Pfarrer Häck - Evangelische Kirchengemeinde Allmersbach im Tal
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Pfarrer Häck - Evangelische Kirchengemeinde Allmersbach im Tal
Evangelische Kirchengemeinde Allmersbach im Tal Gottesdienst im Grünen am 07.07.2013 in Heutensbach Markus 4,1-9 (Pfarrer Häcker) Liebe Gemeinde! Wie angespannt fühlen Sie sich heute? Welche Sorgen und Ängste plagen Sie, drohen Ihnen die Luft zum Atmen zu nehmen? Welche Gefühle tragen Sie in sich, wenn Sie an Ihre Familie, Ihre Arbeit, die Zukunft vielleicht auch Ihrer Kirchengemeinde denken? Der heutige Erntebitt-Gottesdienst im Grünen dreht sich – wie eigentlich immer – um Säen und Ernten, Wachsen und Gedeihen. Fragen aus der Landwirtschaft also, verbunden mit der Bitte um eine gute Ernte. Dabei sind die wenigsten von uns noch direkt in der Landwirtschaft verankert oder aktiv tätig. Und doch betrifft die Frage von Säen und Ernten, Wachsen und Gedeihen unser aller Leben – in unseren Beziehungen und Familien, in den Arbeitsverhältnissen, in der Kirchengemeinde. Darum möchte ich den Bibeltext, der für heute vorgeschlagen ist, über den Bereich der reinen Landwirtschaft hinaus hören: Und Jesus fing abermals an, am See zu lehren. Und es versammelte sich eine sehr große Menge bei ihm, sodass er in ein Boot steigen musste, das im Wasser lag; er setzte sich, und alles Volk stand auf dem Lande am See. Und er lehrte sie vieles in Gleichnissen; und in seiner Predigt sprach er zu ihnen: Hört zu! Siehe, es ging ein Sämann aus zu säen. Und es begab sich, indem er säte, dass einiges auf den Weg fiel; da kamen die Vögel und fraßen's auf. Einiges fiel auf felsigen Boden, wo es nicht viel Erde hatte, und ging alsbald auf, weil es keine tiefe Erde hatte. Als nun die Sonne aufging, verwelkte es, und weil es keine Wurzel hatte, verdorrte es. Und einiges fiel unter die Dornen, und die Dornen wuchsen empor und erstickten's, und es brachte keine Frucht. Und einiges fiel auf gutes Land, ging auf und wuchs und brachte Frucht, und einiges trug dreißigfach und einiges sechzigfach und einiges hundertfach. Und er sprach: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Beim ersten Hören könnte die Frage aufkommen: Was ist denn das für ein Bauer, der sein kostbares Korn einfach so ausstreut, dass ein Teil davon auf unfruchtbaren, steinigen, zu dünnen oder von Dornen besetzten Boden fällt?! Hat der sein Handwerk nicht richtig gelernt? Kann er nicht genau eingrenzen, wo der fruchtbare Acker anfängt und aufhört, oder ihn vorher so bearbeiten, dass sich keine Disteln und Dornen mehr darauf befinden? Vielleicht kennen Sie das so genannte „Gießkannenprinzip“. Dabei wird was auch immer wie mit einer Gießkanne gleichmäßig über alles verteilt und nicht gezielt dorthin, wo es vielleicht nötiger ist als anderswo. Wirtschaftspolitisch und gesellschaftlich ist dieses Gießkannenprinzip ziemlich verrufen und verpönt. Denn es trägt in sich die Gefahr großer Verschwendung und der Vergeudung vorhandener Mittel. Das aber ist nicht mehr modern, wird von jedem BWLStudenten mit großem Grausen in den Bereich betriebswirtschaftlichen Unsinns verwiesen. Wenn ich es richtig sehe, ist die heutige Geschichte ein Loblied auf das Gießkannenprinzip. Wie ich überhaupt in der Bibel viele Spuren finde, in denen überaus großzügig verteilt, ausgesät, zugewendet wird. Euer Vater im Himmel lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte sagt Jesus in der Bergpredigt. Und stellt dies in den Zusammenhang, dass wir nicht nur unsere Freunde, sondern auch unsere Feinde lieben sollen. Also auch hier das Gießkannenprinzip: mit unserer Nächstenliebe so großzügig umgehen wie nur möglich – auch unter der „Gefahr“, dass wir damit unsere „Feinde“, die unliebsamen Mitmenschen, treffen könnten. Ist dieses Vorgehen so unmöglich? Können wir tatsächlich vermeiden, dass unser Tun manchmal keinen Erfolg hat? Ich für mich spüre je länger je mehr, wie wenig ich bei meinem Handeln voraussagen kann, was es bringt. Dabei höre ich genau diese Frage immer wieder und überaus deutlich, nicht nur von pubertierenden Jugendlichen: „Was bringt’s?“ Was bringt’s, dass wir Kinder in die Welt setzen, die doch nur unendlich viel Geld kosten, dazu bei diesen Zukunftsaussichten? Was bringt’s, dass wir auf Luxus verzichten, nur damit andere ein wenig mehr vom Leben haben – wäre doch eh nur ein verdampfender Tropfen auf den heißen Stein? Was bringt’s, dass ich mich in der Gemeinde einsetze, ohne zu wissen, was daraus wird, vielleicht gar ohne viel Anerkennung? Die Frage nach dem Erfolg unseres Handelns ist eine wirtschaftliche Frage. Ein Unternehmen muss tatsächlich überlegen, welche Investitionen sinnvoll sind und welche nicht. Unüberlegtes, ungeplantes Handeln kann schnell in den Ruin treiben und viele Arbeitsplätze kosten. Kaum einer wird den Sinn solch kluger Geschäftsplanung in Frage stellen – und doch erleben immer mehr Menschen, welch ein Druck daraus entstehen kann: Lohnt sich diese Arbeitsstelle noch, oder können wir sie abbauen und die Aufgaben auf die anderen Arbeitnehmer verteilen? Können wir es uns als Betrieb leisten, einem Vater zwei Monate Elternzeit zuzugestehen und ihn in diesen zwei Monaten nicht ständig anzurufen? Sind wir bereit, Teilzeit anzubieten oder gar Arbeitsplätze für Menschen mit eingeschränkter Arbeitskraft anzubieten, z.B. für psychisch angeschlagene Personen oder Menschen mit Behinderung? Bringt’s das für den Betrieb, oder schadets nur? Viel zu oft schlägt das wirtschaftlich anscheinend alternativlose Denken nach dem Nutzen um in ein unmenschliches Arbeitsklima, sogar in der Kirche. Nicht von ungefähr werden immer mehr Menschen aufgrund ihrer Überlastung krank oder arbeitsunfähig – ich selbst habe dies im vergangenen Winter erfahren müssen. Und was hat’s gebracht? Was bringt’s – würde der Bauer unserer Geschichte so denken, wie die heutigen Wirtschaft (und leider auch die heutigen Hochleistungslandwirte) denken müssen, ginge diese Erzählung vielleicht ganz anders aus. Vermutlich würde sie erst gar nicht anfangen. Aus lauter Angst davor, dass ein Teil seiner Aussaat verkümmert, könnte der Bauer gleich daheim bleiben. Das wäre das Ende noch vor dem Beginn. Dann wär jedenfall eines klar: Das bringt’s überhaupt nicht, bringt gar keinen Ertrag ein. Jesus erzählt eine Geschichte aus seinem Alltag, und offensichtlich hat sich das bäuerliche Vorgehen schon oft bewährt, bezahlt gemacht, oder in heutigem Deutsch: Es hat’s gebracht. Denn obwohl dieser Sämann mit großem Armwurf, einer äußerst großzügigen Geste also, seine Saat auswirft und nicht kontrolliert, ob sie vielleicht neben gutem Boden landen wird, geht so viel auf, dass sich der Einsatz vielfältig rentiert: Und einiges fiel auf gutes Land, ging auf und wuchs und brachte Frucht, und einiges trug dreißigfach und einiges sechzigfach und einiges hundertfach. Übrigens hören wir nach der Aussaat nichts mehr vom Sämann – er kann den Wachtumsprozess nicht weiter beeinflussen. Er hat getan, was in seiner Macht stand: großzügig gesät. Mit dem Gießkannenprinzip. Mit großer Gelassenheit. Er hat sich nicht vom möglichen Misserfolg abschrecken lassen, und auf den Ertrag kann er nur hoffen. Zu viele Unwägbarkeiten können bis zuletzt die Ernte verder- ben: Neben dem Unkraut, den Steinen unter der viel zu dünnen Erdkruste oder den Vögeln gab und gibt es immer wieder zu viel oder zu wenig Regen, Hagel, Krieg, Ungeziefer und vieles mehr. Dem Sämann bleibt also gar keine Wahl: Wenn er säen geht, dann immer nur auf Hoffnung. Auf die Hoffnung nämlich, dass ein Anderer die Saat keimen und wurzeln und wachsen lässt. Dass der Geber von Sonne und Regen, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht schon weiß, was er tut. Ganz sicher hat er schon reiche wie magere Ernten eingebracht, viel oder wenig Gewinn aus seinem Tun gezogen. Doch hat er nach wie vor dieselbe Hoffnung auf eine Ernte, die ihn und die Seinen wieder ernähren wird. Noch hat er die Hände nicht enttäuscht und resigniert in den Schoß gelegt. Immer noch steckt in ihm das nötige Gottvertrauen, in dem er sich einsetzt – und auf das Wachsen der Saat hofft. Dieser Sämann, liebe Gemeinde, wird mir heute zum Vorbild für mein eigenes Tun – und auch für mein Lassen. Mehr als Säen kann ich nicht, und mit nichts lässt sich Wachsen und Gedeihen beschleunigen oder erzwingen. Allerdings kenne ich die unglaubliche Erfahrung, dass noch niemals nichts aufgegangen ist, auch wenn manches Saatkorn auf den Weg, unter die Dornen oder auf viel zu dünnen Humus gefallen ist. Immer ist irgendetwas aufgegangen, manchmal sogar in unglaublicher Fülle. Auch habe ich dort geerntet, wo andere gesät haben, und manche Frucht meiner Aussaat werden andere ernten. Aber ein vollkommen verlorenes Jahr kenne ich nicht – auch wenn es manches Mal den Anschein hatte. So kann ich mit dem Sämann der biblischen Beispielgeschichte immer nur staunend sagen und bekennen: Gott sei Dank! Gott sei Dank für seine Sonne und seinen Regen, für seine Treue, für seine Versprechen. Gott sei Dank für Altes wie Neues, auch fürs Durchtragen in dürren Zeiten. Gott sei Dank für alles Gute, das er in unser Leben gelegt hat und weiterhin legen wird. Und dabei gießt Gott seine Liebe unentwegt, unkalkuliert und ohne die Frage „Was bringt’s?“ über uns aus. Ganz nach dem Gießkannenprinzip. Ohne vorher zu planen, wo es sich mehr lohnt oder wo er‘s bleiben lassen kann. Denn manchmal wächst gerade dort, wo niemand es vermutet hätte, vielfältige Frucht, vielleicht auch erst nach Jahren. Gerade in einer Kirchengemeinde lässt sich nicht mit wirtschaftlichem Denken regieren und handeln – sonst könnten wir gleich einpacken. Wer weiß, welches Korn in einem Krabbel- oder Kindergottesdienst ausgesät wird, das erst nach Jahrzehnten auf- geht? Wer kennt all die verborgenen und kleinen, aber guten Erfahrungen, die langsam reifen, um sich dann unerwartet zu entfalten und Früchte zu tragen? Es tut mir weh, wenn der Erfolg kirchlichen Handelns nur noch in Zahlen, Daten und Fakten gemessen wird – das ist, wenn ich es richtig sehe, dem Reich Gottes total unangemessen. Wo, wenn nicht in der Kirche, können wir auch mal auf die Frage „Was bringt’s“ verzichten und in großer Gelassenheit dem vertrauen, der nicht nur den Boden geschaffen hat, sondern auch Sonne und Regen, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht schenkt – und uns dabei versichert, dass er selbst für den Erhalt seiner Schöpfung und seiner Geschöpfe sorgt! Und siehe, es ging ein Sämann aus zu säen. Und es begab sich, indem er säte, dass einiges auf den Weg fiel; da kamen die Vögel und fraßen's auf. Einiges fiel auf felsigen Boden, wo es nicht viel Erde hatte, und ging alsbald auf, weil es keine tiefe Erde hatte. Als nun die Sonne aufging, verwelkte es, und weil es keine Wurzel hatte, verdorrte es. Und einiges fiel unter die Dornen, und die Dornen wuchsen empor und erstickten's, und es brachte keine Frucht. Und einiges fiel auf gutes Land, ging auf und wuchs und brachte Frucht, und einiges trug dreißigfach und einiges sechzigfach und einiges hundertfach. Amen. Fürbitten In deiner Hand, Herr unser Gott, steht Wachstum und Gedeihen. Deinem Segen verdanken wir alles, was nach dem langen Winter gewachsen ist, was wir in den nächsten Wochen und Monaten ernten werden. Wir bitten dich: Segne die Ernte und alle, die in ihr arbeiten. Hilf, dass alles, was heranreift, auch gut eingebracht werden kann. Sei bei denen, die jetzt sehr viel zu tun haben, dass die Hektik nicht zu groß wird uns sie vor Unglück bewahrt werden. Wir bitten dich, Herr unser Gott, für die Menschen weltweit, bei denen es dieses Jahr wenig zu ernten gibt, oder denen das Geld nicht reicht für genügend Lebensmittel. Wir bitten dich auch für die allzu Satten, denen der Wert der Lebensmittel nicht mehr richtig bewusst ist. Lass uns alle sorgsam mit dem umgehen, was jetzt geerntet wird, was wir kaufen können beim Bäcker und Metzger, auf dem Wochen- wie dem Supermarkt. Hilf, dass wir weltweit Lösungen finden für mehr Gerechtigkeit, damit die Hungernden satt werden. In deiner Hand, Herr unser Gott, steht Wachstum und Gedeihen. Auch im Blick auf das, was wir an Gutem säen in unserer Ortschaft und Kirchengemeinde. Hilf, dass die guten Gedanken und Ideen aufgehen und Frucht bringen. Die Saat von Hass und Zwietracht hingegen lass verkümmern. Segne die Worte aller, die dein Evangelium verkündigen, lass es Frucht bringen in unseren Herzen und in allem, was wir reden und tun. Und alles, was uns noch auf dem Herzen liegt, legen wir in die Worte, die Jesus uns zu bitten gelehrt hat: Vater unser im Himmel >