NZZ zum Brandschutz
Transcription
NZZ zum Brandschutz
" 28. April 2013 Immobilien 37 THOMAS KOEHLER / PHOTOTHEK NZZ am Sonntag Kampf gegen Brände Holzhäuser sind berechenbarer «Die Feuerwehr hat lieber Häuser aus Holz», schreibt der Interessenverband Lignum. Holz brenne zwar – aber sei auch berechenbar. Eine Konstruktion aus Holz sei unter Brandlast länger tragfähig als eine Metallkonstruktion. Letztere verformten sich unter Hitze rasch, wogegen ein Holzbalken seine Stabilität im Brandfall bis 60 Minuten und länger behalten könne. Diese Stärke kommt daher, dass selbst trockenes Holz noch Wasser enthält, das zuerst verdampfen muss. Die Abbrand-Geschwindigkeit beträgt etwa 1 Millimeter pro Minute. Wenn es in einem 1000 Grad heissen Feuer brenne, bleibt Holz schon einen Zentimeter unter der verkohlten Oberfläche unbeschädigt und der Rest tragfähig, heisst es bei Lignum. Stahl verliert dagegen ab etwa 450 Grad seine Tragfähigkeit. Bei Beton reduziert sich die Druckfestigkeit bei 650 Grad um rund zwei Drittel. Stefan Hartmann Styropor-Elemente müssen in Mehrfamilienhäusern wie ein Sandwich verpackt werden. Dämmen erhöht Brandgefahr Styropor ist der beliebteste Dämmstoff, brennt aber auch relativ leicht. Bis zum Jahr 2015 wollen die Feuerversicherer deshalb ihre Vorschriften verschärfen. Damit könnten Hausbesitzer vermehrt auf die schwer entflammbare Steinwolle setzen. Von Stefan Hartmann «Dick einpacken» lautet seit Jahren die eindringliche Botschaft der Energiebehörden an die Hausbesitzer. Doch inzwischen sind Bedenken wegen der Brandgefahr beim Dämmstoff Styropor aufgetaucht. 85% der Fassaden werden damit gedämmt. Im Zeichen der Energieersparnis steckten Hausbesitzer in den letzten 15 Jahren viel Geld in die Dämmung der Fassaden. «Die rasche Zunahme der Minergie-Bauweise seit 1998 hat den Einsatz von brennbaren Dämmstoffen massiv verstärkt, vor allem von expandiertem Polystyrol, sogenanntem EPS», sagt Thomas Keller von der kantonalen Feuerpolizei Zürich. Landesweit sind mittlerweile Zehntausende von Hausfassaden mit Styropor-Dämmungen verkleidet. Bei Minergie-P- oder Nullenergiehäusern werden sogar EPS-Produkte von bis 40 cm Dicke verbaut. «Brandriegel» soll Feuer stoppen Für die Feuerwehren ist der Einsatz von EPS ein Grund wachsender Besorgnis. «40 Zentimeter bedeuten eine vierfache Brandlast gegenüber den in den 1990er Jahren üblichen 10 Zentimetern», warnt René Stüdle, Leiter Brandschutz bei der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) in Bern. Dieser neuen Entwicklung will die VKF jetzt Rechnung tragen, indem sie die erst 2005 erlassenen Brandschutzvorschriften bis 2015 anpasst. Eine wichtige Änderung wird der sogenannte «Brandriegel» sein: Künftig müssen mehrstöckige, mit dem Dämmstoff Styropor isolierte Gebäude ab dem zweiten Geschoss einen minimal 20 cm dicken Streifen aus nicht brennbarem Material aufweisen, und zwar auf jeder Etage. Im Brandfall kann so das Überspringen auf das nächsthöhere Geschoss verhindert oder aber mindestens verzögert werden. Ein Grund für massenhafte Verbreitung von EPS-Dämmstoffen sind der günstige Preis sowie seine leichte Bearbeitbarkeit, weshalb Handwerker den Baustoff schätzen. Nach heutigen Brandvorschriften müssen Styropor-Elemente bei Mehrfamilienhäusern wie ein Sandwich verpackt werden: Raumseitig muss ein nicht brennbares Material wie zum Beispiel Fasersilikat-Platten während 30 Minuten Feuerwiderstand leisten können. Für die Aussenseite kommt ein ebenfalls nicht brennbarer Verputz von 0,5 cm Dicke oder ein Blech zur Anwendung. Ein solches Sandwich wird heute empfohlen, unabhängig davon, ob es sich um einen Massivbau (Beton) oder ein Holzhaus handelt. Aufgrund verschiedener Brandfälle in Deutschland in den vergangenen Jahren ist EPS ins Gerede gekommen. Dort gerieten mit Styropor gedämmte Fassaden zum Teil aus Unvorsichtigkeit der Handwerker in Brand. Die deutschen Medien griffen das Thema auf: Zwar gälten Dämmsysteme mit Styropor als «schwer entflammbar». Doch einmal in Brand, würden die Platten «wie Benzin» zünden, schrieb etwa der «Spiegel» letzten Sommer. .................................................................................. Die Hausbesitzer stecken im Zeichen der Energieersparnis seit Jahren viel Geld in die Dämmung der Fassaden. .................................................................................. Der als Styropor bekannte aufgeschäumte Kunststoff Polystyrol, ein Erdölprodukt, stand nach den Vorfällen plötzlich im Zentrum des Interesses. Seine Nachteile, zu denen auch eine starke Qualmentwicklung gehört, würden verdrängt, kritisiert das Magazin, weil der Staat vor allem die energetischen Vorzüge gewichtet. Steinwolle brennt nicht Rein vom Schadenverlauf her kenne die Schweiz Brandfälle wie jene in Deutschland nicht, sagt René Stüdle, Leiter Brandschutz beim VKF. Doch jetzt müssten auf Gesetzesstufe Vorkehrungen getroffen werden, da immer mehr Häuser mit den handelsüblichen Dämmstoffen gebaut würden. 2012 lag das Volumen von Fassadendämm-Systemen in der Schweiz bei 4 Mio. m2. Davon beträgt der Anteil von Steinwolle, Flumroc und Importe, bei etwa 13%. Der grosse Rest, 85%, ist Polystyrol. Ein Verbot von Styropor hält der Brandschutzexperte indessen für «unverhältnismässig». Die Schweiz stuft Baustoffe nach ihrem Brennverhalten ein. So weisen EPS-Hartschaum-Platten eine Brandkennziffer von 5,1 auf; sie werden von den Vollzugsbehörden als «schwer entflammbar» eingestuft. Mehrfamilienhäuser mit vier und mehr Stockwerken müssen bereits heute zwingend Dämmmaterial mit einer Brandkennziffer von 5,1 aufweisen, während bei Einfamilienhäusern eine 4 reicht. Mineralfaserplatten (wie Steinwolle) haben 6,3, was als «quasi nicht brennbar» gilt. Kein Wunder, dass der Steinwolle-Hersteller Flumroc seit zwei Jahren eine breite Kampagne für sein Produkt reitet mit dem Slogan: «Brennt nicht».