Carleton University, 2012-13
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Carleton University, 2012-13
Erfahrungsbericht Name: Natalie Bienenstein Austauschjahr: Wintersemester 2012/13 Gastuniversität: Carleton University Stadt: Ottawa Land: Kanada Vorwort Ich studiere Geographie, B.Sc., im 4. Fachsemester und konnte dank des Stipendiums des Instituts für Kanada-Studien (http://www.Uni-Augsburg.DE/institute/kanada/) im Wintersemester 2012/13 an der Carleton University in Ottawa, Kanada, studieren. Aufmerksam auf das Stipendium wurde ich während des Internationalen Tages im Sommer 2011 und habe mich zum 01. Dezember 2011 erfolgreich für den Platz beworben. Der nachfolgende Bericht soll meine Erfahrungen kurz schildern und Interessenten sowie meinen Nachfolgern sowohl einen Einblick in das Leben und Studieren in Ottawa als auch den ein oder anderen wertvollen Tipp geben. Bewerbung und Vorbereitung Der gesamte Bewerbungs- und Auswahlprozess für das Auslandssemester an der Carleton University dauerte knapp ein Dreiviertel Jahr. Zuerst hieß es die Dokumente, wie Motivationsschreiben oder Fachgutachten zweier Dozenten, zu besorgen und diese bis zum 01.12.2011 an das Institut für Kanada-Studien zu schicken. In meinem speziellen Fall wurde das eigentliche Jahres-Stipendium aufgrund der hohen Bewerberzahl auf zwei Studierende aufgeteilt - statt einem ganzen Jahr durfte jeder von uns ein Semester nach Ottawa. Unser beider Wahl fiel auf den Fall Term (1. September bis ca. 21. Dezember). Der Winter Term findet direkt im Anschluss an die Weihnachtsferien von Januar bis Ende April statt. Da die Carleton University eine Partneruniversität Augsburgs ist, wurden die sonst teuren kanadischen Studiengebühren komplett durch das Stipendium beglichen. Lediglich die deutschen Gebühren (Studentenwerksbeitrag, Semesterticket und damals auch noch Studiengebühren) mussten gezahlt werden. Dank einer Beurlaubung durch das Prüfungsamt konnten diese Zahlungen aber auch weitestgehend umgangen werden. Alles Übrige musste selbst gezahlt werden: Flug, Lebenshaltungskosten, Miete, Büchergeld, usw. Vor der offiziellen Nominierung an der Carleton University stand nun noch der TOEFL-Test bevor, der mit einer bestimmten Note abzuschneiden war, um der kanadischen Universität meine Nominierung auch rechtfertigen zu können. Mit guten Englischkenntnissen und der ein oder anderen Übungsaufgabe aus TOEFL-Büchern ist das gut zu meistern. Diese Übungsbücher sind sehr leicht in der Uni-Bibliothek zu finden. Ich rate deshalb dringend davon ab sie sich extra deswegen anzuschaffen. Da die Prüfungstermine immer schnell voll sind, ist es auch unglaublich wichtig, sich sehr zeitig nach der Rückmeldung des Institutes dafür anzumelden. Im Anschluss an die offizielle Nominierung folgten viele Formalia seitens der kanadischen Uni, wie Kurswahl (unbedingt mit dem eigenen Lehrstuhl in Deutschland wegen späterer Anrechnung Rücksprache halten!) oder die Bewerbung um einen Wohnheimsplatz, auf die ich später noch zurückkommen werde. Ein weiterer wichtiger Punkt war das Visum (Study Permit), das in meinem speziellen Fall nicht benötigt wurde. Erst ab einem Aufenthalt von länger als sechs Monaten oder falls man sich die Möglichkeit offen halten möchte einem Minijob an der Uni nachzugehen, ist es wichtig, sich deswegen zu erkundigen. Daneben musste meine deutsche Krankenversicherung auf den längeren Auslandsaufenthalt angepasst werden. Zwar wird obligatorisch von allen Studenten an der Carleton University der Abschluss einer kanadischen Krankenversicherung (UHIP) verlangt, aber diese deckt keine Kosten bei Zahnproblemen oder Zahnersatz. Die Eröffnung eines kanadischen Kontos lohnt sich eigentlich nur bei einem Aufenthalt von zwei Semestern und kann auch nur mit gültigem Study Permit erfolgen. Deshalb hatte ich mich dafür entschieden eine Kreditkarte bei meiner deutschen Bank zu beantragen. Die Visa wurde überall akzeptiert und die anfallenden Gebühren hielten sich auch in Grenzen (klärt das aber besser vorher mit einem Bankberater ab). Zudem ist es sehr ratsam, sich für den Fall der Fälle einen internationalen Führerschein zu besorgen, da der deutsche nur innerhalb der ersten paar Monate gilt und schon relativ bald im ersten Semester nicht mehr akzeptiert wird. Orientation und International Office Die Flugpreise lagen zur Zeit meines Fluges Ende August ungefähr bei € 700. Ich fand es damals sehr hilfreich, meinen Flug beim Reisebüro zu buchen, da ich sowohl Hin- als auch Rückflug gleich von Anfang an festgelegt haben wollte, um mir späteren Stress zu ersparen. Als sich mein Rückflug dann verschob, wurde mir das mitgeteilt und gleich eine Alternative angeboten. Im Nachhinein würde ich das aber nicht mehr ganz so machen. Reisebüro: ja, da mir so das Organisatorische erspart blieb und ich auf Nummer sicher ging; aber ich bereue es etwas, erst pünktlich zu Semesterbeginn (31. August) und auch recht bald nach Semesterende (23. Dezember) geflogen zu sein. Andere nahmen sich zuvor und danach Zeit, das Land und die USA anzusehen (Mehr zu den Trips später). Natürlich ist das eine Frage des Geldbeutels, aber die Chance ist wirklich einmalig und durchaus eine Überlegung wert, zumal man während des Semesters viele Austauschstudenten kennenlernt, die sofort bei dem ein oder anderen Trip dabei sind. Nach der Ankunft in Ottawa gab es die Möglichkeit, mit einem extra gestellten Shuttle-Bus zur Uni gefahren zu werden. Ohne Ortskenntnisse ist es trotz der relativ kurzen Strecke zur Uni nicht sinnvoll, den ÖPNV gleich zu Beginn zu benutzen. Der Shuttle-Bus (eher Van) der Uni war trotz voriger Anmeldung leider überfüllt und ich musste knapp 3 Stunden warten, bis ich gefahren werden konnte. Zeitlich gesehen wäre es daher besser gewesen ein Taxi zu nehmen (ca. $ 10). An der Carleton University angekommen wurde ich sofort von den Volunteers der Orientation Week in Empfang genommen und habe mit ihnen im Wohnheim eingecheckt. In der ersten Woche des Semesters gleicht die Uni einem Zirkus. Überall tummeln sich studentische Volunteers, die eine Art O-Phase für die Erstsemester organisiert haben - Kennenlernspiele, Parties, gratis Essen und vieles mehr. Ab und an können auch die Austauschstudenten mitmachen. Danach kehrt eigentlich Ruhe ein und der reguläre Unialltag beginnt. Extra für die Austauschstudenten gibt es auch eigene Orientierungsveranstaltungen, die vom International Student Services Office (ISSO) auf die Beine gestellt wurden, darunter zum Beispiel eine Welcome Session, eine Campus- sowie eine Stadt Rallye. Während des Semesters folgten noch weitere Veranstaltungen, auf die ich später eingehen werde. Das ISSO ist im Allgemeinen DER Ort, zu dem man als erstes gehen sollte, wenn irgendwelche Probleme oder Fragen auftauchen, die man nicht sofort selbst klären kann. Die Mitarbeiter und Volunteers des ISSO kümmern sich darum und helfen wo sie können, auch wenn es Probleme sind, die nicht direkt in ihren Aufgabenbereich fallen (z.B. Probleme mit einem Dozenten oder Heimweh). Optional kann man sich dort auch für ein Mentorenprogramm anmelden oder man kann sich selbst als Student Exchange Ambassador engagieren und beispielsweise bei der Exchange fair oder an Länderabenden teilnehmen. Während des Semesters gab es dann noch einige weitere Veranstaltungen des ISSO, wie Whitewater Rafting im Ottawa River (wirklich super!), Bungee-Jumping, diverse Tages- oder Wochenendtrips (z.B. Montreal, Toronto und Niagara Falls) und viele Parties, die in der inoffiziellen Facebook-Gruppe des ISSO durch die Volunteers organisiert wurden. Mein Rat daher: unbedingt der Facebook-Gruppe beitreten und so viele der Trips besuchen wie zeitlich und finanziell möglich ist, um etwas neues zu erleben und Kontakte mit Austauschstudenten zu pflegen, die man nicht regelmäßig am Campus antrifft. Es sind einmalige Erlebnisse, die euch das Auslandssemester nie vergessen lassen. Wohnheim oder Off-Campus Nun zurück zum Thema Unterbringung: Es ist natürlich jedem selbst überlassen, ob man lieber in den Wohnheimen am Campus oder in einer Wohnung Richtung Innenstadt wohnen möchte. Die Vorzüge einer Wohnung sind der günstigere Preis (einfach mal googlen), der (vermutliche) Kontakt zu mehr "echten" Kanadiern und die Nähe zur Innenstadt. Ich habe mich damals für einen Wohnheimsplatz entschieden, da mir die Nähe zur Uni, das eng verflochtene Gefüge der Studenten innerhalb des Wohnheims und die leichtere Organisation wichtiger waren. Ich bereue es bis heute nicht, obwohl der Mietpreis wirklich sehr hoch war (für das Semester insgesamt ca. $ 3.600, also knapp $ 900 im Monat) und auch selbst gezahlt werden musste. Der Grund ist einfach, dass man im Wohnheim tendenziell mit viel mehr Studenten und Austauschstudenten zu tun hat und seine Freizeit viel sozialer gestalten kann. Nur mit wenigen der Austauschstudenten, die Off-Campus lebten, hatte ich nach den ersten paar Wochen noch Kontakt. Sie waren einfach nicht so wirklich in das Gefüge der Austauschstudenten im Wohnheim integriert. Zuerst musste man sich allerdings um den Wohnheimsplatz bewerben. Für die meisten Austauschstudenten sind Plätze eigentlich schon "reserviert", deshalb lohnt sich die Bewerbung in jedem Fall - ablehnen kann man später immer noch. In meinem Fall kam die offizielle Anerkennung meines Austausches mit der Carleton University recht spät aus Kanada an (interne Gründe), aber obwohl die Bewerbungsfrist um einen Wohnheimsplatz schon abgelaufen war, bekam ich am Ende noch ein Zimmer. Zur Auswahl standen dabei folgende Wohnheime: Dundas, Frontenac, Glengarry, Grenville, Lanark, Leeds, Lennox & Addington, Prescott, Renfrew, Russell und Stormont. Meine erste Wahl fiel nach einiger Recherche bei ehemaligen Austauschstudenten auf Leeds - kann ich nur jedem weiterempfehlen! Das Wohnheim wird auf 4 Stockwerken von Undergraduate Students, auf 2 Stockwerken von Graduate Students und auf jedem Stockwerk von einigen Austauschstudenten bewohnt. Es ist im Vergleich zu den anderen (teils expliziten Erstsemester-) Wohnheimen relativ ruhig, nicht so chaotisch (in der Prüfungsphase wirklich zu schätzen) und vom Lebensstandard "gehobener". Das Wohnheim ist in Zwei- bzw. VierPersonen-Apartments aufgeteilt, wobei jeder ein eigenes ca. 20 qm großes und voll möbliertes Zimmer bewohnt, eines der zwei Badezimmer und den (v.a. in den VierPersonen-Apartments) sehr großzügigen Gemeinschaftsraum mit Küche nutzen kann. Allein das Bettzeug und das ein oder andere Küchenutensil muss noch selbst gekauft werden (sprecht euch am besten gleich nach der Ankunft mit den Mitbewohnern ab). Ein weiterer Vorteil von Leeds im Gegensatz zu fast allen anderen Wohnheimen war, dass ein Meal Plan auch nur optional wählbar war, da in jedem Apartment eine Küche mit großem Kühlschrank und Herdplatten vorhanden war. Meine Wahl fiel darauf, keinen Meal Plan zu kaufen, da jedes der Angebote beim genauen Nachrechnen eigentlich Wucher war - zumal die Gerichte in der Cafeteria auch nicht die Allerbesten waren. Ich habe es bevorzugt selbst zu kochen, was unter dem Strich wirklich um einiges günstiger war, meist sogar schneller ging und natürlich jeden Tag nach meinem Geschmack war. Der Nachteil war natürlich, dass ich immer entweder zum Einkaufen fahren musste oder mir mein Essen in der Cafeteria/an den anderen Orten am Campus kaufen musste (mehr zum Essen weiter unten). Im Wohnheim gab es des Weiteren einen Waschraum mit vielen Waschmaschinen und Trocknern, pro Stockwerk ein Gemeinschaftszimmer mit TV und "kostenlosem" HausmeisterService bei Reparatur-Geschichten (z.B. verstopfter Küchenabfluss). Jedes der Stockwerke hatte einen Residence Fellow, der sich um das Gemeinschaftsleben kümmerte, verschiedene kleinere Events (z.B. Ice Cream Crawl, Halloween-Feier) und Ausflüge (z.B. zu Ice Hockey Spielen oder Bungee-Jumping) stock- oder wohnheimsintern organisierte und für jegliche Probleme zur Stelle war. Essen, Trinken, Einkaufen Wie schon angesprochen ist bei der Unterbringung im Wohnheim die Option des Meal Plans wählbar, die nur bei Leeds und Frontenac eine wirklich Option ist. In allen anderen Wohnheimen gehört der Meal Plan zur Pflicht und kann nur in seiner Art geändert werden. Der "günstigste" Meal Plan fängt mit lediglich 5 Mahlzeiten pro Woche an (incl. $ 450 Dining Dollars auf der Campus Card, die beliebig in Cafés am Campus, etc. ausgegeben werden können) und liegt schon bei einer Zuzahlung zur normalen Miete von insgesamt grob $ 1.200. Der Teuerste endet mit einer unbegrenzten Auswahl an Mahlzeiten pro Woche zu einem Preis von ca. $ 2.400. Dabei handelt es sich um ein All-You-Care-To-Eat Buffet in der Cafeteria (ganztags geöffnet), bei dem man hauptsächlich zwischen Speisen wie Nachos, Pizza, Pasta, Sandwiches und Desserts, aber auch einer Salatbar, einer Bar für Vegetarier und Veganer und sogar vegetarischem Sushi wählen kann. Ein Frühstücksbuffet mit Waffeln, Pancakes oder Eiern mit Speck und Toast gab es morgens natürlich auch. Geschmacklich fand ich das Essen bei den wenigen Malen, als ich dort war, relativ mittelmäßig und sein Geld nicht wirklich wert. Aus dem Meal Plan kann man bei einer Fehlentscheidung bei der Bewerbung auch nur bis zu einer gegebenen Frist austreten bzw. ihn abändern. Ihn hinzuzunehmen geht selbstverständlich jederzeit. Deshalb mein Rat: scheut zumindest anfangs nicht das Kochen, denn so habt ihr am Ende mehr Geld gespart, das ihr in Reisen investieren könnt. Einkaufsmöglichkeiten gibt es wie Sand am Meer. Schon auf dem Campus lassen sich zahlreiche Cafés, etliche Fastfood-Restaurants, zwei Bars und auch zwei kleine Läden für den täglichen Bedarf (dort ist aber generell alles etwas teuer) finden. Daneben ist der Weg zu Walmart, Loblaws oder dem fast benachbarten Einkaufszentrum Billings Bridge (Tipp: hier gibt es einen Laden mit deutschen Lebensmitteln) per Bus oder O-Train auch nicht weit. Daneben ist die Innenstadt mit den Linien 4 oder 7 auch innerhalb von 30 Minuten erreichbar. Am besten steigt man hier an der Haltestelle Rideau Centre aus und sucht sich dann seinen Weg ins gleichbenannte Einkaufszentrum oder den Byward Market. Daneben lohnt es sich auch einen Abstecher in die anderen größeren Einkaufszentren, wie St. Laurent, oder sogar nach Chinatown bzw. Little Italy zu machen. Interessant ist an Kanada, dass Alkohol jeglicher Art nicht in regulären Supermärkten, sondern im sogenannten "Beer Store" oder im Fall anderer Spirituosen in "LCBOs" verkauft wird. Die Preise sind aufgrund der hohen kanadischen Steuern teils fast doppelt so hoch wie in Deutschland, werden aber beim Alkohol (anders als bei allen anderen Konsumgütern!) gleich in den ausgeschriebenen Verkaufspreis integriert. In Sachen SIM-Karte für das Handy wendet euch am besten an große Mobilfunkanbieter wie Rogers oder Virgin Mobile. Bei Rogers gibt es das sogenannte "Pay As You Go"-Angebot bei dem man seine Prepaid SIM-Karte monatlich mit einem Mindestbetrag von $ 20 durch eine Top-Up Karte auflädt. $ 15 davon fließen in eine SMS-Flatrate ein und der Restbetrag kann zum telefonieren genutzt werden. Das war das damals billigste und zuverlässigste Angebot von Rogers, das ich gefunden habe, ohne einen Vertarg abschließen zu müssen. Die Anrufe sind leider relativ teuer - nicht nur für den Anrufer, sondern auch für den Angerufenen - und man muss aufpassen, nicht durch Zufall einen Long distance call innerhalb Kanadas zu machen, wenn man einen Freund anruft. Da ich wenig telefoniere und im Wohnheim auch ein "kostenloses" Telefon in jedem Zimmer vorhanden war, hat mich das alles eher wenig gestört. Ich nutzte die SIM-Karte v.a. für SMS. Im "Pay As You Go" ist nur optional mobiles Internet enthalten - wobei das auf dem Campus kein Problem sein sollte. Ein wertvoller Tipp für die Buchbeschaffung zu den Kursen: In jedem Kurs der Uni muss mindestens ein Buch gekauft werden, die in den meisten Fällen sehr teuer sind. Ein Buch kann durchaus $ 100 oder mehr kosten. Natürlich ist es erstens jedem selbst überlassen, ob der Buchkauf in jedem Kurs auch wirklich Sinn macht, und zweitens ist es sehr empfehlenswert, wenn möglich auf gebrauchte Bücher zurückzugreifen. Auf dem Campus gibt es zwar einen Buchladen, der neben neuen auch gebrauchte Bücher (sowie etliche FanArtikel der Uni) verkauft, aber hier ist es wie überall auf dem Campus vergleichsweise teuer. Mein Rat ist deshalb, mit der Buslinie 7 zum nicht weit entfernten "Haven's Bookstore" zu fahren. Hier gibt es auch neue und gebrauchte Bücher, aber zu wesentlich niedrigeren Preisen. Sie nehmen gegen Ende des Semesters auch gern eure gebrauchten Bücher entgegen und bezahlen relativ fair auch auf internationale Konten, sobald das Buch innerhalb eines Jahres wieder weiter verkauft wurde. Sollte das nicht der Fall sein, müsst ihr das Buch abholen kommen bzw. natürlich einem Freund sagen, dies zu tun, da es sonst weggegeben oder weggeschmissen wird und somit in den meisten Fällen viel Geld verloren ist. Kurse und Anforderungen Somit kommen wir auch schon zum wichtigsten Thema: den Kursen. Das Kurssystem in Kanada ist etwas anders als hier in Deutschland, da sie in Jahren und nicht in Semestern rechnen sowie manche Themenkomplexe erst später in ihrem Studium durchlaufen. Zudem besteht für sie auch die Möglichkeit, aus fast allen möglichen Kursen der Uni ihr eigenes Programm zusammenzustellen - die Frage ist dabei aber natürlich, ob es für einen BWLStudenten soviel Sinn macht, einen Kurs in moderner Kunst zu besuchen. Der Vorteil für den Austausch ist dabei aber natürlich, dass man auch in Themenbereiche anderer Studienrichtungen ohne Einschränkungen durch die Uni hinein schnuppern kann und sogar Leistungspunkte erreichen kann. Mir sind teilweise auch in höheren Jahren Vorlesungen mit niedrigerem Niveau untergekommen, die lediglich die Basics aus meinem ersten Jahr detailliert wiederholt haben. Hier muss also gut aufgepasst und zur Not am Semesteranfang noch schnell ein anderer Kurs gewählt werden. Das Minimum an Kursen, das durch das Stipendium vorgeschrieben ist, beträgt wie bei den regulären kanadischen Studenten 3 Kurse, das Maximum 5, wobei jeder Kurs ca. 0,5 Punkte pro Semester bringt. Auch wenn die generell auf englisch gehaltenen Vorlesungen an sich vielleicht relativ leicht erscheinen, sind die Anforderungen an Leistungsnachweisen dafür umso umfangreicher. Es kommt v.a. in den Naturwissenschaften nicht selten vor, dass man pro Vorlesung/Seminar (jeweils ca. 3-stündig) ein zusätzliches Laboratory besuchen muss, in dem man wöchentlich einen Laborbericht anfertigen muss, der dann zu einem geringen Prozentsatz in die Endnote einfließt. Der Vorteil daran ist natürlich der starke Praxisbezug. Andere Leistungsnachweise, die mir unterkamen, waren wöchentliche Readings, Assignments (in der Regel kurze Aufsätze mit oder ohne wissenschaftliche Quellen, je nach Thema), Gruppenprojekte, Präsentationen (teils mit anzufertigenden wissenschaftlichen Postern), Term papers (Hausarbeiten) sowie natürlich Klausuren, die teils schon während des Semesters (MidTerms) und in jedem Fall noch einmal am Ende (Final Exams) stattfinden. In meinem aufwandsintensivsten Kurs musste ich neben den wöchentlichen Readings, 6 Lab reports, ein Term paper und ein Final Exam bewältigen. Teilweise hatte ich hohen Zeitstress und gelangte an meine Grenzen, v.a. da man als Austauschstudent natürlich nicht nur vor dem Schreibtisch sitzen möchte, sondern auch den ein oder anderen Ausflug mitmachen sollte. Aber die gewonnenen Erfahrungen und das Wissen, das ich daraus schöpfen konnte, waren es allemal wert. Außerdem erhielt ich sehr große Hilfe von meinen durchweg unglaublich netten und zuvorkommenden Dozenten (sehr sympathisch fand ich auch, dass wir sie bei ihrem Vornamen nennen sollten und sie selbst in größeren Seminaren all unsere Namen auswendig lernten). Ich hatte mich in der ersten Sitzung gleich persönlich als Austauschstudent bei jedem einzelnen vorgestellt, was mir vielleicht im ein oder anderen Fall bei grammatischen Fehlern und der Benotung von Arbeiten eine gelockerte Haltung beschert hat. Manch andere Austauschstudenten konnten durch ihre besondere Position auch Fristverlängerungen und andere Vorzüge herausschlagen. Deshalb mein Rat: Auf jeden Fall bei Problemen, Zeitnot und Fragen sofort den Dozenten ansprechen und sich am Anfang des Semesters persönlich vorstellen. Menschen und Kultur Kanada ist ein multikulturelles Land mit einer Vielzahl von Ethnien, deren Traditionen ab und an in das Gemeinschaftsleben einfließen. Daneben haben die benachbarten USA einen recht großen Einfluss, wie man schon allein an den Marken in den Supermärkten und der Vorliebe der Kanadier für Fastfood sehen kann. Generell sind die Kanadier sehr herzliche und hilfsbereite Menschen, die ich trotz ihrer netten aber leicht zurückgezogenen Reputation, als recht zugängliche Leute kennengelernt habe, die auch Fremden gegenüber sehr offen auftreten. Es kam zum Beispiel nicht selten vor, dass mir jemand mit meinen schweren Einkaufstüten bis zum Bus geholfen hat, mir selbst trotz zehn Metern Entfernung noch die Tür aufgehalten hat oder mich fremde Menschen auf der Straße gefragt haben ob alles okay sei, als ich etwas verloren in der Gegend herumstand. Ständiges Entschuldigen steht auch hoch im Kurs. Achten sollte man allerdings auf die Sensibilität der Kanadier im Bezug auf persönlichen Freiraum und Privatsphäre, sonst kann man schnell als unhöflich abgestempelt werden. Im Allgemeinen wird sehr stark auf die Integration von alten und behinderten Menschen und Charity-Arbeit geachtet (die meisten Türen am Campus haben beispielsweise einen Druckschalter zum automatischen Öffnen). Ich habe auch keinerlei Diskriminierung in jeglicher Art gegenüber mir oder anderen erlebt. Natürlich ist nicht jeder Kanadier ein Heiliger, aber sie achten generell sehr stark darauf, dem Musterbeispiel eines guten Menschen zu entsprechen und nicht allzu negativ aufzufallen. Dies ist v.a. in der Hauptstadt Ottawa der Fall, die als Aushängeschild Kanadas gilt und auf deren Aussehen selbst hoher Wert gelegt wird. Ich habe zum Beispiel kaum Blätter geschweige denn Müll auf den Straßen liegen sehen. Die meisten Kanadier, die ich kenne, sind entgegen der allgemeinen Meinung nur einsprachig aufgewachsen, und das v.a. auf Englisch. Erst in Gattineau (auf der anderen Seite des Flusses, der Ottawa spaltet) und weiter im Inneren der Provinz Quebec begegnet man dann immer mehr Französisch. Die meisten der Franco-Kanadier in Quebec rümpfen die Nase, wenn man sie mit Englisch anspricht. Manche der Quebecois können noch nicht einmal Englisch sprechen. Aber das heißt noch lange nicht, dass Französisch ein Muss ist. Irgendwie kommt man auch in Quebec an sein Ziel. Im zweisprachigen Ottawa selbst kommt man sehr gut mit beiden Sprachen, v.a. mit Englisch, aus. Je weiter nach Westen es geht, desto geringer ist laut Aussagen von Freunden dann auch der Anteil an Französisch. Freizeit und Reisen Bevor ich auf die Freizeitmöglichkeiten und das Reisen eingehe, noch eine kurze Bemerkung zum Wetter: wenn man an Kanada denkt, kommt einem zuerst das Bild des Indian Summers und danach ein zugeschneites Land mit Temperaturen im mehrstelligen Minusbereich. Beides trifft auch zu. Als ich Ende August ankam, war allerdings nichts davon der Fall. Es war unglaublich sonnig, es gab kaum Regen (vielleicht lag das aber auch an der Dürre in diesem Jahr) und es wurden Temperaturen von bis zu 30°C erreicht. Deshalb mein Rat: Zumindest für die ersten 2-3 Wochen sollten ein paar kurze Kleidungsstücke eingepackt werden. Der Indian Summer beginnt dann ca. Anfang Oktober, dauert knapp 3 Wochen und ist wirklich wunderschön. Hier lohnt sich definitiv ein Wochenendtrip in einen Naturpark, wie den relativ nahegelegenen Algonquin Park. Je später im Jahr es wird, desto kühler wird es natürlich, allerdings musste ich im Fall Term (bis kurz vor Weihnachten) keine extreme Kälte ertragen. Die niedrigsten Temperaturen betrugen um die -15°C, was wirklich noch okay ist. Geschneit hat es sehr und ich hatte auch viel Glück, dass kein Schneesturm meinen Heimflug verzögert hatte. Das wirklich richtig eisige Wetter beginnt dann erst im Winter term. Aus Erzählungen von Freunden waren Temperaturen von bis zu -30°C v.a. im Februar nicht selten und ließen sogar den Rideau Canal komplett zufrieren, was ihn jedes Jahr zur weltgrößten Eisbahn macht. Das Eislaufen darauf ist wirklich ein Muss für jeden Besucher Ottawas! Entsprechend der jeweiligen Wetterlage und Jahreszeit gibt es dann auch eine Vielzahl unterschiedlicher Freizeitmöglichkeiten innerhalb Ottawas - Museen (z.B. War Museum oder Museum of Civilization), Einkaufszentren, verschiedene Events der Stadt (z.B. Mosaika am Anfang vom September oder Winterlude im Februar), Führungen durch das Parliament, etc. und auch auf dem Campus selbst - zig Cafés, kleine Restaurants, zwei Bars, Gym inklusive Schwimmbad (von Studiengebühren automatisch bezahlt; manche Kurse, wie Yoga und Volleyball, kosten allerdings extra), verschiedene Clubs oder Studentenverbindungen etc. Sport ist in Kanada generell hoch angesehen. So ist die halbe Studentenschaft während der Eishockey-Saison der Profis im Sportfieber und die professionelle Basketballmannschaft der Carleton University gilt seit Jahren als die Beste in Kanada. Für die beliebtesten Sportarten, wie Eishockey, American Football, Fußball gibt es eigene Universitätsmannschaften, zu deren Spielen man gehen kann. Aber es gibt natürlich auch die Möglichkeit den teils verschiedensten Sportmannschaften zum Spaß beizutreten. So gibt es Kurse wie Ultimate Frisbee, Volleyball oder sogar Quidditch! Für die Wochenenden eignen sich besonders gut Trips in weiter entfernte Gegenden. Das ISSO bietet verschiedene Trips an, aber es lohnt sich auch mit den neu gewonnenen Freunden den ein oder anderen Ausflug selbst zu organisieren. Je nach Anzahl der Teilnehmer kann so recht günstig ein Auto (Achtung: ein internationaler Führerschein ist sinnvoll!) oder sogar ein ganzer Schulbus gemietet werden. Montreal, Quebec City, Toronto mit Niagara Falls, Algonquin Park, Parc Omega und Mont Tremblant sind hier nur einige wenige Vorschläge für Reiseziele. Mit dem Greyhound-Bus kommt man auch gut zum nächsten Ziel. Reisen in die Städte im Zentrum Kanadas, zur Hudson Bay oder nach Vancouver sollten dagegen eher bei einem längeren Aufenthalt, beispielsweise in den Weihnachtsferien, angetreten werden. Die Tickets (selbst Inlandsflüge) sind dabei meist auch sehr teuer (ein Hin- und Rückflugticket von Ottawa nach Vancouver liegt bei ca. $700). Manche meiner Freunde sind in ihren Weihnachtsferien vor dem Start des Winter terms auch Richtung Norden zu den Northern Lights, auf einen USA-Roundtrip, nach Neufundland oder nach Kuba aufgebrochen. Schlussbemerkung Mein Auslandsaufenthalt in Kanada war wirklich ein einmaliges Erlebnis in meinem Leben und kann eigentlich nicht wirklich komplett auf Papier festgehalten werden. Jeder, der ein Semester im Ausland verbracht hat, schwärmt nach der Rückkehr davon, aber dass Kanada mich auf eine derart starke Art geprägt, mein Leben durch so viele Erlebnisse und Erfahrungen bereichert und mir zu so einer großen Weiterentwicklung in Studium und Persönlichkeit verholfen hat, hätte ich nie für möglich gehalten. Ich habe mich definitiv in das Land, seine Kultur und die Menschen verliebt und überlege tatsächlich mich dort um einen Platz in einem Masterstudiengang zu bewerben.