Artikel 6 VO PAED WiSe 2007/2008, Univ. Prof

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Artikel 6 VO PAED WiSe 2007/2008, Univ. Prof
Exposé Themenfeld "Prakt. Anwendungen der Medienpädagogik", Artikel 6
VO PAED WiSe 2007/2008, Univ. Prof. Dr. Thomas A. Bauer
Es erscheint im ersten Moment ungewöhnlich, doch zwischen Militär und
Computerspielen gibt es eine Verbindung, wie Konrad Lischka in seinem Beitrag
„Schöne Spiele, falsche Freunde. Theorie und Praxis des Kriegs in Computerspielen“
erläutert.1 Kriegsspiele unterhalten Millionen von Menschen und dienen dem Heer zu
Strategieübungen. Das Kriegsspiel ist eines der ältesten. Früher schob man Figuren
auf einem Spielbrett hin und her, heute werden in virtuellen Welten künstliche
Kriegsszenarien geschaffen, die der Realität kaum nachstehen.
In den USA gibt es ein eigenes Forschungsinstitut für „Modeling, Virtual
Environments and Simulation“ (Moves) der Marine.2 Spiele wie „Doom II“3 und
„Rainbow Six Rogue Spear“4 wurden in modifizierter Form tatsächlich zum Training
von US-Marineinfanteristen eingesetzt. Zwei eigene Spiele des Moves-Instituts, das
Rollenspiel „Soldiers“ und der Ego-Shooter5 „Operations“, die dazu dienen, Rekruten
zu werben, aber auch um ganz normale Menschen zu unterhalten, wurden auf der
technologischen Basis des Spiels „Unreal“6 entwickelt.
Lischka versucht die problematische, historische Parallelentwicklung zwischen
unterhaltenden Simulationen und Kriegsspielen aufzuzeigen.7 Er zeigt mehrere
Verknüpfungen zwischen Unterhaltungsindustrie und Militär auf, beispielsweise den
in der University of California eingeführten Forschungsbereich namens „Institute for
Creative Technologies“, in dem von Firmen wie Electronic Arts und Sony
kommerzielle Computerspiele sowie militärische Simulationen entwickelt werden und
der vom Militär finanziert wird.8
1
Vgl.: Lischka, Konrad (2003): Schöne Spiele, falsche Freunde. Theorie und Praxis des Kriegs in
Computerspielen. In: Rötzer, Florian: Virtuelle Welten – reale Gewalt, Hannover: Heise, S. 59-67.
2
http://www.movesinstitute.org/, Stand: 30.11.2007.
3
Bei „Doom“ handelt es sich um eine Serie von Ego-Shooter-Computerspielen. Der erste Teil wurde
1993 veröffentlicht. Der Nachfolger „Doom II: Hell On Earth“ kam 1994 auf den Markt.
4
Hier handelt es sich um eine Computerspielserie, die auf Tom Clancys Buch „Operation Rainbow“
basiert. Der Spieler leitet eine Eliteeinheit im Kampf gegen den Terrorismus. Erschienen 1998.
5
„Ego-Shooter“ ist eine Computerspiel-Kategorie, wo sich der Spieler in Egoperspektive durch die
dreidimensionale Spielwelt bewegt. Meist ist auf dem Bildschirm von der Spielfigur nur die Waffe zu
sehen. Ziel ist es, möglichst viele Gegner zu erschießen.
6
„Unreal“ ist ein futuristischer Ego-Shooter und wurde 1998 veröffentlicht. Es wurde von mehreren
Spielmagazinen zum „Spiel des Jahres 1998“ gekürt. Die deutschsprachige Version wurde zensiert.
7
Lischka, Konrad (2003): Schöne Spiele, falsche Freunde, S. 60.
8
http://www.ict.usc.edu/, Stand: 30.11.2007.
Gruppe B:
1
Beatrix Blümel (0307630), Tamara Bogner (0547351), Christof Brunner (0606653), Christian
Deopito (0605078), Isabella Fuhrmann (0303199), Bernhard Hasslinger (0508313), Susanna
Hofer (0608396), Katrine Hütterer (0607544), Sabine Ivankovits (9806252) und Andreas Möstl
(0607095)
Exposé Themenfeld "Prakt. Anwendungen der Medienpädagogik", Artikel 6
VO PAED WiSe 2007/2008, Univ. Prof. Dr. Thomas A. Bauer
Die Diskussion über die Problematik von Gewalt in Computerspielen gibt es
spätestens seit den Anschlägen in Schulen durch Schüler - allerdings sind
Kriegsspiele keine neue Erfindung des Computerzeitalters. Ab 1824 bedienten sich
Generäle der preußischen Armee diverser Kriegsspiele, um Strategien für den Kampf
zu entwickeln. Solche Kriegsspiele fanden und finden auch im Unterhaltungsbereich,
zum Beispiel als Brettspiele, großen Zuspruch.
Lischkas Artikel stellt auch zur Diskussion wodurch bzw. wie die Computer- und
Videospiele ihren Erfolg starten konnten. 9 Er hebt hier speziell die Traditionslinie der
so genannten Arcades10 hervor. Nolan Bushnell11 war einer der „Urväter“ dieses
Erfolges, da er den ersten erfolgreichen Videospielautomat namens „Pong“
konzipierte und entwickelte. Hier wird ganz besonders auf die „Effektivität“ dieses
Spieles hingewiesen: Viele Spieler – viel Umsatz!
Weiters untersucht der Autor die Verknüpfung von populären öffentlichen
Kriegsspielen mit militärischen. Der Begriff Kriegsspiel hat sich heutzutage in den
Begriff Simulation geändert. Das Amerikanische Verteidigungsministerium arbeitet an
der Entwicklung einer Verbindung von drei Simulationsebenen, dem so genannten
Joint Simulation System (JSIMS):
„Es soll Soldaten mit realer Ausrüstung in realem Umfeld („live simulation),
Soldaten mit elektronisch simulierten Waffen in ebensolchen Umgebungen
(„virtual simulation“) und das höchste Abstraktionsniveau, nämlich die
Erprobung
unterschiedlicher
Kriegszenarien
durch
Befehlgebende
am
Computer („constructive simulation“) umfassen.“12
Aufgrund des Sputnik-Schocks13 kam es zur finanziellen Unterstützung des USRüstungshaushalts, von der die Computertechnologie zur Entwicklung von Spielen
profitierte. Vor dem Ausbau der Computertechnologie dienten Kriegsspiele der
9
Lischka, Konrad (2003): Schöne Spiele, falsche Freunde, S. 61 ff.
Das Arcade-Spiel ist eine Bezeichnung für Videospiele, die seit den 1970er Jahren in öffentlichen
Spielhäusern in den USA, so genannten Penny Arcades, bzw. in Europas Spielhallen kostenpflichtig
angeboten werden.
11
Nolan Bushnell ist Gründer der Computerfirma Atari, die bis in die 1990er Jahre sehr erfolgreich auf
dem Markt der Videospiel-Entwicklung war.
12
Lischka, Konrad (2003): Schöne Spiele, falsche Freunde, S. 62 ff.
13
Als „Sputnik-Schock“ bezeichnet man die gesellschaftlich-politische Reaktion der USA und
Westeuropas nach dem Start des ersten künstlichen Erd-Satelliten „Sputnik“ am 4. Oktober 1957
durch die Sowjetunion. Diese technologische Leistung stellte den sicher geglaubten
Überlegenheitsanspruch des Westens in Frage.
10
Gruppe B:
2
Beatrix Blümel (0307630), Tamara Bogner (0547351), Christof Brunner (0606653), Christian
Deopito (0605078), Isabella Fuhrmann (0303199), Bernhard Hasslinger (0508313), Susanna
Hofer (0608396), Katrine Hütterer (0607544), Sabine Ivankovits (9806252) und Andreas Möstl
(0607095)
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Unterhaltung. Nun erhalten Soldaten bei der US-Marine sogar den „Microsoft Flight
Simulator“14 kostenlos für zu Hause. Jedoch nicht ganz ohne Eigennutzen der
Regierung, denn Soldaten, die Computersimulationen spielen, erzielen viel bessere
Ergebnisse als Nichtspielende. Diese Spiele dienen nicht nur dem Training, sondern
auch der psychischen Fügung der Soldaten: Eine Option der Desertation gibt es in
solchen Simulationen nicht.
Lischka spricht auch über Unterschiede zwischen Spielen für Spielkonsolen und
Spielen für Homecomputer.15 Er kommt zu folgendem Schluss: „Deshalb wird am PC
etwas weniger Kriegspraxis und weit mehr Kriegstheorie als an Heimkonsolen
gespielt. Strategiespiele sind eine PC-Domäne.16 Der Autor meint, dass durch das
Aufkommen von Spielkonsolen das virtuelle Spiel den Weg von den Spielhallen in
die Wohnzimmer der Spieler nimmt und deswegen komplexere Spielkonzepte
möglich werden.17 Danach stellt Lischka fest, dass trotz enormer Genrevielfalt der
Spiele für Heimkonsolen „praktische“ Kriegsspiele nach dem Prinzip „Space
Invaders“18 immer noch sehr beliebt sind. Die Etablierung von Heimcomputern sieht
der Autor als Innovationsschub im Bereich des Inhalts der Spielrichtung
„theoretischer“ Spiele an.
So erklärt Lischka, dass Kriegsspiele, deren Steuerung intuitiv erfassbar, also einfach
und „praktisch“ gehalten sind, im Konsolenbereich die Überhand haben; im PCBereich hingegen „theoretische“ Strategiespiele. Diese Hypothese ist im Kontext der
Themenstellung des ganzen Textes interessant. Allerdings bleibt der Autor
empirische Belege für seine Behauptung schuldig.
In weiterer Folge macht Lischka deutlich, dass die Wirkungen des Mediums
PC/Videospiel
weitaus
komplexer
sind,
als
es
in
der
Schnelligkeit
der
14
Der „Microsoft Flight Simulator“ zählt zu den ältesten und erfolgreichsten Produkten im PCEntertainment. Die erste Microsoft-Version erschien 1985, die aktuelle Version heißt „MS Flight
Simulator X“ und erschien im Oktober 2006.
15
Lischka, Konrad (2003): Schöne Spiele, falsche Freunde, S. 64.
16
Ebd. S. 64.
17
Ebd. S. 64.
18
„Space Invaders“ ist ein so genanntes „Shoot Em Up“-Spiel (das ist ein Computerspiel-Genre, bei
dem der Spieler möglichst viele Gegner erschießen soll – im Gegensatz zum „Ego-Shooter“ aber mit
eingeschränkter Bewegungsfreiheit). Erschienen ist es bereits 1978.
Gruppe B:
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Beatrix Blümel (0307630), Tamara Bogner (0547351), Christof Brunner (0606653), Christian
Deopito (0605078), Isabella Fuhrmann (0303199), Bernhard Hasslinger (0508313), Susanna
Hofer (0608396), Katrine Hütterer (0607544), Sabine Ivankovits (9806252) und Andreas Möstl
(0607095)
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Erklärungsversuche nach Tragödien wie Erfurt19 gesehen wurde. Plakative Thesen
(wie z.B.: „Gewalt- und Kriegsspiele machen Jugendliche zu Amokläufern“ etc.)
halten sich jedoch hartnäckig in der Öffentlichkeit und den Medien.
Um sich der Genrevielfalt20 von PC- und Videospielen anzunähern, wird die
Medienkonsumtion der USA und von Deutschland unterschieden: Der Verkauf von
Videospielen ist in den USA weitaus erfolgreicher, in Deutschland hingegen der
Absatz von PC-Spielen. Man könnte überspitzt formulieren, dass amerikanische
Spieler durch ihr Spielen die Kriegspraxis erfahren, deutsche Spieler die
Kriegstheorie.
Nach dem Amoklauf im Erfurter Gutenberg-Gymnasium 2002 begannen Videound PC-Spiele auch in Deutschland eine sozialpsychologische, praktische und
politische Relevanz zu erlangen. An Florian Rötzers Band über virtuelle Welten und
deren tatsächliche Bedrohungen21 ist bemerkenswert, dass er in Deutschland
erschien, wo eine ernste öffentliche Debatte über die Wirkung von PC- und
Videospielen außerhalb der „Counterstrike“22-Theorien bislang kaum eine Rolle
spielte.
Obwohl es auf dem Videospielmarkt laufend technische Neuerungen gibt, werden
selten wirklich neue, innovative Spielideen umgesetzt - woran liegt das? Einerseits
wohl an den hohen Kosten eines Titels. Lischka spricht von bis zu 10 Millionen
Dollar23, die für die Produktion aufgewendet werden müssen. Einen weiteren Grund
liefert die Art, wie in der Spielindustrie Gewinne aufgeteilt werden - zwischen so
genannten „Publishern“24 und „Studios“.25 Diese versuchen sich „[…] das finanzielle
Risiko teilen […]“26, welches beim Entwickeln und Veröffentlichen eines Titels
entsteht. Daher versuchen die Hersteller durch Fortsetzungen von Titeln, die sich
19
Der Amoklauf von Erfurt ereignete sich am 26. April 2002 am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt.
Dabei erschoss der 19-jährige Robert Steinhäuser zwölf Lehrer, eine Sekretärin, zwei Schüler und
einen Polizisten. Anschließend tötete er sich selbst.
20
Lischka, Konrad (2003): Schöne Spiele, falsche Freunde, S. 64 ff.
21
Rötzer, Florian (Hrsg., 2003): Virtuelle Welten – reale Gewalt, Hannover: Heise.
22
„Counterstrike“ ist ein Computerspiel aus dem Genre der Online-Taktik-Shooter. Erschienen 1999.
Auch hier kämpft eine Antiterroreinheit gegen Terroristen. Mit steigender Bekanntheit und wegen
seiner realistischen Grafik wird dieses Spiel in den Medien immer häufiger als Beispiel für Gewalt in
Computerspielen angeführt.
23
Lischka, Konrad (2003): Schöne Spiele, falsche Freunde, S. 65.
24
Ebd. S. 65.
25
Ebd. S. 65.
26
Ebd. S. 65.
Gruppe B:
4
Beatrix Blümel (0307630), Tamara Bogner (0547351), Christof Brunner (0606653), Christian
Deopito (0605078), Isabella Fuhrmann (0303199), Bernhard Hasslinger (0508313), Susanna
Hofer (0608396), Katrine Hütterer (0607544), Sabine Ivankovits (9806252) und Andreas Möstl
(0607095)
Exposé Themenfeld "Prakt. Anwendungen der Medienpädagogik", Artikel 6
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bereits gut verkauft haben, das Risiko zu minimieren.27 Dieses Phänomen führt dazu,
dass „[…] rein technische Innovationen mittlerweile wichtiger sind als […] neue
Spielkonzepte“28 und wird laut Lischka „struktureller Konservatismus“29 genannt.
Hersteller können es sich schlicht und einfach nicht leisten immer neue Konzepte
und Möglichkeiten in Spiele einzubringen, doch genau dieser Geist hat diese
Industrie erst zu dem werden lassen, was sie heute ist.30
Der Autor weist auch darauf hin, dass Computerspiele, sobald sie den Hersteller
verlassen haben, nicht mehr in dessen Einfluss stehen.31 Der Hersteller gibt nicht
vor, in welcher Weise diese Spiele genutzt werden. Dies kann ein kritisches
Bewusstsein beim Spieler fördern, zum Beispiel bei Kriegsspielen. Unerwähnt lässt
Lischka, dass diese Spiele einerseits das strategische Denken schulen, andererseits
aber auch Aggressionen schüren können. Es kommt immer auf den Spieler an, und
wie er diese Spiele auffasst, ob er sie auch tatsächlich als Spiel begreift und nutzt.
Spiele dienen oft als Anreiz für die Spieler, sie selbst weiter zu entwickeln, wie zum
Beispiel im Fall des Online-Rollenspiels "Everquest"32. Unabhängig vom SpielEntwickler haben sich Spielergemeinschaften gebildet, die ihre Erfahrungen
bezüglich Spielwelt und realer Welt austauschen. Der Hersteller hat den Impuls
gesetzt, das Spiel hat sich verselbständigt und weiterentwickelt - ohne sein Zutun.
Lischka ist der Meinung, dass ein Spiel nicht für etwas anderes als ein Spiel gehalten
werden darf. Dennoch geht er davon aus, dass diese Spiele fast ausschließlich von
der Spielersubkultur genutzt werden, obwohl in ihnen ein großes kreatives Potenzial
steckt. Von den Menschen, die diese Spiele außerhalb jener Subkultur spielen, hält
er einige für die "Falschen".33
27
Ebd. S. 65.
Ebd. S. 65.
29
Ebd. S. 65.
30
Ebd. S. 66.
31
Ebd. S. 66.
32
„Everquest“ ist ein Massive Multiplayer Online Roleplaying Game (MMORG). Der erste Teil erschien
1999. Es spielt in einer Fantasiewelt namens „Norrath“. Zur Teilnahme am Spiel werden die Software,
Internetanschluss und monatliche Bezahlung an den Betreiber (Sony Online Entertainment) benötigt.
33
Lischka, Konrad (2003): Schöne Spiele, falsche Freunde, S. 67.
28
Gruppe B:
5
Beatrix Blümel (0307630), Tamara Bogner (0547351), Christof Brunner (0606653), Christian
Deopito (0605078), Isabella Fuhrmann (0303199), Bernhard Hasslinger (0508313), Susanna
Hofer (0608396), Katrine Hütterer (0607544), Sabine Ivankovits (9806252) und Andreas Möstl
(0607095)