Schwerbehinderte Menschen und ihr Recht
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Schwerbehinderte Menschen und ihr Recht 2 I MPRESSUM Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar Herausgeber: Arbeitskammer des Saarlandes, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, Fritz-Dobisch-Straße 6-8, 66111 Saarbrücken, Telefon (06 81) 4005-0, Telefax (06 81) 4005-411 E-Mail: [email protected] Internet: www.arbeitskammer.de Bearbeitung: Thomas Jacobi, Agentur für Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz Redaktion: Harald Schiffer Titel: Kurt Heinemann, 66333 Völklingen Herstellung: Merziger Druckerei und Verlag GmbH und Co. KG, Gewerbegebiet Siebend, 66663 Merzig 22. Auflage: 600.001 - 620.000 Gedruckt auf Recyclingpapier Arbeitskammer des Saarlandes Mitglied im Umweltpakt Saar Kostenlos für Mitglieder der Arbeitskammer, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Saarland. Preis für andere Besteller: 7 € zuzüglich Portokosten ISBN 3-88968-238-3 3 V ORWORT Arbeit ist für behinderte Menschen ein wichtiger Schritt zu gesellschaftlicher Integration. Und doch sind gerade sie unverhältnismäßig hoch von Arbeitslosigkeit betroffen, in den letzten Jahren sank die Beschäftigungsquote stetig. Wie alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehen sich auch behinderte Menschen erhöhten Anforderungen im Arbeitsleben ausgesetzt. Umso wichtiger ist ein Rechtsrahmen zum Schutz behinderter und schwerbehinderter Menschen. Oft ist es schlichte Unkenntnis einschlägiger Gesetzesvorschriften und unterstützender Hilfen, die den behinderten Menschen das Arbeitsleben erschwert. Aufgabe der Broschüre „Schwerbehinderte Menschen und ihr Recht“ ist es, behinderten Menschen und ihren Angehörigen die ihnen zustehenden Rechte zu erläutern und aufzuzeigen, wohin sie sich mit ihren Problemen wenden können. Anleitung sein für ihre Arbeit als Interessenvertreter will die Broschüre darüber hinaus Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen, Betriebs- und Personalräten sowie den Mitarbeitervertretungen. Die Broschüre „Schwerbehinderte Menschen und ihr Recht“, eine der am stärksten nachgefragten Publikationen der Arbeitskammer des Saarlandes, wurde auf die neuesten Rechtsänderungen hin überarbeitet. Das Schwerbehindertenrecht ist seit dem 1. Juli 2001 als Teil 2 des Neunten Buches in das Sozialgesetzbuch (SGB IX) eingeordnet. Durch das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwer behinderter Menschen vom 23. April 2004 und in engem Zusammenhang mit der Dritten Verordnung zur Änderung der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung vom 16. Januar 2004 zuletzt geändert durch Artikel 460 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) ist dieses Recht in einer Vielzahl von Punkten erneut geändert worden. Das novellierte Sozialgesetzbuch IX soll Arbeitgeber motivieren, mehr behinderte und schwerbehinderte Menschen auszubilden und zu beschäftigen. Hierdurch soll es gelingen, die betrieblichen Ausbildungsmöglichkeiten für behinderte und schwerbehinderte Jugendliche zu verbessern und die Zahl der schwerbehinderten Beschäftigten auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhöhen. Aus den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit“ drucken wir einen Auszug ab. Für Fragen stehen die Arbeitskammer des Saarlandes, die Integrationsämter sowie das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz zur Verfügung. Saarbrücken, im Oktober 2007 Hans Peter Kurtz Vorsitzender des Vorstandes Horst Backes Hauptgeschäftsführer 4 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT 1 Schwerbehindertenrecht Sozialgesetzbuch IX/ Änderungen im Überblick. . . . . . . . .13 1.1 Benachteiligungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 1.2 Neue Zugangsmöglichkeiten zur gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16 1.3 Was ändert sich an der Rente 2007? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 1.4 Mehr Geld für Rentner – Was bringt die Rentenerhöhung dem Einzelnen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23 1.5 Diskriminierung schwerbehinderter Menschen abgeschafft . . . .23 1.6 Neues zum Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 1.7 Änderungen und Neuregelungen im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum 1. Januar 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27 1.8 Neue Sachbezugswerte für 2007 und 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28 1.9 Belange behinderter Menschen und Sozialhilfe . . . . . . . . . . . . . . .29 1.10 Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz . . . . . . . . . . . .30 2 Berechtigter Personenkreis 2.1 Wer ist schwerbehindert im Sinne des Gesetzes? . . . . . . . . . . . . 31 2.2 Wer ist Gleichgestellter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31 2.2.1 2.2.2 Wo ist die Gleichstellung zu beantragen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31 Was gilt für Gleichgestellte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32 2.3 Was bedeutet „Grad der Behinderung”? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.4 Wer stellt den Grad der Behinderung fest? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 Sind weitere Feststellungen erforderlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33 Bescheide oder Entscheidungen, die der Feststellung dienen . . . . . . . 33 Feststellung des Gesamt-Grades der Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . .34 Wo ist die Feststellung zu beantragen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 Was müssen Ausländer und Grenzarbeitnehmer beachten? . . . . . . . . . 35 Hinweise, Anträge, Bescheide und Bescheinigungen des Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 Nachweise für Beförderung im Nahverkehr und Kfz-Steuerermäßigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.4.7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31 5 I NHALT 2.5 Gültigkeitsdauer des Ausweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37 2.6 Ende des Schutzes für schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.7 Entziehung der besonderen Hilfe für schwerbehinderte Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39 2.8 Rechtsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.9 Allgemeine amtliche Hinweise des saarländischen Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz .40 3 Der behinderte Mensch am Arbeitsplatz 3.1 Der Arbeitsplatz muss stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 Eignungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54 Anforderungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Auswahl des geeigneten Arbeitsplatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55 Arbeitsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .56 3.2 Beispiele der an einen Arbeitsplatz für behinderte Menschen zu stellenden Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3.3 Aufgaben des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 Benachteiligungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 Behindertengerechte Gestaltung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .61 Zuschüsse bei Integrationsamt, Agentur für Arbeit oder Rehabilitationsträgern beantragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62 Bevorzugte Förderung der beruflichen Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3.4 Freistellung von Mehrarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62 3.5 Anspruch auf Zusatzurlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3.5.1 3.5.2 3.5.3 Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Saarländische Sonderregelung über Zusatzurlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Zusatzurlaub bei Herabsetzung des Grades der Behinderung . . . . . . . .66 3.6 Einstellung, Urlaubsentgelt, Urlaubsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.6.1 3.6.2 3.6.3 Pflichten bei Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .67 Urlaubsentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Urlaubsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.7 Die Schwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69 3.7.1 3.7.2 In welchen Betrieben und Dienststellen ist sie zu wählen? . . . . . . . . . . 70 Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 . . . . . . . . . . . . . . . 54 6 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT 3.7.3 3.7.4 3.7.5 Rechte zur Durchführung ihrer Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Persönliche Rechte und Pflichten der Vertrauenspersonen . . . . . . . . . . 74 Information und Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4 Kündigungsschutz für schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.1 Zustimmung des Integrationsamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .79 4.2 Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .80 4.3 Geschützter Personenkreis, Ausnahmen vom Sonderkündigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.4 Beginn des besonderen Kündigungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . 82 4.5 Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.6 Außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4.7 Verfahren und Entscheidung des Integrationsamtes . . . . . . . . . . 85 4.8 Rechtsmittel nach Kündigung, Arbeitsangebot . . . . . . . . . . . . . . . 87 4.9 Beendigungsschutz bei teilweiser Erwerbsminderung, Erwerbsminderung auf Zeit und Berufsunfähigkeit . . . . . . . . . . . 89 5 Hilfen im Arbeitsleben 5.1 Das Integrationsamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 5.1.1 5.1.2 5.1.3 Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Durchführung der Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Berufsbegleitende Dienste des Integrationsamtes zur Betreuung schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 5.2 Die Bundesagentur für Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 5.2.1 5.2.2 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Umsetzen der Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 5.3 Finanzielle Anreize für Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 … zur Schaffung neuer Arbeitsplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 … zur Förderung der Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 … zur Probebeschäftigung behinderter Menschen . . . . . . . . . . . . . . . .97 … zur Sicherung der Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Saarländisches Schwerbehinderten-Sonderprogramm . . . . . . . . . . . . . . 99 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 7 I NHALT 6 Praktische Tipps für Behinderte 6.1 Nachteilsausgleiche bei Einkommen- bzw. Lohnsteuer . . . . . . . 101 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.6 6.1.7 6.1.8 6.1.9 Pauschbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Rückwirkende Anerkennung oder Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Pauschbeträge für behinderte Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Berücksichtigung behinderter Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Betreuungsfreibetrag für behinderte Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .103 Eintrag auf der Lohnsteuerkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Abgelten außergewöhnlicher Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Nachweis der Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .105 Inanspruchnahme eines Pauschbetrages nach dem Tode eines behinderten Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .105 6.2 Nachteilsausgleiche bei Fahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .106 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.8 Befreiung bzw. Ermäßigung von der Kraftfahrzeugsteuer . . . . . . . . .106 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .106 Privatfahrten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .107 Hilfen bei Anschaffung und Umrüstung von Kraftfahrzeugen, Fahrerlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .108 Gebührennachlass bei TÜV, Straßenverkehrsbehörde . . . . . . . . . . . . .109 Parkerleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .110 Befreiung von der Gurtanschnallpflicht und der Schutzhelmpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .113 Beitragsermäßigung bei Automobilclubs und Versicherungen . . . . . .114 6.3 Nachteilsausgleiche im Personenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115 6.3.1 6.3.2 6.3.3 Freifahrt im öffentlichen Nahverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115 Unentgeltliche Beförderung: Begleitperson, Gepäck, orthopädische Hilfsmittel, Führhund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .117 Preisermäßigung bei Flugverkehrsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . .118 6.4 Nachteilsausgleiche rund ums Haus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119 6.4.1 6.4.2 Gekürzter Einheitswert für die Grundsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119 Wohnungsbaufinanzierung und Wohngeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119 6.5 Weitere Nachteilsausgleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .120 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.5.5 6.5.6 Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .120 Vergünstigungen im Telefondienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .121 Förderung der Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .121 Ermäßigter Eintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .122 „Studium und Behinderung” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .122 Vergünstigungen beim BAföG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .122 6.2.5 6.2.6 6.2.7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 8 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT 6.5.7 6.5.8 6.5.9 Befreiung vom Wehr- und Zivildienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .123 Ferienführer, Stadtführer, Urlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .123 Befreiung von der Hundesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .124 7 Anspruch auf Selbstbestimmung und Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben . . . . . . . . . . . . . .125 7.1 Leistungen zur Teilhabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126 7.1.1 7.1.2 7.1.3 Medizinische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126 Teilhabe am Arbeitsleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126 Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen . . . . . . . . . .126 8 Träger der Leistungen zur Teilhabe 8.1 Gesetzliche Krankenkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .130 8.2 Bundesagentur für Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .130 8.3 Träger der gesetzlichen Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . .130 8.4 Träger der Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .130 8.5 Träger der Kriegsopferversorgung, Kriegsopferfürsorge . . . . . .130 8.6 Träger der Sozialhilfe, öffentlichen Jugendhilfe . . . . . . . . . . . . . .130 9 Zuständigkeit, Auskunft und Beratung 10 Phasen der Rehabilitation 10.1 Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .133 10.1.1 10.1.2 10.1.3 10.1.4 Erste Phase: Medizinische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .133 Zweite Phase: Überleitung in die berufliche Rehabilitation . . . . . . . 133 Dritte Phase: Berufliche Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .133 Vierte Phase: Eingliederung, Wiedereingliederung in Betrieb oder Verwaltung (Soziale Rehabilitation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .134 11 Rechtsvorschriften über die Sozialversicherung behinderter Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136 11.1 Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136 11.1.1 Neue Zugangsmöglichkeiten zur gesetzlichen Krankenversicherung .136 11.2 Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .140 11.3 Geringfügige Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .130 . . . . . . . . . . . . . . . .131 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .133 9 I NHALT 12 Krankenversicherung 12.1 Befreiung von Zuzahlungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .144 12.1.1 12.1.2 12.1.3 Zuzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .145 Belastungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .145 Generelle Befreiung und Befreiung von Zuzahlungen oberhalb der Belastungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .147 13 Pflegeversicherung 13.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149 13.2 Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149 13.2.1 13.2.2 Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . .149 Mitgliedschaft in der privaten Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . .150 13.3 Beitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .150 13.3.1 13.3.2 13.3.3 Beitragsatz, Beitragsbemessungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .150 Wer zahlt den Beitrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .151 Beitragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .152 13.4 Begriff der Pflegebedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .152 13.4.1 13.4.2 13.4.3 13.4.4 13.4.5 13.4.6 13.4.7 13.4.8 Wer stellt die Pflegebedürftigkeit fest? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .152 Pflegestufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .152 Leistungen der häuslichen Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .153 Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson . . . . . . . . . . . . .154 Pflegehilfsmittel und technische Hilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .154 Teilstationäre Pflege, Tages- und Nachtpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Kurzzeitpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .155 Vollstationäre Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .156 13.5 Leistungen zur sozialen Sicherung von Pflegepersonen . . . . . 157 13.5.1 13.5.2 Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Sonstige Leistungen zur Sicherung der Pflegepersonen . . . . . . . . . . . 158 13.6 Beratung und rechtliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .159 14 Betreuungsgesetz 15 Rentenversicherung 15.1 Erwerbsminderungsrente, Altersrente für schwerbehinderte Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .161 15.2 Änderungen im Rentenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .163 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .144 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .160 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .161 10 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT 15.3 Berücksichtigungszeiten und Beitragszahlung bei Pflege von Pflegebedürftigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .164 15.4 Auskünfte, Rentenantragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .164 16 Sonstige Ansprüche auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .165 17 Blindheitshilfe 17.1 Gewährung einer Blindheitshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .167 17.2 Verhältnis Blindenhilfe zur Blindheitshilfe oder zum Landesblindengeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .169 17.3 Blindengeld und verwandte Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .170 17.4 Infos und Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .170 18 Adressen 19 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch 20 Schwerbehindertenausweisverordnung 21 Ausgleichsabgabeverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .244 22 Kraftfahrzeughilfeverordnung 23 Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .167 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .176 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178 . . . . . . . . . . . . . . .240 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .254 . . . .257 11 A BKÜRZUNGSVERZEICHNIS Abs. AGG AngKSchG AHB ArbZRG ASiG AVG Az Absatz Allgemeines Gleichstellungsgesetz Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten Anschlussheilbehandlung Gesetz zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit Angestelltenversicherungsgesetz Aktenzeichen BA BAföG BAG BeamtVG BetrVG BG BGB BGBl. BGG BKGG BPersVG BSeuchG BUrIG BVG Bundesagentur für Arbeit Bundesausbildungsförderungsgesetz Bundesarbeitsgericht Beamtenversorgungsgesetz Betriebsverfassungsgesetz Berufsgenossenschaft Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen Bundeskindergeldgesetz Bundespersonalvertretungsgesetz Bundesseuchengesetz Bundesurlaubsgesetz Bundesversorgungsgesetz DRV DRV Deutsche Rentenversicherung (Name des jew. Bundeslandes) Bund Deutsche Rentenversicherung Bund ErbStG EStDV EStG Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Einkommensteuerdurchführungsverordnung Einkommensteuergesetz f ff folgende fortfolgende GdB GebOSt gem. ggfs. GMBI-Saar Grad der Behinderung Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr gemäß gegebenenfalls Gemeinsames Ministerialblatt Saar HAG HHG Heimarbeitsgesetz Häftlingshilfegesetz KOV KschG Kriegsopferversorgung Kündigungsschutzgesetz 12 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR MdE MuSchG Minderung der Erwerbsfähigkeit Mutterschutzgesetz o. ä. OEG oder ähnlich Opferentschädigungsgesetz RdErl RVO Runderlass Reichsversicherungsordnung s. SaarSoSchwb SGB V SGB VI SGB IX SGB X SGB XI SGB XII SPersVG StVO SVG siehe Richtlinien für die Durchführung des Saarländischen Sonderprogramms zur Eingliederung Schwerbehinderter auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung Seite Sozialgesetzbuch, 1. Buch – Allgemeiner Teil Sozialgesetzbuch, 2. Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende Sozialgesetzbuch, 3. Buch – Arbeitsförderungsrecht Sozialgesetzbuch, 4. Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung Sozialgesetzbuch, 5. Buch – Gesetzliche Krankenversicherung Sozialgesetzbuch, 6. Buch – Gesetzliche Rentenversicherung Sozialgesetzbuch, 9. Buch – Schwerbehindertenrecht Sozialgesetzbuch, 10. Buch – Verwaltungsverfahren Sozialgesetzbuch, 11. Buch – Pflegeversicherungsgesetz Sozialgesetzbuch, 12. Buch – Sozialhilferecht Saarländisches Personalvertretungsgesetz Straßenverkehrsordnung Soldatenversorgungsgesetz u. ä. und ähnliche vgl. v. H. VStG vergleiche vom Hundert Vermögensteuergesetz z. B. ZDG zum Beispiel Zivildienstgesetz SchwbAV S. SGB l SGB II SGB lll SGB IV R ECHT 13 Ä NDERUNGEN IM Ü BERBLICK 1 Sozialgesetzbuch IX – Änderungen im Überblick 1.1 Benachteiligungsverbot Das Benachteiligungsverbot nach § 81 Abs. 2 SGB IX wurde im August 2006 im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gesetzlich neu geregelt (vgl. 3.3.1 Benachteiligungsverbot, Seite 60 f.). 1.1.1 Ein langer Weg vom Antidiskriminierungsgesetz (ADG) bis zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geht zurück auf den ursprünglichen Gesetzentwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz vom 16. Dezember 2004 (BTDrucksache 15/4538) und war Ausfluss der Forderung der EU zur Umsetzung verschiedener europäischer Vorgaben, die in mehreren unterschiedlichen Richtlinien Gleichbehandlungsgrundsätze für die Mitgliedstaaten verbindlich vorschrieben. Das Antidiskriminierungsgesetz (ADG) wurde am 17. Juni 2005 „bis auf Weiteres“ vertagt, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) trat am 18. August 2006 in Kraft. Nach Verabschiedung des ADG durch den Bundestag vertagte der durch den Bundesrat angerufene Vermittlungsausschuss das ADG, so konnte dieses Gesetzgebungsprojekt zunächst nicht in Kraft treten. Anfang Mai 2006 legte das Bundesministerium der Justiz einen Entwurf vor für ein „Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung”. Es ist in 4 Artikel gegliedert. • • • • Artikel 1 enthält das eigentliche Gesetz zum Schutz vor Benachteiligungen (in Kurzform: „Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz” – AGG). Artikel 2 enthält das Gesetz über die „Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten” (oder in Kurzform: Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz”, abgekürzt: „SoldGG”). Artikel 3 enthält diverse Änderungen in anderen Gesetzen und Artikel 4 die Vorschriften über das Inkrafttreten. Der Gesetzestext des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14. August 2006, zuletzt geändert durch Artikel 8 Abs. 1 des Gesetzes vom 2. Dezember 2006 BGBl. I Seite 2742) ist in der Broschüre „Arbeitsrecht für jeden” der Arbeitskammer des Saarlandes enthalten. 14 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 1.1.2 UND IHR R ECHT Was bringt das AGG? Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist ein Gesetz auf dem Gebiet des Zivilrechts (bürgerliches Recht). Im Zivilrecht werden Rechtsverhältnisse zwischen Privatpersonen geregelt. Es gilt für jede natürliche Person. Das bedeutet, dass wegen des AGG grundsätzlich jeder verpflichtet werden kann. Anders als in den verschiedenen Leistungsgesetzen geht es beim AGG allein um den Schutz vor unzulässigen Ungleichbehandlungen und nicht um das Gewähren von Leistungen, um das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen durch Nachteilsausgleich zu erreichen. Selbst im Vertragsrecht wird die Vertragsautonomie dort eingeschränkt, wo die Interessen des Vertragspartners unangemessen verletzt werden (Prinzip von Treu und Glauben in § 242 BGB). Allerdings greifen diese und ähnliche Schutzprinzipien im Regelfall erst, wenn es bereits zum Vertragsschluss gekommen ist. Das AGG setzt bereits bei vorvertraglichen Schuldverhältnissen ein. Bevor es überhaupt zum Vertragsschluss gekommen ist, nimmt das AGG potentielle Vertragspartner in die Pflicht. Das kann sogar soweit gehen, dass ein Anbieter nach dem AGG verpflichtet werden kann, einen bestimmten Vertrag mit Betroffenen abzuschließen. Zum Vertragsschluss verpflichtet werden kann zum Beispiel, wer ein Hotelzimmer nicht an einen schwer körperlich oder geistig behinderten Menschen vermieten möchte, keine Ausländer in seiner Gaststätte dulden will, als Taxiunternehmer nur deutsche Kunden befördert. • • • Die Vertragsfreiheit hat – bezogen auf diese Verträge – dem Anspruch auf Gleichberechtigung bzw. Gleichbehandlung zu weichen. Das AGG findet aber nur auf ganz bestimmte Vertragstypen (Diskriminierungsverbot im Zivilrechtsverkehr) bzw. ganz bestimmte Regelungsbereiche Anwendung. Zunächst betrifft es solche Verträge, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zu Stande kommen (Massengeschäfte) oder Verträge, bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zu Stande kommen. Es betrifft den Kaufvertrag im Supermarkt oder beim Bäcker, die Buchung einer Ferienreise, den Besuch einer Gaststätte oder eines Hotels, die Fahrt mit einem Taxi oder einer Straßenbahn sowie den Besuch in einem Schwimmbad oder anderer öffentlicher Veranstaltungen oder den Auftrag an einen Handwerker. 15 B ENACHTEILIGUNGSVERBOT Darüber hinaus bezieht sich diese Norm auf private Versicherungsverträge (z.B. private Krankenversicherungsverträge, Unfallversicherungsverträge, Hausrats- und Privathaftpflichtversicherungsverträge, u.ä.). Alle Verträge, bei denen es dem Vertragspartner aber typischerweise auf die Person des Gegenübers ankommt, sind hier nicht erfasst. Dazu zählen z.B. diverse Dienstverträge (z.B. der Arztvertrag oder Kaufverträge), wenn davon auszugehen ist, dass es dem Verkäufer besonders auf die Person des Käufers ankommt, wie z.B. beim Verkauf eines Pferdes, bei Schenkungen, Darlehensverträgen etc. Eine Besonderheit gilt bei Wohnraummietverträgen. Das AGG findet keine Anwendung, wenn der Vermieter nicht mehr als 50 Wohnungen vermietet oder wenn eine unterschiedliche Behandlung der Mietbewerber zur Schaffung oder Erhaltung sozial stabiler und ausgewogener Bewohnerstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse erfolgt (Vermeidung von Ghettobildung). Das bedeutet, dass Wohnraummietverträge praktisch nicht mit erfasst werden. Arbeitswelt: Ein wichtiger Regelungsbereich ist der Bereich der Arbeitswelt. Weder im Auswahl- oder Bewerbungsverfahren noch im Rahmen der Beschäftigung (Ausund Weiterbildung, Personalentwicklung, Beurteilungswesen, etc.) sollen Ungleichbehandlungen eintreten dürfen. Ein Bewerber soll nicht wegen einer Behinderung diskriminiert werden (§§ 6 ff. AGG). Auch und insbesondere vor sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz will das AGG schützen (vgl. dazu § 3 Absatz 4 AGG). Sozialer Bereich: Des Weiteren bezieht sich das AGG auf den sozialen Bereich. Niemand soll wegen seiner Behinderung in diesem Bereich schlechter gestellt werden als ein Nichtbehinderter. Das gilt auch für den Bereich der Bildung und den Zugang sowie die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Möchte man einen Anspruch aus dem AGG begründen, muss man also zunächst vier Fragen abklären. • • • • Wem steht ein Anspruch aus dem AGG zu (geschützter Personenkreis)? Auf welche Gebiete erstreckt sich das AGG (Anwendungsbereich)? Was ist eine Benachteiligung nach dem AGG? In welchen Fällen ist eine Benachteiligung zulässig? (Vgl. hierzu Punkt 3.1.1 ab Seite 54) 16 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT 1.2 Neue Zugangsmöglichkeiten zur gesetzlichen Krankenversicherung 1.2.1 Gesundheitsreform 2007 Die Gesundheitsreform 2007, die im Wesentlichen am 1. April 2007 in Kraft getreten ist, bereitet den Weg zur neuen Gesundheitsversicherung. Hier die wichtigsten Neuerungen im Überblick. Sie gelten, wo nichts anderes angegeben ist, ab 1. April 2007. Allgemeine Versicherungspflicht Die Gesundheitsreform führt eine allgemeine Pflicht zur Krankenversicherung ab 1. Januar 2009 ein. Wer den Versicherungsschutz verloren hat, soll im Zuge der Neuregelung einen erneuten Zugang zu seiner letzten Versicherung erhalten. Dies gilt für die gesetzliche und für die private Krankenversicherung (GKV und PKV). Bis 2009 gelten Übergangsvorschriften: • • Für Personen, die der GKV zuzuordnen sind (z.B. Angestellte), gilt die Versicherungspflicht bereits ab 1. April 2007. Personen, die der PKV zuzuordnen sind (z.B. Selbstständige), haben ab 1. Juli 2007 ein Beitrittsrecht in den Standardtarif, ohne Leistungsausschlüsse, Risikoprüfung und -zuschläge. Neue und veränderte Leistungen Palliativversorgung: Gesetzlich Versicherte haben künftig Anspruch auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Dafür werden „Palliative Care Teams“ aus ärztlichem und pflegerischem Personal zugelassen. Kinderhospize: Die Rahmenbedingungen für stationäre Kinderhospize werden verbessert. Sie müssen nur noch 5 % (bisher 10 %) ihrer Kosten selbst tragen – insbesondere durch Spenden. Häusliche Krankenpflege: Sie wird künftig in Wohngemeinschaften, anderen neuen Wohnformen (z.B. Einrichtungen der Lebenshilfe) und in besonderen Ausnahmen auch in Heimen erbracht. Darauf besteht ein Rechtsanspruch. Medizinische Behandlungspflege: Die medizinische Behandlungspflege für Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen wird dauerhaft Leistung der Pflegekassen. Impfungen: Von der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts empfohlene Impfungen werden Pflichtleistungen der Kassen. 17 N EUER Z UGANG ZUR K RANKENVERSICHERUNG Ambulante Versorgung in Krankenhäusern: Schwere oder seltene Krankheiten können in geeigneten Krankenhäusern ambulant behandelt werden. Welche Klinik dafür zugelassen wird, entscheidet das jeweilige Bundesland. Ambulante und stationäre Rehamaßnahmen werden Pflichtleistungen der Kassen. Geriatrische Rehabilitation: Die Reha-Versorgung älterer Menschen kann wohnortnah oder durch mobile Reha-Teams erfolgen, was die Unterbringung in einem Pflegeheim vermeiden hilft. Mutter/Vater-Kind-Kuren: Sie werden Pflichtleistungen der Krankenkassen und müssen bezahlt werden. Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen: Kassenpatienten können künftig zugelassene und zertifizierte Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen selbst auswählen und müssen sich nicht mehr nach den Vorgaben ihrer Kasse richten. Sind die Kosten höher als bei den Vertragseinrichtungen der Kassen, zahlt der Patient die Mehrkosten. Hilfsmittel: Die Versorgung mit Hilfsmitteln (z.B. Hörhilfen, Gehhilfen, Rollstühle) erfolgt künftig durch Vertragspartner der Kassen. Integrierte Versorgung: Die Finanzierung für Integrierte-Versorgungs-Projekte wird bis Ende 2008 verlängert. Selbstverschuldete Behandlungsbedürftigkeit: Die Kassen können Patienten im Regressweg an den Kosten beteiligen, wenn eine Erkrankung Komplikationen nach Schönheitsoperationen, Piercings, Tätowierungen etc. nach sich zieht. Wahltarife in der Krankenkasse Die Krankenkassen können ihren Versicherten Wahltarife anbieten: Q Hausarzttarif Krankenkassen müssen ihren Versicherten einen Wahltarif „Hausarztmodell“ anbieten. Die Teilnahme an Hausarztmodellen bleibt für Ärzte und Versicherte freiwillig. Q Tarife für spezielle Versorgungsformen Diese können im Rahmen der Integrierten Versorgung oder von DiseaseManagement-Programmen eingeführt werden. Q Kostenerstattungstarife Der Kassenpatient und die Familienversicherten zahlen ihre Behandlung selbst und reichen die Rechnung danach bei der Krankenkasse ein. Die Krankenkasse erhebt für die Bearbeitung der Rechnung eine Gebühr. 18 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Werden allerdings Leistungen, die von der Krankenkasse nicht übernommen werden, in Rechnung gestellt, muss der Patient diese selbst bezahlen. Auch den Honoraraufschlag für die privatärztliche Leistung übernimmt die Kasse nicht. Q Selbstbehalttarife Der Kassenpatient zahlt bis zu einer bestimmten Höhe seine Behandlungskosten selbst. Dafür erhält er von der Kasse z.B. eine Prämie. An den Tarif ist der Versicherte drei Jahre gebunden. Nicht möglich ist dieses Modell für Mitglieder, die ihre Beiträge nicht selbst zahlen, z.B. Empfänger von Arbeitslosengeld. Q Beitragsrückerstattung Wenn das Krankenkassenmitglied und die Familienversicherten ein Jahr lang keine Leistungen in Anspruch genommen haben (außer Vorsorge und Früherkennung), belohnt das die Kasse mit einer Prämie oder Zuzahlungsermäßigung. An den Tarif ist der Versicherte drei Jahre gebunden. Q Zuzahlungen und Vorsorge Die reduzierte Belastungsgrenze bei Zuzahlungen für chronisch Kranke (1 % statt 2 %) gilt ab 1. Januar 2008 nur noch dann, wenn sich der Patient an regelmäßiger Gesundheitsvorsorge beteiligt oder sich therapiegerecht verhält. Hierbei gelten bestimmte Altersgrenzen: Wer nach dem 1. April 1972 geboren ist und regelmäßig am allgemeinen Gesundheitscheck teilgenommen hat, kann die Ein-Prozent-Belastungsgrenze in Anspruch nehmen, wenn er chronisch erkrankt. Frauen, die nach dem 1. April 1987, und Männer, die nach dem 1. April 1962 geboren sind und an einer Krebsart erkranken, für die Vorsorgeuntersuchungen angeboten werden, können die Ein-Prozent-Belastungsgrenze in Anspruch nehmen, wenn sie die Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen haben. Für Menschen, die älter sind und chronisch erkranken, gilt die Ein-Prozent-Belastungsgrenze. Sie erhalten eine ärztliche Bescheinigung über das Vorliegen einer chronischen Erkrankung, wenn sie sich am Behandlungserfolg beteiligen, z.B. durch Teilnahme an einem Disease-Management-Programm. Ausgenommen sind schwerbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung über 60, psychisch Erkrankte und Pflegebedürftige der Pflegestufen II oder III. Q Änderungen für Ärzte Die vertragsärztliche Vergütung wird ab 1. Januar 2009 von Punktwerten auf EuroFestbeträge je Leistung umgestellt. Ab 1. Januar 2009 trägt das Risiko zunehmender Behandlungsbedürftigkeit der Patienten (Morbiditätsrisiko) die GKV. Den Ärzten wird dadurch mehr Honorar zur Verfügung gestellt. Die Kassen können künftig mit Ärzten oder Ärztegruppen Einzelverträge schließen, die von der kollektivvertraglichen Versorgung abweichen oder darüber hinausgehen, z.B. über 19 N EUER Z UGANG • • • ZUR K RANKENVERSICHERUNG die hausarztzentrierte Versorgung, die gesamte ambulante ärztliche Versorgung oder auch einzelne Bereiche der ambulanten Versorgung. Q Änderungen für Apotheken Medikamente eines Arzneimittelherstellers, mit dem die Krankenkasse einen Rabattvertrag geschlossen hat, können ganz oder zur Hälfte zuzahlungsbefreit an den Versicherten abgegeben werden. Der Rabatt, den die Apotheken für jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel an die gesetzlichen Krankenkassen abzuführen haben, wird von 2 € auf 2,30 € erhöht. Die Abgabe von einzelnen Tabletten („Auseinzelung“) wird erleichtert. Q Arzneimittel Vor der Verordnung spezieller neuer oder kostenintensiver Arzneimittel, z.B. sehr stark wirksamer Krebsmedikamente oder biotechnologisch hergestellter Medikamente, muss künftig vom behandelnden Arzt eine Zweitmeinung eines fachlich besonders ausgewiesenen Arztes eingeholt werden. Welche Mittel unter diese Regelung fallen, bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss. Neue Arzneimittel können in Zukunft daraufhin untersucht werden, wie sehr sie den Patienten nutzen und welche Kosten dabei entstehen. Dazu werden die neuen Arzneimittel im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Bewertung vorhandenen Arzneimitteln gegenübergestellt. Die Kosten-Nutzen-Bewertung nimmt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen vor. Gemeinschaftseinrichtungen, z.B. Hospize und Pflegeheime, die Arzneimittel vorrätig haben können, dürfen bestimmte nicht genutzte Betäubungsmittel künftig an andere Patienten abgeben. Q Krankenversicherungskarte Die Krankenkassen müssen geeignete Maßnahmen gegen den Missbrauch von Krankenversicherungskarten ergreifen, z.B. tagesaktuell den Verlust von Karten, Änderungen beim Zuzahlungsstatus oder Ende des Versicherungsschutzes an einen Versichertenstammdatendienst übermitteln, zu dem die Ärzte über ihre Praxissoftware Zugang erhalten. Q Private Krankenversicherung (PKV) Freiwillig Versicherte dürfen erst aus der GKV in die PKV wechseln, wenn sie drei Jahre hintereinander die Jahresarbeitsentgeltgrenze (2007: 47.700 €) überschritten haben. Private Krankenversicherungen sind ab 1. Januar 2009 verpflichtet, einen „Basistarif“ anzubieten, der den jetzigen „Standardtarif“ ersetzt. Leistungsbedingungen und -umfang des Basistarifs sind vergleichbar der GKV. Der Basistarif muss allen offenstehen, bereits Versicherten ebenso wie Neukunden. Die privaten Versicherer dürfen die Aufnahme in den Basistarif nicht ablehnen 20 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT (Kontrahierungszwang); die Prämien dürfen sich nur aufgrund von Alter und Geschlecht unterscheiden. Q Gesundheitsfonds und einheitlicher Beitragssatz Der Gesundheitsfonds soll zum 1. Januar 2009 eingeführt werden. Zuständige Stelle wird das Bundesversicherungsamt. Das Amt fungiert als Inkassostelle für die Krankenkassen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen ihre Beiträge dann in den Fonds ein. Der Beitragssatz (Prozentsatz) ist ab 1. Januar 2009 für alle Krankenkassen gleich hoch; der Beitrag ist weiterhin vom Einkommen abhängig. Zur schrittweisen Finanzierung u.a. der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern zahlt der Bund einen Steuerzuschuss in den Fonds ein. Dieser wird 4 Milliarden € in 2009 betragen und um jährlich 1,5 Milliarden € ansteigen, bis 2016 das geplante Gesamtvolumen von 14 Milliarden € erreicht ist. Q Spitzenverband Bund der Krankenkassen Zum 1. Juli 2008 wird ein einheitlicher Dachverband für die GKV gebildet: Der „Spitzenverband Bund der Krankenkassen“ löst die bestehenden sieben Bundesverbände der gesetzlichen Krankenkassen ab. Der neue Spitzenverband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und untersteht der Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit. Er wird zum 1. Juli 2008 einen Medizinischen Dienst der Krankenkassen auf Bundesebene gründen. 1.3 Was ändert sich an der Rente 2007 ? Das „Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung” (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) – BGBl. I, Nr. 16, S. 554 vom 20. April 2007 – enthält folgende Änderungen, die keinesfalls abschließend sein können: 1.3.1 Beitragssatz Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung soll infolge der Reform trotz der demographischen Entwicklung bis zum Jahr 2020 nicht über 20 Prozent und bis 2030 nicht über 22 Prozent des Bruttolohns steigen. Derzeit liegt der Satz bei 19,9 Prozent. 1.3.2 Altersgrenze Das gesetzliche Renteneintrittsalter wird ab dem Jahr 2012 schrittweise angehoben. Betroffen sind die Jahrgänge ab 1947. Wer beispielsweise 1947 geboren ist, muss dann bis 65 Jahre und einen Monat 21 Ä NDERUNGEN BEI DER R ENTE arbeiten. Ab dem Jahrgang 1958 steigt das Rentenalter dann um jährlich um zwei Monate an. Der Geburtsjahrgang 1964 ist dann der erste, der erst mit 67 abschlagsfrei in Rente gehen kann. Der frühestmögliche Rentenbeginn wird künftig bei 63 Jahren liegen. Bisher konnte man zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr in Rente gehen. Auf das Versorgungsrecht der Beamten sollen die Maßnahmen der Rentenversicherung wirkungsgleich übertragen werden. 1.3.3 Altersrente für Schwerbehinderte Schwerbehinderte Menschen müssen für den Rentenbezug mindestens 35 Versicherungsjahre vorweisen. Auch hier wird das Renteneintrittsalter angehoben, von 63 auf 65 Jahre. Mit Abschlägen können schwerbehinderte Menschen bereits mit 62 in Rente gehen. 1.3.4 Rentenabschläge 35 Versicherungsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung: Wer diese vorweisen kann, darf auch künftig bereits mit 63 in den Ruhestand gehen. Allerdings erfolgen dann Abschläge von der Rente und zwar für die gesamte Rentenbezugsdauer. Der Abschlag beträgt 0,3 Prozent für jeden Monat, den man vor der gesetzlichen Regelaltersgrenze in Rente geht. 1.3.5 Ausnahmeregelungen Langjährig Versicherte, d.h. Personen mit 45 Versicherungsjahren, können auch weiterhin ohne Abschläge mit 65 in Rente gehen. Kindererziehung zählt bis zum 10. Lebensjahr des Kindes als Beitragszeit für die Rentenversicherung. Bisher kommt lediglich ein kleiner Teil der Beschäftigten auf 45 Versichertenjahre: Nur 28 Prozent der Männer und 4 Prozent der Frauen. Wer vor Januar 1955 geboren ist und bis Ende 2006 verbindlich einen Altersteilzeitvertrag mit dem Arbeitgeber abgeschlossen hat, bleibt von der Anhebung der Altersgrenzen verschont und genießt Vertrauensschutz. Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die „Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus” bezogen haben. 1.3.6 Private Vorsorgeprodukte Die höheren Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung sollen auch im 22 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Bereich der betrieblichen und privaten Altersvorsorge nachvollzogen werden. Dadurch sind sicher Änderungen bei der Riester-Rente, der staatlich geförderten betriebliche Altersvorsorge (Entgeltumwandlung), der Rürup-Rente und bei privaten Lebensversicherungen zu erwarten. 1.3.7 Nachgelagerte Besteuerung Bereits vorher beschlossen wurde die nachgelagerte Besteuerung der Renten. Der steuerpflichtige Anteil der Rente steigt in den nächsten Jahrzehnten schrittweise an, von heute 54 auf dann 100 Prozent im Jahr 2040. Durch den beschlossenen späteren Renteneintritt fällt der steuerpflichtige Anteil höher aus. 1.3.8 Witwenrente Die große Witwenrente, sie beläuft sich auf 50 bis 60 Prozent der Rente des Verstorbenen, wird künftig erst ausgezahlt für Hinterbliebene ab 47 Jahren (bisher: 45 Jahre). 1.3.9 Erwerbsminderungsrente Für den Personenkreis, der aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeit nicht mehr ausüben kann, wird der Abschlag auf maximal 10,8 Prozent festgelegt. Die Betroffenen können weiter mit 63 abschlagsfrei Rente gehen, allerdings nur, wenn sie 35 Beitragsjahre (ab dem Jahr 2023: 40 Jahre) vorweisen können. 23 G ESETZE GEGEN D ISKRIMINIERUNG 1.4 Mehr Geld für Rentner – Was bringt die Rentenerhöhung dem Einzelnen? Nach einer vierjährigen Pause erhalten die rund 20 Millionen Rentner in Deutschland erstmals wieder mehr Geld. Zum 1. Juli dieses Jahres wird die Rente um 0,54 Prozent erhöht. Die folgende Übersicht zeigt, wie viel die Rentenerhöhung dem Einzelnen bringt: Monatsrente in € 250 500 750 1.000 1.500 1.750 2.000 Erhöhungsbetrag in € + 1,35 + 2,70 + 4,05 + 5,40 + 8,10 + 9,45 + 10,80 Derzeit liegt die Standardrente im Westen bei 1.175,85 €, im Osten bei 1.033,65 € – ein Durchschnittsverdiener muss dafür 45 Jahre lang Beiträge gezahlt haben. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung Bund liegt die Höchstrente bei 2.056 €. Westdeutschland: Die monatliche Altersrente im Westen beträgt bei Männern im Durchschnitt 976 € und bei Frauen 465 €. Die Vergleichswerte im Osten: 1.056 und 663 €. Die höheren Zahlen im Osten ergeben sich aus den im Ost/West-Vergleich längeren Arbeitszeiten in der DDR. 1.5 Diskriminierung schwerbehinderter Menschen abgeschafft Um Diskriminierung schwerbehinderter Menschen zu verhindern, ist das Schwerbehindertenrecht geändert worden. Die Änderung erfasst alle schwerbehinderten Menschen mit Anspruch auf das Merkzeichen „B“, also Personen, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind. Diese erhalten nunmehr auf der Vorderseite des Schwerbehindertenausweises bestätigt, dass „die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen 24 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT ist”. Die bisherige Regelung, die die Notwendigkeit der Begleitung zur Vermeidung von Gefahren für sich und andere betont hatte, war mitunter missverstanden worden. So ist beispielsweise Schwerbehinderten mit dem Merkzeichen „B“ im Ausweis der Zutritt zu öffentlichen Schwimmbädern ohne Begleitung unter Hinweis auf die Nutzungsbedingungen mit der Begründung verwehrt worden, um Gefahren zu vermeiden sei entsprechend des Eintrages im Schwerbehindertenausweis eine Begleitung notwendig. Durch die Änderung des Gesetzes ist nunmehr klargestellt, dass ein schwerbehinderter Mensch eine Begleitperson zwar mitnehmen darf, sie aber nicht mitnehmen muss. Die in der Vergangenheit ausgestellten Ausweise können bis zum Ablauf ihrer Gültigkeit weiterhin benutzt werden. Es ist aber auch möglich, bei Bedarf einen neuen Ausweis mit aktuellem Aufdruck zu erhalten. 1.6 Neues zum Steuerrecht 1.6.1 Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung Ziel des Gesetzes vom 26. April 2006 (BGBI. I S. 1091) ist unter anderem eine bessere Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit: Doppelverdiener und Alleinerziehende können gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG ab 1. Januar 2006 für Kinder bis 14 Jahre – unter denselben Voraussetzungen wie bei der vorherigen Regelung in § 33c EStG – zwei Drittel der tatsächlichen anfallenden Kinderbetreuungskosten, höchstens aber 4.000 € pro Kind und Jahr (vorher lediglich die 1.548 € übersteigenden Kosten), geltend machen, und dies nicht bloß als außergewöhnliche Belastung, sondern als Sonderausgaben. Ferner ist § 33c EStG ersetzt worden durch den neuen § 4f EStG, der den selbstständig tätigen Steuerpflichtigen – unter denselben Voraussetzungen wie nach dem neuen § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG – erlaubt, entsprechende Ausgaben als Betriebsausgaben abzuziehen. Darüber hinaus gibt es in § 10 Abs. 1 Nr. 5 eine Sonderregelung, die es erlaubt, bei Kindern vom 3. bis zum 6. Lebensjahr die Kinderbetreuungskosten wie in der Nr. 8 als Sonderausgaben geltend zu machen, wobei nun aber die einengende Voraussetzung – beide Elternteile sind berufstätig oder einer von ihnen ist krank – entfällt. „Haushaltsnahe Dienstleistungen” konnten vom Auftraggeber schon nach vorheri- 25 N EUES ZUM S TEUERRECHT gem Recht (§ 35a EStG) in einem bestimmten Umfang steuermindernd geltend gemacht werden. Pflege- und Betreuungsleistungen für Personen, bei denen ein Schweregrad der Pflegebedürftigkeit festgestellt wurde oder ein Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung besteht, werden durch die Neuregelung ebenfalls erfasst. Bei Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen verdoppelt sich der Höchstbetrag für haushaltsnahe Dienstleistungen auf 6.000 €, was eine Steuerermäßigung von höchstens 1.200 € im Jahr bedeutet (vorher 600 €). Darüber hinaus ist die Regelung auch auf den Fall anwendbar geworden, dass die Pflege nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen stattfindet, sondern im Haushalt des Pflegebedürftigen, falls dann der steuerpflichtige Angehörige die Kosten trägt. Damit soll gefördert werden, • • dass die Pflegebedürftigen so lange wie möglich zu Hause gepflegt und nicht ins Heim gebracht werden. Die andere Erweiterung des § 35a EStG besteht darin, dass die haushaltsnahen Dienstleistungen auf handwerkliche Tätigkeiten erweitert worden sind. Hier gilt allerdings der alte Höchstbetrag von 600 Euro. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/643) heißt es: „Satz 2 gilt für alle handwerklichen Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt. Begünstigt sind handwerkliche Tätigkeiten, die von Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden, z.B. • • • • das Streichen und Tapezieren von Innenwänden, die Beseitigung kleiner Schäden, die Erneuerung eines Bodenbelags (Teppichboden, Parkett oder Fliesen), die Modernisierung des Badezimmers oder der Austausch von Fenstern. Hierunter fallen auch Aufwendungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten auf dem Grundstück, z. B. Garten- und Wegebauarbeiten. (...) Satz 3 stellt klar, dass nur Arbeitskosten berücksichtigt sind – Materialkosten oder sonstige gelieferte Waren bleiben außer Ansatz.” 1.6.2 Steueränderungsgesetz 2007 Das Gesetz sieht auszugsweise folgende Veränderungen vor: 26 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Q Kindergeld Eltern erhalten ab 2007 für ihre Kinder ab dem Geburtsjahrgang 1983 das Kindergeld nur noch bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (bisher bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres). Eine Übergangsregelung ist für die Kinder des Geburtsjahrgangs 1982 vorgesehen. Sie erhalten das Kindergeld bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres. Die Kinder der Geburtsjahrgänge 1980 und 1981 sind von der Gesetzesänderung nicht betroffen. Das Gleiche gilt für Kinder, die vor dem 1. Januar 2007 zwischen 25 und 27 Jahren alt waren und eine Behinderung erlitten haben, aufgrund derer sie sich nicht mehr selbst unterhalten können. Der Grundwehrdienst bzw. der Zivildienst kann wie bisher berücksichtigt werden. Die Absenkung der Altersgrenze hat darüber hinaus Auswirkungen auf verschiedene Bereiche, z.b. auf die kindbedingten Steuerfreibeträge wie z. B. Kinderzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz. Auch im Beamtenrecht ergeben sich Änderungen. Q Pendlerpauschale Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte bzw. Arbeitsstätte sind ab 2007 nicht mehr als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar, was jedoch aktuell wieder in der politischen Diskussion ist. Die Entfernungspauschale in Höhe von 0,30 € wird in Zukunft erst ab dem 21. Kilometer wie Werbungskosten oder Betriebsausgaben berücksichtigt. Für die behinderten Arbeitnehmer (ab GdB 70 oder GdB 50 plus Merkzeichen G) bleibt die alte Regelung unverändert bestehen. Anmerkung: Für die Frage, ob die Ein-Prozent-Regelung bei Betriebsfahrzeugen anwendbar ist (betriebliche Nutzung mindestens zur Hälfte), werden die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte der betrieblichen Nutzung zugerechnet. Q Sparerfreibetrag Der Sparerfreibetrag sank zum 1. Januar 2007 auf 750 € für Ledige bzw. 1.500 € für Verheiratete. Q Steuerberatungskosten Der Sonderausgabenabzug für Steuerberatungskosten, die nach dem 1. Januar 2006 bezahlt werden, ist gestrichen worden. Der Abzug als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben ist davon nicht betroffen. Q Steuersatzerhöhung Zum 1. Januar 2007 wurde der allgemeine Umsatzsteuersatz von 16 % auf 19 % erhöht. Dies gilt auch bei Anzahlungen, Abschlagszahlungen oder Vorauszahlungen vor dem 1. Januar 2007. Die Steuerberechnung ist dann nachträglich zu korrigieren, oder wäre schon in 2006 mit 19 % abzurechnen gewesen. Ausschlaggebend ist ausschließlich der Zeitpunkt der Lieferung oder Leistung. 27 Ä NDERUNG DER B EITRAGSSÄTZE Geschieht dies vor dem 1. Januar 2007 (gilt für alle vor dem Datum der Anhebung bewirkten Umsätze) kommt der alte Umsatzsteuersatz von 16 % zur Anwendung. Dies gilt sinngemäß auch für Teilleistungen, und den Zeitpunkt, wann die Teilleistungen ausgeführt wurden. Q Versicherungssteuer Der Regelsatz der Versicherungssteuer erhöht sich zum 1. Januar 2007 von 16 auf 19 %. Q Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ...können ab 2007 nur noch dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten steuerlich berücksichtigt werden, wenn es den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen/ beruflichen Tätigkeit bildet. Aufwendungen für Arbeitsmittel (Schreibtisch, Bücherregal, PC usw.) sind weiterhin als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar. 1.7 Änderungen und Neuregelungen im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum 1. Januar 2007 1.7.1 Änderungen der Beitragssätze, Zahlbeträge Q Arbeitslosenversicherung Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitsförderung auf 4,2 Prozent. Q Gesetzliche und knappschaftliche Rentenversicherung Anhebung des Beitragssatzes in der gesetzlichen Rentenversicherung auf 19,9 Prozent und in der knappschaftlichen Rentenversicherung auf 26,4 Prozent; der Mindestbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt 79,60 €. Q Rentenversicherungsbeitrages für Arbeitslosengeld II-Bezieher Absenkung des Beitrags der Bezieher von Arbeitslosengeld II von 78 € / im Monat auf 40 €/monatlich; die Beitragsbemessungsgrundlage für die Berechnung der Rentenversicherungsbeiträge wird von monatlich 400 € auf monatlich 205 € reduziert. Q Alterssicherung der Landwirte Erhöhung des Einheitsbeitrages in der Alterssicherung der Landwirte von 199€/monatlich auf 204 €/monatlich in den alten Ländern, von 168 €/monatlich auf 176 €/monatlich in den neuen Ländern. Q Künstlersozialversicherung Absenkung des Abgabesatzes der Künstlersozialversicherung von 5,5 auf 5,1 Prozent. 28 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 1.7.2 UND IHR R ECHT Aktualisierung der Rechengrößen der Sozialversicherung Mit dem Sozialversicherungs-Rechengrößengesetz 2007 wurden die Rechengrößen der Sozialversicherung aktualisiert. Sie orientieren sich an der Lohn- und Gehaltsentwicklung im Jahr 2005. Beitragsbemessungsgrenzen für das Jahr 2007 in der: Q Allgemeinen Rentenversicherung West: 5.250 € (63.000 €/jährlich), Ost: 4.550€/monatlich (54.600 €/jährlich), Q Knappschaftlichen Rentenversicherung West: 6.450 €/monatlich (77.400 €/jährlich), Ost: 5.550 €/monatlich (66.600 €/jährlich), Q Kranken- und Pflegeversicherung Bundeseinheitlich: 3.562,50 €/monatlich (42.750 €/jährlich). Versicherungspflichtgrenzen für das Jahr 2007 Q Kranken- und Pflegeversicherung: Bundeseinheitlich: 3.975,00 €/monatlich (47.700 €/jährlich) Die Bezugsgrößen im Jahr 2007 betragen: Die so genannte Bezugsgröße hat für viele Werte in der Sozialversicherung Bedeutung; zum Beispiel bei der Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung und bei der Beitragsberechnung für versicherungspflichtige Selbstständige oder Pflegepersonen in der gesetzlichen Rentenversicherung. West: 2.450 €/monatlich (29.400 €/jährlich), Ost: 2.100 €/monatlich (25.200 €/jährlich). Q Bezugsgröße in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung: Bundeseinheitlich: 2.450 €/monatlich (29.400 €/jährlich) 1.8 Neue Sachbezugswerte für 2007 und 2008 Die Sachbezugs- und die Arbeitsentgeltverordnung werden in einer neuen Sozialversicherungsentgeltverordnung zusammengefasst, wobei die bisherigen Bestimmungen grundsätzlich übernommen werden. Zum 1. Januar 2007 ändern sich jedoch die Sachbezüge, die diesmal für zwei Jahre festgeschrieben werden. Der Wert für Verpflegung wird um 2,30 € auf 205,00 € für die Jahre 2007 und 2008 angehoben (Frühstück: 45 €, Mittag- und Abendverpflegung: je 80 €). 29 S ACHBEZUGSWERTE Neu ist, dass für ein erwachsenes Kind in der Familie die gleichen Verpflegungswerte wie für den Lebenspartner angesetzt werden. Ansonsten bleibt es bei den bekannten Abschlägen. Bei den Werten für Unterkunft und Miete wird für das gesamte Bundesgebiet ein neuer einheitlicher Wert festgelegt. In den alten Bundesländern wird der Wert auf 198 € angehoben. In den neuen Bundesländern wird dieser Unterkunftswert im Jahr 2007 um 3 Prozent gekürzt. Die Werte für gemieteten Wohnraum werden auf einheitlich 3,45 € bzw. auf einheitlich 2,80 € pro Quadratmeter für einfache Wohnungen festgelegt. Für die neuen Bundesländer gilt auch hier für 2007, dass diese Werte um 3 Prozent gekürzt werden. Ab 2008 gelten dann diese Werte im gesamten Bundesgebiet. 1.9 Belange behinderter Menschen und Sozialhilfe 1.9.1 Regelsätze und Behilfen Q Regelsätze in der Sozialhilfe: Die Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 und die weiterentwickelte Regelsatzbemessung auf Grundlage einer gesamtdeutschen Verbrauchsstruktur ergeben einen einheitlichen Regelsatz in Höhe von 345 €. Damit wird 16 Jahre nach der Wiedervereinigung nunmehr auch in der Sozialhilfe die Grundlage für einheitliche Leistungen in ganz Deutschland geschaffen. Zum 1. Januar 2007 setzten die Länder auf dieser Basis die Regelsätze in der Sozialhilfe eigenständig neu fest. Q Weihnachtsbeihilfe für Heimbewohner Die Weihnachtsbeihilfe für Heimbewohner ist künftig Bestandteil des Barbetrages, der hierzu um einen Prozentpunkt von 26 Prozent auf 27 Prozent angehoben wird. Da diese Änderung jedoch nicht so zeitig in Kraft treten konnte, dass Heimbewohner die Leistungen für das Jahr 2006 im vollständigen Umfang erhalten, wurde den Heimbewohnern darüber hinaus eine einmalige Leistung für das Jahr 2006 in Höhe von mindestens 36,00 Euro gewährt. Q Heranziehung bei stationärer Betreuung eines Ehepartners wegen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit Eine weitere Änderung im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) betrifft Ehepaare, bei denen ein Partner wegen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit stationär betreut werden muss. Bisher waren aufgrund der bestehenden Heranziehungsvorschrift solche Ehepaare potentiell schlechter gestellt, bei denen das überwiegende Einkommen von dem weiter zu Hause lebenden Ehepartner erzielt wurde. Zukünftig werden alle Erwerbsbiographien von Ehepaaren gleich behandelt und dem zu Hause verbliebenen Partner genügend finanzielle Mittel belassen, damit er seinen Lebensunterhalt ohne Sozialhilfe bestreiten kann (BMAS). 30 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT 1.10 Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung – 35. BImSchV) – Auszug § 2 Zuordnung von Kraftfahrzeugen zu Schadstoffgruppen (1) Kraftfahrzeuge, die mit einer Plakette nach Anhang gekennzeichnet sind, sind von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes befreit, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht. (2) Kraftfahrzeuge werden unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung der Kraftfahrzeuge zu den Schadstoffgruppen im Einzelnen ergibt sich aus Anhang 2. (3) Kraftfahrzeuge, die in Anhang 3 aufgeführt sind, sind von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auch dann ausgenommen, wenn sie nicht gemäß Absatz 1 mit einer Plakette gekennzeichnet sind, Anhang 3 (zu § 2 Abs. 3). Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht nach § 2 Abs. 1. Folgende Kraftfahrzeuge sind von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 des BundesImmissionsschutzgesetzes auch dann ausgenommen, wenn sie nicht gemäß § 2 Abs. 1 mit einer Plakette gekennzeichnet sind: 1. mobile Maschinen und Geräte, 2. Arbeitsmaschinen, 3. land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen, 4. zwei- und dreirädrige Kraftfahrzeuge, 5. Krankenwagen, Arztwagen mit entsprechender Kennzeichnung im Einsatz zur medizinischen Betreuung der Bevölkerung, 6. Kraftfahrzeuge, mit denen Personen fahren oder gefahren werden, die außergewöhnlich gehbehindert, hilflos oder blind sind und dies durch die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung im Schwerbehindertenausweis eingetragenen Merkzeichen „aG”, „H” oder „BI” nachweisen, 7. Fahrzeuge, für die Sonderrechte nach § 35 der Straßenverkehrs-Ordnung in Anspruch genommen werden können, 8. Fahrzeuge nichtdeutscher Truppen von Nichtvertragsstaaten der NATO, die sich im Rahmen der militärischen Zusammenarbeit in Deutschland aufhalten, soweit sie für Fahrten aus dringenden militärischen Gründen genutzt werden, 9. zivile Kraftfahrzeuge, die im Auftrag der Bundeswehr genutzt werden, soweit es sich um unaufschiebbare Fahrten zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben der Bundeswehr handelt. 31 B ERECHTIGTER P ERSONENKREIS 2 Berechtigter Personenkreis 2.1 Wer ist schwerbehindert im Sinne des Gesetzes? Nach § 2 SGB IX sind Menschen im Sinne des Teils 2, Sozialgesetzbuch IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, also in der Bundesrepublik Deutschland. Menschen, die die genannten Voraussetzungen erfüllen, gelten kraft Gesetzes als schwerbehindert. Ob eine schwere Behinderung vorliegt oder nicht, ist äußerlich oft nicht erkennbar. Daher muss eine Behörde die Schwerbehinderteneigenschaft feststellen (vgl. dazu 2.4). Außerdem benötigen schwerbehinderte Menschen einen Ausweis, der ihre Behinderung nachweist und die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen nach SGB IX und anderen Rechtsvorschriften erst ermöglicht. Alle Menschen, die die Voraussetzungen des § 2 SGB IX erfüllen, haben Anspruch auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und können deren Anerkennung beim Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz bzw. zuständigen Versorgungsamt beantragen. Es ist unerheblich, ob es sich um eine körperliche oder geistige Behinderung handelt oder ob mehrere Behinderungen einen GdB von zusammen 50 ergeben. 2.2 Wer ist Gleichgestellter? Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen im Übrigen die Voraussetzung des § 2 SGB IX vorliegt, sollen auf Grund einer festgestellten Behinderung und des Grades der Behinderung nach § 69 SGB IX auf ihren Antrag von der Agentur für Arbeit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 Abs. 1 nicht erlangen oder nicht behalten können. Die Gleichstellung wird mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam. Sie kann befristet werden. 2.2.1 Wo ist die Gleichstellung zu beantragen? Der Antrag ist bei der für den Wohnsitz zuständigen Agentur für Arbeit zu stellen. 32 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Lehnt die Agentur für Arbeit die Gleichstellung ab, so kann der Antragsteller gegen die Entscheidung innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben, kann der Behinderte Klage beim Sozialgericht erheben. Gewerkschaften und Behindertenverbände gewähren ihren Mitgliedern Rechtsschutz im Widerspruchs- und Klageverfahren (siehe auch unter 2.8, Rechtsstreitigkeiten). 2.2.2 Was gilt für Gleichgestellte? Für gleichgestellte behinderte Menschen gilt der besondere Kündigungsschutz nach den §§ 85 bis 92 SGB IX. Sie fallen unter den von dem Integrationsamt (früher Hauptfürsorgestelle) zu betreuenden Personenkreis. Ihre Interessen werden in dem Betrieb oder der Dienststelle von der Schwerbehindertenvertretung, im Regelfall unter Beteiligung des Betriebs-/Personalrates, wahrgenommen. Bei der Wahl der Schwerbehindertenvertretung sind Gleichgestellte wahlberechtigt und wählbar. Sie haben das Recht, an der von der Schwerbehindertenvertretung einberufenen Versammlung schwerbehinderter Menschen teilzunehmen. Keinen Anspruch haben Gleichgestellte auf den Zusatzurlaub von einer Arbeitswoche nach § 125 SGB IX und nicht auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr nach Kapitel 13 des Sozialgesetzbuches IX. Ebenso steht ihnen kein Anspruch zu auf Rente wegen Schwerbehinderung. 2.3 Was bedeutet „Grad der Behinderung”? Nach dem Sozialgesetzbuch IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und ihre Teilhabe am Leben beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1). Diese Begriffsbestimmung grenzt den Personenkreis ab, bei denen die Selbstbestimmung und die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern und somit die gesamten Regelungen des Neunten Buches von Bedeutung sind. Die Abweichungen des typischen Zustandes für das Lebensalter sind als Grad der Behinderung, nach Zehner-Graden abgestuft, von 20 bis 100 festzustellen. Eine Feststellung ist nicht zu treffen, wenn der Grad der Behinderung 20 nicht erreicht. Für den Grad der Behinderung gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz entsprechend. Feststellung oder Neufeststellung des Grades der Behinderung erfolgen nach § 69 SGB IX. Für das Verfahren ist das Gesetz über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung entsprechend anzuwenden, in erster Linie gelten jedoch die Bestimmungen des Sozialgesetzbuches Neun (SGB IX). Eine Neufeststellung des Grades 33 G RAD DER B EHINDERUNG der Behinderung ist somit gemäß § 48 SGB X immer dann möglich, wenn eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist. Ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, z. B. durch Verschlimmerung bestehender oder neu hinzu gekommene Leiden, sollte ein Antrag auf Neufeststellung gestellt werden. 2.4 Wer stellt den Grad der Behinderung fest? Die Zuständigkeit der Versorgungsverwaltung für die Durchführung des Feststellungs- und des Ausweisverfahrens wird beibehalten (§ 69 Abs. 1 und 5 SGB IX). Den Bundesländern wird aber die Möglichkeit eröffnet, die Zuständigkeit durch Landesrecht abweichend zu regeln. Im Saarland ist das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz zuständig und stellt auf Antrag Behinderung und den Grad der Behinderung fest. 2.4.1 Sind weitere Feststellungen erforderlich? Sind neben einem Grad der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines Nachteilsausgleiches, treffen ebenfalls die Versorgungsämter die erforderlichen Feststellungen (vgl. hierzu die Ausweisverordnung und § 69 SGB IX). 2.4.2 Bescheide oder Entscheidungen, die der Feststellung dienen Eine Feststellung nach § 69 SGB IX ist vom Versorgungsamt nicht zu treffen, wenn die Behinderung sowie der Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit bereits in einem Bescheid, einer entsprechenden Verwaltungsoder Gerichtsentscheidung oder einer vorläufigen Bescheinigung der für diese Entscheidungen zuständigen Stellen festgestellt ist (§ 69 SGB IX). Derartige Bescheide oder Entscheidungen gelten als Feststellung im Sinne des Sozialgesetzbuches IX und können der Ausweisausstellung zu Grunde gelegt werden. In Betracht kommen hier in der Regel: • • Bescheide der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften), Bescheide der Versorgungsämter über Rentenansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz und den das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklärenden Gesetzen (HHG, SVG, ZDG, BSeuchG, OEG), 34 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN • • • • UND IHR R ECHT Bescheide der Entschädigungsbehörden über Rentenansprüche nach dem Bundesentschädigungsgesetz, Bescheide der Wehrbereichsgebührnisämter über den Anspruch auf Ausgleich nach § 85 SVG, Bescheide nach dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden und Entscheidungen über den Unfallausgleich nach beamtenrechtlichen Unfallvorschriften. Nicht ausreichend sind Bescheide der Rentenversicherungsträger (DRV Bund, Regionalträger, Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See) über die Gewährung von Erwerbsminderungsrenten, da diese Bescheide keine Feststellungen über den Grad der Behinderung bzw. das Ausmaß der Erwerbsminderung enthalten. Auch wenn in Bescheiden oder Entscheidungen wie den genannten bereits eine Feststellung über die Behinderung und ihren Grad getroffen worden ist, muss das Versorgungsamt dennoch eine neue Feststellung treffen, wenn der behinderte Mensch ein Interesse an der Neufeststellung glaubhaft macht. Ein berechtigtes Interesse an einer neuen Feststellung kann z. B. vorliegen, wenn im Rahmen der früheren Feststellung nur bestimmte Leiden berücksichtigungsfähig waren, oder wenn seit der ersten Feststellung neue Leiden hinzugetreten sind oder bestehende Leiden sich verschlimmert haben. 2.4.3 Feststellung des Gesamt-Grades der Behinderung Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs.3 SGB IX). Nach der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 15. März 1979, AZ. 9 RVS 7/78 und 9 RVS 16/78) muss der Grad, in dem sich die einzelnen Gesundheitsstörungen in ihrer Gesamtheit auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, durch sorgfältige arbeitsmedizinische Beurteilung herausgearbeitet werden. Die Ergebnisse dieser Beurteilung müssen nachvollziehbar sein; der ärztliche Sachverständige muss also seine Gesamteinschätzung hinreichend begründen. Bei Feststellung des durch mehrere Behinderungen bedingten Grades der Behinderung ist die Gesamtwürdigung ohne mathematische Formeln vorzunehmen. Zur Verdeutlichung ein aktuelles Urteil in Stichworten: Unter Berücksichtigung der Vorgaben von Punkt 19 der Anhaltspunkte zur gutachterlichen Tätigkeit…., ist bei einem Einzel-GdB von 40 für das Funktionssystem „Verdauungsorgane“ und einem weiteren Einzel-GdB von 20 im Funktionssystem „Augen“ ein Gesamt GdB von 50 zu bilden, weil die Behinderungen unabhängig nebeneinander stehen und völlig unabhängige Bereiche, d. h. völlig unterschiedliche Organsysteme, betreffen 35 G RAD DER B EHINDERUNG (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – Urteil vom 14. April 2005 – Az.: L 7 SB 158/02). 2.4.4 Wo ist die Feststellung zu beantragen? Der Antrag ist bei dem für den Wohnsitz zuständigen Versorgungsamt zu stellen, bei Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches des SGB IX bei der Behörde, in deren Zuständigkeitsbereich die Tätigkeit als Arbeitnehmer ausgeübt wird. 2.4.5 Was müssen Ausländer und Grenzarbeitnehmer beachten? Bei Ausländern ist der rechtmäßige Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland durch eine Bestätigung der Ausländerbehörde bei den Kreisen und kreisfreien Städten oder die Vorlage der Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung nachzuweisen. Grenzarbeitnehmer müssen die Arbeitsbescheinigung des jetzigen Arbeitgebers und die Aufenthaltserlaubnis bzw. die amtliche Bescheinigung über die Aufenthaltserlaubnis bzw. -berechtigung oder den Ausweis für den kleinen Grenzverkehr vorlegen oder die Bestätigung durch die zuständige Ausländerbehörde auf dem Antrag vornehmen lassen. 2.4.6 Hinweise, Anträge, Bescheide und Bescheinigungen des Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz Ab Seite 40 sind abgedruckt: Allgemeine Hinweise des Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, Anträge nach dem SGB IX, Schwerbehindertenausweis, das Beiblatt zum Ausweis sowie Erläuterungen zu den Merkzeichen. 2.4.7 Nachweise für Beförderung im Nahverkehr und Kfz-Steuerermäßigung Für die Kfz-Steuerermäßigung genügt bei Erfüllung der Voraussetzungen die Vorlage des gültigen Ausweises für schwerbehinderte Menschen mit Beiblatt ohne Wertmarke beim Finanzamt bzw. der Kfz-Zulassungsstelle [siehe §§ 3a und 17 des Kraftfahrzeugsteuergesetz - KraftStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3818), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 2007 (BGBl. I S. 356)/ Stand: Neugefasst 26. September 2002, BGBl. I Seite 36 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT 3818, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 24. März 2007 BGBl. I S. 356)]. Die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr oder eine KfzSteuerermäßigung ist nur unter Vorlage eines vom Versorgungsamt ausgefüllten Beiblattes zum Ausweis möglich. Auf der Wertmarke werden eingetragen: Jahr und Monat, von dem an die Wertmarke gültig ist, sowie Jahr und Monat, in dem ihre Gültigkeit abläuft. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke kostenlos an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die: • blind im Sinne des § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches oder entsprechender Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften sind, oder • die Leistungen nach dem Vierten Kapitel – Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – des SGB XII oder Arbeitslosengeld II, laufende Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII oder dem Achten Buch des Sozialgesetzbuchs oder entsprechende Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz beziehen. Außerdem wird die Wertmarke kostenlos an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die am 1. Oktober 1979 die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen behinderten Menschen im Nahverkehr erfüllten, solange der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge der anerkannten Schädigung auf wenigstens 70 v. H. festgestellt oder auf wenigstens 50 v. H. festgestellt ist und sie infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sind. Dies gilt auch für Menschen, die die vorgenannten Voraussetzungen nur deswegen nicht erfüllt haben, weil sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt im Gebiet der ehemaligen DDR hatten. Alle übrigen schwerbehinderten Menschen erhalten die Wertmarke gegen Entrichtung eines Betrages von 60 € für ein Jahr bzw. 30 € für ein halbes Jahr. Unter Nahverkehr ist zu verstehen: • • • Straßenbahn, Bus, Obus, U- und S-Bahn, Eisenbahn (2. Wagenklasse), wenn sie in einen Verkehrsverbund einbezogen ist und mit Verbundfahrschein benutzt werden kann, Eisenbahnen des Bundes in der 2. Wagenklasse in Zügen, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Nahverkehr zu befriedigen (Züge des Nahverkehrs), im Umkreis von 50 km um den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des schwerbehinderten Menschen. 37 G ÜLTIGKEITSDAUER DES A USWEISES Die Versorgungsämter geben dazu spezielle Streckenverzeichnisse aus. Näheres regelt die Fünfte Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes (Nahverkehrszügeverordnung – SchwbNV) vom 30. September 1994 (BGBl. I S. 2962), geändert durch Artikel 58 des Gesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). • Ebenso zählen dazu: Schiffe im Linien-, Fähr- und Übersetzverkehr im Orts- und Nachbarschaftsbereich. Ist ein behinderter Mensch zur Mitnahme einer Begleitperson berechtigt (muss durch das Ausweismerkmal „B“ nachgewiesen sein), fährt die Begleitperson immer kostenlos, selbst dann, wenn der behinderte Mensch keine Wertmarke gekauft hat. Schwerbehinderte Menschen können in Abhängigkeit der im Ausweis eingetragenen Merkzeichen auch orthopädische Hilfsmittel oder einen Blindenführhund unentgeltlich mitnehmen. Wie für alle anderen Fahrgäste auch gilt für behinderte Menschen im öffentlichen Nah- und Fernverkehr die allgemeine Beförderungspflicht der Verkehrsunternehmer. Sie erstreckt sich auf das Reisegepäck, zu dem Rollstühle und andere Hilfsmittel zu rechnen sind. Eine Beförderung kann nur im Ausnahmefall abgelehnt werden, etwa wenn das Fahrzeug nicht zur Beförderung geeignet ist. Bei Rückgabe des Beiblattes mit entgeltlicher Wertmarke vor Ablauf der Gültigkeitsdauer werden auf Antrag für jeden vollen Kalendermonat, für den die Wertmarke nach der Rückgabe noch gültig ist, 5 € erstattet. Der zu erstattende Betrag darf jedoch 15 € nicht unterschreiten, d. h. in diesem Fall kommt eine Erstattung nicht in Betracht. 2.5 Gültigkeitsdauer des Ausweises Die Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) wurde zuletzt durch Artikel des Gesetzes vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2742), wie folgt geändert: Die Gültigkeit des Ausweises ist für die Dauer von längstens 5 Jahren vom Monat der Ausstellung an zu befristen. In den Fällen, in denen eine Neufeststellung wegen einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, nicht zu erwarten ist, kann der Ausweis unbefristet ausgestellt werden (§ 69 Abs. 5 Satz 3 SGB IX i.V.m. § 6 Abs. 2 Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25. Juli 1991 - SchwbAwV). Er kann in den Fällen unbefristet ausgestellt werden, in denen eine Neufeststellung wegen einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, nicht zu erwarten ist (§ 6 Abs. 2 Satz SchwbAwV). Die bisherige weitere Voraussetzung, dass auch gewährleistet sein muss, dass die zuständige Behörde regelmäßig über die persönlichen Verhältnisse unterrichtet ist (§ 6 Abs. 2 Satz a. F. SchwbAwV), ist fallen gelassen worden. 38 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Auch in Fällen, in denen eine medizinische Nachprüfung vorzunehmen ist, z.B. bei Behinderungen, die einer Heilungsbewährung unterliegen, kann die Gültigkeit des Ausweises weniger als fünf Jahre betragen. Die Gültigkeit des Ausweises wird für die Dauer von längstens 5 Jahren vom Monat der Ausstellung an befristet. Erhält der Ausweisinhaber Rentenleistungen nach dem sozialen Entschädigungssgesetz („VB“, „EB“ oder „Kriegsbeschädigt“) kann sie auf längstens 15 Jahre befristet werden. Bei Schwerbehinderten unter 10 Jahren sind die Ausweise bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres befristet. Ab dem 10. Lebensjahr wird ein Passbild eingefügt. Schwerbehinderte Menschen zwischen 10 und 15 Jahren erhalten ihren Ausweis bis längstens zum Ende des Monats befristet, in dem der Inhaber das 20. Lebensjahr vollendet. Bei nichtdeutschen Schwerbehinderten, deren Aufenthaltsgenehmigung/-gestattung oder Arbeitserlaubnis befristet ist, ist der Ausweis längstens bis zum Ende des Monats gültig, in dem diese Frist endet. Die Gültigkeitsdauer kann auf Antrag höchstens zweimal verlängert werden. Dann heißt es wieder einen neuen Ausweis beantragen. Der Monat und das Jahr, bis zu deren Ende der Ausweis gültig sein soll, wird auf der Vorderseite des Ausweises vermerkt. 2.6 Ende des Schutzes für schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen Die besonderen Regelungen für schwerbehinderte und gleichgestellte behinderte Menschen werden nicht mehr angewendet mit dem Wegfall der Voraussetzungen des § 2 SchwbG. Die besondere Regelung zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen gilt somit nicht mehr, wenn der schwerbehinderte Mensch weder seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch eine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Geltungsbereich des Neunten Buches Sozialgesetzbuch hat. Weiter endet der Schutz des schwerbehinderten Menschen, wenn sich der Grad der Behinderung auf weniger als 50 verringert. Für diesen Fall sehen die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen eine Auslauffrist vor. Der Schutz des schwerbehinderten Menschen erlischt erst Ende des dritten Kalendermonats nach dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheides, mit dem die Verringerung des Grades der Behinderung festgestellt worden ist. Für gleichgestellte behinderte Menschen werden die besonderen Regelungen nach dem Widerruf oder der Rücknahme der Gleichstellung nicht mehr angewendet. (§ 39 E NTZIEHUNG DER BESONDEREN H ILFE 116 Abs. 2 SGB IX). Die Gleichstellung kann widerrufen werden, wenn die in § 2 Abs. 3 SGB IX genannten Voraussetzungen weggefallen sind (z.B. wenn die besonderen Regelungen für gleichgestellte behinderte Menschen nicht mehr erforderlich sind, um einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX zu erlangen oder zu erhalten, oder wenn der Grad der Behinderung auf weniger als 30 herabgesetzt worden ist). 2.7 Entziehung der besonderen Hilfe für schwerbehinderte Menschen Das Integrationsamt (früher Hauptfürsorgestelle) kann einem schwerbehinderten Menschen die besonderen Regelungen nach dem SGB IX zeitweilig entziehen (§ 117 Abs. 1 SGB IX), wenn er a) einen zumutbaren Arbeitsplatz ohne berechtigten Grund aufgibt oder zurückweist, b) sich ohne berechtigten Grund weigert, an einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation teilzunehmen, c) durch sein Verhalten schuldhaft eine Eingliederung in Arbeit und Beruf vereitelt. Der Entzug der Vorteile des Schwerbehindertenrechtes darf höchstens für sechs Monate erfolgen. Das Integrationsamt muss den Betroffenen anhören (§ 117 Abs. 1 SGB IX); wenn nicht, ist der Entzug rechtswidrig. Dies gilt auch für gleichgestellte behinderte Menschen. 2.8 Rechtsstreitigkeiten Nach § 51 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz ist bei Streitigkeiten über die Feststellung der Behinderung, des Grades der Behinderung und der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sowie über die Ausstellung, Berichtigung und Einziehung der Ausweise der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Vor Erhebung der Klage muss jedoch zunächst das Widerspruchsverfahren gegen die Entscheidung der zuständigen Versorgungsbehörde erfolgen. Die Frist für die Erhebung des Widerspruchs beträgt einen Monat von dem Zeitpunkt an gerechnet, in dem dem Betroffenen die Entscheidung, die er angreifen will, bekannt gegeben worden ist. Ist durch die entscheidende Behörde keine ordnungsgemäße Rechtsmittelbeleh- 40 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT rung erfolgt, kann der Widerspruch auch noch nach Ablauf der Monatsfrist eingelegt werden. Der Widerspruch ist bei dem zuständigen Versorgungsamt einzulegen. Gegen Entscheidungen der Agenturen für Arbeit, die diese im Rahmen ihrer Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch IX treffen (z. B. Entscheidung über die Gleichstellung gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX) sowie gegen Entscheidungen der Integrationsämter (z. B. über die zeitweilige Entziehung des Schwerbehindertenschutzes) ist ebenfalls das Rechtmittel des Widerspruchs gegeben. Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung bei der Stelle zu erheben, die die Entscheidung getroffen hat. Auch hier ist jedoch unter bestimmten Umständen, z. B. bei nicht ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung, eine spätere Einlegung von Rechtsmitteln noch möglich. Eine Klage gegen Entscheidungen der genannten Stellen kann erst nach dem Widerspruchsverfahren erhoben werden. Die Frist für die Klageerhebung beträgt einen Monat ab Zustellung des Widerspruchsbescheides. Bei Streitigkeiten über Entscheidungen der Agenturen für Arbeit sind die Sozialgerichte, bei Streitigkeiten über Entscheidungen der Integrationsämter und Versorgungsämter die Verwaltungsgerichte zuständig. Es empfiehlt sich, Kontakt mit der Schwerbehindertenvertretung, Behindertenverbänden oder der zuständigen Gewerkschaft vor Beschreiten des Klageweges aufzunehmen. 2.9 Allgemeine amtliche Hinweise des saarländischen Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz Hinweise zum Antrag auf Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung, auf Anerkennung besonderer gesundheitlicher Merkmale sowie auf Ausstellung eines entsprechenden Ausweises nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (Schwerbehindertenrecht) sind auf den folgenden Seiten abgedruckt. Als Nachweis darüber, dass der behinderte Mensch zu dem begünstigten Personenkreis gehört, gilt im Regelfall der gültige Ausweis für schwerbehinderte Menschen, also Personen mit einen Grad der Behinderung von mindestens 50. Mit dem Vordruck ab Seite 45 können Sie einen solchen Ausweis beantragen. Beim Ausfüllen hilft Ihnen das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz oder der zuständige Träger der Sozialhilfe im Bedarfsfall. Ein Ausweis kann nur ausgestellt werden, wenn vorher festgestellt ist, welche Behinderungen vorliegen, wie hoch der sich daraus ergebende Grad der Behinderung 41 A LLGEMEINE AMTLICHE H INWEISE ist und welche Nachteilsausgleiche gegeben sind. Das Antragsformular nach dem SGB IX verfolgt drei Ziele: • • • die Feststellung des Grades der Behinderung nach § 69 Abs. 1 SGB IX, die Feststellung bestimmter gesundheitlicher Merkzeichen zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen nach § 69 Abs. 4 SGB IX und die Ausstellung eines Ausweises zur Wahrnehmung von Rechten und Nachteilsausgleichen nach § 69 Abs. 5 SGB IX. Beantworten Sie bitte alle Fragen. Geben Sie alle Ärzte oder Ärztinnen an, bei denen das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz Unterlagen bezüglich der geltend gemachten Behinderungen anfordern kann. Siehe insbesondere Ziffer 8 des Antragsformulars. Hierbei ist der Zeitraum von zwei Jahren zu beachten (Ziffer 9). Es empfiehlt sich, den Hausarzt/die Hausärztin über die Antragstellung zu informieren, da das Landesamt diese im Regelfalle mit der Bitte um einen Befundbericht anschreibt. Unterlagen im Besitz des Antragstellers/der Antragstellerin, die als Nachweis über das Vorliegen von Behinderungen und deren Art und Ausmaß gelten können, sollten dem Antrag beigegeben werden. Befragen Sie auch Ihren Hausarzt/Ihre Hausärztin, welche Facharztberichte dort vorliegen. All dies dient der schnelleren Abwicklung des Feststellungsverfahrens. Der Ausweis bestätigt den vorliegenden Grad der Behinderung seit der Antragstellung. Wenn Sie Rechte oder Ansprüche, die Ihnen aus Ihrer Behinderung zustehen, noch für die Vergangenheit geltend machen wollen oder können, so tragen Sie bitte in den Antrag ein, von welchem Zeitpunkt an eine Prüfung und Bescheinigung erfolgen soll (Ziffer 12 im Antrag). Berücksichtigen Sie dabei bitte, dass Nachteilsausgleiche für die Vergangenheit nur sehr begrenzt in Anspruch genommen werden können und dass es dem Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz nur dann möglich ist, Gültigkeitsvermerke für die Vergangenheit einzutragen, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Behinderung, der Grad der Behinderung und die Nachteilsausgleiche für den zurückliegenden Zeitraum tatsächlich vorgelegen haben. Zu den Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen gehören unter anderem auch die unentgeltliche Beförderung auf Nahverkehrsmitteln (Freifahrt) und die Kfz-Steuerermäßigung. Die Freifahrt steht den schwerbehinderten Menschen zum einen unter der Voraussetzung zu, dass eine erhebliche Beeinträchtigung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr besteht. Dies ist z. B. der Fall, wenn ein schwerbehinderter Mensch infolge einer erheblichen Einschränkung des Gehvermögens, auch durch schwere innere Leiden, oder infolge von häufigen Anfällen oder besonderen Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder 42 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Dies ist im Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen„G“ eingedruckt. Zum anderen kommt die Vergünstigung der unentgeltlichen Beförderung auf Nahverkehrsmitteln dem Personenkreis von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie anderen Behinderten zu, die Versorgung in Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes erhalten. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge der anerkannten Schädigung muss jedoch wenigstens auf 70 festgestellt sein und bereits am 1. Oktober 1979 vorgelegen haben (so genannter Besitzstand). Da diese Behinderten nicht als erheblich gehbehindert gelten, ist dort das Merkzeichen „G“ im Ausweis nicht abgedruckt. Ebenso steht die Freifahrt den Schwerbehinderten zu, denen vom Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz das Merkzeichen„H“ (Hilflosigkeit) wegen der Behinderung zuerkannt wurde oder bei denen Gehörlosigkeit (Merkzeichen Gl) vorliegt, sofern das Merkzeichen „G“ nicht aus anderen Gründen zugesprochen wurde. Dieser Personenkreis gilt als „freifahrtberechtigt“, so dass das Merkzeichen „G“ im Ausweis nicht aufgeführt ist. Anzumerken ist, dass es sich bei den behinderten Menschen, denen lediglich das Merkzeichen „H“ zuerkannt wurde, hauptsächlich um Kinder und Jugendliche handelt. So gilt das Merkzeichen „H“ z. B. für jugendliche Diabetiker. Seit 1. Januar 1987 gilt für gehörlose Menschen die gleiche Regelung wie für gehbehinderte Menschen (Übersicht auf Seite 116). Gehörlose erhalten einen Schwerbehindertenausweis, der zur Freifahrt im öffentlichen Personennahverkehr berechtigt, jedoch wird das Merkzeichen „G“ im Ausweis gelöscht. Für behinderte Menschen, die das zehnte Lebensjahr vollendet haben, ist der Ausweis mit einem Lichtbild zu versehen. Sofern Sie erwarten, dass der Grad der Behinderung auf mindestens 50 festgestellt wird, dient es der Beschleunigung des Verfahrens, wenn Sie dem Antrag bereits ein Passbild beifügen; andernfalls werden Sie zur Einsendung aufgefordert, sobald feststeht, dass ein Grad der Behinderung von mindestens 50 vorliegt. Die Kosten des Passbildes sind vom Antragsteller zu tragen. Das Passbild sollte neueren Datums sein. Behinderte Menschen mit einem Bescheid des im Saarland zuständigen Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz über einen Grad der Behinderung von 30 oder 40 erhalten eine Bescheinigung, wenn eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit vorliegt. In früheren Ausgaben unserer Broschüre abgedruckte Bescheide und Bescheinigungen, die mittlerweile mittels elektronischer Datenverarbeitung individuell gestaltet sind, sind nicht mehr enthalten, lediglich der Antrag nach dem Gesetz. 43 E UROPÄISCHE PARKKARTE Europäische Parkkarte Zum 1. Januar 2001 wurde der EU-einheitliche Parkausweis für schwerbehinderte Menschen eingeführt. Der EU-einheitliche Parkausweis gilt außer in Deutschland auch in allen anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern), sowie in folgenden weiteren Ländern: Albanien, Aserbaidschan, Bosnien-Herzegowina, Georgien, Island, Jugoslawien, Kroatien, Liechtenstein, Norwegen, Mazedonien, Moldawien, Russland, Schweiz, Türkei, Ungarn, Ukraine, Weißrussland. Dieser Ausweis wird wie bisher bei den Gemeinden und Landratsämtern beantragt. Neu ist, dass zur Ausstellung des EU-einheitlichen Parkausweises ein Lichtbild benötigt wird. Der Ausweis ist amtlicher Nachweis für die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung, die auf ihm eingetragenen weiteren gesundheitlichen Merkmale und die Zugehörigkeit zu Sondergruppen. Er dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen, die schwerbehinderten Menschen nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch oder nach anderen Vorschriften zustehen. Änderungen in den für die Eintragungen maßgebenden Verhältnissen sind der ausstellenden Behörde unverzüglich mitzuteilen. Nach Aufforderung ist der Ausweis, der Eigentum der ausstellenden Behörde bleibt, zum Zwecke der Berichtigung oder Einziehung vorzulegen. Die missbräuchliche Verwendung ist strafbar. 44 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT 45 B ESCHEIDE UND F ORMULARE 46 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT 47 B ESCHEIDE UND F ORMULARE 48 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT 49 B ESCHEIDE UND F ORMULARE 50 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Merkzeichen und ihre gesundheitlichen Voraussetzungen G Bedeutung: Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr/erhebliche Gehbehinderung/Geh- und Stehbehinderung. Das Merkzeichen hat unter anderem Bedeutung für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr und für Nachteilsausgleiche bei der Steuer. Gesundheitliche Voraussetzungen: In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt (inhaltsgleich mit erheblicher Gehbehinderung/Geh- und Stehbehinderung) ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Auskunft und Antragstellung: Freifahrt: Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz; Steuer: Finanzamt aG Bedeutung: Außergewöhnliche Gehbehinderung. Das Merkzeichen aG hat insbesondere Bedeutung für Parkerleichterungen und für Nachteilsausgleiche bei der Steuer. Gesundheitliche Voraussetzungen: Außergewöhnlich gehbehindert sind solche Personen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die auch auf Grund von Erkrankungen dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind. Auskunft und Antragstellung: Freifahrt: Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz; Parkerleichterung: Straßenverkehrsbehörde; Steuer: Finanzamt Parkerleichterung und spezielle Parkerleichterung Gesundheitliche Voraussetzungen: Parkerleichterung können nur schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehin- 51 M ERKZEICHEN derung (aG) und Blinde (Bl) erhalten. Die spezielle Parkerleichterung können erhalten Ohnhänder (Ohnarmer) und kleinwüchsige Menschen mit einer Körpergröße von 1,39 Metern und darunter, auch ohne Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung. Auskunft und Antragstellung: Für Parkausweis: Straßenverkehrsbehörde (Passbild erforderlich), spezielle Parkerleichterung: Straßenverkehrsbehörde B Bedeutung: Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson. Das Merkzeichen hat insbesondere Bedeutung für die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson des schwerbehinderten Menschen im öffentlichen Nahverkehr. Durch das Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze, das am 12. Dezember 2006 in Kraft getreten, ist eine Klarstellung dahingehend erfolgt, dass schwerbehinderte Menschen, bei denen das Merkzeichen „B“ festgestellt ist, zur Mitnahme einer Begleitperson aber nicht verpflichtet sind. Gesundheitliche Voraussetzungen: Die Berechtigung zur Mitnahme einer ständigen Begleitung wird bei schwerbehinderten Menschen, die infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind, als nachgewiesen anerkannt. „Die Feststellung bedeutet nicht, dass die schwerbehinderte Person, wenn sie nicht in Begleitung ist, eine Gefahr für sich oder andere darstellt.“ Auskunft und Antragstellung: Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz BI Bedeutung: Blindheit. Das Merkzeichen hat insbesondere Bedeutung für Nachteilsausgleiche bei der Steuer und für Parkerleichterungen. Gesundheitliche Voraussetzungen: Blind ist der Schwerbehinderte, dem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind ist auch der Schwerbehinderte anzusehen, dessen Sehschärfe so gering ist, dass er sich in einer ihm nicht vertrauten Umgebung ohne fremde Hilfe nicht zurechtfinden kann. Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn auf dem besseren Auge eine Sehschärfe von nicht mehr als 1/50 besteht oder wenn andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzuachten sind. 52 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Auskunft und Antragstellung: Steuer: Finanzamt; Parkerleichterungen: Straßenverkehrsbehörde H Bedeutung: Hilflosigkeit. Das Merkzeichen hat insbesondere Bedeutung für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr und für Nachteilsausgleiche bei der Steuer. Gesundheitliche Voraussetzungen: Hilflos ist der schwerbehinderte Mensch, der infolge der Behinderung nicht nur vorübergehend für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfange fremder Hilfe dauernd bedarf. Bei bestimmten Behinderungen (z. B. Querschnittslähmung, Verlust mehrerer Gliedmaßen, schweren Hirnschäden mit einem GdB von 100 usw.) wird die Hilflosigkeit stets oder in der Regel unterstellt. Auskunft und Antragstellung: Freifahrt: Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz; Steuer: Finanzamt RF Bedeutung: Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunk-Fernsehgebührenpflicht/Gebührenermäßigung für den Fernsprechhauptanschluss. Gesundheitliche Voraussetzungen: Die Voraussetzungen erfüllen u. a. • Sonderfürsorgeberechtigte nach § 27 e des Bundesversorgungsgesetzes, • Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich Sehbehinderte mit einem Behinderungsgrad ab 60 allein wegen der Sehbehinderung, • Hörgeschädigte, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, • Behinderte Menschen ab einem Behinderungsgrad von mindestens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können (weder im Freien noch in geschlossenen Räumen), auch nicht mit Hilfsmitteln (z. B. Rollstuhl) oder Begleitperson. Auskunft und Antragstellung: Mit dem Achten Staatsvertrag) zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) traten zum 1. April 2005 die Rundfunkbefreiungsverordnungen der Länder außer Kraft. Mit dieser Änderung obliegt die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht seit 1. April 2005 nicht mehr den Sozialbehörden, sondern den jeweiligen 53 M ERKZEICHEN Landesrundfunkanstalten, die ihrerseits die GEZ Köln beauftragt haben, das Verfahren in ihrem Auftrag zentral durchzuführen. (s. auch 6.5, Seiten 120 f). Wegen einer Gebührenermäßigung für den Fernsprechhauptanschluss (Stichwort: Sozialtarif) wenden Sie sich an die Telekom. Die Telekom gewährt (übrigens freiwillig) den zusätzlichen Sozialtarif für bestimmte Kunden mit vorhandenem T-Net oder T-ISDN Mehrgeräteanschluss (nicht Anlagenanschluss), wenn dieser nicht überwiegend gewerblich genutzt wird. GI Bedeutung: Gehörlos. Das Merkzeichen hat u. a. Bedeutung für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr und für Nachteilsausgleiche bei der Steuer. Gesundheitliche Voraussetzungen: Gehörlos sind Hörbehinderte, bei denen Taubheit beiderseits vorliegt, sowie Hörbehinderte mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beiderseits, wenn daneben schwere Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Sprachschatz) vorliegen. Das sind in der Regel Hörbehinderte, bei denen die an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit angeboren oder in der Kindheit erworben worden ist. Auskunft und Antragstellung: Freifahrt: Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz; Steuer: Finanzamt 1. KI. Bedeutung: Notwendigkeit der Unterbringung in der 1. Wagenklasse. Bei Reisen mit der Deutschen Bahn AG kann der schwerbehinderte Mensch die 1. Wagenklasse mit Fahrausweis 2. Klasse benutzen. Dieser Nachteilsausgleich kommt nur für Schwerkriegsbeschädigte mit einer schädigungsbedingten MdE ab 70 v.H. und für NS-Verfolgte mit einer schädigungsbedingten MdE ab 70 v.H. in Betracht. Gesundheitliche Voraussetzungen: Der Zustand des/der Beschädigten muss bei Eisenbahnfahrten dessen/deren Unterbringung in der ersten Wagenklasse erfordern. Bei dieser Beurteilung können nur die anerkannten Schädigungsfolgen, nicht aber schädigungsunabhängige Gesundheitsstörungen („zivile Behinderungen“) berücksichtigt werden. Auskunft und Antragstellung: Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz; Deutsche Bahn AG 54 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 3 UND IHR R ECHT Der behinderte Mensch am Arbeitsplatz Ziel des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von behinderten Menschen und die Beseitigung der Hindernisse, die ihrer Chancengleichheit entgegenstehen. Wie dies zu erreichen ist und welche Hilfen in Anspruch genommen werden können bzw. wer Ansprechpartner ist, wird in diesem Kapitel behandelt. 3.1 Der Arbeitsplatz muss stimmen Stimmen die Fähigkeiten des behinderten Menschen und die Anforderungen des Arbeitsplatzes überein, kann von einer Leistungsminderung in Verbindung mit dem Begriff „behinderter Mensch“ nicht gesprochen werden. Nachfolgend beschriebene Schritte sollen zur Übereinstimmung von Fähigkeit und Anforderung beitragen. Die behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen als eine besondere Form der menschengerechten Gestaltung der Arbeit setzt eine Reihe spezieller Kenntnisse voraus. Entscheidendes Kriterium für eine behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeit: Die Arbeit muss ausführbar und erträglich sein, sie sollte der Behinderung angepasst werden. Erfordert die Art und Schwere der Behinderung eine Reduzierung der Arbeitszeit, so können schwerbehinderte Menschen eine Teilzeitbeschäftigung fordern. 3.1.1 Eignungsprofil Behinderungen können unterschiedliche Ursachen haben, die sich auf die Einsatzfähigkeit des Schwerbehinderten auswirken. Es bedarf einer arbeitsmedizinischen Feststellung, wieweit der schwerbehinderte Mensch in seinen Leistungsfunktionen eingeschränkt ist. Eignungseinschränkungen im Hinblick auf Körperhaltung, Körperbewegung, Gebrauch der Sinnesorgane und Anforderungen an die Arbeitsumgebung sind entscheidend für seinen beruflichen Einsatz und für Art und Umfang der nachgehenden Hilfe am Arbeitsplatz. 55 D ER BEHINDERTE 3.1.2 M ENSCH AM A RBEITSPLATZ Anforderungsprofil In Betracht kommende Arbeitsplätze werden erfasst. Arbeitsbedingungen und Arbeitsanforderungen werden ermittelt, die der Arbeitsplatz und die auszuführende Tätigkeit an den Arbeitenden stellen: • Die zu übertragende Arbeitsaufgabe muss beschrieben werden. Was geschieht an diesem Arbeitsplatz? • Welche Ausbildung, welche Kenntnisse, welche Erfahrung muss der Arbeitsausführende haben? • Mit welcher Geschicklichkeit oder Handfertigkeit muss die Arbeit ausgeführt • • • • • • • werden? Werden gesteigerte Anforderungen an die Körperbeherrschung gestellt? Ist die Ausführung der Arbeit mit einer besonderen Verantwortung für das Enderzeugnis, das Betriebsmittel, die Arbeitssicherheit oder den Arbeitsablauf verbunden? Ist die Arbeitsausführung mit besonderen Anforderungen an die Sinnesorgane, an die Wahrnehmung verbunden? Inwieweit werden durch die Tätigkeit Körperteile oder Einzelmuskelgruppen belastet? Ist die Belastung gering, unter 1 kg, mittel (ca. 1 bis 3 kg), schwer (Werkzeuge oder Hantierungen über 3 kg, Tragen über 10 kg) oder sehr schwer (Hantierungen oder Tragen über 30 kg)? Wie hoch ist die Dauer der Beanspruchung in Stunden je Schicht? Ist bei Ausführung der Tätigkeit mit besonderen Umgebungseinflüssen zu rechnen? Mit außergewöhnlichen Temperaturen, Schmutz, Staub, Gasen, Dämpfen, Lärm, Erschütterungen, Lichtmangel oder Blendung, Erkältungsgefahr, Unfallgefährdung? Welche Betriebsmittel sind zur Ausführung der Tätigkeit notwendig? In welchen Dimensionen sind die Betriebsmittel ausgelegt, sind besondere Vorrichtungen vorhanden, wie groß, schwer, sperrig? Wie ist bei Ausführung der Tätigkeit der Arbeitsablauf organisiert: Einzelarbeit, Fluss-System, unterbrochene oder ununterbrochene Ablauffolge? Ist für die Erledigung der Arbeitsaufgabe ein besonderes Lohnsystem vorgesehen: Leistungslohn, Zeitlohn, Zeitvorgabe? 3.1.3 Auswahl des geeigneten Arbeitsplatzes Vergleich von Eignungsprofil und Anforderungsprofil ermittelt den geeigneten Arbeitsplatz. In vielen Fällen ist eine Übereinstimmung nicht ohne Weiteres zu erreichen. Hier muss behinderungsgerechte Gestaltung den Arbeitsplatz auf den schwerbehinderten Menschen anpassen. 56 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 3.1.4 UND IHR R ECHT Arbeitsgestaltung Die Arbeitsbedingungen müssen den physischen und psychischen Anlagen und Fähigkeiten des Menschen entsprechen. Besondere Zielsetzung ist es dabei, die Arbeitsaufgabe des schwerbehinderten Menschen seinen ausgefallenen oder eingeschränkten Körperfunktionen anzupassen und den Arbeitsplatz entsprechend dem individuellen Leistungsbild so zu gestalten, dass eine maximale technische Ergiebigkeit und Wirtschaftlichkeit erreicht wird. Die Faktoren der Gestaltung von Arbeitssystemen sind: • konstruktive Gestaltung (z. B. durch eine produktionsgerechte Konstruktion), • technologische Gestaltung (z. B. durch die Auswahl des Werkstoffes und dessen Bearbeitung), • fertigungstechnische Gestaltung (z.B. durch die Fertigungsmethode und den Grad der Mechanisierung), • arbeitstechnische Gestaltung (z. B. durch Bewegungs- und Zeitstudium), • organisatorische Gestaltung (z. B. durch Arbeitsteilung oder Einteilung der Arbeitszeit), • sicherheitstechnische Gestaltung, • physiologische Gestaltung (z. B. durch Beeinflussung des Klimas im Arbeitsraum), • informationstechnische Gestaltung (z. B. Verfahren und Darstellung der Information, An- und Zuordnung der Bedienungselemente), • psychologische Gestaltung (z. B. Stimulation der Motivation, Entlohnungsmethode, Führungstechniken), • soziologische Gestaltung (z.B. Gruppenbildung, Statussicherung). Welche der angeführten Gestaltungsmöglichkeiten – einzeln oder in Verbindung miteinander – im konkreten Fall gewählt werden, richtet sich nach • dem Bau, der Konstruktion des menschlichen Körpers unter Berücksichtigung der sich aus der Behinderung ergebenden Abweichungen und nach • den Leistungsfunktionen des menschlichen Körpers (physiologisch, psycho- logisch, bewegungstechnisch, informationstechnisch) entsprechend den im Leistungsprofil festgestellten Daten des jeweiligen behinderten Menschen. 3.2 Beispiele der an einen Arbeitsplatz für behinderte Menschen zu stellenden Anforderungen Die folgende Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll ein Leitfaden sein zur Gestaltung behindertengerechter Arbeitsplätze. Q Hirnverletzungen ohne Anfälle Keine Arbeiten: 57 A RBEITSPLATZ -A NFORDERUNGEN 1. unter Lärmeinwirkung, 2. unter Hitzeeinwirkung, 3. mit hohen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen, 4. unter dauerndem Zeitdruck, 5. am Fließband oder taktgebundene Arbeiten, 6. im Akkord, 7. bei denen schnelle Reaktionen verlangt werden, 8. die mit häufigem Bücken, mit schwerem Heben und Tragen oder dauernden körperlichen Anstrengungen verbunden sind, 9. an schnell laufenden Maschinenteilen, 10. auf Leitern und Gerüsten. Q Hirnverletzungen mit Anfällen Wie bei „Hirnverletzungen ohne Anfälle”, außerdem keine Arbeiten, 1. die nicht zu ebener Erde ausgeführt werden können, 2. an Plätzen, die nur über ungesicherte Wege zu erreichen sind, 3. bei denen der schwerbehinderte Mensch längere Zeit allein ist, 4. die auch nur kurzfristig mit körperlichen Anstrengungen verbunden sind, 5. zwischen schnell laufenden oder scharfkantigen Maschinenteilen, 6. an stromführenden Teilen, 7. auf Fahrzeugen und Kränen, 8. in Tanks, Rohrleitungen oder engen Räumen. Q Tbc-Erkrankungen Keine Arbeiten: 1. unter starker Hitzeeinwirkung, 2. in Zugluft, 3. unter Nässeeinwirkung, 4. in unmittelbarer Berührung mit Nahrungsmitteln, 5. die mit schwerem Heben, Tragen oder dauernden körperlichen Anstrengungen verbunden sind. Q Erkrankungen der Atemwege Keine Arbeiten: 58 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT 1. in Zugluft, 2. bei Nässe, 3. unter starken Temperaturschwankungen 4. unter Hitzeeinwirkung, 5. unter Staubeinwirkung, insbesondere keine Schleif- oder Schneidearbeiten an Steinen und Kunststoffen sowie Arbeiten mit Asbest, 6. mit Reizungen der Atemwege durch Gas oder starke Gerüche, 7. bei denen auch nur zeitweilig Atemschutzgeräte getragen werden müssen, 8. die mit schwerem Heben, Tragen oder dauernden körperlichen Anstrengungen verbunden sind. Q Erkrankungen der Verdauungsorgane Keine Arbeiten: 1. bei denen Chemikalien in gas- oder staubförmiger Art eingeatmet werden, 2. die ständig eine gebückte Haltung erfordern, 3. bei denen Wechselschichten erforderlich sind, 4. bei denen die Einhaltung einer verordneten Diät nicht möglich ist. Q Herz- und Kreislauferkrankungen Keine Arbeiten: 1. unter starkem Zeitdruck oder im Akkord, 2. die auch nur kurzfristig mit körperlichen Anstrengungen verbunden sind, 3. bei denen Wechselschichten gefahren werden müssen, 4. unter schlechten Luftverhältnissen. Q Erkrankungen der Wirbelsäule Keine Arbeiten: 1. die häufiges Bücken, schweres Heben oder Tragen erfordern, 2. die ständiges Sitzen oder Stehen erfordern, 3. in Zwangshaltungen, 4. die häufiges Besteigen von Leitern und Gerüsten erfordern. Q Verlust eines Auges Keine Arbeiten: 1. bei denen räumliches Sehen erforderlich ist, insbesondere das Führen von Fahr- 59 A RBEITSPLATZ -A NFORDERUNGEN zeugen und Kränen, 2. unter ungünstigen Lichtverhältnissen (Flimmern, Flackern, schneller Wechsel der Lichtverhältnisse), 3. bei denen schnell laufende Maschinenteile zu beobachten sind, 4. bei denen eine Gefährdung des verbliebenen Auges durch umherfliegende Materialsplitter oder durch Funkenflug gegeben ist, wenn nicht sicher gestellt ist, dass ständig eine Schutzbrille getragen wird. Q Verlust eines Unterschenkels Keine Arbeiten: 1. bei denen ständiges Stehen oder Gehen erforderlich ist, 2. bei denen das Besteigen von Leitern und Gerüsten erforderlich ist, 3. auf schiefen Ebenen und glatten oder rutschigen Flächen, 4. bei denen schweres Heben oder Tragen erforderlich ist. Q Verlust eines Oberschenkels Wie bei „Verlust eines Unterschenkels”, außerdem keine Arbeiten: 1. an Plätzen, die nur durch lange Fußwege, über Treppen erreichbar sind, 2. die häufiges Bücken oder Erheben vom Sitzplatz erfordern, 3. auf Fahrzeugen, 4. bei denen Fahrzeugen oder Maschinenteilen ausgewichen werden muss. Q Verlust oder Gebrauchsunfähigkeit einer Hand Keine Arbeiten: 1. die schweres Heben oder Tragen erfordern, 2. die das Besteigen von Leitern oder Gerüsten notwendig machen, 3. bei denen Fahrzeuge oder Kräne bedient werden müssen. Q Taubheit oder erhebliche Beeinträchtigung der Hörfähigkeit Keine Arbeiten: 1. bei denen akustische Signale zu beachten sind, insbesondere keine Arbeiten auf Verkehrswegen, 2. bei denen eine dauernde Kommunikation mit Mitarbeitern erforderlich ist, 3. mit Publikums- oder Telefonverkehr, 4. in feuer- oder explosionsgefährdeten Bereichen. Weitere Informationen über ausgewählte Behinderungen und deren arbeitsmedizi- 60 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT nische Aspekte sowie technische Hilfen und organisatorische Hinweise erhalten Sie bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder den Integrationsämtern. 3.3 Aufgaben des Arbeitgebers Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, besonders mit bei der Agentur für Arbeit gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können (§ 81 Abs. 1 SGB IX). Des Weiteren sind die Arbeitgeber verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass in ihren Betrieben und Dienststellen wenigstens die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung finden kann (§ 81 Abs. 3 SGB IX). Bei vorliegenden Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen verlangt die weitere Prüfungspflicht den Vergleich von Anforderungs- und Eignungsprofil. Der technische Beratungsdienst der Agenturen für Arbeit sollte einbezogen werden, wenn Differenzen zwischen dem Anforderungs- und dem Eignungsprofil des behinderten Menschen anzunehmen sind. Die Berater sind vertraut mit vielen Einzelhilfen, sie wissen, wie ein Arbeitsplatz behinderungsgerecht angepasst werden kann, ohne dass die Wirtschaftlichkeit darunter leidet. Finanzielle Hilfe durch die Bundesagentur für Arbeit soll Betrieben ihre Einstellungsbereitschaft erleichtern helfen. 3.3.1 Benachteiligungsverbot Das in § 81 Abs. 2 in das SGB IX aufgenommene Benachteiligungsverbot wurde durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl I 2006, 1897 geändert durch Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes vom 2. Dezember 2006 (BGBI I 2742) bestätigt (vgl. Broschüre „Arbeitsrecht für jeden“). Über das bisherige Benachteiligungsverbot für schwerbehinderte Menschen hinaus sollen durch dieses Gesetz jedwede Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindert oder beseitigt werden. Anders als in der Regelung des § 81 Abs. 2 SGB IX in der bis 17. August 2006 geltenden Fassung enthaltene Diskriminierungsverbot schützt das AGG nur schwerbehinderte Beschäftigte mit einem GdB von wenigstens 50 v.H. sowie Gleichgestellte. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erfasst der Begriff „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dagegen jede Einschränkung, die auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist 61 A UFGABEN DES A RBEITGEBERS und die ein länger andauerndes Hindernis für die Teilhabe am Berufsleben bildet. § 81 Abs. 2 SGB IX war daher bis zum Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) europarechtskonform anzuwenden, d.h. diese Regelung galt auch für schwerbehinderte Beschäftigte mit einem Grad der Behinderung von unter 50 (BAG, Az: 9 AZR 823/06 vom 10. April 2007). Unzulässige Benachteiligungen im Sinne des AGG werden in: a) unmittelbare Benachteiligung, b) mittelbare Benachteiligung, c) Belästigung, d) sexuelle Belästigung, e) Anweisung zur Benachteiligung einer Person, unterschieden und deren rechtliche Wirkung unterschiedlich bewertet. Der Gesetzgeber hat sich für den Begriff der „Benachteiligung“ statt der „Diskriminierung“ entschieden, um deutlich zu machen, dass nicht jede unterschiedliche Behandlung, die mit der Zufügung eines Nachteils verbunden ist, diskriminierenden Charakter hat. Für bestimmte Fälle wird eine unterschiedliche Behandlung ausdrücklich zugelassen (wegen beruflicher Anforderungen, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters). Um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, sind Vorschriften über Entschädigung und Schadensersatz im Falle der Verletzung des Benachteiligungsverbotes vorgesehen. Die Beweislast ist für die Benachteiligten vereinfacht, da die Beweislast umgekehrt wurde. Das heißt, wer sich benachteiligt sieht, muss Tatsachen glaubhaft machen, die auf eine Benachteiligung schließen lassen. Die Beweislast wird auf die andere Partei (z. B. den Arbeitgeber) übertragen und muss dann beweisen, dass keine Benachteiligung vorliegt. Weiterhin werden die Rechte von der/dem Betroffenen zur Durchsetzung von Rechten zusätzlich dadurch erleichtert, dass die Einschaltung unterstützender Antidiskriminierungsverbände (als Beistände) zugelassen wird. Ebenfalls wurde eine Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit klar definiertem Überwachungsauftrag errichtet. 3.3.2 Behindertengerechte Gestaltung der Arbeit Nach § 81 Abs. 4 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihrem Arbeitgeber einen individuellen, einklagbaren Anspruch darauf, dass ihr Arbeitgeber Arbeitsräume, Betriebsvorrichtungen, Maschinen und Gerätschaften unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr so einrichtet und den Betrieb so regelt, dass schwerbehinderte Menschen in ihren Betrieben dauerhafte Beschäftigung finden. Nach § 81 Abs. 5 sind Arbeitgeber verpflichtet, die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen zu fördern. Fordert der behinderte Mensch wegen der Art und Schwere der Behinderung eine Teilzeitbeschäftigung und seine Arbeitszeit 62 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT muss deshalb verkürzt werden, so muss der Arbeitgeber diesem Wunsch entsprechen. Die Arbeitgeber sind ferner verpflichtet, den Arbeitsplatz mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen auszustatten. Diese Verpflichtungen bestehen nicht, soweit ihre Durchführung den Betrieb ernstlich schädigen würde, mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften ihnen entgegenstehen (Kriterien Betriebsgröße und finanzielle Situation). 3.3.3 Zuschüsse bei Integrationsamt, Agentur für Arbeit oder Rehabilitationsträgern beantragen Zu den Kosten der behinderungsgerechten Gestaltung oder Neueinrichtung von Arbeits- bzw. Ausbildungsplätzen können Arbeitgeber Zuschüsse erhalten. Ob eine Leistung zu gewähren ist und von welchem Rehabilitationsträger, teilt das Integrationsamt auf Anfrage mit. Einzelheiten regeln die Ausgleichsabgabeverordnung, Leistungen des Integrationsamtes und der Bundesagentur für Arbeit. 3.3.4 Bevorzugte Förderung der beruflichen Bildung Die Arbeitgeber haben schwerbehinderte Menschen so zu beschäftigen, dass diese ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Sie haben die schwerbehinderten Menschen zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung bevorzugt zu berücksichtigen (§ 81 Abs. 4 SGB IX). 3.4 Freistellung von Mehrarbeit Schwerbehinderte Menschen sind auf ihr Verlangen nach § 124 SGB IX von Mehrarbeit freizustellen. Sinn dieser Bestimmung ist es, dass die Leistungsfähigkeit nicht über Gebühr in Anspruch genommen wird. Hierbei ist laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 8. November 1989, AZ.: 5 AZR 642/88) unter Mehrarbeit nur die Arbeitszeit zu verstehen, die die normale gesetzliche Arbeitszeit von acht Stunden nach § 3 des Arbeitszeitgesetzes überschreitet. Überarbeit, d. h. solche Arbeit, die über die Arbeitszeit hinausgeht, die der Arbeitnehmer laut Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebs- oder Dienstvereinbarung am jeweiligen Arbeitstag zu leisten verpflichtet ist, stellt demgegenüber nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts keine Mehrarbeit im Sinne von § 124 SGB IX dar, solange die Acht-Stundengrenze nicht überschritten wird. Bei Ver- 63 F REISTELLUNG VON M EHRARBEIT einbarung von Teilzeitarbeit ist jedoch zu beachten, dass – unabhängig von § 124 SGB IX – Teilzeitbeschäftigte in wesentlich eingeschränkterem Maß als Vollzeitkräfte zur Leistung von Überstunden verpflichtet sind (vgl. dazu näher unsere Broschüre „Teilzeitbeschäftigung”). 3.5 Anspruch auf Zusatzurlaub 3.5.1 Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr; verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend. Soweit tarifliche, betriebliche oder sonstige Urlaubsregelungen für schwerbehinderte Menschen einen längeren Zusatzurlaub vorsehen, bleiben sie unberührt. Gleichgestellte im Sinne von § 2 SGB IX haben keinen Anspruch auf Zusatzurlaub. Der gesetzliche Zusatzurlaub gemäß § 125 SGB IX ist kein Sonderurlaub. Er stellt vielmehr einen zusätzlichen Erholungsurlaub dar, der zu dem Grunderholungsurlaub, der allen Arbeitnehmern zusteht, hinzukommt. „Mehrurlaub“, den der Arbeitgeber über Gesetz oder Tarifvertrag hinaus gewährt, darf nicht auf den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen angerechnet werden. Anspruch auf den Zusatzurlaub hat jeder schwerbehinderte Mensch mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 50. Selbst dann, wenn das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz der Schwerbehinderteneigenschaft gemäß § 69 SGB IX noch nicht zugestimmt hat, besteht Anspruch auf Zusatzurlaub. Als zusätzlicher Erholungsurlaub teilt der Zusatzurlaub das Schicksal des Grundurlaubs. Entstehen und Erlöschen des Anspruchs auf Zusatzurlaub richten sich nach dem Grundurlaub. Zusatzurlaub ist kein Teilurlaub. Berechnung: Arbeitet ein schwerbehinderter Mensch weniger oder mehr als an fünf Tagen (Teilzeit oder rollierendes System), so ist der Zusatzurlaub entsprechend seiner persönlichen Arbeitszeit höher und niedriger zu bemessen. Auszugehen ist von 52 Wochen zu je fünf Arbeitstagen, also von 260 Arbeitstagen. Arbeitet ein teilzeitbeschäftigter schwerbehinderter Mensch nur 130 Tage, so hat er Anspruch auf 130 : 5 = 2,5 Tage Zusatzurlaub. Arbeitet ein schwerbehinderter Mensch in einem rollierenden System in einigen Wochen an sechs Tagen und in anderen Wochen an fünf Tagen, so sind seine konkreten Arbeitstage, bezogen auf das Urlaubsjahr, festzustellen. Betragen die Arbeitstage im Urlaubsjahr zum Beispiel 273, so erhält der schwerbehinderte Mensch 273 x 5 : 260 = 5,25 Tage Zusatzurlaub. beispiel 64 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Bruchteile von Urlaubstagen werden weder auf- noch abgerundet (BAG-Urteile vom 31. Mai 1990 – 8 AZR 296/89 – und vom 22. Oktober 1991 – 9 AZR 373/90). § 5 Bundesurlaubsgesetz gilt hier nicht, weil es sich nicht um einen Teilurlaub im Sinne dieser Regelung handelt. Neue Absätze 2 und 3 befassen sich mit dem Umfang des Zusatzurlaubs in Sonderfällen: Bei Eintritt oder Wegfall der Schwerbehinderteneigenschaft im Verlaufe des Kalenderjahres und bei rückwirkender Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft. Liegt die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres vor, hat ein schwerbehinderter Mensch nicht mehr Anspruch auf den vollen Zusatzurlaub, sondern nur auf anteiligen – 1/12 des vollen Zusatzurlaubs für jeden vollen Monat. Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind aufzurunden. Was mit Zusatzurlaubstagen geschieht, deren Bruchteile weniger als 0,5 ergeben, ist nicht geklärt. Nach gängiger Regelung müssten diese Fälle auf ganze Urlaubstage abgerundet werden. Der dabei ermittelte Zusatzurlaub ist dem Gesamt-Urlaubsanspruch hinzuzurechnen. Der so ermittelte, anteilige Zusatzurlaub darf bei einer nicht ganzjährigen Beschäftigung nicht nochmals gekürzt werden. Dies gilt in den Fällen, in denen die Anerkennung nicht das ganze Jahr vorliegt und im gleichen Jahr die Beschäftigung beendet wird. Es ist davon auszugehen, dass geringere Bruchteile nicht abzurunden, sondern in dem geringeren Umfang zu gewähren sind. Der so errechnete Zusatzurlaub verlängert den Erholungsurlaub (Art. 1 Nr. 31, § 125 Abs. 2 SGB IX). Wird die Schwerbehinderteneigenschaft rückwirkend festgestellt, kann Zusatzurlaub aus den vergangenen Jahren nicht beansprucht werden (Art. 1 Nr. 31, § 125 Abs. 3 SGB IX). Zusatzurlaub verfällt ebenso wie Grundurlaubsanspruch mit dem Ablauf des Urlaubsjahres, wenn er nicht genommen wurde oder die Voraussetzungen für eine Übertragung des Urlaubs nicht vorliegen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung (BAG-Urteile vom 26. Juni 1986, AZ: 8 AZR 266/84 und vom 4. September 1986, AZ: 8 AZR 112/84) festgehalten. Der zusätzliche Erholungsurlaub sollte stets rechtzeitig vor Ablauf des Urlaubsjahres ordnungsgemäß beim Arbeitgeber geltend gemacht werden. Nach dem Bundesurlaubsgesetz ist das Urlaubsjahr grundsätzlich das Kalenderjahr. Die Geltendmachung muss also rechtzeitig vor Ablauf des Kalenderjahres erfolgen, um einem Erlöschen des Urlaubsanspruches entgegenzuwirken. Gilt für das betreffende Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag und legt dieser das Urlaubsjahr abweichend vom Kalenderjahr fest, so ist der Zusatzurlaub rechtzeitig vor Ablauf des maßgeblichen tariflichen Urlaubsjahres geltend zu machen. Die ordnungsgemäße Geltendmachung vor Ablauf des Urlaubsjahres ist auch dann 65 Z USATZURLAUB erforderlich, wenn der Arbeitnehmer zu dem Zeitpunkt, zu dem er den Zusatzurlaub beansprucht, zwar schwerbehindert im Sinne des SGB IX ist, die Schwerbehinderung aber durch das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz noch nicht festgestellt ist. Für diesen Fall hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteilen vom 26. Juni 1986 (AZ: 8 AZR 266, 371, 550, 555/84, 8 AZR 75/83) folgende Regeln aufgestellt: Ein Arbeitnehmer, der den Zusatzurlaub vor der behördlichen Feststellung verlangt, muss gegenüber dem Arbeitgeber seine Behinderung geltend machen und außerdem verlangen, dass der Arbeitgeber ihm den Zusatzurlaub für das laufende Urlaubsjahr gewährt. Weigert sich der Arbeitgeber, den Urlaub zu erteilen, gerät er in Leistungsverzug. Dem Arbeitnehmer steht dann als Schadensersatzanspruch Ersatzurlaub zu, wenn der Urlaubsanspruch bis zur rechtskräftigen Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft zwischenzeitlich erloschen ist. Die Erklärung des Arbeitnehmers, er mache den Zusatzurlaub nur „vorsorglich“ geltend, oder er wolle ihn „anmelden“, begründet den Leistungsverzug nicht. Erhebt der Arbeitnehmer Klage auf Gewährung des Zusatzurlaubes, kann dem der Arbeitgeber nicht damit begegnen, ein Feststellungsbescheid sei noch nicht ergangen. Bestreitet der Arbeitgeber die Behinderung, ist jedoch der Arbeitnehmer hierfür beweispflichtig. Gewährt der Arbeitgeber den Urlaub im laufenden Urlaubsjahr trotz ordnungsgemäßer Geltendmachung nicht, sollte rechtzeitig vor Ablauf des Übertragungszeitraumes (gemäß § 7 Abs. 3 BUrIG: 31. März des Folgejahres; eventuell abweichendes Datum bei Anwendbarkeit von Tarifverträgen) der Urlaubsanspruch nochmals geltend gemacht werden. Wird der Zusatzurlaub trotz ordnungsgemäßer Geltendmachung nicht gewährt und stellt das Integrationsamt später rückwirkend die Schwerbehinderteneigenschaft fest, so stehen dem Arbeitnehmer als Schadensersatzanspruch so viele Tage Ersatzurlaub zu, wie ihm Zusatzurlaubstage im maßgeblichen Urlaubsjahr bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Zusatzurlaubsanspruchs zugestanden hätten. Q Abgeltung von Zusatzurlaub Kann der gesetzliche Zusatzurlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gewährt werden, so ist er nach § 7 Abs. 4 BUrIG abzugelten (BAG-Urteil vom 25. Juni 1996 – 9 AZR 182/95). Der Abgeltungsanspruch entsteht ohne vorherige Geltendmachung des Freistellungsanspruchs und wenn erstmals nach Ende des Arbeitsverhältnisses auf die Schwerbehinderung verwiesen wird. 66 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 3.5.2 UND IHR R ECHT Saarländische Sonderregelung über Zusatzurlaub Einen Zusatzurlaub von drei Arbeitstagen hatten bisher unter bestimmten Voraussetzungen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von 25 bis unter 50 erhalten. Q Änderung seit 1. Januar 2000 Laut Beschluss des Landtages vom 23. Juni 1999 ist das Gesetz betreffend Regelungen des Zusatzurlaubes für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft vom 22. Juni 1950 (Amtsblatt S. 759), zuletzt geändert durch Artikel 10 § 2 des Gesetzes vom 27. November 1996 (Amtsblatt S. 1313), ab dem 1. Januar 2000 wie folgt geändert: Seit 1. Januar 2000 ist dieses Gesetz außer Kraft, aber Anspruchsberechtigte, die bis zur Außerkraftsetzung dieses Gesetzes einen Rechtsanspruch auf Zusatzurlaub hatten, erhalten diesen Zusatzurlaub weiter. Q Öffentlicher Dienst Im öffentlichen Dienst ist seit dem 1. Januar 1997 durch die Verordnung zur Änderung der Urlaubsverordnung für die saarländischen Beamten und Richter vom 15. Mai 1996 der Zusatzurlaub von drei Arbeitstagen für behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung (MdE) von 25 bis 50 gestrichen. 3.5.3 Zusatzurlaub bei Herabsetzung des Grades der Behinderung Wird durch einen Änderungsbescheid des Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz im Saarland, sonst des Versorgungsamtes, der Grad der Behinderung auf unter 50 herabgesetzt, endet der Anspruch auf Zusatzurlaub erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides. Wird der Änderungsbescheid durch Widerspruch und danach durch Klage angefochten, dann erlischt der Anspruch auf Zusatzurlaub erst mit Ende des dritten Kalendermonats, der auf die Unanfechtbarkeit des letzten Bescheides erfolgt. Der Änderungsbescheid vom 9. August 1999 setzte den Grad der Behinderung von Hans Mayer von 60 auf 40 herab. Mayer legte innerhalb der Monatsfrist keinen Widerspruch ein. Die Dreimonatsfrist begann also am 1. Oktober und endete am 31. Dezember. Mayer hat Anspruch auf den gesamten Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen. beispiel 67 E INSTELLUNG , U RLAUBSENTGELT, U RLAUBSGELD 3.6 Einstellung, Urlaubsentgelt, Urlaubsgeld 3.6.1 Pflichten bei Einstellung Die Frage eines Arbeitgebers bei der Einstellung eines Stellenbewerbers nach dessen Schwerbehinderteneigenschaft ist auch dann uneingeschränkt zulässig, wenn die Behinderung, auf der die Anerkennung beruht, tätigkeitsneutral ist (BAG-Urteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 923/94). Das heißt, die durch den Bescheid des Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz anerkannte Schwerbehinderung (mindestens ein GdB von 50), muss dem Arbeitgeber mitgeteilt werden, auch wenn die anerkannten Leiden keine Auswirkung auf die auszuübende Tätigkeit haben. Wird eine solche Frage falsch beantwortet, kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung nach § 123 anfechten. Beantwortet der schwerbehinderte Mensch Fragen nach seiner Schwerbehinderteneigenschaft unrichtig oder falsch und fechtet der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit, so hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung (BAG-Urteil vom 3. Dezember 1998 – 2 AZR 754/97). 3.6.2 Urlaubsentgelt Bei der Frage, welche Entgeltansprüche schwerbehinderten Arbeitnehmern während des Urlaubs zustehen, ist zu unterscheiden zwischen dem Urlaubsentgelt und dem Urlaubsgeld. Als Urlaubsentgelt bezeichnet man den Anspruch des Arbeitnehmers auf Fortzahlung der Vergütung während des Urlaubs. Da § 125 SGB IX allen schwerbehinderten Arbeitnehmern einen Anspruch auf bezahlten Zusatzurlaub gewährt, haben somit alle schwerbehinderten Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgeltes während des Zusatzurlaubes. Das Urlaubsentgelt für den Zusatzurlaub ist vom Arbeitgeber in der gleichen Höhe zu zahlen wie das Urlaubsentgelt während des Erholungsurlaubs. Sofern nicht eine günstigere vertragliche oder tarifvertragliche Regelung besteht, steht dem schwerbehinderten Arbeitnehmer daher gemäß § 11 Bundesurlaubsgesetz (BUrIG) auch für die Dauer des Zusatzurlaubs mindestens der Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn zu. Ungünstigere Regelungen sind in Einzelarbeitsverträgen unzulässig und auch in Tarifverträgen nur bedingt zulässig. 3.6.3 Urlaubsgeld Als Urlaubsgeld bezeichnet man eine zusätzliche, über das Urlaubsentgelt hinaus 68 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT gezahlte Vergütung. Einen gesetzlichen Anspruch auf ein Urlaubsgeld gibt es nicht. Ein Urlaubsgeld kann der Arbeitnehmer also nur verlangen, wenn eine solche Zahlung vereinbart ist, sei es ausdrücklich in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag, sei es „stillschweigend“, indem sich der Arbeitgeber durch wiederholte vorbehaltlose Zahlung zur Entrichtung des Urlaubsgeldes verpflichtet hat. Ob und inwieweit schwerbehinderte Arbeitnehmer auch für den Zusatzurlaub ein zusätzliches Urlaubsgeld neben dem Urlaubsentgelt beanspruchen können, ist ebenfalls vom Inhalt der jeweiligen Vereinbarung abhängig. Der Anspruch auf Urlaubsgeld für den Zusatzurlaub besteht nur, wenn dies vereinbart ist. Hinsichtlich einer tarifvertraglichen Urlaubsgeldregelung, die vorsah, dass ein bestimmter Betrag pro Urlaubstag zu zahlen sei, hat das Bundesarbeitsgericht am 30. Juli 1986 (8 AZR 241/83) entschieden, dass das Urlaubsgeld nur dann für die Tage des Zusatzurlaubs zu zahlen sei, wenn der Tarifvertrag ausdrücklich auf den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen Bezug nimmt. Sieht der Tarifvertrag das tägliche Urlaubsgeld dagegen nur für die Tage des tariflich für alle Arbeitnehmer vereinbarten Grundurlaubs vor, so können schwerbehinderte Menschen nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts für die Tage des Zusatzurlaubs das Urlaubsgeld nicht beanspruchen. Diese Grundsätze sind auf anders ausgestaltete Urlaubsgeldregelungen in Einzelarbeitsverträgen oder Tarifverträgen jedoch nur bedingt übertragbar. Da es auf den – gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden – Inhalt der Urlaubsgeldvereinbarung im Einzelfall ankommt, sollten schwerbehinderte Arbeitnehmer sich beraten lassen, ob nach der für ihr Arbeitsverhältnis geltenden verträglichen oder tarifvertraglichen Regelung ein Anspruch auf Urlaubsgeld auch für den Zusatzurlaub besteht. Diesen Rat können Kammermitglieder zum Beispiel durch die kostenlose Dienstleistung der Abteilung Beratung der Arbeitskammer oder durch Schwerbehindertenvertretung, Betriebsrat, Gewerkschaft erhalten. Kein Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld besteht in jedem Fall, wenn unabhängig von der Dauer ein Urlaubsgeld in einer pauschal festgesetzten Höhe vereinbart ist. Q Urlaubsgeld für in Heimarbeit Beschäftigte Sofern eine besondere Regelung nicht besteht, erhalten die in Heimarbeit beschäftigten schwerbehinderten Menschen als zusätzliches Urlaubsgeld 2 Prozent des vom 1. Mai des vergangenen bis zum 30. April des laufenden Jahres verdienten Arbeitsentgelts ausschließlich der Unkostenzuschläge (vgl. § 127 Abs. 3). 69 D IE S CHWERBEHINDERTENVERTRETUNG 3.7 Die Schwerbehindertenvertretung Für die Beratung behinderter Menschen am Arbeitsplatz kommen in erster Linie die betrieblichen Helfer wie die Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen, Mitglieder des Betriebs-/Personalrats sowie Beauftragte des Arbeitgebers in Betracht. Sind Probleme des behinderten Menschen auf dieser Ebene nicht zu lösen, wird im Regelfall die Schwerbehindertenvertretung das Integrationsamt einschalten und bitten, im Wege der begleitenden Hilfe tätig zu werden. Das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 29. September 2000 verbesserte die Stellung der Schwerbehindertenvertretung insoweit, dass in Betrieben, in denen mindestens 200 schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen beschäftigt sind, die Schwerbehindertenvertretung auf Wunsch freizustellen ist (§ 96 Abs. 4 SGB IX). Sie hat darüber hinaus das Recht, das erste und das zweite stellvertretende Mitglied zur Aufgabenerfüllung mit heranzuziehen. Die Bundesregierung hat dieses Recht auf erweiterte Heranziehung eines, unter Umständen eines zweiten stellvertretenden Mitglieds damit begründet, in Betrieben mit in der Regel mehr als 100 bzw. 200 schwerbehinderten oder gleichgestellten behinderten Menschen sei die Aufgabenbelastung so groß, dass sie ohne Heranziehung des bzw. der Stellvertreter nicht leistbar sei. Die Begründung der Bundesregierung kann die Vertrauensperson auch dazu nutzen, eine völlige Arbeitsbefreiung (Freistellung) nach § 96 Abs. 4 Ziffer 1 SGB IX auch schon dann zu beanspruchen, wenn in der Regel mehr als 100 schwerbehinderte und ihnen nach § 68 Abs. 2 SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen zu betreuen sind, nicht erst, wie in § 96 Abs. 4 Ziffer 2 SGB IX vorgesehen, bei in der Regel wenigstens 200 schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten behinderten Menschen. Die Vertrauensperson braucht von ihrem Recht zur Heranziehung des ersten stellvertretenden Mitglieds, statt sich völlig von der Arbeit befreien zu lassen, nicht Gebrauch zu machen. Wird ein oder werden zwei stellvertretende Mitglieder zur Aufgabenerfüllung herangezogen, müssen deren Aufgaben bestimmt und der Arbeitgeber davon unterrichtet werden. Art.1 Nr. 22 lit. a doppellit. bb, § 95 Abs. 1 SGB IX hebt das ausdrücklich hervor. Ein Recht auf Schulungs- und Bildungsveranstaltungen hat nunmehr auch die stellvertretende Schwerbehindertenvertretung. Voraussetzungen sind: • ständige Heranziehung nach § 95 SGB IX, • häufige Vertretung der Vertrauensperson, • absehbares Nachrücken in das Amt der Schwerbehindertenvertretung. Ein wesentlicher Fortschritt für die Schwerbehindertenvertretungen ist, dass sie an 70 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Bewerbungsverfahren schwerbehinderter Menschen und bei der Prüfung, ob schwerbehinderte Menschen in Betrieb oder Dienststelle beschäftigt werden können, beteiligt werden müssen. 3.7.1 In welchen Betrieben und Dienststellen ist sie zu wählen? In Betrieben und Dienststellen, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen (hierzu zählen auch Gleichgestellte) nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, ist eine Vertrauensperson und wenigstens eine Stellvertretung zu wählen. Diese vertritt die Vertrauensperson in allen Fällen der Verhinderung durch Abwesenheit oder Wahrnehmung anderer Aufgaben (§ 94 Abs. 1 SGB IX). Scheidet die Vertrauensperson vorzeitig aus dem Amt, rückt für den Rest der Amtszeit die Vertretung nach, die mit der höchsten Stimmenzahl gewählt ist. Da Gleiches für die Stellvertreter gilt, empfiehlt es sich, gleich zwei zu wählen. 3.7.2 Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung Die Schwerbehindertenvertretung hat nach § 95 Abs. 1 SGB IX die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in Betrieb oder Dienststelle zu fördern. Q Überwachungsfunktion Die Schwerbehindertenvertretung hat nach § 95 Abs. 1 Ziffer 1 SGB IX vor allem darüber zu wachen, dass die zu Gunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen eingehalten werden, insbesondere der Arbeitgeber die ihm nach § 71, 72 und 81 bis 84 obliegenden Verpflichtungen erfüllt. Q Vorsorgefunktion Die Schwerbehindertenvertretung hat Maßnahmen, die den schwerbehinderten Menschen dienen, insbesondere präventive Maßnahmen (s. auch § 84 SGB IX), bei den zuständigen Stellen wie Integrationsamt, Agentur für Arbeit, Sozialversicherungsträger zu beantragen (§ 95 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX). Q Vermittlungsfunktion Anregungen und Beschwerden von schwerbehinderten Menschen entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlung mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinzuwirken, ist eine zentrale Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung. Über den Stand und das Ereignis der Verhandlung hat sie die schwerbehinderten Menschen zu unterrichten (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX). Q Unterstützungsfunktion Bei Anträgen an die Versorgungsverwaltung auf Feststellung einer Behinderung 71 D IE S CHWERBEHINDERTENVERTRETUNG und ihres Grades sowie der Schwerbehinderteneigenschaft hat die Schwerbehindertenvertretung die Beschäftigten zu unterstützen (§ 95 Abs. 1 SGB IX). Q Beratungsfunktion Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs/Personalrates o.Ä. und deren Ausschüssen sowie des Arbeitsschutzausschusses beratend teilzunehmen (§ 95 Abs. 4 SGB IX). Q Antragsrecht Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht zu beantragen, dass Angelegenheiten, die einzelne schwerbehinderte Menschen oder diese als Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Betriebs- bzw. Personalrates zu setzen sind (§ 95 Abs. 4 SGB IX). 3.7.3 Rechte zur Durchführung ihrer Aufgaben Q Informations- und Anhörungsrecht Der Rechtsanspruch der Schwerbehindertenvertretung auf Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichtet den Arbeitgeber, sie in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen schwerbehinderten Menschen oder die gesamte Gruppe der schwerbehinderten Menschen und Gleichgestellten berühren, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und vor jeder Entscheidung zu hören. Die getroffene Entscheidung ist der Schwerbehindertenvertretung unverzüglich, also ohne Zeitverlust, mitzuteilen (§ 95 Abs. 2 SGB IX). Der Arbeitgeber hat die Pflicht, die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die schwerbehinderte Menschen berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen (§ 95 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX). Q Aussetzung von Maßnahmen Verletzt der Arbeitgeber das Anhörungsrecht oder Informationsrechte der Schwerbehindertenvertretung, so kann diese verlangen, dass Durchsetzung oder Vollzug der Entscheidung auszusetzen ist. Die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen. Dann ist endgültig zu entscheiden (§ 95 Abs. 2 SGB IX). Die Erfüllung dieser Pflichten ist bußgeldbewehrt (§ 156 Abs. Nr. 9 SGB IX). Der Bußgeldrahmen wird erhöht – von 2.500 auf 10.000 € entsprechend dem Bußgeldrahmen des § 121 BetrVG (Art. 1 Nr. 34 lit. b, § 156 Abs. 2 SGB IX). Q Recht auf Überlassung und Einsichtnahme in Unterlagen, die behinderte Menschen betreffen Auch wenn § 95 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch hierzu keine ausdrückliche Bestim- 72 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT mung enthält, hat nach unserer Auffassung die Schwerbehindertenvertretung das Recht, vom Arbeitgeber zu verlangen, dass ihr die Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, die zur Durchführung ihrer Aufgaben und zur Erfüllung ihrer Überwachungsfunktion notwendig sind. Gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX sind der Schwerbehindertenvertretung Abschriften des Verzeichnisses der in Betrieb oder Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen, Gleichgestellten und sonstigen anrechnungsfähigen Personen sowie der Anzeigen über die Beschäftigungssituation, die der Arbeitgeber jährlich gegenüber der Agentur für Arbeit abzugeben hat, auszuhändigen. Ebenso wie z. B. ein Betriebsratsmitglied nach § 83 Abs. 1 BetrVG dann Einsicht in die Personalakte eines Arbeitnehmers nehmen kann, wenn dieser ihn zu der Akteneinsicht hinzuzieht, kann die Vertrauensperson Einsicht in die Personalakten des schwerbehinderten Menschen nehmen, wenn dieser sie hinzuzieht (§ 95 Abs. 3 SGB IX). Für das Betriebs-/Personalratsmitglied und die Schwerbehindertenvertretung gilt, dass sie Stillschweigen über den Inhalt der Personalakte zu bewahren haben, es sei denn, der schwerbehinderte Mensch würde sie von dieser Verpflichtung entbinden. Q Beteiligungsrecht bei Einstellungen Werden in Betrieben oder Dienststellen neue Stellen geschaffen, so muss die Schwerbehindertenvertretung bei der Prüfung beteiligt werden, ob in Betrieb oder Dienststelle schwerbehinderte Menschen beschäftigt werden können. Über die Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und über die Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung informieren. Am Bewerbungsverfahren schwerbehinderter Menschen muss die Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden (§ 95 Abs. 2 SGB IX). Lehnt der Arbeitgeber die Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen ab und die Schwerbehindertenvertretung ist mit dieser Entscheidung nicht einverstanden, so muss der Arbeitgeber – wenn er bis dahin seiner Pflicht nicht nachgekommen ist – seine Entscheidung gegenüber der Schwerbehindertenvertretung begründen. Diese Neuerung ist von besonderer Bedeutung, weil dadurch die Schwerbehindertenvertretung Einfluss auf die Einhaltung der Beschäftigungsquote nehmen kann. Q Teilnahmerecht an allen Sitzungen der Personal-/Betriebsvertretung Um die Belange behinderter Menschen besser vertreten zu können, hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs- oder Personalrats, des Betriebsausschusses und allen Ausschüssen mit beratender Stimme teilzunehmen (§ 95 Abs. 4 SGB IX, BAG-Urteil vom 21. April 1993 7 ABR 44/92). Zu diesen Ausschüssen zählt auch der Wirtschaftsausschuss (BAG-Urteil vom 8. Februar 1989 7 ABR 83/86 und 6 ABR 70/85 vom 4. Juni 1987). 73 D IE S CHWERBEHINDERTENVERTRETUNG Das Teilnahmerecht kann nicht deshalb eingeschränkt werden, weil etwa Ausschüsse Aufgaben zur selbstständigen Erledigung zugewiesen bekommen haben. Das Teilnahmerecht der Schwerbehindertenvertretung an allen Sitzungen des Betriebs-/Personalrates und allen Ausschusssitzungen muss im Zusammenhang mit dem Recht der Schwerbehindertenvertretung gesehen werden, Beschlüsse des Betriebs-/Personalrates auf eine Woche aussetzen zu lassen, wenn durch einen Beschluss die Interessen der behinderten Arbeitnehmer beeinträchtigt werden. Einen Beschluss des Betriebs-/Personalrates aussetzen lassen kann die Schwerbehindertenvertretung auch deshalb, weil sie zuvor vom Arbeitgeber nach § 95 Abs. 2 SGB IX nicht beteiligt wurde. Zu allen Sitzungen ist die Schwerbehindertenvertretung rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung einzuladen. In Betrieben und Dienststellen mit mehr als 100 schwerbehinderten Beschäftigten kann die Vertrauensperson den/die erste/n und zweite/n Stellvertreter/in zu bestimmten Aufgaben heranziehen; z. B. bei einer Teilung von Fachbereichen nimmt der/die jeweilige Stellvertreter/in an bestimmten Ausschüssen des Betriebs-/Personalrates ständig beratend teil. Das Heranziehen zu bestimmten Aufgaben schließt die Abstimmung untereinander ein. Der Arbeitgeber ist hierüber zu unterrichten. Ist die Schwerbehindertenvertretung an einer Sitzungsteilnahme verhindert, so nimmt die Stellvertretung das Teilnahmerecht (die Beratungspflicht) wahr. Q Teilnahmerecht an der Monatsbesprechung Die Schwerbehindertenvertretung ist zu Besprechungen nach § 74 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, § 66 Abs. 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes bzw. nach den entsprechenden Bestimmungen der Landespersonalvertretungsgesetze (im Saarland § 69 Abs. 1 SPersVG) zwischen dem Arbeitgeber und den in § 95 Abs. 4 genannten Vertretungen hinzuzuziehen. Q Recht der Einberufung der Schwerbehinderten-Versammlung Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, mindestens einmal im Jahr eine Versammlung schwerbehinderter und gleichgestellter Arbeitnehmer zu halten, die sie einzuberufen hat. Der Beauftragte des Arbeitgebers und der Arbeitgeber selbst sind unter Mitteilung der Tagesordnung rechtzeitig einzuladen. Die Beauftragten der im Betrieb oder in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften haben Teilnahmerecht. Beauftragte des Arbeitgeberverbandes können ebenfalls mit beratender Stimme teilnehmen. Es erscheint zweckmäßig, das Integrationsamt und die Agentur für Arbeit zu bitten, Vertreter zu entsenden. Q Recht der Teilnahme an Betriebs- und Personalversammlungen Die Schwerbehindertenvertretung kann an Betriebs- und Personalversammlungen in Betrieben und Dienststellen teilnehmen, für die sie als Schwerbehindertenvertretung zuständig ist, und hat dort ein Rederecht, auch wenn ihre Mitglieder nicht Angehörige des Betriebes oder der Dienststelle sind (neu seit 1. Mai 2004, § 95 Abs. 8). 74 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Q Aufgaben und Kompetenz der Stufenvertretungen Grundsatz ist, dass die Gesamtschwerbehindertenvertretung die Interessen der schwerbehinderten und ihnen nach § 68 Abs. 2 SGB IX gleichgestellten behinderten Menschen in Angelegenheiten vertritt, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe oder Dienststellen des Arbeitgebers betreffen und von den Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe oder Dienststellen nicht geregelt werden können (§ 97 Abs. 6 Satz 1 SGB IX). Dieser Grundsatz gilt entsprechend für die Konzern-, Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretung sowie für die Schwerbehindertenvertretung der obersten Dienstbehörde (§ 97 Abs. 6 Satz 2 SGB IX). Das gilt auch für Verhandlungen über Integrationsvereinbarungen und den Abschluss solcher Vereinbarungen (so jetzt ausdrücklich Art. 1 Nr. 23, § 97 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 SGB IX). Schwerbehindertenvertretung i.S. des § 83 SGB IX ist nicht nur die örtliche für den Betrieb oder die Dienststelle, sondern sind auch die Stufenvertretungen nach § 97 SGB IX. Auch sie haben das Recht zu Verhandlungen über eine Integrationsvereinbarung und zum Abschluss einer Integrationsvereinbarung, soweit es um Angelegenheiten im Sinne des § 83 Abs. 2 und 2a SGB IX geht, die das Gesamtunternehmen, mehrere Betriebe oder Dienststellen des Arbeitgebers betreffen und von den zuständigen Schwerbehindertenvertretungen nicht geregelt werden können. In einem Unternehmen mit mehreren Betrieben oder einem Unternehmensverbund mit mehreren Unternehmen und Betrieben sind also mehrere Integrationsvereinbarungen auf verschiedenen Ebenen abzuschließen, auf Konzern-, Unternehmens- und Betriebsebene. Eine auf Konzernebene abgeschlossene Integrationsvereinbarung ersetzt nicht die auch für das Unternehmen und seine Betriebe abzuschließenden Integrationsvereinbarungen mit ihrem auf diese organisatorischen Einheiten bezogenen Inhalt. Das Entsprechende gilt im öffentlichen Dienst für die Schwerbehindertenvertretung, die Bezirks- und die Hauptschwerbehindertenvertretung. 3.7.4 Persönliche Rechte und Pflichten der Vertrauenspersonen Q Ehrenamtliche Tätigkeit Die Vertrauensperson verwaltet ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Sie darf in der Ausübung ihres Amtes nicht behindert oder wegen ihres Amtes nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Mit dieser Rechtsstellung soll eine möglichst breite Unabhängigkeit der Vertrauensperson im Rahmen von Aufgaben und Pflichten sichergestellt werden. Q Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz Vertrauenspersonen besitzen gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche 75 D IE S CHWERBEHINDERTENVERTRETUNG Rechtsstellung, insbesondere den gleichen Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz wie ein Mitglied des Betriebs-, Personal-, Staatsanwalts- oder Richterrates. Die stellvertretenden Vertrauenspersonen besitzen während der Dauer der Vertretung die gleiche persönliche Rechtsstellung wie die Vertrauensperson. Dies gilt auch, wenn sie in Betrieben oder Dienststellen mit mehr als 100 schwerbehinderten Beschäftigten von der Schwerbehindertenvertretung zu bestimmten Aufgaben herangezogen worden sind für die Dauer der Heranziehung. Im Übrigen besitzen stellvertretende Vertrauenspersonen die gleiche Rechtsstellung wie Ersatzmitglieder der oben genannten Interessenvertretungsorgane. Q Keine Nachteile für die berufliche Entwicklung Die Vertrauensperson darf in ihrer beruflichen Entwicklung nicht benachteiligt und nicht von Maßnahmen der Berufsförderung ausgeschlossen werden. Sie hat das Recht, die durch ihre Amtsführung und mögliche Arbeitsfreistellung unterbliebene berufliche Entwicklung im Betrieb oder in der Dienststelle nachzuholen. Durch Arbeitsbefreiung bzw. Freistellung darf es zu keiner Kürzung des Arbeitseinkommens und der üblichen betrieblichen sozialen Leistungen kommen. Innerhalb eines Jahres nach Beendigung ihrer Freistellung ist ihnen im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebes oder der Dienststelle Gelegenheit zu geben, eine wegen der Freistellung unterbliebene berufliche Entwicklung in dem Betrieb oder der Dienststelle nachzuholen. Für Vertrauenspersonen, die drei volle aufeinander folgende Amtszeiten freigestellt waren, erhöht sich der genannte Zeitraum auf zwei Jahre. Q Arbeitsbefreiung und Freistellung Der Anspruch auf Befreiung von der beruflichen Tätigkeit ist ähnlich wie beim Betriebs- bzw. Personalratsmitglied. Dies ist erforderlich, um die durch das Gesetz auferlegten Aufgaben, Pflichten und Rechte ordnungsgemäß durchführen und in Anspruch nehmen zu können. Sie sind zum Teil im Betrieb selbst, aber auch außerhalb des Betriebes zu erfüllen und sind grundsätzlich während der Arbeitszeit abzuwickeln. Nur wenn aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen eine Wahrnehmung von Amtsaufgaben außerhalb der Arbeitszeit erforderlich ist, haben Vertreter der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen Anspruch auf Arbeits- bzw. Dienstbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Q Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen Nach § 96 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch sind die Vertrauenspersonen für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen ohne Minderung des Arbeitsentgeltes oder der Dienstbezüge von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien, wenn diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind. Dieser Rechtsanspruch besteht auch für die mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Vertrauensperson in Be- 76 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT trieben/Dienststellen, die in der Regel wenigstens 200 schwerbehinderte, auch gleichgestellte Beschäftigte haben, wenn die Teilnahme an Bildungs- und Schulungsveranstaltungen erforderlich ist wegen • ständiger Heranziehung nach § 95 SGB IX, • häufiger Vertretung der Vertrauensperson für längere Zeit, • absehbaren Nachrückens in das Amt der Schwerbehindertenvertretung in kurzer Frist. Die Arbeitskammer des Saarlandes richtet über eine Kooperationsvereinbarung die Schulungen für das Integrationsamt aus und zwar für Vertrauenspersonen, Betriebs- und Personalräte, Mitarbeitervertretungen sowie Beauftragte des Arbeitgebers. Q Kostenträger Alle Kosten, die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehen, trägt der Arbeitgeber (§ 96 Abs. 8 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch). Zu den Sachkosten gehören insbesondere: Kosten der Wahl, Kosten für Schreibmaterialien, Büroausstattung, Gesetzesausgaben, Telefonkosten, Aufwendungen für Fahrtkosten zu Agentur für Arbeit oder Integrationsamt etc. Die Räume und der Geschäftsbedarf, die der Arbeitgeber dem Betriebs- oder Personalrat für dessen Sitzungen, Sprechstunden und laufende Geschäftsführung zur Verfügung stellt, stehen für die gleichen Zwecke auch der Schwerbehindertenvertretung zur Verfügung, soweit hierfür nicht eigene Räume und Sachmittel zur Verfügung gestellt werden. Q Zusammenarbeit bei der Integration Das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter regelte die berufliche Integration behinderter Menschen neu (seit 1. Oktober 2000). Gemäß § 83 Abs.1 SGB IX sollen Arbeitgeber mit den betrieblichen Funktionsträgern eine verbindliche Integrationsvereinbarung treffen. Dieses Instrument verpflichtet den Arbeitgeber, mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebs- oder Personalrat und dem Beauftragten des Arbeitgebers auf den Betrieb ausgerichtete Integrationsziele festzulegen und eine verbindliche Vereinbarung abzuschließen. Ziel ist es, die berufliche Integration schwerbehinderter Menschen so betriebsnah wie möglich zu gestalten. Auf Antrag der Schwerbehindertenvertretung muss ein Arbeitgeber über eine Integrationsvereinbarung in Verhandlungen treten. Diese neue Zuordnung des Antragsrechtes verändert die Zusammenarbeit zwischen Schwerbehindertenvertretung und Betriebs- oder Personalrat in diesem Punkt. Bisher musste sich die Schwerbehindertenvertretung darum bemühen, als beratendes Gastmitglied die Beschlüsse des Betriebs- oder Personalrates im Sinne ihrer Interessenvertretung zu beeinflussen. Jetzt hat die Schwerbehindertenvertretung zum ersten Mal ein eigenes Mitwirkungsrecht. 77 D IE S CHWERBEHINDERTENVERTRETUNG Ist in einem Betrieb oder einer Dienststelle keine Schwerbehindertenvertretung vorhanden, so können Betriebs- oder Personalrat den Antrag stellen, eine Integrationsvereinbarung einzuführen. Werden Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertretung sich nicht einig über den Inhalt einer Integrationsvereinbarung, so sieht das Gesetz kein Einigungsverfahren vor. Sinnvoll ist es daher, auf Antrag von Arbeitgeber oder Schwerbehindertenvertretung das Integrationsamt gleich mit einzubeziehen, zumal es zu dessen zentralen Aufgaben gehört, die berufliche Integration behinderter Menschen zu fördern. Inhalte einer Integrationsvereinbarung müssen insbesondere sein: • Gestaltung des Arbeitsumfeldes, • Personalplanung, • Arbeitsorganisation, • Arbeitszeit. Seit 1. Mai 2004 können insbesondere Regelungen getroffen werden: 1. zur angemessenen Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier, frei werdender oder neuer Stellen, 2. zu einer anzustrebenden Beschäftigungsquote, einschließlich eines angemessenen Anteils schwerbehinderter Frauen, 3. zu Teilzeitarbeit, 4. zur Ausbildung behinderter Jugendlicher, 5. zur Durchführung der betrieblichen Prävention (betriebliches Eingliederungsmanagement) und zur Gesundheitsförderung, 6. über Hinzuziehen des Werks- oder Betriebsarztes für Beratungen über Leistungen zur Teilhabe sowie über besondere Hilfen im Arbeitsleben. Um den Erfolg der Integrationsvereinbarung zu sichern, ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei Schwerbehindertenversammlungen über alle Angelegenheiten, die im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen stehen, zu berichten (§ 83 Abs. 3 SGB IX). Eine einmal getroffene Integrationsvereinbarung ist schriftlich festzuhalten und der zuständigen Agentur für Arbeit zu übermitteln. Dadurch erhält die Agentur für Arbeit einen Überblick über die innerbetrieblichen Verhältnisse und sie kann zielgerichteter vermitteln. 78 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 3.7.5 UND IHR R ECHT Information und Zusammenarbeit Q Arbeitgeber Arbeitgeber, Beauftragter des Arbeitgebers, Schwerbehindertenvertretung und Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat arbeiten zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben im Betrieb oder der Dienststelle eng zusammen. Q Betriebsrat-/Personalrat Aus der Aufgabenstellung des Betriebs- und Personalrats, Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben zu fördern und insbesondere darauf zu achten, dass die dem Arbeitgeber obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden, ergibt sich die enge Zusammenarbeit mit der Schwerbehindertenvertretung. Diese Zusammenarbeit wird bekräftigt durch die Regelung nach § 99 SGB IX. Q Außerbetriebliche Zusammenarbeit Maßnahmen, die den schwerbehinderten Menschen dienen, sind bei den zuständigen Stellen zu beantragen (§ 95 Abs. 1 Ziffer 2 SGB IX). Das setzt Kontakte der Schwerbehindertenvertretung zu außerbetrieblichen Stellen voraus. Zu diesen Stellen gehören unter anderen: • Integrationsamt, • Fürsorge- und Versorgungsämter, • Bundesagentur für Arbeit, • Gewerbeaufsicht, • Berufsgenossenschaft, • Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherungsträger, • zuständige Gewerkschaft, • Arbeitskammer des Saarlandes, • Behindertenverbände und die • Verbände der Freien Wohlfahrtspflege. Diese Kontakte sind die besten Voraussetzungen, dass die zu Gunsten der Arbeitnehmer – besonders der schutzbedürftigen Personen – geltenden Gesetze und Verordnungen, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eingehalten werden. Die Einhaltung zu überwachen ist Aufgabe des Betriebsrates (gemäß § 80 Abs. 1 BetrVG) bzw. des Personalrates (gemäß § 68 Abs. 1 BPersVG bzw. der entsprechenden Bestimmungen der Landespersonalvertretungsgesetze) und der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 1 Ziffer 1 SGB IX. 79 K ÜNDIGUNGSSCHUTZ 4 Kündigungsschutz für schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer 4.1 Zustimmung des Integrationsamtes Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen oder Gleichgestellten durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes (§ 85 SBG IX). Spricht der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer eine Kündigung aus, ohne dass das Integrationsamt zuvor seine Zustimmung erteilt hat, so ist die Kündigung unwirksam. Die vorherige Zustimmung ist grundsätzlich bei allen Kündigungen Wirksamkeitsvoraussetzung. Die genannte Schutzbestimmung für schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer gilt daher nicht nur bei allen ordentlichen (fristgemäßen) Kündigungen, sondern auch bei außerordentlichen (in der Regel fristlosen) Kündigungen aus wichtigem Grund und bei allen Änderungskündigungen. Wegen der Besonderheiten bei außerordentlichen und bei Änderungskündigungen siehe aber Punkt 4.5 und 4.6. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen, besteht nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung von Arbeitgeberseite. Sie besteht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis aus sonstigen Gründen endet, also z. B. beim Auslaufen eines befristeten Arbeitsverhältnisses oder beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages (siehe aber 4.9). Wichtig: Mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages verzichtet der schwerbehinderte Arbeitnehmer auf den besonderen Schwerbehindertenschutz. Dies kann die Verhängung einer Sperrfrist durch die Agentur für Arbeit (siehe § 144 SGB lll Arbeitsförderungsrecht) und zeitweiliger Entzug des gesetzlichen Schutzes durch das Integrationsamt (§ 116 SGB IX) zur Folge haben. Gleiches gilt bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den schwerbehinderten Arbeitnehmer selbst. Hat das Integrationsamt die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung erteilt, kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Zustellung des Zustimmungsbescheides erklären (§ 88 Abs. 3 SGB IX). Will der Arbeitgeber nach Ablauf der Monatsfrist kündigen, muss er zuvor erneut die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Eine ohne erneute Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Neben diesem besonderen Kündigungsschutz gelten für schwerbehinderte Arbeitnehmer selbstverständlich auch die sonstigen arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzbestimmungen. 80 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Auch wenn das Integrationsamt die Zustimmung zu einer Kündigung erteilt hat, können schwerbehinderte Arbeitnehmer, für deren Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz gilt (zum Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes vgl. § 1 Abs. 1 und § 23 KSchG), daher selbstverständlich Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben, um die soziale Rechtfertigung der Kündigung und deren Wirksamkeit gemäß § 1 KSchG überprüfen zu lassen. Ebenso kann die Nichteinhaltung von Kündigungsfristen oder das Fehlen eines wichtigen Grundes im Falle einer außerordentlichen Kündigung (siehe unter 4.6) oder die Unwirksamkeit einer Kündigung wegen Betriebsüberganges durch eine Klage beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden, auch wenn das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat. Wichtig: Mit der Zustimmung zur Kündigung durch das Integrationsamt ist keine Entscheidung darüber getroffen, ob die Kündigung unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten insgesamt zulässig und wirksam ist. Hierüber haben allein die Arbeitsgerichte zu entscheiden. Auch wenn das Integrationsamt die Zustimmung zu einer Kündigung erteilt hat, kann daher eine Klage beim Arbeitsgericht erfolgreich sein, wenn die Kündigung gegen sonstige Kündigungsschutzbestimmungen verstößt. Vor Ausspruch der Kündigung hat der Arbeitgeber den Betriebs- bzw. Personalrat in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise zu beteiligen. Geschieht dies nicht, ist die Kündigung ebenfalls unwirksam. Ferner hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung anzuhören (§ 95 Abs. 2 SGB IX). 4.2 Kündigungsfrist Gemäß § 86 SGB IX beträgt die Mindestkündigungsfrist für schwerbehinderte Arbeitnehmer grundsätzlich vier Wochen; Ausnahmen siehe Punkt 4.3. Gelten für das Arbeitsverhältnis ohnehin gesetzlich, tarif- oder einzelvertraglich längere Kündigungsfristen, so sind diese Fristen maßgeblich. Für schwerbehinderte Arbeitnehmer sind daher insbesondere die gesetzlichen Kündigungsfristregelungen des § 622 BGB zu beachten. 4.3 Geschützter Personenkreis; Ausnahmen vom Sonderkündigungsschutz Die besonderen Kündigungsschutzvorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch gelten grundsätzlich für alle Arbeitnehmer und Auszubildenden, die schwerbehindert im Sinne des § 2 SGB IX sind sowie für Gleichgestellte. 81 K ÜNDIGUNGSSCHUTZ Die Kündigungsschutzbestimmungen des SGB IX gelten jedoch nicht für schwerbehinderte Menschen (auch Gleichgestellte), 1. deren Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate besteht oder 2. auf Stellen beschäftigt werden im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 (mit Wirkung vom 1. Januar 2005 in Kraft). Das sind: • Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, son• • • • dern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist und Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften, Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung oder Erziehung beschäftigt werden, Personen, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Dritten Buch teilnehmen, Personen, die nach ständiger Übung in ihre Stellen gewählt werden, Personen, deren Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet wird, sofern sie das 58. Lebensjahr vollendet haben und Anspruch auf eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung auf Grund eines Sozialplanes haben oder Anspruch auf Knappschaftsausgleichsleistung nach dem Sechsten Buch oder auf Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus haben, wenn der Arbeitgeber ihnen die Kündigungsabsicht rechtzeitig mitgeteilt hat und sie der beabsichtigten Kündigung bis zu deren Ausspruch nicht widersprechen. Die Vorschriften dieses Kapitels finden ferner bei Entlassungen, die wegen des Wetters vorgenommen werden, keine Anwendung, sofern die Wiedereinstellung der schwerbehinderten Menschen bei Wiederaufnahme der Arbeit gewährleistet ist. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen ist nach § 85 SGB IX unwirksam, wenn sie ohne Zustimmung des Integrationsamtes erfolgt. Vom Zustimmungserfordernis erfasst werden jedoch nur Kündigungen gegenüber solchen Arbeitnehmern, die bei Zugang der Kündigung bereits als Schwerbehinderte anerkannt sind oder den Antrag auf Anerkennung mindestens drei Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt haben (§ 90 Abs. 2a SGB IX). Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 Vorinstanz: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Oktober 2005 - 10 Sa 502/05 (aus BAG-Pressemitteilung Nr. 17/07). 82 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Auch Kündigungen gegenüber schwerbehinderten Arbeitnehmern, die in Heimarbeit beschäftigt oder den in Heimarbeit Beschäftigten gleichgestellt sind (§ 1 Abs. 1 und 2 HAG), bedürfen grundsätzlich der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, sofern nicht eine der vorstehenden Ausnahmen vorliegt (z. B. Beschäftigungsdauer unter sechs Monaten). Für diesen Personenkreis bestehen jedoch Besonderheiten im Hinblick auf die einzuhaltenden Kündigungsfristen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. 4.4 Beginn des besonderen Kündigungsschutzes Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts greift der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer grundsätzlich nur dann ein, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers entweder bereits nach § 69 SGB IX festgestellt war oder aber der Arbeitnehmer zumindest einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt hatte (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Februar 1977, AZ: 2 AZR 687/75). Der besondere behördliche Kündigungsschutz für schwerbehinderte und nach § 68 Abs. 2 gleichgestellte behinderte Menschen – Abhängigkeit der Zulässigkeit der Kündigung eines Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses von der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts und Mindestkündigungsfrist von vier Wochen (§§ 85 und 86 SGB IX) – in der Auslegung durch das BAG bleibt grundsätzlich erhalten. Die Ausnahmeregelung (§ 90 SGB IX) wird aber erweitert. Danach gilt der besondere Kündigungsschutz nicht, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 SGB IX eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung des behinderten Menschen nicht treffen konnte (Art. 1 Nr. 21a lit. b, § 90 Abs. 2a SGB IX). Die Eigenschaft als schwerbehinderte Menschen kann nicht nur durch einen Ausweis über die Schwerbehinderteneigenschaft, sondern auch durch einen Feststellungsbescheid der zuständigen Behörde nach § 69 Abs. 1 SGB IX oder einen anderweitigen Feststellungsbescheid nach § 69 Abs. 2 SGB IX nachgewiesen werden, wenn es einer Feststellung nach § 69 Abs. 1 SGB IX nicht bedarf, weil anderweitige Feststellungsbescheide über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der auf ihr beruhenden Erwerbsminderung getroffen worden sind. Ein Nachweis ist nicht erforderlich, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft offenkundig i.S. von § 291 ZPO ist. Der Nachweis muss dem Arbeitgeber gegenüber geführt werden. Er bezieht sich auf den Zeitpunkt der Kündigung; maßgeblich ist der Zugang der Kündigung, nicht der Ausspruch. 83 K ÜNDIGUNGSSCHUTZ Ist eine Feststellung nicht getroffen, aber bei der zuständigen Behörde beantragt, gilt nach bisherigem Recht der besondere Kündigungsschutz, wenn der Feststellungsantrag nachträglich, aber rückwirkend auf den Zeitpunkt der Kündigung für den behinderte Menschen positiv beschieden wird. Nach dem neuen Recht gilt das nicht mehr, wenn die zuständige Behörde zum Antrag auf Feststellung bis zum Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 SGB IX wegen fehlender Mitwirkung des behinderten Menschen keinen Bescheid erstellt. Welche Mitwirkung des behinderten Menschen geboten ist, bestimmt sich nach § 60 Abs. 1 SGB I. Der Arbeitgeber, der sich darauf beruft, dass der besondere Kündigungsschutz nicht gilt (Ausnahmeregelung), muss darlegen und beweisen, dass die Frist des § 69 Abs. 1 SGB IX ohne Bescheid verstrichen ist, weil der behinderte Mensch pflichtwidrig nicht mitgewirkt hat. Das Versorgungsamt oder die sonstige zuständige Behörde nach § 69 Abs. 1 SGB IX wird eine solche Auskunft, zu der es nicht verpflichtet wird, nur schwerlich geben. Das Integrationsamt soll die Entscheidung über einen Antrag auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung – falls erforderlich, auf Grund mündlicher Verhandlung – innerhalb eines Monats vom Tage des Eingangs des Antrags an treffen (§ 88 Abs. 1, zur außerordentlichen Kündigung s. § 91 Abs. 3 SGB IX). Die Integrationsämter werden nunmehr in bestimmten Fällen strikt verpflichtet, die Entscheidung innerhalb eines Monats zu treffen (Art. 1 Nr. 21, § 88 Abs. 5 SGB IX). Dabei geht es nicht, wie vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) ursprünglich beabsichtigt, um alle Fälle, in denen die Ausübung des Ermessens des Integrationsamts eingeschränkt ist (§ 89 SGB IX), sondern zum einen um die Fälle, in denen ein Betrieb oder eine Dienststelle nicht nur vorübergehend (vollständig) eingestellt oder aufgelöst wird und das Arbeitsentgelt mindestens drei Monate fortgezahlt wird (§ 89 Abs. 1 SGB IX). In diesem Fall hat das Integrationsamt die Zustimmung zu erteilen. Die maßgeblichen Fragen können binnen eines Monats geklärt werden. Wird innerhalb dieser Frist eine – positive oder negative – Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt (Art. 1 Nr. 21, § 88 Abs. 5 SGB IX). Der Arbeitgeber kann also innerhalb eines Monats nach Eintritt der Fiktion (Frist zur Entscheidung des Integrationsamtes ist Zustimmungsfiktion) kündigen, die öffentlich-rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung liegt vor. Der Arbeitnehmer kann dagegen Widerspruch und Klage erheben (Art. 1 Nr. 21, § 88 V i.V. mit § 88 Abs. 3, SGB IV und SGB IX). Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die fiktive Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung haben keine aufschiebende Wirkung. Die gleiche Regelung gilt in einem zweiten Fall: wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet worden ist und das Integrationsamt unter den unter Nrn. 1 bis 4 genannten Voraussetzungen die Zustimmung erteilen soll (§ 89 Abs. 3 SGB IX). 84 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Das Verwaltungsverfahren vor dem Integrationsamt ist in § 87 SGB IX geregelt. Dabei sah Absatz 2 bisher vor, dass das Integrationsamt auch eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit zu dem Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung einzuholen hat. Auf Vorschlag des Bundesrates ist dieses Erfordernis gestrichen worden, ist also nicht mehr einzuholen. 4.5 Änderungskündigung Unter einer Änderungskündigung ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber zu verstehen, die er verbunden mit dem Angebot ausspricht, den Arbeitnehmer unter geänderten Vertragsbedingungen weiter zu beschäftigen. Die angebotenen geänderten Vertragsbedingungen können z. B. darin bestehen, dass der Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder gegen geringeres Arbeitsentgelt oder statt in Vollzeit nur noch in Teilzeit beschäftigt werden soll. Auch eine Änderungskündigung kann der Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer, der dem durch § 85 SGB IX geschützten Personenkreis angehört (siehe 4.3), wirksam nur aussprechen, wenn das Integrationsamt vorher zugestimmt hat. Auch bei Änderungskündigung besteht der besondere Schwerbehindertenkündigungsschutz ergänzend neben den allgemeinen arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzbestimmungen (siehe 4.1). Sofern für das Arbeitsverhältnis des schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmers das Kündigungsschutzgesetz gilt, besteht daher die Möglichkeit, das Angebot, zu geänderten Arbeitsbedingungen weiter beschäftigt zu werden, unter dem Vorbehalt anzunehmen, dass es nicht „sozial ungerechtfertigt“ ist. Auch vor Ausspruch einer Änderungskündigung hat der Arbeitgeber die Pflicht, die Schwerbehindertenvertretung sowie den Betriebs- bzw. Personalrat in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise zu beteiligen. Hier gilt das Gleiche wie bei der Beendigungskündigung (siehe auch 4.1). Für den Betriebsrat ergeben sich je nach der mit der Änderungskündigung angestrebten Änderung der Arbeitsbedingungen neben dem Anhörungsrecht bei der Kündigung unter Umständen weitere Beteiligungsrechte. Soll mit der Änderungskündigung z. B. eine Versetzung des Arbeitnehmers ausgesprochen werden, besteht ergänzend zum Anhörungsrecht nach § 102 BetrVG das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 BetrVG. Entsprechendes gilt für Personalräte im öffentlichen Dienst. 85 K ÜNDIGUNGSSCHUTZ 4.6 Außerordentliche Kündigung Gemäß § 91 SGB IX ist der Arbeitgeber verpflichtet, auch vor einer außerordentlichen Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen. Geschieht dies nicht, ist die Kündigung unwirksam. Hinsichtlich der Voraussetzungen für den Sonderkündigungsschutz bei außerordentlichen Kündigungen und der Möglichkeit für den Arbeitnehmer, sich auch noch nach Ausspruch der Kündigung auf den Sonderkündigungsschutz zu berufen, gilt das oben in Ziffer 4.1, 4.3 und 4.4 Gesagte entsprechend. Eine außerordentliche Kündigung ist arbeitsrechtlich nur dann zulässig, wenn so schwerwiegende Gründe vorliegen, dass es für den Arbeitgeber unzumutbar wäre, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen (z. B. wenn der Arbeitnehmer Straftaten gegen den Betrieb oder den Arbeitgeber verübt hat). Der Arbeitgeber muss die Zustimmung zur Kündigung innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, zu dem er von dem Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat, beim Integrationsamt beantragen. Erfolgt der Antrag später, darf das Integrationsamt einer außerordentlichen Kündigung nicht mehr zustimmen. Das Integrationsamt hat über die Erteilung der Zustimmung binnen zwei Wochen ab Antragseingang zu entscheiden. Ergeht innerhalb dieser Frist keine Entscheidung, gilt die Zustimmung als erteilt. Ist die Zustimmung erteilt, wobei es gleichgültig ist, ob das Integrationsamt die Entscheidungsfrist hat verstreichen lassen oder dem Arbeitgeber die Zustimmung zu der außerordentlichen Kündigung ausdrücklich erteilt hat, muss der Arbeitgeber die Kündigung unverzüglich aussprechen. Die Kündigung kann unwirksam sein, wenn sie dem Arbeitnehmer erst mit Verzögerung zugeht. Schwerbehinderte Arbeitnehmer, denen lediglich aus Anlass eines Streiks oder einer Aussperrung fristlos gekündigt worden ist, sind nach Ende des Streiks oder der Aussperrung wieder einzustellen. 4.7 Verfahren und Entscheidung des Integrationsamtes Das Integrationsamt hat über den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zu einer Kündigung grundsätzlich nach freiem Ermessen zu entscheiden. Die Entscheidung darf aber nicht willkürlich erfolgen, sondern das Integrationsamt muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles eine sachgemäße Abwägung der Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Interessen des schwerbehinderten Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsplatzes vornehmen. 86 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Das Integrationsamt hat dabei zu beachten, dass es insbesondere Zweck des besonderen Kündigungsschutzes ist, den behinderten Arbeitnehmer vor Kündigungen aus Gründen seiner Behinderung und vor langen Arbeitslosigkeitszeiten auf Grund möglicherweise behinderungsbedingt schlechterer Vermittlungschancen zu bewahren. Arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte sind daher vom Integrationsamt bei der Entscheidung ebenso zu prüfen wie Möglichkeiten, behinderungsbedingte Leistungsstörungen durch eine behinderungsgerechte Arbeitsplatzgestaltung, zumutbare Umorganisation der Arbeitsabläufe, nötigenfalls innerbetriebliche Umsetzung des betroffenen Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz etc. aufzufangen. Das Integrationsamt hat jedoch nicht über die Zulässigkeit oder Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten zu befinden. Hierüber haben nach Ausspruch der Kündigung die Arbeitsgerichte zu entscheiden. Damit eine sachgerechte Entscheidung möglich ist, hat das Integrationsamt die Pflicht, Stellungnahmen der zuständigen Agentur für Arbeit, des Betriebs- oder Personalrates sowie der Schwerbehindertenvertretung einzuholen. Sie hat ferner den schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmer zu hören (§ 87 Abs. 2 SGB IX). Im Rahmen der Anhörung sollte der Betroffene möglichst umfassend besonders dazu Stellung nehmen, inwieweit die vom Arbeitgeber vorgetragenen Gründe für die beabsichtigte Kündigung in einem Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Wird die Zustimmung ohne Anhörung des Betroffenen oder ohne Einholung der oben aufgeführten Stellungnahmen ausgesprochen, sollte gegen die Entscheidung Widerspruch eingelegt werden (siehe Punkt 4.8). In einigen Fällen (siehe § 89 und § 91 Abs. 4 SGB IX) ist der Entscheidungsspielraum des Integrationsamtes eingeschränkt. Das heißt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ist das Integrationsamt gehalten oder sogar verpflichtet, die Zustimmung zu erteilen. So soll das Integrationsamt z. B. einer außerordentlichen Kündigung zustimmen, wenn die Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Das Integrationsamt ist verpflichtet, während des Zustimmungsverfahrens jederzeit auf eine gütliche Einigung hinzuwirken (§ 87 Abs. 3 SGB IX). Wichtig: Im Rahmen der Verpflichtung, auf eine gütliche Einigung hinzuwirken, kann das Integrationsamt auch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorschlagen oder empfehlen. Auch bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages auf Anraten des Integrationsamtes kann unter Umständen eine Sperrfrist durch die Agentur für Arbeit drohen, nämlich dann, wenn kein wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 144 SGB Abs. 3 (Arbeitsförderung) vorliegt. Sofern dies nicht bereits durch das Integrationsamt geschehen ist, sollte daher in jedem Fall vor Abschluss des Aufhebungsvertrages mit der zuständigen Agentur für 87 K ÜNDIGUNGSSCHUTZ Arbeit eine Klärung erreicht werden über die rechtlichen Folgen des Aufhebungsvertrages für die Arbeitslosenversicherung. Die Entscheidung über den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung ist dem schwerbehinderten Menschen und dem Arbeitgeber zuzustellen. 4.8 Rechtsmittel nach Kündigung, Arbeitsangebot Bei der Kündigung von schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmern ist eine Vielzahl von unterschiedlichen Fallgestaltungen denkbar, die unterschiedliche rechtliche Verteidigungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer eröffnen. Unter Umständen muss ein zweigleisiges Verfahren geführt werden: Hat das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung erteilt, so kann der Arbeitnehmer gegen den Zustimmungsbescheid mit Widerspruch und – falls das Rechtsmittel des Widerspruchs erfolglos bleibt – durch Klage vor dem Verwaltungsgericht vorgehen. Widerspruch und Klage haben jedoch keine aufschiebende Wirkung (§ 88 Abs. 4 SGB IX), d. h., der Arbeitgeber ist berechtigt, die Kündigung auszusprechen, auch wenn die Zustimmung zur Kündigung wegen eines noch laufenden Widerspruchsoder verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens noch nicht rechtskräftig ist. Daher muss gegebenenfalls parallel zum noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsstreitverfahren vor dem Arbeitsgericht gegen die ausgesprochene Kündigung geklagt werden. Dabei sind unterschiedliche Rechtsmittelfristen zu beachten: • • Die Frist für die Erhebung des Widerspruchs gegen den Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes beträgt im Regelfalle einen Monat ab Bekanntgabe des Bescheids. Auch für die Erhebung der Klage vor dem Arbeitsgericht sind Fristen zu beachten. Hier gelten jedoch unterschiedliche Regelungen. Wichtig: Die Einhaltung dieser Frist ist vor allem dann erforderlich, wenn Rechtsansprüche nach dem Kündigungsschutzgesetz ferner stets bei der Unwirksamkeit von außerordentlichen Kündigungen geltend gemacht werden sollen; in diesen Fällen ist eine spätere Klageerhebung nur in besonderen Ausnahmefällen möglich. Die Einhaltung der dreiwöchigen Klagefrist wird im Regelfall jedoch auch in den Fällen zu empfehlen sein, in denen die Klage auf Gründe gestützt wird, die unabhängig von bestimmten Klagefristen geltend gemacht werden können, da sich hieraus für den Arbeitnehmer prozessuale Vorteile ergeben können. Zum Beispiel bietet dies die Möglichkeit, noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung oder mangelhafte 88 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT soziale Auswahl rügen zu können, oder die Möglichkeit, Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung nach dem Kündigungsschutzgesetz stellen zu können. Darüber hinaus wird die auch bei nicht fristgebundenen Klagen mögliche Verwirkung des Klagerechts vermieden. Wichtig: Wegen der Vielzahl von denkbaren Fallgestaltungen kann eine abschließende Darstellung der rechtlichen Verteidigungsmöglichkeiten und der bestehenden Fristregelungen im Rahmen dieser Broschüre nicht erfolgen. Es wird daher empfohlen, in jedem Falle unverzüglich nach Erhalt der Kündigung eine rechtliche Beratung über den günstigsten Verfahrensweg in Anspruch zu nehmen (z. B. bei der Arbeitskammer, die ihre Mitglieder kostenlos berät, bei der zuständigen Gewerkschaft, Behindertenverbänden). Im Rahmen dieser Beratung sollte auch geprüft werden, inwieweit möglicherweise Ansprüche auf Weiterbeschäftigung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen (z. B. nach § 102 Abs. 5 BetrVG oder bei offensichtlich unwirksamer Kündigung). Erhält ein schwerbehinderter oder gleichgestellter Arbeitnehmer eine Kündigung, so kann es unter Umständen eine sehr lange Zeit dauern, bis über die Frage der Rechtswirksamkeit der Kündigung abschließend entschieden ist. Während dieser Zeit besteht meist Unklarheit darüber, ob das gekündigte Arbeitsverhältnis beendet ist oder wegen Unwirksamkeit der Kündigung fortbestanden hat. Um die Gehaltsansprüche bis zur Klärung dieser Frage zu sichern, sollte in jedem Fall der Arbeitnehmer, der sich gegen die Kündigung zur Wehr setzen will, unverzüglich nach Erhalt der Kündigung schriftlich, am besten per Einschreiben mit Rückschein, dem Arbeitgeber mitteilen, dass er die Kündigung für rechtsunwirksam hält und davon ausgeht, dass das Arbeitsverhältnis deshalb fortbesteht und dem Arbeitgeber auch über den in der Kündigung vorgesehenen Beendigungstermin hinaus die Arbeitskraft anbietet. Beschäftigt der Arbeitgeber auf ein solches Arbeitsangebot hin den Arbeitnehmer in der Zeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung nicht und stellt das Arbeitsgericht dann später fest, dass die Kündigung unwirksam war und das Arbeitsverhältnis fortbestanden hat, so kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber für die gesamte zurückliegende Zeit, in der eine Beschäftigung nicht erfolgt ist, die Nachzahlung des Gehaltes verlangen. Wichtig bei lang dauernden Kündigungsschutzverfahren ist aber: Ansprüche auf diesen so genannten „Annahmeverzugslohn“ verjähren mit Ablauf des zweiten Jahres nach Fälligkeit. Damit die Verjährung nicht eintritt, muss der Annahmeverzugslohn unter Umständen bereits während des noch laufenden Rechtsstreites über die Wirksamkeit der Kündigung beim Arbeitsgericht eingeklagt werden, oder der Arbeitnehmer muss sich vom Arbeitgeber einen Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung erklären lassen. 89 K ÜNDIGUNGSSCHUTZ Wichtig: Darüber hinaus gelten für Arbeitsverhältnisse neben den gesetzlichen Verjährungsfristen häufig einzelvertraglich vereinbarte oder tariflich geregelte „Ausschlussfristen“, d. h. Klauseln, die regeln, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, sofern sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist und gegebenenfalls auch in einer bestimmten Form (z. B. schriftlich) zunächst beim Arbeitgeber und auch gerichtlich geltend gemacht werden. Sofern derartige Klauseln gelten, sollten die Ansprüche auf den Annahmeverzugslohn in jedem Falle form- und fristgerecht geltend gemacht werden, da die Erhebung einer Kündigungsschutzklage allein in bestimmten Fällen zur Wahrung der Ausschlussfrist nicht ausreicht. Sofern die Ausschlussfrist-Bestimmung verlangt, Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, muss dies zur Wahrung der Ansprüche auf den Annahmeverzugslohn in jedem Falle fristgerecht erfolgen. 4.9 Beendigungsschutz bei teilweiser Erwerbsminderung, Erwerbsminderung auf Zeit und Berufsunfähigkeit Einige Tarifverträge (z.B. die Manteltarifverträge des Bundes und der Länder) enthalten Vorschriften, nach denen das Arbeitsverhältnis automatisch endet, sofern der Arbeitnehmer auf Zeit berufs- oder erwerbsunfähig wird. In diesen Fällen endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen muss. Damit schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht wegen derartiger Klauseln ihren Arbeitsplatz verlieren, ohne dass der besondere Kündigungsschutz zum Tragen kommt, bestimmt § 92 SGB IX, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmers auch dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf, wenn sie im Falle des Eintritts der Erwerbsminderung auf Zeit oder der Erwerbsminderung durch Klauseln wie die oben genannte ohne Kündigung eintritt. Nur für den Fall des Eintritts einer dauernden Erwerbsminderung lässt also der Gesetzgeber eine derartige automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Zustimmung des Integrationsamtes zu. Auch § 92 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch greift nur, wenn der Arbeitnehmer vor dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis nach der betreffenden Regelung endet, zumindest einen Antrag gestellt hat auf Anerkennung als schwerbehinderter oder gleichgestellter Mensch. 90 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Ist für den Fall der Gewährung von Renten auf Zeit nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen, sondern lediglich bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis für die Dauer des Rentenbezuges ruht (vgl. z. B. § 59 Abs. 1 BAT), ist eine Zustimmung des Integrationsamtes nicht erforderlich. 91 I NTEGRATIONSAMT 5 Hilfen im Arbeitsleben 5.1 Das Integrationsamt 5.1.1 Zuständigkeit Aus § 102 SGB IX ergibt sich die Zuständigkeit des Integrationsamtes (früher Hauptfürsorgestelle). Dem Amt obliegen: • • • • Erhebung und Verwendung der Ausgleichsabgabe, Kündigungsschutz, begleitende Hilfe im Arbeitsleben, zeitweiliger Entzug der besonderen Hilfe für schwerbehinderte Menschen (§ 117 SGB IX). 5.1.2 Durchführung der Aufgaben Neben dem Kündigungsschutz kommt der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben eine hervorragende Bedeutung zu. Sie ist als Kernstück des Gesetzes anzusehen. Das Integrationsamt leistet sie in enger Zusammenarbeit mit den Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit und den Trägern der Rehabilitation. Begleitende Hilfe umschreibt eine Pflichtaufgabe des Integrationsamtes. Sie erfasst die im Erwerbsleben stehenden schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen nach § 2 SGB IX. Sie bezieht sich sowohl auf den Schutz des einzelnen als auch auf die Gesamtheit der im Betrieb/in der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmer. Die begleitende Hilfe hat eine vorbeugende Funktion zur Sicherung der beruflichen Eingliederung, d. h. das Integrationsamt hat darauf zu achten und gegebenenfalls darauf hinzuwirken, dass schwerbehinderte Menschen behindertengerecht beschäftigt werden und ihre Fähigkeiten und Kenntnisse weiterentwickeln können. Insbesondere sollen sie in die Lage versetzt werden, ihre durch Rehabilitation erworbenen Kenntnisse zu erhalten und fortzuentwickeln. Bei dieser Aufgabe hat das Integrationsamt mit den Agenturen für Arbeit und den Rehabilitationsträgern zusammenzuarbeiten. Sollte sich die Arbeitsleistung eines schwerbehinderten Beschäftigten auf Grund der Behinderung wesentlich vermindern, so kann das Integrationsamt einen Lohnkostenzuschuss gewähren. Die begleitende Hilfe soll dahin wirken, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer in 92 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT ihrer sozialen Stellung nicht absinken, sondern auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können. Außerdem sollen Behinderte durch Leistungen der Rehabilitationsträger und Maßnahmen der Arbeitgeber befähigt werden, sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit Nichtbehinderten zu behaupten. Dazu gehören auch die befristet und die in Teilzeit (mindestens 15 Stunden wöchentlich) beschäftigten behinderten Menschen. Die begleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben umfasst auch die nach den Umständen des Einzelfalles notwendige psychosoziale Betreuung schwerbehinderter Menschen. Das Integrationsamt kann bei der Durchführung dieser Aufgabe Integrationsfachdienste einschließlich psychosozialer Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen beteiligen. Hierzu können auch Geldleistungen gewährt werden. Daher gilt als Grundsatz: Begleitende Hilfe vor Kündigung Das Integrationsamt soll außerdem darauf Einfluss nehmen, Schwierigkeiten bei der Beschäftigung zu verhindern oder zu beseitigen. Sie hat hierzu Schulungs- und Bildungsmaßnahmen für Vertrauenspersonen der Schwerbehinderten, Beauftragte der Arbeitgeber, Betriebs-, Personal-, Richter- und Präsidialräte zu organisieren. Notwendige Maßnahmen zur Erhaltung des Arbeitsplatzes können z. B. technische Verbesserungen am Arbeitsplatz oder die Herausnahme aus der Wechselschicht sein. Aber auch die Beschaffung eines Kraftfahrzeuges für einen in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkten behinderten Arbeitnehmer zum Erreichen des Arbeitsplatzes kann eine notwendige Hilfeleistung sein. Die Übersicht „Finanzielle Anreize für Arbeitgeber” (5.3) zeigt mögliche Leistungen des Integrationsamtes auf. Im Einzelfall können aber auch andere Leistungsträger (z. B. Agentur für Arbeit, Rentenversicherungsträger oder eine Berufsgenossenschaft) in Betracht kommen. Hinsichtlich der Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes siehe § 20 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung sowie die Bestimmungen der Kraftfahrzeughilfeverordnung (beide im Anhang). Schwerbehinderten Arbeitnehmern ist zu empfehlen, sich an ihre Schwerbehindertenvertretung – wenn nicht vorhanden, an den Betriebs- oder Personalrat – zu wenden, damit diese den Kontakt zum Integrationsamt herstellt. Aus den zur Verfügung stehenden Mitteln kann das Integrationsamt auch Mittel der Ausgleichsabgabe zur institutionellen Förderung von Werkstätten für Behinderte, Trägern von Integrationsunternehmen, Berufsförderungswerken und dergleichen bereitstellen, Hilfen zur Beschaffung und zur Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen eines schwerbehinderten Menschen entspricht, geben und auch Arbeitgebern Geldleistungen gewähren. Aus den §§ 102 und 104 SGB IX und im Einzelnen aus der Ausgleichsabgabever- 93 I NTEGRATIONSAMT ordnung (vgl. Anhang) ergibt sich ferner, ob und für welche Leistungen an Arbeitgeber oder schwerbehinderte Menschen im Einzelfall das Integrationsamt oder die Bundesagentur für Arbeit zuständig ist. 5.1.3 Berufsbegleitende Dienste des Integrationsamtes zur Betreuung schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben Im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenerfüllung bietet das Integrationsamt Berufsbegleitende Dienste zur besonderen Betreuung schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben an: Berufsbegleitende Dienste des Integrationsamtes für psychosoziale Betreuung schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben Träger: Saarland-Heilstätten GmbH Großherzog-Friedrich-Straße 11, 66111 Saarbrücken Telefon (0681) 38912-12, Telefax (0681) 38912-11 Saarlouiser Straße 6, 66763 Dillingen Telefon (06831) 707980 Telefax (06831) 707670 Bahnhofstraße 43, 66538 Neunkirchen Telefon (06821) 140814 Telefax (06821) 177114 Berufsbegleitende Dienste des Integrationsamtes für Hörbehinderte im Arbeitsleben Träger: Verband der Hörgeschädigten e.V. Großherzog-Friedrich-Straße 11, 66111 Saarbrücken Telefon (0681) 38912-52 bis 54 Telefax (0681) 38912-51 Die Berufsbegleitenden Dienste beraten kostenlos: – schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen, – langfristig psychisch Kranke und Menschen mit psychischen Problemen am Arbeitsplatz, – hörbehinderte Menschen, Schwerhörige, Gehörlose und Ertaubte, – Arbeitgeber, die Probleme mit den genannten Personen haben und Beratung zu entsprechenden Personal- und Sachfragen wünschen. 94 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT In die Betreuung einbezogen werden: – Arbeitgeber, Betriebs- und Personalräte, – Schwerbehindertenvertretungen, – weitere betriebliche Helfer und Funktionsträger. Hilfen werden besonders angeboten bei: – Leistungsproblemen, – Konflikten im Umgang mit Vorgesetzten, oder mit – Kollegen und Kolleginnen, – Versetzungen im Betrieb, – drohender Kündigung, – Eingliederung/Wiedereingliederung im Arbeitsleben, – Hilfsmittelbeschaffung. 5.2 Die Bundesagentur für Arbeit 5.2.1 Aufgaben Die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit ergibt sich aus § 104 SGB IX; sie ist für folgende Aufgaben gegeben: • • • die Berufsberatung, Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Vermittlung von in Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, die Beratung der Arbeitgeber bei der Besetzung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen mit schwerbehinderten Menschen, die Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, insbesondere von schwerbehinderten Menschen, a) die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung oder sonstiger Umstände im Arbeitsleben besonders betroffen sind (§ 72 Abs. 1), b) die langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 des Dritten Buches sind, c) die nach einer Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder einem Integrationsprojekt eingestellt werden, d) die als Teilzeitbeschäftigte eingestellt werden oder e) die zur Aus- oder Weiterbildung eingestellt werden, 95 B UNDESAGENTUR • • • • • • FÜR A RBEIT im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die besondere Förderung schwerbehinderter Menschen, die Gleichstellung, deren Widerruf und Rücknahme, die Durchführung des Anzeigeverfahrens (§ 80 Abs. 2 und 4 SGB IX), die Überwachung der Erfüllung der Beschäftigungspflicht, die Zulassung der Anrechnung und der Mehrfachanrechnung (§ 75 Abs. 2, § 76 Abs. 1 und 2), die Erfassung der Werkstätten für behinderte Menschen, ihre Anerkennung und die Aufhebung der Anerkennung. 5.2.2 Umsetzen der Aufgaben Zum Umsetzen dieser Aufgaben sind bei den Agenturen für Arbeit besondere Vermittlungsstellen für schwerbehinderte Menschen eingerichtet. Zuständig ist jeweils die Vermittlungsstelle der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der schwerbehinderte Mensch seinen Wohnort hat. Die Arbeitsverwaltung kann Arbeitsuchende, wenn dies unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes für die Arbeitsvermittlung notwendig erscheint, mit deren Einverständnis ärztlich und psychologisch untersuchen bzw. begutachten lassen. Die Berufsberatung und die Vermittlung schwerbehinderter Menschen in Ausbildungsstellen wird in den Agenturen für Arbeit von eigenen Berufsberatern für behinderte Menschen vorgenommen. Die Agenturen für Arbeit haben bei der Berufsberatung die körperlichen, geistigen und charakterlichen Eigenschaften, die Neigungen und die persönlichen Verhältnisse der behinderten Menschen zu berücksichtigen. Das Gleichstellungsverfahren für behinderte Menschen betreiben die Agenturen für Arbeit, weil diese wegen ihrer Übersicht über den Arbeitsmarkt am besten beurteilen können, ob es auf besondere Schwierigkeiten stoßen wird, einen behinderten Menschen auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen. Bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen werden behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung zwischen 30 und unter 50 liegt, den schwerbehinderten Menschen gleichgestellt (siehe 2.2). Im Rahmen der Überwachung des Anzeigeverfahrens und der Erfüllung der Beschäftigungspflicht nimmt die Bundesagentur für Arbeit Einfluss darauf, dass in den Betrieben und Dienststellen Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen geschaffen und die Möglichkeiten zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen verbessert werden. Um Arbeitsplätze schwerbehinderter Menschen zu sichern und besondere Aufwendungen von Arbeitgebern zur Ausgestaltung von Arbeitsplätzen zu honorieren, haben die Agenturen für Arbeit u. a. die Möglichkeit, Behinderte auf mehr als einen Pflichtplatz anzurechnen (siehe § 76 SGB IX). 96 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Neu zu den Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit gehört es, dass sie dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung jährlich über die Ergebnisse ihrer Förderung der Eingliederung Schwerbehinderter berichten muss. Der Ergebnisbericht muss beinhalten: • • • Anzahl der geförderten Arbeitgeber und Schwerbehinderten, die insgesamt aufgewandten Mittel und die durchschnittlichen Förderungsbeträge. Da die Bundesagentur für Arbeit nach den Bestimmungen des SGB lll, Arbeitsförderung, an Werkstätten für Behinderte Investitionshilfen gewähren kann und daher über die Situation dieser Werkstätten besonders gut informiert ist, wurde ihr das Verfahren zur Anerkennung dieser Werkstätten übertragen. Es handelt sich hier um Einrichtungen, die der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben dienen. Sie bieten denjenigen behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, Gelegenheit zur Ausübung einer geeigneten Beschäftigung. 5.3 Finanzielle Anreize für Arbeitgeber … 5.3.1 … zur Schaffung neuer Arbeitsplätze Das Integrationsamt gewährt nachstehende Leistungen gemäß den genannten Rechtsgrundlagen: Investitionshilfen zur Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze für schwerbehinderte Menschen (§ 15 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung). Die Grundausstattung des Arbeits- oder Ausbildungsplatzes sowie behinderungsbedingte Mehrkosten, Zusatzkosten für eine besondere Ausbildung im Gebrauch der geförderten Hilfsmittel können bis zur vollen Kostenhöhe durch Darlehen oder Zuschüsse gefördert werden. Art und Höhe der Leistung bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalles. Voraussetzungen 1. Es entsteht ein neuer Ausbildungsplatz für schwerbehinderte Menschen. 2. Es wird ein neuer Arbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen geschaffen durch Arbeitgeber, die nicht verpflichtet sind, schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen, oder ihre Beschäftigungspflicht (5 Prozent) erfüllt haben. 3. Es wird ein neuer Arbeitsplatz für besonders benachteiligte schwerbehinderte Menschen geschaffen, deren Beschäftigung infolge der Behinderung mit außergewöhnlichen Aufwendungen für den Arbeitgeber verbunden ist. 97 F INANZIELLE A NREIZE 5.3.2 … zur Förderung der Einstellung Die Agenturen für Arbeit gewähren die folgenden Leistungen gemäß den genannten Rechtsvorschriften: • • • Für schwerbehinderte oder sonstige behinderte Menschen kann die Förderhöhe bis zu 70 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts und die Förderdauer bis zu 24 Monate betragen. Nach Ablauf von zwölf Monaten ist der Eingliederungszuschuss entsprechend der zu erwartenden Zunahme der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers und den abnehmenden Eingliederungserfordernissen gegenüber der bisherigen Förderhöhe, mindestens um zehn Prozentpunkte, zu vermindern (§ 218 Abs. 2 SGB III). Für schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 104 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a bis d des Neunten Buches und ihnen nach § 2 Abs. 3 des Neunten Buches von den Agenturen für Arbeit gleichgestellte behinderte Menschen, die wegen in ihrer Person liegender Umstände nur erschwert vermittelbar sind (besonders betroffene schwerbehinderte Menschen) darf die Förderung 70 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts sowie 36 Monate nicht überschreiten. Bei schwerbehinderten Menschen, die das 55. Lebensjahr vollendet haben (besonders betroffene ältere schwerbehinderte Menschen), darf die Förderdauer 96 Monate nicht übersteigen. Der Eingliederungszuschuss für besonders betroffene ältere schwerbehinderte Menschen ist erst nach Ablauf von 24 Monaten zu vermindern. Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung. Die Zuschüsse können in Höhe des Betrages erbracht werden, der sich als anteilige Ausbildungsvergütung einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag errechnet (§ 235 SGB III). 5.3.3 ... zur Probebeschäftigung behinderter Menschen Arbeitgebern können die Kosten für eine befristete Probebeschäftigung behinderter, schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen im Sinne von § 2 des Neunten Buches bis zu einer Dauer von drei Monaten erstattet werden, wenn dadurch die Möglichkeit einer Teilhabe am Arbeitsleben verbessert wird oder eine vollständige und dauerhafte berufliche Eingliederung zu erreichen ist (§ 238 SGB III). • Bei Übernahme schwerbehinderter Menschen in ein Arbeitsverhältnis durch den ausbildenden oder einen anderen Arbeitgeber im Anschluss an eine abgeschlossene Aus- und Weiterbildung kann ein Eingliederungszuschuss in Höhe von bis zu 70 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts (§ 220) für die Dauer von einem Jahr erbracht werden, sofern während der Aus- oder Weiterbildung Zuschüsse erbracht wurden (§ 235 a Abs. 3 SGB III). 98 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Voraussetzungen Es werden arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedrohte schwerbehinderte Menschen eingestellt, deren Beschäftigung wegen der Behinderung mit außergewöhnlichen Aufwendungen für den Arbeitgeber verbunden ist, bzw. deren Vermittlung besonders schwierig ist. Grundsätzlich bestimmen sich die Voraussetzungen nach den Umständen des Einzelfalles. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Agenturen für Arbeit informieren. 5.3.4 .… zur Sicherung der Beschäftigung Das Integrationsamt zahlt folgende Leistungen, wenn die dafür genannten Voraussetzungen erfüllt sind: Q Finanzielle Hilfen zum Ausgleich außergewöhnlicher Belastungen des Arbeitgebers (§ 27 SchwbAV) Kosten, die im Rahmen der Eingliederung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen durch außergewöhnliche Betreuung oder den Einsatz sonstiger Hilfsund Ersatzkräfte entstehen, können bezuschusst werden. Im Regelfall werden die anteiligen Personalkosten bis zur vollen Höhe übernommen; Bemessungsgrundlage ist das angemessene Bruttoarbeitsentgelt zuzüglich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung. Die Bewilligung erfolgt für einen Zeitraum von längstens zwei Jahren, kann jedoch wiederholt werden, solange die Voraussetzungen weiter vorliegen. Voraussetzungen Die Leistungen werden gewährt, wenn: 1. alle technischen und organisatorischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, schwerbehinderte Menschen von fremder Unterstützung unabhängig zu machen, diese das tarifliche oder ortsübliche Arbeitsentgelt erhalten und 2. schwerbehinderte Menschen wegen der Behinderung z. B. eine besondere Hilfskraft zur Betreuung oder Anleitung benötigen oder dem Arbeitgeber sonstige außergewöhnliche Aufwendungen verursachen. Die Leistungen werden vor allem erbracht, wenn ohne diese das Beschäftigungsverhältnis gefährdet wäre. Q Lohnkostenzuschüsse bei verminderter Arbeitsleistung von schwerbehinderten Menschen (§ 27 SchwbAV) Die Lohnkostenzuschüsse betragen bis zu 409 € pro Monat. Die Bewilligung erfolgt 99 S ICHERUNG DER B ESCHÄFTIGUNG für einen Zeitraum von längstens zwei Jahren, kann jedoch wiederholt werden, solange die Voraussetzungen weiter vorliegen. Voraussetzungen Die Arbeitsleistung des schwerbehinderten Menschen muss nicht nur vorübergehend aus behinderungsbedingten Gründen mindestens 30 Prozent unter der Normalleistung liegen. Die Leistungen werden vor allem erbracht, wenn ohne diese das Beschäftigungsverhältnis gefährdet wäre. Q Finanzielle Hilfen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen (§ 26 SchwbAV) Die Kosten für eine behinderungsgerechte Einrichtung, Ausstattung, Unterhaltung und Modernisierung von Arbeitsplätzen einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen, Geräte und technischen Arbeitshilfen können bis zur vollen Höhe durch Darlehen oder Zuschüsse gefördert werden. Art und Höhe der Leistung bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalles. Voraussetzungen Die Maßnahme soll helfen, eine möglichst dauerhafte, behinderungsgerechte Beschäftigung zu erreichen. Es muss sich um Mehr-Aufwendungen handeln, die durch die Behinderung verursacht sind. Der Arbeitgeber soll sich in einem angemessenen Verhältnis an den Gesamtkosten beteiligen, besonders wenn ihm wirtschaftliche Vorteile durch die Maßnahme entstehen. Q Investitionshilfen zur Einrichtung eines neuen Arbeitsplatzes im Rahmen innerbetrieblicher Umsetzung (§ 15 SchwbAV) Die Kosten für den gesamten neuen Arbeitsplatz und behinderungsbedingte Mehrkosten, Zusatzkosten für Einweisungs- und Einarbeitungszeiten können im Einzelfall bis zur vollen Höhe durch Darlehen oder Zuschüsse gefördert werden. Art und Höhe der Leistung bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalles. Voraussetzungen Die Einrichtung des neuen Arbeitsplatzes ist erforderlich, um den schwerbehinderten Menschen behinderungsgerecht weiter zu beschäftigen oder eine Bedrohung des Arbeitsverhältnisses dauerhaft abzuwenden. Der Arbeitgeber soll sich in einem angemessenen Verhältnis an den Gesamtkosten beteiligen, insbesondere wenn ihm wirtschaftliche Vorteile durch die Maßnahme entstehen. 5.3.5 Saarländisches Schwerbehinderten-Sonderprogramm Die Chancen, im Wettbewerb um einen Arbeitsplatz zu bestehen, sind für schwer- 100 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT behinderte Menschen weiter gesunken. Vielen droht wegen der allgemein schwierigen Wirtschaftslage die dauerhafte Ausgrenzung aus dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Vorrangiges Ziel des Saarländischen Sonderprogramms zur Eingliederung Schwerbehinderter auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (SaarSoSchwb) ist es, zusätzliche Impulse zur Eingliederung betroffener schwerbehinderter Menschen auf den Arbeitsmarkt zu geben. Das 1994 aufgelegte Sonderprogramm der saarländischen Landesregierung ist 2004 um weitere zwei Jahre verlängert worden. Bis dahin waren durch das Programm rund 1.600 schwerbehinderte Menschen bei der Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt gefördert worden. Der saarländische Landesbeirat für die Belange von Menschen mit Behinderungen hat dem saarländischen Sonderprogramm, aufgestockt um zusätzliche Mittel des Sondervermögens Ausgleichsabgabe in Höhe von 2,3 Millionen €, zugestimmt. Dem Landesbeirat gehören 28 Mitglieder, darunter Sozialverbände, Institutionen und Behörden an. Q Wesentliche Änderungen in den Richtlinien des Sonderprogramms • • • Aufnahme der Zielgruppe schwerbehinderte Jugendliche unter 25 Jahren und schwerbehinderte Berufsrückkehrer/innen in den Förderkatalog des Programms; Förderanreize für Arbeitgeber bei Einstellung zur beruflichen Ausbildung und Qualifizierung schwerbehinderter Menschen sowie anschließender Weiterbeschäftigung im gleichen Betrieb; Verbesserung der Ausgestaltung der Förderkriterien für die Projekte „Übergang aus den Werkstätten für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt“ (Neuerung: verlängerte Förderdauer bis 5 Jahre) und „Arbeitstrainingsplätze für psychisch behinderte Menschen im Saarland“ (Neuerung: Erhöhung der Praktikums-Pauschale). Q Weitere Länderprogramme für schwerbehinderte Menschen Ähnliche Länderprogramme, die aus Mitteln der Ausgleichsabgabe finanziert werden und deren Inhalte und Durchsetzung durch die Agenturen für Arbeit im Einzelnen festgelegt werden, existieren auch in anderen Bundesländern. Betriebs-, Personalräte und Schwerbehindertenvertretungen sind aufgerufen, sich aktiv bei der Umsetzung der Sonderprogramme zu beteiligen, ihre Arbeitgeber hierüber zu informieren. 101 N ACHTEILSAUSGLEICHE 6 Praktische Tipps für behinderte Menschen 6.1 Nachteilsausgleiche bei Einkommen- bzw. Lohnsteuer Behinderten Menschen entstehen häufig Aufwendungen, die durch besondere Belastungen hervorgerufen werden, die gesunde Menschen nicht haben. Werden diese Aufwendungen nicht ersetzt (z. B. durch eine Versicherung), „hilft” das Finanzamt dadurch, dass es so genannte „außergewöhnliche Belastungen” zum Abzug zulässt. Außergewöhnliche Belastungen wirken sich nur dann steuermindernd aus, wenn die Aufwendungen einen bestimmten Prozentsatz der Einkünfte – die „zumutbare Belastung” – überschreiten. Vorausgesetzt natürlich, es werden Steuern abgeführt, von denen man etwas absetzen kann. 6.1.1 Pauschbetrag Wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die behinderten Menschen unmittelbar durch ihre Behinderung erwachsen, wird bei der Einkommens- und Lohnsteuer auf Antrag ein zusätzlicher Pauschbetrag wegen der Behinderung eingeräumt. Beim ermittelten Einkommen wird ein Pauschbetrag abgezogen. Q § 33b Einkommensteuergesetz (EStG) Der Pauschbetrag wird durch die ausstellende Gemeinde von Amts wegen in der Lohnsteuerkarte eingetragen. Ist dies ausnahmsweise unterblieben, kann er bis zum 30. November des Jahres vom Finanzamt eingetragen oder bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt werden. Q Personenkreis und Nachweise • • Behinderte Menschen mit einem GdB von mindestens 50 sowie Blinde (Merkzeichen Bl) und Hilflose (Merkzeichen H). Als Nachweis dienen der Schwerbehindertenausweis, der Feststellungsbescheid oder eine besondere Bescheinigung des Versorgungsamtes oder Rentenbescheid. Behinderten Menschen mit einem GdB von unter 50 wird der Pauschbetrag nur gewährt, wenn die Behinderung 102 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT – die körperliche Beweglichkeit dauernd beeinträchtigt (z. B. auch als Folge innerer Krankheiten oder einer Seh-/Hörbehinderung) oder – durch eine typische Berufskrankheit hervorgerufen wird oder – zum Bezug einer Rente berechtigt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss dem Finanzamt nachgewiesen werden. Das kann in den ersten beiden Fällen durch eine besondere Bescheinigung des Versorgungsamtes sowie im Übrigen durch die Vorlage des Rentenbescheides geschehen. Q Höhe des Pauschbetrages Der Pauschbetrag für den entsprechenden Grad der Behinderung wird stets in voller Höhe für das Kalenderjahr gewährt. Wird der Grad der Behinderung im Laufe des Jahres herauf- oder herabgesetzt, so wird der entsprechende Pauschbetrag berücksichtigt für den höchsten Grad der Behinderung, der im Laufe des Jahres festgestellt wurde. Die Höhe richtet sich nach dem dauernden GdB. Als Pauschbeträge werden gewährt: Stufe Bei einem Grad der Behinderung von 1 2 3 4 5 6 7 8 25 und 30 35 und 40 45 und 50 55 und 60 65 und 70 75 und 80 85 und 90 95 und 100 Jahresbetrag 310 € 430 € 570 € 720 € 890 € 1.060 € 1.230 € 1.420 € Monatsbetrag 25,83 € 35,83 € 47,50 € 60,00 € 74,17 € 88,33 € 102,50 € 118,33 € Für blinde und behinderte Menschen, die wegen ihrer Behinderung ständig so hilflos sind, dass sie für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe bedürfen (Merkzeichen „H“ oder „Bl“), erhöht sich der Pauschbetrag auf insgesamt 3.700 € jährlich. Die Voraussetzungen sind durch einen Schwerbehindertenausweis, der mit dem Merkzeichen „H“ oder „Bl“ gekennzeichnet ist, oder durch einen Bescheid über die Einstufung in Pflegestufe III nachzuweisen. 103 N ACHTEILSAUSGLEICHE 6.1.2 Rückwirkende Anerkennung oder Änderung Wird für vorhergehende Kalenderjahre eine Behinderung anerkannt oder der GdB erhöht, muss das Finanzamt den erhöhten Pauschbetrag rückwirkend gewähren, denn der Bescheid des Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz ist ein Grundlagenbescheid. 6.1.3 Pauschbeträge für behinderte Kinder Steht der Pauschbetrag für Behinderte einem Kind zu, für das der Steuerpflichtige einen Kinderfreibetrag erhält, so wird der Pauschbetrag auf Antrag auf den Steuerpflichtigen übertragen, wenn ihn das Kind nicht in Anspruch nimmt. Einen solchen Pauschbetrag erhalten: • • • • zusammenveranlagte Ehegatten, wenn das Kind zu beiden in einem Kindschaftsverhältnis steht, die Mutter in voller Höhe, wenn der Vater bereits verstorben ist, geschiedene, dauernd getrennt lebende für ein gemeinsames Kind jeder Elternteil grundsätzlich die Hälfte des Pauschbetrages; im Veranlagungsverfahren kann auf Antrag der gesamte Pauschbetrag auf einen Elternteil übertragen werden. Vorausgesetzt, er kommt seiner Unterhaltspflicht nach, unverheiratete Eltern je zur Hälfte. Weitere steuerliche Vorteile enthält die AK-Broschüre „Einkommensteuer“. 6.1.4 Berücksichtigung behinderter Kinder Kinder werden ohne altersmäßige Begrenzung berücksichtigt, wenn es ihnen wegen ihrer Behinderung unmöglich ist, ihren gesamten notwendigen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten und die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist. Behinderungen in diesem Sinne sind körperliche, geistige oder seelische Zustände, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und deren Ende nicht absehbar ist. Auch Suchtkrankheiten können dazu gehören. 6.1.5 Betreuungsfreibetrag für behinderte Kinder Ein Betreuungsfreibetrag von 774 € ist vom Einkommen abzuziehen, wenn nach § 31 EStG das Kindergeld die mit dem Kinderfreibetrag und unter Umständen Betreuungsfreibetrag verbundene Einkommensteuerminderung nicht abdeckt. Bei 104 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT der Zusammenveranlagung von Ehegatten werden die Freibeträge für jedes Kind, das zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht, auf 3.564 € bzw. 1.548 € verdoppelt. Ist bei einem volljährigen behinderten Kind nicht nur der behinderungsbedingte Mehrbedarf, sondern ausnahmsweise auch sein sächliches Existenzminimum bei vollstationärer Unterbringung durch Eingliederungshilfe gedeckt, so dass es nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden kann, wird für dieses Kind ein geminderter Betreuungsfreibetrag von 276 € vom Einkommen abgezogen, wenn sich nach § 31 EStG ergibt, dass das entsprechende Teilkindergeld nach § 66 Abs. 1 Satz 2 EStG 15 E monatlich die mit dem geminderten Betreuungsfreibetrag verbundene Einkommensteuerminderung nicht abdeckt. Bei der Einkommensteuerveranlagung prüft das Finanzamt, ob der Betreuungsfreibetrag zum Vorteil ist. 6.1.6 Eintrag auf der Lohnsteuerkarte Der Pauschbetrag für behinderte Arbeitnehmer kann auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden. Das hat den Vorteil, dass er bereits beim Lohnsteuerabzug berücksichtigt wird. Der Eintrag erfolgt durch die Gemeinde, die die Lohnsteuerkarte ausstellt. Bei erstmaligem Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Pauschbeträge sind die Nachweise bei dem für den Wohnsitz zuständigen Finanzamt zu erbringen, das die Gemeinde entsprechend unterrichtet. Hat die Gemeinde die Pauschbeträge noch nicht eingetragen, kann dies auch beim Finanzamt beantragt werden. 6.1.7 Abgelten außergewöhnlicher Belastungen Durch die Pauschbeträge werden steuerlich die außergewöhnlichen Belastungen abgegolten, die behinderten Menschen laufend unmittelbar infolge der Behinderung als typische Mehraufwendungen erwachsen. Entstehen einem Steuerpflichtigen aus einer Behinderung höhere Aufwendungen, so können sie anstelle der Pauschbeträge steuermindernd geltend gemacht werden. Eine zumutbare Belastung wird hierbei berücksichtigt. Zu den typischen Mehraufwendungen zählen z.B. ein erhöhter Wäscheverbrauch, besondere Hilfeleistungen und andere typische Erschwernisaufwendungen. Werden anstelle des Pauschbetrags die tatsächlichen Aufwendungen geltend gemacht, so sind die gesamten Aufwendungen nachzuweisen oder glaubhaft zu machen und nicht nur eine zusätzliche Belastung, die neben den Pauschbeträgen anerkannt werden soll. 105 N ACHTEILSAUSGLEICHE 6.1.8 Nachweis der Voraussetzungen Die Voraussetzungen sind nachzuweisen: a) von behinderten Menschen, deren GdB auf mindestens 50 festgestellt ist, durch einen Schwerbehindertenausweis; b) von behinderten Menschen, deren GdB weniger als 50, aber mindestens 25 beträgt: – durch eine Bescheinigung des Versorgungsamtes, die auch eine Äußerung darüber enthalten muss, ob die Behinderung zu einer äußerlich erkennbaren dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat oder auf einer typischen Berufskrankheit beruht oder – wenn behinderten Menschen wegen der Behinderung nach den gesetzlichen Vorschriften Renten oder andere laufende Bezüge zustehen, durch den Rentenbescheid oder den entsprechenden Bescheid. Es kann sich dabei z.B. um Rentenbescheide des Versorgungsamtes oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung oder bei Beamten, die Unfallruhegehalt beziehen, um einen entsprechenden Bescheid handeln. Der Rentenbescheid eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter oder Angestellten genügt nicht. An die für die Gewährung des Pauschbetrages erforderlichen Ausweise, Bescheide und Bescheinigungen sind die Finanzämter gebunden. 6.1.9 Inanspruchnahme eines Pauschbetrages nach dem Tode eines behinderten Menschen Die Inanspruchnahme eines Pauschbetrages für behinderte Menschen gemäß § 33 b des Einkommensteuergesetzes ist auch nach dem Tode eines behinderten Menschen möglich, der keinen Antrag auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises oder einer Bescheinigung beim Versorgungsamt nach dem SGB IX gestellt hat. Die Angehörigen müssen die Anerkennung des Pauschbetrages beim Finanzamt beantragen. Als Nachweis der Behinderung gilt nach § 65 Abs. 3 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung eine gutachtliche Stellungnahme des Versorgungsamtes. Diese Stellungnahme wird vom Finanzamt eingeholt. 106 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 6.2 Nachteilsausgleiche bei Fahrzeugen 6.2.1 Befreiung bzw. Ermäßigung von der Kraftfahrzeugsteuer UND IHR R ECHT Die Grafik auf Seite 116 zeigt den Kreis der schwerbehinderten Menschen, die eine Kraftfahrzeugsteuerbefreiung bzw. -ermäßigung erhalten. Zuständig: Versicherungsunternehmen Erforderliche Unterlagen: Schwerbehindertenausweis, Kfz-Steuerbescheid, ggfs. Beiblatt zum Behindertenausweis Rechtsquelle/Fundstelle: Tarife der Versicherungsunternehmen/Rundschreiben des GDV Seit der Freigabe der Versicherungsbedingungen Mitte 1994 haben die meisten Versicherungsgesellschaften den Nachlass für schwerbehinderte Menschen sowohl in der Kraftfahrzeug-Kaskoversicherung als auch in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung gestrichen. Während vor der Freigabe der Tarife seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft vorgeschrieben wurde, dass schwerbehinderten Menschen ein Sozialrabatt zu gewähren sei, besteht diese Verpflichtung jetzt nicht mehr. Es steht daher jeder Versicherungsgesellschaft frei, einen solchen Rabatt noch freiwillig zu gewähren. 6.2.2 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 wurde des Einkommenssteuergesetz geändert. Unter anderem wurde entschieden, dass die Aufwendungen von Arbeitnehmern für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten mit Wirkung des Veranlagungszeitraums für 2006 keine Werbungskosten sind. Lediglich zur Abgeltung erhöhter Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte ist ab dem 21. Entfernungskilometer für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, für jeden vollen Kilometer der Entfernung eine Entfernungspauschale von 0,30 € wie Werbungskosten anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 € im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4.500 € ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt. Gesetzestext § 9 EStG neu: Behinderte Menschen, 107 N ACHTEILSAUSGLEICHE 1. deren Grad der Behinderung mindestens 70 beträgt, 2. deren Grad der Behinderung von weniger als 70, aber mindestens 50 beträgt und die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, können an Stelle der Entfernungspauschalen die tatsächlichen Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und für die Familienheimfahrten ansetzen. Die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 sind durch amtliche Unterlagen nachzuweisen. Zwischenzeitlich wurde klargestellt, dass dieser Personenkreis (Grad der Behinderung (GdB) von 70 oder ein GdB von mindestens 50 und das Merkzeichen „G“) weiterhin für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die tatsächlichen Aufwendungen oder an Stelle der tatsächlichen Aufwendungen den Kilometersatz von 0,30 € je gefahrenen Kilometer steuerlich geltend machen können. Der steuerliche Nachteilsausgleich wird also wie bisher ab dem ersten gefahrenen Kilometer und nicht erst wie allgemein gültig ab dem einundzwanzigsten Kilometer gewährt. 6.2.3 Privatfahrten Bei geh- und stehbehinderten Menschen mit einem GdB von 80 oder mindestens 70 mit Merkzeichen „G“ werden Aufwendungen für unvermeidbare Fahrten in angemessenem Rahmen anerkannt, soweit diese nachgewiesen oder glaubhaft gemacht worden sind. Aus Vereinfachungsgründen können grundsätzlich ohne weitere Einzelnachweise 0,30 € je Kilometer für Fahrten bis zu 3.000 km jährlich angesetzt werden. Bei außergewöhnlich gehbehinderten (aG), blinden (Bl) oder hilflosen Menschen (H) kann eine Fahrleistung bis zu 15.000 km berücksichtigt werden, wenn entsprechende tatsächliche Fahrten nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wurden. Werden neben den Aufwendungen für Privatfahrten mit dem eigenen Pkw auch Ausgaben für Fahrten mit anderen Verkehrsmitteln (z. B. Taxi) geltend gemacht, ist die als noch angemessen anzusehende Fahrleistung von 3.000 km bzw. 15.000 km entsprechend zu kürzen (zumutbare Eigenbelastung). Begünstigt sind nicht nur die unvermeidbaren Kosten zur Erledigung privater Angelegenheiten, sondern im angemessenen Umfang auch Kosten für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten. Behinderte Menschen, die die Voraussetzung für die Gewährung eines Pauschbetrages erfüllen, haben für jeden Veranlagungszeitraum ein Wahlrecht, ob sie entweder ohne Einzelnachweis den Behinderten-Pauschbetrag oder aber unter Kürzung um die zumutbare Belastung die tatsächlich entstandenen höheren behin- 108 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT derungsbedingten Aufwendungen geltend machen. In allen Fällen kann eine Fahrleistung über 3.000 km jährlich nur anerkannt werden, wenn die Fahrten durch die Behinderung verursacht sind und dies z. B. anhand eines Fahrtenbuches oder sonst geeigneter Unterlagen (Verzeichnis über Privatfahrten) nachgewiesen wird. Dafür sind zumindest für einen begrenzten Zeitraum entsprechende Aufzeichnungen zu führen und Belege zu sammeln. Mittagsheimfahrten sind bei Behinderten auch dann steuerlich begünstigt, wenn die Arbeitszeit mindestens vier Stunden unterbrochen ist. Unter den Begriff der tatsächlich angefallenen Aufwendungen fallen die Kosten, die durch den Einsatz des Fahrzeugs entstehen. Hierzu sind die Gesamtfahrleistung eines Jahres und die während des Jahres angefallenen festen und laufenden Kfz-Kosten festzustellen. Aus der Gesamtfahrleistung und den Gesamtkosten lässt sich ein Kilometersatz errechnen, der jeweils mit der Zahl der beruflich gefahrenen Kilometer vervielfacht wird. Dieser Kilometersatz kann längstens bis zum Ablauf des Abschreibungszeitraums des Fahrzeuges angesetzt werden, solange die Jahresfahrleistung und die Jahresgesamtleistung konstant bleiben. Die Nutzungsdauer beträgt mindestens fünf Jahre. Aus Vereinfachungsgründen können als tatsächlich angefallene Aufwendungen für jeden gefahrenen Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Hin- und Rückfahrt) bei Benutzen eines Pkw ein Kilometer-Pauschbetrag von 0,30 € und eines Motorrades oder Motorrollers ein Kilometer-Pauschbetrag von 0,13 € als Werbungskosten angesetzt werden, sofern keine höheren Aufwendungen nachgewiesen werden können. Blinde und andere behinderte Menschen im Sinne des § 9 Abs. 2 EStG ohne gültige Fahrerlaubnis oder Personen, die von einer Fahrerlaubnis keinen Gebrauch machen aus Gründen, die mit der Behinderung im Zusammenhang stehen, oder das Fahrzeug wegen der Behinderung zweifelsfrei nicht selbst lenken können und die von einem Dritten (z. B. Ehegatten) zur Arbeitsstätte gefahren und nach Ende der Arbeitszeit von dort wieder abgeholt werden, können auch die Aufwendungen als Werbungskosten geltend machen, die ihnen durch die An- und Abfahrten des Fahrers entstehen (Leerfahrten). 6.2.4 Hilfen bei Anschaffung und Umrüstung von Kraftfahrzeugen, Fahrerlaubnis Zur Eingliederung behinderter Menschen in das Arbeitsleben werden nach der Kraftfahrzeughilfeverordnung (KfzHv) Leistungen gewährt • • • zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges, für eine behindertengerechte Zusatzausstattung, um eine Fahrerlaubnis zu erlangen, 109 N ACHTEILSAUSGLEICHE Die Leistungen setzen voraus, dass • • der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Nutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist, um seinen Arbeitsplatz oder Ausbildungsort oder den Ort der sonstigen Maßnahme der beruflichen Bildung zu erreichen, er ein Kraftfahrzeug führen können muss oder dass gewährleistet ist, dass ein Dritter das Fahrzeug für ihn fährt. Ansprechpartner für die Leistungen sind: • • • • • Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, Träger der Kriegsopferfürsorge, die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben. Wichtig: Der Antrag muss vor Abschluss eines Kaufvertrages über das Kraftfahrzeug und die behindertengerechte Zusatzausstattung und vor Beginn der Schulung zur Fahrerlaubnis gestellt werden (§§ 8 und 10 KfzHv). Die Höhe der Leistung richtet sich nach dem Einkommen des behinderten Menschen (§ 6 Kraftfahrzeughilfeverordnung). 6.2.5 Gebührennachlass bei TÜV, Straßenverkehrsbehörde und Vergünstigungen für Behinderte bei Neuwagenkauf Zusätzliche Gebühren können durch die Behinderung bei TÜV oder Straßenbehörden entstehen. Der Eintrag besonderer Bedienungseinrichtungen oder Auflagen in den Führerschein etwa können diese Kosten verursachen. Hier ist es möglich, auf die Behinderung hinzuweisen und so zu erreichen, dass die Gebühren ermäßigt oder erlassen werden; eine Nachfrage lohnt sich hier allemal. Allerdings sind Gebühren, die zum Beispiel durch die regelmäßige Überprüfung des Fahrzeugs entstehen, davon nicht betroffen. Viele Fahrzeughersteller bieten Sondernachlässe beim Neuwagenkauf auf Basis der „Unverbindlichen Preisempfehlung“ („Listenpreis“) an. Der ADAC hat nachgefragt. Den Rabatt gibt's dann über den Händler, der in der Regel eine Rückvergütung über den Hersteller erhält. Natürlich hat der Händler das letzte Wort, d.h. mit diesem müssen Sie verhandeln, denn in seinem Ermessen liegt letztlich die Rabattgewährung. Nicht unerheblich ist Ihr Verhandlungsgeschick, denn oft hat der Händler Spielraum für Nachlässe – eine Tabelle finden sie unter www.adac.de /Recht und Rat/Kauf Leasing Miete/Neuwagenkauf/Vergünstigungen. 110 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Vorausgesetzt wird im Allgemeinen ein Behinderungsgrad von mindestens 50% mit Merkzeichen „G“, „aG“, „H“ oder „Blind“. Teilweise wird dem behinderten Menschen eine Mindesthaltedauer auferlegt oder die Vorlage des Behindertenausweises gefordert und wichtig ist auch, dass das Fahrzeug auf den Behinderten (also auch auf ein behindertes Kind) zugelassen wird. Einzelheiten hierzu klären Sie bitte am besten selbst mit dem Verkäufer ab. Alle Angaben sind selbstverständlich unverbindlich! 6.2.6 Parkerleichterungen 1. Schwerbehinderten Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinden kann gestattet werden, a) im eingeschränkten Halteverbot bis zu drei Stunden zu parken. Die Ankunftszeit muss auf einer Parkscheibe eingestellt werden. Längere Parkzeit kann auf Antrag für bestimmte Halteverbotsstrecken genehmigt werden. b) in einem Zonenhalteverbot die zugelassene Parkdauer zu überschreiten, c) auf gekennzeichneten öffentlichen Parkflächen, auf denen durch Zusatzschild eine Begrenzung der Parkdauer angeordnet ist, über die zugelassene Zeit hinaus zu parken, d) in Fußgängerzonen, in denen das Be- und Entladen für bestimmte Zeiten freigegeben ist, während der Ladezeiten zu parken, e) an Parkuhren zu parken ohne Gebühr und zeitliche Begrenzung, sofern in zumutbarer Entfernung keine andere Parkmöglichkeit besteht, 2. die Berechtigung ist durch einen Ausweis, der gut sichtbar hinter der Windschutzscheibe anzubringen ist, nachzuweisen. Q Personenkreis Als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen: Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkeloder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehend aufgeführten Personenkreis gleichzustellen sind. Als Erkrankungen, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise Herzschäden und Krankheiten der Atmungsorgane anzusehen, sofern die Ein- 111 N ACHTEILSAUSGLEICHE schränkung der Herzleistung oder Lungenfunktion für sich allein einen Grad der Behinderung um wenigstens 80 bedingt. Der Antrag auf Ausnahmegenehmigung ist bei der örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde zu stellen. Der behinderte Mensch erhält einen mit dem Rollstuhlsymbol versehenen Parkausweis. Dieser ist beim Parken an der Windschutzscheibe anzubringen. Der Parkausweis hat Gültigkeit für das gesamte Bundesgebiet, das europäische Ausland und die Türkei. Führt der behinderte Mensch das Kraftfahrzeug wegen seiner Schwerbehinderung nicht selbst, dann wird im Parkausweis vermerkt, dass dieser für den jeweiligen Fahrer des Behinderten gilt. Die Dauerausnahmegenehmigung soll in der Regel für zwei Jahre bis auf Widerruf gebührenfrei erteilt werden. Antragstellern mit nichtbesserungsfähigen Körperschäden kann die Ausnahme unbefristet unter Widerrufsvorbehalt genehmigt werden. Erlass vom 1. März 2006 für Parkerleichterungen im Saarland Innen- und Sozialministerium erleichter Parken für schwerbehinderte Menschen im Saarland – Ausnahmegenehmigung und Ausweis werden auch in Hessen, BadenWürttemberg, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, SchleswigHolstein, Nordrhein-Westfalen anerkannt. Behinderte Menschen, die zwar nicht außergewöhnlich gehbehindert, aber in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr doch erheblich beeinträchtigt sind, können ab sofort im Saarland ebenfalls Parkerleichterungen in Anspruch nehmen. Damit wird auch diesem Personenkreis künftig ein Mehr an Selbstbestimmung und Integration in die Gesellschaft ermöglicht. Die neuen Parkerleichterungen hat das Innenministerium in Abstimmung mit dem Sozialministerium in einem Erlass vom 1. März 2006 geregelt. Sie gelten für folgende Gruppen: 1. Schwerbehinderte Personen, denen durch die Versorgungsverwaltung a) ein Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 80 allein infolge Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule und die Merkzeichen „G“ (erheblich gehbehindert) und „B“ (Notwendigkeit ständiger Begleitung), oder b) ein Grad der Behinderung von wenigstens 70 allein infolge Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule und gleichzeitig ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 infolge Funktionsstörungen des Herzens oder der Lunge und das Merkzeichen „G“ bescheinigt wurde, 112 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT 2. Stomaträger mit doppeltem Stoma (künstlicher Darmausgang und künstliche Harnableitung) und einem hierfür festgestellten Grad der Behinderung von wenigstens 70, 3. Morbus-Crohn-Kranke und Colitis-Ulcerosa-Kranke mit einem hierfür festgestellten Grad der Behinderung von wenigstens 60 Soweit eine dieser Voraussetzungen erfüllt ist – eine entsprechende Bestätigung stellt das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz aus – stellt die Straßenverkehrsbehörde auf Antrag eine Ausnahmegenehmigung und einen gelben Ausweis aus. Ausnahmegenehmigung und Ausweis werden auch in Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen anerkannt; umgekehrt gelten dort ausgestellte Ausweise auch im Saarland. Weitere Informationen und Regelungen mit den entsprechenden Schildern finden Sie in der Anlage zum Download. Sie berechtigen den Behinderten selbst oder den sie befördernden Kraftfahrzeugführer: 1. Im eingeschränkten Haltverbot (Zeichen 286) bis zu drei Stunden und 2. im eingeschränkten Zonenhaltverbot (Zeichen 290) bis zu drei Stunden zu parken 3. Im eingeschränkten Zonenhaltverbot (Zeichen 290) mit begrenzter Parkdauer und 4. an Stellen, die durch Zeichen „Parkplatz“ (Zeichen 314) oder „Parken auf Gehwegen“ (Zeichen 315) mit einer begrenzten Parkdauer gekennzeichnet sind, die zugelassene Parkdauer zu überschreiten, 5. in Fußgängerzonen, in denen das Be- und Entladen für bestimmte Zeiten frei gegeben ist, während der Ladezeit und 6. auf Parkplätzen mit Parkuhren oder Parkscheinautomaten ohne Gebühr und ohne zeitliche Begrenzung und 7. auf Parkplätzen für Anwohner bis zu drei Stunden und 8. in verkehrsberuhigten Bereichen (Zeichen 325) außerhalb der gekennzeichneten Flächen, ohne den durchgehenden Verkehr zu behindern, 113 N ACHTEILSAUSGLEICHE zu parken. Voraussetzung für die Parkerlaubnis ist, dass in zumutbarer Entfernung keine andere Parkmöglichkeit besteht. Die höchstzulässige Parkzeit beträgt 24 Stunden. Nicht erlaubt hingegen ist das Halten oder Parken 1. auf Parkplätzen mit dem Rollstuhlfahrersymbol, 2. in Haltverbotsbereichen (Zeichen 283). Weitere Auskünfte zu den Parkerleichterungen erteilen die jeweils zuständigen Straßenverkehrsbehörden bei den Landkreisen, dem Stadtverband sowie in Saarbrücken, St. Ingbert und Völklingen. 6.2.7 Befreiung von der Gurtanschnallpflicht und der Schutzhelmpflicht Aus gesundheitlichen Gründen kann eine Ausnahmegenehmigung von der Gurtanschnallpflicht und der Schutzhelmpflicht nach Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung durch die Kfz-Zulassungsstelle oder Straßenverkehrsbehörde erteilt werden. Autofahrer und Beifahrer können sich von der Gurtanschnallpflicht befreien lassen, wenn a) das Anlegen der Gurte aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, b) die Körpergröße weniger als 150 cm beträgt, c) bei Körpergröße über 150 cm wegen der Anbringungshöhe der Gurtverankerung der Schutzzweck der angelegten Sicherheitsgurte nicht erreicht werden kann. Die Voraussetzungen gesundheitlicher Art sind durch eine ärztliche Bescheinigung nachzuweisen. In der Bescheinigung ist ausdrücklich zu bestätigen, dass der Antragsteller von der Gurtanschnallpflicht bzw. der Schutzhelmpflicht zu befreien ist. Die Diagnose braucht in der Bescheinigung nicht genannt zu werden. 114 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 6.2.8 UND IHR R ECHT Beitragsermäßigung bei Automobilclubs und Versicherungen Zuständig: Automobilclub Erforderliche Unterlagen: Behindertenausweis bzw. Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes Rechtsquelle/Fundstelle: Beitragssatzung des Automobilclubs Weitere Informationen: www.adac.de, www.avd.de Zahlreiche Automobilclubs räumen ihren schwerbehinderten Mitgliedern (GdB ab 50) Beitragsermäßigungen ein, z.B.: ADAC-Mitgliedschaft 33,00 € jährlich statt 44,00 € ADAC-Plus-Mitgliedschaft 67,00 € jährlich statt 78,00 € AvD 44,00 € jährlich statt 59,00 € AvD Premiummitgliedschaft 59,00 € jährlich statt 74,00 € Näheres erfahren Sie im Internet unter www.avd.de bzw. www.adac.de Rollstuhl-Versicherungen Für: Schwerbehinderte Menschen, die auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen Zuständig: Versicherungsunternehmen Erforderliche Unterlagen: Behindertenausweis bzw. Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes Rechtsquelle/Fundstelle Tarife der Versicherungsunternehmen/Rundschreiben des GDV Rollstühle mit einer Geschwindigkeit von bis zu 6 km/h sind – gemäß den unverbindlichen Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) – in der Privathaftpflichtversicherung mit versichert. Um Schwierigkeiten bei Eintritt des Versicherungsfalles zu vermeiden, sollte sich der Rollstuhlfahrer bei Abschluss des Versicherungsvertrages schriftlich bestätigen lassen, dass dieses Risiko prämienfrei mit versichert ist. 115 N ACHTEILSAUSGLEICHE 6.3 Nachteilsausgleiche im Personenverkehr 6.3.1 Freifahrt im öffentlichen Nahverkehr Schwerbehinderte Menschen, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind (siehe dazu § 146 Abs. 1 SGB IX) oder die hilflos oder gehörlos sind, haben Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der unentgeltlichen Beförderung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Wer im Einzelnen anspruchsberechtigt ist, wer die Wertmarke kostenlos erhält bzw. wer sie für 60 € pro Jahr (30 € pro Halbjahr) kaufen muss, ist der Übersicht auf Seite 116 und den Ausführungen in Abschnitt 2.4.7 zu entnehmen. Es ist zu beachten, dass ein Teil der schwerbehinderten Menschen zwischen der Freifahrt im öffentlichen Nahverkehr und der Kfz-Steuerermäßigung wählen muss, also nicht beide Nachteilsausgleiche gleichzeitig in Anspruch nehmen kann. Bei Vorliegen der Voraussetzungen wird dem behinderten Menschen vom Versorgungsamt ein Streckenverzeichnis ausgehändigt, aus dem sich ergibt, auf welchen Strecken der Deutschen Bahn Anspruch auf unentgeltliche Beförderung besteht. Was unter dem Begriff Nahverkehr zu verstehen ist, definiert § 147 SGB IX. Was versteht der Gesetzgeber unter Nahverkehr? Nahverkehr im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Schwerbehindertenrecht) ist der öffentliche Personenverkehr mit 1. Straßenbahnen und Obussen im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes; 2. Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach §§ 42 und 43 des Personenbeförderungsgesetzes auf Linien, bei denen die Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke von 50 km nicht übersteigt, es sei denn, dass bei den Verkehrsformen nach § 43 Personenbeförderungsgesetz die Genehmigungsbehörde auf die Einhaltung der Vorschriften über die Beförderungsentgelte gemäß § 45 Abs. 4 Personenbeförderungsgesetz ganz oder teilweise verzichtet hat; 3. S-Bahnen in der 2. Wagenklasse; 4. Eisenbahnen in der 2. Klasse in Zügen und auf Strecken und Streckenabschnitten, die in ein von mehreren Unternehmern gebildetes, mit den unter den Nummern 1, 2 oder 7 genannten Verkehrsmitteln zusammenhängendes Liniennetz mit einheitlichen oder verbundenen Beförderungsentgelten einbezogen sind; 5. Eisenbahnen des Bundes in der 2. Wagenklasse in Zügen, die überwiegend für die Verkehrsnachfrage im Nahverkehr bestimmt sind (Züge des Nahverkehrs), 116 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT „Freifahrt” für schwerbehinderte Menschen ● mit Bus, U- und S-Bahnen und Straßenbahnen sowie im Verkehrsverbund mit Eisenbahnen (2. Klasse) ohne Kilometer-Begrenzung im gesamten Bundesgebiet. Erforderlich: grün-/orangefarbener Schwerbehindertenausweis und Beiblatt mit Wertmarke ● mit der Deutschen Bahn AG (2. Klasse in Nahverkehrszügen, RB-, SE,- RE,- D- und IR-Zügen außerhalb von Verkehrsverbünden) im 50-km-Umkreis um Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt. Erforderlich: grün-/orangefarbener Schwerbehindertenausweis und Beiblatt mit Wertmarke und Streckenverzeichnis. ● Das Versorgungsamt gibt das Streckenverzeichnis und die Wertmarke auf Antrag aus. Wird sie spätestens drei volle Monate vor Ablauf der Gültigkeitsdauer zurückgegeben, so wird der gezahlte Betrag anteilig erstattet. Kostenlos wird eine Wertmarke für ein Jahr ausgegeben, wenn der schwerbehinderte Mensch folgende Leistungen erhält: Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilferecht), dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (Kinder- und Jugendhilfe) oder den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes. ● Die Betragsangaben auf den Wertmarken sind auf € bezogen. Für wen? Gehörlose auch ohne Merkzeichen G „gehbehindert” aG außergewöhnlich „gehbehindert” H und/ oder „hilflos” Kriegsbeschädigte BI „blind” und andere Versorgungsberechtigte nach dem sozialen Entschädigungsrecht (MdE mind. 70% oder 50% und 60% mit G), die schon am 1.10.1979 freifahrtberechtigt waren oder gewesen wären, wenn sie nicht in der DDR gewohnt hätten. B Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson ➧ 60,- 30,- FÜR 1 JAHR FÜR 1/2 JAHR ➧ WERTMARKE WERTMARKE ➧ WERTMARKE ➧ WERTMARKE ➧ Kfz-Steuerermäßigung WERTMARKE WERTMARKE 60,- 30,- FÜR 1 JAHR FÜR 1/2 JAHR KO ST EN LO S und und oder KO ST EN LO S G mit Bahn und Bus Die Begleitperson kann ohne Kilometerbegrenzung frei fahren, auch wenn der schwerbehinderte Mensch selbst bezahlen muss. oder 50 % und 100 % und 100 % und 100 % 117 N ACHTEILSAUSGLEICHE im Umkreis von 50 km um den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des schwerbehinderten Menschen; 6. sonstigen Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs im Sinne des § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes in der 2. Wagenklasse auf Strecken, bei denen die Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke von 50 km nicht übersteigt. Gemäß der Fünften Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes (Nahverkehrszügeverordnung) des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung und des Bundesministeriums für Verkehr vom 30. September 1994 (BGBl. I S. 2962) sind Züge des Nahverkehrs Züge mit folgenden Bezeichnungen: Regionalbahn (RB), Stadtexpress (SE), Regionalexpress (RE), Schnellzug (D) und Interregio (IR). Zuschlagpflichtig im Nahverkehr sind die Züge: Schnellzug (D) und Interregio (IR); 7. Wasserfahrzeugen im Linien-, Fähr- und Übersetzverkehr, wenn dieser der Beförderung von Personen im Orts- und Nachbarschaftsbereich dient und Ausgangs- und Endpunkt innerhalb dieses Bereichs liegen; Nachbarschaftsbereich ist der Raum zwischen benachbarten Gemeinden, die, ohne unmittelbar aneinander grenzen zu müssen, durch einen stetigen, mehr als einmal am Tag durchgeführten Verkehr wirtschaftlich und verkehrsmäßig verbunden sind. Die Betragsangaben auf den Wertmarken sind auf € bezogen. Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, haben für den unter Nr. 2, 5, 6 und 7 genannten Verkehr im Fahrplan besonders darauf hinzuweisen, inwieweit eine Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung nach § 145 Abs. 1 SGB IX nicht besteht. 6.3.2 Unentgeltliche Beförderung: Begleitperson, Gepäck, orthopädische Hilfsmittel, Führhund Im Nah- und Fernverkehr werden unentgeltlich befördert: 1. die Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen, sofern „die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen ist“ und dies im Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist (Merkzeichen „B“, „Bl“, 2. das Handgepäck, ein mitgeführter Krankenfahrstuhl, soweit die Beschaffenheit des Verkehrsmittels dies zulässt, sowie sonstige orthopädische Hilfsmittel. Bei Blinden kann statt der Begleitperson ein Führhund unentgeltlich befördert werden. Wahlweise Begleitperson oder Blindenführhund befördern kostenfrei auch die Staatsbahnen der meisten europäischen Länder. Näheres kann bei der Bahnauskunft oder im Reisebüro erfragt werden. Voraussetzung ist, dass der blinde Mensch eine Hin- und Rückfahrkarte hat, deren 118 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Start- und Zielbahnhof im Bereich der Deutschen Bahn AG gelegen ist. Diese Vergünstigung kann nicht für Bahnfahrten ausschließlich im fremden Land in Anspruch genommen werden. Q Mobilitätsservice der Deutschen Bahn Mobilitätseingeschränkte Reisende können den Mobilitätsservice der Bahn jetzt auch online bestellen. Wer auf seiner Bahnreise Hilfe beim Ein-, Um- und Aussteigen benötigt – beispielsweise einen Hublift für den Rollstuhl –, kann diese ab sofort auch bequem im Internet (www.bahn.de ) bestellen. Servicemitarbeiter der DB helfen beim Ein-, Um- und Aussteigen; eine Begleitung zum Sitzplatz ist aber wegen der kurzen Haltezeiten nicht möglich. Diesbezügliche Anfragen sollten bis spätestens einen Werktag vor der Abreise bis 18 Uhr, für Anmeldungen an einem Sonntag oder Montag bis spätestens Samstag 14 Uhr, dort eingegangen sein. Die Buchung von Fahrscheinen und Reservierungen – werden auf Wunsch auch gerne zugesandt –, können telefonisch unter der Rufnummer 01805/512 512 (0,14 € je Minute) bestellt werden (Montag bis Freitag von 8 Uhr bis 20 Uhr und Samstag von 8 Uhr bis 16 Uhr). oder per E-Mail an [email protected]. Natürlich wird auch eine Broschüre „Mobil mit Handicap“ vorgehalten, die es an allen Informationsstellen der DB kostenlos gibt. 6.3.3 Preisermäßigung bei Flugverkehrsgesellschaften Die Flugpreisermäßigung beträgt 30 Prozent im innerdeutschen Flugverkehr für Schwerkriegsbeschädigte, Schwerwehrdienstbeschädigte der Bundeswehr oder rassisch und politisch Verfolgte – wenn der GdB auf den Verfolgungsschaden zurückzuführen ist. Die Ermäßigung wird auf die anwendbare Business-Class sowie auf flexible Economy-Class und HBasic-Tarife gewährt. Ausgenommen sind alle anderen Flugpreise. Den in Betracht kommenden behinderten Menschen sind auf Antrag vom Versorgungsamt entsprechende Bescheinigungen auszustellen. An jeweils eine Begleitperson können Freiflugscheine für deutsche Inlandsdienste ausgegeben werden, sofern die Begleitperson den schwerbehinderten Menschen auf der Flugreise betreut und die „Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson“ auf dem Schwerbehindertenausweis (Merkzeichen „B“) vermerkt, oder durch Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes mit Zusatzbescheinigung über die Berechtigung zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr und/oder den Merkzeichen „Kriegsbeschädigt“, VB (versorgungsberechtigt) oder EB (entschädigungsberechtigt) nachgewiesen ist. 119 N ACHTEILSAUSGLEICHE Q Behindertengerechte Einrichtungen der Verkehrsflughäfen Hinweise für behinderte Reisende gibt die Broschüre „Informationen für behinderte Fluggäste Broschüre über den Service innerdeutscher Verkehrsflughäfen für Behinderte“ der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Flughäfen (ADV), 70629 Stuttgart Flughafen, Telefon (07 11) 9 48-0, Fax (07 11) 9 48-47 466. 6.4 Nachteilsausgleiche rund ums Haus 6.4.1 Gekürzter Einheitswert für die Grundsteuer Kriegsbeschädigte und andere behinderte Menschen, die zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung ihres Grundbesitzes eine Kapitalabfindung auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes oder eine Grundrentenabfindung nach dem Rentenkapitalisierungsgesetz verwendet haben, erhalten einen Nachteilsausgleich bei der Grundsteuer. 6.4.2 Wohnungsbaufinanzierung und Wohngeld Ob öffentliche Mittel zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus zur Verfügung gestellt werden können, hängt von der Höhe des Einkommens des Wohnungssuchenden ab. Hierfür vergibt das Saarland Landesbaudarlehen. In bestimmten Fällen können schwerbehinderte Menschen weitere Leistungen erhalten. Nähere Hinweise geben die Institute, die die öffentlichen Baudarlehen verwalten, und das Ministerium der Finanzen, Am Stadtgraben 6-8, 66111 Saarbrücken. Q Wohngeld Um allen Bürgern angemessenen und familiengerechten Wohnraum zu sichern, zahlt der Staat an Mieter, aber auch an Eigentümer von Eigenheimen usw. einen Zuschuss, der den Unterschied zwischen den tatsächlichen und der zumutbaren Belastung ausgleichen hilft. Nähere Informationen enthält die Broschüre „Wohngeld“ der Arbeitskammer des Saarlandes. Q Behinderte Mieter Das Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts, das zum 1. September 2001 in Kraft trat, berücksichtigt zum ersten Mal den „behinderten Mieter“. Das Gesetz räumt dem behinderten Mieter oder seinen Angehörigen ausdrücklich das Recht ein, die gemietete Wohnung im Bedarfsfall auf eigene Kosten behindertengerecht auszubauen. 120 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR 6.5 Weitere Nachteilsausgleiche 6.5.1 Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht R ECHT Befreiungen von der Rundfunkgebührenpflicht werden ausschließlich auf Antrag gewährt. Voraussetzung ist, dass Rundfunkgeräte zum Empfang bereitgehalten werden und der Antragsteller zum unten aufgeführten Personenkreis gehört. Befreit werden können der Haushaltsvorstand, dessen Ehegatte oder ein Haushaltsangehöriger für von ihm selbst zum Empfang bereitgehaltene Geräte, wenn mindestens eine der nachfolgenden Befreiungsvoraussetzungen erfüllt wird: 1. Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialhilfe) oder nach § 27 a oder 27 d des Bundesversorgungsgesetzes, 2. Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches) Empfänger von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II einschließlich Leistungen nach § 22 ohne Zuschläge nach § 24 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches, 3. Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, a. Empfänger von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, die nicht bei den Eltern leben, b. Empfänger von Berufsausbildungsbeihilfe nach den §§ 99 , 100 Nr. 5 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB III) oder nach dem Vierten Kapitel, Fünfter Abschnitt des SGB III, die nicht bei den Eltern leben, c. Empfänger von Ausbildungsgeld nach § 104 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs, die nicht bei den Eltern leben, 4. Sonderfürsorgeberechtigte im Sinne des § 27 e des Bundesversorgungsgesetzes, 5. a. blinde oder nicht vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von 60% allein wegen der Sehbehinderung (RFMerkzeichen oder Bescheinigung des Versorgungsamtes), b. hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist: (RFMerkzeichen“ oder Bescheinigung des Versorgungsamtes), 6. behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80% beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können („RF-Merkzeichen“ oder Bescheinigung des Versorgungsamtes), 7. Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches oder von Hilfe zur Pflege als Leistung der 121 N ACHTEILSAUSGLEICHE Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz oder von Pflegegeld nach den landesgesetzlichen Vorschriften, 8. Empfänger von Pflegezulagen nach § 267 Abs. 1 des Lastenausgleichsgesetzes oder Personen, denen wegen Pflegebedürftigkeit nach § 267 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c des Lastenausgleichsgesetzes ein Freibetrag zuerkannt wird, 9. Kinder, Jugendliche und junge Volljährige, die im Rahmen einer Leistungsgewährung nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches in einer stationären Einrichtung nach § 45 des Achten Buches des Sozialgesetzbuches leben. Die Befreiung beginnt mit dem Ersten des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Antrag gestellt wurde und der Vordruck bei der GEZ eingegangen ist. Eine rückwirkende Befreiung ist nicht zulässig, auch wenn die Befreiungsvoraussetzungen bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben. Wird der Antrag vor Ablauf eines gültigen Befreiungsbescheides gestellt, wird der Beginn der neuen Befreiung auf den Ersten des Monats nach Ablauf der Frist festgesetzt. Den ausgefüllten und eigenhändig unterschriebenen Antrag mit der erforderlichen Unterlage senden Sie bitte an die GEZ, 50656 Köln. Der derzeit geltende Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStv) und der Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ist im Anhang Gesetze und amtliche Texte beigefügt. 6.5.2 Vergünstigungen im Telefondienst Wir empfehlen, sich bei dem jeweiligen Telefonanbieter nach dem gültigen Sozialtarif zu erkundigen. Wie Ihr persönliches Hörgerät am besten kombiniert werden kann, erfahren Sie beim Deutschen Schwerhörigenbund, Technikkommission, Breite Straße 3, 13187 Berlin-Pankow. Nähere Informationen über diese Zusatzeinrichtungen geben die Telekom und andere Anbieter am Markt. Ob Zuschüsse zu den einmaligen Einrichtungskosten, den laufenden Gebühren gezahlt werden, ist bei den Rehaträgern einschließlich Integrationsamt als Träger der begleitenden Hilfe zu erfragen. 6.5.3 Förderung der Verständigung Von großer Bedeutung für die Integration Gehörloser ist, dass sie nach den Erfordernissen der jeweiligen Lebenslage kommunizieren können. Nach § 17 Abs. 2 SGB IX haben hörbehinderte Menschen das Recht auf Gebärdensprache bei Ausführung von Sozialleistungen, bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen. 122 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Die für die Sozialleistungen zuständigen Träger sind verpflichtet, die Kosten, die durch den Einsatz der Gebärdensprache entstehen, zu übernehmen. Anerkannt sind die Lautsprache und die Gebärdensprache mit Handzeichen. 6.5.4 Ermäßigter Eintritt Die Gemeinden räumen schwerbehinderten Menschen in der Regel Ermäßigungen beim Besuch ihrer Schwimmbäder ein, meist gilt dies auch für die Kurtaxe und Veranstaltungen. Beim Lösen von Eintrittskarten sollte man den Schwerbehindertenausweis vorlegen oder sich erkundigen. 6.5.5 „Studium und Behinderung” Unter diesem Titel gibt das Deutsche Studentenwerk (DSW), Monbijouplatz 11, 10178 Berlin, Tel. (030) 297727-0, Fax (030) 297727-99, eine Broschüre mit Tipps und Informationen für Studienbewerber und Studenten mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen heraus (s. auch www.studentenwerk.de). 6.5.6 Vergünstigungen beim BAföG Nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gelten bestimmte Einkünfte im Zusammenhang mit Behinderungen, z.B. Grundrenten und Schwerstbeschädigtenzulagen nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklären, als anrechnungsfrei. Keine Grundsicherung bei voller Erwerbsminderung mehr für Studierende (§ 22 Abs. 1 SGB XII) Schon bisher galt, dass Auszubildende deren Ausbildung dem Grunde nach BAföG-förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII haben, es sei denn, ein besonderer Härtefall liegt vor. Neu ist nun, dass sich die Ausschlussklausel auch auf Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII bezieht. Gemäß § 22 Abs.1 SGB XII können behinderte Studierende seit Ende letzten Jahres nun auch keine Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei voller Erwerbsminderung mehr beantragen, auch wenn die besonderen Voraussetzungen der vollen Erwerbsminderung dafür vorliegen. Lediglich in besonderen Härtefällen können Leistungen als Beihilfe oder Darlehen erbracht werden. Das bedeutet, dass – wenn z.B wegen Überschreitung der Altersgrenze bei Studienbeginn kein BAföG beansprucht werden kann – dauerhaft erwerbsgeminderte chronisch Kranke und Behinderte, die Grundsicherung wegen voller Erwerbsminderung beziehen, vom Studium ausgeschlossen werden. Dabei bedeutet „voll erwerbsgemindert“ nicht „studierfähig“, da sich Studierende ihre Arbeit in bestimmtem Rahmen selbst organisieren können und in einem ihnen angemessenen Tempo ein Studium erfolgreich 123 N ACHTEILSAUSGLEICHE beenden können, das ihnen u.U. auch eine neue berufliche Perspektive bieten kann. 6.5.7 Befreiung vom Wehr- und Zivildienst Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 des Wehrpflichtgesetzes sowie gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 des Zivildienstgesetzes sind schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 2 Abs. 2 des SGB IX von der Ableistung des Wehr- oder Zivildienstes befreit. Die genannten Rechtsvorschriften regeln ferner, welche Personen auf Antrag vom Wehr- bzw. Zivildienst zu befreien sind. Ein Befreiungsanspruch kann bestehen für Personen mit Angehörigen, die an den Folgen von Schädigungen im Sinne des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes oder des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (also an Folgen nationalsozialistischer Verfolgungen, militärischer oder militärähnlicher Dienstverrichtung, Kriegseinwirkung, Kriegsgefangenschaft u.Ä.) verstorben sind. Anträge auf Befreiung vom Wehr- bzw. Zivildienst sind jedoch nur innerhalb bestimmter Fristen möglich. Wann und in welcher Form die Anträge zu stellen sind, ist für den Antrag auf Befreiung vom Wehrdienst geregelt in § 11 Abs. 2 des Wehrpflichtgesetzes, für den Antrag auf Befreiung vom Zivildienst geregelt in § 12 des Zivildienstgesetzes. 6.5.8 Ferienführer, Stadtführer, Urlaub Viele Städte bieten einen „Stadtführer für Behinderte“ kostenlos an, der beim jeweiligen Sozial- oder Verkehrsamt angefordert werden kann. Diesem „Stadtführer“ ist u. a. zu entnehmen, ob, zu welchen Tageszeiten und unter welchen Bedingungen Behinderten-Fahrdienste im Stadtbereich in Anspruch genommen werden können. Hinweise auf geeignete Unterkünfte gibt die Bundesarbeitsgemeinschaft „Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen“ e.V. (BAG Selbsthilfe), Kirchfeldstraße 149, 40215 Düsseldorf. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Clubs Behinderter und ihrer Freunde hat ebenfalls eine Freizeit- und Urlaubsbroschüre zusammengestellt. Diese Broschüre ist kostenlos erhältlich bei: Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales, Landesbeauftragter für Behindertenfragen, Franz-Josef-Röder-Str. 23, 66119 Saarbrücken, Telefon: (0681) 501-3189. 124 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 6.5.9 UND IHR R ECHT Befreiung von der Hundesteuer Nach den Hundesteuergesetzen der Länder bzw. Kommunalabgabengesetzen, welche die Gemeinden zur Steuererhebung verpflichten oder zum Erlass von Steuersatzungen berechtigen, können Hunde von blinden, gehörlosen und völlig hilflosen Personen bei Vorlage von Bescheinigungen von der Hundesteuer befreit werden. Auskünfte erteilen die Stadt- und Gemeindeverwaltungen. 125 L EISTUNGEN 7 ZUR T EILHABE Anspruch auf Selbstbestimmung und Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben Die Selbstbestimmung und die Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben hebt § 10 SGB IX besonders hervor. Danach hat jeder Mensch, der eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung hat oder dem eine solche Behinderung droht, unabhängig von der Ursache der Behinderung, zur Förderung seiner Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe ein Recht auf Hilfe, die notwendig ist, um • • • • • die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten und ihre Folgen zu mildern, Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug von Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu vermindern, ihnen einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern, ihre Entwicklung zu fördern und ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und eine möglichst selbstständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern sowie Benachteiligung wegen der Behinderung entgegenzuwirken. Mit dieser erweiterten Vorschrift hat der Gesetzgeber das Ziel einer umfassenden Möglichkeit zur Selbstbestimmung und Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben festgelegt. Die Vorschrift selbst gewährt jedoch keinen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Welche Leistungen im Einzelfall beansprucht werden können und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen, ist in einer Vielzahl von Rechtsvorschriften in unterschiedlichen Gesetzen geregelt. Die folgende Auflistung gibt jedoch einen Überblick, welche Leistungen zur Förderung der Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe behinderter Menschen gesetzlich vorgesehen sind: 126 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 7.1 Leistungen zur Teilhabe 7.1.1 Medizinische Rehabilitation UND IHR R ECHT a) Behandlung durch Ärzte, Zahnärzte und Angehörige anderer Heilberufe, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, einschließlich der Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln, b) Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder, c) Arznei- und Verbandmittel, d) Heilmittel einschließlich physikalischer Sprach- und Beschäftigungstherapie, e) Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, f) Hilfsmittel, g) Belastungserprobung und Arbeitstherapie. 7.1.2 Teilhabe am Arbeitsleben a) Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Beratung, Vermittlung, Trainingsmaßnahmen und Mobilitätshilfen, b) Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, c) berufliche Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur Teilnahme erforderlichen Abschluss einschließen, d) berufliche Ausbildung auch, soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden können, e) Überbrückungsgeld entsprechend § 57 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch durch die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5, f) sonstige Hilfen zur Förderung der Teilnahme am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten. 7.1.3 Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen a) Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld, Ausbildungsgeld oder Unterhaltsbeihilfe, 127 L EISTUNGEN ZUR T EILHABE b) Beiträge und Beitragszuschüsse zur Krankenversicherung, Unfallversicherung, Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit, Pflegeversicherung, c) ärztlich verordneter Rehabilitationssport in Gruppen, einschließlich der Übungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Frauen und Mädchen, die der Stärkung des Selbstbewusstseins dienen, d) ärztlich verordnetes Funktionstraining in Gruppen, c) Reisekosten, e) Betriebs- oder Haushaltshilfe und Kinderbetreuungskosten. 4. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. a) Versorgung mit Hilfsmitteln oder Hilfen, b) heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind, c) Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen, d) Hilfen zur Förderung und Verständigung mit der Umwelt, e) Hilfen bei der Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen behinderter Menschen entspricht, f) Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten, g) Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. Während der Teilnahme an medizinischen oder berufsfördernden Reha-Maßnahmen sind folgende Geldleistungen vorgesehen: a) Während medizinischer Maßnahmen zur Rehabilitation: Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld. Das Krankengeld, Versorgungskrankengeld und Verletztengeld beträgt 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt gemäß § 47 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld darf 90 vom Hundert des bei entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 2 SGB V berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. b) Übergangsgeld während beruflicher Rehabilitation, wenn der behinderte Mensch arbeitsunfähig im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung ist oder wegen Teilnahme an der Maßnahme keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben kann. 128 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Das Übergangsgeld wird geleistet für den Zeitraum, in dem die berufliche Eignung abgeklärt ist und eine Arbeitserprobung erfolgt. Bei der Berechnung des Übergangsgeldes wird der Betrag in Höhe von 58 Prozent des entgangenen regelmäßigen Entgelts, höchstens das entgangene Nettoarbeitsentgelt herangezogen. Das Übergangsgeld beträgt nach § 46 SGB IX: 1. für Leistungsempfänger, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs.1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben, oder deren Ehegatten, mit denen sie in häuslicher Gemeinschaft leben, eine Erwerbstätigkeit nicht ausüben können, weil sie die Leistungsempfänger pflegen oder selbst der Pflege bedürfen und keinen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung haben 75 %, 2. für die übrigen Leistungsempfänger 68 %. Beitragsbemessungsgrenzen betragen für die Krankenversicherung für das Jahr 2007 monatlich 3.562,50 €/mtl. sowie für die Renten- und Arbeitslosenversicherung für 2007 monatlich 5.250 €. Eine andere Berechnung des Übergangsgeldes findet nach § 48 SGB IX Anwendung, sofern bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben • • • die Berechnung des Übergangsgeldes (§ 46) und des Regelentgeltes (§ 47) zu einem zu einem geringeren Betrag führt, kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt worden war oder der letzte Tag des Bemessungszeitraumes zu Beginn der Maßnahme länger als drei Jahre zurückliegt. In diesen Fällen ist das Übergangsgeld aus 65 Prozent des auf ein Jahr bezogenen tariflichen oder – wenn es an einer tariflichen Regelung fehlt –- des ortsüblichen Arbeitsentgelts zu berechnen, das für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des behinderten Menschen gilt. Voraussetzungen, Art, und Umfang der Leistungen eines Rehabilitationsträgers richten sich im Einzelnen nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden besonderen Rechtsvorschriften. So können die Rentenversicherungsträger Anträge auf Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation bei Erfüllung der sonstigen Leistungsvoraussetzungen nur noch dann bewilligen, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung entweder die Wartezeit von 15 Jahren (Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge, Kindererziehungszeiten und Zeiten aus dem Versorgungsausgleich werden angerechnet) zurückgelegt wurde, eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Hinterbliebenenrente wegen Erwerbsminderung bewilligt wurde. Versicherte, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, haben unter Umständen An- 129 L EISTUNGEN ZUR T EILHABE spruch auf berufsfördernde Maßnahmen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit (Agentur für Arbeit) nach den Bestimmungen des SGB lll (Arbeitsförderung). Nach § 19 erhalten behinderte Menschen, die „nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind”, Hilfe zur beruflichen Eingliederung. In der gesetzlichen Krankenversicherung haben auch mitversicherte Ehegatten und Kinder Anspruch auf Rehabilitationsleistungen. Um sicherzustellen, dass Kinder mit angeborenen Behinderungen rechtzeitig die erforderlichen Hilfen erhalten, sind alle Ärzte verpflichtet, den Krankenkassen Behinderungen, die ihnen bekannt werden, mitzuteilen. Die Krankenkassen müssen dann dafür sorgen, dass die notwendigen Rehabilitationsmaßnahmen unverzüglich eingeleitet werden. Diese Regelung ist erforderlich, weil manche Eltern sich leider immer noch scheuen, Behinderungen ihrer Kinder zu melden. Rehabilitationsmaßnahmen dürfen grundsätzlich nur mit Zustimmung des behinderten Menschen erfolgen. Trotzdem ist Vorsicht geboten bei einer Weigerung, an Rehabilitationsmaßnahmen teilzunehmen. Eine ungerechtfertigte Weigerung kann Versagung oder Entzug anderer Sozialleistungen zur Folge haben. 130 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 8 UND IHR R ECHT Träger der Leistungen zur Teilhabe Mögliche Rehabilitationsträger sind folgende Einrichtungen und Behörden: 8.1 Gesetzliche Krankenkassen Ortskrankenkassen, Betriebskrankenkassen, Innungskrankenkassen, Seekrankenkassen (Seekasse), Ersatzkassen, Bundesknappschaft, landwirtschaftliche Krankenkassen. 8.2 Bundesagentur für Arbeit Regionaldirektionen und Agenturen für Arbeit. 8.3 Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Gewerbliche Berufsgenossenschaften, landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften, Gemeindeunfallversicherungsverbände, Ausführungsbehörden für Unfallversicherung des Bundes, der Länder und Gemeinden, Feuerwehrunfallkassen. 8.4 Träger der Rentenversicherung Deutsche Rentenversicherung Bund, Regionalträger, Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Seekasse, landwirtschaftliche Alterskassen. 8.5 Träger der Kriegsopferversorgung, Kriegsopferfürsorge Landesversorgungsämter, Versorgungsämter, Hauptfürsorgestellen, Fürsorgestellen. 8.6 Träger der Sozialhilfe, öffentlichen Jugendhilfe Überörtliche Träger der Sozialhilfe, örtliche Träger der Sozialhilfe, Jugendamt. 131 Z USTÄNDIGKEIT 9 Zuständigkeit, Auskunft und Beratung Angesichts der Vielzahl rechtlicher Bestimmungen über Rehabilitationsleistungen stellen sich für behinderte Menschen sowie für Menschen, die von einer Behinderung bedroht sind, die Fragen • • • welche Maßnahmen im Einzelfall sinnvoll bzw. erforderlich sind, für welche Leistungen die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind und welcher Leistungsträger im Einzelfall zuständig ist. Um den Betroffenen die Klärung dieser Fragen zu erleichtern, hat der Gesetzgeber durch die Zusammenfassung der Rechte der Rehabilitation behinderter Menschen im Neunten Buch Sozialgesetzbuch den Leistungsträgern die Verpflichtung auferlegt, behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen alle sachdienlichen Auskünfte über die Leistungsmöglichkeiten der medizinischen Maßnahmen, zur Teilhabe am Arbeitsleben, unterhaltssichernde und andere ergänzende Maßnahmen sowie zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu erteilen. Hierfür wurden gemeinsame Servicestellen der Rehabilitationsträger geschaffen (§§ 22 bis 25 SGB IX), die für eine vertiefte und umfassende Beratung zuständig sind. Obwohl die Zuständigkeit des jeweiligen Rehabilitationsträgers geregelt ist, können Fälle auftreten, in denen die Zuständigkeitsfrage zunächst unklar oder auch aus sonstigen Gründen die unverzügliche Einleitung der notwendigen Maßnahme gefährdet ist. Um auch hier eine möglichst schnelle Einleitung des Leistungsverfahrens zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber bestimmt, welcher Rehabilitationsträger in den genannten Fällen Leistungen zu erbringen hat. Es sind dies: a) in Fällen medizinischer Rehabilitation: gesetzliche Krankenkassen, gesetzliche Unfallversicherung, gesetzliche Rentenversicherung, Alterssicherung der Landwirte, Kriegsopferversorgung, Kriegsopferfürsorge, öffentliche Jugendhilfe, Sozialhilfe; b) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben: Bundesagentur für Arbeit, gesetzliche Unfallversicherung, gesetzliche Rentenversicherung, Kriegsopferversorgung, Kriegsopferfürsorge, öffentliche Jugendhilfe, Sozialhilfe; c) Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen: gesetzliche Krankenkassen, Bundesagentur für Arbeit, gesetzliche Unfallversicherung, gesetzliche Rentenversicherung, Alterssicherung der Landwirte, Kriegsopferversorgung, Kriegsopferfürsorge; d) Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft: gesetzliche Unfallversicherung, Kriegsopferversorgung, Kriegsopferfürsorge, öffentliche Jugendhilfe, Sozialhilfe. 132 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Die Rehabilitationsträger nehmen ihre Aufgaben selbstständig und eigenverantwortlich wahr. Soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilitationsträger erforderlich sind, ist der für die Leistung zuständige Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, dass die beteiligten Rehabilitationsträger miteinander und in Abstimmung mit dem Leistungsberechtigten die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen funktionsbezogen feststellen und schriftlich so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinander greifen. Die Zuständigkeitserklärung ist in § 14 SGB IX geregelt. Innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages muss der Rehabilitationsträger festgestellt haben, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz zuständig ist. Q Servicestellen für behinderte Menschen Deutsche Rentenversicherung (DRV) Saarland, Deutsche Rentenversicherung Bund (BfA), Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, die AOK, die Ford-Betriebskrankenkasse (BKK) sowie die Agentur für Arbeit Saarlouis bieten vernetzte Servicestellen an, um behinderte Menschen im Saarland über RehabilitationsMöglichkeiten zu beraten. Die Barmer Ersatzkasse und das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz sind mit weiteren Servicestellen dabei. Ziel dieses Angebots der Rehabilitationsträger ist es, allen Betroffenen und Ratsuchenden im Rehabilitations-Recht zielgerichtet weiterzuhelfen und schneller zu Leistungen verhelfen. Die Geschäftsstellen der Rehabilitationsträger geben Auskunft, in welchen Städten und bei welchen Trägern vernetzte Servicestellen eingerichtet sind. 133 R EHABILITATION 10 Phasen der Rehabilitation 10.1 Personenkreis • Körperlich, geistig oder seelisch behinderte Menschen – auch bei drohender Behinderung, – ungeachtet der Ursache, – auch ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. 10.1.1 Erste Phase:1) Medizinische Rehabilitation • • • • • • Akuter Krankheitsprozess, Zustand der Genesung, erreichter Dauerzustand, Belastungserprobung und Arbeitstherapie, Teilmaßnahmen, um die Teilhabe zu erhalten und zu verbessern, Ausstattung mit Körperersatzstücken sowie Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel. Träger: gesetzliche Krankenkassen, gesetzliche Unfallversicherung, gesetzliche Rentenversicherung, Altershilfe für Landwirte, Kriegsopferversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz, öffentliche Jugendhilfe, Sozialamt. 10.1.2 Zweite Phase: Überleitung in die berufliche Rehabilitation • Beratung in der Klinik/Heilstätte, Reha-Berater des Kostenträgers, u. U. mit Vertretern der Bundesagentur für Arbeit, Einzel- oder Team-Beratung. 10.1.3 Dritte Phase: Berufliche Rehabilitation – Einleitung • • Auskunfts-/Beratungsstelle für berufliche Reha (Bundesagentur für Arbeit); Anzeige und formloser Antrag an die zuständigen Kostenträger: Regionalträger, Deutsche Rentenversicherung Bund, Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Berufsgenossenschaft, Integrationsamt, Bundesagentur für Arbeit; 1) Die vier Phasen der Rehabilitation laufen im Rahmen des Gesamtplanes ab. Sie sind keine streng getrennten Vorgänge, sondern gehen je nach Erfordernis entweder ineinander über oder vollziehen sich gleichzeitig. 134 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN • • UND IHR R ECHT Prüfung der Zuständigkeit und der Voraussetzungen; Aufforderung des Kostenträgers an Bundesagentur für Arbeit zur Erstellung des Eingliederungs-Vorschlages. Beratung • • • Beratung durch Reha-Berater der Bundesagentur für Arbeit unter Beteiligung des Kostenträgers, z.B.: – über in Betracht kommende Tätigkeiten, – über notwendige Maßnahmen zur Eingliederung, Wiedereingliederung, Einschalten des Amtsarztes, Berufsberater, Psychologe, Technischer Berater, gegebenenfalls im Team, Eingliederungsvorschlag an Kostenträger unter Umständen Vorschaltung einer Berufsfindung oder Arbeitserprobung. Maßnahme • • • • • • • • Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, Anpassung einschließlich Maßnahmen für schulischen Abschluss, Einarbeitung, Aus- und Fortbildung, Umschulung nach Einweisung durch Kostenträger, gegebenenfalls Vorleistung der Bundesagentur für Arbeit, wenn die Maßnahme sich zu verzögern droht, mit dem Ziel der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung einer ins Auge gefassten Tätigkeit, Berufsbildungswerk, Berufsförderungswerk, Betrieb, Fachschule, Werkstatt für behinderte Menschen, Rehastättenberatung, Einleitung der Wiedereingliederung, Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit, unter Umständen Mitwirkung des Technischen Beraters, Vermittlung mit und ohne Eingliederungshilfen (z. B. finanzielle Hilfen nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch, SGB IX). 10.1.4 Vierte Phase: Eingliederung, Wiedereingliederung in Betrieb oder Verwaltung (Soziale Rehabilitation) • Schaffung bzw. Stabilisierung eines Dauerarbeitsverhältnisses auf einem Arbeitsplatz in Betrieb oder Verwaltung, gegebenenfalls in Werkstätten für behinderte Menschen. Dazu ist insbesondere erforderlich: – die Erhaltung/Erschließung vorhandener oder Schaffung neuer Arbeits- 135 P HASEN DER R EHABILITATION plätze, – Gestaltung, Anpassung von Arbeitsplätzen für ältere und behinderte Arbeitnehmer, – begleitende Hilfe in Betrieb oder Verwaltung, – Schaffung geeigneter Arbeitsplätze, – Gestaltung der Arbeitsplätze (technisch, human usw.) – Beseitigung baulicher und technischer Hindernisse, – arbeitsmedizinische Betreuung. Arbeitseinkommen und Einkommensentwicklung • Lohn, Gehalt und sonstige betriebliche soziale Leistungen, – Einkommensgarantie bei betriebsbedingten Umsetzungen, Versetzungen, – Sicherung des Einkommens bei Leistungsminderung, die durch Behinderung oder durch Alter bedingt ist, – Beteiligung an der allgemeinen betrieblichen Einkommensentwicklung. Förderung des beruflichen Fortkommens – Vorzug bei betrieblichen Bildungs- und Fortbildungsmaßnahmen, – Erleichterung schaffen und Hilfe gewähren bei Teilnahme an solchen Maßnahmen, wenn sie außerbetrieblich durchgeführt werden, Kostenträger hierbei sind: Betrieb, Agentur für Arbeit, Integrationsamt und andere. Gesetzliche Regelungen sollte man in Anspruch nehmen, ergänzende Regelungen durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Beratung: Schwerbehindertenvertretung, Betriebsrats-/Personalrat, Beauftragter des Arbeitgebers, Betriebsarzt, Sicherheitsingenieur, Reha-Berater der außerbetrieblichen Kostenträger. 136 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 11 UND IHR R ECHT Rechtsvorschriften über die Sozialversicherung behinderter Menschen Soweit behinderte, schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Menschen im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch in einem Arbeitsverhältnis stehen, gelten für sie die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen. Im Regelfall wird daher Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestehen, sofern es sich nicht um eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8 SGB IV handelt (zur geringfügigen Beschäftigung siehe unter 1.3). Keine Versicherungspflicht besteht in der Arbeitslosenversicherung, wenn die Beschäftigung kurzzeitig und auf weniger als 15 Stunden in der Woche beschränkt ist, sowie in der Krankenversicherung, wenn das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt eine bestimmte Grenze (47.700 € ab dem 1. Januar 2007) nicht überschreitet. Neben den allgemeinen Bestimmungen enthalten die sozialversicherungsrechtlichen Gesetze eine Reihe von Sondervorschriften für die Sozialversicherung behinderter Menschen. Eine umfassende Darstellung dieser Bestimmungen ist im Rahmen dieser Broschüre nicht möglich. Im Folgenden soll daher nur auf einige wichtige Regelungen hingewiesen werden, wie behinderte Menschen in die Sozialversicherung und die Beitragspflicht einbezogen sind. 11.1 Krankenversicherung Das „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz) wurde am 2. Februar 2007 vom Bundestag beschlossen. Der Bundesrat hat dem Gesetz zugestimmt und am 20. Juni 2007 im Bundesgesetzblatt verkündet. Es ist im Wesentlichen am 1. April 2007 in Kraft getreten. Bei den nachfolgenden und den einleitenden Ausführungen haben wir uns sehr eng an den Einschätzungen der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen orientiert. Zusammengefasst stellt sich diese Reform wie folgt dar. 11.1.1 Neue Zugangsmöglichkeiten zur gesetzlichen Krankenversicherung Q Bisher Nichtversicherte werden Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung Ab 1. April erhalten viele Menschen (wieder) Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung. Denn mit Inkrafttreten der Gesundheitsreform werden auch diejenigen Bundesbürger und in Deutschland lebenden Menschen versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, die bislang unversichert sind 137 R ECHTSVORSCHRIFTEN und keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben. Flankiert wird diese Regelung dadurch, dass auch die private Krankenversicherung ab dem 1. Juli 2007 nicht versicherte Menschen im so genannten Standardtarif versichern muss. Kein in Deutschland lebender Mensch wird also mehr ohne ausreichende Absicherung im Krankheitsfall dastehen. Q Der letzte Versicherungsschutz ist entscheidend Der Krankenversicherungsschutz ist ab dem 1. April von der gesetzlichen Krankenkasse sicherzustellen, bei der zuletzt eine Versicherung bestanden hat, auch wenn diese Versicherung Jahrzehnte zurückliegt. Wenn diese ursprüngliche Krankenkasse nicht mehr besteht, ist die Rechtsnachfolgerin zuständig. Bestand vor dem 1. April 2007 zuletzt eine private Krankenversicherung, kommt eine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zustande. Dann ist die private Krankenversicherung zuständig. Wer bisher noch nie gesetzlich oder privat krankenversichert war, kann die Krankenkasse frei wählen. Ausnahme: Beamte oder hauptberuflich Selbstständige. Diese müssen sich an die private Krankenversicherung wenden. Q Pflicht zur Beitragszahlung Wer nach der neuen Regelung in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig wird, hat natürlich auch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen, und zwar aus allen beitragspflichtigen Einnahmen. Im Einzelfall können die Beiträge auch vom Sozialamt übernommen werden. Versicherungspflichtige ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall, für die die Neuregelung in Frage kommt, sollten sich so schnell wie möglich bei ihrer letzten Krankenkasse oder, wenn dies nicht zutrifft, bei einer ausgewählten Krankenkasse melden, damit das Versicherungsverhältnis zum 1. April 2007 begründet werden kann. Auch wer sich später meldet, wird rückwirkend zum 1. April Kraft Gesetzes versicherungspflichtig und muss ab diesem Zeitpunkt auch die Beiträge nachzahlen. Eine Versicherung kommt nicht zustande, wenn bereits ein ausreichender anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht. Insofern ist eine Meldung bei einer Krankenkasse insbesondere in folgenden Fällen nicht erforderlich: • • • • Bezug laufender Sozialhilfeleistungen, wie zum Beispiel laufende Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen oder Hilfe zur Pflege, Anspruch auf freie Heilfürsorge (z. B. Soldaten, Polizisten, Feuerwehrleute), Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz oder auf sonstige Gesundheitsfürsorge, Anspruch auf Kranken- und Heilbehandlung nach dem Bundesversorgungs- 138 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN • UND IHR R ECHT gesetz, dem Bundesentschädigungsgesetz oder vergleichbaren gesetzlichen Regelungen, Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz. Weitergehende Auskunft erteilt in Zweifelsfällen jede Krankenkasse (im Übrigen, siehe auch 1.2, Seite 16f.). So wird für die in Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen beschäftigten behinderten Menschen und denen, die in anerkannten Werkstätten nach dem SGB IX oder dem „Blindenwarenvertriebsgesetz vom 9. April 1965 (BGBl. I S. 311, zuletzt geändert durch Artikel 148 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407)“ beschäftigt oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind, grundsätzlich das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt der Beitragsberechnung zu Grunde gelegt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe von 20 v. H. der so genannten „monatlichen Bezugsgröße“ (§ 235 SGB V). Diese wird jährlich angepasst, sie beträgt 490 € monatlich im Kalenderjahr 2007. Ist das von dem behinderten Menschen tatsächlich erzielte Entgelt niedriger als dieser Betrag, hat der Träger der jeweiligen Einrichtung den Betrag allein zu tragen. Nur wenn das tatsächlich erzielte Entgelt höher ist, tragen der behinderte Mensch und Einrichtungsträger den Betrag jeweils zur Hälfte (§ 251 Abs. 2 SGB V). Beiträge, die auf Grund der Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für versicherungspflichtige Teilnehmer zu entrichten sind, hat der zuständige Rehabilitationsträger zu tragen (§ 251 Abs. 1 SGB V). Dies gilt auch, wenn krankenversicherungspflichtig Beschäftigte während einer medizinischen Rehabilitation Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld von einem Rehabilitationsträger erhalten. Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger in der gesetzlichen Krankenversicherung bei medizinischer Rehabilitation bleibt während des Bezuges der oben genannten Leistungen erhalten (§192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V; hinsichtlich der Berechnung der Beiträge für die genannten Personenkreise vergleiche § 235 Abs. 1, 2 und 4 SGB V). Personen, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen oder beantragt haben und die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllen, sind krankenversicherungspflichtig, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 oder 12 SGB V erfüllt sind. Personen, die durch Stellung eines Rentenantrages, durch Bezug einer Rente, durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, zur Rehabilitation oder durch die Tätigkeit in einer nach dem SGB IX oder dem Blindenwarenvertriebsgesetz anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen für behinderte Menschen versicherungspflichtig werden, können 139 R ECHTSVORSCHRIFTEN sich auf Antrag nach § 8 SGB V von der Versicherungspflicht befreien lassen. Der Antrag ist innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht zu stellen. Die Befreiung kann jedoch nicht widerrufen werden. Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die sich nach der vorgenannten Regelung von der Versicherungspflicht haben befreien lassen, haben bei Bezug von Übergangsgeld gegenüber dem zuständigen Leistungsträger gemäß § 258 SGB V Anspruch auf einen Zuschuss zu dem von ihnen zu zahlenden Beitrag zur privaten Krankenversicherung. Für Kinder, die als behinderte Menschen außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten, besteht gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V, sofern die sonstigen Voraussetzungen für die Familienkrankenversicherung erfüllt sind, Anspruch auf Familienkrankenversicherung ohne Rücksicht auf das Lebensalter des Kindes, wenn die Behinderung bereits vor Erreichen der in § 10 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGB V genannten Altersgrenzen vorlag. Dies sind: 18. Lebensjahr, 23. Lebensjahr, wenn das Kind keine Erwerbstätigkeit ausübt, 25. Lebensjahr, wenn das Kind sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet oder ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr leistet, auch höheres Lebensalter, wenn die Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllen einer gesetzlichen Dienstpflicht unterbrochen oder verzögert worden ist. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V haben schwerbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 das Recht, sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern, wenn sie selbst, ein Elternteil, der Ehepartner oder ihr Lebenspartner in den letzten fünf Jahren vor dem Beitritt zur Krankenversicherung mindestens drei Jahre versichert waren (Vorversicherungszeit). Diese Voraussetzung gilt jedoch dann nicht, wenn die Vorversicherungszeit wegen der Behinderung nicht erfüllt werden konnte. Die Vorversicherungszeiten brauchen nicht zusammenhängend zurückgelegt zu sein. Vorversicherungszeiten behinderter Menschen können jedoch nicht mit solchen des Ehepartners oder eines Elternteils zusammengerechnet werden. Die dreijährige Vorversicherungszeit muss entweder insgesamt vom behinderten Menschen selbst oder vom Ehepartner oder einem Elternteil erfüllt sein. Darüber hinaus sind die Krankenkassen berechtigt, in ihren Satzungen Altersgrenzen festzulegen, nach deren Überschreiten das Recht zur freiwilligen Versicherung nicht mehr besteht. Der freiwillige Beitritt muss gegenüber der Krankenkasse innerhalb von drei Monaten nach Feststellung der Schwerbehinderung erklärt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist der freiwillige Beitritt nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht mehr möglich. 140 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Sofern die vorstehend geschilderten Voraussetzungen für das besondere Beitrittsrecht für schwerbehinderte Menschen nicht erfüllt sind, kommt ein freiwilliger Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen eines der sonstigen in § 9 Abs. 1 SGB V genannten Beitrittsrechte erfüllt sind. So besteht die Möglichkeit zum freiwilligen Beitritt z.B. nach einem Ausscheiden aus einer vorherigen Versicherungspflicht (hier reichen geringere Vorversicherungszeiten aus), beim Erlöschen einer Familienversicherung sowie für Berufsanfänger mit einem Verdienst oberhalb der Jahresarbeitsverdienstgrenze. Auch in diesen Fällen muss der Beitritt der Kasse innerhalb von drei Monaten nach dem beitrittsberechtigenden Ereignis erklärt werden. Nähere Auskünfte über die bestehenden Möglichkeiten eines freiwilligen Beitritts zur gesetzlichen Krankenversicherung, über die Voraussetzungen im Einzelnen sowie über die satzungsmäßigen Altersgrenzen für schwerbehinderte Menschen geben die Krankenkassen. 11.2 Rentenversicherung Behinderte Menschen, die in nach dem SGB IX oder dem Blindenwarenvertriebsgesetz anerkannten Werkstätten beschäftigt sind oder von diesen Einrichtungen als Heimarbeiter beschäftigt werden, sowie behinderte Menschen, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen für behinderte Menschen beschäftigt sind und die oben unter 1.1 beschriebene Mindestleistung erbringen, sind nach § 1 SGB VI auch in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Auf die wesentlichen Änderungen durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz – BGBl. I, Nr. 16, S. 554 – vom 20. April 2007) wurde bereits in der Einleitung dieser Broschüre eingegangen. Die nachfolgenden Regelungen bestehen unverändert (lediglich mit angepassten Bezugsgrößen) fort. Als Arbeitsentgelt ist für die Beitragsberechnung mindestens ein Betrag in Höhe von 80 Prozent der monatlichen Bezugsgröße zu Grunde zu legen, für das Jahr 2007, also monatlich den Betrag in Höhe von im Westen 1.960 € (West) bzw. 1.680 € (Ost). Ist der tatsächliche Arbeitsverdienst des behinderten Menschen geringer, hat er als eigenen Betragsanteil die Hälfte des sich aus dem tatsächlichen Arbeitsverdienst ergebenden Beitragsteils zu entrichten. Den Rest des sich aus dem Mindestbetrag ergebenden Gesamtbeitrages zahlt der Träger der Einrichtung. Der Einrichtungsträger hat den gesamten Beitrag zu tragen, wenn der Arbeitsverdienst des behinderten Menschen 490 € nicht übersteigt. Nach § 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI sind ferner alle Personen versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder in 141 R ECHTSVORSCHRIFTEN Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen zu einer Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen. Die Beiträge sind allein vom Träger der Einrichtung zu tragen. Den Rest des sich aus dem Mindestbetrag ergebenden Gesamtbeitrages zahlt der Träger der Einrichtung. Der Einrichtungsträger hat den gesamten Beitrag zu tragen, wenn der Arbeitsverdienst des behinderten Menschen 490 € nicht übersteigt. Nach § 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI sind ferner alle Personen versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder in Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen zu einer Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen. Die Beiträge sind allein vom Träger der Einrichtung zu tragen. Für sämtliche vorgenannten Personengruppen besteht die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auch dann, wenn lediglich eine geringfügige Beschäftigung in den Grenzen des § 8 SGB IV vorliegt. Die Bestimmungen über die grundsätzliche Versicherungsfreiheit bei geringfügiger Beschäftigung finden ebenfalls keine Anwendung bei Personen, die auf Grund einer stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach § 74 SGB V lediglich in geringfügigem Umfang beschäftigt sind; auch sie sind versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. 11.3 Geringfügige Beschäftigung Seit dem 1. April 2003 sind die Regelungen bei der Beschäftigung von Mini-Jobbern in Kraft. Maßgeblich für die 400 €-Grenze ist der Verdienst für den jeweiligen Monat. Das heißt: Angenommen, in den Monaten Januar bis November verdient der Minijobber 400 € und im Monat Dezember 450 €, dann liegt er im Dezember über der Verdienstgrenze und ist dann für diesen Monat sozialversicherungspflichtig. Es gibt keine Höchstarbeitsdauer. Dies gilt für alle geringfügig Beschäftigten. Entscheidend ist, dass die Verdienstgrenze nicht überschritten wird. Man teilt die Geringfügige Beschäftigung in zwei Gruppen auf, einmal in die Geringfügig entlohnte Beschäftigung und in die Kurzfristige Beschäftigung. Für beide Arten müssen Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet werden. Q Geringfügig entlohnte Beschäftigung Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung liegt vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 € nicht übersteigt. Der Arbeitnehmer ist bis zu dieser Grenze von der Sozialversicherung befreit (§ 8 Abs.1 Nr.1 SGB IV, § 7 Abs. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI, § 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI, § 27 Abs. 2 Nr. 1 SGB III). 142 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN • UND IHR R ECHT Der Arbeitgeber hat für geringfügig Entlohnte, die in dieser Beschäftigung versicherungsfrei oder nicht versicherungspflichtig sind, folgende Pauschalabgaben (gerechnet vom Arbeitsentgelt) zu leisten: • 13 % Krankenversicherungspauschale • 15 % gesetzliche Rentenversicherungspauschale • 2 % Pauschale für Lohnsteuer, Kirchensteuer u. Solidaritätszuschlag • 0,1 % Umlage nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz Wird die geringfügig entlohnte Beschäftigung in einem Privathaushalt ausgeübt [haushaltsnahen Dienstleistungen: z.B. Tätigkeiten, die normalerweise Familienmitglieder erledigen (Kochen, Putzen, Gartenarbeiten, etc.)], gelten folgende Pauschalabgaben: • 5 % Krankenversicherungspauschale • 5 % Rentenversicherungspauschale • 2 % Pauschale für Lohnsteuer, Kirchensteuer u. Solidaritätszuschlag • 0,1 % Umlage nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz • 1,6 % Beiträge zur Unfallversicherung In der Regel werden die Pauschalabgaben vom Arbeitgeber getragen, so dass der Arbeitnehmer sein Arbeitsentgelt brutto für netto erhält. Die Pauschalabgaben muss der Arbeitgeber an die zentrale Einzugstelle, die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (auch Minijob-Zentrale genannt), zahlen. Diese teilt den Pauschalbeitrag auf die einzelnen Versicherungszweige und die Steuern auf. Achtung: den vollen Anspruch auf die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung – wie etwa Maßnahmen zur Rehabilitation oder vorzeitigen Rentenbeginn – können Minijobber nur dann erwerben, wenn sie die Differenz von derzeit 4,9 Prozent zwischen dem Pauschalbetrag des Arbeitgebers (15 Prozent) und dem vollen Rentenversicherungsbetrag (19,9 Prozent) selbst zahlen. Das heißt, bei einem Bruttolohn von 400 € erhält man nicht 400 € ausbezahlt, sondern noch 380,40 €. Den Verzicht bzw. die Inanspruchnahme dieser Aufstockung sollte man bereits zu Beginn der Beschäftigung schriftlich erklären. Außerdem sind für die korrekte Anmeldung einer Aushilfe weitere Angaben wie z.B. Rentenversicherungsnummer, Geburtsort, -datum und -name erforderlich. Bei Arbeitnehmern, die eine geringfügige Beschäftigung ausüben und in dieser Beschäftigung versicherungspflichtig sind, weil sie nach § 5 Abs. 2 Satz 2 auf die Versicherungsfreiheit verzichtet haben, ist beitragspflichtige Einnahme das Arbeitsentgelt, mindestens jedoch der Betrag in Höhe von 155 Euro (§ 163 Abs. 8 SGB VI). 143 R ECHTSVORSCHRIFTEN Q Kurzfristige Beschäftigung Eine kurzfristige Beschäftigung liegt vor, wenn die Beschäftigung von vorneherein zeitlich begrenzt ist auf maximal zwei Monate oder 50 Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahres. Man geht vom Zwei-Monats-Zeitraum aus, wenn die Beschäftigung an mindestens fünf Tagen pro Woche ausgeübt wird. Bei Beschäftigungen von regelmäßig weniger als 5 Tagen pro Woche geht man bei der Prüfung der Kurzfristigkeit von 50 Arbeitstagen aus. Bei einer kurzfristigen Beschäftigung sind keine Sozialabgaben zu leisten, jedoch ist das Arbeitsentgelt zu versteuern. Entweder über eine Pauschalsteuer, die der Arbeitgeber zu zahlen hat, oder es werden Steuern entsprechend der Angaben auf der Lohnsteuerkarte einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Bei der Beurteilung darüber, ob Sozialabgabenfreiheit besteht, werden alle kurzfristigen Beschäftigungen eines Kalenderjahres zusammengezählt. Wird innerhalb einer kurzfristigen Beschäftigung eine der zeitlichen Grenzen überschritten, wird diese Beschäftigung sozialabgabenpflichtig nicht erst ab dem Überschreiten des Zeitlimits, sondern von Anfang an. Achtung: Die Tätigkeit darf nicht berufsmäßig ausgeübt werden, sofern das Entgelt über 400 € liegt! 144 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 12 Krankenversicherung 12.1 Befreiung von Zuzahlungspflichten UND IHR R ECHT Schwerwiegend chronisch Kranke („Chroniker“) sind vielfach häufiger auf Leistungen der Krankenversicherung angewiesen als andere Versicherte. Dies wird bei der Festsetzung der individuellen Belastungsgrenzen besonders berücksichtigt. Die Zuzahlungen sind bei diesem Personenkreis auf ein Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt begrenzt. Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind generell von Zuzahlungen befreit (damit auch von den Praxisgebühren); ausgenommen sind Zuzahlungen bei Fahrkosten. Für Sozialhilfeempfänger gelten dieselben Zuzahlungsregeln und Belastungsgrenzen wie für alle anderen Versicherten. Das heißt, auch sie zahlen zwei Prozent beziehungsweise als chronisch Kranke ein Prozent dazu. Um die soziale Balance sicherzustellen, ist Berechnungsgrundlage bei Sozialhilfeempfängern der Regelsatz des Haushaltsvorstands. Außerdem sind Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen von der Praxisgebühr befreit. Hierzu gehören: • • • • • Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft, Krebsfrüherkennungsuntersuchungen: für Frauen – ab dem 20. Lebensjahr Genitaluntersuchungen, – ab dem 31. Lebensjahr zusätzlich Brust- sowie – ab dem 51. Lebensjahr zusätzlich Dickdarm- und Rektumuntersuchungen. Bei Männern – ab 45 Prostata- und Genitaluntersuchungen, – ab dem Alter von 50 Untersuchungen des Dickdarms und des Rektums, Darmspiegelungen bei Frauen und Männern ab dem 56. Lebensjahr. Gesundheits-Check ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre für gesetzlich Krankenversicherte. Schwerpunkte sind die Früherkennung von Herz-, Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie der Zuckerkrankheit. Schutzimpfungen, insbesondere gegen Kinderlähmung, Diphtherie, Tetanus, Mumps, Masern, Röteln, Keuchhusten, Influenza, Hirnhauterreger (keine Reiseprophylaxe). Jährlich zwei Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt. 145 K RANKENVERSICHERUNG Bestimmte Arzneimittel können vollständig von der Zuzahlungspflicht befreit werden. Q Bonusregelung Wer aktiv Vorsorge betreibt und an qualitätsgesicherten Präventionsmaßnahmen teilnimmt, kann von seiner Krankenkasse einen finanziellen Bonus bekommen. Das kann eine teilweise Befreiung von den Zuzahlungen oder auch eine Ermäßigung des Beitrags sein. Das gilt auch für Versicherte, die an einem Hausarztsystem, an einem strukturierten Behandlungsprogramm für Chroniker oder an einer Integrierten Versorgung teilnehmen. 12.1.1 Zuzahlungen (§ 61 SGB V) Zuzahlungsregelungen bestehen für nahezu alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Hierunter fallen die Versorgung mit Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausaufenthalte, Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen, häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe, Fahrkosten und Arztbesuche. Die Zuzahlung beträgt grundsätzlich zehn Prozent, mindestens jedoch 5 € und maximal 10 €, allerdings nicht mehr als die Kosten des Mittels. Bei einer stationären Behandlung fällt ein Eigenanteil von täglich 10 € an, begrenzt auf 28 Tage im Kalenderjahr. Abweichend von diesem Grundsatz beträgt die Zuzahlung bei Heilmitteln und häuslicher Krankenpflege 10 € der Kosten sowie zusätzlich 10 € je Verordnung. Die Zuzahlung bei häuslicher Krankenpflege ist ebenfalls auf 28 Tage je Kalenderjahr begrenzt. 12.1.2 Belastungsgrenze (§ 62 SGB V) Sämtliche Zuzahlungen können bei der Ermittlung der Belastungs-Grenze geltend gemacht werden: • • • • • • • Praxisgebühr bei Arzt- und Zahnarztbesuchen, Zuzahlungen zu Arznei- und Verbandmitteln, Zuzahlungen zu Heilmitteln, wie zum Beispiel die physikalische Therapie (Massagen, Krankengymnastik), die Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie, die Ergotherapie sowie häusliche Krankenpflege, Zuzahlungen zu Hilfsmitteln, wie z. B. Hörhilfen, Körperersatzstücke, Rollstühle oder Gehhilfen, Zuzahlungen im Krankenhaus, Zuzahlungen bei der stationären Vorsorge und Rehabilitation, Zuzahlungen bei der medizinischen Versorgung und Rehabilitation für Mütter und Väter, 146 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN • • UND IHR R ECHT Zuzahlungen bei einer Soziotherapie, bei Inanspruchnahme von häuslicher Krankenpflege oder bei einer Haushaltshilfe, Zuzahlungen zu genehmigten Fahrkosten. Nicht berücksichtigt werden hingegen Eigenanteile: zum Beispiel beim Zahnersatz, bei Arzneimitteln oder bei künstlicher Befruchtung. Die Belastungsgrenze für Zuzahlungen liegt bei zwei Prozent der Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Unter Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt fallen alle Einnahmen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts bestimmt sind und gegenwärtig zur Verfügung stehen, neben Arbeitseinkommen beispielsweise auch Mieteinnahmen, Abfindungen oder Betriebsrenten. Familien können pro Kind 3.648 € von ihren anzurechnenden jährlichen Bruttoeinnahmen abziehen. Für den Ehepartner können 4.410 € in Abzug gebracht werden. Für Zahnersatz gilt die Härtefallregelung der neuen Festzuschussregelung: • • • Versicherte, die über ein geringes Einkommen verfügen – zum Beispiel Empfänger von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II oder Ausbildungsförderung – erhalten von ihrer Krankenkasse einen Festzuschuss in Höhe der für die Regelversorgung anfallenden Kosten. Die Leistungen der Regelversorgung erhalten sie also kostenfrei. Als geringes Einkommen gelten für das Jahr 2007 monatliche Bruttoeinnahmen bis zu 980 € für Alleinstehende. Für Versicherte mit einem Angehörigen gelten 1.347,50 € und für jeden weiteren Angehörigen kommen zusätzlich 245 € hinzu. Versicherte, deren Einkommen oberhalb dieser Beträge liegt, haben mit der gleitenden Härtefallregelung Anspruch auf einen erhöhten Festzuschuss. Dieser hängt von der Einkommenshöhe ab. Dabei gilt die Regel: Jeder Versicherte muss maximal das Dreifache des Betrages selbst leisten, um den sein Einkommen vom geringen Einkommen abweicht. Wie bereits beschrieben reduziert sich die Belastungsgrenze auf lediglich ein Prozent, wenn ein Patient als schwerwiegend chronisch krank gilt. Als chronisch krank gelten Patienten, die sich • • • • • nachgewiesen in ärztlicher Dauerbehandlung befinden, durch einen Arztbesuch wegen derselben Krankheit pro Kalendervierteljahr und zusätzlich pflegebedürftig in der Pflegestufe II oder Pflegestufe III sind oder einen Grad der Behinderung von mindestens 60 % nach dem Bundesversorgungsgesetz haben oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 60 % nach dem Sozialgesetzbuch VII (Unfallversicherung) haben oder wenn nach ärztlicher Beurteilung eine regelmäßige medizinische Versorgung (ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, 147 K RANKENVERSICHERUNG Versorgung mit Heil- oder Hilfsmitteln) erforderlich ist, ohne die nach ärztlicher Einschätzung: – – – – eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung oder eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die auf Grund der Krankheit verursachten Gesundheitsstörung zu erwarten ist. Sobald ein familienversicherter Familienangehöriger (Ehegatte, volljähriges Kind) schwerwiegend chronisch krank ist, gilt für alle Familienmitglieder die maximale Belastungsgrenze von einem Prozent. Das trifft auch dann zu, wenn der chronisch kranke Ehepartner bei einer anderen gesetzlichen Krankenkasse versichert sein sollte. Grundlage für die Berechnung der Belastungsgrenze sind die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt aller im Haushalt lebenden Familienangehörigen, abzüglich der Freibeträge für die Kinder und den Ehepartner. Sobald die Zuzahlungen aller Familienmitglieder insgesamt ein Prozent der Bruttoeinnahmen erreicht haben, sind alle im Haushalt lebenden Familienmitglieder von Zuzahlungen für das restliche Jahr befreit. Wie die Umsetzung im Einzelfall erfolgt, erläutert Ihre Krankenkasse. 12.1.3 Generelle Befreiung und Befreiung von Zuzahlungen oberhalb der Belastungsgrenze Von der Zuzahlung generell befreit sind Kinder unter 18 Jahren. Von weiteren Zuzahlungen in einem laufenden Kalenderjahr können sich Versicherte befreien lassen, deren geleistete Zuzahlungen die Belastungsgrenze erreicht haben. Auf Antrag hin muss die Krankenkasse eine entsprechende Bescheinigung ausstellen. Die Krankenkassen können in ihrer Satzung bestimmen, dass als Bonus für ein gesundheitsbewusstes Verhalten eine Befreiung oder Ermäßigung von den Zuzahlungen gewährt wird. Zuzahlungsbefreiungen können vorgesehen werden für Versicherte, die: • • an qualitätsgesicherten Maßnahmen der primären Prävention teilnehmen oder regelmäßig Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten in Anspruch nehmen. Ermäßigung von Zuzahlungen als Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten kann Versicherten eingeräumt werden, die an besonderen Versorgungsformen teilnehmen. Voraussetzung für eine Ermäßigung ist die Teilnahme: 148 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN • • R ECHT an einer hausarztzentrierten Versorgung, an strukturierten Behandlungsprogrammen bei chronischen Krankheiten oder • UND IHR an einer integrierten Versorgung. 149 P FLEGEVERSICHERUNG 13 Pflegeversicherung 13.1 Einführung Das Pflegeversicherungsgesetz hat die Regelungen der Pflegeversicherung als Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in das Sozialgesetzbuch eingefügt. Das Schwerbehindertengesetz (SchwbG) und das Gesetz über die Angleichung der Leistungen der Rehabilitation (Reha-Angleichungsgesetz) sind seit dem 1. Juli 2001 zusammengefasst im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Das folgende Kapitel ist als Teil „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ in das Sozialgesetzbuch eingefügt. Somit hat die Sozialversicherung sechs Säulen: • • • • • • die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), die gesetzliche Unfallversicherung (SGB Vll), die gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), die Arbeitslosenversicherung (SGB lll), die Pflegeversicherung (SGB XI) und die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Träger der sozialen Pflegeversicherung sind die Pflegekassen, deren Aufgaben von den Krankenkassen wahrgenommen werden. Wer nicht Mitglied der sozialen Pflegeversicherung ist und sich dort auch nicht versichern kann, muss eine private Pflegeversicherung abschließen. 13.2 Mitgliedschaft 13.2.1 Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung Alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind grundsätzlich ohne besonderen Antrag Mitglied der sozialen Pflegeversicherung, ebenso: • • in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei mitversicherte Familienangehörige (§ 25 Abs. 1 und 2 SGB XI). freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Personen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften bei Pflegebedürftigkeit Anspruch auf Beihilfe haben und für die Versicherungspflicht besteht (§ 20 Abs. 3 SGB XI). Ausnahme: Ein freiwilliges Mitglied lässt sich innerhalb von drei Monaten nach Beginn der freiwilligen Krankenversicherung von der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung befreien. Allerdings muss dann der Nachweis eines privat abgeschlossenen Vertrages erbracht werden. Dieser muss Art und Umfang der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung entsprechen. Wer als freiwillig 150 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Versicherter die soziale Pflegeversicherung verlässt, hat keine Rückkehrmöglichkeit, es sei denn, er wird wieder Pflichtmitglied der sozialen Pflegeversicherung. Personen, die nicht Mitglieder der gesetzlichen Pflegeversicherung sind, aber dem Personenkreis nach § 21 SGB XI angehören, sind versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung. Dies gilt zum Beispiel für Bezieher einer Kriegsschadensrente oder Soldaten auf Zeit, die weder gesetzlich noch privat krankenversichert sind. 13.2.2 Mitgliedschaft in der privaten Pflegeversicherung Privat Krankenversicherte sind verpflichtet, für sich und ihre Familienangehörigen im Sinne des § 25 SGB Xl einen entsprechenden privaten Versicherungsvertrag abzuschließen (§ 23 SGB XI). Dies gilt auch z. B. für • • • • Personen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Pflegebedürftigkeit Anspruch auf Beihilfe haben, Heilfürsorgeberechtigte, Mitglieder der Postbeamten-Krankenkasse und Mitglieder der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten, soweit sie nicht in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig sind, oder nicht nach § 20 Abs. 3 SGB XI als freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung der sozialen Pflegeversicherung angehören. 13.3 Beitrag Die Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung werden durch Beiträge der Mitglieder und der Arbeitgeber, der Rentenversicherungs- oder anderer Sozialleistungsträger finanziert. 13.3.1 Beitragssatz, Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) Der Beitragssatz beträgt 1,7 Prozent. Die Beitragshöhe richtet sich nach den beitragspflichtigen Einnahmen (Lohn, Gehalt, Rente etc.) der Mitglieder. Die Beitragsbemessungsgrenze 2007 liegt für die alten und neuen Bundesländer unverändert bei monatlich 3.562,50 € (nicht zu verwechseln mit der Versicherungspflichtgrenze von 3975 €). Kinderlose Mitglieder haben seit 1. Januar 2005 einen Zuschlag in Höhe von 0,25 v. H. zu tragen, d. h. der Beitragssatzanteil, z.B. eines kinderlosen Arbeitnehmers, erhöht sich von 0,85 auf 1,1 v.H. Zur Begründung wurde der vom Bundesverfassungsgericht geforderte Beitragsabstand zwischen Versicherten mit und ohne Kindern angeführt. 151 P FLEGEVERSICHERUNG 13.3.2 Wer zahlt den Beitrag? Personenkreis Beitragszahler Versicherungspflichtig Beschäftigte Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils zur Hälfte Freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenkasse das Mitglied selbst; es erhält aber einen Zuschuss in Höhe des Arbeitgeberanteils Bezieher von Krankengeld Mitglied und Krankenkasse Bezieher von Arbeitslosengeld, Eingliederungs-, Unterhaltsgeld oder Altersübergangsgeld Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld II der jeweilige Leistungsträger Empfänger von Betriebsrenten, Zusatzversorgung das Mitglied selbst Rentenbezieher aus der gesetzlichen Rentenversicherung Rentner und Versicherung je zur Hälfte Bezieher von Sozialhilfe zuständiger Träger Leistungsempfänger nach § 21 Abs. 1 bis 5 SGB XI (insbesondere Empfänger einer Kriegsschadensrente, von Kriegsfürsorgehilfen etc.) Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz Versicherte in der privaten Pflegeversicherung das Mitglied selbst; es erhält jedoch einen Zuschuss vom Arbeitgeber in der Höhe, in der ein Arbeitgeber Leistungen zur sozialen Pflegeversicherung zu leisten hätte. 152 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT 13.3.3 Beitragsfreiheit (§ 56 SGB XI) Familienangehörige sind für die Dauer der Familienversicherung nach § 25 SGB XI beitragsfrei. Dies gilt auch dann, wenn Ehepartner und Kinder über eigenes Einkommen verfügen, das unter der Geringfügigkeitsgrenze von 325 € monatlich liegt. Beitragsfrei sind auch Mitglieder während der Zeit des Bezuges von Mutterschaftsund Erziehungsgeld. Beitragsfrei sind auf Antrag Mitglieder, die auf nicht absehbare Dauer in stationärer Pflege sind und bereits Leistungen nach § 35 Abs. 6 des Bundesversorgungsgesetzes oder nach Gesetzen erhalten, die eine Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, wenn sie keine Familienangehörigen haben, für die eine Versicherung nach § 25 besteht. 13.4 Begriff der Pflegebedürftigkeit 13.4.1 Wer stellt Pflegebedürftigkeit fest? Pflegebedürftig ist nach § 14 Abs. 1 des Pflegeversicherungsgesetzes, wer wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen, regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße auf Hilfe angewiesen ist. Krankheiten oder Behinderungen in diesem Sinne sind: 1. Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat, 2. Funktionsstörungen der inneren Organe oder der Sinnesorgane, 3. Störungen des zentralen Nervensystems wie Antriebs-, Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen sowie endogene Psychosen, Neurosen, oder geistige Behinderungen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung stellt fest, ob und inwieweit Pflegebedürftigkeit im Sinne des Gesetzes vorliegt. 13.4.2 Pflegestufen Neben der Feststellung der Pflegebedürftigkeit entscheidet der Medizinische Dienst auch über die jeweilige Stufe der Pflegebedürftigkeit. 153 P FLEGEVERSICHERUNG Stufen der Pflegebedürftigkeit und ihre Voraussetzungen Pflegestufe Hilfebedarf Zeitaufwand 2) im Tagesdurchschnitt I bei wenigstens zwei Verrichtungen 1 x täglich 1,5 Stunden II schwer pflegebedürftig mindestens drei Mal täglich zu verschiedenen Tageszeiten 1) 3,0 Stunden III schwerst rund um die Uhr, pflegebedürftig 5,0 Stunden also auch nachts 1) erheblich pflegebedürftig Entscheidend für die Zuordnung zu einer Pflegestufe ist, welchen Hilfebedarf der Medizinische Dienst bei folgenden täglichen Verrichtungen feststellt: Körperpflege: Beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren, bei der Darm- und Blasenentleerung. Ernährung: Bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung oder beim Essen oder Trinken. Mobilität: Beim selbstständigen Aufstehen und Zubettgehen, beim An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Hauswirtschaftliche Versorgung: Beim Einkaufen, Kochen, Reinigen oder Beheizen der Wohnung, Spülen, Wechseln oder Waschen der Kleidung, Wäsche. 13.4.3 Leistungen der häuslichen Pflege (§§ 36 bis 40 SGB XI) Die Pflegekasse gewährt bei häuslicher Pflege: 1. Pflegesachleistung (§ 36) beim Einsatz professioneller Pflegedienste bzw. Sozialstation. 2. Pflegegeld für selbstbeschaffte Pflegehilfen (§ 37) Angehörige, Freunde. 3. Kombinationsleistung (§ 38) – Kombination von Geld- und Sachleistung, d.h. das Pflegegeld wird um den Vomhundertsatz gekürzt, zu dem der Pflegebedürftige Sachleistungen in Anspruch genommen hat. 1) In allen drei Pflegestufen kommt hinzu, dass zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung nötig sind. 2) Der Zeitaufwand berechnet sich nach der Zeit, die eine nicht als Pflegekraft ausgebildete Person benötigt. 154 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN Pflegesachleistung z.B. durch Sozialstation monatlich Pflegestufe I Pflegestufe II Pflegestufe III in Härtefällen1) bis bis bis bis UND IHR R ECHT oder Pflegegeld z.B. Angehörige pflegen monatlich 384 € 921 € 1.432 € 1.918 € Stufe I Stufe II Stufe III 205 € 410 € 665 € Kombinationsleistung Pflegesachleistung der Stufe ll wird bis zur Hälfte durch einen professionellen Pflegedienst erbracht. Es bleibt ein Anspruch auf die Hälfte der Pflegegeldleistung von 410 €, also 205 €. beispiel Bis zu 460 € mehr Zuschuss pro Jahr können seit 1. April 2002 pflegebedürftige Menschen erhalten, die an einer Demenzerkrankung leiden und zu Hause gepflegt werden. Grundlage für diese neue Leistung ist eine Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der Leistungen der Pflegeversicherung. 13.4.4 Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson (§ 39) Ist häusliche Pflege nicht möglich, z.B. weil die pflegende Person durch Urlaub, Krankheit oder aus anderen Gründen verhindert ist, dann übernimmt die Pflegekasse für längstens vier Wochen die Kosten für eine stellvertretende Pflegeperson in Höhe von bis zu 1.432 €. Voraussetzung ist, dass die Pflegeperson den Pflegebedürftigen mindestens zwölf Monate in seiner häuslichen Umgebung gepflegt hat, bevor sie erstmalig verhindert ist. 13.4.5 Pflegehilfsmittel und technische Hilfen (§ 40) Für Pflegehilfsmittel, die zum Verbrauch bestimmt sind, wie z.B. Unterlagen, Desinfektionsmittel und Körperpflegeartikel, übernimmt die Pflegekasse monatlich bis zu 31 €, wenn nicht ein anderer Leistungsträger (Unfallversicherung, Kriegsopferfürsorge) zuständig ist. Technische Hilfen wie Pflegebetten, Rollstühle, Hebegeräte usw. werden zumeist leihweise überlassen. Die Versicherten haben eine Zuzahlung von zehn Prozent, höchstens von 25 € zu leisten. 155 P FLEGEVERSICHERUNG Zum behindertengerechten Haus- und Wohnungsumbau kann die Pflegekasse einen Zuschuss bis zu 2.557 € gewähren. 13.4.6 Teilstationäre Pflege, Tages- und Nachtpflege (§ 41) Pflegebedürftige haben einen Anspruch auf Pflege in Einrichtungen der Tages- und Nachtpflege (teilstationäre Pflege), wenn häusliche Pflege vorübergehend oder nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt werden kann. Die teilstationäre Pflege umfasst auch die Beförderung des Pflegebedürftigen von der Wohnung zur Einrichtung und zurück. Tages- und Nachtpflege als teilstationäre Pflege kann unter anderem auch in Frage kommen, • • um die Pflegeperson zu entlasten, um rehabilitative Maßnahmen der Einrichtung zu nutzen. Die Pflegekasse übernimmt monatlich folgende Höchstbeiträge: Pflegestufen Tages- und Nachtpflege I 384 € II 921 € III 1.432 € Wird der Höchstbetrag der Sachleistung in der einzelnen Pflegestufe nicht voll ausgeschöpft, dann kommt es zur Kombination von Geld- und Sachleistung. Für Pflegebedürftige der Stufe lll darf der Gesamtwert der Leistungen nicht höher liegen als 1.432 €. 13.4.7 Kurzzeitpflege (§ 42) Anspruch auf Kurzzeitpflege von vier Wochen pro Kalenderjahr in einer vollstationären Einrichtung besteht • • für eine Übergangszeit im Anschluss an eine stationäre Behandlung des Pflegebedürftigen oder in sonstigen Krisensituationen, in denen vorübergehend häusliche oder teilstationäre Pflege nicht oder nicht ausreichend möglich ist. Dies kann unter anderem der Fall sein bei notwendigen Umbaumaßnahmen für eine sinnvolle Pflege oder bei erheblicher Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit. Kurzzeitpflege nach einer stationären Behandlung ist immer möglich. Sonst nur, wenn die Pflegeperson den Pflegebedürftigen zuvor mindestens zwölf Monate in seiner häuslichen Umgebung gepflegt hat. Die Pflegekasse zahlt für die Kurzzeitpflege maximal 1.432 € im Jahr. 156 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT 13.4.8 Vollstationäre Pflege (§ 43) Die Pflegekasse übernimmt die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung sowie die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege bis zum Gesamtbetrag von 1.432 € monatlich. Dabei dürfen die jährlichen Ausgaben der einzelnen Pflegekasse für die bei ihr versicherten stationär Pflegebedürftigen im Durchschnitt 15.339 € je Pflegebedürftigen nicht übersteigen. Die Pflegekasse hat jeweils zum 1. Januar und zum 1. Juli zu überprüfen, ob dieser Durchschnittsbetrag eingehalten ist. Pflegestufen I II III Härtefall1) 1.023 € 1.279 € 1.432 € 1.688 € Leistungen im Überblick Pflegestufe des Pflegebedürftigen Häusliche Pflege: Pflegegeld € monatlich Pflegevertretung: – durch nahe Anehörige – durch sonstige Personen I erheblich II schwer III schwerst 384 205 921 410 1.432 665 2051) 1.432 4101) 1.432 6651) 1.432 1.432 1.432 1.432 384 921 1.432 460 460 460 1.023 1.279 1.432 III in besonderen Härtefällen 1.918 Aufwendungen bis zu 4 Wochen im Kalenderjahr in € Kurzzeitpflege: Aufwendungen bis € jährlich Teilstationäre Tages- und Nachtpflege: Aufwendungen bis € monatlich Ergänzende Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem allg. Betreuungsbedarf: Leistungsbetrag bis € jährlich Vollstationäre Pflege: 1.688 Aufwendungen bis € monatlich (pauschal) Pflege in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe 10% des Heimentgeltes, höchstens 256 € monatlich Aufwendungen in Höhe von: 1) Auf Nachweis werden den ehrenamtlichen Pflegepersonen notwendige Aufwendungen (Verdienstausfall, Fahrtkosten usw.) bis zum Gesamtbetrag von 1.432 € erstattet. 157 P FLEGEVERSICHERUNG 13.5 Leistungen zur sozialen Sicherung von Pflegepersonen (§ 44) 13.5.1 Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung Seit 1. April 1995 entrichtet die soziale Pflegeversicherung oder das private Versicherungsunternehmen, bei dem eine private Pflege-Pflichtversicherung abgeschlossen worden ist, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, wenn • • • die Pflege langfristig und regelmäßig, das heißt an mindestens 14 Wochenstunden ausgeführt wird. Werden mehrere Personen versorgt, besteht nur dann Anspruch auf soziale Absicherung, wenn der Pflegeeinsatz bei jeder bzw. jedem Pflegebedürftigen mindestens 14 Stunden in der Woche beträgt. Die Pflegeperson nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich – zusätzlich zur Pflegetätigkeit in einer anderen Beschäftigung – erwerbstätig ist, die bzw. der zu Pflegende hilfebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes ist. Auch wenn kein (anteiliges) Pflegegeld bezogen wird, sondern ein professioneller Pflegedienst im Einsatz ist und die nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson nur zusätzliche Unterstützung leistet, besteht der Anspruch. Der Pflegebedürftige ist Die Pflegeperson pflegt den Pflegebedürftigen wöchentlich mindestens schwerstpflegebedürftig – Stufe III – Schwer pflegebedürftig – Stufe II – Erheblich pflegebedürftig – Stufe I – Die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen betragen Die monatlich zu zahlenden Beiträge betragen Ergibt pro Jahr Pflegetätigkeit zurzeit eine mtl. Brutto-Rente von 28 Std. West Ost 1.960,00 € 1.680,00 € West 390,04 € Ost West 334,32 € 20,97 € Ost 18,51 € 21 Std. 14 Std. 21 Std. 14 Std. 1.470,00 € 980,00 € 1.306,67 € 871,11 € 1.260,00 € 840,00 € 1.120,00 € 746,67 € 292,53 € 195,02 € 260,03 € 173,35 € 250,74 € 167,16 € 222,88 € 148,59 € 13,88 € 9,25 € 12,34 € 8,23 € 14 Std. 653,33 € 560,00 € 130,01 € 111,44 € 6,99 € 15,73 € 10,49 € 13,98 € 9,32 € 6,17 € 158 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Teilen sich mehrere Personen die Pflege, dann können alle abgesichert werden, wenn wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit jede der Pflegepersonen für mindestens 14 Stunden die Pflege übernimmt und nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind. Die Höhe der Beiträge richtet sich nach Pflegestufe und dem wöchentlichen Pflegeaufwand in Stunden. 13.5.2 Sonstige Leistungen zur Sicherung der Pflegepersonen Q Unfallversicherung Unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen Pflegepersonen in die Rentenversicherung einbezogen werden, erfolgt auch eine Aufnahme in die gesetzliche Unfallversicherung. Allerdings spielt es hier keine Rolle, ob die Pflegeperson noch eine zusätzliche Beschäftigung von mehr als 30 Stunden wöchentlich ausführt. Die Pflegepersonen sind – ohne, dass sie für diesen Versicherungsschutz Beiträge aufbringen müssen – kostenlos in der gesetzlichen Unfallversicherung bei der Pflegetätigkeit versichert. Der Versicherungsschutz gilt für alle Unfälle, die im Zusammenhang mit der Pflegetätigkeit stehen – sowohl in der Wohnung als auch außerhalb, so beispielsweise beim Einkaufen. Q Arbeitslosenversicherung Wer seine Angehörigen zuhause pflegt und deswegen ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis unterbricht oder aufgibt, kann ab dem 1. Februar 2006 bis vorerst 31. Dezember 2010 bei der Bundesagentur für Arbeit einen Antrag auf Fortzahlung der Arbeitslosenversicherung stellen und sich somit freiwillig weiterversichern, damit der Versicherungsschutz auch während der Pflegezeit aufrecht erhalten bleibt. Wenn die pflegebedürftige Person einer der Pflegestufen I bis III zugeordnet wurde, Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII oder andere gleichartige Leistungen bezieht, kann der/die Pflegende die Pflegezeit geltend machen, • • • wenn die Pflege unmittelbar im Anschluss an eine Beschäftigung aufgenommen wird oder Entgeltersatzleistungen wie Arbeitslosengeld, Krankengeld o.ä. bezogen werden, wenn der/die Pflegende innerhalb der letzen 24 Monate mindestens 12 Monate versicherungspflichtig beschäftigt war oder Entgeltersatzleistungen bezogen hat, wenn nicht anderweitig eine Versicherungspflicht besteht. Die Pflegeperson muss einen Pflegeaufwand von mindestens 14 Stunden wöchentlich nachweisen. Die Pflegekasse muss dies für die Bundesagentur für Arbeit bescheinigen. 159 P FLEGEVERSICHERUNG Q Steuerfreies Pflegegeld Für die bzw. den Pflegebedürftigen sind alle Leistungen aus der Pflegeversicherung grundsätzlich steuerfrei. Wird das Pflegegeld an pflegende Angehörige oder andere nicht-professionelle Pflegende weitergegeben, muss es auch von diesen nicht versteuert werden 13.6 Beratung und rechtliche Maßnahmen Die Pflegekassen müssen Versicherte und ihre Angehörigen beraten in Fragen, die mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängen. Dies gilt insbesondere für die Leistungen, die sie zu erbringen hat. Aber auch über Leistungen und Hilfen anderer Träger, z. B. der Unfallversicherung oder der Sozialhilfe, hat sie zu beraten (§ 7 SGB XI). Darüber hinaus beraten im Saarland Behindertenverbände, Gewerkschaften und die Arbeitskammer. Sind Pflegebedürftige oder Pflegepersonen mit Entscheidungen der Pflegekassen nicht einverstanden, z. B. weil die Pflegestufe nicht oder nicht in der erwarteten Höhe gewährt wird oder die wöchentlichen Stunden für den Pflegeaufwand als zu gering betrachtet werden, kann Widerspruch eingelegt oder Klage beim Sozialgericht eingereicht werden. Gewerkschaften und Behindertenverbände übernehmen dann auch die Rechtsvertretung für ihre Mitglieder. 160 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 14 UND IHR R ECHT Betreuungsgesetz Das Rechtsinstitut der rechtlichen Betreuung wurde in Deutschland durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz geschaffen. Unter Betreuung wird die rechtliche Vertretung verstanden und nicht eine Sozial- oder Gesundheitsbetreuung. Die rechtliche Betreuung ist an die Stelle der früheren Vormundschaft über Volljährige und der Gebrechlichkeitspflegschaft getreten und geht über sie deutlich hinaus. Sie ist im Wesentlichen in den §§ 1896ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Das gesetzgeberische Ziel der Reform war Betreuung statt Entmündigung, um den Betroffenen Hilfe zu einem frei selbstbestimmten Leben zu leisten. Das Grundrecht auf Selbstbestimmung ergibt sich aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetz (GG). Die Betreuung dient nicht zur Erziehung oder dazu, gesellschaftliche Wertmaßstäbe durchzusetzen. Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht (Teil des Amtsgerichtes) für ihn auf seinen Antrag oder von Amts wegen einen Betreuer. Betreuungsbehörden auf örtlicher Ebene sind die Landkreise, der Stadtverband Saarbrücken und die kreisfreien Städte. Sie führen die Aufgaben als Selbstverwaltungsangelegenheit durch. Die örtlichen Betreuungsbehörden sind für die ihnen nach dem Betreuungsgesetz obliegenden Aufgaben zuständig. Sie haben insbesondere 1. die Betreuer/innen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beraten und zu unterstützen, 2. in ihrem Bezirk für ein ausreichendes Angebot zur Einführung der Betreuer/innen in ihre Aufgaben und zu ihrer Fortbildung zu sorgen, 3. die Tätigkeit einzelner Personen sowie von gemeinnützigen und freien Organisationen zugunsten Betreuungsbedürftiger anzuregen und zu fördern, 4. das Vormundschaftsgericht zu unterstützen. Weitere Informationen geben die örtlichen Betreuungsbehörden, im Saarland die Landratsämter (s. auch Wegweiser zur Erteilung von Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung des Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales des Saarlandes, Franz-Josef-Röder-Straße 23, 66119 Saarbrücken und Zähringerstraße 12, 66119 Saarbrücken, www.justiz-soziales. saarland.de). 161 R ENTENVERSICHERUNG 15 Rentenversicherung 15.1 Erwerbsminderungsrente, Altersrente für schwerbehinderte Menschen Durch das Vorschaltgesetz wurde das Recht der gesundheitsbedingten vorzeitigen Berentung zum 1. Januar 2001 vollständig verändert. An die Stelle der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Systems der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten ist die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit getreten. Für Renten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, auf die am 31. Dezember 2000 ein Anspruch bestand, gilt das alte Recht weiter. Die Verminderte Erwerbsfähigkeit bezeichnet einen krankheits- bzw. behinderungsbedingten physischen bzw. psychischen Zustand, der die Fähigkeit eines Menschen einschränkt, seinen Lebensunterhalt mit der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit zu verdienen. Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat, wer • • • teilweise oder voll erwerbsgemindert ist, die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalles mindestens 36 Pflichtbeiträge hatte. Eine teilweise Erwerbsminderung liegt vor, wenn der Antragsteller auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt – unabhängig vom erlernten Beruf – nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich tätig sein kann (§ 43 SGB VI). Allerdings kann auch in diesem Fall eine Rente wegen voller Erwerbsminderung als so genannte „Arbeitsmarktrente“ gewährt werden, wenn der (Teilzeit-)Arbeitsmarkt als verschlossen gilt. Das ist dann der Fall, wenn der Versicherte keinen seinem Leistungsvermögen entsprechenden (Teilzeit-)Arbeitsplatz inne hat oder ihm kein solcher angeboten werden kann. Da solche Arbeitsplätze selten konkret benannt werden können, sind Arbeitsmarktrenten bei einem drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögen eher die Regel als die Ausnahme. Volle Erwerbsminderung ist dann gegeben, wenn die Erwerbsfähigkeit derart eingeschränkt ist, dass Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt weniger als drei Stunden täglich verrichtet werden können (§ 43 SGB VI). Unabhängig von dieser quantitativen Grenze können aber auch bestimmte qualitative Einschränkungen zur vollen Erwerbsminderung führen, selbst dann, wenn bei Beachtung dieser Einschränkungen noch ein über drei- oder gar über sechsstündiges Leistungsvermögen vorliegt. Zu solchen Einschränkungen gehören z.B. die so genannte Wegefähigkeit, also die Fähigkeit, einen Arbeitsplatz überhaupt erreichen zu können, oder die 162 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Summe vieler, ungewöhnlicher Einschränkungen, wie auch die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen; kann die Erwerbstätigkeit nicht mehr regelmäßig ausgeübt werden, so liegt ebenfalls (volle) Erwerbsminderung vor. Der Leistungsfall ist der Tag, an dem das Ereignis eingetreten ist, das zur Verminderung der Erwerbsfähigkeit führte (der Beginn der letzten andauernden Arbeitsunfähigkeit). Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung hat auch, wer bereits vor Erfüllung der Wartezeit voll erwerbsgemindert war, und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert ist, wenn für 20 Jahre Beiträge gezahlt wurden. Tritt die Erwerbsminderung vor der Vollendung des 63. Lebensjahres ein, wird die Rente gemindert. Renten wegen Erwerbsminderung werden grundsätzlich nur als Zeitrenten bewilligt und werden längstens bis zum vollendeten 65. Lebensjahr gezahlt. Danach werden sie in eine Regelaltersrente umgewandelt. Seit 1. Januar 2005 stellt die Erwerbsfähigkeit auch ein Kriterium dafür dar, ob man Ansprüche nach dem SGB-II (Arbeitslosengeld II) hat oder nach dem Sozialhilferecht (SGB-XII; hier Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung oder Hilfe zum Lebensunterhalt), sofern man seinen Lebensunterhalt nicht selbst sichern kann. Wenn ein Versicherter neben dem Rentenbezug zusätzlich eine berufliche Tätigkeit ausüben möchte oder Lohnersatzleistungen erhält, sind Einkommens-Höchstgrenzen zu beachten. Diese werden individuell berechnet und lösen nicht immer eine volle Kürzung aus. Je nach Höhe des Hinzuverdienstes werden auch 3/4-, 1/2oder 1/4-Renten gezahlt. Eine zusätzlich abgeschlossene private Berufsunfähigkeitsversicherung stellt im Leistungsfall keinen Hinzuverdienst dar und hat somit keinerlei Einfluss auf die Leistungen des gesetzlichen Rententrägers. Q Hinzuverdienst bei Renten wegen Erwerbsminderung mit einem Rentenbeginn ab 1. Januar 2001 Die Mindesthinzuverdienstgrenzen betragen seit dem 1. Juli 2003 (alte/neue Bundesländer) • • bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung – in voller Höhe 811,34 € / 713,22 € – in Höhe der Hälfte 1.011,23 € / 888,94 € und bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung – in voller Höhe 400,00 € / 400,00 € – in Höhe von drei Vierteln 611,44 € / 537,50 € – in Höhe der Hälfte 811,34 € / 713,22 € – in eines Viertels 1.011,23 € / 888,94 €. 163 R ENTENVERSICHERUNG Hinzuverdienst bei Renten wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit einem Rentenbeginn bis 31. Dezember 2000 Die Hinzuverdienstgrenze für eine Erwerbsunfähigkeitsrente beträgt 400 €. Wird dieser Grenzwert überschritten, wird die Rente in Höhe einer ggf. anteiligen Berufsunfähigkeitsrente gezahlt. Abhängig vom erzielten Hinzuverdienst wird eine Rente gezahlt wegen Berufsunfähigkeit • • • in voller Höhe, in Höhe von zwei Dritteln oder in Höhe eines Drittels. Die Mindesthinzuverdienstgrenzen betragen seit dem 1. Juli 2003 (alte/neue Bundesländer) bei einer Berufsunfähigkeitsrente • • • in voller Höhe 685,91 € / 602,96 € in Höhe von zwei Dritteln 914,55 € / 803,95 € in Höhe von einem Drittel 1.143,19 € / 1.004,94 €. 15.2 Änderungen im Rentenrecht Im März 2007 wurde die „Rente mit 67“ vom Bundestag und vom Bundesrat beschlossen und mit dem Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersrentenanpassungsgesetz) im Bundesgesetzblatt (BGBl. 2007, Teil I, Seite 554) am 30. April 2007 verkündet. Neuregelungen meist zum 1. Januar 2008: • • Die Altersgrenze steigt ab 2012 für die Jahrgänge 1947 bis 1964 schrittweise auf 67 Jahre. Wer 1947 geboren wurde, kann mit 65 Jahren und einem Monat in Rente gehen, der Jahrgang 1959 mit 66 Jahren und zwei Monaten. Ab Jahrgang 1964 gibt es die Rente ohne Abzüge in der Regel erst mit 67 Jahren. – Alle Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind gehen weiterhin mit 65 in Rente. – Wer zwischen 1947 und 1958 geboren ist, der geht durch die Rente 67 zukünftig jeweils einen Monat später in Rente als der vorherige Jahrgang. – Alle zwischen 1959 und 1963 Geborenen werden durch die Rente 67 jeweils zwei Monate später in Rente gehen als der vorherige Jahrgang. – Erst wer nach dem 1. Januar 1964 zur Welt kam, geht durch die Rente mit 67 Jahren wirklich erst mit 67 in Rente. Wer 45 Jahre Beiträge gezahlt hat, soll nach den Plänen der Bundesregierung auch weiterhin mit 65 Jahren ohne Abzüge in Rente gehen können. Dazu zählen auch Zeiten der Erziehung von Kindern bis zu deren zehnten Lebensjahr. Zeiten der Arbeitslosigkeit zählen aber nicht dazu. 164 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN • • UND IHR R ECHT Bei Bergleuten, die langjährig unter Tage beschäftigt waren (25 Jahre und mehr) wurde die Altersgrenze von 60 auf 62 Jahre erhöht. Für schwerbehinderte Menschen steigt die Altersgrenze (ebenfalls ab 2012): – für die Jahrgänge ab 1952 von 63 auf 65 Jahre. – Alter für frühesten Rentenbeginn steigt bis 2029 von 60 auf 62 Jahre. – Wer dann ab 62 statt mit 65 in Rente geht, muss Abzüge von 0,3 Prozent pro Monat in Kauf nehmen – für drei vorgezogene Rentenjahre bis 10,8 Prozent. Es gibt aber eine Vertrauensschutzregel: Wer vor dem 17. November 1950 geboren ist und spätestens am 16. November 2000 anerkannt schwerbehindert war, kann weiterhin mit 60 Jahren ohne Abzüge in Rente gehen. • Für Versicherte, die vor 1955 geboren sind und bis zum 31. Dezember 2006 mit ihrem Arbeitgeber Altersteilzeitarbeit vereinbart haben, gibt es einen Vertrauensschutz. Für sie gelten die jetzt noch bestehenden Vorschriften zu den Altersrenten weiter. Bei der Witwen- und Witwerrente steigt die Altersgrenze für die große Witwenoder Witwerrente ab 2012 stufenweise von 45 auf 47 Jahre – abhängig vom Todesjahr des Versicherten. Ab 2029 wird diese Rente erst ab 47 Jahren gezahlt. 15.3 Berücksichtigungszeiten und Beitragszahlung bei Pflege von Pflegebedürftigen Wer eine pflegebedürftige Person, z. B. einen Angehörigen, Nachbarn etc., zu pflegen hat, wird in der Regel daneben eine rentenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit nicht oder bestenfalls in Form einer Teilzeitbeschäftigung ausüben können. Die häufige Folge für die Pflegeperson: Renteneinbußen wegen Zeiten, die entweder nicht oder mit niedrigen Pflichtbeiträgen belegt sind. Hier hat das Gesetz zur Pflegeversicherung einiges verbessert (vgl. Kapitel 13). 15.4 Auskünfte, Rentenantragstellung Nähere Auskünfte und Rentenantragstellung sind möglich beim zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, beim Versicherungsamt der zuständigen Stadt- oder Gemeindeverwaltung sowie bei den zahlreichen, ehrenamtlichen Beratern und Versichertenältesten der Rentenversicherungsträger. Auskunft: Beratungsstellensuche der Deutschen Rentenversicherung unter www.deutscherentenversicherung-bund.de oder unter dem Servicetelefon 0800 10 00 480 70. 165 R ENTENVERSICHERUNG 16 Sonstige Ansprüche auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt Für Eltern von Kindern, die wegen einer körperlichen, seelischen oder geistigen Behinderung außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten, und unter Umständen auch für die betroffenen Kinder selbst können die im Folgenden aufgeführten Leistungen in Betracht kommen. Ein Leistungsanspruch besteht, wenn die Voraussetzungen nach den genannten Rechtsvorschriften erfüllt sind. 1. Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz und dem Bundeskindergeldgesetz über das 18. Lebensjahr bzw. über das 25. Lebensjahr (in Ausnahmefällen bis 27. Lebensjahr) des Kindes hinaus unbegrenzt (§ 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG § 2 Abs. 2 Nr. 3 BKGG), Kindergeld kann ab Januar 2007 grundsätzlich längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres weitergezahlt werden. Dies gilt erstmalig für nach dem 31. Dezember 1982 geborene Kinder. Darüber hinaus gelten folgende Übergangsregelungen: • • Kinder, die im Jahr 2006 das 26. oder 25. Lebensjahr vollendet haben (betrifft die Geburtsjahrgange 1980/81), werden kindergeldrechtlich bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres berücksichtigt. Noch bis zum 26. Lebensjahr werden solche Kinder berücksichtigt, die im Jahr 2006 das 24. Lebensjahr vollendeten (Geburtsjahr 1982). 2. Kinderzuschlag: Eltern haben Anspruch auf Kinderzuschlag für ein in ihrem Haushalt lebendes unverheiratetes Kind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, wenn für dieses Kind Kindergeld oder eine das Kindergeld ausschließende Leistung bezogen wird und sich das Einkommen bzw. das Vermögen der Eltern in einem gesetzlich umschriebenen Bereich zwischen einer Mindest- und einer Höchsteinkommensgrenze bewegt. Innerhalb dieses Bereiches wird der Kinderzuschlag noch durch eigenes Einkommen und Vermögen des Kindes selbst gemindert. Der Kinderzuschlag ist eine Sozialleistung und wird ausschließlich von den Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit festgesetzt. Näheres hierzu finden Sie im Internet unter www.kinderzuschlag.de. 3. Kinderzuschlag zur Ausgleichsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz bis zum 16. Lebensjahr (§ 33b Abs. 4 Buchstabe c BVG); • über das 16. Lebensjahr des Kindes hinaus, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs für ein Kind, dass: – sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt und nicht mit der Zahlung von 166 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN • UND IHR R ECHT Dienstbezügen, Arbeitsentgelt oder sonstigen Zuwendungen in entsprechender Höhe verbunden ist, – ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres leistet, solange dieser Zustand dauert, über die Vollendung des 27. Lebensjahrs hinaus, für ein Kind, dass infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen spätestens bei Vollendung des 27. Lebensjahrs außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, jedoch nur, wenn sein Ehegatte oder Lebenspartner außerstande ist, es zu unterhalten. 4. Unverändert 5. Waisenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz über das 18. Lebensjahr der Waise hinaus, solange sie spätestens bei Vollendung des 27. Lebensjahrs wegen der Behinderung außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten, solange dieser Zustand dauert, über die Vollendung des 27. Lebensjahrs hinaus jedoch nur, wenn ihr Ehegatte oder Lebenspartner außerstande ist, sie zu unterhalten. 6. Waisenrente aus der Unfallversicherung über das 18. Lebensjahr hinaus bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres der Waise, darüber hinaus im Falle einer Unterbrechung oder Verzögerung der Schul- oder Berufsausbildung durch Wehr- oder Zivildienst (§ 67 SGB VII Abs. 3 und 4). 7. Unverändert. 8. Waisengeld nach dem Beamtenversorgungsgesetz gemäß § 45 über das 18. Lebensjahr der Waise hinaus unbegrenzt, solange die in § 2 Abs. 2 Satz 5 und 6, Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) genannten Voraussetzungen gegeben sind. Mit Einkommensanrechnung und nach Vollendung des 25. Lebensjahres nur, wenn keine Unterhaltsansprüche gegen einen Ehepartner bestehen bzw. kein Unterhalt geleistet wird und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres bzw. vor Abschluss einer für das Kindergeld unschädlich verzögerten Schul- oder Berufsausbildung eingetreten ist (§ 61 Abs. 2 BeamtVG). 167 S ONSTIGE A NSPRÜCHE 17 Blindheitshilfe 17.1 Gewährung einer Blindheitshilfe Grundlage für den Bezug einer Blindheitshilfe im Saarland ist das Gesetz Nr. 1356, Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung einer Blindheitshilfe vom 21. Juni 1995 (Amtsblatt des Saarlandes vom 18. August 1995, Seite 802). Auf Grund der Änderung des Saarländischen Blindheitshilfegesetzes zum 1. April 2005 kann blinden Menschen über 18 Jahre neben der einkommensund vermögensunabhängigen Blindheitshilfe nach dem Blindheitshilfegesetz ggf. ein (ergänzender) Anspruch auf Blindenhilfe nach § 72 SGB XII (Sozialhilfe), die jedoch einkommens- und vermögensabhängig ist, bestehen. Die Höhe des ergänzenden Anspruchs ergibt sich aus der Differenz zwischen der Blindenhilfe nach § 72 SGB XII und der Leistung nach dem Blindheitshilfegesetz. In den übrigen Bundesländern gelten eigene Gesetze (vgl. nachfolgende Auflistung). Nach § 1 Abs. 1 des Saar-Gesetzes erhalten Blinde, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt rechtmäßig im Saarland haben, auf Antrag Blindheitshilfe. Die Blindheitshilfe beträgt im Saarland seit 1. April 2005 im Monat: 293 € für Blinde unter 18 Jahren und 470 € (438 € seit 1. Januar 2006) für Blinde, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die Erklärung, ob Sie mit dem Antrag auf Blindheitshilfe im Falle der Bewilligung gleichzeitig Blindenhilfe gem. § 72 SGB XII beantragen wollen, können Sie bereits im Antrag auf Blindheitshilfe abgeben. Wenn ja, wird Ihnen mit dem Bewilligungsbescheid über die Blindheitshilfe ein Fragebogen zur Ermittlung der Anspruchsvoraussetzungen übersandt. Auf die Blindheitshilfe werden angerechnet: 1. gleichartige Leistungen, die zum Ausgleich der Blindheit nach anderen Rechtsvorschriften gezahlt werden, 2. Leistungen bei häuslicher Pflege nach den §§ 36 bis 38 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), auch soweit es sich um Sachleistungen handelt, bei der Pflegestufe I mit 60 v. H. des Pflegegeldes dieser Stufe (123 €), bei den Pflegestufen II und III mit 40 v. H. des Pflegegeldes der Pflegestufe II (164 €). 168 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Das Gleiche gilt bei entsprechenden Leistungen auf Grund eines Pflegeversicherungsvertrages mit einem privaten Versicherungsunternehmen und bei Leistungen nach beamtenrechtlichen Vorschriften. Für Blinde in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung, deren Kosten des Aufenthalts voll oder teilweise aus Mitteln öffentlich-rechtlicher Leistungsträger oder einer privaten Pflegeversicherung im Sinne des SGB XI getragen werden, verringert sich die Blindheitshilfe um die aus diesen Mitteln getragenen Kosten, höchstens jedoch um 50 v. H. Das Gleiche gilt entsprechend, wenn die Leistungen zusammen mit Leistungen nach beihilferechtlichen Vorschriften erbracht werden. Sofern Sie die Blindheitshilfe beantragen, benötigt das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz einen formellen Antrag. Antragsvordrucke erhalten Sie beim Landesamt sowie bei den Gemeindeverwaltungen. Informationen zur Inanspruchnahme von Blindenhilfe nach § 72 SGB XII (1) Blinden Menschen wird zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen Blindenhilfe gewährt, soweit sie keine gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Auf die Blindenhilfe sind Leistungen bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch, auch soweit es sich um Sachleistungen handelt, mit 70 vom Hundert des Pflegegeldes der Pflegestufe I und bei Pflegebedürftigen der Pflegestufen II und III mit 50 vom Hundert des Pflegegeldes der Pflegestufe II, höchstens jedoch mit 50 vom Hundert des Betrages nach Absatz 2, anzurechnen. Satz 2 gilt sinngemäß für Leistungen nach dem Elften Buch aus einer privaten Pflegeversicherung und nach beamtenrechtlichen Vorschriften. § 39 ist entsprechend anzuwenden. (2) Die Blindenhilfe beträgt bis 30. Juni 2004 für blinde Menschen nach Vollendung des 18. Lebensjahres 585 € monatlich, für blinde Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, beträgt sie 293 € monatlich. Sie verändert sich jeweils zu dem Zeitpunkt und in dem Umfang, wie sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert. (3) Lebt der blinde Mensch in einer stationären Einrichtung und werden die Kosten des Aufenthalts ganz oder teilweise aus Mitteln öffentlich-rechtlicher Leistungsträger getragen, so verringert sich die Blindenhilfe nach Absatz 2 um die aus diesen Mitteln getragenen Kosten, höchstens jedoch um 50 vom Hundert der Beträge nach Absatz 2. Satz 1 gilt vom ersten Tage des zweiten Monats an, der auf den Eintritt in die Einrichtung folgt, für jeden vollen Kalendermonat des Aufenthalts in der Einrichtung. Für jeden vollen Tag vorübergehender Abwesenheit von der Einrichtung wird die Blindenhilfe in Höhe von je einem Dreißigstel des Betrages nach Absatz 2 gewährt, 169 B LINDHEITSHILFE wenn die vorübergehende Abwesenheit länger als sechs volle zusammenhängende Tage dauert; der Betrag nach Satz 1 wird im gleichen Verhältnis gekürzt. (4) Neben der Blindenhilfe wird Hilfe zur Pflege wegen Blindheit (§§ 61 und 63) außerhalb von stationären Einrichtungen sowie ein Barbetrag (§ 35 Abs. 2) nicht gewährt. Neben Absatz 1 ist § 30 Abs. 1 Nr. 2 nur anzuwenden, wenn der blinde Mensch nicht allein wegen Blindheit voll erwerbsgemindert ist. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für blinde Menschen, die nicht Blindenhilfe, sondern gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. (5) Blinden Menschen stehen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen. 17.2 Verhältnis Blindenhilfe zur Blindheitshilfe oder zum Landesblindengeld Die im Rahmen der Sozialhilfe gemäß § 72 SGB XII (Bundesrecht) gewährte Blindenhilfe ist von Sinn und Zweck her dasselbe wie das nach Landesrecht gewährte Blindengeld. Im Landesrecht gibt es zum Teil auch andere Bezeichnungen wie „Blindheitshilfe”, „Landespflegegeld”, was aber keine Folgen hat. Wenn im Folgenden von „Blindenhilfe” die Rede ist, dann soll immer die Sozialhilfeleistung nach Bundesrecht gemeint sein. Der Begriff der „Blindheit” (Merkzeichen Bl im Behindertenausweis) ist bei der Blindenhilfe und bei allen Landesblindengeldgesetzen derselbe. Im Übrigen enthalten die einzelnen Landesblindengeldgesetze und die Blindenhilferegelung des Bundes jedoch viele Unterschiede. Über die wichtigsten informiert Sie die vom DBSV herausgegebene BlindengeldÜbersicht. Eine Leistung für hochgradig Sehbehinderte (Sehbehindertengeld) gibt es nach Landesrecht in Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, NordrheinWestfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Eine der Blindenhilfe entsprechende Leistung der Sozialhilfe für hochgradig Sehbehinderte gibt es jedoch nicht. Der Hauptunterschied zwischen Blindenhilfe und Landesblindengeld liegt darin, dass die Blindenhilfe wegen ihrer Zuordnung zum Sozialhilferecht abhängig von Einkommens- und Vermögensgrenzen gewährt wird, für das Landesblindengeld gelten diese Grenzen nicht. Jeder Blinde hat deshalb Anspruch auf das Landesblindengeld in dem Land, in dem er seinen Wohnsitz bzw. seinen „gewöhnlichen Aufenthalt” hat. Ausnahmen: Nachdem zunächst in Niedersachsen das Landesblindengeld sehr stark gekürzt und an Altersgrenzen (ab 27. Lebensjahr kein Landesblindengeld) ange- 170 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT passt worden ist, erhalten nunmehr ab 1. Januar 2007 alle Zivilblinden in Niedersachsen ein einkommens- und vermögensunabhängiges Landesblindengeld (LBG). Dabei handelt es sich um eine freiwillige Leistung des Landes Niedersachsen (s. weiteren Text). 17.3 Blindengeld und verwandte Leistungen Nur noch wenige der 16 Bundesländer zahlen ein Landesblindengeld, das in seiner Höhe der Blindenhilfe des § 72 SGB XII entspricht. Wissenswert für all jene, die über ein vergleichsweise geringes Einkommen und wenig Erspartes verfügen: Sie können einen Antrag beim örtlichen Sozialamt stellen und erhalten meist den Differenzbetrag zwischen dem jeweiligen Landesblindengeld und der Blindenhilfe nach SGB XII gezahlt. Die Einkommensgrenzen sind dabei von der jeweiligen Lebenssituation abhängig, überraschenderweise gar nicht sehr niedrig, und müssen im Einzelfall geprüft werden. Die Summe des Ersparten sollte 4.000 € nicht übersteigen, doch hier gibt es Ausnahmen z.B. bei selbstgenutztem Wohneigentum. 17.4 Infos und Adressen Baden-Württemberg: Bayern: Gesetz über die Landesblindenhilfe vom 8. Februar 1972 Bayerisches Blindengeldgesetz (BayBlindG) vom 7. April 1995 zuletzt geändert durch §16 des Gesetzes vom 24. März 2004 und Art. 33 des 2. VerwModG vom 26. Juli 2005 409,03 € für erwachsene Blinde, 204,52 € für Blinde unter 18 Jahren, 204,52 € für erwachsene Blinde in Heimen, 102,26 € für minderjährige Blinde in Heimen Sehbehindertengeld: – Das volle Blindengeld beträgt ab 1. April 2004 monatlich 497 €. Das Blindengeld wird nur zur Hälfte (248,50 €) gezahlt, wenn sich die blinde Person in einem Heim oder in einer gleichartigen Einrichtung aufhält und die Kosten des Aufenthaltes ganz oder teilweise aus Mitteln öffentlichrechtlicher Leistungsträger, z.B.: Sozialhilfeträger, gesetzliche Krankenkassen, Pflegekassen oder Beihilfeträger bestritten werden oder Leistungen der privaten Pflegeversicherung in Anspruch genommen werden. 171 B LINDENGELD Hamburg: Gesetz über die Gewährung von Blindengeld (Hamburgisches Blindengeldgesetz – HmbBlinGG) Fundstelle: HmbGVBl. 1971, S. 29, zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. Dezember 2004, HambGVBl. 2004, S. 507 448 € unabhängig vom Lebensalter mind. 224 € bei Heimunterbringung und/oder Abspruch auf Leistungen einer privaten Pflegeversicherung. Die Verringerung des Blindengeldes darf bei Anwendung der Sätze 1 und 2 insgesamt nicht mehr als 50 v. H. des oben genannten Betrages betragen. Hessen: Das Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde (Landesblindengeldgesetz – LBliGG) vom 25. Oktober 1977, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2004 (GVBl. I S. 488, 494): Die Höhe des Blindengeldes für blinde Menschen beträgt seit dem 1. Januar 2004 86% der Blindenhilfe nach § 72 SGB XII das sind zurzeit monatlich 503,10 €. Wesentlich sehbehinderte Menschen erhalten 30% dieses Betrages, also z. Zt. monatlich 150,95 €. Kinder und Jugendliche erhalten auf Grund des Alters niedrigere Beträge. Eine Kürzung des Blindengeldes erfolgt, wenn blinde Menschen oder wesentlich sehbehinderte Menschen in einer Einrichtung aufgenommen werden (Krankenhaus, Heim usw.). Der Differenzbetrag zur Blindenhilfe nach dem SGB XII bis zu einer Höhe von monatlich 81,90 € kann auf Antrag für den Personenkreis der blinden volljährigen Menschen als Aufstockungsleistung nach § 72 SGB XII zusätzlich bewilligt werden. Hierbei handelt es sich um eine Sozialhilfeleistung, die jedoch einkommens- und vermögensabhängig ist. Mecklenburg-Vorpommern: Gesetz über Landesblindengeld (Landesblindengeldgesetz – LBlGG –) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. August 1995 (Fundstelle: GVOBl. M-V 1995, S. 426) zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes vom 23. Mai 2006 (GVOBl. M-V S. 194). 546,10 € für erwachsene Blinde 273,05 € für Blinde unter 18 Jahren 273,05 € für erwachsene Blinde in Heimen 136,53 € für minderjährige Blinde in Heimen Sehbehinderte mit einem Visus von 1/20 erhalten ein Sehbehindertengeld in Höhe von 25% des Blindengeldes (136,53 € für Erwachsene, 68,27 € für Minderjährige). Bei Heimunterbringung verringert sich dieser Satz auf 5 % (27,31 € / 13,65 €). Bei Aufenthalt in teilstationären Einrichtungen beträgt er 15% (81,92 € / 40,96 €). 172 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN UND IHR R ECHT Berlin: Bremen: Landespflegegeld, Gesetz über Pflegeleistungen (PflegeG) vom 17. Dezember 2003 Bremisches Gesetz über die Gewährung von Pflegegeld an Blinde und Schwerstbehinderte vom 27. April 1984 Zuständig ist jeweils das Sozialamt des Wohnbezirks, Gesetz über Pflegeleistungen vom 17. Dezember 2003 468,00 € für Blinde nach dem vollendeten ersten Lebensjahr 234,00 € bei Heimunterbringung Sehbehindertengeld: 117,00 € bei hochgradiger Sehbehinderung 58,50 € bei Heimunterbringung Brandenburg: Gesetz über die Leistung von Pflegegeld an Schwerbehinderte, Blinde und Gehörlose (LandespflegegeldgesetzLPflGG) zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 22. April 2003 Folgende einkommensunabhängigen Leistungen kann man beanspruchen: 148 €/Monat bei Verlust beider Beine oder beider Hände bzw. Lähmungen oder gleichartigen Behinderungen 266 €/Monat bei Blindheit (wenn das 18. Lebensjahr vollendet wurde) 133 €/Monat bei Blindheit (wenn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet wurde) 82 €/Monat bei Gehörlosigkeit oder einem GdB von 100 wegen Hörschädigung vor dem 7. Lebensjahr. Sehbehinderte erhalten keine Leistung. 340,00 € für erwachsene Blinde 170,00 € für Blinde unter 18 Jahren 170,00 € für erwachsene Blinde in Heimen 85,00 € für minderjährige Blinde in Heimen Sehbehindertengeld: – Sachsen: Landesblindengeldgesetz (LblindG), Gesetz über die Gewährung eines Landesblindengeldes und anderer Nachteilsausgleiche vom 14. Dezember 2001 333,00 € für Blinde ab dem 14. Lebensjahr 166,50 € für Blinde unter 14 Jahren (keine Leistung vor dem ersten Lebensjahr) 166,50 € für erwachsene Blinde in Heimen 83,25 € für minderjährige Blinde in Heimen Hochgradig Sehbehinderte (Visus 1/20) erhalten 52,00 €, Kinder von 1 bis 14 Jahren bekommen 75%, Heimbewohner die Hälfte 173 B LINDENGELD Sachsen-Anhalt: Leistungen für blinde und sehbehinderte Menschen, Gesetz über das Blinden- und Gehörlosengeld vom 19. Juni 1992 350,00 € für erwachsene Blinde 250,00 € für Blinde unter 18 Jahren, bei Heimbewohnern Kürzung auf die Hälfte, es sei denn, der Betreffende trägt die Heimkosten überwiegend selbst 175,00 € für erwachsene Blinde in Heimen 87,50 € für minderjährige Blinde in Heimen Voraussichtliche Personengruppe monatliche Leistungshöhe 220,00 € 300,00 € 50,00 € Sehbehindertengeld: 41 €, Visus 1/20 Schleswig-Holstein: Gesetz über Landesblindengeld vom 12. Mai 1997 450,00 € für erwachsene Blinde 225,00 € für Blinde unter 18 Jahren 225,00 € für erwachsene Blinde in Heimen 112,50 € für minderjährige Blinde in Heimen Sehbehindertengeld: – Niedersachsen: Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde in der Fassung vom 18. Januar 1993 (Nds. GVBl. S. 25), zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes vom 17. Dezember 2004 (Nds. GVBl. S. 664), zuletzt geändert durch das Haushaltsbegleitgesetz 2007 – VORIS 64000 – vom 15. Dezember 2006 (Nds. GVBl. Nr. 33/2006 S. 597) Höhe des Blindengeldes für über 25jährige Leistungsberechtigte Höhe des Blindengeldes für unter 25jährige Leistungsberechtigte Höhe des Blindengeldes bei Aufenthalt in stationären Einrichtungen für alle Altersgruppen und unabhängig vom Vorliegen einer Pflegestufe Anrechnung von Leistungen der Pflegeversicherung auf das Landesblindengeld im häuslichen Bereich 97,00 € / mtl. 177,00 € / mtl. Bei Pflegestufe I = 60% vom Pflegegeld der Stufe I (205 €) erfolgt eine Anrechnung in Höhe von 123,00 € 1.) Leistungsbetrag bei über 25-jährigen Leistungsberechtigten 2.) Leistungsbetrag bei unter 25-jährigen Leistungsberechtigten 174 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 56,00 € / mtl. Bei Pflegestufe II / III = 40 % vom Pflegegeld der Stufe II (410 €) erfolgt eine in Anrechnung Höhe von 164,00 € 1.) Leistungsbetrag bei über 25-jährigen Leistungsberechtigten 136,00 € / mtl. 2.) Leistungsbetrag bei unter 25-jährigen Leistungsberechtigten Nordrhein-Westfalen: Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose (GHBG) vom 17. Dezember 1997 (Gesetz- und Verordnungsblatt NW, Seite 436) Informationen vom Landschaftsverband Rheinland, Informationen vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe, 585,00 € für Blinde bis 60 Jahren 473,00 € für Blinde über 60 Jahren 293,00 € für Blinde unter 18 Jahren (das Pflegegeld wird unter 18-Jährigen nicht angerechnet) Das Blindengeld wird im Regelfall gekürzt bei einer Heimaufnahme um 50 von Hundert, Leistungen der häuslichen und/oder teilstationären Pflege um 143,50 € im Monat 236,50 € für Blinde in Heimen (zwischen 18 bis 60 Jahren) UND IHR R ECHT 77,00 € für hochgradig Sehbehinderte, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Die bisherige Angabe der Höhe des Blindengeldes bei Heimunterbringung in Höhe von 236,50 € ist nur in Bezug auf den Personenkreis der Blinden zwischen 18 und bis 60 Jahren korrekt. Rheinland-Pfalz: Ratgeber für soziale Hilfen – Auszug: Landesblindengeldgesetz (LblindenGG), vom 28. März 1995 410,00 € für erwachsene Blinde 529,00 € bei Anträgen, die bis zum 30. März 2003 gestellt wurden (Bestandsschutz) 205,00 € für Blinde unter 18 Jahren, Heimbewohner erhalten kein Blindengeld Sehbehindertengeld: – 175 B LINDENGELD Thüringen: Thüringer Blindengeldgesetz vom 9. März 2006 Höhe des mtl. Blindengeldes (€) ab 1. Januar 2006, sofern das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet ist Auf Grund des Artikels 17 des Thüringer Haushaltsbegleitgesetzes 2006/ 2007 vom 23. Dezember 2005 (GVBl. S. 446) wird nachstehend der Wortlaut des Thüringer Blindengeldgesetzes, wie er sich aus Heimbewohner Häusl. Pflege nach SGB XI in der Stufe I Häusl. Pflege nach SGB XI in den Stufen II und III Volle Leistung 1. dem Thüringer Blindengeldgesetz in der Fassung vom 24. Juni 2003 (GVBl. S. 367), 2. Artikel 13 des Thüringer Haushaltsstrukturgesetzes vom 10. März 2005 (GVBl. S. 58) und 3. Artikel 14 des Thüringer Haushaltsbegleitgesetzes 2006/2007 vom 23. Dezember 2005 (GVBl. S. 446) Anmerkung: Ab dem 1. Januar 2008 erhalten wieder alle Blinde (ohne Altersbeschränkung) Blindengeld. Die Höhe wird auf 220,00 € (geminderter Betrag für Heimbewohner bzw. Empfänger von Pflegeleistungen im häuslichen Bereich) reduziert, wobei bisherige Empfänger bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres Bestandschutz genießen. ergibt, in der vom 30. Dezember 2005 an geltenden Fassung bekannt gemacht. Änderung: Der anspruchsberechtigte Personenkreis wird ab dem 1. Januar 2006 auf Blinde, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eingegrenzt. Leistungen nach dem Thüringer Blindengeldgesetz ab 1. Januar 2006 300,00 € für Blinde, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die ab Januar 2006 geltenden Blindengeldbeträge, die durch Leistungen der Blindenhilfe nach § 72 des 12. Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) aufgestockt werden können (s. Nr. 4) sind der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen: 150 € 238 € 218 € 300 € 176 S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN 18 UND IHR Adressen Arbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeträger im Saarland – c/o Landratsamt Saarlouis Kreissozialamt, Dieter Kipp Professor Notton-Straße 2 66740 Saarlouis Tel.: (06831) 444-238 Arbeitsgemeinschaft der Schwerbehindertenvertretungen im öffentlichen Dienst des Saarlandes c/o Landespolizeidirektion Mainzerstr. 132 66121 Saarbrücken Tel.: (0681) 962-1536 Arbeitskammer des Saarlandes Fritz-Dobisch-Straße 6-8 66111 Saarbrücken Tel.: (0681) 4005-0 BDH - Bundesverband für Rehabilitation und Interessenvertretung Behinderter e.V. Landesverband Saarland Hauptbahnhof 4 66111 Saarbrücken Tel.: (0681) 76649 Bundesagentur für Arbeit Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland, Rehaberater bei den Agenturen für Arbeit Eschberger Weg 68 66121 Saarbrücken Tel.: (0681) 849-0 Deutsche Alzheimer Gesellschaft Landesverband Saarland e.V., Alzheimer Telefon 01805/336369 Universitätsklinik, Gebäude 90/3 66421 Homburg Tel.: (06841) 1626-331 Deutscher Gewerkschaftsbund Landesbezirk Saarland Fritz-Dobisch-Straße 5 66111 Saarbrücken Tel.: (0681) 40001-0 Deutsche Rentenversicherung Saarland Martin-Luther-Straße 2 66111 Saarbrücken Tel.: (0681) 3093-0 Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e.V. Trillerweg 68 66117 Saarbrücken Tel.: (0681) 95424-0 Landesamt für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz Hochstraße 67 66115 Saarbrücken Tel.: (0681) 9978-0 R ECHT 177 A DRESSEN Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen im Saarland e. V. c/o Lebenshilfe Am Beckerwald 31 66583 Spiesen-Elversberg Tel.: (06821) 793 -174 Landesbeauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen beim Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales Franz-Josef-Röder-Straße 23 66119 Saarbrücken Tel.: (0681) 501-3253 Landeshauptstadt Saarbrücken Sozialamt Behindertenberatungsstelle Haus Berlin 66104 Saarbrücken Tel.: (0681) 905-3263/64 Liga der freien Wohlfahrtspflege c/o Caritasverband für Saarbrücken und Umgebung e. V. Johannisstr. 2 66111 Saarbrücken Tel.: (0681) 3 09 06 -0 Sozialverband Deutschland e.V. Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland Pfründnerstr. 11 67659 Kaiserslautern Tel.: (0631) 7 36 57 Sozialverband VdK Saarland e. V. Neugeländstr. 11 66117 Saarbrücken Tel.: (0681) 58459-0 Saarländischer Behinderten- und Rehabilitationssportverband e.V. c/o Hermann-Neuberger-Sportschule Geb. 54 Hermann-Neuberger-Sportschule 1 66123 Saarbrücken Tel.: (0681) 3879-225, -444 Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) Beratungstelefon (06 81) 9273679 Dudweilerstraße 24 66111 Saarbrücken Verband deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. (VDAB) Landesgeschäftsstelle Saarland Im Füllengarten 14-16 66115 Saarbrücken Tel.: (0681) 75 59-90 Beratungs- und Koordinierungsstelle für ambulante Altenhilfe Diakonisches Zentrum Gatterstr. 13 66333 Völklingen Tel.: (06898) 9147614 178 A MTLICHE T EXTE 19. Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (Artikel 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046, zuletzt geändert durch Artikel 28 Abs. 1 des Gesetzes vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246) Teil 1 Regelungen für behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen Kapitel 1 ALLGEMEINE REGELUNGEN § 1 Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen. § 2 Behinderung (1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist. (2) Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. (3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen). § 3 Vorrang von Prävention Die Rehabilitationsträger wirken darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird. § 4 Leistungen zur Teilhabe (1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung 1. die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, 2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern, 3. die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder 4. die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbstständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern. (2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalls so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden. (3) Leistungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder 179 SGB IX nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit nicht behinderten Kindern betreut werden können. Dabei werden behinderte Kinder alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen. § 5 Leistungsgruppen Zur Teilhabe werden erbracht 1. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, 2. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 3. unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, 4. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. § 6 Rehabilitationsträger (1) Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können sein 1. die gesetzlichen Krankenkassen für Leistungen nach § 5 Nr. 1 und 3, 2. die Bundesagentur für Arbeit für Leistungen nach § 5 Nr. 2 und 3, 3. die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Leistungen nach § 5 Nr. 1 bis 4, 4. die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für Leistungen nach § 5 Nr. 1 bis 3, die Träger der Alterssicherung der Landwirte für Leistungen nach § 5 Nr. 1 und 3, 5. die Träger der Kriegsopferversorgung und die Träger der Kriegsopferfürsorge im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden für Leistungen nach § 5 Nr. 1 bis 4, 6. die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Leistungen nach § 5 Nr. 1, 2 und 4, 7. die Träger der Sozialhilfe für Leistungen nach § 5 Nr. 1, 2 und 4. (2) Die Rehabilitationsträger nehmen ihre Aufgaben selbstständig und eigenverantwortlich wahr. § 6a Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem Zweiten Buch Die Bundesagentur für Arbeit ist auch Rehabilitationsträger für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des Zweiten Buches, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist. Die Zuständigkeit der Arbeitsgemeinschaft oder des zugelassenen kommunalen Trägers für die Leistungen zur beruflichen Teilhabe behinderter Menschen nach § 16 Abs. 1 des Zweiten Buches bleibt unberührt. Die Bundesagentur für Arbeit unterrichtet die zuständige Arbeitsgemeinschaft oder den zugelassenen kommunalen Träger und den Hilfebedürftigen schriftlich über den festgestellten Rehabilitationsbedarf und ihren Eingliederungsvorschlag. Die Arbeitsgemeinschaft oder der zuständige kommunale Träger entscheidet unter Berücksichtigung des Eingliederungsvorschlages innerhalb von drei Wochen über die Leistungen zur beruflichen Teilhabe. § 7 Vorbehalt abweichender Regelungen Die Vorschriften dieses Buches gelten für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen. § 8 Vorrang von Leistungen zur Teilhabe (1) Werden bei einem Rehabilitationsträger Sozialleistungen wegen oder unter Berücksichtigung einer Behinderung oder einer drohenden Behinderung beantragt oder erbracht, prüft dieser unabhängig von der Entscheidung über diese Leistungen, ob Leistungen zur Teilhabe voraussichtlich erfolgreich sind. (2) Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen wären. Dies gilt während des Bezuges einer Rente entsprechend. (3) Absatz 1 ist auch anzuwenden, um durch Leistungen zur Teilhabe Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten. § 9 Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten (1) Bei der Entscheidung über die Leistungen 180 A MTLICHE T EXTE und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe wird berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen. Dabei wird auch auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Rücksicht genommen; im Übrigen gilt § 33 des Ersten Buches. Den besonderen Bedürfnissen behinderter Mütter und Väter bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrages sowie den besonderen Bedürfnissen behinderter Kinder wird Rechnung getragen. (2) Sachleistungen zur Teilhabe, die nicht in Rehabilitationseinrichtungen auszuführen sind, können auf Antrag der Leistungsberechtigten als Geldleistungen erbracht werden, wenn die Leistungen hierdurch voraussichtlich bei gleicher Wirksamkeit wirtschaftlich zumindest gleichwertig ausgeführt werden können. Für die Beurteilung der Wirksamkeit stellen die Leistungsberechtigten dem Rehabilitationsträger geeignete Unterlagen zur Verfügung. Der Rehabilitationsträger begründet durch Bescheid, wenn er den Wünschen des Leistungsberechtigten nach den Absätzen 1 und 2 nicht entspricht. (3) Leistungen, Dienste und Einrichtungen lassen den Leistungsberechtigten möglichst viel Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung ihrer Lebensumstände und fördern ihre Selbstbestimmung. (4) Die Leistungen zur Teilhabe bedürfen der Zustimmung der Leistungsberechtigten. § 10 Koordinierung der Leistungen (1) Soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilitationsträger erforderlich sind, ist der nach § 14 leistende Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, dass die beteiligten Rehabilitationsträger im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit den Leistungsberechtigten die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen funktionsbezogen feststellen und schriftlich so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinander greifen. Die Leistungen werden entsprechend dem Verlauf der Rehabilitation angepasst und darauf ausgerichtet, den Leistungsberechtigten unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls die den Zielen der §§ 1 und 4 Abs. 1 entsprechende umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zügig, wirksam, wirtschaftlich und auf Dauer zu ermöglichen. Dabei sichern die Rehabilitationsträger durchgehend das Verfahren entsprechend dem jeweiligen Bedarf und gewährleisten, dass die wirksame und wirtschaftliche Ausführung der Leistungen nach gleichen Maßstäben und Grundsätzen erfolgt. (2) Absatz 1 gilt entsprechend auch für die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 2. (3) Den besonderen Bedürfnissen seelisch behinderter oder von einer solchen Behinderung bedrohter Menschen wird Rechnung getragen. (4) Die datenschutzrechtlichen Regelungen dieses Gesetzbuchs bleiben unberührt. § 11 Zusammenwirken der Leistungen (1) Soweit es im Einzelfall geboten ist, prüft der zuständige Rehabilitationsträger gleichzeitig mit der Einleitung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation, während ihrer Ausführung und nach ihrem Abschluss, ob durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Erwerbsfähigkeit des behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen erhalten, gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Er beteiligt die Bundesagentur für Arbeit nach § 38. (2) Wird während einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation erkennbar, dass der bisherige Arbeitsplatz gefährdet ist, wird mit den Betroffenen sowie dem zuständigen Rehabilitationsträger unverzüglich geklärt, ob Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind. (3) Bei der Prüfung nach den Absätzen 1 und 2 wird zur Klärung eines Hilfebedarfs nach Teil 2 auch das Integrationsamt beteiligt. § 12 Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger (1) Im Rahmen der durch Gesetz, Rechtsverordnung oder allgemeine Verwaltungsvorschrift getroffenen Regelungen sind die Rehabilitationsträger verantwortlich, dass 1. die im Einzelfall erforderlichen Leistungen zur Teilhabe nahtlos, zügig sowie nach Gegenstand, Umfang und Ausführung einheitlich erbracht werden, 2. Abgrenzungsfragen einvernehmlich geklärt werden, 181 SGB IX 3. Beratung entsprechend den in §§ 1 und 4 genannten Zielen geleistet wird, 4. Begutachtungen möglichst nach einheitlichen Grundsätzen durchgeführt werden sowie 5. Prävention entsprechend dem in § 3 genannten Ziel geleistet wird. (2) Die Rehabilitationsträger und ihre Verbände sollen zur gemeinsamen Wahrnehmung von Aufgaben zur Teilhabe behinderter Menschen insbesondere regionale Arbeitsgemeinschaften bilden. § 88 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Zehnten Buches gilt entsprechend. § 13 Gemeinsame Empfehlungen (1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 12 Abs. 1 gemeinsame Empfehlungen. (2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus gemeinsame Empfehlungen, 1. welche Maßnahmen nach § 3 geeignet sind, um den Eintritt einer Behinderung zu vermeiden, sowie über die statistische Erfassung der Anzahl, des Umfangs und der Wirkungen dieser Maßnahmen, 2. in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden, insbesondere um eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern, 3. in welchen Fällen und in welcher Weise die Klärung der im Einzelfall anzustrebenden Ziele und des Bedarfs an Leistungen schriftlich festzuhalten ist sowie über die Ausgestaltung des in § 14 bestimmten Verfahrens, 4. in welcher Weise die Bundesagentur für Arbeit von den übrigen Rehabilitationsträgern nach § 38 zu beteiligen ist, 5. wie Leistungen zur Teilhabe zwischen verschiedenen Trägern koordiniert werden, 6. in welcher Weise und in welchem Umfang Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, gefördert werden, 7. wie während der Ausführung ambulanter Leistungen zur Teilhabe Leistungen zum Lebensunterhalt (§ 45) untereinander und von anderen Entgeltersatzleistungen abzugrenzen sind, soweit für diesen Zeitraum Anspruch auf mehrere Entgeltersatzleistungen besteht, 8. in welchen Fällen und in welcher Weise der behandelnde Hausarzt oder Facharzt und der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur Teilhabe einzubinden sind, 9. zu einem Informationsaustausch mit behinderten Beschäftigten, Arbeitgebern und den in § 83 genannten Vertretungen zur möglichst frühzeitigen Erkennung des individuellen Bedarfs voraussichtlich erforderlicher Leistungen zur Teilhabe sowie 10. über ihre Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen. (3) Bestehen für einen Rehabilitationsträger Rahmenempfehlungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften und soll bei den gemeinsamen Empfehlungen von diesen abgewichen werden oder sollen die gemeinsamen Empfehlungen Gegenstände betreffen, die nach den gesetzlichen Vorschriften Gegenstand solcher Rahmenempfehlungen werden sollen, stellt der Rehabilitationsträger das Einvernehmen mit den jeweiligen Partnern der Rahmenempfehlungen sicher. (4) Die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung sowie der Alterssicherung der Landwirte können sich bei der Vereinbarung der gemeinsamen Empfehlungen durch ihre Spitzenverbände vertreten lassen. (5) An der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen werden die Träger der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe über die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach dem Teil 2 über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, beteiligt. Die Träger der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch an 182 A MTLICHE T EXTE den vereinbarten Empfehlungen oder können diesen beitreten. (6) Die Verbände behinderter Menschen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen behinderter Frauen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse behinderter oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder. (7) Die beteiligten Rehabilitationsträger vereinbaren die gemeinsamen Empfehlungen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern auf der Grundlage eines von ihnen innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vorbereiteten Vorschlags. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz wird beteiligt. Hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einem Vorschlag aufgefordert, legt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation den Vorschlag innerhalb von sechs Monaten vor. Dem Vorschlag wird gefolgt, wenn ihm berechtigte Interessen eines Rehabilitationsträgers nicht entgegenstehen. Einwände nach Satz 4 sind innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des Vorschlags auszuräumen. (8) Die Rehabilitationsträger teilen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation jährlich ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Empfehlungen mit, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung sowie der Alterssicherung der Landwirte über ihre Spitzenverbände. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation stellt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern eine Zusammenfassung zur Verfügung. (9) Die gemeinsamen Empfehlungen können durch die regional zuständigen Rehabilitationsträger konkretisiert werden. § 14 Zuständigkeitsklärung (1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs. 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 Feststellungen nach § 11 Abs. 2a Nr. 1 des Sechsten Buches und § 22 Abs. 2 des Dritten Buches nicht getroffen. (2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest. Muss für diese Feststellung ein Gutachten nicht eingeholt werden, entscheidet der Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 und 2 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die in Satz 2 genannte Frist beginnt mit dem Eingang bei diesem Rehabilitationsträger. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Kann der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, für die beantragte Leistung nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 sein, klärt er unverzüglich mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger, von wem und in welcher Weise über den Antrag innerhalb der Fristen nach den Sätzen 2 und 4 entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs. (4) Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz 183 SGB IX 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften. Die Bundesagentur für Arbeit leitet für die Klärung nach Satz 1 Anträge auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Feststellung nach § 11 Abs. 2a Nr. 1 des Sechsten Buches an die Träger der Rentenversicherung nur weiter, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass der Träger der Rentenversicherung zur Leistung einer Rente unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage verpflichtet sein könnte. Für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Absatz 2 Satz 1 und 2 erbracht haben, ist § 105 des Zehnten Buches nicht anzuwenden, es sei denn, die Rehabilitationsträger vereinbaren Abweichendes. (5) Der Rehabilitationsträger stellt sicher, dass er Sachverständige beauftragen kann, bei denen Zugangs- und Kommunikationsbarrieren nicht bestehen. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, beauftragt der Rehabilitationsträger unverzüglich einen geeigneten Sachverständigen. Er benennt den Leistungsberechtigten in der Regel drei möglichst wohnortnahe Sachverständige unter Berücksichtigung bestehender sozialmedizinischer Dienste. Haben sich Leistungsberechtigte für einen benannten Sachverständigen entschieden, wird dem Wunsch Rechnung getragen. Der Sachverständige nimmt eine umfassende sozialmedizinische, bei Bedarf auch psychologische Begutachtung vor und erstellt das Gutachten innerhalb von zwei Wochen nach Auftragserteilung. Die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf werden den Entscheidungen der Rehabilitationsträger zugrunde gelegt. Die gesetzlichen Aufgaben der Gesundheitsämter bleiben unberührt. (6) Hält der leistende Rehabilitationsträger weitere Leistungen zur Teilhabe für erforderlich und kann er für diese Leistungen nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 sein, wird Absatz 1 Satz 2 entsprechend angewendet. Die Leistungsberechtigten werden hierüber unterrichtet. § 15 Erstattung selbstbeschaffter Leistungen (1) Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 genannten Fristen entschieden werden, teilt der Rehabilitationsträger dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig mit. Erfolgt die Mitteilung nicht oder liegt ein zureichender Grund nicht vor, können Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Die Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für die Träger der Sozialhilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge. (2) Die Rehabilitationsträger erfassen, 1. in wie vielen Fällen die Fristen nach § 14 nicht eingehalten wurden, 2. in welchem Umfang sich die Verfahrensdauer vom Eingang der Anträge bis zur Entscheidung über die Anträge verringert hat, 3. in wie vielen Fällen eine Kostenerstattung nach Absatz 1 Satz 3 und 4 erfolgt ist. § 16 Verordnungsermächtigung Vereinbaren die Rehabilitationsträger nicht innerhalb von sechs Monaten, nachdem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sie dazu aufgefordert hat, gemeinsame Empfehlungen nach § 13 oder ändern sie unzureichend gewordene Empfehlungen nicht innerhalb dieser Frist, kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Regelungen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen. 184 A MTLICHE T EXTE Kapitel 2 AUSFÜHRUNG VON LEISTUNGEN ZUR TEILHABE § 17 Ausführung von Leistungen, Persönliches Budget (1) Der zuständige Rehabilitationsträger kann Leistungen zur Teilhabe 1. allein oder gemeinsam mit anderen Leistungsträgern, 2. durch andere Leistungsträger oder 3. unter Inanspruchnahme von geeigneten, insbesondere auch freien und gemeinnützigen oder privaten Rehabilitationsdiensten und einrichtungen (§ 19) ausführen. Er bleibt für die Ausführung der Leistungen verantwortlich. Satz 1 gilt insbesondere dann, wenn der Rehabilitationsträger die Leistung dadurch wirksamer oder wirtschaftlicher erbringen kann. (2) Auf Antrag können Leistungen zur Teilhabe auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Bei der Ausführung des Persönlichen Budgets sind nach Maßgabe des individuell festgestellten Bedarfs die Rehabilitationsträger, die Pflegekassen und die Integrationsämter beteiligt. Das Persönliche Budget wird von den beteiligten Leistungsträgern trägerübergreifend als Komplexleistung erbracht. Budgetfähig sind auch die neben den Leistungen nach Satz 1 erforderlichen Leistungen der Krankenkassen und der Pflegekassen, Leistungen der Träger der Unfallversicherung bei Pflegebedürftigkeit sowie Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe, die sich auf alltägliche und regelmäßig wiederkehrende Bedarfe beziehen und als Geldleistungen oder durch Gutscheine erbracht werden können. An die Entscheidung ist der Antragsteller für die Dauer von sechs Monaten gebunden. (3) Persönliche Budgets werden in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich. In begründeten Fällen sind Gutscheine auszugeben. Persönliche Budgets werden auf der Grundlage der nach § 10 Abs. 1 getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann. Dabei soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten. (4) Enthält das Persönliche Budget Leistungen mehrerer Leistungsträger, erlässt der nach § 14 zuständige der beteiligten Leistungsträger im Auftrag und im Namen der anderen beteiligten Leistungsträger den Verwaltungsakt und führt das weitere Verfahren durch. Ein anderer der beteiligten Leistungsträger kann mit den Aufgaben nach Satz 1 beauftragt werden, wenn die beteiligten Leistungsträger dies in Abstimmung mit den Leistungsberechtigten vereinbaren; in diesem Fall gilt § 93 des Zehnten Buches entsprechend. Die für den handelnden Leistungsträger zuständige Widerspruchsstelle erlässt auch den Widerspruchsbescheid. (5) § 17 Abs. 3 in der am 30. Juni 2004 geltenden Fassung findet auf Modellvorhaben zur Erprobung der Einführung Persönlicher Budgets weiter Anwendung, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen haben. (6) In der Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2007 werden Persönliche Budgets erprobt. Dabei sollen insbesondere modellhaft Verfahren zur Bemessung von budgetfähigen Leistungen in Geld und die Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen unter wissenschaftlicher Begleitung und Auswertung erprobt werden. § 18 Leistungsort Sachleistungen können auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können im grenznahen Ausland auch ausgeführt werden, wenn sie für die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit erforderlich sind. § 19 Rehabilitationsdienste und -einrichtungen (1) Die Rehabilitationsträger wirken gemeinsam unter Beteiligung der Bundesregierung und der Landesregierungen darauf hin, dass die fachlich und regional erforderlichen Rehabilitationsdienste und -einrichtungen in ausreichender 185 SGB IX Zahl und Qualität zur Verfügung stehen. Dabei achten sie darauf, dass für eine ausreichende Zahl solcher Rehabilitationsdienste und -einrichtungen Zugangs- und Kommunikationsbarrieren nicht bestehen. Die Verbände behinderter Menschen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen behinderter Frauen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden beteiligt. (2) Soweit die Ziele nach Prüfung des Einzelfalls mit vergleichbarer Wirksamkeit erreichbar sind, werden Leistungen unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände in ambulanter, teilstationärer oder betrieblicher Form und gegebenenfalls unter Einbeziehung familienentlastender und -unterstützender Dienste erbracht. (3) Bei Leistungen an behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Kinder wird eine gemeinsame Betreuung behinderter und nichtbehinderter Kinder angestrebt. (4) Nehmen Rehabilitationsträger zur Ausführung von Leistungen besondere Dienste (Rehabilitationsdienste) oder Einrichtungen (Rehabilitationseinrichtungen) in Anspruch, erfolgt die Auswahl danach, welcher Dienst oder welche Einrichtung die Leistung in der am besten geeigneten Form ausführt; dabei werden Dienste und Einrichtungen freier oder gemeinnütziger Träger entsprechend ihrer Bedeutung für die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen berücksichtigt und die Vielfalt der Träger von Rehabilitationsdiensten oder -einrichtungen gewahrt sowie deren Selbstständigkeit, Selbstverständnis und Unabhängigkeit beachtet. 2§ 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ist anzuwenden. (5) Rehabilitationsträger können nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften Rehabilitationsdienste oder -einrichtungen fördern, wenn dies zweckmäßig ist und die Arbeit dieser Dienste oder Einrichtungen in anderer Weise nicht sichergestellt werden kann. (6) Rehabilitationsdienste und -einrichtungen mit gleicher Aufgabenstellung sollen Arbeitsgemeinschaften bilden. § 20 Qualitätssicherung (1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 vereinbaren gemeinsame Empfeh- lungen zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der Leistungen, insbesondere zur barrierefreien Leistungserbringung, sowie für die Durchführung vergleichender Qualitätsanalysen als Grundlage für ein effektives Qualitätsmanagement der Leistungserbringer. § 13 Abs. 4 ist entsprechend anzuwenden. Die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 und 7 können den Empfehlungen beitreten. (2) Die Erbringer von Leistungen stellen ein Qualitätsmanagement sicher, das durch zielgerichtete und systematische Verfahren und Maßnahmen die Qualität der Versorgung gewährleistet und kontinuierlich verbessert. Stationäre Rehabilitationseinrichtungen haben sich an dem Zertifizierungsverfahren nach Absatz 2a zu beteiligen. (2a) Die Spitzenverbände der Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 3 bis 5 vereinbaren im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation grundsätzliche Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement nach Absatz 2 Satz 1 sowie ein einheitliches, unabhängiges Zertifizierungsverfahren, mit dem die erfolgreiche Umsetzung des Qualitätsmanagements in regelmäßigen Abständen nachgewiesen wird. Den für die Wahrnehmung der Interessen der stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbänden sowie den Verbänden behinderter Menschen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen behinderter Frauen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. (3) Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation bereitet die Empfehlungen nach Absatz 1 vor. Sie beteiligt die Verbände behinderter Menschen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen behinderter Frauen sowie die nach § 19 Abs. 6 gebildeten Arbeitsgemeinschaften und die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände. Deren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. (4) § 13 Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden für Vereinbarungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften für die Rehabilitationsträger. 186 A MTLICHE T EXTE § 21 Verträge mit Leistungserbringern (1) Die Verträge über die Ausführung von Leistungen durch Rehabilitationsdienste und -einrichtungen, die nicht in der Trägerschaft eines Rehabilitationsträgers stehen, enthalten insbesondere Regelungen über 1. Qualitätsanforderungen an die Ausführung der Leistungen, das beteiligte Personal und die begleitenden Fachdienste, 2. Übernahme von Grundsätzen der Rehabilitationsträger zur Vereinbarung von Vergütungen, 3. Rechte und Pflichten der Teilnehmer, soweit sich diese nicht bereits aus dem Rechtsverhältnis ergeben, das zwischen ihnen und dem Rehabilitationsträger besteht, 4. angemessene Mitwirkungsmöglichkeiten der Teilnehmer an der Ausführung der Leistungen, 5. Geheimhaltung personenbezogener Daten sowie 6. die Beschäftigung eines angemessenen Anteils behinderter, insbesondere schwerbehinderter Frauen. (2) Die Rehabilitationsträger wirken darauf hin, dass die Verträge nach einheitlichen Grundsätzen abgeschlossen werden; sie können über den Inhalt der Verträge gemeinsame Empfehlungen nach § 13 sowie Rahmenverträge mit den Arbeitsgemeinschaften der Rehabilitationsdienste und -einrichtungen vereinbaren. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz wird beteiligt. (3) Verträge mit fachlich nicht geeigneten Diensten oder Einrichtungen werden gekündigt. Stationäre Rehabilitationseinrichtungen sind nur dann als geeignet anzusehen, wenn sie nach § 20 Abs. 2 Satz 2 zertifiziert sind. (4) Absatz 1 Nr. 1 und 3 bis 6 wird für eigene Einrichtungen der Rehabilitationsträger entsprechend angewendet. § 21A Verordnungsermächtigung Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zum Inhalt und Ausführung des Persönlichen Budgets, zum Verfahren sowie zur Zuständigkeit bei Beteiligung mehrerer Leistungsträger zu regeln. Kapitel 3 G E M E I N S A M E S E RV I C E S T E L L E N § 22 Aufgaben (1) Gemeinsame örtliche Servicestellen der Rehabilitationsträger bieten behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen, ihren Vertrauenspersonen und Personensorgeberechtigten nach § 60 Beratung und Unterstützung an. Die Beratung und Unterstützung umfasst insbesondere, 1. über Leistungsvoraussetzungen, Leistungen der Rehabilitationsträger, besondere Hilfen im Arbeitsleben sowie über die Verwaltungsabläufe zu informieren, 2. bei der Klärung des Rehabilitationsbedarfs, bei der Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe, bei der Inanspruchnahme eines Persönlichen Budgets und der besonderen Hilfen im Arbeitsleben sowie bei der Erfüllung von Mitwirkungspflichten zu helfen, 3. zu klären, welcher Rehabilitationsträger zuständig ist, auf klare und sachdienliche Anträge hinzuwirken und sie an den zuständigen Rehabilitationsträger weiterzuleiten, 4. bei einem Rehabilitationsbedarf, der voraussichtlich ein Gutachten erfordert, den zuständigen Rehabilitationsträger darüber zu informieren, 5. die Entscheidung des zuständigen Rehabilitationsträgers in Fällen, in denen die Notwendigkeit von Leistungen zur Teilhabe offenkundig ist, so umfassend vorzubereiten, dass dieser unverzüglich entscheiden kann, 6. bis zur Entscheidung oder Leistung des Rehabilitationsträgers den behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen unterstützend zu begleiten, 7. bei den Rehabilitationsträgern auf zeitnahe Entscheidungen und Leistungen hinzuwirken und 8. zwischen mehreren Rehabilitationsträgern und Beteiligten auch während der Leistungserbringung zu koordinieren und zu vermitteln. Die Beratung umfasst unter Beteiligung der Integrationsämter auch die Klärung eines Hilfebedarfs nach Teil 2 dieses Buches. Die Pflege- 187 SGB IX kassen werden bei drohender oder bestehender Pflegebedürftigkeit an der Beratung und Unterstützung durch die gemeinsamen Servicestellen beteiligt. Verbände behinderter Menschen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen behinderter Frauen werden mit Einverständnis der behinderten Menschen an der Beratung beteiligt. (2) § 14 des Ersten Buches und § 10 Abs. 2 und § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 des Zwölften Buches bleiben unberührt. Auskünfte nach § 15 des Ersten Buches über Leistungen zur Teilhabe erteilen alle Rehabilitationsträger. § 23 Servicestellen (1) Die Rehabilitationsträger stellen unter Nutzung bestehender Strukturen sicher, dass in allen Landkreisen und kreisfreien Städten gemeinsame Servicestellen bestehen. Gemeinsame Servicestellen können für mehrere kleine Landkreise oder kreisfreie Städte eingerichtet werden, wenn eine ortsnahe Beratung und Unterstützung behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen gewährleistet ist. In den Ländern Berlin, Bremen und Hamburg werden die Servicestellen entsprechend dem besonderen Verwaltungsaufbau dieser Länder eingerichtet. (2) Die zuständigen obersten Landessozialbehörden wirken mit Unterstützung der Spitzenverbände der Rehabilitationsträger darauf hin, dass die gemeinsamen Servicestellen unverzüglich eingerichtet werden. (3) Die gemeinsamen Servicestellen werden so ausgestattet, dass sie ihre Aufgaben umfassend und qualifiziert erfüllen können, Zugangs- und Kommunikationsbarrieren nicht bestehen und Wartezeiten in der Regel vermieden werden. Hierfür wird besonders qualifiziertes Personal mit breiten Fachkenntnissen insbesondere des Rehabilitationsrechts und der Praxis eingesetzt. § 112 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. (4) In den Servicestellen dürfen Sozialdaten nur erhoben, verarbeitet und genutzt werden, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben nach § 22 Abs. 1 erforderlich ist. § 24 Bericht (1) Die Rehabilitationsträger, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung über ihre Spitzenverbände, teilen der Bundesarbeits- gemeinschaft für Rehabilitation im Abstand von drei Jahren, erstmals im Jahre 2004, ihre Erfahrungen über die Einrichtung der gemeinsamen Servicestellen, die Durchführung und Erfüllung ihrer Aufgaben, die Einhaltung des Datenschutzes und mögliche Verbesserungen mit. Personenbezogene Daten werden anonymisiert. (2) Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation bereitet die Mitteilungen der Rehabilitationsträger auf, beteiligt hierbei die zuständigen obersten Landessozialbehörden, erörtert die Mitteilungen auf Landesebene mit den Verbänden behinderter Menschen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen behinderter Frauen und berichtet unverzüglich dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern. § 25 Verordnungsermächtigung Sind gemeinsame Servicestellen nach § 23 Abs. 1 nicht bis zum 31. Dezember 2002 in allen Landkreisen und kreisfreien Städten eingerichtet, bestimmt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über den Ort der Einrichtung, den Rehabilitationsträger, bei dem die gemeinsame Servicestelle eingerichtet wird und der für die Einrichtung verantwortlich ist, den Zeitpunkt, zu dem die Einrichtung abgeschlossen sein muss, sowie über die Organisation, insbesondere entsprechend ihrem Anteil an den Leistungen zur Teilhabe über Art und Umfang der Beteiligung der Rehabilitationsträger in den gemeinsamen Servicestellen. Kapitel 4 LEISTUNGEN ZUR R E H A B I L I TAT I O N MEDIZINISCHEN § 26 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (1) Zur medizinischen Rehabilitation behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um 1. Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimme- 188 A MTLICHE T EXTE rung zu verhüten oder 2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern. (2) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation umfassen insbesondere 1. Behandlung durch Ärzte, Zahnärzte und Angehörige anderer Heilberufe, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, einschließlich der Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln, 2. Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder, 3. Arznei- und Verbandmittel, 4. Heilmittel einschließlich physikalischer, Sprach- und Beschäftigungstherapie, 5. Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, 6. Hilfsmittel, 7. Belastungserprobung und Arbeitstherapie. (3) Bestandteil der Leistungen nach Absatz 1 sind auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind, um die in Absatz 1 genannten Ziele zu erreichen oder zu sichern und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere 1. Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheitsund Behinderungsverarbeitung, 2. Aktivierung von Selbsthilfepotentialen, 3. mit Zustimmung der Leistungsberechtigten Information und Beratung von Partnern und Angehörigen sowie von Vorgesetzten und Kollegen, 4. Vermittlung von Kontakten zu örtlichen Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten, 5. Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen, 6. Training lebenspraktischer Fähigkeiten, 7. Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen der medizinischen Rehabilitation. § 27 Krankenbehandlung und Rehabilitation Die in § 26 Abs. 1 genannten Ziele sowie § 10 gelten auch bei Leistungen der Krankenbehandlung. § 28 Stufenweise Wiedereingliederung Können arbeitsunfähige Leistungsberechtigte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten und können sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden, sollen die medizinischen und die sie ergänzenden Leistungen entsprechend dieser Zielsetzung erbracht werden. § 29 Förderung der Selbsthilfe Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung, Behandlung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, sollen nach einheitlichen Grundsätzen gefördert werden. § 30 Früherkennung und Frühförderung (1) Die medizinischen Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 umfassen auch 1. die medizinischen Leistungen der mit dieser Zielsetzung fachübergreifend arbeitenden Dienste und Einrichtungen, 2. nichtärztliche sozialpädiatrische, psychologische, heilpädagogische, psychosoziale Leistungen und die Beratung der Erziehungsberechtigten, auch in fachübergreifend arbeitenden Diensten und Einrichtungen, wenn sie unter ärztlicher Verantwortung erbracht werden und erforderlich sind, um eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen individuellen Behandlungsplan aufzustellen. Leistungen nach Satz 1 werden als Komplexleistung in Verbindung mit heilpädagogischen Leistungen (§ 56) erbracht. 189 SGB IX (2) Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder umfassen des Weiteren nichtärztliche therapeutische, psychologische, heilpädagogische, sonderpädagogische, psychosoziale Leistungen und die Beratung der Erziehungsberechtigten durch interdisziplinäre Frühförderstellen, wenn sie erforderlich sind, um eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen oder die Behinderung durch gezielte Förder- und Behandlungsmaßnahmen auszugleichen oder zu mildern. (3) Zur Abgrenzung der in den Absätzen 1 und 2 genannten Leistungen und der sonstigen Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen, zur Übernahme oder Teilung der Kosten zwischen den beteiligten Rehabilitationsträgern, zur Vereinbarung und Abrechnung der Entgelte sowie zur Finanzierung werden gemeinsame Empfehlungen vereinbart; § 13 Abs. 3, 4 und 6 gilt entsprechend. Landesrecht kann vorsehen, dass an der Komplexleistung weitere Stellen, insbesondere die Kultusverwaltung, zu beteiligen sind. In diesem Fall ist eine Erweiterung der gemeinsamen Empfehlungen anzustreben. § 31 Hilfsmittel (1) Hilfsmittel (Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel) nach § 26 Abs. 2 Nr. 6 umfassen die Hilfen, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um 1. einer drohenden Behinderung vorzubeugen, 2. den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder 3. eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind. (2) Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandhaltung, Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel. Der Rehabilitationsträger soll 1. vor einer Ersatzbeschaffung prüfen, ob eine Änderung oder Instandsetzung von bisher benutzten Hilfsmitteln wirtschaftlicher und gleich wirksam ist, 2. die Bewilligung der Hilfsmittel davon abhängig machen, dass die behinderten Menschen sie sich anpassen oder sich in ihrem Gebrauch ausbilden lassen. (3) Wählen Leistungsempfänger ein geeignetes Hilfsmittel in einer aufwendigeren Ausführung als notwendig, tragen sie die Mehrkosten selbst. (4) Hilfsmittel können auch leihweise überlassen werden. In diesem Fall gelten die Absätze 2 und 3 entsprechend. § 32 Verordnungsermächtigungen Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates 1. Näheres zur Abgrenzung der in § 30 Abs. 1 und 2 genannten Leistungen und der sonstigen Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen, zur Übernahme oder Teilung der Kosten zwischen den beteiligten Rehabilitationsträgern, zur Vereinbarung und Abrechnung der Entgelte sowie zur Finanzierung zu regeln, wenn gemeinsame Empfehlungen nach § 30 Abs. 3 nicht innerhalb von sechs Monaten, nachdem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dazu aufgefordert hat, vereinbart oder unzureichend gewordene Empfehlungen nicht innerhalb dieser Frist geändert worden sind, 2. Näheres zur Auswahl der im Einzelfall geeigneten Hilfsmittel, insbesondere zum Verfahren, zur Eignungsprüfung, Dokumentation und leihweisen Überlassung der Hilfsmittel sowie zur Zusammenarbeit der anderen Rehabilitationsträger mit den orthopädischen Versorgungsstellen zu regeln. Kapitel 5 LEISTUNGEN ZUR TEILHABE ARBEITSLEBEN AM § 33 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (1) Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer 190 A MTLICHE T EXTE Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. (2) Behinderten Frauen werden gleiche Chancen im Erwerbsleben gesichert, insbesondere durch in der beruflichen Zielsetzung geeignete, wohnortnahe und auch in Teilzeit nutzbare Angebote. (3) Die Leistungen umfassen insbesondere 1. Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Beratung und Vermittlung, Trainingsmaßnahmen und Mobilitätshilfen, 2. Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, 3. berufliche Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur Teilnahme erforderlichen schulischen Abschluss einschließen, 4. berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden, 5. Gründungszuschuss entsprechend § 57 des Dritten Buches durch die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5, 6. sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten. (4) Bei der Auswahl der Leistungen werden Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt. 2oweit erforderlich, wird dabei die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt; in diesem Fall werden die Kosten nach Absatz 7, Reisekosten nach § 53 sowie Haushaltshilfe und Kinderbetreuungskosten nach § 54 übernommen. (5) Die Leistungen werden auch für Zeiten notwendiger Praktika erbracht. (6) Die Leistungen umfassen auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind, um die in Absatz 1 genannten Ziele zu erreichen oder zu sichern und Krankheitsfol- gen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere 1. Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheitsund Behinderungsverarbeitung, 2. Aktivierung von Selbsthilfepotentialen, 3. mit Zustimmung der Leistungsberechtigten Information und Beratung von Partnern und Angehörigen sowie von Vorgesetzten und Kollegen, 4. Vermittlung von Kontakten zu örtlichen Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten, 5. Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen, 6. Training lebenspraktischer Fähigkeiten, 7. Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 8. Beteiligung von Integrationsfachdiensten im Rahmen ihrer Aufgabenstellung (§ 110). (7) Zu den Leistungen gehört auch die Übernahme 1. der erforderlichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung, wenn für die Ausführung einer Leistung eine Unterbringung außerhalb des eigenen oder des elterlichen Haushalts wegen Art oder Schwere der Behinderung oder zur Sicherung des Erfolges der Teilhabe notwendig ist, 2. der erforderlichen Kosten, die mit der Ausführung einer Leistung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, insbesondere für Lehrgangskosten, Prüfungsgebühren, Lernmittel, Arbeitskleidung und Arbeitsgerät. (8) Leistungen nach Absatz 3 Nr. 1 und 6 umfassen auch 1. Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung, 2. den Ausgleich unvermeidbaren Verdienstausfalls des behinderten Menschen oder einer erforderlichen Begleitperson wegen Fahrten der An- und Abreise zu einer Bildungsmaßnahme und zur Vorstellung bei einem Arbeitgeber, einem Träger oder einer Einrichtung für behinderte Menschen durch die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 191 SGB IX 2 bis 5, 3. die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes, 4. Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können, 5. Kosten technischer Arbeitshilfen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung erforderlich sind und 6. Kosten der Beschaffung, der Ausstattung und der Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung in angemessenem Umfang. Die Leistung nach Satz 1 Nr. 3 wird für die Dauer von bis zu drei Jahren erbracht und in Abstimmung mit dem Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 durch das Integrationsamt nach § 102 Abs. 4 ausgeführt. Der Der Rehabilitationsträger erstattet dem Integrationsamt seine Aufwendungen. Der Anspruch nach § 102 Abs. 4 bleibt unberührt. § 34 Leistungen an Arbeitgeber (1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch an Arbeitgeber erbringen, insbesondere als 1. Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen, 2. Eingliederungszuschüsse, 3. Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb, 4. teilweise oder volle Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung. Die Leistungen können unter Bedingungen und Auflagen erbracht werden. (2) Ausbildungszuschüsse nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 können für die gesamte Dauer der Maßnahme geleistet werden und sollen bei Ausbildungsmaßnahmen die von den Arbeitgebern im letzten Ausbildungsjahr zu zahlenden monatlichen Ausbildungsvergütungen nicht übersteigen. (3) Eingliederungszuschüsse nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 betragen höchstens 50 vom Hundert der vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Entgelte, soweit sie die tariflichen Arbeitsentgelte oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, die für vergleichbare Tätigkeiten ortsüblichen Arbeitsentgelte im Rahmen der Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitsförderung nicht übersteigen; die Leistungen sollen im Regelfall für nicht mehr als ein Jahr geleistet werden. Soweit es für die Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich ist, können die Leistungen um bis zu 20 Prozentpunkte höher festgelegt und bis zu einer Förderungshöchstdauer von zwei Jahren erbracht werden. Werden sie für mehr als ein Jahr geleistet, sind sie entsprechend der zu erwartenden Zunahme der Leistungsfähigkeit der Leistungsberechtigten und den abnehmenden Eingliederungserfordernissen gegenüber der bisherigen Förderungshöhe, mindestens um zehn Prozentpunkte, zu vermindern. Bei der Berechnung nach Satz 1 wird auch der Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag berücksichtigt. Eingliederungszuschüsse werden zurückgezahlt, wenn die Arbeitsverhältnisse während des Förderungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspricht, längstens jedoch von einem Jahr, nach dem Ende der Leistungen beendet werden; dies gilt nicht, wenn 1. die Leistungsberechtigten die Arbeitsverhältnisse durch Kündigung beenden oder das Mindestalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht haben oder 2. die Arbeitgeber berechtigt waren, aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, zu kündigen. Die Rückzahlung ist auf die Hälfte des Förderungsbetrages, höchstens aber den im letzten Jahr vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährten Förderungsbetrag begrenzt; ungeförderte Nachbeschäftigungszeiten werden anteilig berücksichtigt. 192 A MTLICHE T EXTE § 35 Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation (1) Leistungen werden durch Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke und vergleichbare Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, soweit Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung des Erfolges die besonderen Hilfen dieser Einrichtungen erforderlich machen. Die Einrichtung muss 1. nach Dauer, Inhalt und Gestaltung der Leistungen, Unterrichtsmethode, Ausbildung und Berufserfahrung der Leitung und der Lehrkräfte sowie der Ausgestaltung der Fachdienste eine erfolgreiche Ausführung der Leistung erwarten lassen, 2. angemessene Teilnahmebedingungen bieten und behinderungsgerecht sein, insbesondere auch die Beachtung der Erfordernisse des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung gewährleisten, 3. den Teilnehmenden und den von ihnen zu wählenden Vertretungen angemessene Mitwirkungsmöglichkeiten an der Ausführung der Leistungen bieten sowie 4. die Leistung nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, insbesondere zu angemessenen Vergütungssätzen, ausführen. Die zuständigen Rehabilitationsträger vereinbaren hierüber gemeinsame Empfehlungen nach den §§ 13 und 20. (2) Werden Leistungen zur beruflichen Ausbildung in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, sollen die Einrichtungen bei Eignung der behinderten Menschen darauf hinwirken, dass Teile dieser Ausbildung auch in Betrieben und Dienststellen durchgeführt werden. Die Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation unterstützen die Arbeitgeber bei der betrieblichen Ausbildung und bei der Betreuung der auszubildenden behinderten Jugendlichen. § 36 Rechtsstellung der Teilnehmenden Werden Leistungen in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, werden die Teilnehmenden nicht in den Betrieb der Einrichtungen eingegliedert. Sie sind keine Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes und wählen zu ihrer Mitwirkung besondere Vertreter. Bei der Ausführung werden die ar- beitsrechtlichen Grundsätze über den Persönlichkeitsschutz, die Haftungsbeschränkung sowie die gesetzlichen Vorschriften über den Arbeitsschutz, den Schutz vor Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf, den Erholungsurlaub und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen entsprechend angewendet. § 37 Dauer von Leistungen (1) Leistungen werden für die Zeit erbracht, die vorgeschrieben oder allgemein üblich ist, um das angestrebte Teilhabeziel zu erreichen; eine Förderung kann darüber hinaus erfolgen, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. (2) Leistungen zur beruflichen Weiterbildung sollen in der Regel bei ganztägigem Unterricht nicht länger als zwei Jahre dauern, es sei denn, dass das Teilhabeziel nur über eine länger dauernde Leistung erreicht werden kann oder die Eingliederungsaussichten nur durch eine länger dauernde Leistung wesentlich verbessert werden. § 38 Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit Die Bundesagentur für Arbeit nimmt auf Anforderung eines anderen Rehabilitationsträgers zu Notwendigkeit, Art und Umfang von Leistungen unter Berücksichtigung arbeitsmarktlicher Zweckmäßigkeit gutachterlich Stellung. Dies gilt auch, wenn sich die Leistungsberechtigten in einem Krankenhaus oder einer Einrichtung der medizinischen oder der medizinisch-beruflichen Rehabilitation aufhalten. § 39 Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen (§ 136) werden erbracht, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit der behinderten Menschen zu erhalten, zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, die Persönlichkeit dieser Menschen weiterzuentwickeln und ihre Beschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern. § 40 Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich (1) Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen erhalten behinderte Menschen 193 SGB IX 1. im Eingangsverfahren zur Feststellung, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung für die Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben ist sowie welche Bereiche der Werkstatt und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den behinderten Menschen in Betracht kommen, und um einen Eingliederungsplan zu erstellen, 2. im Berufsbildungsbereich, wenn die Leistungen erforderlich sind, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit des behinderten Menschen so weit wie möglich zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen und erwartet werden kann, dass der behinderte Mensch nach Teilnahme an diesen Leistungen in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 136 zu erbringen. (2) Die Leistungen im Eingangsverfahren werden für drei Monate erbracht. Die Leistungsdauer kann auf bis zu vier Wochen verkürzt werden, wenn während des Eingangsverfahrens im Einzelfall festgestellt wird, dass eine kürzere Leistungsdauer ausreichend ist. (3) Die Leistungen im Berufsbildungsbereich werden für zwei Jahre erbracht. Sie werden in der Regel für ein Jahr bewilligt. Sie werden für ein weiteres Jahr bewilligt, wenn auf Grund einer rechtzeitig vor Ablauf des Förderzeitraums nach Satz 2 abzugebenden fachlichen Stellungnahme die Leistungsfähigkeit des behinderten Menschen weiterentwickelt oder wiedergewonnen werden kann. § 41 Leistungen im Arbeitsbereich (1) Leistungen im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen erhalten behinderte Menschen, bei denen 1. eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder 2. Berufsvorbereitung, berufliche Anpassung und Weiterbildung oder berufliche Ausbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 2 bis 4) wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in Betracht kommen und die in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. (2) Die Leistungen sind gerichtet auf 1. Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung des behinderten Menschen entsprechenden Beschäftigung, 2. Teilnahme an arbeitsbegleitenden Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der im Berufsbildungsbereich erworbenen Leistungsfähigkeit und zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit sowie 3. Förderung des Übergangs geeigneter behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen. (3) Die Werkstätten erhalten für die Leistungen nach Absatz 2 vom zuständigen Rehabilitationsträger angemessene Vergütungen, die den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen. Ist der Träger der Sozialhilfe zuständig, sind die Vorschriften nach dem Zehnten Kapitel des Zwölften Buches anzuwenden. Die Vergütungen, in den Fällen des Satzes 2 die Pauschalen und Beträge nach § 76 Abs. 2 des Zwölften Buches, berücksichtigen 1. alle für die Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen der Werkstatt notwendigen Kosten sowie 2. die mit der wirtschaftlichen Betätigung der Werkstatt in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Werkstatt und der dort beschäftigten behinderten Menschen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen. Können die Kosten der Werkstatt nach Satz 3 Nr. 2 im Einzelfall nicht ermittelt werden, kann eine Vergütungspauschale für diese werkstattspezifischen Kosten der wirtschaftlichen Betätigung der Werkstatt vereinbart werden. (4) Bei der Ermittlung des Arbeitsergebnisses der Werkstatt nach § 12 Abs. 4 der Werkstättenverordnung werden die Auswirkungen der Vergütungen auf die Höhe des Arbeitsergebnisses dargestellt. Dabei wird getrennt ausgewiesen, ob sich durch die Vergütung Verluste oder Gewinne ergeben. Das Arbeitsergebnis der Werkstatt darf nicht zur Minderung der Vergütungen nach Absatz 3 verwendet werden. § 42 Zuständigkeit für Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen (1) Die Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich erbringen 194 A MTLICHE T EXTE 1. die Bundesagentur für Arbeit, soweit nicht einer der in den Nummern 2 bis 4 genannten Träger zuständig ist, 2. die Träger der Unfallversicherung im Rahmen ihrer Zuständigkeit für durch Arbeitsunfälle Verletzte und von Berufskrankheiten Betroffene, 3. die Träger der Rentenversicherung unter den Voraussetzungen der §§ 11 bis 13 des Sechsten Buches, 4. die Träger der Kriegsopferfürsorge unter den Voraussetzungen der §§ 26 und 26a des Bundesversorgungsgesetzes. (2) Die Leistungen im Arbeitsbereich erbringen 1. die Träger der Unfallversicherung im Rahmen ihrer Zuständigkeit für durch Arbeitsunfälle Verletzte und von Berufskrankheiten Betroffene, 2. die Träger der Kriegsopferfürsorge unter den Voraussetzungen des § 27d Abs. 1 Nr. 3 des Bundesversorgungsgesetzes, 3. die Träger der öffentlichen Jugendhilfe unter den Voraussetzungen des § 35a des Achten Buches, 4. im Übrigen die Träger der Sozialhilfe unter den Voraussetzungen des Zwölften Buches. § 43 Arbeitsförderungsgeld Die Werkstätten für behinderte Menschen erhalten von dem zuständigen Rehabilitationsträger zur Auszahlung an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen zusätzlich zu den Vergütungen nach § 41 Abs. 3 ein Arbeitsförderungsgeld. Das Arbeitsförderungsgeld beträgt monatlich 26 Euro für jeden im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen, dessen Arbeitsentgelt zusammen mit dem Arbeitsförderungsgeld den Betrag von 325 Euro nicht übersteigt. Ist das Arbeitsentgelt höher als 299 Euro, beträgt das Arbeitsförderungsgeld monatlich den Unterschiedsbetrag zwischen dem Arbeitsentgelt und 325 Euro. Erhöhungen der Arbeitsentgelte auf Grund der Zuordnung der Kosten im Arbeitsbereich der Werkstatt gemäß § 41 Abs. 3 des Bundessozialhilfegesetzes in der ab 1. August 1996 geltenden Fassung oder gemäß § 41 Abs. 3 können auf die Zahlung des Arbeitsförderungsgeldes angerechnet werden. Kapitel 6 U N T E R H A LT S S I C H E R N D E U N D ANDERE ERGÄNZENDE LEISTUNGEN § 44 Ergänzende Leistungen (1) Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben der in § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 genannten Rehabilitationsträger werden ergänzt durch 1. Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld, Ausbildungsgeld oder Unterhaltsbeihilfe, 2. Beiträge und Beitragszuschüsse a) zur Krankenversicherung nach Maßgabe des Fünften Buches, des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte sowie des Künstlersozialversicherungsgesetzes, b) zur Unfallversicherung nach Maßgabe des Siebten Buches, c) zur Rentenversicherung nach Maßgabe des Sechsten Buches sowie des Künstlersozialversicherungsgesetzes, d) zur Bundesagentur für Arbeit nach Maßgabe des Dritten Buches, e) zur Pflegeversicherung nach Maßgabe des Elften Buches, 3. ärztlich verordneten Rehabilitationssport in Gruppen unter ärztlicher Betreuung und Überwachung, einschließlich Übungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Frauen und Mädchen, die der Stärkung des Selbstbewusstseins dienen, 4. ärztlich verordnetes Funktionstraining in Gruppen unter fachkundiger Anleitung und Überwachung, 5. Reisekosten, 6. Betriebs- oder Haushaltshilfe und Kinderbetreuungskosten. (2) Ist der Schutz behinderter Menschen bei Krankheit oder Pflege während der Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht anderweitig sichergestellt, können die Beiträge für eine freiwillige Krankenversicherung ohne Anspruch auf Krankengeld und zur Pflegeversicherung bei einem Träger der gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung 195 SGB IX oder, wenn dort im Einzelfall ein Schutz nicht gewährleistet ist, die Beiträge zu einem privaten Krankenversicherungsunternehmen erbracht werden. Arbeitslose Teilnehmer an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation können für die Dauer des Bezuges von Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld einen Zuschuss zu ihrem Beitrag für eine private Versicherung gegen Krankheit oder für die Pflegeversicherung erhalten. Der Zuschuss wird nach § 207a Abs. 2 des Dritten Buches berechnet. § 45 Leistungen zum Lebensunterhalt (1) Im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation leisten 1. die gesetzlichen Krankenkassen Krankengeld nach Maßgabe der §§ 44 und 46 bis 51 des Fünften Buches und des § 8 Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 12 und 13 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte, 2. die Träger der Unfallversicherung Verletztengeld nach Maßgabe der §§ 45 bis 48, 52 und 55 des Siebten Buches, 3. die Träger der Rentenversicherung Übergangsgeld nach Maßgabe dieses Buches und der §§ 20 und 21 des Sechsten Buches, 4. die Träger der Kriegsopferversorgung Versorgungskrankengeld nach Maßgabe der §§ 16 bis 16h und 18a des Bundesversorgungsgesetzes. (2) Im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben leisten Übergangsgeld 1. die Träger der Unfallversicherung nach Maßgabe dieses Buches und der §§ 49 bis 52 des Siebten Buches, 2. die Träger der Rentenversicherung nach Maßgabe dieses Buches und der §§ 20 und 21 des Sechsten Buches, 3. die Bundesagentur für Arbeit nach Maßgabe dieses Buches und der §§ 160 bis 162 des Dritten Buches, 4. die Träger der Kriegsopferfürsorge nach Maßgabe dieses Buches und des § 26a des Bundesversorgungsgesetzes. (3) Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen haben Anspruch auf Übergangsgeld wie bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den Zeitraum, in dem die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt wird (§ 33 Abs. 4 Satz 2) und sie wegen der Teilnahme kein oder ein geringeres Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen. (4) Der Anspruch auf Übergangsgeld ruht, solange die Leistungsempfängerin einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld hat; § 52 Nr. 2 des Siebten Buches bleibt unberührt. (5) Während der Ausführung von Leistungen zur erstmaligen beruflichen Ausbildung behinderter Menschen und berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen sowie im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen leisten 1. die Bundesagentur für Arbeit Ausbildungsgeld nach Maßgabe der §§ 104 bis 108 des Dritten Buches, 2. die Träger der Kriegsopferfürsorge Unterhaltsbeihilfe unter den Voraussetzungen der §§ 26 und 26a des Bundesversorgungsgesetzes. (6) Die Träger der Kriegsopferfürsorge leisten in den Fällen des § 27d Abs. 1 Nr. 3 des Bundesversorgungsgesetzes ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27a des Bundesversorgungsgesetzes. (7) Wird bei ambulanter Ausführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld geleistet, kann der Rehabilitationsträger im Rahmen der nach § 13 Abs. 2 Nr. 7 vereinbarten Empfehlung eine Erstattung seiner Aufwendungen für diese Leistungen verlangen. (8) Das Krankengeld, das Versorgungskrankengeld, das Verletztengeld und das Übergangsgeld werden für Kalendertage gezahlt; wird die Leistung für einen ganzen Kalendermonat gezahlt, so wird dieser mit 30 Tagen angesetzt. § 46 Höhe und Berechnung des Übergangsgelds (1) Der Berechnung des Übergangsgelds werden 80 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt) zugrunde gelegt, höchstens jedoch das in entsprechender Anwendung des § 47 berechnete Nettoarbeitsentgelt; hierbei gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils gelten- 196 A MTLICHE T EXTE de Beitragsbemessungsgrenze. Bei der Berechnung des Regelentgelts und des Nettoarbeitsentgelts werden die für die jeweilige Beitragsbemessung und Beitragstragung geltenden Besonderheiten der Gleitzone nach § 20 Abs. 2 des Vierten Buches nicht berücksichtigt. Das Übergangsgeld beträgt 1. für Leistungsempfänger, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben, oder deren Ehegatten oder Lebenspartner, mit denen sie in häuslicher Gemeinschaft leben, eine Erwerbstätigkeit nicht ausüben können, weil sie die Leistungsempfänger pflegen oder selbst der Pflege bedürfen und keinen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung haben, 75 vom Hundert, 2. für die übrigen Leistungsempfänger 68 vom Hundert des nach Satz 1 oder § 48 maßgebenden Betrages. Bei Übergangsgeld der Träger der Kriegsopferfürsorge wird unter den Voraussetzungen von Satz 2 Nr. 1 ein Vomhundertsatz von 80, im Übrigen ein Vomhundertsatz von 70 zugrunde gelegt. (2) Für die Berechnung des Nettoarbeitsentgelts nach Absatz 1 Satz 1 wird der sich aus dem kalendertäglichen Hinzurechnungsbetrag nach § 47 Abs. 1 Satz 6 ergebende Anteil am Nettoarbeitsentgelt mit dem Vomhundertsatz angesetzt, der sich aus dem Verhältnis des kalendertäglichen Regelentgeltbetrages nach § 47 Abs. 1 Satz 1 bis 5 zu dem sich aus diesem Regelentgeltbetrag ergebenden Nettoarbeitsentgelt ergibt. Das kalendertägliche Übergangsgeld darf das sich aus dem Arbeitsentgelt nach § 47 Abs. 1 Satz 1 bis 5 ergebende kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. § 47 Berechnung des Regelentgelts (1) Für die Berechnung des Regelentgelts wird das von den Leistungsempfängern im letzten vor Beginn der Leistung oder einer vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden geteilt, für die es gezahlt wurde. Das Ergebnis wird mit der Zahl der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden vervielfacht und durch sieben geteilt. Ist das Arbeitsentgelt nach Monaten bemessen oder ist eine Berechnung des Regelentgelts nach den Sätzen 1 und 2 nicht möglich, gilt der 30. Teil des in dem letzten vor Beginn der Leistung abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts als Regelentgelt. Wird mit einer Arbeitsleistung Arbeitsentgelt erzielt, das für Zeiten einer Freistellung vor oder nach dieser Arbeitsleistung fällig wird (Wertguthaben nach § 7 Abs. A des Vierten Buches), ist für die Berechnung des Regelentgelts das im Bemessungszeitraum der Beitragsberechnung zugrunde liegende und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt maßgebend; Wertguthaben, die nicht gemäß einer Vereinbarung über flexible Arbeitszeitregelungen verwendet werden (§ 23b Abs. 2 des Vierten Buches), bleiben außer Betracht. Bei der Anwendung des Satzes 1 gilt als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die Arbeitszeit, die dem gezahlten Arbeitsentgelt entspricht. Für die Berechnung des Regelentgelts wird der 360. Teil des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts, das in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Leistung nach § 23a des Vierten Buches der Beitragsberechnung zugrunde gelegen hat, dem nach den Sätzen 1 bis 5 berechneten Arbeitsentgelt hinzugerechnet. (2) Bei Teilarbeitslosigkeit ist für die Berechnung das Arbeitsentgelt maßgebend, das in der infolge der Teilarbeitslosigkeit nicht mehr ausgeübten Beschäftigung erzielt wurde. (3) Für Leistungsempfänger, die Kurzarbeitergeld bezogen haben, wird das regelmäßige Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das zuletzt vor dem Arbeitsausfall erzielt wurde. (4) Das Regelentgelt wird bis zur Höhe der für den Rehabilitationsträger jeweils geltenden Leistungs- oder Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt, in der Rentenversicherung bis zur Höhe des der Beitragsbemessung zugrunde liegenden Entgelts. (5) Für Leistungsempfänger, die im Inland nicht einkommensteuerpflichtig sind, werden für die Feststellung des entgangenen Nettoarbeitsentgelts die Steuern berücksichtigt, die bei einer Steuerpflicht im Inland durch Abzug vom Arbeitsentgelt erhoben würden. 197 SGB IX § 48 Berechnungsgrundlage in Sonderfällen Die Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld während Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wird aus 65 vom Hundert des auf ein Jahr bezogenen tariflichen oder, wenn es an einer tariflichen Regelung fehlt, des ortsüblichen Arbeitsentgelts ermittelt, das für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort der Leistungsempfänger gilt, wenn 1. die Berechnung nach den §§ 46 und 47 zu einem geringeren Betrag führt, 2. Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht erzielt worden ist oder 3. der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Beginn der Leistungen länger als drei Jahre zurückliegt. Maßgebend ist das Arbeitsentgelt in dem letzten Kalendermonat vor dem Beginn der Leistungen bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze für diejenige Beschäftigung, für die Leistungsempfänger ohne die Behinderung nach ihren beruflichen Fähigkeiten, ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit und nach ihrem Lebensalter in Betracht kämen. Für den Kalendertag wird der 360. Teil dieses Betrages angesetzt. § 49 Kontinuität der Bemessungsgrundlage Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze. § 50 Anpassung der Entgeltersatzleistungen (1) Die dem Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld und Übergangsgeld zugrunde liegende Berechnungsgrundlage wird jeweils nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende des Bemessungszeitraums entsprechend der Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches) vom vorvergangenen zum vergangenen Kalenderjahr an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst. (2) Der Anpassungsfaktor errechnet sich, indem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer für das vergangene Kalenderjahr durch die entsprechenden Bruttolöhne und -gehälter für das vorvergangene Kalenderjahr geteilt werden; § 68 Abs. 7 und § 121 Abs. 1 des Sechsten Buches gelten entsprechend. (3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt jeweils zum 30. Juni eines Kalenderjahres den Anpassungsfaktor, der für die folgenden zwölf Monate maßgebend ist, im Bundesanzeiger bekannt. § 51 Weiterzahlung der Leistungen (1) Sind nach Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich, während derer dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld besteht, und können diese aus Gründen, die die Leistungsempfänger nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden, werden das Verletztengeld, das Versorgungskrankengeld oder das Übergangsgeld für diese Zeit weitergezahlt, wenn 1. die Leistungsempfänger arbeitsunfähig sind und keinen Anspruch auf Krankengeld mehr haben oder 2. ihnen eine zumutbare Beschäftigung aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht vermittelt werden kann. (2) Leistungsempfänger haben die Verzögerung insbesondere zu vertreten, wenn sie zumutbare Angebote von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in größerer Entfernung zu ihren Wohnorten ablehnen. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit ist § 121 Abs. 4 des Dritten Buches entsprechend anzuwenden. (3) Können Leistungsempfänger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben allein aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, aber voraussichtlich wieder in Anspruch nehmen, werden Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe bis zum Ende dieser Leistungen, längstens bis zu sechs Wochen weitergezahlt. (4) Sind die Leistungsempfänger im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe 198 A MTLICHE T EXTE am Arbeitsleben arbeitslos, werden Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe während der Arbeitslosigkeit bis zu drei Monate weitergezahlt, wenn sie sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben und einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens drei Monaten nicht geltend machen können; die Dauer von drei Monaten vermindert sich um die Anzahl von Tagen, für die Leistungsempfänger im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben einen Anspruch aus Arbeitslosengeld geltend machen können. In diesem Fall beträgt das Übergangsgeld 1. bei Leistungsempfängern, bei denen die Voraussetzungen des erhöhten Bemessungssatzes nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 vorliegen, 67 vom Hundert, 2. bei den übrigen Leistungsempfängern 60 vom Hundert des sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 oder § 48 ergebenden Betrages. (5) Ist im unmittelbaren Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation eine stufenweise Wiedereingliederung (§ 28) erforderlich, wird das Übergangsgeld bis zu deren Ende weitergezahlt. § 52 Einkommensanrechnung (1) Auf das Übergangsgeld der Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 werden angerechnet 1. Erwerbseinkommen aus einer Beschäftigung oder einer während des Anspruchs auf Übergangsgeld ausgeübten Tätigkeit, das bei Beschäftigten um die gesetzlichen Abzüge und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt und bei sonstigen Leistungsempfängern um 20 vom Hundert zu vermindern ist, 2. Leistungen des Arbeitgebers zum Übergangsgeld, soweit sie zusammen mit dem Übergangsgeld das vor Beginn der Leistung erzielte, um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt übersteigen, 3. Geldleistungen, die eine öffentlich-rechtliche Stelle im Zusammenhang mit einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben erbringt, 4. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Verletztenrenten in Höhe des sich aus § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 des Vierten Buches ergebenden Betrages, wenn sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf die Höhe der Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld nicht ausgewirkt hat, 5. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die aus demselben Anlass wie die Leistungen zur Teilhabe erbracht werden, wenn durch die Anrechnung eine unbillige Doppelleistung vermieden wird, 6. Renten wegen Alters, die bei Berechnung des Übergangsgelds aus einem Teilarbeitsentgelt nicht berücksichtigt wurden, 7. Verletztengeld nach den Vorschriften des Siebten Buches, 8. den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Leistungen, die von einer Stelle außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzbuchs erbracht werden. (2) Bei der Anrechnung von Verletztenrenten mit Kinderzulage und von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit Kinderzuschuss auf das Übergangsgeld bleibt ein Betrag in Höhe des Kindergeldes nach § 66 des Einkommensteuergesetzes oder § 6 des Bundeskindergeldgesetzes außer Ansatz. (3) Wird ein Anspruch auf Leistungen, um die das Übergangsgeld nach Absatz 1 Nr. 3 zu kürzen wäre, nicht erfüllt, geht der Anspruch insoweit mit Zahlung des Übergangsgelds auf den Rehabilitationsträger über; die §§ 104 und 115 des Zehnten Buches bleiben unberührt. § 53 Reisekosten (1) Als Reisekosten werden die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen; hierzu gehören auch die Kosten für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist, für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls, für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist, sowie für den erforderlichen Gepäcktransport. (2) Während der Ausführung von Leistungen 199 SGB IX zur Teilhabe am Arbeitsleben werden Reisekosten auch für im Regelfall zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden. (3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden. (4) Als Fahrkosten ist für jeden Tag, an dem der behinderte oder von Behinderung bedrohte Mensch den Ort der Ausführung der Leistung aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Ausführungsort von 0,36 Euro für die ersten zehn Kilometer und 0,40 Euro für jeden weiteren Kilometer anzusetzen. Bei einer erforderlichen auswärtigen Unterbringung ist für die An- und Abreise sowie für Familienheimfahrten nach Absatz 2 eine Entfernungspauschale von 0,40 Euro für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstands und dem Ort der Ausführung der Leistung anzusetzen. Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung maßgebend. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der bei unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung zumutbarer auswärtiger Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre. § 54 Haushalts- oder Betriebshilfe und Kinderbetreuungskosten (1) Haushaltshilfe wird geleistet, wenn 1. den Leistungsempfängern wegen der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist, 2. eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann und 3. im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist. § 38 Abs. 4 des Fünften Buches ist sinngemäß anzuwenden. (2) Anstelle der Haushaltshilfe werden auf Antrag die Kosten für die Mitnahme oder anderweitige Unterbringung des Kindes bis zur Höhe der Kosten der sonst zu erbringenden Haushaltshilfe übernommen, wenn die Unterbringung und Betreuung des Kindes in dieser Weise sichergestellt ist. (3) Kosten für die Betreuung der Kinder des Leistungsempfängers können bis zu einem Betrag von 130 Euro je Kind und Monat übernommen werden, wenn sie durch die Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben unvermeidbar entstehen. Leistungen zur Kinderbetreuung werden nicht neben Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 erbracht. Der in Satz 1 genannte Betrag erhöht sich entsprechend der Veränderung der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches; § 77 Abs. 3 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. (4) Abweichend von den Absätzen 1 bis 3 erbringen die landwirtschaftlichen Alterskassen und die landwirtschaftlichen Krankenkassen Betriebs- und Haushaltshilfe nach den §§ 10 und 36 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte und nach den §§ 9 und 10 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte, die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften für die bei ihnen versicherten landwirtschaftlichen Unternehmer und im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten nach § 54 des Siebten Buches. Kapitel 7 LEISTUNGEN ZUR TEILHABE AM LEBEN IN DER GEMEINSCHAFT § 55 Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (1) Als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 nicht erbracht werden. (2) Leistungen nach Absatz 1 sind insbesondere 200 A MTLICHE T EXTE 1. Versorgung mit anderen als den in § 31 genannten Hilfsmitteln oder den in § 33 genannten Hilfen, 2. heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind, 3. Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, 4. Hilfen zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt, 5. Hilfen bei der Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht, 6. Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten, 7. Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. § 58 Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben § 56 Heilpädagogische Leistungen Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres über Voraussetzungen, Gegenstand und Umfang der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie über das Zusammenwirken dieser Leistungen mit anderen Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen regeln. (1) Heilpädagogische Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 werden erbracht, wenn nach fachlicher Erkenntnis zu erwarten ist, dass hierdurch 1. eine drohende Behinderung abgewendet oder der fortschreitende Verlauf einer Behinderung verlangsamt oder 2. die Folgen einer Behinderung beseitigt oder gemildert werden können. Sie werden immer an schwerstbehinderte und schwerstmehrfachbehinderte Kinder, die noch nicht eingeschult sind, erbracht. (2) In Verbindung mit Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung (§ 30) und schulvorbereitenden Maßnahmen der Schulträger werden heilpädagogische Leistungen als Komplexleistung erbracht. § 57 Förderung der Verständigung Bedürfen hörbehinderte Menschen oder behinderte Menschen mit besonders starker Beeinträchtigung der Sprachfähigkeit auf Grund ihrer Behinderung zur Verständigung mit der Umwelt aus besonderem Anlass der Hilfe Anderer, werden ihnen die erforderlichen Hilfen zur Verfügung gestellt oder angemessene Aufwendungen hierfür erstattet. Die Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben (§ 55 Abs. 2 Nr. 7) umfassen vor allem 1. Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen, 2. Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen, 3. die Bereitstellung von Hilfsmitteln, die der Unterrichtung über das Zeitgeschehen oder über kulturelle Ereignisse dienen, wenn wegen Art oder Schwere der Behinderung anders eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht oder nur unzureichend möglich ist. § 59 Verordnungsermächtigung Kapitel 8 SICHERUNG UND DER TEILHABE KOORDINIERUNG Titel 1 Sicherung von Beratung und Auskunft § 60 Pflichten Personensorgeberechtigter Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die bei ihrer Personensorge anvertrauten Menschen Behinderungen (§ 2 Abs. 1) wahrnehmen oder durch die in § 61 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauftrags die behinderten Menschen einer gemeinsamen Servicestelle oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation oder einem Arzt zur Beratung über die geeigneten Leistungen zur Teilhabe vorstellen. 201 SGB IX § 61 Sicherung der Beratung behinderter Menschen (1) Die Beratung der Ärzte, denen eine Person nach § 60 vorgestellt wird, erstreckt sich auf die geeigneten Leistungen zur Teilhabe. Dabei weisen sie auf die Möglichkeit der Beratung durch eine gemeinsame Servicestelle oder eine sonstige Beratungsstelle für Rehabilitation hin. Bei Menschen, bei denen der Eintritt der Behinderung nach allgemeiner ärztlicher Erkenntnis zu erwarten ist, wird entsprechend verfahren. Werdende Eltern werden auf den Beratungsanspruch bei den Schwangerschaftsberatungsstellen hingewiesen. (2) Hebammen, Entbindungspfleger, Medizinalpersonen außer Ärzten, Lehrer, Sozialarbeiter, Jugendleiter und Erzieher, die bei Ausübung ihres Berufs Behinderungen (§ 2 Abs. 1) wahrnehmen, weisen die Personensorgeberechtigten auf die Behinderung und auf die Beratungsangebote nach § 60 hin. (3) Nehmen Medizinalpersonen außer Ärzten und Sozialarbeiter bei Ausübung ihres Berufs Behinderungen (§ 2 Abs. 1) bei volljährigen Menschen wahr, empfehlen sie diesen Menschen oder den für sie bestellten Betreuern, eine Beratungsstelle für Rehabilitation oder einen Arzt zur Beratung über die geeigneten Leistungen zur Teilhabe aufzusuchen. § 62 Landesärzte (1) In den Ländern können Landesärzte bestellt werden, die über besondere Erfahrungen in der Hilfe für behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen verfügen. (2) Die Landesärzte haben vor allem die Aufgabe, 1. Gutachten für die Landesbehörden, die für das Gesundheitswesen und die Sozialhilfe zuständig sind, sowie für die zuständigen Träger der Sozialhilfe in besonders schwierig gelagerten Einzelfällen oder in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung zu erstatten, 2. die für das Gesundheitswesen zuständigen obersten Landesbehörden beim Erstellen von Konzeptionen, Situations- und Bedarfsanalysen und bei der Landesplanung zur Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen zu beraten und zu unterstützen sowie selbst entsprechende Initiativen zu ergreifen, 3. die für das Gesundheitswesen zuständigen Landesbehörden über Art und Ursachen von Behinderungen und notwendige Hilfen sowie über den Erfolg von Leistungen zur Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen regelmäßig zu unterrichten. Titel 2 Klagerecht der Verbände § 63 Klagerecht der Verbände Werden behinderte Menschen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung behinderte Menschen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den behinderten Menschen selbst vorliegen. Titel 3 Koordinierung der Teilhabe behinderter Menschen § 64 Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen (1) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen gebildet, der es in Fragen der Teilhabe behinderter Menschen berät und bei Aufgaben der Koordinierung unterstützt. Zu den Aufgaben des Beirats gehören insbesondere auch 1. die Unterstützung bei der Förderung von Rehabilitationseinrichtungen und die Mitwirkung bei der Vergabe der Mittel des Ausgleichsfonds, 2. die Anregung und Koordinierung von Maßnahmen zur Evaluierung der in diesem Buch getroffenen Regelungen im Rahmen der Rehabilitationsforschung und als forschungsbegleitender Ausschuss die Unterstützung des Ministeriums bei der Festlegung von Fragestellungen und Kriterien. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales trifft Entscheidungen über die Vergabe der Mittel des Ausgleichsfonds nur auf Grund von Vorschlägen des Beirats. 202 A MTLICHE T EXTE (2) Der Beirat besteht aus 48 Mitgliedern. Von diesen beruft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zwei Mitglieder auf Vorschlag der Gruppenvertreter der Arbeitnehmer im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit, zwei Mitglieder auf Vorschlag der Gruppenvertreter der Arbeitgeber im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit, sechs Mitglieder auf Vorschlag der Behindertenverbände, die nach der Zusammensetzung ihrer Mitglieder dazu berufen sind, behinderte Menschen auf Bundesebene zu vertreten, 16 Mitglieder auf Vorschlag der Länder, drei Mitglieder auf Vorschlag der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, ein Mitglied auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, ein Mitglied auf Vorschlag des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit, zwei Mitglieder auf Vorschlag der Spitzenverbände der Krankenkassen, ein Mitglied auf Vorschlag der Spitzenvereinigungen der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, drei Mitglieder auf Vorschlag der Deutschen Rentenversicherung Bund, ein Mitglied auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, ein Mitglied auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, ein Mitglied auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung, fünf Mitglieder auf Vorschlag der Arbeitsgemeinschaften der Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation, der Berufsförderungswerke, der Berufsbildungswerke, der Werkstätten für behinderte Menschen und der Integrationsfirmen, ein Mitglied auf Vorschlag der für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände, zwei Mitglieder auf Vorschlag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesärztekammer. Für jedes Mitglied ist ein stellvertretendes Mitglied zu berufen. § 65 Verfahren des Beirats Der Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen wählt aus den ihm angehörenden Mitgliedern von Seiten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Organisationen behinderter Menschen jeweils für die Dauer eines Jahres einen Vorsitzenden oder eine Vorsitzende und einen Stellvertreter oder eine Stellvertreterin. Im Übrigen gilt § 106 entsprechend. § 66 Berichte über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe (1) Die Bundesregierung unterrichtet die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes bis zum 31. Dezember 2004 über die Lage behinderter Frauen und Männer sowie die Entwicklung ihrer Teilhabe, gibt damit eine zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Aufwendungen zu Prävention, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit ab und schlägt unter Berücksichtigung und Bewertung der mit diesem Buch getroffenen Regelungen die zu treffenden Maßnahmen vor. In dem Bericht wird die Entwicklung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gesondert dargestellt. Schlägt die Bundesregierung weitere Regelungen vor, erstattet sie auch über deren Wirkungen einen weiteren Bericht. Die Träger von Leistungen und Einrichtungen erteilen die erforderlichen Auskünfte. Die obersten Landesbehörden werden beteiligt. Ein gesonderter Bericht über die Lage behinderter Menschen ist vor diesem Zeitpunkt nicht zu erstellen. (2) Bei der Erfüllung der Berichtspflicht nach Absatz 1 unterrichtet die Bundesregierung die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes auch über die nach dem Behindertengleichstellungsgesetz getroffenen Maßnahmen, über Zielvereinbarungen im Sinne von § 5 des Behindertengleichstellungsgesetzes sowie über die Gleichstellung behinderter Menschen und gibt eine zusammenfassende, nach Geschlecht und Alter differenzierte Darstellung und Bewertung ab. Der Bericht nimmt zu möglichen weiteren Maßnahmen zur Gleichstellung behinderter Menschen Stellung. Die zuständigen obersten Landesbehörden werden beteiligt. 203 SGB IX (3) Die Bundesregierung unterrichtet die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes bis zum 31. Dezember 2006 über die Ausführung der Leistungen des Persönlichen Budgets nach § 17. Auf der Grundlage des Berichts ist zu prüfen, ob weiterer Handlungsbedarf besteht; die obersten Landessozialbehörden werden beteiligt. § 67 Verordnungsermächtigung Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates weitere Vorschriften über die Geschäftsführung und das Verfahren des Beirats nach § 65 erlassen. Teil 2 Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehindertenrecht) Kapitel 1 GESCHÜTZTER PERSONENKREIS § 68 Geltungsbereich (1) Die Regelungen dieses Teils gelten für schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen. (2) Die Gleichstellung behinderter Menschen mit schwerbehinderten Menschen (§ 2 Abs. 3) erfolgt auf Grund einer Feststellung nach § 69 auf Antrag des behinderten Menschen durch die Bundesagentur für Arbeit. Die Gleichstellung wird mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam. Sie kann befristet werden. (3) Auf gleichgestellte behinderte Menschen werden die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen mit Ausnahme des § 125 und des Kapitels 13 angewendet. (4) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind auch behinderte Jugendliche und junge Erwachsene (§ 2 Abs. 1) während der Zeit einer Berufsausbildung in Betrieben und Dienststellen, auch wenn der Grad der Behinderung weniger als 30 beträgt oder ein Grad der Behinderung nicht festgestellt ist. Der Nachweis der Behinderung wird durch eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit oder durch einen Bescheid über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht. Die besonderen Regelun- gen für schwerbehinderte Menschen, mit Ausnahme des § 102 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe c, werden nicht angewendet. § 69 Feststellung der Behinderung, Ausweise (1) Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Beantragt eine erwerbstätige Person die Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch (§ 2 Abs. 2), gelten die in § 14 Abs. 2 Satz 2 und 4 sowie Abs. 5 Satz 2 und 5 genannten Fristen sowie § 60 Abs. 1 des Ersten Buches entsprechend. Das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung ist entsprechend anzuwenden, soweit nicht das Zehnte Buch Anwendung findet. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Die im Rahmen des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt. Durch Landesrecht kann die Zuständigkeit abweichend von Satz 1 geregelt werden. (2) Feststellungen nach Absatz 1 sind nicht zu treffen, wenn eine Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer auf ihr beruhenden Erwerbsminderung schon in einem Rentenbescheid, einer entsprechenden Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung oder einer vorläufigen Bescheinigung der für diese Entscheidungen zuständigen Dienststellen getroffen worden ist, es sei denn, dass der behinderte Mensch ein Interesse an anderweitiger Feststellung nach Absatz 1 glaubhaft macht. Eine Feststellung nach Satz 1 gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. (3) Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Für diese Entscheidung gilt Absatz 1, es sei denn, dass in einer Entscheidung nach Absatz 2 eine Gesamtbeurteilung bereits getroffen worden ist. (4) Sind neben dem Vorliegen der Behinderung 204 A MTLICHE T EXTE weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1. (5) Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie im Falle des Absatzes 4 über weitere gesundheitliche Merkmale aus. Der Ausweis dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen nach Teil 2 oder nach anderen Vorschriften zustehen. Die Gültigkeitsdauer des Ausweises soll befristet werden. Er wird eingezogen, sobald der gesetzliche Schutz schwerbehinderter Menschen erloschen ist. Der Ausweis wird berichtigt, sobald eine Neufeststellung unanfechtbar geworden ist. § 70 Verordnungsermächtigung Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Vorschriften über die Gestaltung der Ausweise, ihre Gültigkeit und das Verwaltungsverfahren zu erlassen. Kapitel 2 BESCHÄFTIGUNGSPFLICHT ARBEITGEBER DER § 71 Pflicht der Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen (1) Private und öffentliche Arbeitgeber (Arbeitgeber) mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen im Sinne des § 73 haben auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Dabei sind schwerbehinderte Frauen besonders zu berücksichtigen. Abweichend von Satz 1 haben Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 40 Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat einen schwerbehinderten Menschen, Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 60 Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat zwei schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. (2) (weggefallen) (3) Als öffentliche Arbeitgeber im Sinne des Teils 2 gelten 1. jede oberste Bundesbehörde mit ihren nachgeordneten Dienststellen, das Bundespräsidialamt, die Verwaltungen des Deutschen Bundestages und Bundesrates, das Bundesverfassungsgericht, die obersten Gerichtshöfe des Bundes, der Bundesgerichtshof jedoch zusammengefasst mit dem Generalbundesanwalt, sowie das Bundeseisenbahnvermögen, 2. jede oberste Landesbehörde und die Staatsund Präsidialkanzleien mit ihren nachgeordneten Dienststellen, die Verwaltungen der Landtage, die Rechnungshöfe (Rechnungskammern), die Organe der Verfassungsgerichtsbarkeit der Länder und jede sonstige Landesbehörde, zusammengefasst jedoch diejenigen Behörden, die eine gemeinsame Personalverwaltung haben, 3. jede sonstige Gebietskörperschaft und jeder Verband von Gebietskörperschaften, 4. jede sonstige Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts. § 72 Beschäftigung besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen (1) Im Rahmen der Erfüllung der Beschäftigungspflicht sind in angemessenem Umfang zu beschäftigen 1. schwerbehinderte Menschen, die nach Art oder Schwere ihrer Behinderung im Arbeitsleben besonders betroffen sind, insbesondere solche, a) die zur Ausübung der Beschäftigung wegen ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend einer besonderen Hilfskraft bedürfen oder b) deren Beschäftigung infolge ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend mit außergewöhnlichen Aufwendungen für den Arbeitgeber verbunden ist oder c) die infolge ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend offensichtlich nur eine wesentlich verminderte Arbeitsleistung erbringen können oder d) bei denen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 allein infolge geistiger oder seelischer Behinderung oder eines Anfallsleidens vorliegt oder 205 SGB IX e) die wegen Art oder Schwere der Behinderung keine abgeschlossene Berufsbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes haben, 2. schwerbehinderte Menschen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. (2) Arbeitgeber mit Stellen zur beruflichen Bildung, insbesondere für Auszubildende, haben im Rahmen der Erfüllung der Beschäftigungspflicht einen angemessenen Anteil dieser Stellen mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. 2Hierüber ist mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93 und der Schwerbehindertenvertretung zu beraten. § 73 Begriff des Arbeitsplatzes (1) Arbeitsplätze im Sinne des Teils 2 sind alle Stellen, auf denen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. (2) Als Arbeitsplätze gelten nicht die Stellen, auf denen beschäftigt werden 1. behinderte Menschen, die an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 Abs. 3 Nr. 3 in Betrieben oder Dienststellen teilnehmen, 2. Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist, und Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften, 3. Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung oder Erziehung erfolgt, 4. Personen, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Dritten Buch teilnehmen, 5. Personen, die nach ständiger Übung in ihre Stellen gewählt werden, 6. (weggefallen) 7. Personen, deren Arbeits-, Dienst- oder sonstiges Beschäftigungsverhältnis wegen Wehroder Zivildienst, Elternzeit, unbezahltem Urlaub, wegen Bezuges einer Rente auf Zeit oder bei Altersteilzeitarbeit in der Freistellungsphase (Verblockungsmodell) ruht, solange für sie eine Vertretung eingestellt ist. (3) Als Arbeitsplätze gelten ferner nicht Stellen, die nach der Natur der Arbeit oder nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen nur auf die Dauer von höchstens acht Wochen besetzt sind, sowie Stellen, auf denen Beschäftigte weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt werden. § 74 Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der Pflichtarbeitsplatzzahl (1) Bei der Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der Zahl der Arbeitsplätze, auf denen schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen sind (§ 71), zählen Stellen, auf denen Auszubildende beschäftigt werden, nicht mit. Das Gleiche gilt für Stellen, auf denen Rechts- oder Studienreferendare und -referendarinnen beschäftigt werden, die einen Rechtsanspruch auf Einstellung haben. (2) Bei der Berechnung sich ergebende Bruchteile von 0,5 und mehr sind aufzurunden, bei Arbeitgebern mit jahresdurchschnittlich weniger als 60 Arbeitsplätzen abzurunden. § 75 Anrechnung Beschäftigter auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen (1) Ein schwerbehinderter Mensch, der auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1, 4 oder 6 beschäftigt wird, wird auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen angerechnet. (2) Ein schwerbehinderter Mensch, der in Teilzeitbeschäftigung kürzer als betriebsüblich, aber nicht weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt wird, wird auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen angerechnet. Bei Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf weniger als 18 Stunden infolge von Altersteilzeit gilt Satz 1 entsprechend. Wird ein schwerbehinderter Mensch weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt, lässt die Agentur für Arbeit die Anrechnung auf einen dieser Pflichtarbeitsplätze zu, wenn die Teilzeitbeschäftigung wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist. (2a) Ein schwerbehinderter Mensch, der im Rahmen einer Maßnahme zur Förderung des Übergangs aus der Werkstatt für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 5 Abs. 4 Satz 1 der Werkstättenverordnung) 206 A MTLICHE T EXTE beschäftigt wird, wird auch für diese Zeit auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze angerechnet. (3) Ein schwerbehinderter Arbeitgeber wird auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen angerechnet. (4) Der Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins wird, auch wenn er kein schwerbehinderter oder gleichgestellter behinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 oder 3 ist, auf einen Pflichtarbeitsplatz angerechnet. § 76 Mehrfachanrechnung (1) Die Bundesagentur für Arbeit kann die Anrechnung eines schwerbehinderten Menschen, besonders eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 72 Abs. 1 auf mehr als einen Pflichtarbeitsplatz, höchstens drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zulassen, wenn dessen Teilhabe am Arbeitsleben auf besondere Schwierigkeiten stößt. Satz 1 gilt auch für schwerbehinderte Menschen im Anschluss an eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen und für teilzeitbeschäftigte schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 75 Abs. 2. (2) Ein schwerbehinderter Mensch, der beruflich ausgebildet wird, wird auf zwei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet. Satz 1 gilt auch während der Zeit einer Ausbildung im Sinne des § 35 Abs. 2, die in einem Betrieb oder einer Dienststelle durchgeführt wird. Die Bundesagentur für Arbeit kann die Anrechnung auf drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zulassen, wenn die Vermittlung in eine berufliche Ausbildungsstelle wegen Art oder Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt. Bei Übernahme in ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis durch den ausbildenden oder einen anderen Arbeitgeber im Anschluss an eine abgeschlossene Ausbildung wird der schwerbehinderte Mensch im ersten Jahr der Beschäftigung auf zwei Pflichtarbeitsplätze angerechnet; Absatz 1 bleibt unberührt. (3) Bescheide über die Anrechnung eines schwerbehinderten Menschen auf mehr als drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen, die vor dem 1. August 1986 erlassen worden sind, gelten fort. § 77 Ausgleichsabgabe (1) Solange Arbeitgeber die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, entrichten sie für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen eine Ausgleichsabgabe. Die Zahlung der Ausgleichsabgabe hebt die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht auf. Die Ausgleichsabgabe wird auf der Grundlage einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote ermittelt. (2) Die Ausgleichsabgabe beträgt je unbesetzten Pflichtarbeitsplatz 1. 105 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 3 Prozent bis weniger als dem geltenden Pflichtsatz, 2. 180 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 2 Prozent bis weniger als 3 Prozent, 3. 260 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von weniger als 2 Prozent. Abweichend von Satz 1 beträgt die Ausgleichsabgabe je unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen 1. für Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich weniger als 40 zu berücksichtigenden Arbeitsplätzen bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von weniger als einem schwerbehinderten Menschen 105 Euro und 2. für Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich weniger als 60 zu berücksichtigenden Arbeitsplätzen bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von weniger als zwei schwerbehinderten Menschen 105 Euro und bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von weniger als einem schwerbehinderten Menschen 180 Euro. (3) Die Ausgleichsabgabe erhöht sich entsprechend der Veränderung der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches. Sie erhöht sich zum 1. Januar eines Kalenderjahres, wenn sich die Bezugsgröße seit der letzten Neubestimmung der Beträge der Ausgleichsabgabe um wenigstens 10 Prozent erhöht hat. Die Erhöhung der Ausgleichsabgabe erfolgt, indem der Faktor für die Veränderung der Bezugsgröße mit dem jeweiligen Betrag der Ausgleichsabgabe vervielfältigt wird. Die sich ergebenden Beträge sind auf den nächsten durch fünf teilbaren Betrag abzurunden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt den Erhöhungsbetrag und die sich nach Satz 3 ergeben- 207 SGB IX den Beträge der Ausgleichsabgabe im Bundesanzeiger bekannt. (4) Die Ausgleichsabgabe zahlt der Arbeitgeber jährlich zugleich mit der Erstattung der Anzeige nach § 80 Abs. 2 an das für seinen Sitz zuständige Integrationsamt. Ist ein Arbeitgeber mehr als drei Monate im Rückstand, erlässt das Integrationsamt einen Feststellungsbescheid über die rückständigen Beträge und zieht diese ein. Für rückständige Beträge der Ausgleichsabgabe erhebt das Integrationsamt nach dem 31. März Säumniszuschläge nach Maßgabe des § 24 Abs. 1 des Vierten Buches; für ihre Verwendung gilt Absatz 5 entsprechend. Das Integrationsamt kann in begründeten Ausnahmefällen von der Erhebung von Säumniszuschlägen absehen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Feststellungsbescheid haben keine aufschiebende Wirkung. Gegenüber privaten Arbeitgebern wird die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften über das Verwaltungszwangsverfahren durchgeführt. Bei öffentlichen Arbeitgebern wendet sich das Integrationsamt an die Aufsichtsbehörde, gegen deren Entscheidung es die Entscheidung der obersten Bundes- oder Landesbehörde anrufen kann. Die Ausgleichsabgabe wird nach Ablauf des Kalenderjahres, das auf den Eingang der Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit folgt, weder nachgefordert noch erstattet. (5) Die Ausgleichsabgabe darf nur für besondere Leistungen zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben einschließlich begleitender Hilfe im Arbeitsleben (§ 102 Abs. 1 Nr. 3) verwendet werden, soweit Mittel für denselben Zweck nicht von anderer Seite zu leisten sind oder geleistet werden. Aus dem Aufkommen an Ausgleichsabgabe dürfen persönliche und sächliche Kosten der Verwaltung und Kosten des Verfahrens nicht bestritten werden. Das Integrationsamt gibt dem Beratenden Ausschuss für behinderte Menschen bei dem Integrationsamt (§ 103) auf dessen Verlangen eine Übersicht über die Verwendung der Ausgleichsabgabe. (6) Die Integrationsämter leiten den in der Rechtsverordnung nach § 79 bestimmten Prozentsatz des Aufkommens an Ausgleichsabgabe an den Ausgleichsfonds (§ 78) weiter. Zwischen den Integrationsämtern wird ein Ausgleich herbeigeführt. Der auf das einzelne Inte- grationsamt entfallende Anteil am Aufkommen an Ausgleichsabgabe bemisst sich nach dem Mittelwert aus dem Verhältnis der Wohnbevölkerung im Zuständigkeitsbereich des Integrationsamtes zur Wohnbevölkerung im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches und dem Verhältnis der Zahl der im Zuständigkeitsbereich des Integrationsamtes in den Betrieben und Dienststellen beschäftigungspflichtiger Arbeitgeber auf Arbeitsplätzen im Sinne des § 73 beschäftigten und der bei den Agenturen für Arbeit arbeitslos gemeldeten schwerbehinderten und diesen gleichgestellten behinderten Menschen zur entsprechenden Zahl der schwerbehinderten und diesen gleichgestellten behinderten Menschen im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs. (7) Die bei den Integrationsämtern verbleibenden Mittel der Ausgleichsabgabe werden von diesen gesondert verwaltet. Die Rechnungslegung und die formelle Einrichtung der Rechnungen und Belege regeln sich nach den Bestimmungen, die für diese Stellen allgemein maßgebend sind. (8) Für die Verpflichtung zur Entrichtung einer Ausgleichsabgabe (Absatz 1) gelten hinsichtlich der in § 71 Abs. 3 Nr. 1 genannten Stellen der Bund und hinsichtlich der in § 71 Abs. 3 Nr. 2 genannten Stellen das Land als ein Arbeitgeber. § 78 Ausgleichsfonds Zur besonderen Förderung der Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf Arbeitsplätzen und zur Förderung von Einrichtungen und Maßnahmen, die den Interessen mehrerer Länder auf dem Gebiet der Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben dienen, ist beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales als zweckgebundene Vermögensmasse ein Ausgleichsfonds für überregionale Vorhaben zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben gebildet. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales verwaltet den Ausgleichsfonds. § 79 Verordnungsermächtigungen Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates 1. die Pflichtquote nach § 71 Abs. 1 nach dem 208 A MTLICHE T EXTE jeweiligen Bedarf an Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen zu ändern, jedoch auf höchstens 10 Prozent zu erhöhen oder bis auf 4 Prozent herabzusetzen; dabei kann die Pflichtquote für öffentliche Arbeitgeber höher festgesetzt werden als für private Arbeitgeber, 2. nähere Vorschriften über die Verwendung der Ausgleichsabgabe nach § 77 Abs. 5 und die Gestaltung des Ausgleichsfonds nach § 78, die Verwendung der Mittel durch ihn für die Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben und das Vergabe- und Verwaltungsverfahren des Ausgleichsfonds zu erlassen, 3. in der Rechtsverordnung nach Nummer 2 a) den Anteil des an den Ausgleichsfonds weiterzuleitenden Aufkommens an Ausgleichsabgabe entsprechend den erforderlichen Aufwendungen zur Erfüllung der Aufgaben des Ausgleichsfonds und der Integrationsämter, b) den Ausgleich zwischen den Integrationsämtern auf Vorschlag der Länder oder einer Mehrheit der Länder abweichend von § 77 Abs. 6 Satz 3 sowie c) die Zuständigkeit für die Förderung von Einrichtungen nach § 30 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung abweichend von § 41 Abs. 2 Nr. 1 dieser Verordnung und von Integrationsbetrieben und -abteilungen abweichend von § 41 Abs. 1 Nr. 3 dieser Verordnung zu regeln, die Ausgleichsabgabe bei Arbeitgebern, die über weniger als 30 Arbeitsplätze verfügen, für einen bestimmten Zeitraum allgemein oder für einzelne Bundesländer herabzusetzen oder zu erlassen, wenn die Zahl der unbesetzten Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen die Zahl der zu beschäftigenden schwerbehinderten Menschen so erheblich übersteigt, dass die Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen dieser Arbeitgeber nicht in Anspruch genommen zu werden brauchen. Kapitel 3 SONSTIGE PFLICHTEN DER ARBEITGEBER; RECHTE DER S C H W E R B E H I N D E RT E N M E N S C H E N § 80 Zusammenwirken der Arbeitgeber mit der Bundesagentur für Arbeit und den Integrationsämtern (1) Die Arbeitgeber haben, gesondert für jeden Betrieb und jede Dienststelle, ein Verzeichnis der bei ihnen beschäftigten schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten behinderten Menschen und sonstigen anrechnungsfähigen Personen laufend zu führen und dieses den Vertretern oder Vertreterinnen der Bundesagentur für Arbeit und des Integrationsamtes, die für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständig sind, auf Verlangen vorzulegen. (2) Die Arbeitgeber haben der für ihren Sitz zuständigen Agentur für Arbeit einmal jährlich bis spätestens zum 31. März für das vorangegangene Kalenderjahr, aufgegliedert nach Monaten, die Daten anzuzeigen, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung ihrer Erfüllung und der Ausgleichsabgabe notwendig sind. Der Anzeige sind das nach Absatz 1 geführte Verzeichnis sowie eine Kopie der Anzeige und des Verzeichnisses zur Weiterleitung an das für ihren Sitz zuständige Integrationsamt beizufügen. Dem Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat, der Schwerbehindertenvertretung und dem Beauftragten des Arbeitgebers ist je eine Kopie der Anzeige und des Verzeichnisses zu übermitteln. (3) Zeigt ein Arbeitgeber die Daten bis zum 30. Juni nicht, nicht richtig oder nicht vollständig an, erlässt die Bundesagentur für Arbeit nach Prüfung in tatsächlicher sowie in rechtlicher Hinsicht einen Feststellungsbescheid über die zur Berechnung der Zahl der Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen und der besetzten Arbeitsplätze notwendigen Daten. (4) Die Arbeitgeber, die Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen nicht zur Verfügung zu stellen haben, haben die Anzeige nur nach Aufforderung durch die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen einer repräsentativen Teilerhebung zu erstatten, die mit dem Ziel der Erfassung der in Absatz 1 genannten Perso- 209 SGB IX nengruppen, aufgegliedert nach Bundesländern, alle fünf Jahre durchgeführt wird. (5) Die Arbeitgeber haben der Bundesagentur für Arbeit und dem Integrationsamt auf Verlangen die Auskünfte zu erteilen, die zur Durchführung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter behinderter Menschen am Arbeitsleben notwendig sind. (6) Für das Verzeichnis und die Anzeige des Arbeitgebers sind die mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen abgestimmten Vordrucke der Bundesagentur für Arbeit zu verwenden. Die Bundesagentur für Arbeit soll zur Durchführung des Anzeigeverfahrens in Abstimmung mit der Bundesarbeitsgemeinschaft ein elektronisches Übermittlungsverfahren zulassen. (7) Die Arbeitgeber haben den Beauftragten der Bundesagentur für Arbeit und des Integrationsamtes auf Verlangen Einblick in ihren Betrieb oder ihre Dienststelle zu geben, soweit es im Interesse der schwerbehinderten Menschen erforderlich ist und Betriebs- oder Dienstgeheimnisse nicht gefährdet werden. (8) Die Arbeitgeber haben die Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen (§ 94 Abs. 1 Satz 1 bis 3 und § 97 Abs. 1 bis 5) unverzüglich nach der Wahl und ihren Beauftragten für die Angelegenheiten der schwerbehinderten Menschen (§ 98 Satz 1) unverzüglich nach der Bestellung der für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständigen Agentur für Arbeit und dem Integrationsamt zu benennen. (9) Die Bundesagentur für Arbeit erstellt und veröffentlicht alljährlich eine Übersicht über die Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen bei den einzelnen öffentlichen Arbeitgebern. § 81 Pflichten des Arbeitgebers und Rechte schwerbehinderter Menschen (1) Die Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Sie nehmen frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit auf. Die Bundesagentur für Arbeit oder ein Integra- tionsfachdienst schlägt den Arbeitgebern geeignete schwerbehinderte Menschen vor. Über die Vermittlungsvorschläge und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen haben die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 genannten Vertretungen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten. Bei Bewerbungen schwerbehinderter Richter und Richterinnen wird der Präsidialrat unterrichtet und gehört, soweit dieser an der Ernennung zu beteiligen ist. Bei der Prüfung nach Satz 1 beteiligen die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 und hören die in § 93 genannten Vertretungen an. Erfüllt der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht und ist die Schwerbehindertenvertretung oder eine in § 93 genannte Vertretung mit der beabsichtigten Entscheidung des Arbeitgebers nicht einverstanden, ist diese unter Darlegung der Gründe mit ihnen zu erörtern. Dabei wird der betroffene schwerbehinderte Mensch angehört. All Beteiligten sind vom Arbeitgeber über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten. Bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen ist die Schwerbehindertenvertretung nicht zu beteiligen, wenn der schwerbehinderte Mensch die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich ablehnt. (2) Arbeitgeber dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. (3) Die Arbeitgeber stellen durch geeignete Maßnahmen sicher, dass in ihren Betrieben und Dienststellen wenigstens die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung finden kann. Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. (4) Die schwerbehinderten Menschen haben gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf 1. Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können, 2. bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens, 210 A MTLICHE T EXTE 3. Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung, 4. behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr, 5. Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung. Bei der Durchführung der Maßnahmen nach den Nummern 1, 4 und 5 unterstützt die Bundesagentur für Arbeit und die Integrationsämter die Arbeitgeber unter Berücksichtigung der für die Beschäftigung wesentlichen Eigenschaften der schwerbehinderten Menschen. Ein Anspruch nach Satz 1 besteht nicht, soweit seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen. (5) Die Arbeitgeber fördern die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen. Sie werden dabei von den Integrationsämtern unterstützt. Schwerbehinderte Menschen haben einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist; Absatz 4 Satz 3 gilt entsprechend. § 82 Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze (§ 73). Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Einer Integrationsvereinbarung nach § 83 bedarf es nicht, wenn für die Dienst- stellen dem § 83 entsprechende Regelungen bereits bestehen und durchgeführt werden. § 83 Integrationsvereinbarung (1) Die Arbeitgeber treffen mit der Schwerbehindertenvertretung und den in § 93 genannten Vertretungen in Zusammenarbeit mit dem Beauftragten des Arbeitgebers (§ 98) eine verbindliche Integrationsvereinbarung. Auf Antrag der Schwerbehindertenvertretung wird unter Beteiligung der in § 93 genannten Vertretungen hierüber verhandelt. Ist eine Schwerbehindertenvertretung nicht vorhanden, steht das Antragsrecht den in § 93 genannten Vertretungen zu. Der Arbeitgeber oder die Schwerbehindertenvertretung können das Integrationsamt einladen, sich an den Verhandlungen über die Integrationsvereinbarung zu beteiligen. Der Agentur für Arbeit und dem Integrationsamt, die für den Sitz des Arbeitgebers zuständig sind, wird die Vereinbarung übermittelt. (2) Die Vereinbarung enthält Regelungen im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen, insbesondere zur Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfelds, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit sowie Regelungen über die Durchführung in den Betrieben und Dienststellen. Bei der Personalplanung werden besondere Regelungen zur Beschäftigung eines angemessenen Anteils von schwerbehinderten Frauen vorgesehen. (2a) In der Vereinbarung können insbesondere auch Regelungen getroffen werden 1. zur angemessenen Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier, frei werdender oder neuer Stellen, 2. zu einer anzustrebenden Beschäftigungsquote, einschließlich eines angemessenen Anteils schwerbehinderter Frauen, 3. zu Teilzeitarbeit, 4. zur Ausbildung behinderter Jugendlicher, 5. zur Durchführung der betrieblichen Prävention (betriebliches Eingliederungsmanagement) und zur Gesundheitsförderung, 6. über die Hinzuziehung des Werks- oder Betriebsarztes auch für Beratungen über Leistungen zur Teilhabe sowie über besondere Hilfen im Arbeitsleben. (3) In den Versammlungen schwerbehinderter 211 SGB IX Menschen berichtet der Arbeitgeber über alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen. § 84 Prävention (1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann. (2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich wird der Werksoder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 erbracht werden. Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt. (3) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter können Arbeitgeber, die ein betriebliches Eingliederungsmanagement einführen, durch Prämien oder einen Bonus fördern. Kapitel 4 KÜNDIGUNGSSCHUTZ § 85 Erfordernis der Zustimmung Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. § 86 Kündigungsfrist Die Kündigungsfrist beträgt mindestens vier Wochen. § 87 Antragsverfahren (1) Die Zustimmung zur Kündigung beantragt der Arbeitgeber bei dem für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständigen Integrationsamt schriftlich. Der Begriff des Betriebes und der Begriff der Dienststelle im Sinne des Teils 2 bestimmen sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz und dem Personalvertretungsrecht. (2) Das Integrationsamt holt eine Stellungnahme des Betriebsrates oder Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung ein und hört den schwerbehinderten Menschen an. (3) Das Integrationsamt wirkt in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hin. § 88 Entscheidung des Integrationsamtes (1) Das Integrationsamt soll die Entscheidung, falls erforderlich auf Grund mündlicher Verhandlung, innerhalb eines Monats vom Tage des Eingangs des Antrages an treffen. (2) Die Entscheidung wird dem Arbeitgeber und dem schwerbehinderten Menschen zugestellt. Der Bundesagentur für Arbeit wird eine Abschrift der Entscheidung übersandt. (3) Erteilt das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung, kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Zustellung erklären. 212 A MTLICHE T EXTE (4) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung haben keine aufschiebende Wirkung. (5) In den Fällen des § 89 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass die Entscheidung innerhalb eines Monats vom Tage des Eingangs des Antrages an zu treffen ist. Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt. Die Absätze 3 und 4 gelten entsprechend. zu entlassenden schwerbehinderten Menschen an der Zahl der beschäftigten schwerbehinderten Menschen nicht größer ist als der Anteil der zu entlassenden übrigen Arbeitnehmer an der Zahl der beschäftigten übrigen Arbeitnehmer und 4. die Gesamtzahl der schwerbehinderten Menschen, die nach dem Interessenausgleich bei dem Arbeitgeber verbleiben sollen, zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 71 ausreicht. § 89 Einschränkungen der Ermessensentscheidung § 90 Ausnahmen (1) Das Integrationsamt erteilt die Zustimmung bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen, die nicht nur vorübergehend eingestellt oder aufgelöst werden, wenn zwischen dem Tage der Kündigung und dem Tage, bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen. Unter der gleichen Voraussetzung soll es die Zustimmung auch bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen erteilen, die nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt werden, wenn die Gesamtzahl der weiterhin beschäftigten schwerbehinderten Menschen zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 71 ausreicht. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz desselben Betriebes oder derselben Dienststelle oder auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb oder einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers mit Einverständnis des schwerbehinderten Menschen möglich und für den Arbeitgeber zumutbar ist. (2) Das Integrationsamt soll die Zustimmung erteilen, wenn dem schwerbehinderten Menschen ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz gesichert ist. (3) Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet, soll das Integrationsamt die Zustimmung erteilen, wenn 1. der schwerbehinderte Mensch in einem Interessenausgleich namentlich als einer der zu entlassenden Arbeitnehmer bezeichnet ist (§ 125 der Insolvenzordnung), 2. die Schwerbehindertenvertretung beim Zustandekommen des Interessenausgleichs gemäß § 95 Abs. 2 beteiligt worden ist, 3. der Anteil der nach dem Interessenausgleich (1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten nicht für schwerbehinderte Menschen, 1. deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate besteht oder 2. die auf Stellen im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 beschäftigt werden oder 3. deren Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet wird, sofern sie a) das 58. Lebensjahr vollendet haben und Anspruch auf eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung auf Grund eines Sozialplanes haben oder b) Anspruch auf Knappschaftsausgleichsleistung nach dem Sechsten Buch oder auf Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus haben, wenn der Arbeitgeber ihnen die Kündigungsabsicht rechtzeitig mitgeteilt hat und sie der beabsichtigten Kündigung bis zu deren Ausspruch nicht widersprechen. (2) Die Vorschriften dieses Kapitels finden ferner bei Entlassungen, die aus Witterungsgründen vorgenommen werden, keine Anwendung, sofern die Wiedereinstellung der schwerbehinderten Menschen bei Wiederaufnahme der Arbeit gewährleistet ist. (2a) Die Vorschriften dieses Kapitels finden ferner keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte. (3) Der Arbeitgeber zeigt Einstellungen auf Probe und die Beendigung von Arbeitsverhältnis- 213 SGB IX sen schwerbehinderter Menschen in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 unabhängig von der Anzeigepflicht nach anderen Gesetzen dem Integrationsamt innerhalb von vier Tagen an. § 91 Außerordentliche Kündigung (1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten mit Ausnahme von § 86 auch bei außerordentlicher Kündigung, soweit sich aus den folgenden Bestimmungen nichts Abweichendes ergibt. (2) Die Zustimmung zur Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen beantragt werden; maßgebend ist der Eingang des Antrages bei dem Integrationsamt. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. (3) Das Integrationsamt trifft die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen vom Tage des Eingangs des Antrages an. Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt. (4) Das Integrationsamt soll die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. (5) Die Kündigung kann auch nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erfolgen, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung erklärt wird. (6) Schwerbehinderte Menschen, denen lediglich aus Anlass eines Streiks oder einer Aussperrung fristlos gekündigt worden ist, werden nach Beendigung des Streiks oder der Aussperrung wieder eingestellt. § 92 Erweiterter Beendigungsschutz Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen bedarf auch dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, wenn sie im Falle des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung, der Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung erfolgt. Die Vorschriften dieses Kapitels über die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung gelten entsprechend. Kapitel 5 B E T R I E B S -, P E R S O N A L -, R I C H T E R -, S TA AT S A N WA LT S - U N D P R Ä S I D I A L R AT, S C H W E R B E H I N D E RT E N V E RT R E T U N G , BEAUFTRAGTER DES ARBEITGEBERS § 93 Aufgaben des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrates Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwaltsund Präsidialrat fördern die Eingliederung schwerbehinderter Menschen. Sie achten insbesondere darauf, dass die dem Arbeitgeber nach den §§ 71, 72, 81 bis 84 obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden; sie wirken auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung hin. § 94 Wahl und Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung (1) In Betrieben und Dienststellen, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, werden eine Vertrauensperson und wenigstens ein stellvertretendes Mitglied gewählt, das die Vertrauensperson im Falle der Verhinderung durch Abwesenheit oder Wahrnehmung anderer Aufgaben vertritt. Ferner wählen bei Gerichten, denen mindestens fünf schwerbehinderte Richter oder Richterinnen angehören, diese einen Richter oder eine Richterin zu ihrer Schwerbehindertenvertretung. Satz 2 gilt entsprechend für Staatsanwälte oder Staatsanwältinnen, soweit für sie eine besondere Personalvertretung gebildet wird. Betriebe oder Dienststellen, die die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllen, können für die Wahl mit räumlich nahe liegenden Betrieben des Arbeitgebers oder gleichstufigen Dienststellen derselben Verwaltung zusammengefasst werden; soweit erforderlich, können Gerichte unterschiedlicher Gerichtszweige und Stufen zusammengefasst werden. Über die Zusammenfassung entscheidet der Arbeitgeber im Benehmen mit dem für den Sitz der Betriebe oder Dienststellen einschließlich Gerichten zuständigen Integrationsamt. (2) Wahlberechtigt sind alle in dem Betrieb oder der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen. 214 A MTLICHE T EXTE (3) Wählbar sind alle in dem Betrieb oder der Dienststelle nicht nur vorübergehend Beschäftigten, die am Wahltage das 18. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb oder der Dienststelle seit sechs Monaten angehören; besteht der Betrieb oder die Dienststelle weniger als ein Jahr, so bedarf es für die Wählbarkeit nicht der sechsmonatigen Zugehörigkeit. Nicht wählbar ist, wer kraft Gesetzes dem Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat nicht angehören kann. (4) Bei Dienststellen der Bundeswehr, bei denen eine Vertretung der Soldaten nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz zu wählen ist, sind auch schwerbehinderte Soldaten und Soldatinnen wahlberechtigt und auch Soldaten und Soldatinnen wählbar. (5) Die regelmäßigen Wahlen finden alle vier Jahre in der Zeit vom 1. Oktober bis 30. November statt. 2Außerhalb dieser Zeit finden Wahlen statt, wenn 1. das Amt der Schwerbehindertenvertretung vorzeitig erlischt und ein stellvertretendes Mitglied nicht nachrückt, 2. die Wahl mit Erfolg angefochten worden ist oder 3. eine Schwerbehindertenvertretung noch nicht gewählt ist. Hat außerhalb des für die regelmäßigen Wahlen festgelegten Zeitraumes eine Wahl der Schwerbehindertenvertretung stattgefunden, wird die Schwerbehindertenvertretung in dem auf die Wahl folgenden nächsten Zeitraum der regelmäßigen Wahlen neu gewählt. Hat die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung zu Beginn für des für die regelmäßigen Wahlen festgelegten Zeitraums noch noch nicht ein Jahr betragen, wird die Schwerbehindertenvertretung im übernächsten Zeitraum für regelmäßige Wahlen neu gewählt. (6) Die Vertrauensperson und das stellvertretende Mitglied werden in geheimer und unmittelbarer Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl gewählt. Im Übrigen sind die Vorschriften über die Wahlanfechtung, den Wahlschutz und die Wahlkosten bei der Wahl des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates sinngemäß anzuwenden. In Betrieben und Dienststellen mit weniger als 50 wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen wird die Vertrauensperson und das stellvertretende Mitglied im vereinfachten Wahlverfahren gewählt, sofern der Betrieb oder die Dienststelle nicht aus räumlich weit auseinander liegenden Teilen besteht. Ist in einem Betrieb oder einer Dienststelle eine Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt, so kann das für den Betrieb oder die Dienststelle zuständige Integrationsamt zu einer Versammlung schwerbehinderter Menschen zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstandes einladen. (7) Die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung beträgt vier Jahre. Sie beginnt mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses oder, wenn die Amtszeit der bisherigen Schwerbehindertenvertretung noch nicht beendet ist, mit deren Ablauf. Das Amt erlischt vorzeitig, wenn die Vertrauensperson es niederlegt, aus dem Arbeits-, Dienst- oder Richterverhältnis ausscheidet oder die Wählbarkeit verliert. Scheidet die Vertrauensperson vorzeitig aus dem Amt aus, rückt das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied für den Rest der Amtszeit nach; dies gilt für das stellvertretende Mitglied entsprechend. Auf Antrag eines Viertels der wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen kann der Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt (§ 119) das Erlöschen des Amtes einer Vertrauensperson wegen grober Verletzung ihrer Pflichten beschließen. § 95 Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung (1) Die Schwerbehindertenvertretung fördert die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle, vertritt ihre Interessen in dem Betrieb oder der Dienststelle und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Sie erfüllt ihre Aufgaben insbesondere dadurch, dass sie 1. darüber wacht, dass die zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt, insbesondere auch die dem Arbeitgeber nach den §§ 71, 72 und 81 bis 84 obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden, 2. Maßnahmen, die den schwerbehinderten Menschen dienen, insbesondere auch präventive Maßnahmen, bei den zuständigen Stellen beantragt, 215 SGB IX 3. Anregungen und Beschwerden von schwerbehinderten Menschen entgegennimmt und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlung mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinwirkt; sie unterrichtet die schwerbehinderten Menschen über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen. Die Schwerbehindertenvertretung unterstützt Beschäftigte auch bei Anträgen an die nach § 69 Abs. 1 zuständigen Behörden auf Feststellung einer Behinderung, ihres Grades und einer Schwerbehinderung sowie bei Anträgen auf Gleichstellung an die Agentur für Arbeit. In Betrieben und Dienststellen mit in der Regel mehr als 100 schwerbehinderten Menschen kann sie nach Unterrichtung des Arbeitgebers das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranziehen, in Betrieben und Dienststellen mit mehr als 200 schwerbehinderten Menschen, das mit der nächsthöchsten Stimmzahl gewählte weitere stellvertretende Mitglied. Die Heranziehung zu bestimmten Aufgaben schließt die Abstimmung untereinander ein. (2) Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 81 Abs. 1 und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nach § 81 Abs. 1 oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen. (3) Der schwerbehinderte Mensch hat das Recht, bei Einsicht in die über ihn geführte Personalakte oder ihn betreffende Daten des Arbeitgebers die Schwerbehindertenvertretung hinzuzuziehen. Die Schwerbehindertenvertretung bewahrt über den Inhalt der Daten Stillschweigen, soweit sie der schwerbehinderte Mensch nicht von dieser Verpflichtung entbunden hat. (4) Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates und deren Ausschüssen sowie des Arbeitsschutzausschusses beratend teilzunehmen; sie kann beantragen, Angelegenheiten, die einzelne oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. Erachtet sie einen Beschluss des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen schwerbehinderter Menschen oder ist sie entgegen Absatz 2 Satz 1 nicht beteiligt worden, wird auf ihren Antrag der Beschluss für die Dauer von einer Woche vom Zeitpunkt der Beschlussfassung an ausgesetzt; die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und des Personalvertretungsrechtes über die Aussetzung von Beschlüssen gelten entsprechend. Durch die Aussetzung wird eine Frist nicht verlängert. In den Fällen des § 21 e Abs. 1 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist die Schwerbehindertenvertretung, außer in Eilfällen, auf Antrag eines betroffenen schwerbehinderten Richters oder einer schwerbehinderten Richterin vor dem Präsidium des Gerichtes zu hören. (5) Die Schwerbehindertenvertretung wird zu Besprechungen nach § 74 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, § 66 Abs. 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes sowie den entsprechenden Vorschriften des sonstigen Personalvertretungsrechtes zwischen dem Arbeitgeber und den in Absatz 4 genannten Vertretungen hinzugezogen. (6) Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, mindestens einmal im Kalenderjahr eine Versammlung schwerbehinderter Menschen im Betrieb oder in der Dienststelle durchzuführen. Die für Betriebs- und Personalversammlungen geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung. (7) Sind in einer Angelegenheit sowohl die Schwerbehindertenvertretung der Richter und Richterinnen als auch die Schwerbehindertenvertretung der übrigen Bediensteten beteiligt, so handeln sie gemeinsam. (8) Die Schwerbehindertenvertretung kann an Betriebs- und Personalversammlungen in Be- 216 A MTLICHE T EXTE trieben und Dienststellen teilnehmen, für die sie als Schwerbehindertenvertretung zuständig ist, und hat dort ein Rederecht, auch wenn die Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung nicht Angehörige des Betriebes oder der Dienststelle sind. § 96 Persönliche Rechte und Pflichten der Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen (1) Die Vertrauenspersonen führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. (2) Die Vertrauenspersonen dürfen in der Ausübung ihres Amtes nicht behindert oder wegen ihres Amtes nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. (3) Die Vertrauenspersonen besitzen gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche Rechtsstellung, insbesondere den gleichen Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz wie ein Mitglied des Betriebs-, Personal-, Staatsanwalts- oder Richterrates. Das stellvertretende Mitglied besitzt während der Dauer der Vertretung und der Heranziehung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 die gleiche persönliche Rechtsstellung wie die Vertrauensperson, im Übrigen die gleiche Rechtsstellung wie Ersatzmitglieder der in Satz 1 genannten Vertretungen. (4) Die Vertrauenspersonen werden von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts oder der Dienstbezüge befreit, wenn und soweit es zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Sind in den Betrieben und Dienststellen in der Regel wenigstens 200 schwerbehinderte Menschen beschäftigt, wird die Vertrauensperson auf ihren Wunsch freigestellt; weiter gehende Vereinbarungen sind zulässig. Satz 1 gilt entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind. Satz 3 gilt auch für das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied, wenn wegen 1. ständiger Heranziehung nach § 95, 2. häufiger Vertretung der Vertrauensperson für längere Zeit, 3. absehbaren Nachrückens in das Amt der Schwerbehindertenvertretung in kurzer Frist die Teilnahme an Bildungs- und Schulungsver- anstaltungen erforderlich ist. (5) Freigestellte Vertrauenspersonen dürfen von inner- oder außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsförderung nicht ausgeschlossen werden. Innerhalb eines Jahres nach Beendigung ihrer Freistellung ist ihnen im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebes oder der Dienststelle Gelegenheit zu geben, eine wegen der Freistellung unterbliebene berufliche Entwicklung in dem Betrieb oder der Dienststelle nachzuholen. Für Vertrauenspersonen, die drei volle aufeinander folgende Amtszeiten freigestellt waren, erhöht sich der genannte Zeitraum auf zwei Jahre. (6) Zum Ausgleich für ihre Tätigkeit, die aus betriebsbedingten oder dienstlichen Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, haben die Vertrauenspersonen Anspruch auf entsprechende Arbeits- oder Dienstbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts oder der Dienstbezüge. (7) Die Vertrauenspersonen sind verpflichtet, 1. über ihnen wegen ihres Amtes bekannt gewordene persönliche Verhältnisse und Angelegenheiten von Beschäftigten im Sinne des § 73, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren und 2. ihnen wegen ihres Amtes bekannt gewordene und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnete Betriebsoder Geschäftsgeheimnisse nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten. Diese Pflichten gelten auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Sie gelten nicht gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, den Integrationsämtern und den Rehabilitationsträgern, soweit deren Aufgaben den schwerbehinderten Menschen gegenüber es erfordern, gegenüber den Vertrauenspersonen in den Stufenvertretungen (§ 97) sowie gegenüber den in § 79 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes und den in den entsprechenden Vorschriften des Personalvertretungsrechtes genannten Vertretungen, Personen und Stellen. (8) Die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten trägt der Arbeitgeber. Das Gleiche gilt für die durch die Teilnahme des mit der höchsten Stimmenzahl gewählten stellvertretenden Mitglieds an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen nach Ab- 217 SGB IX satz 4 Satz 3 entstehenden Kosten. (9) Die Räume und der Geschäftsbedarf, die der Arbeitgeber dem Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat für dessen Sitzungen, Sprechstunden und laufende Geschäftsführung zur Verfügung stellt, stehen für die gleichen Zwecke auch der Schwerbehindertenvertretung zur Verfügung, soweit ihr hierfür nicht eigene Räume und sächliche Mittel zur Verfügung gestellt werden. § 97 Konzern-, Gesamt-, Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretung (1) Ist für mehrere Betriebe eines Arbeitgebers ein Gesamtbetriebsrat oder für den Geschäftsbereich mehrerer Dienststellen ein Gesamtpersonalrat errichtet, wählen die Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe oder Dienststellen eine Gesamtschwerbehindertenvertretung. Ist eine Schwerbehindertenvertretung nur in einem der Betriebe oder in einer der Dienststellen gewählt, nimmt sie die Rechte und Pflichten der Gesamtschwerbehindertenvertretung wahr. (2) Ist für mehrere Unternehmen ein Konzernbetriebsrat errichtet, wählen die Gesamtschwerbehindertenvertretungen eine Konzernschwerbehindertenvertretung. Besteht ein Konzernunternehmen nur aus einem Betrieb, für den eine Schwerbehindertenvertretung gewählt ist, hat sie das Wahlrecht wie eine Gesamtschwerbehindertenvertretung. (3) Für den Geschäftsbereich mehrstufiger Verwaltungen, bei denen ein Bezirks- oder Hauptpersonalrat gebildet ist, gilt Absatz 1 sinngemäß mit der Maßgabe, dass bei den Mittelbehörden von deren Schwerbehindertenvertretung und den Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen eine Bezirksschwerbehindertenvertretung zu wählen ist. Bei den obersten Dienstbehörden ist von deren Schwerbehindertenvertretung und den Bezirksschwerbehindertenvertretungen des Geschäftsbereichs eine Hauptschwerbehindertenvertretung zu wählen; ist die Zahl der Bezirksschwerbehindertenvertretungen niedriger als zehn, sind auch die Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen wahlberechtigt. (4) Für Gerichte eines Zweiges der Gerichtsbarkeit, für die ein Bezirks- oder Hauptrichterrat gebildet ist, gilt Absatz 3 entsprechend. Sind in einem Zweig der Gerichtsbarkeit bei den Gerichten der Länder mehrere Schwerbehindertenvertretungen nach § 94 zu wählen und ist in diesem Zweig kein Hauptrichterrat gebildet, ist in entsprechender Anwendung von Absatz 3 eine Hauptschwerbehindertenvertretung zu wählen. Die Hauptschwerbehindertenvertretung nimmt die Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung gegenüber dem Präsidialrat wahr. (5) Für jede Vertrauensperson, die nach den Absätzen 1 bis 4 neu zu wählen ist, wird wenigstens ein stellvertretendes Mitglied gewählt. (6) Die Gesamtschwerbehindertenvertretung vertritt die Interessen der schwerbehinderten Menschen in Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe oder Dienststellen des Arbeitgebers betreffen und von den Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe oder Dienststellen nicht geregelt werden können, sowie die Interessen der schwerbehinderten Menschen, die in einem Betrieb oder einer Dienststelle tätig sind, für die eine Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt ist; dies umfasst auch Verhandlungen und den Abschluss entsprechender Integrationsvereinbarungen. Satz 1 gilt entsprechend für die Konzern-, Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretung sowie für die Schwerbehindertenvertretung der obersten Dienstbehörde, wenn bei einer mehrstufigen Verwaltung Stufenvertretungen nicht gewählt sind. Die nach Satz 2 zuständige Schwerbehindertenvertretung ist auch in persönlichen Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen, über die eine übergeordnete Dienststelle entscheidet, zuständig; sie gibt der Schwerbehindertenvertretung der Dienststelle, die den schwerbehinderten Menschen beschäftigt, Gelegenheit zur Äußerung. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen der Personalrat der Beschäftigungsbehörde zu beteiligen ist. (7) § 94 Abs. 3 bis 7, § 95 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2, 4, 5 und 7 und § 96 gelten entsprechend, § 94 Abs. 5 mit der Maßgabe, dass die Wahl der Gesamt- und Bezirksschwerbehindertenvertretungen in der Zeit vom 1. Dezember bis 31. Januar, die der Konzern- und Hauptschwerbehindertenvertretungen in der Zeit vom 1. Februar bis 31. März stattfindet. (8) § 95 Abs. 6 gilt für die Durchführung von Versammlungen der Vertrauens- und der Be- 218 A MTLICHE T EXTE zirksvertrauenspersonen durch die Gesamt-, Bezirks- oder Hauptschwerbehindertenvertretung entsprechend. § 98 Beauftragter des Arbeitgebers Der Arbeitgeber bestellt einen Beauftragten, der ihn in Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen verantwortlich vertritt; falls erforderlich, können mehrere Beauftragte bestellt werden. Der Beauftragte soll nach Möglichkeit selbst ein schwerbehinderter Mensch sein. Der Beauftragte achtet vor allem darauf, dass dem Arbeitgeber obliegende Verpflichtungen erfüllt werden. § 99 Zusammenarbeit (1) Arbeitgeber, Beauftragter des Arbeitgebers, Schwerbehindertenvertretung und Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat arbeiten zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben in dem Betrieb oder der Dienststelle eng zusammen. (2) Die in Absatz 1 genannten Personen und Vertretungen, die mit der Durchführung des Teils 2 beauftragten Stellen und die Rehabilitationsträger unterstützen sich gegenseitig bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Vertrauensperson und Beauftragter des Arbeitgebers sind Verbindungspersonen zur Bundesagentur für Arbeit und zu dem Integrationsamt. § 100 Verordnungsermächtigung Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Vorschriften über die Vorbereitung und Durchführung der Wahl der Schwerbehindertenvertretung und ihrer Stufenvertretungen zu erlassen. Kapitel 6 DURCHFÜHRUNG DER BESONDEREN REGELUNGEN ZUR TEILHABE S C H W E R B E H I N D E RT E R M E N S C H E N § 101 Zusammenarbeit der Integrationsämter und der Bundesagentur für Arbeit (1) Soweit die besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben nicht durch freie Entschließung der Arbeitgeber erfüllt werden, werden sie 1. in den Ländern von dem Amt für die Sicherung der Integration schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben (Integrationsamt) und 2. von der Bundesagentur für Arbeit in enger Zusammenarbeit durchgeführt. (2) Die den Rehabilitationsträgern nach den geltenden Vorschriften obliegenden Aufgaben bleiben unberührt. § 102 Aufgaben des Integrationsamtes (1) Das Integrationsamt hat folgende Aufgaben: 1. die Erhebung und Verwendung der Ausgleichsabgabe, 2. den Kündigungsschutz, 3. die begleitende Hilfe im Arbeitsleben, 4. die zeitweilige Entziehung der besonderen Hilfen für schwerbehinderte Menschen (§ 117). Die Integrationsämter werden so ausgestattet, dass sie ihre Aufgaben umfassend und qualifiziert erfüllen können. Hierfür wird besonders geschultes Personal mit Fachkenntnissen des Schwerbehindertenrechts eingesetzt. (2) Die begleitende Hilfe im Arbeitsleben wird in enger Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit und den übrigen Rehabilitationsträgern durchgeführt. Sie soll dahin wirken, dass die schwerbehinderten Menschen in ihrer sozialen Stellung nicht absinken, auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können sowie durch Leistungen der Rehabilitationsträger und Maßnahmen der Arbeitgeber befähigt werden, sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit nichtbehinderten Menschen zu behaupten. Dabei gelten als Arbeitsplätze auch Stellen, auf denen Beschäftigte befristet oder als Teilzeitbeschäftigte in einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich beschäftigt werden. Die begleitende Hilfe im Arbeitsleben umfasst auch die nach den Umständen des Einzelfalls notwendige psychosoziale Betreuung schwerbehinderter Menschen. Das Integrationsamt kann bei der Durchführung der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben Integrationsfachdienste einschließlich psychosozialer Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen beteili- 219 SGB IX gen. Das Integrationsamt soll außerdem darauf Einfluss nehmen, dass Schwierigkeiten im Arbeitsleben verhindert oder beseitigt werden; es führt hierzu auch Schulungs- und Bildungsmaßnahmen für Vertrauenspersonen, Beauftragte der Arbeitgeber, Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialräte durch. Das Integrationsamt benennt in enger Abstimmung mit den Beteiligten des örtlichen Arbeitsmarktes Ansprechpartner, die in Handwerks- sowie in Industrie- und Handelskammern für die Arbeitgeber zur Verfügung stehen, um sie über Funktion und Aufgaben der Integrationsfachdienste aufzuklären, über Möglichkeiten der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben zu informieren und Kontakt zum Integrationsfachdienst herzustellen. (3) Das Integrationsamt kann im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auch Geldleistungen erbringen, insbesondere 1. an schwerbehinderte Menschen a) für technische Arbeitshilfen, b) zum Erreichen des Arbeitsplatzes, c) zur Gründung und Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Existenz, d) zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung, e) zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten und f) in besonderen Lebenslagen, 2. an Arbeitgeber a) zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen, b) für Zuschüsse zu Gebühren, insbesondere Prüfungsgebühren, bei der Berufsausbildung besonders betroffener schwerbehinderter Jugendlicher und junger Erwachsener, c) für Prämien und Zuschüsse zu den Kosten der Berufsausbildung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener, die für die Zeit der Berufsausbildung schwerbehinderten Menschen nach § 68 Abs. 4 gleichgestellt worden sind, d) für Prämien zur Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements und e) für außergewöhnliche Belastungen, die mit der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im Sinne des § 72 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a bis d, von schwerbehinderten Menschen im Anschluss an eine Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder im Sinne des § 75 Abs. 2 verbunden sind, vor allem, wenn ohne diese Leistungen das Beschäftigungsverhältnis gefährdet würde, 3. an Träger von Integrationsfachdiensten einschließlich psychosozialer Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen sowie an Träger von Integrationsprojekten. Es kann ferner Leistungen zur Durchführung von Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen erbringen. (4) Schwerbehinderte Menschen haben im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. (5) Verpflichtungen anderer werden durch die Absätze 3 und 4 nicht berührt. Leistungen der Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 dürfen, auch wenn auf sie ein Rechtsanspruch nicht besteht, nicht deshalb versagt werden, weil nach den besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen entsprechende Leistungen vorgesehen sind; eine Aufstockung durch Leistungen des Integrationsamtes findet nicht statt. (6) § 14 gilt sinngemäß, wenn bei dem Integrationsamt eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt wird. Das Gleiche gilt, wenn ein Antrag bei einem Rehabilitationsträger gestellt und der Antrag von diesem nach § 16 Abs. 2 des Ersten Buches an das Integrationsamt weitergeleitet worden ist. Ist die unverzügliche Erbringung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich, so kann das Integrationsamt die Leistung vorläufig erbringen. Hat das Integrationsamt eine Leistung erbracht, für die ein anderer Träger zuständig ist, so erstattet dieser die auf die Leistung entfallenden Aufwendungen. 220 A MTLICHE T EXTE (7) Das Integrationsamt kann seine Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben auch als persönliches Budget ausführen. § 17 gilt entsprechend. § 103 Beratender Ausschuss für behinderte Menschen bei dem Integrationsamt (1) Bei jedem Integrationsamt wird ein Beratender Ausschuss für behinderte Menschen gebildet, der die Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben fördert, das Integrationsamt bei der Durchführung der besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen zur Teilhabe am Arbeitsleben unterstützt und bei der Vergabe der Mittel der Ausgleichsabgabe mitwirkt. Soweit die Mittel der Ausgleichsabgabe zur institutionellen Förderung verwendet werden, macht der Beratende Ausschuss Vorschläge für die Entscheidungen des Integrationsamtes. (2) Der Ausschuss besteht aus zehn Mitgliedern, und zwar aus zwei Mitgliedern, die die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vertreten, zwei Mitgliedern, die die privaten und öffentlichen Arbeitgeber vertreten, vier Mitgliedern, die die Organisationen behinderter Menschen vertreten, einem Mitglied, das das jeweilige Land vertritt, einem Mitglied, das die Bundesagentur für Arbeit vertritt. (3) Für jedes Mitglied ist ein Stellvertreter oder eine Stellvertreterin zu berufen. Mitglieder und Stellvertreter oder Stellvertreterinnen sollen im Bezirk des Integrationsamtes ihren Wohnsitz haben. (4) Das Integrationsamt beruft auf Vorschlag der Gewerkschaften des jeweiligen Landes zwei Mitglieder, der Arbeitgeberverbände des jeweiligen Landes ein Mitglied, der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Behörde ein Mitglied, der Organisationen behinderter Menschen des jeweiligen Landes, die nach der Zusammensetzung ihrer Mitglieder dazu berufen sind, die behinderten Menschen in ihrer Gesamtheit zu vertreten, vier Mitglieder. Die zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde und die Bundesagentur für Arbeit berufen je ein Mitglied. § 104 Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit (1) Die Bundesagentur für Arbeit hat folgende Aufgaben: 1. die Berufsberatung, Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Vermittlung von in Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, 2. die Beratung der Arbeitgeber bei der Besetzung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen mit schwerbehinderten Menschen, 3. die Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, insbesondere von schwerbehinderten Menschen, a) die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung oder sonstiger Umstände im Arbeitsleben besonders betroffen sind (§ 72 Abs. 1), b) die langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 des Dritten Buches sind, c) die im Anschluss an eine Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder einem Integrationsprojekt eingestellt werden, d) die als Teilzeitbeschäftigte eingestellt werden oder e) die zur Aus- oder Weiterbildung eingestellt werden, 4. im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die besondere Förderung schwerbehinderter Menschen, 5. die Gleichstellung, deren Widerruf und Rücknahme, 6. die Durchführung des Anzeigeverfahrens (§ 80 Abs. 2 und 4), 7. die Überwachung der Erfüllung der Beschäftigungspflicht, 8. die Zulassung der Anrechnung und der Mehrfachanrechnung (§ 75 Abs. 2, § 76 Abs. 1 und 2), 9. die Erfassung der Werkstätten für behinderte Menschen, ihre Anerkennung und die 221 SGB IX Aufhebung der Anerkennung. (2) Die Bundesagentur für Arbeit übermittelt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales jährlich die Ergebnisse ihrer Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach dessen näherer Bestimmung und fachlicher Weisung. Zu den Ergebnissen gehören Angaben über die Zahl der geförderten Arbeitgeber und schwerbehinderten Menschen, die insgesamt aufgewandten Mittel und die durchschnittlichen Förderungsbeträge. Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht diese Ergebnisse. (3) Die Bundesagentur für Arbeit führt befristete überregionale und regionale Arbeitsmarktprogramme zum Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen, besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen, insbesondere schwerbehinderter Frauen, sowie zur Förderung des Ausbildungsplatzangebots für schwerbehinderte Menschen durch, die ihr durch Verwaltungsvereinbarung gemäß § 368 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 des Dritten Buches unter Zuweisung der entsprechenden Mittel übertragen werden. Über den Abschluss von Verwaltungsvereinbarungen mit den Ländern ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu unterrichten. (4) Die Bundesagentur für Arbeit richtet zur Durchführung der ihr in Teil 2 und der ihr im Dritten Buch zur Teilhabe behinderter und schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben übertragenen Aufgaben in allen Agenturen für Arbeit besondere Stellen ein; bei der personellen Ausstattung dieser Stellen trägt sie dem besonderen Aufwand bei der Beratung und Vermittlung des zu betreuenden Personenkreises sowie bei der Durchführung der sonstigen Aufgaben nach Absatz 1 Rechnung. (5) Im Rahmen der Beratung der Arbeitgeber nach Absatz 1 Nr. 2 hat die Bundesagentur für Arbeit 1. dem Arbeitgeber zur Besetzung von Arbeitsplätzen geeignete arbeitslose oder arbeitssuchende schwerbehinderte Menschen unter Darlegung der Leistungsfähigkeit und der Auswirkungen der jeweiligen Behinderung auf die angebotene Stelle vorzuschlagen, 2. ihre Fördermöglichkeiten aufzuzeigen, so weit wie möglich und erforderlich, auch die entsprechenden Hilfen der Rehabilitationsträger und der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben durch die Integrationsämter. § 105 Beratender Ausschuss für behinderte Menschen bei der Bundesagentur für Arbeit (1) Bei der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit wird ein Beratender Ausschuss für behinderte Menschen gebildet, der die Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben durch Vorschläge fördert und die Bundesagentur für Arbeit bei der Durchführung der in Teil 2 und im Dritten Buch zur Teilhabe behinderter und schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben übertragenen Aufgaben unterstützt. (2) Der Ausschuss besteht aus elf Mitgliedern, und zwar aus zwei Mitgliedern, die die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vertreten, zwei Mitgliedern, die die privaten und öffentlichen Arbeitgeber vertreten, fünf Mitgliedern, die die Organisationen behinderter Menschen vertreten, einem Mitglied, das die Integrationsämter vertritt, einem Mitglied, das das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vertritt. (3) Für jedes Mitglied ist ein Stellvertreter oder eine Stellvertreterin zu berufen. (4) Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit beruft die Mitglieder, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber vertreten, auf Vorschlag ihrer Gruppenvertreter im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit. Er beruft auf Vorschlag der Organisationen behinderter Menschen, die nach der Zusammensetzung ihrer Mitglieder dazu berufen sind, die behinderten Menschen in ihrer Gesamtheit auf Bundesebene zu vertreten, die Mitglieder, die Organisationen der behinderten Menschen vertreten. Auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, beruft er das Mitglied, das die Integrationsämter vertritt, und auf Vorschlag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales das Mitglied, das dieses vertritt. § 106 Gemeinsame Vorschriften (1) Die Beratenden Ausschüsse für behinderte 222 A MTLICHE T EXTE Menschen (§§ 103, 105) wählen aus den ihnen angehörenden Mitgliedern von Seiten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder Organisationen behinderter Menschen jeweils für die Dauer eines Jahres einen Vorsitzenden oder eine Vorsitzende und einen Stellvertreter oder eine Stellvertreterin. Die Gewählten dürfen nicht derselben Gruppe angehören. Die Gruppen stellen in regelmäßig jährlich wechselnder Reihenfolge den Vorsitzenden oder die Vorsitzende und den Stellvertreter oder die Stellvertreterin. Die Reihenfolge wird durch die Beendigung der Amtszeit der Mitglieder nicht unterbrochen. Scheidet der Vorsitzende oder die Vorsitzende oder der Stellvertreter oder die Stellvertreterin aus, wird er oder sie neu gewählt. (2) Die Beratenden Ausschüsse für behinderte Menschen sind beschlussfähig, wenn wenigstens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Die Beschlüsse und Entscheidungen werden mit einfacher Stimmenmehrheit getroffen. (3) Die Mitglieder der Beratenden Ausschüsse für behinderte Menschen üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Ihre Amtszeit beträgt vier Jahre. § 107 Übertragung von Aufgaben (1) Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann die Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Ausweise nach § 69 Abs. 5, für die eine Feststellung nach § 69 Abs. 1 nicht zu treffen ist, auf andere Behörden übertragen. Im Übrigen kann sie andere Behörden zur Aushändigung der Ausweise heranziehen. (2) Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann Aufgaben und Befugnisse des Integrationsamtes nach Teil 2 auf örtliche Fürsorgestellen übertragen oder die Heranziehung örtlicher Fürsorgestellen zur Durchführung der den Integrationsämtern obliegenden Aufgaben bestimmen. (3) (weggefallen) § 108 Verordnungsermächtigung Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Voraussetzungen des Anspruchs nach § 33 Abs. 8 Nr. 3 und § 102 Abs. 4 sowie über die Höhe, Dauer und Ausführung der Leistungen zu regeln. Kapitel 7 I N T E G R AT I O N S FA C H D I E N S T E § 109 Begriff und Personenkreis (1) Integrationsfachdienste sind Dienste Dritter, die bei der Durchführung der Maßnahmen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben beteiligt werden. (2) Schwerbehinderte Menschen im Sinne des Absatzes 1 sind insbesondere 1. schwerbehinderte Menschen mit einem besonderen Bedarf an arbeitsbegleitender Betreuung, 2. schwerbehinderte Menschen, die nach zielgerichteter Vorbereitung durch die Werkstatt für behinderte Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt teilhaben sollen und dabei auf aufwendige, personalintensive, individuelle arbeitsbegleitende Hilfen angewiesen sind sowie 3. schwerbehinderte Schulabgänger, die für die Aufnahme einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf die Unterstützung eines Integrationsfachdienstes angewiesen sind. (3) Ein besonderer Bedarf an arbeits- und berufsbegleitender Betreuung ist insbesondere gegeben bei schwerbehinderten Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung oder mit einer schweren Körper-, Sinnes- oder Mehrfachbehinderung, die sich im Arbeitsleben besonders nachteilig auswirkt und allein oder zusammen mit weiteren vermittlungshemmenden Umständen (Alter, Langzeitarbeitslosigkeit, unzureichende Qualifikation, Leistungsminderung) die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erschwert. (4) Der Integrationsfachdienst kann im Rahmen der Aufgabenstellung nach Absatz 1 auch zur beruflichen Eingliederung von behinderten Menschen, die nicht schwerbehindert sind, tätig werden. 2Hierbei wird den besonderen Bedürfnissen seelisch behinderter oder von einer seelischen Behinderung bedrohter Menschen Rechnung getragen. § 110 Aufgaben (1) Die Integrationsfachdienste können zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Ar- 223 SGB IX beitsleben (Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer möglichst dauerhaften Beschäftigung) beteiligt werden, indem sie 1. die schwerbehinderten Menschen beraten, unterstützen und auf geeignete Arbeitsplätze vermitteln, 2. die Arbeitgeber informieren, beraten und ihnen Hilfe leisten. (2) Zu den Aufgaben des Integrationsfachdienstes gehört es, 1. die Fähigkeiten der zugewiesenen schwerbehinderten Menschen zu bewerten und einzuschätzen und dabei ein individuelles Fähigkeits-, Leistungs- und Interessenprofil zur Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in enger Kooperation mit den schwerbehinderten Menschen, dem Auftraggeber und der abgebenden Einrichtung der schulischen oder beruflichen Bildung oder Rehabilitation zu erarbeiten, A. die Bundesagentur für Arbeit auf deren Anforderung bei der Berufsorientierung und Berufsberatung in den Schulen einschließlich der auf jeden einzelnen Jugendlichen bezogenen Dokumentation der Ergebnisse zu unterstützen, B. die betriebliche Ausbildung schwerbehinderter, insbesondere seelisch und lernbehinderter Jugendlicher zu begleiten, 2. geeignete Arbeitsplätze (§ 73) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erschließen, 3. die schwerbehinderten Menschen auf die vorgesehenen Arbeitsplätze vorzubereiten, 4. die schwerbehinderten Menschen, solange erforderlich, am Arbeitsplatz oder beim Training der berufspraktischen Fähigkeiten am konkreten Arbeitsplatz zu begleiten, 5. mit Zustimmung des schwerbehinderten Menschen die Mitarbeiter im Betrieb oder in der Dienststelle über Art und Auswirkungen der Behinderung und über entsprechende Verhaltensregeln zu informieren und zu beraten, 6. eine Nachbetreuung, Krisenintervention oder psychosoziale Betreuung durchzuführen sowie 7. als Ansprechpartner für die Arbeitgeber zur Verfügung zu stehen, über die Leistungen für die Arbeitgeber zu informieren und für die Arbeitgeber diese Leistungen abzuklären, 8. in Zusammenarbeit mit den Rehabilitationsträgern und den Integrationsämtern die für den schwerbehinderten Menschen benötigten Leistungen zu klären und bei der Beantragung zu unterstützen. § 111 Beauftragung und Verantwortlichkeit (1) Die Integrationsfachdienste werden im Auftrag der Integrationsämter oder der Rehabilitationsträger tätig. Diese bleiben für die Ausführung der Leistung verantwortlich. (2) Im Auftrag legt der Auftraggeber in Abstimmung mit dem Integrationsfachdienst Art, Umfang und Dauer des im Einzelfall notwendigen Einsatzes des Integrationsfachdienstes sowie das Entgelt fest. (3) Der Integrationsfachdienst arbeitet insbesondere mit 1. den zuständigen Stellen der Bundesagentur für Arbeit, 2. dem Integrationsamt, 3. dem zuständigen Rehabilitationsträger, insbesondere den Berufshelfern der gesetzlichen Unfallversicherung, 4. dem Arbeitgeber, der Schwerbehindertenvertretung und den anderen betrieblichen Interessenvertretungen, 5. der abgebenden Einrichtung der schulischen oder beruflichen Bildung oder Rehabilitation mit ihren begleitenden Diensten und internen Integrationsfachkräften oder -diensten zur Unterstützung von Teilnehmenden an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 5a. den Handwerks-, den Industrie- und Handelskammern sowie den berufsständigen Organisationen, 6. wenn notwendig auch mit anderen Stellen und Personen, eng zusammen. (4) Näheres zur Beauftragung, Zusammenarbeit, fachlichen Leitung, Aufsicht sowie zur Qualitätssicherung und Ergebnisbeobachtung wird zwischen dem Auftraggeber und dem Träger des Integrationsfachdienstes vertraglich geregelt. Die Vereinbarungen sollen im Interesse finanzieller Planungssicherheit auf eine Dauer 224 A MTLICHE T EXTE von mindestens drei Jahren abgeschlossen werden. (5) Die Integrationsämter wirken darauf hin, dass die berufsbegleitenden und psychosozialen Dienste bei den von ihnen beauftragten Integrationsfachdiensten konzentriert werden. § 112 Fachliche Anforderungen (1) Die Integrationsfachdienste müssen 1. nach der personellen, räumlichen und sächlichen Ausstattung in der Lage sein, ihre gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen, 2. über Erfahrungen mit dem zu unterstützenden Personenkreis (§ 109 Abs. 2) verfügen, 3. mit Fachkräften ausgestattet sein, die über eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und ausreichende Berufserfahrung verfügen, sowie 4. rechtlich oder organisatorisch und wirtschaftlich eigenständig sein. (2) Der Personalbedarf eines Integrationsfachdienstes richtet sich nach den konkreten Bedürfnissen unter Berücksichtigung der Zahl der Betreuungs- und Beratungsfälle, des durchschnittlichen Betreuungs- und Beratungsaufwands, der Größe des regionalen Einzugsbereichs und der Zahl der zu beratenden Arbeitgeber. Den besonderen Bedürfnissen besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen, insbesondere schwerbehinderter Frauen, und der Notwendigkeit einer psychosozialen Betreuung soll durch eine Differenzierung innerhalb des Integrationsfachdienstes Rechnung getragen werden. (3) Bei der Stellenbesetzung des Integrationsfachdienstes werden schwerbehinderte Menschen bevorzugt berücksichtigt. Dabei wird ein angemessener Anteil der Stellen mit schwerbehinderten Frauen besetzt. § 113 Finanzielle Leistungen (1) Die Inanspruchnahme von Integrationsfachdiensten wird vom Auftraggeber vergütet. Die Vergütung für die Inanspruchnahme von Integrationsfachdiensten kann bei Beauftragung durch das Integrationsamt aus Mitteln der Ausgleichsabgabe erbracht werden. (2) Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen vereinbart mit den Rehabilitationsträgern nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 unter Beteiligung der maßgeblichen Verbände, darunter der Bundesarbeitsgemeinschaft, in der sich die Integrationsfachdienste zusammengeschlossen haben, eine gemeinsame Empfehlung zur Inanspruchnahme der Integrationsfachdienste durch die Rehabilitationsträger, zur Zusammenarbeit und zur Finanzierung der Kosten, die dem Integrationsfachdienst bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Rehabilitationsträger entstehen. § 13 Abs. 7 und 8 gilt entsprechend. § 114 Ergebnisbeobachtung (1) Der Integrationsfachdienst dokumentiert Verlauf und Ergebnis der jeweiligen Bemühungen um die Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben. Er erstellt jährlich eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse und legt diese den Auftraggebern nach deren näherer gemeinsamer Maßgabe vor. Diese Zusammenstellung soll insbesondere geschlechtsdifferenzierte Angaben enthalten zu 1. den Zu- und Abgängen an Betreuungsfällen im Kalenderjahr, 2. dem Bestand an Betreuungsfällen, 3. der Zahl der abgeschlossenen Fälle, differenziert nach Aufnahme einer Ausbildung, einer befristeten oder unbefristeten Beschäftigung, einer Beschäftigung in einem Integrationsprojekt oder in einer Werkstatt für behinderte Menschen. (2) Der Integrationsfachdienst dokumentiert auch die Ergebnisse seiner Bemühungen zur Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit und die Begleitung der betrieblichen Ausbildung nach § 110 Abs. 2 Nr. A und B unter Einbeziehung geschlechtsdifferenzierter Daten und Besonderheiten sowie der Art der Behinderung. Er erstellt zum 30. September 2006 eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse und legt diese dem zuständigen Integrationsamt vor. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen bereitet die Ergebnisse auf und stellt sie dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Vorbereitung des Berichtes nach § 160 Abs. 2 bis zum 31. Dezember 2006 zur Verfügung. § 115 Verordnungsermächtigung (1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverord- 225 SGB IX nung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über den Begriff und die Aufgaben des Integrationsfachdienstes, die für sie geltenden fachlichen Anforderungen und die finanziellen Leistungen zu regeln. (2) Vereinbaren die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen und die Rehabilitationsträger nicht innerhalb von sechs Monaten, nachdem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sie dazu aufgefordert hat, eine gemeinsame Empfehlung nach § 113 Abs. 2 oder ändern sie die unzureichend gewordene Empfehlung nicht innerhalb dieser Frist, kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Regelungen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen. Kapitel 8 BEENDIGUNG DER ANWENDUNG DER BESONDEREN REGELUNGEN ZUR TEILHABE SCHWERBEHINDERT E R U N D G L E I C H G E S T E L LT E R B E H I N D E RT E R M E N S C H E N § 116 Beendigung der Anwendung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (1) Die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen werden nicht angewendet nach dem Wegfall der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2; wenn sich der Grad der Behinderung auf weniger als 50 verringert, jedoch erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides. (2) Die besonderen Regelungen für gleichgestellte behinderte Menschen werden nach dem Widerruf oder der Rücknahme der Gleichstellung nicht mehr angewendet. Der Widerruf der Gleichstellung ist zulässig, wenn die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 3 in Verbindung mit § 68 Abs. 2 weggefallen sind. Er wird erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt seiner Unanfechtbarkeit wirksam. (3) Bis zur Beendigung der Anwendung der besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen und ihnen gleichgestellte behinderte Menschen werden die behinderten Menschen dem Arbeitgeber auf die Zahl der Pflicht- arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet. § 117 Entziehung der besonderen Hilfen für schwerbehinderte Menschen (1) Einem schwerbehinderten Menschen, der einen zumutbaren Arbeitsplatz ohne berechtigten Grund zurückweist oder aufgibt oder sich ohne berechtigten Grund weigert, an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen, oder sonst durch sein Verhalten seine Teilhabe am Arbeitsleben schuldhaft vereitelt, kann das Integrationsamt im Benehmen mit der Bundesagentur für Arbeit die besonderen Hilfen für schwerbehinderte Menschen zeitweilig entziehen. Dies gilt auch für gleichgestellte behinderte Menschen. (2) Vor der Entscheidung über die Entziehung wird der schwerbehinderte Mensch gehört. In der Entscheidung wird die Frist bestimmt, für die sie gilt. Die Frist läuft vom Tage der Entscheidung an und beträgt nicht mehr als sechs Monate. Die Entscheidung wird dem schwerbehinderten Menschen bekannt gegeben. Kapitel 9 W I D E R S P R U C H S V E R FA H R E N § 118 Widerspruch (1) Den Widerspruchsbescheid nach § 73 der Verwaltungsgerichtsordnung erlässt bei Verwaltungsakten der Integrationsämter und bei Verwaltungsakten der örtlichen Fürsorgestellen (§ 107 Abs. 2) der Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt (§ 119). Des Vorverfahrens bedarf es auch, wenn den Verwaltungsakt ein Integrationsamt erlassen hat, das bei einer obersten Landesbehörde besteht. (2) Den Widerspruchsbescheid nach § 85 des Sozialgerichtsgesetzes erlässt bei Verwaltungsakten, welche die Bundesagentur für Arbeit auf Grund des Teils 2 erlässt, der Widerspruchsausschuss der Bundesagentur für Arbeit. § 119 Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt (1) Bei jedem Integrationsamt besteht ein Widerspruchsausschuss aus sieben Mitgliedern, und zwar aus 226 A MTLICHE T EXTE zwei Mitgliedern, die schwerbehinderte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen sind, zwei Mitgliedern, die Arbeitgeber sind, einem Mitglied, das das Integrationsamt vertritt, einem Mitglied, das die Bundesagentur für Arbeit vertritt, einer Vertrauensperson schwerbehinderter Menschen. (2) Für jedes Mitglied wird ein Stellvertreter oder eine Stellvertreterin berufen. (3) Das Integrationsamt beruft auf Vorschlag der Organisationen behinderter Menschen des jeweiligen Landes die Mitglieder, die Arbeitnehmer sind, auf Vorschlag der jeweils für das Land zuständigen Arbeitgeberverbände die Mitglieder, die Arbeitgeber sind, sowie die Vertrauensperson. Die zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde beruft das Mitglied, das das Integrationsamt vertritt. Die Bundesagentur für Arbeit beruft das Mitglied, das sie vertritt. Entsprechendes gilt für die Berufung des Stellvertreters oder der Stellvertreterin des jeweiligen Mitglieds. (4) In Kündigungsangelegenheiten schwerbehinderter Menschen, die bei einer Dienststelle oder in einem Betrieb beschäftigt sind, der zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung gehört, treten an die Stelle der Mitglieder, die Arbeitgeber sind, Angehörige des öffentlichen Dienstes. Dem Integrationsamt werden ein Mitglied und sein Stellvertreter oder seine Stellvertreterin von den von der Bundesregierung bestimmten Bundesbehörden benannt. Eines der Mitglieder, die schwerbehinderte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen sind, muss dem öffentlichen Dienst angehören. (5) Die Amtszeit der Mitglieder der Widerspruchsausschüsse beträgt vier Jahre. Die Mitglieder der Ausschüsse üben ihre Tätigkeit unentgeltlich aus. spruchsausschüsse ein, die aus sieben Mitgliedern bestehen, und zwar aus zwei Mitgliedern, die schwerbehinderte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen sind, zwei Mitgliedern, die Arbeitgeber sind, einem Mitglied, das das Integrationsamt vertritt, einem Mitglied, das die Bundesagentur für Arbeit vertritt, einer Vertrauensperson Menschen. schwerbehinderter (2) Für jedes Mitglied wird ein Stellvertreter oder eine Stellvertreterin berufen. (3) Die Bundesagentur für Arbeit beruft die Mitglieder, die Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen sind, auf Vorschlag der jeweils zuständigen Organisationen behinderter Menschen, der im Benehmen mit den jeweils zuständigen Gewerkschaften, die für die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen wesentliche Bedeutung haben, gemacht wird, die Mitglieder, die Arbeitgeber sind, auf Vorschlag der jeweils zuständigen Arbeitgeberverbände, soweit sie für die Vertretung von Arbeitgeberinteressen wesentliche Bedeutung haben, sowie das Mitglied, das die Bundesagentur für Arbeit vertritt und die Vertrauensperson. Die zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde beruft das Mitglied, das das Integrationsamt vertritt. Entsprechend gilt für die Berufung des Stellvertreters oder der Stellvertreterin des jeweiligen Mitglieds. (4) § 119 Abs. 5 gilt entsprechend. § 121 Verfahrensvorschriften (1) Für den Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt (§ 119) und die Widerspruchsausschüsse bei der Bundesagentur für Arbeit (§ 120) gilt § 106 Abs. 1 und 2 entsprechend. § 120 Widerspruchsausschüsse der Bundesagentur für Arbeit (2) Im Widerspruchsverfahren nach Teil 2 Kapitel 4 werden der Arbeitgeber und der schwerbehinderte Mensch vor der Entscheidung gehört; in den übrigen Fällen verbleibt es bei der Anhörung des Widerspruchsführers. (1) Die Bundesagentur für Arbeit richtet Wider- (3) Die Mitglieder der Ausschüsse können we- 227 SGB IX gen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Über die Ablehnung entscheidet der Ausschuss, dem das Mitglied angehört. Kapitel 10 SONSTIGE VORSCHRIFTEN § 122 Vorrang der schwerbehinderten Menschen Verpflichtungen zur bevorzugten Einstellung und Beschäftigung bestimmter Personenkreise nach anderen Gesetzen entbinden den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nach den besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen. § 123 Arbeitsentgelt und Dienstbezüge (1) Bei der Bemessung des Arbeitsentgelts und der Dienstbezüge aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis werden Renten und vergleichbare Leistungen, die wegen der Behinderung bezogen werden, nicht berücksichtigt. Die völlige oder teilweise Anrechnung dieser Leistungen auf das Arbeitsentgelt oder die Dienstbezüge ist unzulässig. (2) Absatz 1 gilt nicht für Zeiträume, in denen die Beschäftigung tatsächlich nicht ausgeübt wird und die Vorschriften über die Zahlung der Rente oder der vergleichbaren Leistung eine Anrechnung oder ein Ruhen vorsehen, wenn Arbeitsentgelt oder Dienstbezüge gezahlt werden. § 124 Mehrarbeit Schwerbehinderte Menschen werden auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freigestellt. § 125 Zusatzurlaub (1) Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr; verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend. Soweit tarifliche, betriebliche oder sonstige Urlaubsregelungen für schwerbehinderte Menschen einen längeren Zusatzurlaub vorsehen, bleiben sie unberührt. (2) Besteht die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres, so hat der schwerbehinderte Mensch für jeden vollen Monat der im Beschäftigungsverhältnis vorliegenden Schwerbehinderteneigenschaft einen Anspruch auf ein Zwölftel des Zusatzurlaubs nach Absatz 1 Satz 1. Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden. Der so ermittelte Zusatzurlaub ist dem Erholungsurlaub hinzuzurechnen und kann bei einem nicht im ganzen Kalenderjahr bestehenden Beschäftigungsverhältnis nicht erneut gemindert werden. (3) Wird die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nach § 69 Abs. 1 und 2 rückwirkend festgestellt, finden auch für die Übertragbarkeit des Zusatzurlaubs in das nächste Kalenderjahr die dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden urlaubsrechtlichen Regelungen Anwendung. § 126 Nachteilsausgleich (1) Die Vorschriften über Hilfen für behinderte Menschen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen (Nachteilsausgleich) werden so gestaltet, dass sie unabhängig von der Ursache der Behinderung der Art oder Schwere der Behinderung Rechnung tragen. (2) Nachteilsausgleiche, die auf Grund bisher geltender Rechtsvorschriften erfolgen, bleiben unberührt. § 127 Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Heimarbeit (1) Schwerbehinderte Menschen, die in Heimarbeit beschäftigt oder diesen gleichgestellt sind (§ 1 Abs. 1 und 2 des Heimarbeitsgesetzes) und in der Hauptsache für den gleichen Auftraggeber arbeiten, werden auf die Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen dieses Auftraggebers angerechnet. (2) Für in Heimarbeit beschäftigte und diesen gleichgestellte schwerbehinderte Menschen wird die in § 29 Abs. 2 des Heimarbeitsgesetzes festgelegte Kündigungsfrist von zwei Wochen auf vier Wochen erhöht; die Vorschrift des § 29 Abs. 7 des Heimarbeitsgesetzes ist sinngemäß anzuwenden. Der besondere Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen im Sinne des Kapitels 4 gilt auch für die in Satz 1 genannten Personen. 228 A MTLICHE T EXTE (3) Die Bezahlung des zusätzlichen Urlaubs der in Heimarbeit beschäftigten oder diesen gleichgestellten schwerbehinderten Menschen erfolgt nach den für die Bezahlung ihres sonstigen Urlaubs geltenden Berechnungsgrundsätzen. Sofern eine besondere Regelung nicht besteht, erhalten die schwerbehinderten Menschen als zusätzliches Urlaubsgeld 2 Prozent des in der Zeit vom 1. Mai des vergangenen bis zum 30. April des laufenden Jahres verdienten Arbeitsentgelts ausschließlich der Unkostenzuschläge. (4) Schwerbehinderte Menschen, die als fremde Hilfskräfte eines Hausgewerbetreibenden oder eines Gleichgestellten beschäftigt werden (§ 2 Abs. 6 des Heimarbeitsgesetzes) können auf Antrag eines Auftraggebers auch auf dessen Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet werden, wenn der Arbeitgeber in der Hauptsache für diesen Auftraggeber arbeitet. Wird einem schwerbehinderten Menschen im Sinne des Satzes 1, dessen Anrechnung die Bundesagentur für Arbeit zugelassen hat, durch seinen Arbeitgeber gekündigt, weil der Auftraggeber die Zuteilung von Arbeit eingestellt oder die regelmäßige Arbeitsmenge erheblich herabgesetzt hat, erstattet der Auftraggeber dem Arbeitgeber die Aufwendungen für die Zahlung des regelmäßigen Arbeitsverdienstes an den schwerbehinderten Menschen bis zur rechtmäßigen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. (5) Werden fremde Hilfskräfte eines Hausgewerbetreibenden oder eines Gleichgestellten (§ 2 Abs. 6 des Heimarbeitsgesetzes) einem Auftraggeber gemäß Absatz 4 auf seine Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet, erstattet der Auftraggeber die dem Arbeitgeber nach Absatz 3 entstehenden Aufwendungen. (6) Die den Arbeitgeber nach § 80 Abs. 1 und 5 treffenden Verpflichtungen gelten auch für Personen, die Heimarbeit ausgeben. § 128 Schwerbehinderte Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen, Soldaten und Soldatinnen (1) Die besonderen Vorschriften und Grundsätze für die Besetzung der Beamtenstellen sind unbeschadet der Geltung des Teils 2 auch für schwerbehinderte Beamte und Beamtinnen so zu gestalten, dass die Einstellung und Beschäf- tigung schwerbehinderter Menschen gefördert und ein angemessener Anteil schwerbehinderter Menschen unter den Beamten und Beamtinnen erreicht wird. (2) (weggefallen) (3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden auf Richter und Richterinnen entsprechende Anwendung. (4) Für die persönliche Rechtsstellung schwerbehinderter Soldaten und Soldatinnen gelten § 2 Abs. 1 und 2, §§ 69, 93 bis 99, 116 Abs. 1 sowie §§ 123, 125, 126 und 145 bis 147. Im Übrigen gelten für Soldaten und Soldatinnen die Vorschriften über die persönliche Rechtsstellung der schwerbehinderten Menschen, soweit sie mit den Besonderheiten des Dienstverhältnisses vereinbar sind. § 129 Unabhängige Tätigkeit Soweit zur Ausübung einer unabhängigen Tätigkeit eine Zulassung erforderlich ist, soll schwerbehinderten Menschen, die eine Zulassung beantragen, bei fachlicher Eignung und Erfüllung der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen die Zulassung bevorzugt erteilt werden. § 130 Geheimhaltungspflicht (1) Die Beschäftigten der Integrationsämter, der Bundesagentur für Arbeit, der Rehabilitationsträger einschließlich ihrer Beschäftigten in gemeinsamen Servicestellen sowie der von diesen Stellen beauftragten Integrationsfachdienste und die Mitglieder der Ausschüsse und des Beirates für die Teilhabe behinderter Menschen (§ 64) und ihre Stellvertreter oder Stellvertreterinnen sowie zur Durchführung ihrer Aufgaben hinzugezogene Sachverständige sind verpflichtet, 1. über ihnen wegen ihres Amtes oder Auftrages bekannt gewordene persönliche Verhältnisse und Angelegenheiten von Beschäftigten auf Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren, und 2. ihnen wegen ihres Amtes oder Auftrages bekannt gewordene und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnete Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten. 229 SGB IX (2) Diese Pflichten gelten auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt oder nach Beendigung des Auftrages. Sie gelten nicht gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, den Integrationsämtern und den Rehabilitationsträgern, soweit deren Aufgaben gegenüber schwerbehinderten Menschen es erfordern, gegenüber der Schwerbehindertenvertretung sowie gegenüber den in § 79 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes und den in den entsprechenden Vorschriften des Personalvertretungsrechts genannten Vertretungen, Personen und Stellen. § 131 Statistik (1) Über schwerbehinderte Menschen wird alle zwei Jahre eine Bundesstatistik durchgeführt. 2Sie umfasst folgende Tatbestände: 1. die Zahl der schwerbehinderten Menschen mit gültigem Ausweis, 2. persönliche Merkmale schwerbehinderter Menschen wie Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Wohnort, 3. Art, Ursache und Grad der Behinderung. (2) Für die Erhebung besteht Auskunftspflicht. 2Auskunftspflichtig sind die nach § 69 Abs. 1 und 5 zuständigen Behörden. Kapitel 11 I N T E G R AT I O N S P R O J E K T E § 132 Begriff und Personenkreis (1) Integrationsprojekte sind rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Unternehmen (Integrationsunternehmen) oder unternehmensinterne oder von öffentlichen Arbeitgebern im Sinne des § 71 Abs. 3 geführte Betriebe (Integrationsbetriebe) oder Abteilungen (Integrationsabteilungen) zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, deren Teilhabe an einer sonstigen Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund von Art oder Schwere der Behinderung oder wegen sonstiger Umstände voraussichtlich trotz Ausschöpfens aller Fördermöglichkeiten und des Einsatzes von Integrationsfachdiensten auf besondere Schwierigkeiten stößt. (2) Schwerbehinderte Menschen nach Absatz 1 sind insbesondere 1. schwerbehinderte Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung oder mit einer schweren Körper-, Sinnes- oder Mehrfachbehinderung, die sich im Arbeitsleben besonders nachteilig auswirkt und allein oder zusammen mit weiteren vermittlungshemmenden Umständen die Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt außerhalb eines Integrationsprojekts erschwert oder verhindert, 2. schwerbehinderte Menschen, die nach zielgerichteter Vorbereitung in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder in einer psychiatrischen Einrichtung für den Übergang in einen Betrieb oder eine Dienststelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Betracht kommen und auf diesen Übergang vorbereitet werden sollen, sowie 3. schwerbehinderte Menschen nach Beendigung einer schulischen Bildung, die nur dann Aussicht auf eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben, wenn sie zuvor in einem Integrationsprojekt an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen teilnehmen und dort beschäftigt und weiterqualifiziert werden. (3) Integrationsunternehmen beschäftigen mindestens 25 Prozent schwerbehinderte Menschen im Sinne von Absatz 1. Der Anteil der schwerbehinderten Menschen soll in der Regel 50 Prozent nicht übersteigen. § 133 Aufgaben Die Integrationsprojekte bieten den schwerbehinderten Menschen Beschäftigung und arbeitsbegleitende Betreuung an, soweit erforderlich auch Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung oder Gelegenheit zur Teilnahme an entsprechenden außerbetrieblichen Maßnahmen und Unterstützung bei der Vermittlung in eine sonstige Beschäftigung in einem Betrieb oder einer Dienststelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie geeignete Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine Beschäftigung in einem Integrationsprojekt. § 134 Finanzielle Leistungen Integrationsprojekte können aus Mitteln der Ausgleichsabgabe Leistungen für Aufbau, Erweiterung, Modernisierung und Ausstattung einschließlich einer betriebswirtschaftlichen Beratung und für besonderen Aufwand erhalten. 230 A MTLICHE T EXTE § 135 Verordnungsermächtigung Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über den Begriff und die Aufgaben der Integrationsprojekte, die für sie geltenden fachlichen Anforderungen, die Aufnahmevoraussetzungen und die finanziellen Leistungen zu regeln. Kapitel 12 WERKSTÄTTEN MENSCHEN F Ü R B E H I N D E RT E § 136 Begriff und Aufgaben der Werkstatt für behinderte Menschen (1) Die Werkstatt für behinderte Menschen ist eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben im Sinne des Kapitels 5 des Teils 1 und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie hat denjenigen behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, 1. eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten und 2. zu ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Sie fördert den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen. Sie verfügt über ein möglichst breites Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen sowie über qualifiziertes Personal und einen begleitenden Dienst. (2) Die Werkstatt steht allen behinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1 unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden. Dies ist nicht der Fall bei behinderten Menschen, bei denen trotz einer der Behinderung angemessenen Betreuung eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten ist oder das Ausmaß der erforderli- chen Betreuung und Pflege die Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich oder sonstige Umstände ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulassen. (3) Behinderte Menschen, die die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in einer Werkstatt nicht erfüllen, sollen in Einrichtungen oder Gruppen betreut und gefördert werden, die der Werkstatt angegliedert sind. § 137 Aufnahme in die Werkstätten für behinderte Menschen (1) Anerkannte Werkstätten nehmen diejenigen behinderten Menschen aus ihrem Einzugsgebiet auf, die die Aufnahmevoraussetzungen gemäß § 136 Abs. 2 erfüllen, wenn Leistungen durch die Rehabilitationsträger gewährleistet sind; die Möglichkeit zur Aufnahme in eine andere anerkannte Werkstatt nach Maßgabe des § 9 des Zwölften Buches oder entsprechender Regelungen bleibt unberührt. Die Aufnahme erfolgt unabhängig von 1. der Ursache der Behinderung, 2. der Art der Behinderung, wenn in dem Einzugsgebiet keine besondere Werkstatt für behinderte Menschen für diese Behinderungsart vorhanden ist, und 3. der Schwere der Behinderung, der Minderung der Leistungsfähigkeit und einem besonderen Bedarf an Förderung, begleitender Betreuung oder Pflege. (2) Behinderte Menschen werden in der Werkstatt beschäftigt, solange die Aufnahmevoraussetzungen nach Absatz 1 vorliegen. § 138 Rechtsstellung und Arbeitsentgelt behinderter Menschen (1) Behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten stehen, wenn sie nicht Arbeitnehmer sind, zu den Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, soweit sich aus dem zugrunde liegenden Sozialleistungsverhältnis nichts anderes ergibt. (2) Die Werkstätten zahlen aus ihrem Arbeitsergebnis an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ein Arbeitsentgelt, das sich aus einem Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes, das die Bundesagentur für Arbeit nach den für sie geltenden Vorschriften behinderten Menschen im Berufsbildungsbe- 231 SGB IX reich zuletzt leistet, und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammensetzt. Der Steigerungsbetrag bemisst sich nach der individuellen Arbeitsleistung der behinderten Menschen, insbesondere unter Berücksichtigung von Arbeitsmenge und Arbeitsgüte. (3) Der Inhalt des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses wird unter Berücksichtigung des zwischen den behinderten Menschen und dem Rehabilitationsträger bestehenden Sozialleistungsverhältnisses durch Werkstattverträge zwischen den behinderten Menschen und dem Träger der Werkstatt näher geregelt. (4) Hinsichtlich der Rechtsstellung der Teilnehmer an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich gilt § 36 entsprechend. (5) Ist ein volljähriger behinderter Mensch gemäß Absatz 1 in den Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen im Sinne des § 136 aufgenommen worden und war er zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig, so gilt der von ihm geschlossene Werkstattvertrag in Ansehung einer bereits bewirkten Leistung und deren Gegenleistung, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, als wirksam. (6) War der volljährige behinderte Mensch bei Abschluss eines Werkstattvertrages geschäftsunfähig, so kann der Träger einer Werkstatt das Werkstattverhältnis nur unter den Voraussetzungen für gelöst erklären, unter denen ein wirksamer Vertrag seitens des Trägers einer Werkstatt gekündigt werden kann. (7) Die Lösungserklärung durch den Träger einer Werkstatt bedarf der schriftlichen Form und ist zu begründen. § 139 Mitwirkung (1) Die in § 138 Abs. 1 genannten behinderten Menschen wirken unabhängig von ihrer Geschäftsfähigkeit durch Werkstatträte in den ihre Interessen berührenden Angelegenheiten der Werkstatt mit. Die Werkstatträte berücksichtigen die Interessen der im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten tätigen behinderten Menschen in angemessener und geeigneter Weise, solange für diese eine Vertretung nach § 36 nicht besteht. (2) Ein Werkstattrat wird in Werkstätten gewählt; er setzt sich aus mindestens drei Mit- gliedern zusammen. (3) Wahlberechtigt zum Werkstattrat sind alle in § 138 Abs. 1 genannten behinderten Menschen; von ihnen sind die behinderten Menschen wählbar, die am Wahltag seit mindestens sechs Monaten in der Werkstatt beschäftigt sind. (4) Die Werkstätten für behinderte Menschen unterrichten die Personen, die behinderte Menschen gesetzlich vertreten oder mit ihrer Betreuung beauftragt sind, einmal im Kalenderjahr in einer Eltern- und Betreuerversammlung in angemessener Weise über die Angelegenheiten der Werkstatt, auf die sich die Mitwirkung erstreckt, und hören sie dazu an. In den Werkstätten kann im Einvernehmen mit dem Träger der Werkstatt ein Eltern- und Betreuerbeirat errichtet werden, der die Werkstatt und den Werkstattrat bei ihrer Arbeit berät und durch Vorschläge und Stellungnahmen unterstützt. § 140 Anrechnung von Aufträgen auf die Ausgleichsabgabe (1) Arbeitgeber, die durch Aufträge an anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen zur Beschäftigung behinderter Menschen beitragen, können 50 vom Hundert des auf die Arbeitsleistung der Werkstatt entfallenden Rechnungsbetrages solcher Aufträge (Gesamtrechnungsbetrag abzüglich Materialkosten) auf die Ausgleichsabgabe anrechnen. Dabei wird die Arbeitsleistung des Fachpersonals zur Arbeits- und Berufsförderung berücksichtigt, nicht hingegen die Arbeitsleistung sonstiger nichtbehinderter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 3Bei Weiterveräußerung von Erzeugnissen anderer anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen wird die von diesen erbrachte Arbeitsleistung berücksichtigt. Die Werkstätten bestätigen das Vorliegen der Anrechnungsvoraussetzungen in der Rechnung. (2) Voraussetzung für die Anrechnung ist, dass 1. die Aufträge innerhalb des Jahres, in dem die Verpflichtung zur Zahlung der Ausgleichsabgabe entsteht, von der Werkstatt für behinderte Menschen ausgeführt und vom Auftraggeber bis spätestens 31. März des Folgejahres vergütet werden und 2. es sich nicht um Aufträge handelt, die Träger einer Gesamteinrichtung an Werkstätten für 232 A MTLICHE T EXTE behinderte Menschen vergeben, die rechtlich unselbstständige Teile dieser Einrichtung sind. (3) Bei der Vergabe von Aufträgen an Zusammenschlüsse anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen gilt Absatz 2 entsprechend. § 141 Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand Aufträge der öffentlichen Hand, die von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen ausgeführt werden können, werden bevorzugt diesen Werkstätten angeboten. Die Bundesregierung erlässt mit Zustimmung des Bundesrates hierzu allgemeine Verwaltungsvorschriften. § 142 Anerkennungsverfahren Werkstätten für behinderte Menschen, die eine Vergünstigung im Sinne dieses Kapitels in Anspruch nehmen wollen, bedürfen der Anerkennung. Die Entscheidung über die Anerkennung trifft auf Antrag die Bundesagentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe. Die Bundesagentur für Arbeit führt ein Verzeichnis der anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen. In dieses Verzeichnis werden auch Zusammenschlüsse anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen aufgenommen. § 143 Blindenwerkstätten Die §§ 140 und 141 sind auch zugunsten von auf Grund des Blindenwarenvertriebsgesetzes anerkannten Blindenwerkstätten anzuwenden. § 144 Verordnungsermächtigungen (1) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über den Begriff und die Aufgaben der Werkstatt für behinderte Menschen, die Aufnahmevoraussetzungen, die fachlichen Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der Wirtschaftsführung sowie des Begriffs und der Verwendung des Arbeitsergebnisses sowie das Verfahren zur Anerkennung als Werkstatt für behinderte Menschen. (2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates im Einzelnen die Errichtung, Zusammensetzung und Aufgaben des Werkstattrats, die Fragen, auf die sich die Mitwirkung erstreckt, einschließlich Art und Umfang der Mitwirkung, die Vorbereitung und Durchführung der Wahl, einschließlich der Wahlberechtigung und der Wählbarkeit, die Amtszeit sowie die Geschäftsführung des Werkstattrats einschließlich des Erlasses einer Geschäftsordnung und der persönlichen Rechte und Pflichten der Mitglieder des Werkstattrats und der Kostentragung. Die Rechtsverordnung kann darüber hinaus bestimmen, dass die in ihr getroffenen Regelungen keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen finden, soweit sie eigene gleichwertige Regelungen getroffen haben. Kapitel 13 U N E N T G E LT L I C H E B E F Ö R D E R U N G S C H W E R B E H I N D E RT E R M E N S C H E N IM ÖFFENTLICHEN PERSONENVERKEHR § 145 Unentgeltliche Beförderung, Anspruch auf Erstattung der Fahrgeldausfälle (1) Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 unentgeltlich befördert; die unentgeltliche Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages bei der Benutzung zuschlagpflichtiger Züge des Nahverkehrs. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Wird sie vor Ablauf der Gültigkeitsdauer zurückgegeben, wird auf Antrag für jeden vollen Kalendermonat ihrer Gültigkeit nach Rückgabe ein Betrag von 5 Euro erstattet, sofern der zu erstattende Betrag 15 Euro nicht unterschreitet; Entsprechendes gilt für jeden vollen Kalendermonat nach dem Tod des schwerbehinderten Menschen. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach Satz 3 zu entrichten ist, an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, 233 SGB IX 1. die blind im Sinne des § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches oder entsprechender Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften sind oder 2. die Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz oder die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Zwölften Buch, dem Achten Buch oder den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes erhalten oder 3. die am 1. Oktober 1979 die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 (BGBl. I S. 978), das zuletzt durch Artikel 41 des Zuständigkeitsanpassungs-Gesetzes vom 18. März 1975 (BGBl. I S. 705) geändert worden ist, erfüllten, solange der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge der anerkannten Schädigung auf wenigstens 70 Prozent festgestellt ist oder auf wenigstens 50 Prozent festgestellt ist und sie infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sind; das Gleiche gilt für schwerbehinderte Menschen, die diese Voraussetzungen am 1. Oktober 1979 nur deshalb nicht erfüllt haben, weil sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten. Die Wertmarke wird nicht ausgegeben, solange der Ausweis einen gültigen Vermerk über die Inanspruchnahme von Kraftfahrzeugsteuerermäßigung trägt. Die Ausgabe der Wertmarken erfolgt auf Antrag durch die nach § 69 Abs. 5 zuständigen Behörden. 8Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann die Aufgaben nach Absatz 1 Satz 3 bis 5 ganz oder teilweise auf andere Behörden übertragen. 9Für Streitigkeiten in Zusammenhang mit der Ausgabe der Wertmarke gilt § 51 Abs. 1 Nr. 7 des Sozialgerichtsgesetzes entsprechend. (2) Das gleiche gilt im Nah- und Fernverkehr im Sinne des § 147, ohne dass die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 2 erfüllt sein muss, für die Beförderung 1. einer Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen und dies im Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist, und 2. des Handgepäcks, eines mitgeführten Krankenfahrstuhles, soweit die Beschaffenheit des Verkehrsmittels dies zulässt, sonstiger orthopädischer Hilfsmittel und eines Führhundes; das Gleiche gilt für einen Hund, den ein schwerbehinderter Mensch mitführt, in dessen Ausweis die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung eingetragen ist und der ohne Begleitperson fährt. (3) Die durch die unentgeltliche Beförderung nach den Absätzen 1 und 2 entstehenden Fahrgeldausfälle werden nach Maßgabe der §§ 148 bis 150 erstattet. § 146 Persönliche Voraussetzungen (1) In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Der Nachweis der erheblichen Beeinträchtigung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr kann bei schwerbehinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 80 nur mit einem Ausweis mit halbseitigem orangefarbenem Flächenaufdruck und eingetragenem Merkzeichen G geführt werden, dessen Gültigkeit frühestens mit dem 1. April 1984 beginnt, oder auf dem ein entsprechender Änderungsvermerk eingetragen ist. (2) Zur Mitnahme einer Begleitperson sind schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind. Die Feststellung bedeutet nicht, dass die schwerbehinderte Person, wenn sie nicht in Begleitung ist, eine Gefahr für sich oder für andere darstellt. § 147 Nah- und Fernverkehr (1) Nahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist der öffentliche Personenverkehr mit 1. Straßenbahnen und Obussen im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes, 234 A MTLICHE T EXTE 2. Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach den §§ 42 und 43 des Personenbeförderungsgesetzes auf Linien, bei denen die Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke von 50 Kilometer nicht übersteigt, es sei denn, dass bei den Verkehrsformen nach § 43 des Personenbeförderungsgesetzes die Genehmigungsbehörde auf die Einhaltung der Vorschriften über die Beförderungsentgelte gemäß § 45 Abs. 3 des Personenbeförderungsgesetzes ganz oder teilweise verzichtet hat, 3. S-Bahnen in der 2. Wagenklasse, 4. Eisenbahnen in der 2. Wagenklasse in Zügen und auf Strecken und Streckenabschnitten, die in ein von mehreren Unternehmern gebildetes, mit den unter Nummer 1, 2 oder 7 genannten Verkehrsmitteln zusammenhängendes Liniennetz mit einheitlichen oder verbundenen Beförderungsentgelten einbezogen sind, 5. Eisenbahnen des Bundes in der 2. Wagenklasse in Zügen, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Nahverkehr zu befriedigen (Züge des Nahverkehrs), im Umkreis von 50 Kilometer um den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des schwerbehinderten Menschen, 6. sonstigen Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs im Sinne des § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes in der 2. Wagenklasse auf Strecken, bei denen die Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke von 50 Kilometer nicht überschreiten, 7. Wasserfahrzeugen im Linien-, Fähr- und Übersetzverkehr, wenn dieser der Beförderung von Personen im Orts- und Nachbarschaftsbereich dient und Ausgangs- und Endpunkt innerhalb dieses Bereiches liegen; Nachbarschaftsbereich ist der Raum zwischen benachbarten Gemeinden, die, ohne unmittelbar aneinander grenzen zu müssen, durch einen stetigen, mehr als einmal am Tag durchgeführten Verkehr wirtschaftlich und verkehrsmäßig verbunden sind. (2) Fernverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist der öffentliche Personenverkehr mit 1. Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach § 42 des Personenbeförderungsgesetzes, 2. Eisenbahnen, ausgenommen den Sonderzugverkehr, 3. Wasserfahrzeugen im Fähr- und Übersetzverkehr, sofern keine Häfen außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzbuchs angelaufen werden, soweit der Verkehr nicht Nahverkehr im Sinne des Absatzes 1 ist. (3) Die Unternehmer, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, weisen im öffentlichen Personenverkehr nach Absatz 1 Nr. 2, 5, 6 und 7 im Fahrplan besonders darauf hin, inwieweit eine Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung nach § 145 Abs. 1 nicht besteht. § 148 Erstattung der Fahrgeldausfälle im Nahverkehr (1) Die Fahrgeldausfälle im Nahverkehr werden nach einem Prozentsatz der von den Unternehmern nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen im Nahverkehr erstattet. (2) Fahrgeldeinnahmen im Sinne dieses Kapitels sind alle Erträge aus dem Fahrkartenverkauf zum genehmigten Beförderungsentgelt; sie umfassen auch Erträge aus der Beförderung von Handgepäck, Krankenfahrstühlen, sonstigen orthopädischen Hilfsmitteln, Tieren sowie aus erhöhten Beförderungsentgelten. (3) Werden in einem von mehreren Unternehmern gebildeten zusammenhängenden Liniennetz mit einheitlichen oder verbundenen Beförderungsentgelten die Erträge aus dem Fahrkartenverkauf zusammengefasst und dem einzelnen Unternehmer anteilmäßig nach einem vereinbarten Verteilungsschlüssel zugewiesen, so ist der zugewiesene Anteil Ertrag im Sinne des Absatzes 2. (4) Der Prozentsatz im Sinne des Absatzes 1 wird für jedes Land von der Landesregierung oder der von ihr bestimmten Behörde für jeweils ein Jahr bekannt gemacht. Bei der Berechnung des Prozentsatzes ist von folgenden Zahlen auszugehen: 1. der Zahl der in dem Land in dem betreffenden Kalenderjahr ausgegebenen Wertmarken und der Hälfte der in dem Land am Jahresende in Umlauf befindlichen gültigen Ausweise im Sinne des § 145 Abs. 1 Satz 1 von schwerbehinderten Menschen, die das sechste Lebensjahr vollendet haben und bei denen die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson im Ausweis eingetragen ist; Wertmarken mit einer Gültigkeitsdauer von einem halben Jahr werden zur Hälfte, zu- 235 SGB IX rückgegebene Wertmarken für jeden vollen Kalendermonat vor Rückgabe zu einem Zwölftel gezählt, 2. der in den jährlichen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes zum Ende des Vorjahres nachgewiesenen Zahl der Wohnbevölkerung in dem Land abzüglich der Zahl der Kinder, die das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und der Zahlen nach Nummer 1. Der Prozentsatz ist nach folgender Formel zu berechnen: Nach Nummer 1 errechnete Zahl ------------------------------------------ x 100. Nach Nummer 2 errechnete Zahl Bei der Festsetzung des Prozentsatzes sich ergebende Bruchteile von 0,005 und mehr werden auf ganze Hundertstel aufgerundet, im Übrigen abgerundet. (5) Weist ein Unternehmen durch Verkehrszählung nach, dass das Verhältnis zwischen den nach diesem Kapitel unentgeltlich beförderten Fahrgästen und den sonstigen Fahrgästen den nach Absatz 4 festgesetzten Prozentsatz um mindestens ein Drittel übersteigt, wird neben dem sich aus der Berechnung nach Absatz 4 ergebenden Erstattungsbetrag auf Antrag der nachgewiesene, über dem Drittel liegende Anteil erstattet. Die Länder können durch Rechtsverordnung bestimmen, dass die Verkehrszählung durch Dritte auf Kosten des Unternehmens zu erfolgen hat. § 149 Erstattung der Fahrgeldausfälle im Fernverkehr (1) Die Fahrgeldausfälle im Fernverkehr werden nach einem Prozentsatz der von den Unternehmern nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen im Fernverkehr erstattet. (2) Der maßgebende Prozentsatz wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für jeweils zwei Jahre bekannt gemacht. Bei der Berechnung des Prozentsatzes ist von folgenden, für das letzte Jahr vor Beginn des Zweijahreszeitraumes vorliegenden Zahlen auszugehen: 1. der Zahl der im Geltungsbereich dieses Gesetzes am Jahresende in Umlauf befindlichen gültigen Ausweise nach § 145 Abs. 1 Satz 1, auf denen die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson eingetragen ist, abzüglich 25 Prozent, 2. der in den jährlichen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes zum Jahresende nachgewiesenen Zahl der Wohnbevölkerung im Geltungsbereich dieses Gesetzes abzüglich der Zahl der Kinder, die das vierte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und der nach Nummer 1 ermittelten Zahl. Der Prozentsatz ist nach folgender Formel zu errechnen: Nach Nummer 1 errechnete Zahl ------------------------------------------- x 100. Nach Nummer 2 errechnete Zahl § 148 Abs. 4 letzter Satz gilt entsprechend. § 150 Erstattungsverfahren (1) Die Fahrgeldausfälle werden auf Antrag des Unternehmers erstattet. Bei einem von mehreren Unternehmern gebildeten zusammenhängenden Liniennetz mit einheitlichen oder verbundenen Beförderungsentgelten können die Anträge auch von einer Gemeinschaftseinrichtung dieser Unternehmer für ihre Mitglieder gestellt werden. Der Antrag ist bis zum 31. Dezember für das vorangegangene Kalenderjahr zu stellen, und zwar für den Nahverkehr nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und für den Fernverkehr an das Bundesverwaltungsamt, für den übrigen Nahverkehr bei den in Absatz 3 bestimmten Behörden. (2) Die Unternehmer erhalten auf Antrag Vorauszahlungen für das laufende Kalenderjahr in Höhe von insgesamt 80 Prozent des zuletzt für ein Jahr festgesetzten Erstattungsbetrages. Die Vorauszahlungen werden je zur Hälfte am 15. Juli und am 15. November gezahlt. Der Antrag auf Vorauszahlungen gilt zugleich als Antrag im Sinne des Absatzes 1. Die Vorauszahlungen sind zurückzuzahlen, wenn Unterlagen, die für die Berechnung der Erstattung erforderlich sind, nicht bis zum 31. Dezember des auf die Vorauszahlung folgenden Kalenderjahres vorgelegt sind. (3) Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle legt die Behörden fest, die über die Anträge auf Erstattung und Vorauszahlung entscheiden und die auf den Bund und das Land entfallenden Beträge auszahlen. § 11 Abs. 2 bis 4 des Personenbeförderungsgeset- 236 A MTLICHE T EXTE zes gilt entsprechend. (4) Erstreckt sich der Nahverkehr auf das Gebiet mehrerer Länder, entscheiden die nach Landesrecht zuständigen Landesbehörden dieser Länder darüber, welcher Teil der Fahrgeldeinnahmen jeweils auf den Bereich ihres Landes entfällt. (5) Die Unternehmen im Sinne des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 legen ihren Anträgen an das Bundesverwaltungsamt den Anteil der nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen im Nahverkehr zugrunde, der auf den Bereich des jeweiligen Landes entfällt; für den Nahverkehr von Eisenbahnen des Bundes im Sinne des § 147 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 bestimmt sich dieser Teil nach dem Anteil der Zugkilometer, die von einer Eisenbahn des Bundes mit Zügen des Nahverkehrs im jeweiligen Land erbracht werden. (6) Hinsichtlich der Erstattungen gemäß § 148 für den Nahverkehr nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und gemäß § 149 sowie der entsprechenden Vorauszahlungen nach Absatz 2 wird dieses Kapitel in bundeseigener Verwaltung ausgeführt. Die Verwaltungsaufgaben des Bundes erledigt das Bundesverwaltungsamt nach fachlichen Weisungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in eigener Zuständigkeit. (7) Für das Erstattungsverfahren gelten das Verwaltungsverfahrensgesetz und die entsprechenden Gesetze der Länder. Bei Streitigkeiten über die Erstattungen und die Vorauszahlungen ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. § 151 Kostentragung (1) Der Bund trägt die Aufwendungen für die unentgeltliche Beförderung 1. im Nahverkehr, soweit Unternehmen, die sich überwiegend in der Hand des Bundes oder eines mehrheitlich dem Bund gehörenden Unternehmens befinden (auch in Verkehrsverbünden), erstattungsberechtigte Unternehmer sind, 2. im übrigen Nahverkehr für a) schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 145 Abs. 1, die wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 50 Prozent Anspruch auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach anderen Bundesgesetzen in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes haben oder Ent- schädigung nach § 28 des Bundesentschädigungsgesetzes erhalten, b) ihre Begleitperson im Sinne des § 145 Abs. 2 Nr. 1, c) die mitgeführten Gegenstände im Sinne des § 145 Abs. 2 Nr. 2 sowie 3. im Fernverkehr für die Begleitperson und die mitgeführten Gegenstände im Sinne des § 145 Abs. 2. Die Länder tragen die Aufwendungen für die unentgeltliche Beförderung der übrigen Personengruppen und der mitgeführten Gegenstände im Nahverkehr. (2) Die nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 auf den Bund und nach Absatz 1 Satz 2 auf die einzelnen Länder entfallenden Aufwendungen für die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr errechnen sich aus dem Anteil der in dem betreffenden Kalenderjahr ausgegebenen Wertmarken und der am Jahresende in Umlauf befindlichen gültigen Ausweise im Sinne des § 145 Abs. 1 Satz 1 von schwerbehinderten Menschen, die das sechste Lebensjahr vollendet haben und bei denen die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson im Ausweis eingetragen ist, der jeweils auf die in Absatz 1 genannten Personengruppen entfällt. Wertmarken mit einer Gültigkeitsdauer von einem halben Jahr werden zur Hälfte, zurückgegebene Wertmarken für jeden vollen Kalendermonat vor Rückgabe zu einem Zwölftel gezählt. (3) Die auf den Bund entfallenden Ausgaben für die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr werden für Rechnung des Bundes geleistet. Die damit zusammenhängenden Einnahmen werden an den Bund abgeführt. Persönliche und sächliche Verwaltungskosten werden nicht erstattet. (4) Auf die für Rechnung des Bundes geleisteten Ausgaben und die mit ihnen zusammenhängenden Einnahmen wird § 4 Abs. 2 des Ersten Überleitungsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 603-3, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2317) geändert worden ist, nicht angewendet. § 152 Einnahmen aus Wertmarken Von den durch die Ausgabe der Wertmarke erzielten jährlichen Einnahmen sind an den Bund 237 SGB IX abzuführen: 1. die Einnahmen aus der Ausgabe von Wertmarken an schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. ein bundeseinheitlicher Anteil der übrigen Einnahmen, der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für jeweils ein Jahr bekannt gemacht wird. Er errechnet sich aus dem Anteil der nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 vom Bund zu tragenden Aufwendungen an den Gesamtaufwendungen von Bund und Ländern für die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr, abzüglich der Aufwendungen für die unentgeltliche Beförderung der in § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Personengruppen. Die durch Ausgabe von Wertmarken an schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 erzielten Einnahmen sind zum 15. Juli und zum 15. November an den Bund abzuführen. Von den eingegangenen übrigen Einnahmen sind zum 15. Juli und zum 15. November Abschlagszahlungen in Höhe des Prozentsatzes, der für das jeweilige Vorjahr nach Satz 1 Nr. 2 bekannt gemacht wird, an den Bund abzuführen. Die auf den Bund entfallenden Einnahmen sind für jedes Haushaltsjahr abzurechnen. Abs. 2 zu ermittelnde Höhe der Aufwendungen sowie für die nach § 152 vorzunehmende Aufteilung der Einnahmen aus der Ausgabe von Wertmarken. Die zuständigen obersten Landesbehörden teilen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Ergebnis der Erfassung nach Satz 1 spätestens bis zum 31. März des Jahres mit, in dem die Prozentsätze festzusetzen sind. § 153 Erfassung der Ausweise § 155 Strafvorschriften Die für die Ausstellung der Ausweise nach § 69 Abs. 5 zuständigen Behörden erfassen 1. die am Jahresende in Umlauf befindlichen gültigen Ausweise, getrennt nach a) Art, b) besonderen Eintragungen und c) Zugehörigkeit zu einer der in § 151 Abs. 1 Satz 1 genannten Gruppen, 2. die im Kalenderjahr ausgegebenen Wertmarken, unterteilt nach der jeweiligen Gültigkeitsdauer, und die daraus erzielten Einnahmen, getrennt nach Zugehörigkeit zu einer der in § 151 Abs. 1 Satz 1 genannten Gruppen als Grundlage für die nach § 148 Abs. 4 Nr. 1 und § 149 Abs. 2 Nr. 1 zu ermittelnde Zahl der Ausweise und Wertmarken, für die nach § 151 (1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als Vertrauensperson schwerbehinderter Menschen anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. § 154 Verordnungsermächtigungen (1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung auf Grund des § 70 nähere Vorschriften über die Gestaltung der Wertmarken, ihre Verbindung mit dem Ausweis und Vermerke über ihre Gültigkeitsdauer zu erlassen. (2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung festzulegen, welche Zuggattungen von Eisenbahnen des Bundes zu den Zügen des Nahverkehrs im Sinne des § 147 Abs. 1 Nr. 5 und zu den zuschlagpflichtigen Zügen des Nahverkehrs im Sinne des § 145 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz zählen. Kapitel 14 S T R A F -, B U ß G E L D - U N D SCHLUSSVORSCHRIFTEN (2) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, zu dessen Geheimhaltung er nach Absatz 1 verpflichtet ist, verwertet. (3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. 238 A MTLICHE T EXTE § 156 Bußgeldvorschriften (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 71 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 79 Nr. 1, oder § 71 Abs. 1 Satz 3 schwerbehinderte Menschen nicht beschäftigt, 2. entgegen § 80 Abs. 1 ein Verzeichnis nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise führt oder nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt, 3. entgegen § 80 Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 4 eine Anzeige nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig erstattet, 4. entgegen § 80 Abs. 5 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt, 5. entgegen § 80 Abs. 7 Einblick in den Betrieb oder die Dienststelle nicht oder nicht rechtzeitig gibt, 6. entgegen § 80 Abs. 8 eine dort bezeichnete Person nicht oder nicht rechtzeitig benennt, 7. entgegen § 81 Abs. 1 Satz 4 oder 9 eine dort bezeichnete Vertretung oder einen Beteiligten nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig unterrichtet, 8. entgegen § 81 Abs. 1 Satz 7 eine Entscheidung nicht erörtert, oder 9. entgegen § 95 Abs. 2 Satz 1 die Schwerbehindertenvertretung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig unterrichtet oder nicht oder nicht rechtzeitig hört. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 10.000 Euro geahndet werden. (3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Bundesagentur für Arbeit. (4) § 66 des Zehnten Buches gilt entsprechend. (5) Die Geldbuße ist an das Integrationsamt abzuführen. Für ihre Verwendung gilt § 77 Abs. 5. § 157 Stadtstaatenklausel (1) Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg wird ermächtigt, die Schwerbehinderten- vertretung für Angelegenheiten, die mehrere oder alle Dienststellen betreffen, in der Weise zu regeln, dass die Schwerbehindertenvertretungen aller Dienststellen eine Gesamtschwerbehindertenvertretung wählen. Für die Wahl gilt § 94 Abs. 2, 3, 6 und 7 entsprechend. (2) § 97 Abs. 6 Satz 1 gilt entsprechend. § 158 Sonderregelung für den Bundesnachrichtendienst Für den Bundesnachrichtendienst gilt dieses Gesetz mit folgenden Abweichungen: 1. Der Bundesnachrichtendienst gilt vorbehaltlich der Nummer 3 als einheitliche Dienststelle. 2. Für den Bundesnachrichtendienst gelten die Pflichten zur Vorlage des nach § 80 Abs. 1 zu führenden Verzeichnisses, zur Anzeige nach § 80 Abs. 2 und zur Gewährung von Einblick nach § 80 Abs. 7 nicht. Die Anzeigepflicht nach § 90 Abs. 3 gilt nur für die Beendigung von Probearbeitsverhältnissen. 3. Als Dienststelle im Sinne des Kapitels 5 gelten auch Teile und Stellen des Bundesnachrichtendienstes, die nicht zu seiner Zentrale gehören. 2§ 94 Abs. 1 Satz 4 und 5 sowie § 97 sind nicht anzuwenden. In den Fällen des § 97 Abs. 6 ist die Schwerbehindertenvertretung der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes zuständig. Im Falle des § 94 Abs. 6 Satz 4 lädt der Leiter oder die Leiterin der Dienststelle ein. Die Schwerbehindertenvertretung ist in den Fällen nicht zu beteiligen, in denen die Beteiligung der Personalvertretung nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz ausgeschlossen ist. Der Leiter oder die Leiterin des Bundesnachrichtendienstes kann anordnen, dass die Schwerbehindertenvertretung nicht zu beteiligen ist, Unterlagen nicht vorgelegt oder Auskünfte nicht erteilt werden dürfen, wenn und soweit dies aus besonderen nachrichtendienstlichen Gründen geboten ist. Die Rechte und Pflichten der Schwerbehindertenvertretung ruhen, wenn die Rechte und Pflichten der Personalvertretung ruhen. § 96 Abs. 7 Satz 3 ist nach Maßgabe der Sicherheitsbestimmungen des Bundesnachrichtendienstes anzuwenden. 9§ 99 Abs. 2 gilt nur für die in § 99 Abs. 1 genannten Personen und Vertretungen der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes. 239 SGB IX 4. Im Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt (§ 119) und die Widerspruchsausschüsse bei der Bundesagentur für Arbeit (§ 120) treten in Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen, die beim Bundesnachrichtendienst beschäftigt sind, an die Stelle der Mitglieder, die Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber sind (§ 119 Abs. 1 und § 120 Abs. 1), Angehörige des Bundesnachrichtendienstes, an die Stelle der Schwerbehindertenvertretung die Schwerbehindertenvertretung der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes. Sie werden dem Integrationsamt und der Bundesagentur für Arbeit vom Leiter oder der Leiterin des Bundesnachrichtendienstes benannt. Die Mitglieder der Ausschüsse müssen nach den dafür geltenden Bestimmungen ermächtigt sein, Kenntnis von Verschlusssachen des in Betracht kommenden Geheimhaltungsgrades zu erhalten. 5. Über Rechtsstreitigkeiten, die auf Grund dieses Buches im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes entstehen, entscheidet im ersten und letzten Rechtszug der oberste Gerichtshof des zuständigen Gerichtszweiges. § 159 Übergangsregelung (1) Abweichend von § 71 Abs. 1 beträgt die Pflichtquote für die in § 71 Abs. 3 Nr. 1 und 4 genannten öffentlichen Arbeitgeber des Bundes weiterhin 6 Prozent, wenn sie am 31. Oktober 1999 auf mindestens 6 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigt hatten. (2) Auf Leistungen nach § 33 Abs. 2 des Schwerbehindertengesetzes in Verbindung mit dem Ersten Abschnitt der SchwerbehindertenAusgleichsabgabeverordnung jeweils in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung sind die zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften weiter anzuwenden, wenn die Entscheidung über die beantragten Leistungen vor dem 1. Oktober 2000 getroffen worden ist. (3) Eine auf Grund des Schwerbehindertengesetzes getroffene bindende Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung, eines Grades der Behinderung und das Vorliegen weiterer gesundheitlicher Merkmale gelten als Feststellungen nach diesem Buch. (4) Die nach § 56 Abs. 2 des Schwerbehinder- tengesetzes erlassenen allgemeinen Richtlinien sind bis zum Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 141 weiter anzuwenden. (5) § 17 Abs. 2 Satz 1 ist vom 1. Januar 2008 an mit der Maßgabe anzuwenden, dass auf Antrag Leistungen durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden. (6) Auf Erstattungen nach Teil 2 Kapitel 13 ist § 148 für bis zum 31. Dezember 2004 entstandene Fahrgeldausfälle in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden. § 159a Übergangsvorschrift zum Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt § 73 Abs. 2 Nr. 4 ist in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung weiter anzuwenden, solange Personen an Strukturanpassungsmaßnahmen nach dem Dritten Buch teilnehmen. § 160 Überprüfungsregelung (1) Die Bundesregierung berichtet den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes bis zum 30. Juni 2005 über die Situation behinderter und schwerbehinderter Frauen und Männer auf dem Ausbildungsstellenmarkt und schlägt die danach zu treffenden Maßnahmen vor. (2) Sie berichtet den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes bis zum 30. Juni 2007 über die Wirkungen der Instrumente zur Sicherung von Beschäftigung und zur betrieblichen Prävention. Dabei wird auch die Höhe der Beschäftigungspflichtquote überprüft. 240 A MTLICHE T EXTE 20 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1739), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2742) § 1 Gestaltung des Ausweises (1) Der Ausweis im Sinne des § 69 Abs. 5 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung und weitere gesundheitliche Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch oder nach anderen Vorschriften sind, wird nach dem in der Anlage zu dieser Verordnung abgedruckten Muster 1 ausgestellt. Der Ausweis ist mit einem fälschungssicheren Aufdruck in der Grundfarbe grün versehen. (2) Der Ausweis für schwerbehinderte Menschen, die das Recht auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr in Anspruch nehmen können, ist durch einen halbseitigen orangefarbenen Flächenaufdruck gekennzeichnet. (3) Der Ausweis für schwerbehinderte Menschen, die zu einer der in § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a des Neunten Buches Sozialgesetzbuch genannten Gruppen gehören, ist nach § 2 zu kennzeichnen. (4) Der Ausweis für schwerbehinderte Menschen mit weiteren gesundheitlichen Merkmalen im Sinne des Absatzes 1 ist durch Merkzeichen nach § 3 zu kennzeichnen. § 2 Zugehörigkeit zu Sondergruppen (1) Im Ausweis ist auf der Vorderseite unter dem Wort „Schwerbehindertenausweis“ die Bezeichnung „Kriegsbeschädigt“ einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 50 vom Hundert Anspruch auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz hat. (2) Im Ausweis sind auf der Vorderseite folgende Merkzeichen einzutragen: 1. VB wenn der schwerbehinderte Mensch wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 50 vom Hundert Anspruch auf Versorgung nach anderen Bundesgesetzen in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes hat oder wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen des Zusammentreffens mehrerer Ansprüche auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz, nach Bundesgesetzen in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes oder nach dem Bundesentschädigungsgesetz in ihrer Gesamtheit wenigstens 50 vom Hundert beträgt und nicht bereits die Bezeichnung nach Absatz 1 oder ein Merkzeichen nach Nummer 2 einzutragen ist, 2. EB wenn der schwerbehinderte Mensch wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 50 vom Hundert Entschädigung nach § 28 des Bundesentschädigungsgesetzes erhält. Beim Zusammentreffen der Voraussetzungen für die Eintragung der Bezeichnung nach Absatz 1 und des Merkzeichens nach Satz 1 Nr. 2 ist die Bezeichnung „Kriegsbeschädigt“ einzutragen, es sei denn, der schwerbehinderte Mensch beantragt die Eintragung des Merkzeichens „EB“. VB EB § 3 Weitere Merkzeichen (1) Im Ausweis sind auf der Rückseite folgende Merkzeichen einzutragen: 1. aG wenn der schwerbehinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist, 2. H wenn der schwerbehinderte Mensch hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften ist, 3. BI wenn der schwerbehinderte Mensch blind im Sinne des § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder ent- aG H BI 241 S CHWERBEHINDERTENAUSWEISVERORDNUNG sprechender Vorschriften ist, 4. GI wenn der schwerbehinderte Mensch gehörlos im Sinne des § 145 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist, 5. RF wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt, 6. 1. Kl. 1.Kl. wenn der schwerbehinderte Mensch die im Verkehr mit Eisenbahnen tariflich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse erfüllt. (2) Im Ausweis mit orangefarbenem Flächenaufdruck sind folgende Eintragungen vorgedruckt: 1. auf der Vorderseite das Merkzeichen B und der Satz: „Die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson ist nachgewiesen". 2. auf der Rückseite im ersten Feld das Merkzeichen G Ist die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson im Sinne des § 146 Abs. 2 des Neunten Buches nicht nachgewiesen, ist die vorgedruckte Eintragung nach Nummer 1 zu löschen. Das gleiche gilt für die vorgedruckte Eintragung nach Nummer 2, wenn bei einem schwerbehinderten Menschen, nicht festgestellt ist, daß er in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder entsprechender Vorschriften ist. GI RF B G § 3a Beiblatt (1) Zum Ausweis für schwerbehinderte Menschen, die das Recht auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr in Anspruch nehmen können, ist auf Antrag ein Beiblatt nach dem in der Anlage zu dieser Verordnung abgedruckten Muster 2 in der Grundfarbe weiß auszustellen. Das Beiblatt ist Bestandteil des Ausweises und nur zusammen mit dem Ausweis gültig. (2) Schwerbehinderte Menschen, die das Recht auf unentgeltliche Beförderung in Anspruch nehmen wollen, erhalten auf Antrag ein Beiblatt, das mit einer Wertmarke nach dem in der Anlage zu dieser Verordnung abgedruckten Muster 3 versehen ist. Auf die Wertmarke werden eingetragen das Jahr und der Monat, von dem an die Wertmarke gültig ist, sowie das Jahr und der Monat, in dem ihre Gültigkeit abläuft. Sofern in Fällen des § 145 Abs. 1 Satz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch der Antragsteller zum Gültigkeitsbeginn keine Angaben macht, wird der auf den Eingang des Antrages und die Entrichtung der Eigenbeteiligung folgende Monat auf der Wertmarke eingetragen. Spätestens mit Ablauf der Gültigkeitsdauer der Wertmarke wird das Beiblatt ungültig. (3) Schwerbehinderte Menschen, die an Stelle der unentgeltlichen Beförderung die Kraftfahrzeugsteuerermäßigung in Anspruch nehmen wollen, erhalten auf Antrag ein Beiblatt ohne Wertmarke. Bei Einräumung der Kraftfahrzeugsteuerermäßigung wird das Beiblatt mit einem Vermerk des zuständigen Finanzamtes versehen. Die Gültigkeitsdauer des Beiblattes entspricht der des Ausweises. (4) Schwerbehinderte Menschen, die zunächst die Kraftfahrzeugsteuerermäßigung in Anspruch genommen haben und statt dessen die unentgeltliche Beförderung in Anspruch nehmen wollen, haben das Beiblatt (Absatz 3) nach Löschung des Vermerks durch das Finanzamt bei Stellung des Antrags auf ein Beiblatt mit Wertmarke (Absatz 2) zurückzugeben. Entsprechendes gilt, wenn schwerbehinderte Menschen vor Ablauf der Gültigkeitsdauer der Wertmarke an Stelle der unentgeltlichen Beförderung die Kraftfahrzeugsteuerermäßigung in Anspruch nehmen wollen. In diesem Fall ist das Datum der Rückgabe (Eingang beim Versorgungsamt) auf das Beiblatt nach Absatz 3 einzutragen. (5) Bis zum 30. Juni 1991 ausgegebene Beiblätter und Wertmarken behalten ihre Gültigkeit. § 4 Sonstige Eintragungen (1) Die Eintragung von Sondervermerken zum Nachweis von weiteren Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen, die schwerbehinderten Menschen nach landesrechtlichen Vorschriften zu- 242 A MTLICHE T EXTE stehen, ist auf der Vorderseite des Ausweises zulässig. (2) Die Eintragung von Merkzeichen oder sonstigen Vermerken, die in dieser Verordnung (§§ 2, 3, 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 3) nicht vorgesehen sind, ist unzulässig. § 5 Lichtbild (1) Der Ausweis für schwerbehinderte Menschen, die das 10. Lebensjahr vollendet haben, ist mit dem Lichtbild des Ausweisinhabers in der Größe eines Passbildes zu versehen. Das Lichtbild hat der Antragsteller beizubringen. (2) Bei schwerbehinderten Menschen, die das Haus nicht oder nur mit Hilfe eines Krankenwagens verlassen können, ist der Ausweis auf Antrag ohne Lichtbild auszustellen. (3) In Ausweisen ohne Lichtbild ist in dem für das Lichtbild vorgesehenen Raum der Vermerk „Ohne Lichtbild gültig“ einzutragen. § 6 Gültigkeitsdauer (1) Auf der Rückseite des Ausweises ist als Beginn der Gültigkeit des Ausweises einzutragen: 1. in den Fällen des § 69 Abs. 1 und 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch der Tag des Eingangs des Antrags auf Feststellung nach diesen Vorschriften, 2. in den Fällen des § 69 Abs. 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch der Tag des Eingangs des Antrags auf Ausstellung des Ausweises nach § 69 Abs. 5 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Ist auf Antrag des schwerbehinderten Menschen nach Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses festgestellt worden, dass die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, ein anderer Grad der Behinderung oder ein oder mehrere gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, ist zusätzlich das Datum einzutragen, von dem ab die jeweiligen Voraussetzungen mit dem Ausweis nachgewiesen werden können. Ist zu einem späteren Zeitpunkt in den Verhältnissen, die für die Feststellung und den Inhalt des Ausweises maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten, ist die Eintragung auf Grund der entsprechenden Neufeststellung zu berichtigen und zusätzlich das Datum einzutragen, von dem ab die jeweiligen Voraussetzungen mit dem Ausweis nachgewie- sen werden können, sofern der Ausweis nicht einzuziehen ist. (2) Die Gültigkeit des Ausweises ist für die Dauer von längstens 5 Jahren vom Monat der Ausstellung an zu befristen. In den Fällen, in denen eine Neufeststellung wegen einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, nicht zu erwarten ist, kann der Ausweis unbefristet ausgestellt werden. (3) Für schwerbehinderte Menschen unter 10 Jahren ist die Gültigkeitsdauer des Ausweises bis längstens zum Ende des Kalendermonats zu befristen, in dem das 10. Lebensjahr vollendet wird. (4) Für schwerbehinderte Menschen im Alter zwischen 10 und 15 Jahren ist die Gültigkeitsdauer des Ausweises bis längstens zum Ende des Kalendermonats zu befristen, in dem das 20. Lebensjahr vollendet wird. (5) Bei nichtdeutschen schwerbehinderten Menschen, deren Aufenthaltstitel, Aufenthaltsgestattung oder Arbeitserlaubnis befristet ist, ist die Gültigkeitsdauer des Ausweises längstens bis zum Ablauf des Monats der Frist zu befristen. (6) Die Gültigkeitsdauer des Ausweises kann auf Antrag höchstens zweimal verlängert werden. Bei der Verlängerung eines nach Absatz 3 ausgestellten Ausweises über das 10. Lebensjahr des Ausweisinhabers hinaus, längstens bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres, gilt § 5 Abs. 1. (7) Der Kalendermonat und das Kalenderjahr, bis zu deren Ende der Ausweis gültig sein soll, sind auf der Vorderseite des Ausweises einzutragen. § 7 Verwaltungsverfahren (1) Für die Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung des Ausweises sind die für die Kriegsopferversorgung maßgebenden Verwaltungsverfahrensvorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich aus § 69 Abs. 5 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nichts Abweichendes ergibt. (2) Zum Beiblatt mit Wertmarke (§ 3a Abs. 1 und 2) ist ein von der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft oder ihren Tochtergesellschaften aufgestelltes, für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Ausweisinhabers maßge- 243 S CHWERBEHINDERTENAUSWEISVERORDNUNG bendes Streckenverzeichnis nach dem in der Anlage abgedruckten Muster 5 auszuhändigen. Das Streckenverzeichnis ist mit einem fälschungssicheren halbseitigen orangefarbenen Flächenaufdruck gekennzeichnet. (3) Ein Streckenverzeichnis gemäß Absatz 2 in der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung ist auch nach dem 1. Januar 1994 noch auszuhändigen, wenn ein Streckenverzeichnis gemäß Absatz 2 in der ab 1. Januar 1994 geltenden Fassung noch nicht zur Verfügung steht. Ein bis zum 31. Dezember 1993 oder gemäß Satz 1 danach ausgehändigtes Streckenverzeichnis bleibt für den Ausweisinhaber gültig, bis ihm ein Streckenverzeichnis nach Absatz 2 ausgehändigt wird, längstens bis zum 31. Dezember 1994. § 8 Ausweis für sonstige freifahrtberechtigte Personen (1) Der Ausweis für Personen im Sinne des Artikels 2 Abs. 1 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 9. Juli 1979 (BGBl. I S. 989), soweit sie nicht schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 2 Abs. 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch sind, wird nach dem in der Anlage zu dieser Verordnung abgedruckten Muster 4 ausgestellt. Der Ausweis ist mit einem fälschungssicheren Aufdruck in der Grundfarbe grün versehen und durch einen halbseitigen orangefarbenen Flächenaufdruck gekennzeichnet. Zusammen mit dem Ausweis ist ein Beiblatt auszustellen, das mit einer Wertmarke nach dem in der Anlage zu dieser Verordnung abgedruckten Muster 3 versehen ist. (2) Für die Ausstellung des Ausweises nach Absatz 1 gelten die Vorschriften des § 1 Abs. 3, § 2, § 3 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, § 4 Abs. 2, § 5 und § 6 Abs. 2, 3, 4, 6 und 7 sowie des § 7 entsprechend, soweit sich aus Artikel 2 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr nichts Besonderes ergibt. § 9 Übergangsregelung (1) Ein Ausweis, der nach dem bis zum 30. Juni 2001 geltenden Recht ausgestellt worden ist, bleibt bis zum Ablauf seiner Gültigkeitsdauer gültig, es sei denn, er ist einzuziehen. Ein Ausweis, der nach dem bis zum 30. Juni 2001 geltenden Recht ausgestellt worden ist, kann auf Antrag unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 6 verlängert werden. (2) Ein Ausweis mit dem Merkzeichen B, der vor dem 12. Dezember 2006 ausgestellt worden ist, bleibt bis zum Ablauf seiner Gültigkeitsdauer gültig, es sei denn, er ist einzuziehen. Der Ausweistext wird auf Antrag an § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 in der seit dem 12. Dezember 2006 geltenden Fassung angepasst. 244 A MTLICHE T EXTE 21 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) vom 28. März 1988 (BGBl. I S. 484), zuletzt geändert durch Artikel 28 des Gesetzes vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246) §§ 1 bis 13 (weggefallen) § 14 Verwendungszwecke (1) Die Integrationsämter haben die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel der Ausgleichsabgabe einschließlich der Zinsen, der Tilgungsbeträge aus Darlehen, der zurückgezahlten Zuschüsse sowie der unverbrauchten Mittel des Vorjahres zu verwenden für folgende Leistungen: 1. Leistungen zur Förderung des Arbeits- und Ausbildungsplatzangebots für schwerbehinderte Menschen, 2. Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben, einschließlich der Durchführung von Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen, 3. Leistungen für Einrichtungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben und 4. Leistungen zur Durchführung von Forschungs- und Modellvorhaben auf dem Gebiet der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben, sofern ihnen ausschließlich oder überwiegend regionale Bedeutung zukommt oder beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales beantragte Mittel aus dem Ausgleichsfonds nicht erbracht werden konnten. (2) Die Mittel der Ausgleichsabgabe sind vorrangig für die Förderung nach Absatz 1 Nr. 1 und 2 zu verwenden. (3) Die Integrationsämter können sich an der Förderung von Vorhaben nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 durch den Ausgleichsfonds beteiligen. § 15 Leistungen an Arbeitgeber zur Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen (1) Arbeitgeber können Darlehen oder Zuschüsse bis zur vollen Höhe der entstehenden notwendigen Kosten zu den Aufwendungen für folgende Maßnahmen erhalten: 1. die Schaffung neuer geeigneter, erforderlichenfalls behinderungsgerecht ausgestatteter Arbeitsplätze in Betrieben oder Dienststellen für schwerbehinderte Menschen, a) die ohne Beschäftigungspflicht oder über die Beschäftigungspflicht hinaus (§ 71 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) eingestellt werden sollen, b) die im Rahmen der Erfüllung der besonderen Beschäftigungspflicht gegenüber im Arbeits- und Berufsleben besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen (§ 71 Abs. 1 Satz 2 und § 72 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) eingestellt werden sollen, c) die nach einer längerfristigen Arbeitslosigkeit von mehr als 12 Monaten eingestellt werden sollen, d) die im Anschluss an eine Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen eingestellt werden sollen oder e) die zur Durchführung von Maßnahmen der besonderen Fürsorge und Förderung nach § 81 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 4 und 5 und Abs. 5 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf einen neu zu schaffenden Arbeitsplatz umgesetzt werden sollen oder deren Beschäftigungsverhältnis ohne Umsetzung auf einen neu zu schaffenden Arbeitsplatz enden würde, 2. die Schaffung neuer geeigneter, erforderlichenfalls behinderungsgerecht ausgestatteter Ausbildungsplätze und Plätze zur sonstigen beruflichen Bildung für schwerbehinderte Menschen, insbesondere zur Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 Abs. 3 Nr. 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, in Betrieben oder Dienststellen, wenn gewährleistet wird, daß die geförderten Plätze für einen nach Lage des Einzelfalles zu 245 SCHWERBEHINDERTEN-AUSGLEICHSABGABEVERORDNUNG bestimmenden langfristigen Zeitraum schwerbehinderten Menschen vorbehalten bleiben. Leistungen können auch zu den Aufwendungen erbracht werden, die durch die Ausbildung schwerbehinderter Menschen im Gebrauch der nach Satz 1 geförderten Gegenstände entstehen. (2) Leistungen sollen nur erbracht werden, wenn sich der Arbeitgeber in einem angemessenen Verhältnis an den Gesamtkosten beteiligt. Sie können nur erbracht werden, soweit Mittel für denselben Zweck nicht von anderer Seite zu erbringen sind oder erbracht werden. Art und Höhe der Leistung bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalles. Darlehen sollen mit jährlich 10 vom Hundert getilgt werden; von der Tilgung kann im Jahr der Auszahlung und dem darauf folgenden Kalenderjahr abgesehen werden. Auch von der Verzinsung kann abgesehen werden. (3) Die behinderungsgerechte Ausstattung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen und die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen können, wenn Leistungen nach Absatz 1 nicht erbracht werden, nach den Vorschriften über die begleitende Hilfe im Arbeitsleben (§ 26) gefördert werden. § 16 Arbeitsmarktprogramme schwerbehinderte Menschen für Die Integrationsämter können der Bundesagentur für Arbeit Mittel der Ausgleichsabgabe zur Durchführung befristeter regionaler Arbeitsmarktprogramme gemäß § 104 Abs. 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch zuweisen. § 17 Leistungsarten (1) Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben können erbracht werden 1. an schwerbehinderte Menschen a) für technische Arbeitshilfen (§ 19), b) zum Erreichen des Arbeitsplatzes (§ 20), c) zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz (§ 21), d) zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung (§ 22), e) (weggefallen) f) zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhal- tung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten (§ 24) und g) in besonderen Lebenslagen (§ 25), 2. an Arbeitgeber a) zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen (§ 26), b) für Zuschüsse zu den Gebühren bei der Berufsausbildung besonders betroffener schwerbehinderter Jugendlicher und junger Erwachsener (§ 26a), c) für Prämien und Zuschüsse zu den Kosten der Berufsausbildung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener (§ 26 b), d) für Prämien zur Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (§ 26c) und e) bei außergewöhnlichen Belastungen (§ 27), 3. an Träger von Integrationsfachdiensten zu den Kosten ihrer Inanspruchnahme (§ 27a) einschließlich freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen zu den Kosten einer psychosozialen Betreuung schwerbehinderter Menschen (§ 28) sowie an Träger von Integrationsprojekten (§ 28a), 4. zur Durchführung von Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen (§ 29). Daneben können solche Leistungen unter besonderen Umständen an Träger sonstiger Maßnahmen erbracht werden, die dazu dienen und geeignet sind, die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Aufnahme, Ausübung oder Sicherung einer möglichst dauerhaften Beschäftigung) zu ermöglichen, zu erleichtern oder zu sichern. (1a) Schwerbehinderte Menschen haben im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. (2) Andere als die in Absatz 1 und Absatz 1a genannten Leistungen, die der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben nicht oder nur mittelbar dienen, können nicht erbracht werden. Insbesondere können medizi- 246 A MTLICHE T EXTE nische Maßnahmen sowie Urlaubs- und Freizeitmaßnahmen nicht gefördert werden. § 20 Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes § 18 Leistungsvoraussetzungen Schwerbehinderte Menschen können Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung vom 28. September 1987 (BGBl. I S. 2251) erhalten. (1) Leistungen nach § 17 Abs. 1 und Abs. 1a dürfen nur erbracht werden, soweit Leistungen für denselben Zweck nicht von einem Rehabilitationsträger, vom Arbeitgeber oder von anderer Seite zu erbringen sind oder, auch wenn auf sie ein Rechtsanspruch nicht besteht, erbracht werden. Der Nachrang der Träger der Sozialhilfe gemäß § 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und das Verbot der Aufstockung von Leistungen der Rehabilitationsträger durch Leistungen der Integrationsämter (§ 102 Abs. 5 Satz 2 letzter Halbsatz des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) und die Möglichkeit der Integrationsämter, Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben vorläufig zu erbringen (§ 102 Abs. 6 Satz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch), bleiben unberührt. § 21 Hilfen zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz (1) Schwerbehinderte Menschen können Darlehen oder Zinszuschüsse zur Gründung und zur Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz erhalten, wenn 1. sie die erforderlichen persönlichen und fachlichen Voraussetzungen für die Ausübung der Tätigkeit erfüllen, 2. sie ihren Lebensunterhalt durch die Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer im wesentlichen sicherstellen können und (2) Leistungen an schwerbehinderte Menschen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben können erbracht werden, 3. die Tätigkeit unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts zweckmäßig ist. 1. wenn die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt und durch die Leistungen ermöglicht, erleichtert oder gesichert werden kann und (2) Darlehen sollen mit jährlich 10 vom Hundert getilgt werden. Von der Tilgung kann im Jahr der Auszahlung und dem darauffolgenden Kalenderjahr abgesehen werden. Satz 2 gilt, wenn Darlehen verzinslich gegeben werden, für die Verzinsung. 2. wenn es dem schwerbehinderten Menschen wegen des behinderungsbedingten Bedarfs nicht zuzumuten ist, die erforderlichen Mittel selbst aufzubringen. In den übrigen Fällen sind seine Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen. (3) Sonstige Leistungen zur Deckung von Kosten des laufenden Betriebs können nicht erbracht werden. (3) Die Leistungen können als einmalige oder laufende Leistungen erbracht werden. Laufende Leistungen können in der Regel nur befristet erbracht werden. Leistungen können wiederholt erbracht werden. § 19 Technische Arbeitshilfen Für die Beschaffung technischer Arbeitshilfen, ihre Wartung, Instandsetzung und die Ausbildung des schwerbehinderten Menschen im Gebrauch können die Kosten bis zur vollen Höhe übernommen werden. Gleiches gilt für die Ersatzbeschaffung und die Beschaffung zur Anpassung an die technische Weiterentwicklung. (4) Die §§ 17 bis 20 und die §§ 22 bis § 27 sind zugunsten von schwerbehinderten Menschen, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben oder aufzunehmen beabsichtigen, entsprechend anzuwenden. § 22 Hilfen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung (1) Schwerbehinderte Menschen können Leistungen erhalten 1. zur Beschaffung von behinderungsgerechtem Wohnraum im Sinne des § 16 des Wohnraumförderungsgesetzes, 2. zur Anpassung von Wohnraum und seiner Ausstattung an die besonderen behinderungsbedingten Bedürfnisse und 247 SCHWERBEHINDERTEN-AUSGLEICHSABGABEVERORDNUNG 3. zum Umzug in eine behinderungsgerechte oder erheblich verkehrsgünstiger zum Arbeitsplatz gelegene Wohnung. (2) Leistungen können als Zuschüsse, Zinszuschüsse oder Darlehen erbracht werden. Höhe, Tilgung und Verzinsung bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. (3) Leistungen von anderer Seite sind nur insoweit anzurechnen, als sie schwerbehinderten Menschen für denselben Zweck wegen der Behinderung zu erbringen sind oder erbracht werden. § 23 (weggefallen) § 24 Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten Schwerbehinderte Menschen, die an inneroder außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Erhaltung und Erweiterung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten oder zur Anpassung an die technische Entwicklung teilnehmen, vor allem an besonderen Fortbildungs- und Anpassungsmaßnahmen, die nach Art, Umfang und Dauer den Bedürfnissen dieser schwerbehinderten Menschen entsprechen, können Zuschüsse bis zur Höhe der ihnen durch die Teilnahme an diesen Maßnahmen entstehenden Aufwendungen erhalten. Hilfen können auch zum beruflichen Aufstieg erbracht werden. § 25 Hilfen in besonderen Lebenslagen Andere Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben als die in den §§ 19 bis 24 geregelten Leistungen können an schwerbehinderte Menschen erbracht werden, wenn und soweit sie unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, zu erleichtern oder zu sichern. § 26 Leistungen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen (1) Arbeitgeber können Darlehen oder Zuschüsse bis zur vollen Höhe der entstehenden notwendigen Kosten für folgende Maßnahmen erhalten: 1. die behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte, 2. die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen, insbesondere wenn eine Teilzeitbeschäftigung mit einer Dauer auch von weniger als 18 Stunden, wenigstens aber 15 Stunden, wöchentlich wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist, 3. die Ausstattung von Arbeits- oder Ausbildungsplätzen mit notwendigen technischen Arbeitshilfen, deren Wartung und Instandsetzung sowie die Ausbildung des schwerbehinderten Menschen im Gebrauch der nach den Nummern 1 bis 3 geförderten Gegenstände, 4. sonstige Maßnahmen, durch die eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Betrieben oder Dienststellen ermöglicht, erleichtert oder gesichert werden kann. Gleiches gilt für Ersatzbeschaffungen oder Beschaffungen zur Anpassung an die technische Weiterentwicklung. (2) Art und Höhe der Leistung bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung, ob eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 und 5 und Abs. 5 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch besteht und erfüllt wird sowie ob schwerbehinderte Menschen ohne Beschäftigungspflicht oder über die Beschäftigungspflicht hinaus (§ 71 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) oder im Rahmen der Erfüllung der besonderen Beschäftigungspflicht gegenüber bei der Teilhabe am Arbeitsleben besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen (§ 71 Abs. 1 Satz 2 und § 72 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) beschäftigt werden. (3) § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 gilt entsprechend. § 26a Zuschüsse zu den Gebühren bei der Berufsausbildung besonders betroffener schwerbehinderter Jugendlicher und junger Erwachsener Arbeitgeber, die ohne Beschäftigungspflicht (§ 71 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetz- 248 A MTLICHE T EXTE buch) besonders betroffene schwerbehinderte Menschen zur Berufsausbildung einstellen, können Zuschüsse zu den Gebühren, insbesondere Prüfungsgebühren bei der Berufsausbildung, erhalten. § 26b Prämien und Zuschüsse zu den Kosten der Berufsausbildung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener Arbeitgeber können Prämien und Zuschüsse zu den Kosten der Berufsausbildung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener erhalten, die für die Zeit der Berufsausbildung schwerbehinderten Menschen nach § 68 Abs. 4 gleichgestellt sind. § 26c Prämien zur Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements Arbeitgeber können zur Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements Prämien erhalten. § 27 Leistungen bei außergewöhnlichen Belastungen (1) Arbeitgeber können Zuschüsse zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen erhalten, die mit der Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen verbunden sind, der nach Art oder Schwere seiner Behinderung im Arbeitsund Berufsleben besonders betroffen ist (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a bis d des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) oder im Anschluss an eine Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder in Teilzeit (§ 75 Abs. 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) beschäftigt wird, vor allem, wenn ohne diese Leistungen das Beschäftigungsverhältnis gefährdet würde. Leistungen nach Satz 1 können auch in Probebeschäftigungen und Praktika erbracht werden, die ein in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigter schwerbehinderter Mensch im Rahmen von Maßnahmen zur Förderung des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 5 Abs. 4 der Werkstättenverordnung) absolviert, wenn die dem Arbeitgeber entstehenden außergewöhnlichen Belastungen nicht durch die in dieser Zeit erbrachten Leistungen der Rehabilitationsträger abgedeckt werden. (2) Außergewöhnliche Belastungen sind über- durchschnittlich hohe finanzielle Aufwendungen oder sonstige Belastungen, die einem Arbeitgeber bei der Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen auch nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten entstehen und für die die Kosten zu tragen für den Arbeitgeber nach Art oder Höhe unzumutbar ist. (3) Für die Zuschüsse zu notwendigen Kosten nach Absatz 2 gilt § 26 Abs. 2 entsprechend. (4) Die Dauer des Zuschusses bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. § 27a Leistungen an Integrationsfachdienste Träger von Integrationsfachdiensten im Sinne des Kapitels 7 des Teils 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch können Leistungen nach § 113 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch zu den durch ihre Inanspruchnahme entstehenden notwendigen Kosten erhalten. § 28 Leistungen zur Durchführung der psychosozialen Betreuung schwerbehinderter Menschen (1) Freie gemeinnützige Träger psychosozialer Dienste, die das Integrationsamt an der Durchführung der ihr obliegenden Aufgabe der im Einzelfall erforderlichen psychosozialen Betreuung schwerbehinderter Menschen unter Fortbestand ihrer Verantwortlichkeit beteiligt, können Leistungen zu den daraus entstehenden notwendigen Kosten erhalten. (2) Leistungen nach Absatz 1 setzen voraus, dass 1. der psychosoziale Dienst nach seiner personellen, räumlichen und sächlichen Ausstattung zur Durchführung von Maßnahmen der psychosozialen Betreuung geeignet ist, insbesondere mit Fachkräften ausgestattet ist, die über eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale Zusatzqualifikation und ausreichende Berufserfahrung verfügen, und 2. die Maßnahmen a) nach Art, Umfang und Dauer auf die Aufnahme, Ausübung oder Sicherung einer möglichst dauerhaften Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgerichtet und dafür geeignet sind, b) nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit durchgeführt wer- 249 SCHWERBEHINDERTEN-AUSGLEICHSABGABEVERORDNUNG den, insbesondere die Kosten angemessen sind, und c) aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Integrationsamt und dem Träger des psychosozialen Dienstes durchgeführt werden. Leistungen können gleichermaßen für Maßnahmen für schwerbehinderte Menschen erbracht werden, die diesen Dienst unter bestimmten, in der Vereinbarung näher zu regelnden Voraussetzungen im Einvernehmen mit dem Integrationsamt unmittelbar in Anspruch nehmen. (3) Leistungen sollen in der Regel bis zur vollen Höhe der notwendigen Kosten erbracht werden, die aus der Beteiligung an den im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen entstehen. Das Nähere über die Höhe der übernehmenden Kosten, ihre Erfassung, Darstellung und Abrechnung bestimmt sich nach der Vereinbarung zwischen dem Integrationsamt und dem Träger des psychosozialen Dienstes gemäß Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c. § 28a Leistungen an Integrationsprojekte Integrationsprojekte im Sinne des Kapitels 11 des Teils 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, können Leistungen für Aufbau, Erweiterung, Modernisierung und Ausstattung einschließlich einer betriebswirtschaftlichen Beratung und besonderen Aufwand erhalten. § 29 Leistungen zur Durchführung von Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen (1) Die Durchführung von Schulungs- und Bildungsmaßnahmen für Vertrauenspersonen schwerbehinderter Menschen, Beauftragte der Arbeitgeber, Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialräte sowie die Mitglieder der Stufenvertretungen wird gefördert, wenn es sich um Veranstaltungen der Integrationsämter im Sinne des § 102 Abs. 2 Satz 6 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch handelt. Die Durchführung von Maßnahmen im Sinne des Satzes 1 durch andere Träger kann gefördert werden, wenn die Maßnahmen erforderlich und die Integrationsämter an ihrer inhaltlichen Gestaltung maßgeblich beteiligt sind. (2) Aufklärungsmaßnahmen sowie Schulungs- und Bildungsmaßnahmen für andere als in Absatz 1 genannte Personen, die die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben zum Gegenstand haben, können gefördert werden. Dies gilt auch für die Qualifizierung des nach § 102 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch einzusetzenden Personals sowie für notwendige Informationsschriften und -veranstaltungen über Rechte, Pflichten, Leistungen und sonstige Eingliederungshilfen sowie Nachteilsausgleiche nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch und anderen Vorschriften. § 30 Förderungsfähige Einrichtungen (1) Leistungen können für die Schaffung, Erweiterung, Ausstattung und Modernisierung folgender Einrichtungen erbracht werden: 1. betriebliche, überbetriebliche und außerbetriebliche Einrichtungen zur Vorbereitung von behinderten Menschen auf eine berufliche Bildung oder die Teilhabe am Arbeitsleben, 2. betriebliche, überbetriebliche und außerbetriebliche Einrichtungen zur beruflichen Bildung behinderter Menschen, 3. Einrichtungen, soweit sie während der Durchführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderte Menschen auf eine berufliche Bildung oder die Teilhabe am Arbeitsleben vorbereiten, 4. Werkstätten für behinderte Menschen im Sinne des § 136 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, 5. Blindenwerkstätten mit einer Anerkennung auf Grund des Blindenwarenvertriebsgesetzes vom 9. April 1965 (BGBl. I S. 311) in der bis zum 13. September 2007 geltenden Fassung, 6. Wohnstätten für behinderte Menschen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, in Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten tätig sind. 7. (weggefallen) Zur länderübergreifenden Bedarfsbeurteilung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bei der Planung neuer oder Erweiterung bestehender Einrichtungen nach Satz 1 Nr. 4 bis 6 beteiligt. (2) Öffentliche oder gemeinnützige Träger eines besonderen Beförderungsdienstes für be- 250 A MTLICHE T EXTE hinderte Menschen können Leistungen zur Beschaffung und behinderungsgerechten Ausstattung von Kraftfahrzeugen erhalten. Die Höhe der Leistung bestimmt sich nach dem Umfang, in dem der besondere Beförderungsdienst für Fahrten schwerbehinderter Menschen von und zur Arbeitsstätte benutzt wird. (3) Leistungen zur Deckung von Kosten des laufenden Betriebs dürfen nur ausnahmsweise erbracht werden, wenn hierdurch der Verlust bestehender Beschäftigungsmöglichkeiten für behinderte Menschen abgewendet werden kann. Für Einrichtungen nach Absatz 1 Nr. 4 bis 6 sind auch Leistungen zur Deckung eines Miet- oder Pachtzinses zulässig. § 31 Förderungsvoraussetzungen (1) Die Einrichtungen im Sinne des § 30 Abs. 1 können gefördert werden, wenn sie 1. ausschließlich oder überwiegend behinderte Menschen aufnehmen, die Leistungen eines Rehabilitationsträgers in Anspruch nehmen, 2. behinderten Menschen unabhängig von der Ursache der Behinderung und unabhängig von der Mitgliedschaft in der Organisation des Trägers der Einrichtung offenstehen und 3. nach ihrer personellen, räumlichen und sächlichen Ausstattung die Gewähr dafür bieten, dass die Rehabilitationsmaßnahmen nach zeitgemäßen Erkenntnissen durchgeführt werden und einer dauerhaften Teilhabe am Arbeitsleben dienen. (2) Darüber hinaus setzt die Förderung voraus bei 1. Einrichtungen im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 1: Die in diesen Einrichtungen durchzuführenden Maßnahmen sollen den individuellen Belangen der behinderten Menschen Rechnung tragen und sowohl eine werkspraktische wie fachtheoretische Unterweisung umfassen. Eine begleitende Betreuung entsprechend den Bedürfnissen der behinderten Menschen muß sichergestellt sein. 3Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine berufliche Bildung sollen sich auf mehrere Berufsfelder erstrecken und Aufschluss über Neigung und Eignung der behinderten Menschen geben. 2. Einrichtungen im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 2: a) Die Eignungsvoraussetzungen nach den §§ 27 bis 30 des Berufsbildungsgesetzes oder nach den §§ 21 bis 22b der Handwerksordnung zur Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen müssen erfüllt sein. Dies gilt auch für Ausbildungsgänge, die nach § 66 des Berufsbildungsgesetzes oder nach § 42m der Handwerksordnung durchgeführt werden. b) Außer- oder überbetriebliche Einrichtungen sollen unter Einbeziehung von Plätzen für berufsvorbereitende Maßnahmen über in der Regel mindestens 200 Plätze für die berufliche Bildung in mehreren Berufsfeldern verfügen. Sie müssen in der Lage sein, behinderte Menschen mit besonderer Art oder Schwere der Behinderung beruflich zu bilden. Sie müssen über die erforderliche Zahl von Ausbildern und die personellen und sächlichen Voraussetzungen für eine begleitende ärztliche, psychologische und soziale Betreuung entsprechend den Bedürfnissen der behinderten Menschen verfügen. Bei Unterbringung im Internat muss die behinderungsgerechte Betreuung sichergestellt sein. Die Einrichtungen sind zur vertrauensvollen Zusammenarbeit insbesondere untereinander und mit den für die Rehabilitation zuständigen Behörden verpflichtet. 3. Einrichtungen im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 3: Die in diesen Einrichtungen in einem ineinander greifenden Verfahren durchzuführenden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben müssen entsprechend den individuellen Gegebenheiten so ausgerichtet sein, dass nach Abschluss dieser Maßnahmen ein möglichst nahtloser Übergang in eine berufliche Bildungsmaßnahme oder in das Arbeitsleben gewährleistet ist. Für die Durchführung der Maßnahmen müssen besondere Fachdienste zur Verfügung stehen. 4. Werkstätten für behinderte Menschen im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 4: Sie müssen gemäß § 142 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch anerkannt sein oder voraussichtlich anerkannt werden. 5. Blindenwerkstätten im Sinne des § 30 Abs. 1 251 SCHWERBEHINDERTEN-AUSGLEICHSABGABEVERORDNUNG Nr. 5: Sie müssen auf Grund des Blindenwarenvertriebsgesetzes anerkannt sein. 6. Wohnstätten im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 6: Sie müssen hinsichtlich ihrer baulichen Gestaltung, Wohnflächenbemessung und Ausstattung den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entsprechen. Die Aufnahme auch von behinderten Menschen, die nicht im Arbeitsleben stehen, schließt eine Förderung entsprechend dem Anteil der im Arbeitsleben stehenden schwerbehinderten Menschen nicht aus. Der Verbleib von schwerbehinderten Menschen, die nicht mehr im Arbeitsleben stehen, insbesondere von schwerbehinderten Menschen nach dem Ausscheiden aus einer Werkstatt für behinderte Menschen, beeinträchtigt nicht die zweckentsprechende Verwendung der eingesetzten Mittel. 7. (weggefallen) § 32 Förderungsgrundsätze (1) Leistungen sollen nur erbracht werden, wenn sich der Träger der Einrichtung in einem angemessenen Verhältnis an den Gesamtkosten beteiligt und alle anderen Finanzierungsmöglichkeiten aus Mitteln der öffentlichen Hände und aus privaten Mitteln in zumutbarer Weise in Anspruch genommen worden sind. (2) Leistungen dürfen nur erbracht werden, soweit Leistungen für denselben Zweck nicht von anderer Seite zu erbringen sind oder erbracht werden. Werden Einrichtungen aus Haushaltmitteln des Bundes oder anderer öffentlicher Hände gefördert, ist eine Förderung aus Mitteln der Ausgleichsabgabe nur zulässig, wenn der Förderungszweck sonst nicht erreicht werden kann. (3) Leistungen können nur erbracht werden, wenn ein Bedarf an entsprechenden Einrichtungen festgestellt und die Deckung der Kosten des laufenden Betriebs gesichert ist. (4) Eine Nachfinanzierung aus Mitteln der Ausgleichsabgabe ist nur zulässig, wenn eine Förderung durch die gleiche Stelle vorangegangen ist. § 33 Art und Höhe der Leistungen (1) Leistungen können als Zuschüsse oder Darlehen erbracht werden. Zuschüsse sind auch Zinszuschüsse zur Verbilligung von Fremdmitteln. (2) Art und Höhe der Leistung bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Anteil der schwerbehinderten Menschen an der Gesamtzahl des aufzunehmenden Personenkreises, nach der wirtschaftlichen Situation der Einrichtung und ihres Trägers sowie nach Bedeutung und Dringlichkeit der beabsichtigten Rehabilitationsmaßnahmen. § 34 Tilgung und Verzinsung von Darlehen (1) Darlehen nach § 33 sollen jährlich mit 2 vom Hundert getilgt und mit 2 vom Hundert verzinst werden; bei Ausstattungsinvestitionen beträgt die Tilgung 10 vom Hundert. Die durch die fortschreitende Tilgung ersparten Zinsen wachsen den Tilgungsbeträgen zu. (2) Von der Tilgung und Verzinsung von Darlehen kann bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Inbetriebnahme abgesehen werden. § 35 Rechtsform des Ausgleichsfonds Der Ausgleichsfonds für überregionale Vorhaben zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben (Ausgleichsfonds) ist ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung. Er ist von den übrigen Vermögen des Bundes, seinen Rechten und Verbindlichkeiten getrennt zu halten. Für Verbindlichkeiten, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Verwalter des Ausgleichsfonds eingeht, haftet nur der Ausgleichsfonds; der Ausgleichsfonds haftet nicht für die sonstigen Verbindlichkeiten des Bundes. § 36 Weiterleitung der Mittel an den Ausgleichsfonds Die Integrationsämter leiten zum 30. Juni eines jeden Jahres 30 vom Hundert des im Zeitraum vom 1. Juni des vorangegangenen Jahres bis zum 31. Mai des Jahres eingegangenen Aufkommens an Ausgleichsabgabe an den Ausgleichsfonds weiter. Sie teilen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zum 30. Juni eines jeden Jahres das Aufkommen an Ausgleichsabgabe für das vorangegangene Kalenderjahr auf der Grundlage des bis zum 31. Mai des Jahres tatsächlich an die Integrationsämter gezahlten Aufkommens mit. Sie teilen zum 31. 252 A MTLICHE T EXTE Januar eines jeden Jahres das Aufkommen an Ausgleichsabgabe für das vorvergangene Kalenderjahr dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit. § 37 Anwendung der Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung Für den Ausgleichsfonds gelten die Bundeshaushaltsordnung sowie die zur ihrer Ergänzung und Durchführung erlassenen Vorschriften entsprechend, soweit die Vorschriften dieser Verordnung nichts anderes bestimmen. § 38 Aufstellung eines Wirtschaftsplans (1) Für jedes Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) ist ein Wirtschaftsplan aufzustellen. (2) Der Wirtschaftsplan enthält alle im Wirtschaftsjahr 1. zu erwartenden Einnahmen 2. voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und 3. voraussichtlich benötigten Verpflichtungsermächtigungen. Zinsen, Tilgungsbeträge aus Darlehen, zurückgezahlte Zuschüsse sowie unverbrauchte Mittel des Vorjahres fließen dem Ausgleichsfonds als Einnahmen zu. (3) Der Wirtschaftsplan ist in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen. (4) Die Ausgaben sind gegenseitig deckungsfähig. (5) Die Ausgaben sind übertragbar. § 39 Feststellung des Wirtschaftsplans Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales stellt im Benehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und im Einvernehmen mit dem Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen (Beirat) den Wirtschaftsplan fest. § 1 der Bundeshaushaltsordnung findet keine Anwendung. § 40 Ausführung des Wirtschaftsplans (1) Bei der Vergabe der Mittel des Ausgleichsfonds sind die jeweils gültigen Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen des Bundes zugrunde zu legen. Von ihnen kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen abgewichen werden. (2) Verpflichtungen, die in Folgejahren zu Ausgaben führen, dürfen nur eingegangen wer- den, wenn die Finanzierung der Ausgaben durch das Aufkommen an Ausgleichsabgabe gesichert ist. (3) Überschreitungen der Ausgabeansätze sind nur zulässig, wenn 1. hierfür ein unvorhergesehenes und unabweisbares Bedürfnis besteht und 2. entsprechende Einnahmeerhöhungen vorliegen. Außerplanmäßige Ausgaben sind nur zulässig, wenn 1. hierfür ein unvorhergesehenes und unabweisbares Bedürfnis besteht und 2. Beträge in gleicher Höhe bei anderen Ausgabeansätzen eingespart werden oder entsprechende Einnahmeerhöhungen vorliegen. Die Entscheidung hierüber trifft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Benehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und im Einvernehmen mit dem Beirat. (4) Bis zur bestimmungsmäßigen Verwendung sind die Ausgabemittel verzinslich anzulegen. § 41 Verwendungszwecke (1) Die Mittel aus dem Ausgleichsfonds sind zu verwenden für 1. Zuweisungen an die Bundesagentur für Arbeit zur besonderen Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben, insbesondere durch Eingliederungszuschüsse und Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, und zwar in Höhe von 170 Millionen Euro für das Jahr 2004 und ab 2005 jährlich in Höhe von 26 vom Hundert des Aufkommens an Ausgleichsabgabe, 2. befristete überregionale Programme zum Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen, besonderer Gruppen von schwerbehinderten Menschen (§ 72 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) oder schwerbehinderter Frauen sowie zur Förderung des Ausbildungsplatzangebots für schwerbehinderte Menschen, 3. Einrichtungen nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, soweit sie den Interessen mehrerer Länder dienen; Einrichtungen dienen den Interessen mehrerer Länder auch dann, wenn sie Bestandteil eines abgestimmten Plans sind, der ein länderübergreifendes Netz derartiger 253 SCHWERBEHINDERTEN-AUSGLEICHSABGABEVERORDNUNG Einrichtungen zum Gegenstand hat, 4. überregionale Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben, insbesondere durch betriebliches Eingliederungsmanagement, und der Förderung der Ausbildung schwerbehinderter Jugendlicher, 5. die Entwicklung technischer Arbeitshilfen und § 44 Entscheidung (1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales entscheidet über die Anträge aufgrund der Vorschläge des Beirats durch schriftlichen Bescheid. (2) Der Beirat ist über die getroffene Entscheidung zu unterrichten. § 45 Vorhaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 6. Aufklärungs-, Fortbildungs- und Forschungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben, sofern diesen Maßnahmen überregionale Bedeutung zukommt. Für Vorhaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die dem Beirat zur Stellungnahme zuzuleiten sind, gelten die §§ 43 und 44 entsprechend. (2) Die Mittel des Ausgleichsfonds sind vorrangig für die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verwenden. (1) Abweichend von § 36 leiten die Integrationsämter 1. zum 30. Juni 2005 30 vom Hundert des im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2005 eingegangenen Ausgleichsabgabeaufkommens und 45 vom Hundert des Ausgleichsabgabeaufkommens für das Kalenderjahr 2003 an den Ausgleichsfonds weiter; dabei werden die nach § 36 Abs. 2 in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung geleisteten Abschlagszahlungen berücksichtigt, 2. bis zum Ablauf des Jahres, in dem die Förderung durch Investitionskostenzuschüsse der vom Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen vorgeschlagenen und von den Ländern bis zum 30. Juni 2006 bewilligten Projekte für Werk- und Wohnstätten für behinderte Menschen sowie Blindenwerkstätten durch den Ausgleichsfonds endet, im Jahr 2005 zusätzlich zu Nummer 1 und ab dem Jahr 2006 zusätzlich bis zu 4 vom Hundert des Ausgleichsabgabeaufkommens an den Ausgleichsfonds weiter, verringert um den Betrag, den die Träger der Integrationsämter in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales für die Förderung der genannten Projekte bewilligen. (2) Abweichend von § 41 werden 1. im Jahr 2004 Zuweisungen an die Bundesagentur für Arbeit für die Förderung von Integrationsfachdiensten vorgenommen und 2. mindestens die nach Absatz 1 Nr. 2 an den Ausgleichsfonds weitergeleiteten Mittel für die Förderung von Einrichtungen nach § 30 (3) Der Ausgleichsfonds kann sich an der Förderung von Forschungs- und Modellvorhaben durch die Integrationsämter nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 beteiligen, sofern diese Vorhaben auch für andere Länder oder den Bund von Bedeutung sein können. (4) Die §§ 31 bis 34 gelten entsprechend. § 42 Anmeldeverfahren und Anträge Leistungen aus dem Ausgleichsfonds sind vom Träger der Maßnahme schriftlich beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu beantragen, in den Fällen des § 41 Abs. 1 Nr. 3 nach vorheriger Abstimmung mit dem Land, in dem der Integrationsbetrieb oder die Integrationsabteilung oder die Einrichtung ihren Sitz hat oder haben soll. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales leitet die Anträge mit seiner Stellungnahme dem Beirat zu. § 43 Vorschlagsrecht des Beirats (1) Der Beirat nimmt zu den Anträgen Stellung. Die Stellungnahme hat einen Vorschlag zu enthalten, ob, in welcher Art und Höhe sowie unter welchen Bedingungen und Auflagen Mittel des Ausgleichsfonds vergeben werden sollen. (2) Der Beirat kann unabhängig vom Vorliegen oder in Abwandlung eines schriftlichen Antrags Vorhaben zur Förderung vorschlagen. § 46 Übergangsregelungen 254 A MTLICHE T EXTE Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 6 verwendet. (3) Abweichend von § 41 können Mittel des Ausgleichsfonds verwendet werden zur Förderung von Integrationsbetrieben und -abteilungen nach dem Kapitel 11 des Teils 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, die nicht von öffentlichen Arbeitgebern im Sinne des § 71 Abs. 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch geführt werden, soweit die Förderung bis zum 31. Dezember 2003 bewilligt worden ist, sowie für die Förderung von Einrichtungen nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 6, soweit Leistungen als Zinszuschüsse oder Zuschüsse zur Deckung eines Miet- oder Pachtzinses für bis zum 31. Dezember 2004 bewilligte Projekte erbracht werden. 22 derung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder den Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung zu erreichen, und 2. der behinderte Mensch ein Kraftfahrzeug führen kann oder gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führt. (2) Absatz 1 gilt auch für in Heimarbeit Beschäftigte im Sinne des § 12 Abs. 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, wenn das Kraftfahrzeug wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist, um beim Auftraggeber die Ware abzuholen oder die Arbeitsergebnisse abzuliefern. (3) Ist der behinderte Mensch zur Berufsausübung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nicht nur vorübergehend auf ein Kraftfahrzeug angewiesen, wird Kraftfahrzeughilfe geleistet, wenn infolge seiner Behinderung nur auf diese Weise die Teilhabe am Arbeitsleben dauerhaft gesichert werden kann und die Übernahme der Kosten durch den Arbeitgeber nicht üblich oder nicht zumutbar ist. (4) Sofern nach den für den Träger geltendenbesonderen Vorschriften Kraftfahrzeughilfe für behinderte Menschen, die nicht Arbeitnehmer sind, in Betracht kommt, sind die Absätze 1 und 3 entsprechend anzuwenden. Verordnung über Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation (KraftfahrzeughilfeVerordnung KfzHV) vom 28. September 1987 (BGBl. I S. 2251), zuletzt geändert durch Artikel 117 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) § 1 Grundsatz Kraftfahrzeughilfe zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben richtet sich bei den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung, der Kriegsopferfürsorge und der Bundesagentur für Arbeit sowie den Trägern der begleitenden Hilfe im Arbeits- und Berufsleben nach dieser Verordnung. § 2 Leistungen (1) Die Kraftfahrzeughilfe umfasst Leistungen 1. zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs, 2. für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung, 3. zur Erlangung einer Fahrerlaubnis. (2) Die Leistungen werden als Zuschüsse und nach Maßgabe des § 9 als Darlehen erbracht. § 3 Persönliche Voraussetzungen (1) Die Leistungen setzen voraus, dass 1. der behinderte Mensch infolge seiner Behin- § 47 Inkrafttreten, Außerkrafttreten Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. § 4 Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs (1) Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs setzt voraus, dass der behinderte Mensch nicht über ein Kraftfahrzeug verfügt, das die Voraussetzungen nach Absatz 2 erfüllt und dessen weitere Benutzung ihm zumutbar ist. (2) Das Kraftfahrzeug muss nach Größe und Ausstattung den Anforderungen entsprechen, die sich im Einzelfall aus der Behinderung erge- 255 K RAFTFAHRZEUGHILFE -V ERORDNUNG ben und, soweit erforderlich, eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung ohne unverhältnismäßigen Mehraufwand ermöglichen. (3) Die Beschaffung eines Gebrauchtwagens kann gefördert werden, wenn er die Voraussetzungen nach Absatz 2 erfüllt und sein Verkehrswert mindestens 50 vom Hundert des seinerzeitigen Neuwagenpreises beträgt. § 5 Bemessungsbetrag (1) Die Beschaffung eines Kraftfahrzeugs wird bis zu einem Betrag in Höhe des Kaufpreises, höchstens jedoch bis zu einem Betrag von 9.500 Euro gefördert. Die Kosten einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung bleiben bei der Ermittlung unberücksichtigt. (2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 wird im Einzelfall ein höherer Betrag zugrundegelegt, wenn Art oder Schwere der Behinderung ein Kraftfahrzeug mit höherem Kaufpreis zwingend erfordert. (3) Zuschüsse öffentlich-rechtlicher Stellen zu dem Kraftfahrzeug, auf die ein vorrangiger Anspruch besteht oder die vorrangig nach pflichtgemäßem Ermessen zu leisten sind, und der Verkehrswert eines Altwagens sind von dem Betrag nach Absatz 1 oder 2 abzusetzen. § 6 Art und Höhe der Förderung (1) Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs wird in der Regel als Zuschuss geleistet. Der Zuschuss richtet sich nach dem Einkommen des behinderten Menschen nach Maßgabe der folgenden Tabelle: Einkommen bis zu v.H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch 40 45 50 55 60 65 70 75 Zuschuss in v.H des Bemessungsbetrags nach §5 100 88 76 64 52 40 28 16 Die Beträge nach Satz 2 sind jeweils auf volle 5 Euro aufzurunden. (2) Von dem Einkommen des behinderten Menschen ist für jeden von ihm unterhaltenen Familienangehörigen ein Betrag von 12 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch abzusetzen; Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. (3) Einkommen im Sinne der Absätze 1 und 2 sind das monatliche Netto-Arbeitsentgelt, Netto-Arbeitseinkommen und vergleichbare Lohnersatzleistungen des behinderten Menschen. Die Ermittlung des Einkommens richtet sich nach den für den zuständigen Träger maßgeblichen Regelungen. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für die Hilfe zur erneuten Beschaffung eines Kraftfahrzeugs. Die Hilfe soll nicht vor Ablauf von fünf Jahren seit der Beschaffung des zuletzt geförderten Fahrzeugs geleistet werden. § 7 Behinderungsbedingte Zusatzausstattung Für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung erforderlich ist, ihren Einbau, ihre technische Überprüfung und die Wiederherstellung ihrer technischen Funktionsfähigkeit werden die Kosten in vollem Umfang übernommen. Dies gilt auch für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung eines Dritten erforderlich ist, der für den behinderten Menschen das Kraftfahrzeug führt (§ 3 Abs. 1 Nr. 2). Zuschüsse öffentlich-rechtlicher Stellen, auf die ein vorrangiger Anspruch besteht oder die vorrangig nach pflichtgemäßem Ermessen zu leisten sind, sind anzurechnen. § 8 Fahrerlaubnis (1) Zu den Kosten, die für die Erlangung einer Fahrerlaubnis notwendig sind, wird ein Zuschuss geleistet. Er beläuft sich bei behinderten Menschen mit einem Einkommen (§ 6 Abs. 3) 1. bis 40 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (monatliche Bezugsgröße) auf die volle Höhe, 2. bis zu 55 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße auf zwei Drittel, 3. bis zu 75 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße auf ein Drittel der entstehenden notwendigen Kosten; § 6 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 gilt entsprechend. 3 Zuschüsse öffentlich-rechtlicher Stellen für den Erwerb der Fahrerlaubnis, auf die ein vor- 256 A MTLICHE T EXTE rangiger Anspruch besteht oder die vorrangig nach pflichtgemäßem Ermessen zu leisten sind, sind anzurechnen. (2) Kosten für behinderungsbedingte Untersuchungen, Ergänzungsprüfungen und Eintragungen in vorhandene Führerscheine werden in vollem Umfang übernommen. § 9 Leistungen in besonderen Härtefällen (1) Zur Vermeidung besonderer Härten können Leistungen auch abweichend von § 2 Abs. 1, §§ 6 und 8 Abs. 1 erbracht werden, soweit dies 1. notwendig ist, um Leistungen der Kraftfahrzeughilfe von Seiten eines anderen Leistungsträgers nicht erforderlich werden zu lassen, oder 2. unter den Voraussetzungen des § 3 zur Aufnahme oder Fortsetzung einer beruflichen Tätigkeit unumgänglich ist. Im Rahmen von Satz 1 Nr. 2 kann auch ein Zuschuss für die Beförderung des behinderten Menschen, insbesondere durch Beförderungsdienste, geleistet werden, wenn 1. der behinderte Mensch ein Kraftfahrzeug nicht selbst führen kann und auch nicht gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führt (§ 3 Abs. 1 Nr. 2), oder 2. die Übernahme der Beförderungskosten anstelle von Kraftfahrzeughilfen wirtschaftlicher und für den behinderten Menschen zumutbar ist; dabei ist zu berücksichtigen, was der behinderte Mensch als Kraftfahrzeughalter bei Anwendung des § 6 für die Anschaffung und die berufliche Nutzung des Kraftfahrzeugs aus eigenen Mitteln aufzubringen hätte. (2) Leistungen nach Absatz 1 Satz 1 können als Darlehen erbracht werden, wenn die dort genannten Ziele auch durch ein Darlehen erreicht werden können; das Darlehen darf zusammen mit einem Zuschuss nach § 6 den nach § 5 maßgebenden Bemessungsbetrag nicht übersteigen. Das Darlehen ist unverzinslich und spätestens innerhalb von fünf Jahren zu tilgen; es können bis zu zwei tilgungsfreie Jahre eingeräumt werden. Auf die Rückzahlung des Darlehens kann unter den in Absatz 1 Satz 1 genannten Voraussetzungen verzichtet werden. § 10 Antragstellung Leistungen sollen vor dem Abschluss eines Kaufvertrages über das Kraftfahrzeug und die behinderungsbedingte Zusatzausstattung sowie vor Beginn einer nach § 8 zu fördernden Leistung beantragt werden. Leistungen zur technischen Überprüfung und Wiederherstellung der technischen Funktionsfähigkeit einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung sind spätestens innerhalb eines Monats nach Rechnungstellung zu beantragen. §§ 11 bis 12 (weggefallen) § 13 Übergangsvorschriften (1) Auf Beschädigte im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes und der Gesetze, die das Bundesversorgungsgesetz für entsprechend anwendbar erklären, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben, sind die bisher geltenden Bestimmungen weiterhin anzuwenden, wenn sie günstiger sind und der Beschädigte es beantragt. (2) Über Leistungen, die bei Inkrafttreten dieser Verordnung bereits beantragt sind, ist nach den bisher geltenden Bestimmungen zu entscheiden, wenn sie für den behinderten Menschen günstiger sind. (3) (weggefallen) § 14 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. Oktober 1987 in Kraft. 257 A MTLICHE 23 TEXTE Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht, im Schwerbehindertenrecht (SGB IX) Mit freundlicher Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung übernehmen wir aus dem Buch „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und im Schwerbehindertenrecht” einen Auszug aus dem Kapitel 26. Herausgeber der „Anhaltspunkte” ist das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Postfach 500, 53108 Bonn. Dort kann die vollständige Schrift bezogen werden. Über Internet (www.bmgs.bund.de) können die hier im Auszug abgedruckten Daten vollständig eingesehen werden. Berücksichtigt sind hier nur die wichtigsten und schwerere Fälle. Die nachfolgend in Klammern gesetzten Nummern entsprechen dem Nummernverzeichnis der „Anhaltspunkte”. Den Begriff „Minderung der Erwerbsfähigkeit” führte die Neufassung des Schwerbehindertengesetzes am 24. Juli 1986 ein. Die letzte Änderung der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit” ist mit Stand Juli 2005 erschienen. Allgemeine Hinweise zur GdB/MdE-Tabelle (26.1) (1) Die nachstehend genannten GdB/MdE-Sätze sind Anhaltswerte. Es ist unerlässlich, alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet in jedem Einzelfall zu berücksichtigen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung. Auf die Nummern 18 und 19 wird verwiesen. (2) Bei Gesundheitsstörungen, die im Folgenden nicht aufgeführt sind, ist der GdB/MdEGrad in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen. (3) Nach Transplantationen innerer Organe und nach der Behandlung bestimmter Krankheiten, die zu Rezidiven neigen, ist bei der GdB/MdEBemessung eine Heilungsbewährung abzuwarten. Insbesondere gilt dies bei malignen Geschwulstkrankheiten. Für die häufigsten und wichtigsten solcher Krankheiten sind im Folgenden GdB/MdE-Anhaltswerte angegeben. Sie sind auf den Zustand nach operativer oder anderweitiger Beseitigung der Geschwulst bezogen. Der Zeitraum des Abwartens einer Heilungsbewährung beträgt in der Regel fünf Jahre. Ein Zeitraum von zwei bzw. drei Jahren kommt nur bei bestimmten, in der GdB/MdE-Tabelle besonders genannten Tumorformen in Betracht, bei denen medizinisch-wissenschaftlich gesichert ist, dass zwei bzw. drei Jahre nach Beseitigung der Geschwulst die Rezidivgefahr nur noch sehr gering ist. Maßgeblicher Bezugspunkt für den Beginn der Heilungsbewährung ist der Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann; eine zusätzliche adjuvante Therapie hat keinen Einfluss auf den Beginn der Heilungsbewährung. Die aufgeführten GdB/MdE-Werte beziehen den regelhaft verbleibenden Organ- oder Gliedmaßenschaden ein. Außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung – z.B. lang dauernde schwere Auswirkungen einer wiederholten Chemotherapie – sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen. Bei den im Folgenden nicht genannten malignen Geschwulstkrankheiten ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Bis zum Ablauf der Heilungsbewährung – in der Regel bis zum Ablauf des fünften Jahres nach der Geschwulstbeseitigung – ist in den Fällen, in denen der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden für sich allein keinen GdB/MdE-Grad von wenigstens 50 bedingt, im Allgemeinen nach Geschwulstbeseitigung im Frühstadium ein GdB/MdE-Grad von 50 und nach Geschwulstbeseitigung in anderen Stadien ein GdB/MdE-Grad von 80 angemessen. Bedingen der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden und/oder außergewöhnliche Folge- oder Begleiterscheinungen der Behand- 258 A MTLICHE T EXTE lung einen GdB/MdE-Grad von 50 oder mehr, ist der bis zum Ablauf der Heilungsbewährung anzusetzende GdB/MdE-Grad entsprechend höher zu bewerten. Tabellarische Übersicht Kopf und Gesicht (26.2) Substanzverluste am knöchernen Schädel und Schädelbrüche sind selten isoliert, vielmehr meist im Zusammenhang mit den Störungen durch die vom Schädel eingeschlossenen Organe zu bewerten. GdB/MdE-Grad in v.H. Schädelnarben am Hirnschädel mit erheblichem Verlust von Knochenmasse ohne Funktionsstörung des Gehirns (einschließlich entstellender Wirkung) . . . . . 30 Hierzu gehören insbesondere alle traumatisch entstandenen erheblichen (nicht gedeckten) Substanzverluste am Hirnschädel, die auch das innere Knochenblatt betreffen. Einfache Gesichtsentstellung nur wenig störend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 sonst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 – 30 Abstoßend wirkende Entstellung des Gesichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Eine abstoßend wirkende Gesichtsentstellung liegt vor, wenn die Entstellung bei Menschen, die nur selten Umgang mit behinderten Menschen haben, üblicherweise Missempfindungen wie Erschrecken oder Abscheu oder eine anhaltende Abneigung gegenüber dem behinderten Menschen auszulösen vermag. Bei hochgradigen Gesichtsentstellungen mit außergewöhnlichen psychoreaktiven Störungen kommen entsprechend höhere Werte in Betracht. Sensibilitätsstörungen im Gesichtsbereich leicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0 – 10 ausgeprägt, den oralen Bereich einschließend. . . . . 20 – 30 Gesichtsneuralgien (z. B. Trigeminusneuralgie) leicht (seltene, leichte Schmerzen) . . . . . 0 – 10 mittelgradig (häufigere, leichte bis mittelgradige Schmerzen, schon durch geringe Reize auslösbar) . . . . . . . . . . . 20 – 40 schwer (häufige, mehrmals im Monat auftretende starke Schmerzen bzw. Schmerzattacken) . . . . . . . . . . . . . . . . 50 – 60 besonders schwer (starker Dauerschmerz oder Schmerzattacken mehrmals wöchentlich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 – 80 Echte Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen (vegetative Störungen, Augensymptome, andere zerebrale Reizerscheinungen). leichte Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich). . . . . 0 – 10 mittelgradige Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) . . . . . . . 20 – 40 schwere Verlaufsform (lang dauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen, Anfallspausen von nur wenigen Tagen) 50 – 60 Periphere Fazialisparese einseitig kosmetisch nur wenig störende Restparese. . . . . . . . . . . . . . . . 0 – 10 ausgeprägtere Restparese oder Kontrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 – 30 komplette Lähmung oder entstellende Kontraktur . . . . . . . . . . . . 40 beidseitig komplette Lähmung. . . . . . . . . . . 50 Nervensystem und Psyche (26.3) Hirnschäden Hirnbeschädigte sind behinderte Menschen, bei denen das Gehirn in seiner Entwicklung gestört wurde oder durch äußere Gewalteinwirkung, Krankheit, toxische Einflüsse oder Störungen der Blutversorgung organische Veränderungen erlitten und nachweisbar behalten hat. Als nachgewiesen ist ein solcher Hirnschaden anzusehen, wenn Symptome einer organischen Veränderung des Gehirns – nach Verletzung oder Krankheit nach dem Abklingen der akuten Phase – festgestellt worden sind; dies gilt auch, wenn bei späteren Untersuchungen keine hirnorganischen Funktionsstörungen und Leistungsbeeinträchtigungen mehr zu erkennen sind (GdB/MdE-Grad dann – auch unter Einschluss geringer z. B. vegetativer Beschwer- 259 A NHALTSPUNKTE ÄRZTLICHE G UTACHTERTÄTIGKEIT den – 20; nach offenen Hirnverletzungen nicht unter 30). Bestimmend für die Beurteilung des GdB/MdEGrades ist das Ausmaß der bleibenden Ausfallserscheinungen. Dabei sind der neurologische Befund, die Ausfallserscheinungen im psychischen Bereich unter Würdigung der prämorbiden Persönlichkeit und ggf. das Auftreten von zerebralen Anfällen zu beachten. Bei der Mannigfaltigkeit der Folgezustände von Hirnschädigungen kommen für die GdB/MdE-Beurteilung Sätze zwischen 20 und 100 in Betracht. Bei einem mit Ventil versorgten Hydrozephalus ist ein GdB/MdE-Grad von wenigstens 30 anzusetzen. Nicht nur vorübergehende vegetative Störungen nach Gehirnerschütterung (reversible und morphologisch nicht nachweisbare Funktionsstörung des Gesamthirns) rechtfertigen im ersten Jahr nach dem Unfall einen GdB/MdE-Grad von 10 – 20. Bei der folgenden GdB/MdE-Tabelle der Hirnschäden soll die unter A genannte Gesamtbewertung im Vordergrund stehen. Die unter B. angeführten isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndrome stellen eine ergänzende Hilfe zur Beurteilung dar. A. Grundsätze der Gesamtbewertung von Hirnschäden 1. Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung . . . . . . 30 – 40 2. Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung . . . . . . 50 – 60 3. Hirnschäden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung . . . . . 70 – 100 B. Bewertung von Hirnschäden mit isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndromen (bei Begutachtungen im sozialen Entschädigungsrecht auch zur Feststellung der Schwerstbeschädigtenzulage): Organisch-psychische Störungen Hierbei wird zwischen hirnorganischen Allgemeinsymptomen, intellektuellem Abbau (Demenz) und hirnorganischen Persönlichkeitsveränderungen unterschieden, die jedoch oft kombiniert sind und fließende Übergänge zeigen können. Zu den hirnorganischen Allgemeinsymptomen („Hirnleistungsschwäche“) werden vor allem Beeinträchtigungen der Merkfähigkeit und der Konzentration, Reizbarkeit, Erregbarkeit, vorzeitige Ermüdbarkeit, Einbuße an Überschauund Umstellungsvermögen und psychovegetative Labilität (z. B. Kopfschmerzen, vasomotorische Störungen, Schlafstörungen, affektive Labilität) gerechnet. Die hirnorganische Persönlichkeitsveränderung („hirnorganische Wesensänderung“) wird von einer Verarmung und Vergröberung der Persönlichkeit mit Störungen des Antriebs, der Stimmungslage und der Emotionalität, mit Einschränkung des Kritikvermögens und des Umweltkontaktes sowie mit Akzentuierungen besonderer Persönlichkeitseigenarten bestimmt. Auf der Basis der organisch-psychischen Veränderungen entwickeln sich nicht selten zusätzliche psychoreaktive Störungen. Hirnschäden mit psychischen Störungen (je nach vorstehend beschriebener Art) leicht (im Alltag sich gering auswirkend) . . . . 30 – 40 mittelgradig (im Alltag sich deutlich auswirkend) . . . . . . . . . . . . . . 50 – 60 schwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 – 100 Zentrale vegetative Störungen als Ausdruck eines Hirndauerschadens (z. B. Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, der Vasomotorenregulation oder der Schweißregulation) leicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 mittelgradig, auch mit vereinzelten synkopalen Anfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 mit häufigeren Anfällen oder erheblichen Auswirkungen auf den Allgemeinzustand . . 50 Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen (spino-)zerebellarer Ursache je nach dem Ausmaß der Störung der Ziel- und Feinmotorik einschließlich der Schwierigkeiten beim Gehen und Stehen. . . . . . . . . . . . . . . 30 – 100 Hirnschäden mit kognitiven Leistungsstörungen (z. B. Aphasie, Apraxie, Agnosie) leicht (z. B. Restaphasie). . . . . . . . . . . . 30 – 40 mittelgradig (z. B. Aphasie mit