Handout

Transcription

Handout
Handout
4th Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders
(SFMAD)
4th Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders (SFMAD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren
Das «Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders» (SFMAD) 2013 ist die vierte
Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft
Gesellschaft für Angst und Depression
(SGAD). Mit dem jährlichen Symposium verfolgt die SGAD eines ihrer
wesentlichsten Ziele: die Verbreitung von
von Wissen über Diagnostik und
Behandlung der häufigsten psychischen Störungen.
Das diesjährige Symposium fokussiert auf Therapie-Innovationen
Therapie Innovationen bei Angst und
Depressionen. Besonders freut uns, dass wir Ihnen den zweiten Teil der
Behandlungsempfehlungen von Angststörungen vorstellen
n können. Diese wurden
zusammen mit der Schweizerischen Gesellschaft
Gesellschaft für Psychiatrie und PsychoPsycho
therapie (SGPP), der Schweizerischen
Schweizerischen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie
(SGBP) und der Schweizerischen Gesellschaft für Zwangserkrankungen
ankungen (SGZ)
erarbeitet und widmen sich den Zwangsstörungen und den posttraumatischen
Belastungsstörungen (PTSD).
Das Handout beinhaltet die Key-Slides
Key
der vierten Jahrestagung der SGAD vom
18. April 2013
Freundliche Grüsse
Prof. Dr. med.
Edith Holsboer-Trachsler
Dr. med.
Josef Hättenschwiler
Prof. Dr. med.
Erich Seifritz
Inhaltsverzeichnis
•
Neues aus der SGAD
Prof. Dr. med. Edith Holsboer-Trachsler
•
Leitlinien in der Medizin: Lust und Frust
Prof. Dr. med. Dr. phil. Paul Hoff
•
SGAD-Behandlungsempfehlungen: Zwangsstörungen und PTSD
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Martin Ekkehard Keck
•
Behandlungsoptionen von PTSD: Ein Update
Prof. Dr. Dr. med. Andreas Maercker
•
Behandlungsoptionen von Zwangsstörungen bei Kindern:
Was gibt es Neues?
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Susanne Walitza
•
Der Depression die Stirn bieten – mit Botulinumtoxin
PD Dr. med. M. Axel Wollmer
Neues aus der SGAD
Prof. Dr. med.
Edith Holsboer-Trachsler
Neues aus der SGAD
Prof. Dr. med. Edith Holsboer-Trachsler
Präsidentin SGAD
Aktivitäten im vergangenen Jahr
• «3rd Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders» mit
über 400 Teilnehmern am 12
12. April 2012
• Die Publikation des Review-Artikel „Burnout“ wurde in
der Primary Care-Ausgabe 2012;12: Nr. 18 publiziert
• Die Publikation der Resultate der Umfrage zu
Depression mit Equilibrium erscheint in der
Fachzeitschrift PRAXIS Nr. 9 vom 24. April
• Neugestaltung der Webseite
5
1
Weitere Aktivitäten
• Grosse Nachfrage nach Informationsbroschüren von
Privatpersonen und Institutionen
• Anfragen seitens Patienten betreffend Vermittlung von
Psychiatern bearbeitet
• Webseite als wichtige Informationsplattform
– Publikationen
– Veranstaltungshinweise
6
www.sgad.ch
7
2
Projekte für 2013/2014
• Die Behandlungsempfehlungen Angststörungen Teil II
(Zwangsstörungen und PTSD) erscheinen im April im
Swiss Medical Forum SMF
• SGAD Symposium in der W-CH am Donnerstag,
10. Oktober 2013 im Mövenpick Hotel in Ouchy
• Planung des «5th Swiss Forum for Mood and Anxiety
Disorders» SFMAD für den 10. April 2014 im The
Dolder Grand in Zürich
8
Herzlichen Dank für das grosse Engagement!
Die SGAD wird von folgenden Firmen unterstützt:
Die Jahrestagung wird zudem durch die Firma Sandoz
Pharmaceuticals AG unterstützt.
Medienpartner:
9
3
Chairs und Speakers
Prof. Dr. med. Edith Holsboer-Trachsler
Präsidentin der SGAD, Extraordinaria für
klinische Stress- und Traumaforschung;
Leiterin des Zentrums für Affektive-, Stressund Schlafstörungen (ZASS); Chefärztin Stv.
Erwachsenen-Psychiatrische Klinik,
Universitäre Psychiatrische Kliniken (UPK),
Basel
Dr. med. Josef Hättenschwiler
Präsident past der SGAD,
Chefarzt Zentrum für Angst- und
Depressionsbehandlung Zürich (ZADZ)
Prof. Dr. med. Dr. phil. Paul Hoff
Änderung
Chefarzt und stv. Klinischer Direktor,
Psychiatrische Universitätsklinik Zürich
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und
Psychosomatik
Prof. Dr. med. Dr. rer. Nat.
Martin Ekkehard Keck
Ä tliche Direktor
Ärztlicher
Di ekto und
nd Chefa
Chefarztt
Privatstationen
Clienia Privatklinik Schlössli, Oetwil am See
Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker
Universität Zürich, Psychologisches Institut,
Psychopathologie und Klinische Intervention;
Ordinarius, Leiter der Fachrichtung
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych.
Susanne Walitza
Ärztliche Direktorin, Zentrum für Kinder- und
Jugendpsychiatrie, Universität Zürich
PD Dr. med. M. Axel Wollmer
Chefarzt der Klinik für Gerontopsychiatrie
Asklepios Klinik Nord; Ochsenzoll Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie; Klinik für
Gerontopsychiatrie, Hamburg
Prof. Dr. med. Dr. phil. Paul Hoff ! Änderung
4
Leitlinien in der Medizin:
Lust und Frust
Prof. Dr. med. Dr. phil.
Paul Hoff
Leitlinien in der Medizin:
Lust und Frust
Paul Hoff
4th Swiss Forum
for Mood and Anxiety Disorders (SFMAD)
Zürich, 18. April 2013
Agenda
• Leitlinien als Element der evidenzbasierten
Medizin (EBM)
• Richtlinie, Leitlinie, Behandlungsempfehlung:
Begriffsklärungen
• Wie werden medizinische Leitlinien in praxi
wahrgenommen?
• Psychiatrische Leitlinien: Pro‘s und Con‘s
• Résumé
Agenda
• Leitlinien als Element der evidenzbasierten
Medizin (EBM)
• Richtlinie, Leitlinie, Behandlungsempfehlung:
Begriffsklärungen
• Wie werden medizinische Leitlinien in praxi
wahrgenommen?
• Psychiatrische Leitlinien: Pro‘s und Con‘s
• Résumé
Definition EBM
• Evidenz = Ergebnis systematischer Bewertung
von publizierten Resultaten wissenschaftlicher
Studien, i.e. eine rational überprüfte Form des
aktuellen wissenschaftlichen Wissens
• EBM ist kein endgültiges Ergebnis, sondern ein
Prozess
• Diskussion um EBM gleicht in vielen Punkten
der Diskussion um die operationale Diagnostik
(ICD 10, DSM IV)
Cochrane Collaboration
1993 - 2013
Agenda
• Leitlinien als Element der evidenzbasierten
Medizin (EBM)
• Richtlinie, Leitlinie, Behandlungsempfehlung: Begriffsklärungen
• Wie werden medizinische Leitlinien in praxi
wahrgenommen?
• Psychiatrische Leitlinien: Pro‘s und Con‘s
• Résumé
Ⴇ Richtlinie
------------Ⴇ Leitlinie
Ⴇ Behandlungsempfehlung
Abnehmende Verbindlichkeit,
i.e. zunehmender Entscheidungsspielraum
Agenda
• Leitlinien als Element der evidenzbasierten
Medizin (EBM)
• Richtlinie, Leitlinie, Behandlungsempfehlung:
Begriffsklärungen
• Wie werden medizinische Leitlinien in
praxi wahrgenommen?
• Psychiatrische Leitlinien: Pro‘s und Con‘s
• Résumé
Medizinische Leitlinien führen zur ...
Möglichkeit zur raschen Beschaffung
aktuellen und praxisrelevanten Wissens
Befürchtung, die individuelle Prägung des
Behandlungsprozesses gehe verloren
Befürchtung, die ärztliche Identität werde
sich negativ in Richtung Reglementierung
und Technokratie verändern
Agenda
• Leitlinien als Element der evidenzbasierten
Medizin (EBM)
• Richtlinie, Leitlinie, Behandlungsempfehlung:
Begriffsklärungen
• Wie werden medizinische Leitlinien in praxi
wahrgenommen?
• Psychiatrische Leitlinien: Pro‘s und Con‘s
• Résumé
Positive Argumente
• Entscheidungsfindung transparenter für
Arzt und Patient
• Fördert Transfer Forschung « Praxis
• Ärztliche Ethik / Gesetzliche Vorgaben
• Juristische Aspekte („Absicherung“)
• Gut einsetzbar in der Aus-, Weiter- und
Fortbildung
Kritische Argumente (I)
• Transformation Publikation ® bewertete
Evidenz kann unübersichtlich sein, was
man dem „Endprodukt“ nicht anmerkt
• Verschiedene Expertengremien mit
unterschiedlichen Massstäben
(z.B. eigene Kriterien, Metaanalysen)
• Evidenz stets nur für definierten Sektor
Kritische Argumente (II)
• Unterschwellige psychiatrische Morbidität
bleibt unberücksichtigt
• „Keine Daten“ heisst nicht „keine Wirkung“
(z.B. Kombinationstherapien, „Off label-use“)
• Lebensqualität und Werthaltungen des
Patienten können unterschätzt werden
• Hohe Kosten der Leitlinien-Entwicklung
und -aktualisierung
Metaanalysen: Methodische Fragen
•
•
•
•
nicht alle Arbeiten erfasst
Auswahlkriterien unterschiedlich
negative Ergebnisse oft nicht publiziert
begrenzte Generalisierbarkeit von
Studienergebnissen
• Pooling von Studienpopulationen sagt
etwas über efficacy, aber nicht notwendig
über effectiveness
Operationale Diagnostik (ICD 10 / DSM IV)
Ein kontroverses Thema
Operationale Diagnosen
pro
contra
• Höhere Reliabilität
• Diagnostischer Prozess transparenter
• Einsetzbar in internationalen Forschungsprojekten und in der
Ausbildung
• Vernachlässigung komplexer psychopathologischer Phänomene
• Betonung auf beobachtbarem Verhalten
• Unterschätzung der
interpersonellen Ebene
2009
Agenda
• Leitlinien als Element der evidenzbasierten
Medizin (EBM)
• Richtlinie, Leitlinie, Behandlungsempfehlung:
Begriffsklärungen
• Wie werden medizinische Leitlinien in praxi
wahrgenommen?
• Psychiatrische Leitlinien: Pro‘s und Con‘s
• Résumé
Résumé
1
Leitlinien sind veränderbare, stark
methodisch geprägte Elemente des
Untersuchungs- und Behandlungsprozesses, auch in der Psychiatrie
und Psychotherapie.
Sie sind keine Gesetze, Dogmen
oder Weltanschauungen.
Résumé
2
Leitlinien erheben nicht den Anspruch,
grundsätzliche Fragen zu klären (etwa
Krankheitskonzept, „Leib-Seele-Problem“,
Subjektivität).
Ihre Aufgabe ist, die Wahrscheinlichkeit
von Fehlentscheidungen zu verringern,
wenn diese auf mangelndem oder
einseitigem Wissen beruhen.
Résumé
3
Leitlinien können missverstanden, ja
missbraucht werden. Sie dürfen den
Entscheidungsspielraum von Arzt und
Patient quantitativ einschränken, nicht
aber qualitativ.
ႧPointierter gesagt:
„Anything goes“?
Personalisierte Behandlung?
Nein.
Ja.
Take home messages
Ⴇ
Ⴇ
Ob medizinische Leitlinien als Lust oder
Frust erlebt werden, hängt stark vom
Selbstverständnis der Fachperson ab,
die sie anwendet.
Sie sind nützliche tools mit tendentiell
steigender Bedeutung, aber kein Ersatz
für Weiterbildung oder gar für eine
tragfähige Arzt-Patienten-Beziehung.
Burghölzli
2012
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
SGADBehandlungsempfehlungen:
Zwangsstörungen und PTSD
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat.
Martin Ekkehard Keck
Prof- Dr. Dr. Martin E. Keck – Clienia Privatklinik Schlössli
Schweizerische Behandlungsempfehlungen:
Zwangserkrankungen und PTSD
Martin E. Keck
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat.
4thSFMAD
Symposium, 18. April 2013
Zentrum für Neurowissenschaften Zürich - ZNZ
Clienia Privatklinik Schlössli
Privatklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
Schweizerische Behandlungsempfehlungen
• basierend auf den Leitlinien der World Federation of Societies of
Biological Psychiatry (WFSBP; Bandelow et al. 2008)
• Schweizerische Gesellschaft für Angst und Depression (SGAD)
• Schweizerische Gesellschaft für Zwangsstörungen (SGZ)
• Schweizerische Gesellschaft für Biologische Psychiatrie (SGBP)
• Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP)
• Autoren: Martin E. Keck, Axel Ropohl, Guido Bondolfi, Corinna Constantin
Brenni, Josef Hättenschwiler, Martin Hatzinger, Ulrich Michael Hemmeter,
Edith Holsboer-Trachsler, Wolfram Kawohl, Christine Poppe, Martin Preisig,
Stefan Rennhard, Erich Seifritz, Steffi Weidt, Susanne Walitza, Michael Rufer
unter Mitarbeit der SGPP-Repräsentanten Yvette Attinger-Andreoli, Christian
Bernath, Anouk Gehret, Daniel Bielinski, Julius Kurmann
15.04.2013
Evidenzkategorien (WFSBP)
A. Positive Evidenz
Basiert auf: 2 oder mehr randomisierten Doppelblind-Studien, die eine Überlegenheit gegenüber Placebo
zeigen und 1 oder mehr positive Doppelblind-Studien zeigen Überlegenheit bzw. Gleichwirksamkeit bzgl.
Referenzsubstanz.
Wenn negative Studien vorliegen, müssen diese durch mindestens 2 zusätzlich positive Studien
ausgeglichen werden.
Die Studien müssen bestimmte methodologische Standards erfüllen
B. Vorläufige positive Evidenz
Basiert auf:
B1. 1 oder mehr randomisierte Doppelblind-Studien, die Überlegenheit gegenüber Placebo zeigen
oder
B2. 1 oder mehr positive naturalistische offene Studien mit mehreren Patienten
oder
B3. 1 oder mehr positive Fallberichte
und
keine negativen Studien existieren
C. Widersprüchliche Ergebnisse
Kontrollierte positive Studien stehen einer ungefähr gleichen Anzahl negativer Studien gegenüber
D. Negative Evidenz
Die Mehrheit der kontrollieren Studien zeigt keine Überlegenheit gegenüber Placebo oder Unterlegenheit
gegenüber einer Vergleichssubstanz
E. Fehlende Evidenz
Adäquate Studien, die Wirksamkeit bzw. Nichtwirksamkeit zeigen, fehlen
Klinik Schlössli
Prof- Dr. Dr. Martin E. Keck – Clienia Privatklinik Schlössli
!
Evidenzbasierte Medizin (EBM) zu praktizieren
bedeutet, die individuelle klinische Erfahrung mit den
besten zur Verfügung stehenden externen Nachweisen
aus der systematischen Forschung zu integrieren
David Sackett
Grundsätze der Behandlung
• evidenzbasierte Psychotherapie ist Behandlung der ersten Wahl
• bei mittelschwerer bis schwerer Beeinträchtigung: zusätzlich medikamentös
• individueller Therapieplan: multimodale Therapie incl. Psychoedukation
• Mindestbehandlung 6 Monate bis 2 Jahre
• medikamentöse Therapie: - verzögerter Wirkungseintritt
- Präparate oftmals nicht zugelassen: off-label use
•nach Remission: 12-24 Monate Weiterführung der Therapie
•Leitlinien: idealtypische Patienten ohne Komorbiditäten
15.04.2013
Zwangserkrankungen
•
evidenzbasierte Psychotherapie ist Behandlung der ersten Wahl:
leicht höhere Erfolgsquoten als nach Pharmakotherapie
bei besserer Stabilität
hohe Komplexität: multimodale KVT-Konzepte plus systemische,
psychodynamische, achtsamkeitsbasierte Elemente
Auswahl der Bausteine: via Verhaltensanalyse
(ursächliche, auslösende, aufrechterhaltende Bedingungen)
Cave: intrapsychische und interpersonelle Funktionalitäten
•
Kernbestandteil: Exposition mit Reaktionsmanagement: in sensu, in vivo
•
Kognitive Interventionen:
Identifikation, Überprüfung, Korrektur von aufdringlichen Zwangsgedanken
Modifikation dahinterstehender Grundannahmen (Metakognitionen)
© M.E. Keck, Clienia Privatklinik Schlössli
Klinik Schlössli
Prof- Dr. Dr. Martin E. Keck – Clienia Privatklinik Schlössli
Zwangserkrankungen
•
Pharmakotherapie
selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI)
Clomipramin
60-80% Ansprechrate (Responder)
verzögerter Wirkungseintritt (4-6 Wochen)
Eintritt des Wirkmaximums nach bis zu 12 Wochen
lange Erhaltungstherapie: 12-24 Monate (cave: individuell)
im Einzelfall hohe Dosierungen notwendig (off label)
hohe Rückfallraten nach Absetzen alleiniger Medikation
© M.E. Keck, Clienia Privatklinik Schlössli
Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI)
Unruhe, Nervosität, Ängstlichkeit und Schlaflosigkeit in den ersten Tagen
oder Wochen können die Compliance negativ beeinflussen
Die primär serotonerge Überstimulation kann durch eine niedrige
Startdosis mit sehr langsamer Aufdosierung (z.B. in 10-25 mgSchritten) vermieden werden
Bei Langzeitbehandlungen können bei beiden Geschlechtern sexuelle
Dysfunktionen ein Problem darstellen
Absetzsyndrome - z.B. Schwindel, Übelkeit, Sensibilitäts- oder
Schlafstörungen - können nach abruptem Absetzen auftreten.
Daher stets ausschleichen!
In sehr seltenen Fällen kann es insbesondere bei älteren Patienten zu
einem Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion – SIADH - mit
Hyponatriämie kommen.
15.04.2013
Zwangserkrankungen: Pharmakotherapie
Klinik Schlössli
Prof- Dr. Dr. Martin E. Keck – Clienia Privatklinik Schlössli
Zwangserkrankungen: weitere Optionen
•
Augmentation mit Neuroleptikum
bei 30% der Patienten erfolgreich, welche zuvor nicht auf
SSRI-Monotherapie ansprachen
i.d.R. nach dreimonatiger, hochdosierter, erfolgloser SSR-Medikation
Ultima ratio
tiefe Hirnstimulation (DBS)
EKT: Evidenz B3
© M.E. Keck, Clienia Privatklinik Schlössli
Zwangserkrankungen: Algorithmus Pharmakotherapie
SSRI
Ansprechen?
vollständig
Erhaltungstherapie
unzureichend, nach vier Wochen
Dosis ↑
Kein
Ansprechen
bis zur maximal
tolerierten Dosis
Ansprechen?
vollständig
Erhaltungstherapie
unzureichend: 12 Wochen
Keine
Wechsel
Augmentation
anderes SSRI
oder
Clomipramin
oder
Venlafaxin
atypisches
Antipsychotikum
www.zwaenge.ch
DBS
© M.E. Keck, Clienia Privatklinik Schlössli
15.04.2013
Zwangsstörung: Kombination KVT mit Antidepressivum
keine generelle Überlegenheit der Kombination
Kombination vorteilhaft:
bei komorbider depressiver Symptomatik
bei im Vordergrund stehenden Zwangsgedanken
um Therapie zu ermöglichen
bei notwendiger rascher Symptomreduktion
…
langfristig keine Vorteile der Kombination im Vergleich zur alleinigen
kognitiven VT
kognitive VT vermindert Rückfallgefahr bei Absetzen der Medikation
© M.E. Keck, Clienia Privatklinik Schlössli
Klinik Schlössli
Prof- Dr. Dr. Martin E. Keck – Clienia Privatklinik Schlössli
Posttraumatische Belastungsstörung
eine Traumafolgestörung (verzögert oder protrahiert):
Ereignis mit aussergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem
Ausmass, bei fast jedem mit tiefgreifender Verzweiflung einhergehend
anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben
(Intrusionen, Alpträume, Flashbacks, körperliche Reaktionen bei
Hinweisreizen)
Vermeidungsverhalten
erhöhtes Erregungsniveau/Hypervigilanz oder Amnesie
10% (Verkehrsunfall) bis 50% (Folter)
© M.E. Keck, Clienia Privatklinik Schlössli
Posttraumatische Belastungsstörung
•
evidenzbasierte Psychotherapie ist Behandlung der ersten Wahl:
traumafokussiert: kognitive Verhaltenstherapie mit ExpositionsReaktionsmanagement
Prolonged Exposure Therapy: Psychoedukation, imaginäre
und in vivo-Exposition
Cognitive Processing Therapy: Konfrontation auf die
schlimmsten Momente begrenzt (hot spots)
Imaginery Rescripting und Antialptraumtraining: z.B.
alternativer Traum
Eye-Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR):
falsche Speicherung im impliziten Gedächtnis, neuer assoziativer
Verarbeitungsprozess mit Überführen des traumatischen Erlebnisses
in das adaptive kontextuelle Gedächtnis
© M.E. Keck, Clienia Privatklinik Schlössli
15.04.2013
PTSD: Pharmakotherapie
indiziert wenn alleinige Psychotherapie nicht ausreichend
oder
bei Komorbidität, z.B. Depression, Angsterkrankungen,
dissoziative Störungen, somatoforme Störungen, Suchterkrankungen…
bei Ansprechen Fortführung der Therapie über mindestens 12 Monate
Klinik Schlössli
Prof- Dr. Dr. Martin E. Keck – Clienia Privatklinik Schlössli
PTSD: Pharmakotherapie
PTSD: Prophylaxe?
Sekundärprävention, da umschriebenes Ereignis
10-50% sind betroffen
kein Debriefing (isolierte therapeutische Sitzung unmittelbar nach Ereignis)
unklare Evidenzlage (Benzodiazepine, Quetiapin, Olanzapin, Pregabalin,
Propranolol…)
individuelles Vorgehen
15.04.2013
Benzodiazepine
Die anxiolytische Wirkung tritt sofort ein
Im Gegensatz zu Antidepressiva: zu Beginn der Behandlung keine Unruhe
und Nervosität
Nach langfristiger Behandlung mit Benzodiazepinen kann sich eine
Abhängigkeit entwickeln
Daher: adäquate Nutzen-Risiko-Abwägung und kurzdauernde Gabe
Benzodiazepine können über einige Tage bis maximal 3-4 Wochen
gegeben werden, um die Wirklatenz der Antidepressiva zu überbrücken
oder um eine initial durch SSRI/TZA ausgelöste oder verstärkte
Ängstlichkeit/Nervosität zu coupieren
PTSD: symptomatische Behandlung von Angst/Schlafstörungen – keine
prophylaktische Wirkung oder Therapie der Kernsymptome
Klinik Schlössli
Prof- Dr. Dr. Martin E. Keck – Clienia Privatklinik Schlössli
Welche Behandlung?
Entscheidung für eine pharmako- und/oder psychotherapeutische
Behandlung abhängig von:
• Präferenz des Patienten
• mögliche Nebenwirkungen
• Schnelligkeit des Wirkungseintritts
• Verfügbarkeit psychiatrischer und psychotherapeutischer Dienste
Wesentlicher klinischer Einflussfaktor: häufiges Vorliegen komorbider
psychischer Erkrankungen, z.B. schwere Depressionen, welche eine
pharmakologische Behandlung notwendig machen
Bei schwergradiger Angstsymptomatik werden viele Patienten erst durch
die pharmakologische Behandlung in die Lage versetzt, eine
psychotherapeutische Behandlung durchzuführen!
Pharmakotherapie älterer Patienten
Erhöhte Sensibilität in Hinblick auf:
• anticholinerge Eigenschaften (z.B. TZA oder bestimmte SSRI,
z.B. Paroxetin)
• extrapyramidale Symptome
• erhöhtes Risiko für orthostatische Hypotonie und EKG-Veränderungen
• mögliche paradoxe Reaktionen auf Benzodiazepine
daher: Behandlung mit TZA oder Benzodiazepinen nicht günstig, SSRI,
und SNRI erscheinen sicher
Insgesamt existieren nur wenige Studien zur Behandlung von
Angsterkrankungen bei älteren Patienten: Escitalopram, Citalopram,
Venlafaxin, Pregabalin waren sicher und wirksam
Bei Verordnung von SSRI ist an das seltene Risiko eines SIADH mit
Hyponatriämie zu denken!
15.04.2013
Ursachen von Therapieresistenz – Pseudoresistenz!
•
Inadäquate Dosis der antidepressiven Medikation
• Inadäquate Zeitdauer der antidepressiven Medikation
• Fehlende Compliance des Patienten, Metabolismus (rapid-, poormetabolizer)
• keine Kombination mit Psychotherapie
Klinik Schlössli
Prof- Dr. Dr. Martin E. Keck – Clienia Privatklinik Schlössli
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
[email protected]
15.04.2013
Klinik Schlössli
Behandlungsoptionen von
PTSD: Ein Update
Prof. Dr. Dr. med.
Andreas Maercker
Psychotherapeutische Strategien für PTBS
und andere Traumafolgestörungen
Andreas Maercker
Psychologisches Institut
mit Psychotherapeutischem Zentrum Zürich
Anzahl randomisierter Kontrollgruppen-Therapiestudien für „post-traumatic stress...“ in Medline
2013,18
2012,124
2011,108
2010,111
2009,76
2008,72
2007,92
2006,67
2005,55
2004,49
2003,40
2002,36
2001,33
2000,23
1999,29
1998,16
1997,18
1996,19
1995,16
1994,10
1993,6
1992,5
1991,8
1990,10
1989,7
1988,2
1987,1
1986,1
1985,1
1983,7
1982,2
1981,1
1980,1
1979,2
1978,1
1
Fallbeispiel 1
MK, 49 Jahre und Versicherungsangestellte, vom Hausarzt überwiesen.
Berichtet, dass sie nach dem direkten Erlebnis des Bombenanschlags vor
drei Jahren in Ägypten „nicht mehr die Alte“ sei. Sie fühle sich häufiger
niedergeschlagen, sei sehr krankheitsanfällig geworden und finde sich auf
der Arbeit nicht mehr gut zurecht, weswegen sie auch eine Entlassung
befürchte.
Untersuchung und Befunde: Vollbild einer PTBS mit gelegentlichen
Flashbacks (Explosion, Schreie, Blut) und ca. 2x/Monat Alpträume;
Vermeidung von Plätzen/Freiflächen/Menschenansammlung und Bemühen,
die konkreten Erinnerungen zu vermeiden; erhöhte Wachsamkeit und
Schreckhaftigkeit im Vergleich zu vor dem Ereignis.
Dysphorisch; aber keine Selbstvorwürfe. Keine früheren psychischen
Erkrankungen.
Fallbeispiel 2
SG, 65jährige Schweizerin, von der Tochter zur Kontaktaufnahme ermuntert.
Sei Heimkind („Verdingkind“) gewesen und habe es genauso schlimm
gehabt, wie die Heimkinder, von denen in der Presse berichtet wurde. Vor 20
Jahren sechs Monate stationär wegen „Depressionen und Persönlichkeitsstörungen“, das habe aber „wenig gebracht“. Nach dem Tod ihres 3.
Lebenspartners vor einem halben Jahr ginge es ihr ständig schlecht.
Untersuchung und Befunde: rezidivierende depressive Störung,
gegenwärtig mittelgradig; sehr lebendige und belastende Erinnerungen an
Details der Heimzeit (Andeutungen mehrfachen sexuellen Missbrauchs
durch Verdingbauern), klagt über ständige „innere Hochspannung“. Habe
immer Probleme mit ihren Partnern gehabt im Sexuellen und überhaupt;
fühle sich als schlechter und verdorbener Mensch. Diagnose einer PTBS
bzw. Andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F62.0)
2
Gliederung
• Trauma und Traumafolgestörungen
• Psychotherapeutische Strategien zur PTSD
• Grundsätze
• Wirksame Psychotherapieverfahren
• Weitere Traumafolgestörungen und neue spezif.
Entwicklungen
3
Posttraumatische Belastungsstörung
im DSM-IV (und ICD-10)
•
A. Traumakriterium
(1) Ereignis: Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Integrität
(2) Reaktion: Grauen, Verzweiflung
•
B. ständiges Wiedererleben (Intrusionen) z.B. Flashbacks
•
C. Vermeidung und Gefühlsbeeinträchtigung (Numbing)
•
D. chron. erhöhtes Erregungsniveau
•
E. Dauer mindestens 1 Monat
•
F. Klinisch-signifikante Beeinträchtigungen
Belastungsverlauf über die Zeit
100%
Auftrittsrate
von PTBSymptomen
Akute Belastungsreaktion
‘verzögert’
ca. 3% der
Traumatisierten
10-15% ‘chronisch’
Trauma
Tage
Wochen
Monate
Jahre
4
Trauma- und Stress-Folgestörungen
„Klassische“
PTSD
Komplexe PTSD
Anhaltende
Trauer-Störung
AnpassungsStörung
(ICD-10:
(ICD-10: Anhaltende
Anhaltende
PersönlichkeitsPersönlichkeitsänderung
änderung nach
nach
Extrembelastung;
Extrembelastung;
(bisher
(bisher als
als
AnpassungsAnpassungs- oder
oder
depress.
depress. Störung
Störung zu
zu
diagnostizieren)
diagnostizieren)
(wechselnde
(wechselnde
Definitionen:
Definitionen: bisher
bisher
schlecht
schlecht definiert)
definiert)
Intrusionen:
Sehnsucht,
Präokkuppationen;
div.
Zusatzsymptome
zu bestimmen
DSM-5:
DSM-5: PTSDPTSDdissoziativer
dissoziativer Subtyp)
Subtyp)
Symptomtrias
Symptomtrias
plus
borderlineartige und
dissoziative
Symptome
Komplexe PTBS
• Vorliegen eines Typ-II-Trauma (längerdauerndes,
entwicklungsrelevantes Trauma)
• Symptome
(1) PTB-Symptome
(2) zusätzlich:
– beeinträchtigte Affektregulation
– beeinträchtigte Selbstwahrnehmung:
Selbstkonzept als wertlos, gebrochen etc.
– beeinträchtigte Beziehungsfähigkeiten
Beta-Version des ICD-11-Vorschlags der WHO-Arbeitsgruppe
5
Frida Kahlo: Ohne Hoffnung (1945)
6
© Manfred Fichter, Klinik Roseneck, Prien
Therapieanlässe
Was spricht gegen das
Aufsuchen einer
Therapie?
•
„Depressionen“
•
Überzeugung, dass niemand
helfen kann
•
Leistungsversagen
•
“niemand will meine
Geschichte hören“
•
Überzeugung, dass diese
Erlebnisse „die Lebenslinie
gebrochen haben“
•
Ängste: alte Wunden reissen
wieder auf
•
Partnerprobleme
•
im Zusammenhang mit Angstoder Schlafstörungen
•
(Entschädigungswunsch)
Ebenen therapeutischer Interventionen nach Trauma
•
Selbsthilfe
(±
± professionelle Beratung)
•
Peer support
(±
± professionelle
Beratung)
•
Selbsthilfegruppe oder
spezifische Beratungsstelle
•
Therapeutisches Gruppenangebot
•
Evidenzbasierte
Psychotherapien, incl.
biografische Arbeit
allg. Psychotherapie /
Beratung
Spez. Traumatherapie
nach U. Schnyder (2010)
7
Belastungsverlauf über die Zeit
100%
Auftrittsrate
von PTBSymptomen
Akute Belastungsreaktion
10-15% ‘chronisch’
Trauma
Tage
Wochen
Monate
Jahre
Prolonged Exposure als therapeutischer
Goldstandard
8
Exposition („Prolonged Exposure“): Theorie
•
Angst/Horror sind normale Reaktionen auf ein Trauma
•
Angst, Furcht und soziale Konventionen führen zu Vermeidung
•
Vermeidung verstärkt sich selber
•
Vermeidung verhindert die emotionale Verarbeitung
•
Emotionale Verarbeitung erfordert
– Aktivierung der Erinnerung
– Korrigierende Information
Systematik von Expositionsverfahren
nach emotionaler Intensität
sehr hoch
• Trauma-Exposition (Prolonged Exposure nach Foa)
• zeitlich begrenztes Nacherleben (z.B. Ehlers & Clark)
• EMDR
• Imagery Rescripting (nach Smucker)
• Narrative Exposition (Elbert et al. oder
Life Review nach Maercker)
• INTERAPY (Internet-basierte Schreibtherapie)
moderat
9
EMDR (dt. Augenbewegungs- und DesensibilisierungsTherapie)
Vorbereitung:
– Lebens- und Traumageschichte, Verarbeitungsziele
– Techniken der Affektkontrolle
– Technik der Augenbewegung o.ä.
– Festlegung der Zielkomponenten: Bild, negative und positive
Vorstellung, subjektive Messinstrumente
Desensibilisierung: Imaginative Exposition: bringt Einsichten,
Emotionen, Reduktion der Belastung
„Installation“, „Body Scan“, „Re-evaluation“: kognitive
Umstrukturierung u.a.
Psychotherapie bei PTBS / CPTBS
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze
− Exposition, v.a. „Prolonged Exposure“
− Kognitive Therapie
− EMDR: Eye Movement Desensitization and Reprocessing
− Narrative Exposition, inkl. strukturierter Lebensrückblick
− Kombinationen davon
Psychodynamische und andere Therapieansätze:
− Zur Zeit keine hinreichende wissenschaftliche Evidenz
10
Psychotherapie bei PTBS / CPTBS
für die Komplexe PTBS nur vereinzelte wissenschaftliche
Evidenz
Kognitive VT
− Imagery Rescripting
− DBT-Traumatherapie
Psychodynamische Therapie
− Traumaadaptiert (imaginativ)
− mit Komplementärtherapien
Psychotherapie
der Anhaltenden Trauerstörung
• Interpersonelle Psychotherapie (nach Klerman & Weissman)
− Verlustthema, Rollenwechsel, Rollenkonflikt und eigene Defizite
• Spezifische Trauertherapie (nach Shear, 2005)
− Psychoedukation, Arbeit an den Erinnerungen und Neuorientierung
• Kognitive Verhaltenstherapie
− Erinnerungsarbeit (Exposition) und dysfunktionale Gedanken
• Integrative Online-Therapie
− Schreibaufgaben und Rituale u.a.
11
Paartherapie bei PTBS
Phase 3
spez. Paar-
Emotionale Nähe
Körperliche Nähe
intervention
Zuhören und Ansprechen
Phase 2
Wie bewältigen wir es
bisher gemeinsam?
Phase 1
Gedanken und Gefühle mitteilen
Gemeinsames Problemlösen
Was bedeutet die Traumatisierung des Partners für uns?
PTBS-Symptome und
Veränderungen benennen
Alptraumtherapie
Lucid Dreaming- oder Imagery Rehearsal Therapy (Krakow,
2006, Thünker & Pietrowski, 2011)
• wiederkehrender Alptraum wird im Detail nacherzählt und dazu
ein alternatives Ende entwickelt
• alternatives Ende wird mehrfach imaginiert – ggf. aufgeschrieben
• event. Vorübung: Imaginationsfähigkeit
12
Zusammenfassung
• Trauma-adaptierte psychotherapeutische Strategien liegen
in grosser Anzahl vor
• Evidenzbasierte, wirksame Verfahren liegen insbesondere
für die „klassische“ PTBS vor
• für die Komplexe PTBS (Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung) bisher fast nur „best
practice“-Ansätze
• weitere Innovation sind zu erwarten
Vielen Dank
für die Aufmerksamkeit!
[email protected]
13
Behandlungsoptionen von
Zwangsstörungen bei Kindern:
Was gibt es Neues?
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych.
Susanne Walitza
Behandlung von Zwangsstörungen bei
Kindern
Was gibt es Neues?
Prof. Dr. med. Dipl. Psych. Susanne Walitza
KJPD, Universitätsklinik Zürich
Epidemiologie Schweiz
Prävalenz bei Kindern und Jugendlichen
1-2%
16‘000 – 32‘000
3‘000 – 6‘000
Stand: 2012
2
Zwangsstörungen: Definition
Zwangsstörung braucht zwei Elemente:
• Zwang = Gedanken, Handlungen und Impulse,
die sich dem Patienten aufdrängen, unangenehm und
sinnlos sind.
• Patient leidet schwer und versucht, sich (bewusst)
dagegen zu wehren.
Wewetzer, Reitzle & Walitza: Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen
Störungen, Zwangsstörungen, 2007, DSM-V, Thomsen, 2013
3
Zwangsstörungen im Kindesalter
• DSM-IV: Zwangsstörung als Angststörung
• Kriterien wie „Einsicht und Widerstand“ sind für Kinder
nicht zwingend
4
Obsessive-compulsive and related disorders
Drei grosse Änderungen in DSM-V
• Einordnung OCD nicht mehr bei Angststörungen plus
„related disorders“
• Einsicht muss eingeschätzt werden (good, poor, absent)
• Subtyp: Tic-related OCD (lifetime history)
Thomsen, 2013
5
DSM-V: Behandlung
• Zwangsstörungen:
Behandlung: CBT und bei schweren Fällen zusätzliche
Behandlung mit SSRIs
• Zwangstörungen mit Lifetime Tic-Störungen
Häufiger Augmentation mit Antipsychotika: Risperidon
und Aripiprazol
Thomsen, 2013
6
DSM-V: Prädiktion der Behandlungswirkung
• Reinigungszwänge: besseres Ansprechen
• Horten und Symmetriezwänge: schlechteres
Ansprechen
7
DSM-V: OCD and related disorders
• Body dysmorphic
disorder
• Hoarding disorder
• Trichotillomania
• skin picking disorder
• Substance induced
OCD
8
Differentialdiagnostik: Zwang und Tic
Tics im Vergleich zu Zwängen
unwillkürliche, schnelle, plötzliche, wiederholte,
arrhythmische und oft stereotype Bewegungen
(motorische Tics) oder Lautäusserungen (vokale Tics).
Tics verfolgen keinen Zweck (keine Kontrolle, keine
Symmetrie, keine Reinigung, keine Angstreduktion)
Tics vermitteln aber wie z.T auch Zwänge ein kurzfristiges
„just right“
9
Komorbidität und
Behandlungsimplikation
• bei 68% -100% komorbide psychische Störungen
(Lebenszeitprävalenzen)
• Mädchen: Angst und depressive Störungen,EssStörungen,
• Knaben: früherer Beginn Ticstörungen, ADHS
• mit zunehmendem Alter: Persönlichkeitsstörungen
Fazit: ausführliches Interview
10
Familiäre Interaktion
• massive Einbindung in die Symptomatik
85%
• verbale Aggressionen gegenüber Müttern
59%
• körperliche Angriffe gegenüber Müttern
23%
Wewetzer et al., 2002
11
Verstrickung der Familie
Hilflosigkeit, sich zu widersetzen
Gründe:
- Angst, die enge Beziehung zum Kind zu verletzen
- Uneinigkeit der Partner bezüglich Umgehensweise
- Schuldgefühle, Erschöpfung
12
Einflussfaktoren in der POTSStudie
• Einsicht
• Einbindung der Familie
• Bei Patienten, deren Eltern ebenfalls Zwänge haben, kam
es zu einer 6-fachen Reduktion der alleinigen Wirksamkeit
von CBT gegenüber Patienten ohne familiäre Belastung
Garcia et al., 2010
13
Medikamentöse Behandlung
Kindes und Jugendalter
• mehr als 18 Studien (mehr als N = 1.044)
zeigen signifikante Überlegenheit von
Medikation gegenüber Plazebo
• 1. Wahl: SSRI, diese sind untereinander vergleichbar
(Soomro, 2008)
• 2. Wahl: Clomipramin >= SSRIs, aber mehr
Nebenwirkungen (AACAP 2012)
Geller et al., 2003; Abramowitz et al., 2005; Watson
und Rees, 2008, Cochrane 2010, Gentile 2011
14
Fazit: Therapie
Beginn der Therapie bei Kindern mit Zwangsstörungen mit
Edukation, Beratung,
Verhaltenstherapie/CBT allein (Expert Consensus Guidelines, Nice
2005, AACAP, 2012, DSM-V, 2013)
Bei höherer Ausprägung der Zwänge oder bei fehlender
Motivation: Augmentation von SSRI oder SSRI alleine
(AACAP 2012, DSM-V, 2013)
15
Fazit: Therapie
• bei Nonresponse auf ein SSRI nach 12 Wochen ein
anderes SSRI einsetzen
• Bei Nonresponse auf zwei SSRI, Clomipramine oder
Augmentation mit Antipsychotikum
• Bei Tic-related OCD: SSRI kombiniert mit Risperidon
oder Aripiprazol
16
Neue Interventionen
Glutamaterges System
D-Cycloserine: partieller NMDA Agonist
verbessert Extinktion von erlernter Angst
Richardson et al., 2004
und führt zu einer schnelleren Wirkung
(Exposition mit Reaktionsverhinderung),
aber nicht zu einer besseren Wirkung
Chasson et al, 2010; Storch and Geller et al., 2010
17
Neue Interventionen
Agomelatine
• bisher nur Kasuistiken
• Wenn Zwänge therapierefraktär und
circadiane Rhythmusstörungen vorliegen
Fornaro et al, 2010
18
Neues Therapiemanual für
Kinder und Jugendliche
19
Externalisieren des Zwangs
• xxx
20
Edukation zur Therapie
21
dysfunktionale Gedanken
Komorbidiät
22
Nachsorge
23
Ricky und die Spinne
•
Grashüpfer Ricky und Marienkäfer Lisa sind sehr unglücklich
•
seit einiger Zeit lebt in ihrer Gegend eine Spinne, die merkwürdige
Dinge von ihnen verlangt
•
aus Angst vor der Spinne gehorchen die beiden ihren Befehlen
und verstricken sich dadurch immer tiefer in das Netz der
Zwangskrankheit, Ricky hat Dr. Eule um Hilfe gebeten
•
diese ist mit Rickys Problem bestens vertraut, aber er muss erst
ein Kind finden, das ihn versteht und bereit ist, ihm zu helfen
Autorin und Regie:
Dr. Dr. V Brezinka, 2012
24
Innovative Behandlungen im
Kindesalter
Ausschnitte aus Ricky and the Spider
25
KJPD, Universitätsklinik Zürich
Tic- und Zwangssprechstunde
www.kjpd.zh.ch
[email protected]
www.zwaenge.ch
26
Der Depression die Stirn bieten
– mit Botulinumtoxin
PD Dr. med.
M. Axel Wollmer
17.04.2013
Der Depression die Stirn bieten – mit
Botulinumtoxin
PD Dr. med. M. Axel Wollmer
Chefarzt, Asklepios Klinik Nord Ochsenzoll
Relative Überaktivität der Mm. Corrugatores Supracilii
bei depressiven Patienten
Ω melancholicum
Schwartz et al., Science 1976; Schwartz et al., Psychosom Med, 1976
2
1
17.04.2013
Die facial feedback-Hypothese
Refuse to express a passion, and it dies
(William James, 1890)
Strack et al., J Pers Social Psych, 1988; Larsen et al., Cognition Emotion, 1992
Wikipedia; Alam et al., J Am Acad Dermatol, 2008
3
Psychotrope Effekte von Botulinumtoxin
•
Positiverer Gesichtsausdruck (Heckmann et
al., J Am Acad Dermatol, 2003)
•
Einfluss auf das emotionale Erleben (Davis
et al., Emotion, 2010)
Gesteigertes emotionales Wohlbefinden über
eine kosmetische Verbesserung hinaus
(Sommer et al., Dermatol Surg, 2003)
Reduktion von Angst und Traurigkeit (Lewis
et al., J Cosmet Dermatol, 2009)
Abgeschwächte Aktivierung limbischer
Gehirnregionen bei willkürlicher Innervation
der mm. corrugatores supracilii
(Hennenlotter et al., Cereb Cortex, 2009)
Verlängerte Auffassungszeit für Sätze mit
negativer emotionaler Konnotation (Havas
et al., Psychol Sci, 2010)
Eingeschränkte Fähigkeit der Erkennung
emotionaler Gesichtsausdrücke (Neal and
Chartrand, Social Psychological and
Personality Science, 2011)
•
•
•
•
•
Hennenlotter et al., Cereb Cortex, 2008
4
2
17.04.2013
Fallserie
Finzi & Wasserman, Dermatol Surg, 2006
5
Einschlusskriterien
30 ambulante Patientinnen und Patienten
Alter von 25-65 Jahren
Leichtes bis mittelgradiges depressives Syndrom
ICD-10 F32 oder F33
Kein ausreichendes Ansprechen auf
Standardtherapie (ein bis zwei Antidepressiva
und supportive Gespräche für mindestens vier
Wochen)
• HAM-D >15
• Bei maximalem Stirnrunzeln mindestens
mittelgradige Glabellafalte
•
•
•
•
•
6
3
17.04.2013
Ausschlusskriterien
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Depressives Syndrom im Rahmen anderer psychischer Störungen (z.B. bipolarer
affektiver Störungen)
Psychotische oder anderen psychiatrische Symptomen (z.B. Angst, Zwang,
Dysmorphophobie)
Selbstschädigendes Verhalten (Selbstverletzung, Sucht)
Akuter Suizidalität
Schweren körperlichen Erkrankungen
Myasthenia gravis oder Lambert Eaton-Syndrom oder andere Störungen der
neuromuskulären Funktion
Infektionen oder Hautproblemen an der Injektionsstelle, Fazialislähmung in der
Anamnese, ausgeprägte Asymmetrie des Gesichts, Ptosis, extreme Schlaffhaut, tiefe
Hautnarben, dicke talgige Haut.
Übermässige subjektive kosmetische Beeinträchtigung durch die Glabellafalte
Frühere Behandlungen mit Botulinum-Toxin erhalten
Schwangerschaft (Konzeptionsschutz mit Doppelbarrieremethode während der Studie)
Starkes prämenstruelles Syndrom (PMS), prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS)
Einnahme von mehr als zwei Antidepressiva, von Neuroleptika oder anderen
Psychopharmaka, sowie von Medikamenten die mit der neuromuskulären Übertragung
interferieren.
Depressionsspezifische Psychotherapie
7
CONSORT-Diagramm
Wollmer et al., J Psychiatr Res, 2012
8
4
17.04.2013
Baseline-Charakteristika - Auswahl
Variable
Total (n = 30)
Verum (n = 15)
Women (%)
23 (76.7)
12 (80.0)
Placebo (n = 15)
11 (73.3)
Age years, mean (+ SD)
50.57 (8.91)
52.2 (7.54)
48.93 (10.1)
BMI, mean (+ SD)
26.76 (7.72)
26.83 (7.62)
26.68 (8.08)
Centre Basel (%)
13 (43.3)
6 (40.0)
7 (46.7)
Recurrent F33.xx (%)
24 (80.0)
11 (73.3)
13 (86.7)
Duration of MDD years, mean (+ SD)
16.03 (12.67)
16.4 (11.97)
15.67 (13.74)
Duration of IE months, mean (+ SD)
28.53 (28.01)
26.4 (28.6)
30.67 (28.23)
Chronic IE (%)
13 (43.33%)
6 (40%)
7 (46.7)
Number of episodes, mean (+ SD)
7.13 (9.12)
9.07 (12.27)
5.2 (3.71)
Treatment trials during IE, mean (+ SD)
1.27 (0.69)
1.4 (0.83)
1.13 (0.52)
Current antidepressants, mean (+ SD)
1.2 (0.48)
1.07 (0.46)
1.33 (0.49)
Treatment resistance stage, mean (+ SD)
0.83 (0.65)
1.0 (0.66)
0.67 (0.62)
HAM-D17, mean (+ SD)
20.07 (4.37)
21.4 (4.31)
18.73 (4.15)
BDI, mean (+ SD)
25.33 (8.14)
27.00 (8.91)
23.67 (7.21)
CGI, mean (+ SD)
4.5 (0.73)
4.67 (0.62)
4.33 (0.82)
CSS-GFL, mean (+ SD)
2.33 (0.48)
2.20 (0.41)
2.47 (0.52)
p>0.05
Wollmer et al., J Psychiatr Res, 2012
9
Behandlung mit OnabotulinumtoxinA
•
OnabotulinumtoxinA in 0.9% NaCl-Lösung
(100E/2.5ml)
•
0.3 ml Insulinspritze mit 30G-Kanüle
•
29 (♀) oder 39 (♂) E an fünf Punkten in der
Glabella-Region (M. Procerus, Mm.
Corrugatores Supracilii)
•
Identische Volumina 0.9% NaCl-Lösung nach
demselben Injektionsschema als Placebo
Sommer et al., J Dtsch Dermatol Ges. 2007
10
5
17.04.2013
Kosmetischer Effekt
F(6,168)=13.59, ε=0.50, η2=0.33, p<0.001
Wollmer et al., J Psychiatr Res, 2012
11
Besserung der Depression - SIGH-ADS
F(6,168)=5.76, ε=0.74, η2=0.17, p<0.001
Wollmer et al., J Psychiatr Res, 2012
12
6
17.04.2013
Besserung der Depression - BDI
F(6, 168)=3.79, ε=0.51, η2=0.12, p=0.01
HAM-D17/BDI-Korrelation r=0.75, p<0.001
Wollmer et al., J Psychiatr Res, 2012
13
Klinischer Gesamteindruck
F(6, 168)=7.91, ε=0.66, η2=0.22, p<0.001
Wollmer et al., J Psychiatr Res, 2012
14
7
17.04.2013
Primärer Endpunkt
Variable
Verum (n=15)
Placebo (n=15)
Difference
Effect size
CSS-GFL
1.33 (0.62)
2.40 (0.63)
F=50.40
η2=0.64
∆ CSS-GFL
-0.87 (0.35)
-0.07 (0.26)
-0.8 (-1.02 to -0.58)
d=2.59
HAM-D17
11.33 (7.22)
17.00 (6.52)
F=12.30
η2=0.31
∆ HAM-D17
-10.07 (8.16)
-1.73 (4.25)
-8.34 (-13.00 to -3.68)
d=1.28
BDI
16.33 (11.55)
24.47 (11.41)
F=11.88
η2=0.30
∆ BDI
-10.67 (10.77)
0.80 (7.06)
-11.47 (-17.99 to -4.95)
d=1.26
CGI
3.27 (1.33)
4.40 (0.99)
F=15.83
η2=0.36
∆ CGI
-1.40 (1.24)
0.07 (0.70)
-1.47 (-2.19 to -0.75)
d=1.46
Significance
p<0.001
p=0.002
p=0.002
p<0.001
Wollmer et al., J Psychiatr Res, 2012
15
Primärer Endpunkt
Assoziation zwischen
Ansprechen und weiblichem
Geschlecht (p=0.03)
Stärkerer Effekt bei weiblichem
Studienteilnehmern (11.67+8.16 Punkte, 53.9% vs.
-2.36+4.25 Punkte, 13.0%,
F=12.95, p=0.002, η2=0.38,
d=1.57)
Stärkere Effekte am Ende der
Studie (HAM-D17,
Gesamtstichprobe d=1.87,
weibliche Teilnehmer d=2.41)
Wollmer et al., J Psychiatr Res, 2012
16
8
17.04.2013
Mechanismen
• Propriozeptive Rückkopplung
• Soziale Rückkopplung
• Ästhetische Effekte
• Placebo-Effekte
• Lokale antiinflammatorische Effekte
• Zentrale pharmakologische Effekte (Antonucci et al., J
Neurosci, 2008)
17
Weitere Studien
•
Efficacy Study of Botox for Depression NCT01556971
Principal Investigator: Joshua Z Rosenthal, MD, Capital Clinical Research
Associates
Enrollment: n=82
Finzi & Rosenthal, 2012
http://www.nature.com/npp/journal/v38/n1s/pdf/npp2012221a.pdf
•
The Treatment of Depression With Botulinum Type A Toxin NCT01392963
Principal Investigator: Michelle Magid, MD, Seton Family of Hospitals
Enrollment: n=30
•
Evaluation of Quality of Life and Self-steem After Botox® in Depressed and
Non-depressed Patients NCT01004042
Principal Investigator:
Dermatology
Doris M Hexsel, MD, Brazilian Center For Studies in
Enrollment: n=50
Hexsel D et al., Dermatol Surg., 2013
18
9