9 § 9 Der Widerspruch gemäß § 899 BGB

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9 § 9 Der Widerspruch gemäß § 899 BGB
§9
B. Eigentumserwerb an Grundstücken
§ 9 Der Widerspruch gemäß § 899 BGB
I.
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Zweck
Fallen die tatsächliche dingliche Rechtslage am Grundstück und der Inhalt des
Grundbuchs auseinander, so gefährdet die Unrichtigkeit des Grundbuchs den materiell Berechtigten. Die gesetzlichen Vermutungen des § 891 gelten nicht für ihn, aufgrund des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs und der Möglichkeit der Buchersitzung (§ 900) drohen Beeinträchtigung sowie Verlust seines Rechts bei Erwerb durch
einen gutgläubigen Dritten (§§ 892, 893). Hinsichtlich der Unrichtigkeit des Grundbuchs kann der nachteilig Betroffene zwar die Berichtigung des Grundbuchs nach
§ 894 verlangen, doch dies erfordert die Bewilligung des zu Unrecht Eingetragenen
und es kann daher geraume Zeit dauern, bis der Berichtigungsanspruch notfalls im
Klageweg durchgesetzt ist. Der Berechtigte bedarf daher eines zwischenzeitlichen
Schutzes gegen die Gefahr, dass sein Recht durch gutgläubigen Erwerb eines Dritten
untergeht oder beeinträchtigt wird.
§ 9 Der Widerspruch gemäß § 899 BGB
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X Beachte: Eine Vormerkung hilft in dieser Situation nicht. Ihre Eintragung scheitert bereits daran, dass es nicht um die Sicherung eines Anspruchs „auf Einräumung oder Aufhebung eines Rechts“ geht, wie es § 883 Abs. 1 voraussetzt, sondern um die Sicherung eines
bestehenden Rechts. Die Vormerkung „prophezeit“ eben nur eine künftige Rechtsänderung und vermag kein bereits bestehendes Recht zu sichern.1 W
2
Dieser besonderen Eilbedürftigkeit und dem Sicherungsbedürfnis bei Unrichtigkeit
des Grundbuchs und bestehendem Berichtigungsanspruch trägt vielmehr allein der
Widerspruch gemäß § 899 Rechnung. Er richtet sich gegen jede Unrichtigkeit des
Grundbuchs, also gegen eine unrichtige Eintragung oder Löschung eines Rechts sowie
dagegen, dass eine Rechtsänderung, die sich ohne Eintragung vollzogen hat, nicht
eingetragen wurde. Der Widerspruch als grundbuchrechtliches Sicherungsmittel eigener Art2 weist mithin auf eine (mögliche) Unrichtigkeit des Grundbuchs hin, er „protestiert“ gegen die Richtigkeit des Grundbuchs. Er soll einen Rechtsverlust des wahren Berechtigten bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage verhindern.
X Beachte: Ähnliche Wirkungen hat auch der sog. Rechtshängigkeitsvermerk, durch den
die Rechtshängigkeit einer Klage auf Grundbuchberichtigung angezeigt und so ein gutgläubiger Erwerb verhindert werden soll.3 Erforderlich ist hierzu nur der Nachweis der
entsprechenden Klagerhebung durch öffentliche Urkunden (§§ 22, 29 GBO).4 W
1 Näher zur Vormerkung unten § 11.
2 So Palandt/Bassenge, § 899 Rn. 1; Vieweg/Werner, § 13 Rn. 49.
3 Erman/Hagen/Lorenz, § 892 Rn. 26; PWW/Huhn, § 899 Rn. 13; Soergel/Stürner, § 892 Rn. 16; Staudinger/Gursky (2002) § 892 Rn. 247; Baur/Stürner, § 18 Rn. 42; Vieweg/Werner, § 13 Rn. 49; a.A. jedoch Liekleder,
ZZP 114 (2001), 195, der den Rechtshängigkeitsvermerk für unzulässig ansieht.
4 OLG Braunschweig NJW-RR 2005, 1099; BayObLG NJW-RR 2003, 234; OLG München NJW-RR 2000, 384;
OLG Schleswig NJW-RR 1994, 1498; OLG Zweibrücken NJW 1989, 1098; OLG Stuttgart OLGZ 1979, 300, 305;
Soergel/Stürner, § 899 Rn. 14; PWW/Huhn, § 899 Rn. 14; anders OLG Stuttgart NJW 1960, 1109f.; OLG München NJW 1966, 1030; MünchKomm/Wacke, § 899 Rn. 33; Staudinger/Gursky (2002), § 899 Rn. 82 m.w.N.,
die wie bei den anderen Sicherungsmitteln (Vormerkung, Widerspruch) eine einstweilige Verfügung verlangen.
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§ 9 Der Widerspruch gemäß § 899 BGB
II. Eintragungsvoraussetzungen
1. Eintragungsstelle
Die Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch erfolgt unter den nachfolgend aufgezeigten Voraussetzungen. Im Grundbuch findet man den Widerspruch bei der Eintragung, gegen die er sich richtet. Ein Widerspruch gegen eine Hypothek wird daher
neben dieser in Abteilung III eingetragen. Allein der Widerspruch gegen die Eigentümerstellung des Eingetragenen wird nicht in der ersten Abteilung, sondern wie eine
Belastung in der zweiten Abteilung5 vermerkt.
3
X Beachte: Die Unrichtigkeit des Grundbuchs, d.h. ein Abweichen der dinglichen Rechtslage vom Inhalt des Grundbuchs, ist keine Eintragungsvoraussetzung des Widerspruchs. Ist
es unrichtig, so erfüllt der Widerspruch seinen Zweck; er verhindert den Erwerb vom
Nichtberechtigten. Ist das Grundbuch hingegen richtig, so ist der Widerspruch gegenstandslos. Er behindert den Grundstücksverkehr nicht, da der formell Berechtigte dann
auch materiell berechtigt ist und daher als Berechtigter trotz des Widerspruchs ungehindert
über sein Recht verfügen kann. W
2. Besondere Eintragungsvoraussetzungen
a) Antrag des Widersprechenden, § 13 GBO
Der Widersprechende muss die Eintragung des Widerspruchs beim Grundbuchamt
beantragen. Das Antragserfordernis des § 13 Abs. 1 GBO gilt auch für ihn.
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b) Bewilligung / einstweilige Verfügung, § 899 Abs. 2 Satz 1
Die Eintragung des Widerspruchs setzt als nächstes gemäß § 899 Abs. 2 Satz 1 eine
Bewilligung des Betroffenen oder eine einstweilige Verfügung voraus.
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aa) Bewilligung des Betroffenen, § 899 Abs. 2 Satz 1 2. Alt.
Die Bewilligung ist zugleich materiell-rechtliche Einwilligung zur Eintragung des Widerspruchs wie auch deren formelle Bewilligung nach § 19 GBO.6 Erklären muss sie
derjenige, dessen Recht durch die Berichtigung des Grundbuchs betroffen wird, also
derjenige, gegen dessen Eintragung sich der Widerspruch richtet.7
6
bb) Erlass einer einstweiligen Verfügung, § 899 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1
Stimmt der Betroffene der Eintragung des Widerspruchs nicht zu, so kann dessen Eintragung im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935 ff. ZPO erfolgen. Hierzu muss der Widersprechende das Bestehen seines Berichtigungsanspruches aus § 894
gegen den Betroffenen, also die Unrichtigkeit des Grundbuchs, glaubhaft machen
(§§ 936, 920 Abs. 2 ZPO). Gemäß § 899 Abs. 2 Satz 2 ist abweichend von §§ 936,
920 Abs. 2 ZPO für den Erlass der Sicherungsverfügung nicht erforderlich, dass der
Widersprechende neben den Voraussetzungen seines Berichtigungsanspruchs (Verfügungsanspruch) auch die Gefährdung seines Rechts (Verfügungsgrund), d.h. insbesondere eine besondere Eilbedürftigkeit, glaubhaft macht. Dessen Gefährdung folgt
5 Baur/Stürner, § 18 Rn. 19.
6 Wieling, § 20 II 4 b.
7 Baur/Stürner, § 18 Rn. 14.
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ohne weiteres aus der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs des Rechts durch einen
Dritten.8
c) Form, § 29 GBO
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Die Eintragungsbewilligung muss dem Grundbuchamt durch öffentliche Urkunde
nachgewiesen werden, § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO. Die einstweilige Verfügung ergeht
durch Beschluss oder Urteil (§§ 936, 922 ZPO) und ist damit Inhalt einer öffentlichen
Urkunde.
d) Voreintragung des Betroffenen, § 39 GBO
9
Derjenige, dessen Recht durch den Widerspruch bestritten wird, muss als Rechtsinhaber im Grundbuch voreingetragen sein, § 39 GBO.
e) Rechtsschutzbedürfnis
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Ein Widerspruch ist gegen jede Unrichtigkeit des Grundbuchs zulässig, durch welche
ein gutgläubiger Erwerb des Rechtes des Widersprechenden zu befürchten ist. Er
kann sich daher auch gegen eine Vormerkung richten.9 Da der Widerspruch nur den
gutgläubigen Erwerb des Rechts verhindern kann, ist seine Eintragung nicht zulässig,
wenn trotz der Unrichtigkeit des Grundbuchs kein gutgläubiger Erwerb in Betracht
kommt. Ein Widerspruch kann daher nicht eingetragen werden gegen einen Widerspruch oder eine Verfügungsbeschränkung.10 Die Schutzwirkung des Widerspruchs
greift in diesen Fällen nicht, so dass dessen Eintragung unsinnig wäre und mangels
Rechtsschutzinteresses abzulehnen ist.
III. Besondere Arten des Widerspruchs
1. Amtswiderspruch, § 53 GBO
11
Hat das Grundbuchamt unter Verletzung formellen Grundbuchrechts (z.B. aufgrund
einer Missachtung der Bearbeitungsreihenfolge nach §§ 17, 45 GBO) eine Eintragung
vorgenommen, so hat es gegen diese Eintragung – sobald es den Fehler bemerkt –
nach § 53 GBO einen Widerspruch von Amts wegen einzutragen. Dieser Amtswiderspruch steht dem des § 899 in der Wirkung gleich. Durch ihn soll eine Amtshaftung des Staates verhindert werden.
2. Widerspruch im öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren
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Das Grundbuchamt trägt ferner einen Widerspruch auf Ersuchen der zuständigen Behörde im öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren ein, wenn für die Grundbucheintragung die erforderliche behördliche Genehmigung fehlte. Beispiele hierfür
sind die Teilungsgenehmigung nach § 20 Abs. 2 BauGB oder die Genehmigung nach
dem Grundstücksverkehrsgesetz (§ 7 Abs. 2 GrundstücksverkehrsG).
3. Widerspruch bei Darlehensbuchhypothek, § 1139 BGB
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Ist zur Sicherung eines Darlehens eine Buchhypothek bestellt und im Grundbuch eingetragen, dann aber die Darlehenssumme nicht ausbezahlt worden, so wird nach
8 Motive III, S. 244; Baur/Stürner, § 18 Rn. 15.
9 Zur Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs einer Vormerkung siehe § 11 Rn. 45ff.
10 RGZ 117, 346, 352; Schwab/Prütting, Rn. 246; Wieling, § 20 II 4 b.
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§ 1139 allein aufgrund eines entsprechenden Antrags des Eigentümers des belasteten
Grundstücks ein Widerspruch gegen die Buchhypothek im Grundbuch eingetragen.
Zur Stellung dieses Antrags hat der Eigentümer einen Monat ab Eintragung der Hypothek Zeit. Der in dieser Frist eingetragene Widerspruch hat nach § 1139 Satz 2 sogar Rückwirkung, d.h. er verhindert jeglichen gutgläubigen Erwerb der nicht valutierten Buchhypothek.11
4. Widerspruch gegen eine Vormerkung
Problematisch ist die Frage, ob ein Widerspruch auch gegen eine Vormerkung eingetragen werden kann, da die Vormerkung nicht selbst dingliches Recht ist, sondern
nur ein Recht sui generis zur Sicherung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Änderung der dinglichen Rechtslage darstellt.12 Da sie aber nach inzwischen fast einhelliger Ansicht nahezu wie ein dingliches Recht behandelt wird, ist gegen die Vormerkung auch ein Widerspruch insoweit zulässig, als die unrichtige Vormerkung des gutgläubigen Erwerbs zugänglich ist, also nach h.M. sowohl in Fällen des Erst- wie des
Zweiterwerbs. Da jedoch ein gutgläubiger Vormerkungserwerb in jedem Falle dann
auszuscheiden hat, wenn ein wirksamer schuldrechtlicher Eigentumsverschaffungsanspruch, den die Vormerkung sichern soll, nicht besteht, ist in diesem Falle ein Widerspruch gegen die Vormerkung ohne rechtliche Wirkung. Ob dies zur Unzulässigkeit
des Widerspruchs führen muss13 oder ob man ihn auch in diesem Falle aus Klarstellungsgründen für möglich hält, ist m.E. argumentationsoffen.
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In allen anderen Fällen aber, sofern also ein schuldrechtlicher Eigentumsverschaffungsanspruch besteht und eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist, ist hiergegen auch ein Widerspruch möglich und sinnvoll.
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5. Widerspruch gegen Widerspruch
Ein Widerspruch gegen einen Widerspruch könnte man allenfalls mit der Überlegung
einlegen, die durch den ersten Widerspruch verloren gegangenen „öffentlichen Glauben“ des Grundbuchs wiederherzustellen. Dies aber ist nicht die Funktion des Widerspruchs, der ausschließlich den Zweck hat, diesen öffentlichen Glauben des Grundbuchs zu zerstören. Da somit ein weiterer Widerspruch mangels noch vorhandenen
öffentlichen Glaubens keinen Sinn macht, ist ein Widerspruch gegen einen Widerspruch, also der Gegenwiderspruch, ausgeschlossen.14
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IV. Löschung
Der eingetragene Widerspruch wird gelöscht, wenn derjenige die Löschung bewilligt,
zu dessen Gunsten er eingetragen ist, § 19 GBO. Der Widersprechende wird die Löschungsbewilligung erteilen, wenn z.B. die begehrte Grundbuchberichtigung, die der
Widerspruch vorbereiten sollte, vollzogen wurde oder aber wenn das durch den Widerspruch zu sichernde Recht bei ihm erloschen ist. Wurde der Widerspruch zu Unrecht eingetragen, so kann der von ihm Betroffene vom Widersprechenden die Lö-
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Baur/Stürner, § 18 Rn. 18.
Vgl. dazu genauer unten § 11 Rn. 3ff.
So BGHZ 25, 23f.
Allg. Meinung vgl. Schwab/Prütting, Rn. 246.
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schungsbewilligung analog § 894 verlangen15 und ggf. gerichtlich durchsetzen (§ 894
ZPO).
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Beruhte der Widerspruch auf einer gerichtlichen Entscheidung (einstweilige Verfügung oder vorläufig vollstreckbares Urteil), so ist er auf Antrag des von ihm Betroffenen zu löschen, wenn die Entscheidung aufgehoben wird, § 25 GBO.
V. Rechtsnatur
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Der Widerspruch ist selbst kein dingliches Recht an einem Grundstück und kann daher auch nicht zu einer Belastung des von ihm betroffenen Buchrechts führen. Der
Widerspruch ist vielmehr als bloße Schutzeintragung ein Sicherungsmittel eigener
Art,16 welches die Gefahren des Rechtsverlusts als Folge der Grundbuchunrichtigkeit
ausschließt. Als Sicherungsmittel ist er jedoch akzessorisch mit dem dinglichen Recht
verbunden, das ihm zugrunde liegt und das er sichert.
VI. Wirkung
1. Zerstörung des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs
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Das Grundbuch ist durch die Eintragung eines Widerspruchs nicht blockiert; dieser
bringt also keine Grundbuchsperre mit sich. Auch die Verfügungsmacht des Buchberechtigten bleibt bestehen. Der eingetragene Widerspruch beseitigt vielmehr nur den
Rechtsschein als Grundlage eines gutgläubigen Erwerbs, so dass das Recht, um dessentwillen dem Grundbuch widersprochen wird, nicht durch gutgläubigen Erwerb beseitigt oder beschränkt werden kann, § 892 Abs. 1 Satz 1. Der Widerspruch verhindert damit jede nachfolgende Verfügung des Nichtberechtigten mit Auswirkungen auf
das gesicherte Recht.17
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Der Widerspruch zerstört den öffentlichen Glauben des Grundbuchs hinsichtlich der
Eintragung, auf die er sich bezieht, wenn er bis zum Zeitpunkt der Vollendung des
Rechtserwerbs eingetragen ist. Dies folgt aus § 892 Abs. 1 Satz 1 („welcher ein Recht
… erwirbt“). Die Privilegierung des § 892 Abs. 2 Satz 1, der es ausreichen lässt, dass
der Erwerber bis zum Zeitpunkt der Stellung des Eintragungsantrags gutgläubig ist,
gilt nur für den in § 892 Abs. 1 genannten Erwerbsausschlussgrund der positiven
Kenntnis. Wegen des offensichtlichen Ausnahmecharakters des § 892 Abs. 2 kommt
eine Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts für den Widerspruch auch nicht im
Wege der Analogie zu dieser Norm in Betracht.18 Dem noch nicht im Grundbuch eingetragenen Erwerber schadet nach Stellung des Eintragungsantrags somit zwar nicht
15 Die h.M. wendet § 894 nur analog an, da das betroffene Recht durch den Widerspruch nicht rechtlich,
sondern nur faktisch beeinträchtigt sei – vgl. BGH NJW 1969, 93; Baur/Stürner, § 18 Rn. 26; Westermann/Eickmann, § 72 III 5. Die Gegenansicht (vgl. Wieling, § 20 II 4 d, Fn. 122) will § 894 direkt anwenden.
16 Westermann/Eickmann, § 72 III 2; Wieling, § 20 II 4 c.
17 Richtet sich der Widerspruch gegen die Eigentümerstellung des Eingetragenen, so schützt er den tatsächlichen Eigentümer nicht nur vor Eigentumsübertragungen des Nichtberechtigten, sondern auch vor Belastungen des Eigentums durch ihn, wie z.B. der Bestellung einer Hypothek – vgl. für die h.M.
Baur/Stürner, § 18 Rn. 23; a.A. Wieling, § 20 II 4 c bb. Vor Eintragung des Widerspruchs getroffene Verfügungen des Nichtberechtigten bleiben hingegen unbeeinträchtigt. Der öffentliche Glaube an eine vorher
eingetragene Grundschuld wird daher vom Widerspruch nicht berührt, weshalb diese weiterhin an einen
gutgläubigen Dritten übertragen werden kann – so zu Recht Medicus, BR, Rn. 551; Schwab/Prütting,
Rn. 248; anders hingegen RGZ 129, 124ff.; Baur/Stürner, § 18 Rn. 23.
18 Staudinger/Gursky (2002), § 892 Rn. 174; Wieling, § 20 II 4 c ee.
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§ 9 Der Widerspruch gemäß § 899 BGB
mehr die Mitteilung über die wahre Rechtslage (Bösgläubigkeit), wohl aber die Eintragung eines Widerspruchs.
Der eingetragene Widerspruch verhindert somit den Rechtserwerb vom Nichtberechtigten. Der Erwerber kann das Eigentum am Grundstück nur dann erworben haben,
wenn der Verfügende tatsächlich auch der Berechtigte (§ 892 Abs. 1 Satz 1) bzw. in
seiner Verfügungsmacht nicht beschränkt war.
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Seine zerstörende Wirkung entfaltet der Widerspruch jedoch nur, wenn er auf Antrag
und zugunsten des tatsächlich Berechtigten eingetragen wurde.19 Wird also bspw. gegen die Eintragung des X als Eigentümer für W ein Widerspruch eingetragen und
stellt sich dann heraus, dass weder X noch W, sondern E tatsächlich Eigentümer des
Grundstücks ist, so wirkt der Widerspruch des W nicht, auch nicht zugunsten des E.
Ein gutgläubiger Erwerb wäre daher möglich. Der Widerspruch des Berechtigten
wirkt im Gegenzug aber nicht nur für diesen, sondern auch zugunsten anderer, die
von Verfügungen des Nichtberechtigten nachteilig betroffen werden (z.B. nachrangige
Grundpfandberechtigte), da der Widerspruch nach dem klaren Wortlaut des § 892
Abs. 1 Satz 1 wie die positive Kenntnis des Erwerbers die Rechtsscheinswirkung der
Grundbucheintragung schlechthin ausschließt.20
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X Beachte: Erweist sich die Bucheintragung entgegen dem Widerspruch später als richtig,
so entfaltet der Widerspruch von Anfang an keine Wirkung, da ein Erwerb vom Berechtigten vorliegt. Dieser vollzieht sich ohne Beteiligung des § 892 und damit auch ohne Relevanz eines Widerspruchs. W
2. Sonstige Sicherungswirkungen
Daneben schützt der Widerspruch vor Verlust des Rechts durch Ersitzung (§ 900
Abs. 1 Satz 3) sowie durch Ausschlussurteil im Aufgebotsverfahren (§ 927 Abs. 3 2.
Alt.). Zudem verhindert er die Verjährung von Ansprüchen aus dem gesicherten
Recht (§ 902 Abs. 2).
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3. Keine Vermutungswirkung
§ 891 Abs. 1 stellt die gesetzliche Vermutung auf, dass demjenigen, für den ein Recht
im Grundbuch eingetragen wird, dieses Recht auch tatsächlich zusteht. Es ist daher
stets Sache desjenigen, der die Berichtigung des Grundbuchs fordert, darzulegen und
zu beweisen, dass die Eintragung zu Unrecht besteht. Auf diese Beweislastverteilung
hat auch die Eintragung eines Widerspruchs keine Auswirkung. Die Vermutung der
Richtigkeit des Grundbuchs wird durch den Widerspruch weder beseitigt noch zugunsten des Widersprechenden umgekehrt.21 Dieser bleibt vielmehr trotz des Widerspruchs in der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich seiner materiellen Berechtigung.
Weiterführende Literatur
Schreiber, Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuches in: Jura 2005, 241ff.
19 Ganz h.M. – vgl. MünchKomm/Wacke, § 899 Rn. 24; Baur/Stürner, § 18 Rn. 23.
20 MünchKomm/Wacke, § 899 Rn. 24; Staudinger/Gursky (2002), § 899 Rn. 5; ungenau hingegen Wieling,
§ 20 II 4 c bb.
21 BGH MDR 1967, 749; Baur/Stürner, § 18 Rn. 22; Schwab/Prütting, Rn. 249; Wieling, § 20 II 4 c cc.
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