3.1.2 Morphinähnliche Stoffe, die nicht als starke

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3.1.2 Morphinähnliche Stoffe, die nicht als starke
3 Analgetika
sierung: Erregungserscheinungen beim Hund
ab 6 – 10 mg/ kg, beim Pferd ab 2 mg/kg; weitere Symptome s. Morphin. § Gegenanzeigen,
§ Wechselwirkungen s. Morphin.
3.1.2
Morphinähnliche Stoffe, die
nicht als starke Analgetika
verwendet werden
Eine Reihe von Stoffen, die sich von Morphin und
Morphinanaloga ableiten, werden nicht als starke Analgetika verwendet, weil entweder andere Wirkungskomponenten therapeutisch ausgenutzt werden (Antitussiva) oder die analgetische
Wirkung aufgrund der Strukturveränderungen
fehlt (Apomorphin, Loperamid, Morphinantagonisten). Aufgrund der Strukturähnlichkeit mit den
klassischen Opioiden sollen diese Stoffe hier kurz
besprochen werden.
3.1.2.1 Morphinantagonisten
Hierbei handelt es sich um Analoga von Morphin und morphinähnlichen starken Analgetika, die sich durch Substitution einer Allylgruppe
am Stickstoffatom des Opioidmoleküls von den
jeweiligen starken Analgetika unterscheiden. Die
durch diese Substituierung entstehenden Substanzen heben praktisch alle zentralen und peripheren Wirkungen von Opioiden auf, also auch die
lebensbedrohlichen Wirkungen bei Vergiftungen
mit starken Analgetika vom Morphintyp, vor allem
die Atemdepression. Da es sich um einen Antagonismus am Opiatrezeptor handelt, wird die Wirkung aller Opioide antagonisiert. Dagegen werden Atemdepressionen, die durch Nicht-Opioide
(z. B. Barbiturate) verursacht werden, nicht vermindert! Zwei Morphinantagonisten werden klinisch eingesetzt: Levallorphan (das Allylanalogon von Levorphanol) und Naloxon (das Allylanalogon von Oxymorphon). Der älteste Morphinantagonist, Nalorphin (das Allylanalogon von Morphin), ist nicht mehr im Handel. Nalorphin und
Levallorphan haben noch eine ausgeprägte agonistische Restwirkung (sie wirken als partielle Agonisten ähnlich wie Pentazocin auf einige Opioidrezeptorsubtypen agonistisch, auf andere antagonistisch), während Naloxon ein reiner Antagonist
ist. Naloxon sollte deshalb heute vorgezogen werden. Da durch Morphinantagonisten auch die Wirkung der körpereigenen Endorphine aufgehoben
werden, werden neben der klassischen Anwen-
dung als Morphinantagonist für Naloxon heute
zahlreiche andere Anwendungsgebiete diskutiert,
bei denen Endorphine beteiligt zu sein scheinen,
so einige Schockformen, bestimmte endogen oder
exogen bedingte Atemdepressionen und Erkrankungen des Gehirns. Veterinärmedizinisch liegen
hierzu erst begrenzte Erfahrungen vor (s. u.).
A
B
C
Naloxon
Naloxon [Narcanti-vet (V.M.), Narcanti (H.M.)]
ist als Injektionslösung unter dem Warenzeichen
Narcanti-vet zur Anwendung bei Hunden im Handel. § Anwendungsgebiete: Überdosierung mit
Morphin bzw. Morphinanaloga, Beendigung der
Wirkung von Opioiden. Ferner zur Behandlung der
Apnoe bei Welpen sowie (bisher nicht zugelassen)
zur Behandlung der Scheinträchtigkeit (Lactomanie) bei der Hündin (an beiden Prozessen scheinen
endogene Opioide beteiligt zu sein, was die Wirkung von Naloxon erklären würde). In sehr niedrigen Dosierungen kann es durch Blockierung präsynaptischer Opioidrezeptoren zu einer Freisetzung endogener Opioide kommen und damit, da
postsynaptische Opiatrezeptoren erst durch höhere
Dosierungen blockiert werden, zu scheinbar agonistischen Wirkungen von Naloxon. § Dosierung:
zur Aufhebung der Wirkung von Opioiden: Da es
sich um einen kompetitiven Antagonismus am
Opiatrezeptor handelt, richtet sich die Dosierung
nach der verabreichten Menge und nach der Potenz
des Opioids. Bei intravenöser Applikation setzt die
Wirkung von Naloxon so schnell ein, dass nach
Wirkung dosiert werden kann. Dosierungen liegen
beim Hund im Bereich um 0,05 mg/kg. Die Verabreichung kann innerhalb von 2 – 3 min wiederholt
werden, bis der gewünschte Effekt eingetreten ist.
§ Wirkungsdauer: Die Wirkungsdauer von Naloxon kann kürzer sein als die des verwendeten Opioids, so dass bei erfolgreicher Aufhebung von Vergiftungssymptomen der Patient keinesfalls aus der
Beobachtung entlassen werden sollte. Zur Behandlung von Atemdepres­sionen bei Welpen werden
0,02 mg i. v. oder s. c. empfohlen, zur Behandlung
der Lactomanie zweimal täglich 0,01 mg/kg s. c.
(übliche Behandlungsdauer 3 – 5 Tage). Die Halbwertszeit von Naloxon beträgt beim Hund 70
min. § Nebenwirkungen: Bei Ziegen ist nach i. v.Applikation von 0,1 mg/kg Na­loxon eine erhöhte
Frequenz von Pansenkon­traktionen beobachtet
worden (durch Morphin aufzuheben). Ansonsten
sind keine Nebenwirkungen bekannt. § Überdo-
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aus: Löscher u.a., Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren (ISBN 3-8304-4160-6) © 2006 Parey
C Pharmaka mit Wirkung auf das Zentralnervensystem
sierung: Auch bei starker Überdosierung hat Naloxon keine Eigenwirkungen.
Levallorphan
Levallorphan, das sich nicht mehr im Handel befindet, unterscheidet sich von Naloxon dadurch, dass
es auch morphinagonistische Wirkungen ausübt
(s. u.). § Dosierung: individuell wie bei Na­loxon;
die Wirkungspotenz liegt etwas unter der von
Naloxon (wirksame Dosen 0,1 – 0,5 mg/ kg i. v.).
§ Nebenwirkungen: Wird Levallorphan ohne
vorherige Anwendung eines Opioids verabreicht,
wirkt es (wenig schwächer als Morphin) analgetisch, atemdepressiv und ruft Dysphorie hervor (morphinagonistische Wirkungen an einigen
Rezeptorsubtypen, durch Naloxon zu antagonisieren). Levallorphan ist deshalb bei Atemdepres­
sionen, die durch Nicht-Opioide (z. B. Barbiturate)
verursacht wurden, kontraindiziert (es kann wie
Naloxon in solchen Fällen auch nicht als Antidot
wirken)!
Aufgrund der morphinagonistischen Wirkungskomponente kann Levallorphan die atemdepressive Wirkung niedriger Dosen von Opioiden verstärken, schwächt aber die Atemdepression nach
hohen Dosen von Opioiden ab (durch Beteiligung unterschiedlicher Rezeptorsubtypen an der
Atemdepression zu erklären).
3.1.2.2 Dopaminagonisten
Apomorphin
Apomorphin wurde bereits bei Morphin kurz
behandelt. Näheres siehe bei Emetika. Apomorphin wird experimentell als Dopaminagonist verwendet; die ausgeprägte dopaminagonistische
Wirkung erklärt sowohl den emetischen Effekt als
auch die motorische Antriebssteigerung, die missbräuchlich beim Doping von Pferden ausgenutzt
wird.
3.1.2.3 Meperidinabkömmlinge
Loperamid
Loperamid [Imodium (H.M.)] ist ein Meperidinabkömmling, der nach oraler Applikation nur lokal
im Darm wirkt. Nach der Resorption wird Loperamid sofort metabolisiert (First-Pass-Effekt) und
löst deshalb keine zentralen Effekte aus. Außer-
dem ist die Blut-Hirn-Schranke nicht durchlässig
für Loperamid, da die Substanz ein Substrat für
den Efflux-Transporter P-Glycoprotein in der BlutHirn-Schranke ist. Eingesetzt wird Loperamid als
Antidiarrhoikum (s. dort).
3.1.2.4 Antitussiva
Zu den morphinähnlichen Antitussiva zählen
Codein, Hydrocodon und Normethadon. Generell gilt, dass mit Zunahme der antitussiven Wirkung auch die Suchtpotenz und das Nebenwirkungsrisiko der einzelnen Stoffe zunimmt. Hydrocodon [Dicodid (H.M.)] und Normethadon fallen
aufgrund ihrer Suchtpotenz unter die Bestimmungen der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung. Codein ist zwar auch ein Betäubungsmittel, ist aber nur in Form „ausgenommener Zubereitungen“ im Handel (s. u.). Sollen starke Hustenmittel wie Normethadon oder Hydrocodon angewendet werden, ist Hydrocodon vorzuziehen, da
es weniger Nebenwirkungen aufweist als Normethadon. Zu den interessanten Entwicklungen
aus der Gruppe der morphinähnlichen Antitussiva zählt Dextromethorphan, das wie Codein nur
ein sehr geringes Suchtpotential hat. Veterinärmedizinisch wird aber nach wie vor vor allem Codein eingesetzt.
Codein
Codein ist laut Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes zwar ein Betäubungsmittel, gilt aber in
Lösungen bis zu 2,5 % oder in Zubereitung bis zu
100 mg je abgeteilte Form als ausgenommene
Zubereitung. Alle im Handel befindlichen Zubereitungen sind so konzentriert, dass sie normal verschrieben werden können. Prinzipiell hat Codein ein ähnliches Wirkungsspektrum wie Morphin,
die antitussive Wirkung von Codein ist aber stärker ausgeprägt als die analgetische, atemdepressive und suchterzeugende Wirkung. Die analgetische Wirkung von Codein wird zum Teil in Kombinationspräparaten ausgenutzt (zusammen mit
schwachen Analgetika). Als Monosubstanz ist
Codein in zahlreichen humanmedizinischen Präparaten zur oralen Anwendung im Handel [Codeinum phosphoricum Compretten, Codipront].
Als Tierarzneimittel ist Codein nicht im Handel. Die Anwendung von Codein bei lebensmittelliefernden Tieren ist nicht erlaubt. § Anwendungsgebiete: Hustendämpfung bzw. -hemmung
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