dagegen
bis vor kurzem noch ziemlich ungestört
die Sonne Floridas, da sich die US-Behörden nur in Ausnahmefällen für deutsche
Bösewichter interessieren, solange
unter ihren Opfern keine US-Bürger
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sind. Da ist die Hamburger Staatsanwaltschaft wohl schon neugieriger,
deren Ermittlungen gegen Engler unter
dem Aktenzeichen 3190 Js 28 / 06 laufen. Aufgrund des genannten Urteils ist
wohl ein dringender Tatverdacht gegeben und der Auslandswohnsitz und besitz ein massives Indiz für Fluchtgefahr, was nach Meinung einschlägig
bewanderter Juristen ziemlich sicher zu
U-Haft für Engler führen würde. Wäre er
in Deutschland, landete er wohl relativ
schnell hinter Gittern. In den USA ist er
aber - wenigstens offiziell - auch nicht
mehr anzutreffen: Nach Angaben seiner
Anwälte in dem von Chase Manhattan
in den USA betriebenen Verfahren ist
Engler seit Mitte August wegen dringender geschäftlicher Angelegenheiten
nach Deutschland gereist. Daher war
auch die Redaktion nicht in der Lage, bei
Engler nach einer Stellungnahme zu fragen. Allerdings scheint auch nur noch
die Frage interessant, wie viel von dem
eingesammelten Geld noch für die angeordnete Rückabwicklung zur Verfügung
steht. Die mittlerweile ebenfalls aktiv
gewordenen Strafverfolger in BadenWürttemberg vermuten ein Schneeballsystem und haben mit Festnahmen der
Köpfe der Vertriebsstruktur in Deutschland begonnen. Sie machen sogar
Anstalten, Engler selbst gegebenenfalls
in den USA auf den Pelz zu rücken und
haben einen internationalen Haftbefehl
erwirkt.
Unterdessen sind die am Standort
Deutschland aktiven Helfer Englers
ziemlich rührig. Zunächst scheinen
zumindest einige von ihnen die BAFinAnordnung zur Rückabwicklung unterlaufen zu wollen, indem sie offenbar für
eine Fortsetzung der Anlage bei der
PCO werben: „Man kann schließlich
niemandem verbieten, sein Geld bei
Engler anzulegen“, wurde uns aus diesem Kreis heraus erklärt. Zugleich
wurde auch die Legendenbildung angeschoben, die im Kern auf die bösen Banken und ihre übermächtige Lobby zielt,
die sich ihre guten Daytrading-Erträge
nicht durch die Konkurrenz Englers (so
eine Art Robin Hood des Kapitalmarktes) nehmen lassen wollten. Als Beleg
wurde ein Artikel aus dem Berliner
Kurier herumgereicht. Auch dieses
Papier war „eine glatte Fälschung“, wie
Jan Schmidt, Chef vom Dienst beim
Berliner Kurier, umgehend bestätigte.
MARTIN KLINGSPORN