Michigan Stadium - Universität Rostock

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Michigan Stadium - Universität Rostock
Michigan Stadium –
Eine Pilgerstätte des College Football1
Pierre Gottschlich
Universität Rostock
Gliederung
1. Einführung und Vorbemerkungen
2. Der Rahmen
2.1 Warum Football?
2.2 Warum College Football?
2.3 Warum Michigan?
3. Der Ort
4. Das Pilgern
4.1 Der Weg
4.2 Das Ritual
5. Zur kollektiven Identität
6. Schluss
7. Literatur
1
Vortrag im Rahmen des Kolloquiums „Kollektive Identitäten – Pilgern II“ am Institut für Politik- und
Verwaltungswissenschaften der Universität Rostock am 22. Januar 2008.
Mein großer Dank gilt Prof. Andrei S. Markovits, ohne den es diesen Vortrag nie gegeben hätte. Ich
hatte dank seiner Großzügigkeit die einmalige Gelegenheit, am 19. November 2005 das 102. Derby
zwischen Michigan und Ohio State leibhaftig im Michigan Stadium, im „Big House“ mitzuerleben.
Jeder, der sich auch nur halbwegs in der Welt des „American Sports“ auskennt, weiß, was ein Besuch
eines Spiels dieser wahrscheinlich wichtigsten College-Rivalität bedeutet und wie unermesslich der
(Erinnerungs-)Wert dieses Erlebnisses für alle Beteiligten ist. Insofern kann ich meine Dankbarkeit und
Wertschätzung für Prof. Markovits kaum angemessen ausdrücken. Er ist für mich nicht nur ein steter
Quell der Inspiration, sondern auch ein brillanter Kollege und Kritiker, dessen Urteil mir viel bedeutet.
Darüber hinaus ist er mir, so hoffe ich sagen zu dürfen, ein großzügiger Freund. Selbstverständlich ist
dieser Aufsatz ihm und seiner wundervollen Frau Kiki gewidmet.
© 2008, Pierre Gottschlich, M.A.
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1. Einführung und Vorbemerkungen
Das Kolloquium „Kollektive Identitäten“ hat sich in den vergangenen beiden
Semestern dem Pilgern als spezifische Form der Konstruktion, Etablierung und
(Re)Affirmation gemeinsamer Identitätsentwürfe gewidmet. Hierbei wurde natürlich
zunächst und zuvorderst dem religiösen Pilgern die größte Aufmerksamkeit zuteil.
Wir haben uns hierbei mit christlichen (Rom, Lourdes), jüdischen (Jerusalem),
islamischen (Mekka, Kerbela) und sogar buddhistischen (Kandy) Pilgerstätten und
Wallfahrtsorten beschäftigt. Neben diesen religiösen Traditionen wurden ebenfalls
säkulare (und häufig nicht auf den ersten Blick unbedingt klar erkennbare) Formen
des Pilgerns beispielsweise von Hippies oder Musikfans thematisiert. Auch die
Verbindung des religiösen Moments mit Erinnerungsentwürfen und politischen Botschaften in unterschiedlicher Form, wie in Verdun oder Leipzig, war ein wichtiger Teil
des Seminars. Der Rahmen unserer Betrachtungen war also gewollt breit und explizit
offen angelegt. Er soll heute vollends gesprengt werden.
Die Rolle des Sports als Vehikel sowohl mythischer und quasi-religiöser
Erfahrungswelten als auch identitätsstiftender Tradierungen ist kaum noch umstritten.
Die kultische Verehrung erfolgreicher Sportler ist spätestens seit dem fast gottgleichen Status antiker Olympioniken (also ausdrücklich „Sieger“ bei den olympischen Wettkämpfen) ein in der Geschichte der Menschheit beobachtbares Phänomen. Die Inszenierung sportlicher Großereignisse als Mythos mit Blick auf die
Etablierung einer eigenen oder fremden Identität wurde durch den Missbrauch der
Olympischen Spiele 1936 durch die nationalsozialistische Diktatur in Deutschland
zugleich perfektioniert und pervertiert. Auf sehr viel kleinerer Ebene konstatiert sich
bis heute die unbedingte individuelle Hingabe an einen Verein oder Sportler im Sinne
des „Fan-Seins“, die durchaus und unbestritten gleichsam religiöse Züge beinhalten
kann. Kurzum, der Sport und seine Ausdrucksformen liefern ein formidables Spielfeld
und eine interessante Arena für Betrachtungen, die Sportereignisse und natürlich
auch Sportstätten als Wallfahrts- und Pilgerorte interpretieren. Genau dies soll heute
anhand des Football-Stadions der University of Michigan, dem Michigan Stadium,
versucht werden.
Bevor ich jedoch zum eigentlichen Thema des Vortrags komme, sollen einige
Vorbemerkungen nochmals kurz den allgemeinen Kontext des Pilgerns umreißen,
mit dem wir uns indessen schon ein Jahr befassen. Diese verschiedenen Elemente
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einer Wallfahrt sollen zudem gleichsam die Gliederung meiner Ausführungen bilden.
Hierbei gehe ich von sehr breiten Kriterien des Pilgerns aus, die ausdrücklich weder
Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Allgemeingültigkeit erheben. Wichtigstes
Charakteristikum einer Pilgerstätte ist demnach zunächst einmal der Ort selbst.
Seine Entstehungsgeschichte, Beschaffenheit und Eigenschaften sind für ein
Verständnis seiner exponierten Rolle im Pilgerprozess von größter Bedeutung. Mit
anderen Worten lautet also die erste Frage: Wohin wird gepilgert? Zweites
wesentliches Element einer Pilgerreise oder Pilgerfahrt, die ja nicht umsonst so heißt,
ist der Weg hin zum Pilgerort. Pilgern ist gemeinhin stets mit einer Form der
Bewegung, welche oftmals in Etappen gegliedert wird, verbunden. Den Abschluss
dieses Weges bildet häufig ein Ritual oder eine ritualisierte Handlung. Beides
zusammen zeigt uns die zweite wichtige Frage auf: Wie wird gepilgert? Zum dritten
ist das Pilgern in der Regel mit einer persönlichen Statusveränderung hin zur
Teilhabe an einer kollektiven Identität oder einer (Re)Affirmation derselben verknüpft.
Dieses Element weist nicht nur auf das nun schon über viele Semester etablierte
Oberthema dieses Kolloquiums hin, sondern stellt voller Naivität auch die dritte für
uns und unser Fallbeispiel heute interessante Frage: Warum wird gepilgert? Entlang
dieser Fragestellungen und entlang dieses viel zu stark vereinfachten Schemas soll
sich mein Vortrag heute orientieren.
Auch nach diesen einleitenden Gedanken können wir jedoch nicht in medias
res gehen, ohne etwas ausführlicher den größeren Rahmen unserer Analyse
darzustellen. Hier sollen zunächst drei andere, für das allgemeine Verständnis aber
unverzichtbare Fragen im Mittelpunkt stehen: Warum Football? Warum College
Football? Warum Michigan?
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2. Der Rahmen
2.1 Warum Football?
Football oder, wie in Deutschland noch immer eher üblich, „American Football“
gehört neben Baseball und Basketball zu den drei originär amerikanischen Sportarten von nationaler Bedeutung. Während aber Football bis heute primär an den
nordamerikanischen Kontinent gebunden geblieben ist, haben sich die beiden
anderen Spielformen erfolgreich auch in anderen Ländern etabliert. Die amerikanische Erfindung des Basketball wird indessen überall auf der Welt gespielt, und dies
auch überaus erfolgreich. Zwar bleibt die amerikanische Profiliga NBA nach wie vor
das Maß aller Dinge, von einer Vormachtstellung der USA im internationalen Vergleich kann jedoch schon längst keine Rede mehr sein. Die Zeiten, in denen die
„Dream Teams“ der US-Nationalmannschaft Weltmeisterschaften und Olympische
Spiele quasi nach Belieben dominierten, sind längst vorbei. Auch „Amerikas liebste
Freizeitbeschäftigung“ Baseball hat schon lange den Sprung über die Grenzen der
USA geschafft. Baseball ist in Japan Nationalsport und wird vor allem in Ostasien
und in Mittelamerika und der Karibik mit großer Begeisterung gespielt. Auch hier gilt
die amerikanische MLB wohl zu Recht als stärkste Liga der Welt, die 2006 erstmals
ausgespielten Weltmeisterschaften gewann jedoch Japan, und dies im Finale ausgerechnet gegen Kuba. Amerika muss also zwei seiner beliebtesten Sportarten mit
der Welt teilen – Football ist aber bis heute eine unumstrittene amerikanische Domäne geblieben.
Die Gründe für die stets gescheiterten Versuche einiger weniger Enthusiasten,
Football in andere Länder und Kontinente zu exportieren, sind vielfältig. Sie reichen
von einem unerklärlichen Negativimage bis hin zur simplen Tatsache, dass vor allem
in den Gebieten des britischen Commonwealth mit Rugby eine durchaus ähnliche
und zudem äußerst populäre Sportart existiert, welche den Expansionsraum für
Football amerikanischer Prägung stark einschränkt. Als Resultat bleibt jedoch
bestehen, dass Football „America’s Game“ ist und alle anderen Sportarten in den
USA an Popularität weit in den Schatten stellt. Dies zeigen nicht zuletzt die extrem
hohen Einschaltquoten der Fernsehübertragungen, bei welchen Footballspiele die
Konkurrenz von Baseball, Basketball, NASCAR-Autorennen oder Golf deutlich
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distanzieren.2 Football steht heute paradigmatisch für den „American Way of Life“
und prägt Fremd- und Selbstbild vieler Amerikaner. Ein Football wird instinktiv überall
auf der Welt mit den USA assoziiert und bedeutet umgekehrt für Amerikaner im
Ausland stets auch ein Stück Heimat.
2.2 Warum College Football?
Man könnte meinen, dass analog zum Baseball und Basketball auch im Football die
Profiliga NFL („National Football League“) Aushängeschild und dominierendes
Element der Sportart ist. Dies ist hier jedoch nur bedingt der Fall. Neben und
stellenweise in Konkurrenz zum professionellen Football existiert eine in dieser Form
einmalige Welt des College Footballs, also des Universitätssports. Diese Organisationsform des Spiels ist in der Masse bedeutender als die NFL, sie verzeichnet
vielfach höheres (lokales und regionales) Interesse und sie generiert deutlich höhere
Zuschauerzahlen in den Stadien:
Tabelle 1. Zuschauerschnitt in der Spielzeit 2006/20073
Universität/Team
Stadion
1 Michigan
Michigan Stadium
2 Penn State
Beaver Stadium
3 Tennessee
Neyland Stadium
4 Ohio State
Ohio Stadium
5 Georgia
Sanford Stadium
6 LSU
Tiger Stadium
7 Alabama
Bryant-Denny Stadium
8 USC
LA Memorial Coliseum
9 Florida
Ben Hill Griffin Stadium
10 Texas
Texas Memorial Stadium
11 Auburn
Jordan-Hare Stadium
12 Nebraska
Memorial Stadium
Zuschauerschnitt
110,026
107,567
105,789
105,096
92,746
92,212
92,138
91,480
90,409
88,505
85,063
85,044
Borussia Dortmund
Signal Iduna-Park/Westfalenstadion
FC Hansa Rostock
DKB-Arena/Ostseestadion
*74,730
*19,778
* Saison 2007/2008
2
Sports Media Watch. Zitiert nach: http://allesaussersport.de/archiv/2008/01/03/us-tv-ratings/
(11.01.2008).
3
NCAA-Statistik.
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Gleich vier Universitäten (Ohio State, Tennessee, Pennsylvania State und an
der Spitze wenig überraschend Michigan) erreichen sechsstellige Zuschauerzahlen –
und das wohlgemerkt im Schnitt! Das mit Abstand größte Stadion der Profiliga NFL
ist das FedEx Field der Washington Redskins mit einer Kapazität von 91,665. Es
folgt das Giants/Meadowlands Stadium, welches sich die New York Giants mit den
New York Jets teilen, mit einem Fassungsvermögen von 80,062. Alle übrigen Stadien
der NFL sind deutlich kleiner und damit auch dem Interesse angepasst. Die schier
unglaubliche Dimension der Zuschauerzahlen im College Football werden aber erst
im größeren Vergleich richtig deutlich. Nichts bietet sich hier mehr an als der Blick
zur weltweit populärsten Sportart überhaupt – Fußball. Borussia Dortmund ist hierbei
einer der zuschauerkräftigsten Vereine überhaupt. Mit dem Dortmunder Durchschnittsbesuch von 74,730 Zuschauern pro Spiel können nur die wenigsten Klubs
auch nur ansatzweise mithalten. In Europa kommen nur der FC Barcelona und
Manchester United überhaupt über 70,000 Besucher pro Partie. Im College Football
käme die Dortmunder Borussia jedoch lediglich auf Rang 20 ein – hinter South
Carolina (75,630) und knapp vor Arkansas (73,895). Der vergleichsweise geradezu
kümmerliche Zuschauerschnitt unseres eigenen Teams Hansa Rostock (19,778)
verdeutlicht nur allzu gut die völlig unterschiedlichen relativen Bedeutungen, welche
sowohl Sportart als auch Mannschaft in dieser zugegebenermaßen nicht ganz fairen
Vergleichsperspektive besitzen.
Die große Popularität des College Football hat mindestens vier verschiedene
Ursachen. Erstens fußt der Football insgesamt im College-Bereich auf einer viel bedeutenderen und längeren Tradition als im professionellen Sport. Das erste Footballspiel trugen zwei Universitätsmannschaften, Princeton und Rutgers, im Jahr 1869
aus, lange bevor überhaupt über die Bildung einer Profiliga auch nur ansatzweise
nachgedacht wurde. Viele Universitäten etablierten schon früh Footballmannschaften, schlossen sich zu Ligen zusammen, spielten gegen regelmäßig wiederkehrende Kontrahenten und etablierten so Rivalitäten, die indessen ein Alter von
teilweise deutlich über 100 Jahren haben. Klassische Beispiele für solche traditionsreichen Duelle sind Williams gegen Amherst, Harvard gegen Yale, Army gegen Navy,
Alabama gegen Auburn und nicht zuletzt Ohio State gegen Michigan. Derartiges
bietet die vergleichsweise junge NFL – das erste Superbowl-Finale wurde im Januar
1967 ausgespielt – nicht.
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Zweitens hat der College Football ein gerade in den Vereinigten Staaten sehr
attraktives egalitäres Element, in dem Sinne, als dass er allen Regionen der USA
eine Teilhabe am sportlichen Wettkampf auf nationaler Ebene garantiert. In der
höchsten Spielklasse sind momentan 119 Universitäten in 11 regionalen Ligen organisiert, von denen jede einzelne Mannschaft zumindest prinzipiell die Chance hat, die
nationale Meisterschaft zu erringen. Die NFL-Teams sind im Gegensatz dazu vor
allem an der Ostküste, im Südosten und an der südlichen Westküste konzentriert.
Generell meiden die vier großen Profiligen (also NFL, NBA, MLB und NHL)
strukturschwache Regionen. Nur durch ihre Universitäten sind Bundesstaaten wie
West Virginia, Alabama, Nebraska oder Idaho überhaupt an das nationale
Sportsystem angeschlossen. Die Identifikation mit dem eigenen Team wird dadurch
natürlich noch weiter gestärkt, zumal dem Ganzen neben einem Traditionsbonus aus
der Vergangenheit auch ein Kontinuitätsversprechen für die Zukunft innewohnt.
Während professionelle Sportteams in den USA problemlos den Standort wechseln
und mit Sack und Pack an einen vermeintlich attraktiveren und natürlich auch
lukrativeren Ort umziehen, bleiben die Universitätsstandorte auch in Zukunft da, wo
sie schon immer waren.
Drittens repräsentieren die Mannschaften der Colleges nicht nur symbolisch,
sondern auch ganz real die jeweilige Region, und zwar insofern, als dass sich die
Teams oftmals zu einem überwiegenden Teil tatsächlich aus jungen Sportlern aus
der unmittelbaren Umgebung der Universität oder zumindest aus dem entsprechenden Bundesstaat zusammensetzen. Zwar wird indessen natürlich vor allem
um die Top-Talente auf nationaler Ebene gebuhlt, und insbesondere die Rekrutierungsmaschinerie der großen und bedeutenden Football-Programme macht
schon längst nicht mehr vor Bundesstaatsgrenzen halt, aber nichtsdestotrotz hat sich
nahezu überall die Tradition gehalten, dass primär „Eigengewächse“ die Universität
vertreten sollen. So spielen dann beispielsweise beim alljährlichen „Border War“
zwischen Kansas und Missouri zu einem großen Teil wirklich junge Männer aus den
beiden Staaten gegeneinander, was wiederum die Identifikation zwischen Zuschauer
und Mannschaft stärkt.
Viertens geht es im College Football ausdrücklich nicht um Geld.
Selbstverständlich haben die Universitäten Einnahmen aus Ticketverkäufen, Fernsehverträgen, Sponsorenbeiträgen und Merchandising – die wichtigsten Akteure
jedoch, die Spieler, verdienen kein Geld mit ihrer Tätigkeit. Die Regularien des Dach© 2008, Pierre Gottschlich, M.A.
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verbandes NCAA („National Collegiate Athletics Association“) verbieten sogar explizit
die finanzielle Entlohnung von Spielern. Verstöße werden hierbei rigoros geahndet,
und es gab in der Vergangenheit schon spektakuläre Fälle, in denen Spieler oder
ganze Mannschaften vom Spielbetrieb ausgeschlossen wurden. Zwar bekommen die
meisten Athleten, nicht alle, ein Stipendium für die Studiengebühren und können
unter Umständen günstig in Studentenwohnheimen unterkommen – darüber hinaus
erhalten sie jedoch keinerlei Kompensation. Der College Football ist somit für den
übergroßen Teil der Athleten ein Spiel um Ehre, ein sportlicher Wettkampf um des
Sports Willen und nicht aus finanziellen Anreizen. Nur wenige können ihre CollegeKarriere als Sprungbrett nutzen und erhalten jemals die Chance, in der NFL oder
einer kleineren Profiliga zu spielen. Für alle anderen endet die Laufbahn nach dem
Studienabschluss. Müßig zu erwähnen, dass dieses System natürlich eine ganz
andere Faszination und ein bedeutend höheres Identifikationspotential enthält als die
von der „Söldner-Mentalität“ zahlreicher Sportler geprägten professionellen Ligen.
Diese vier Elemente – die große Tradition, das prinzipiell egalitäre Sportsystem, welches Teilhabe und Kontinuität garantiert, die tiefe lokale und regionale
Verwurzelung der Mannschaften sowie die auf reinen sportlichen Wettkampf ohne
finanzielle Entlohnung basierende Konkurrenz – haben den College Football sehr viel
tiefer in die lokale und regionale Identität der Amerikaner und Amerikanerinnen
etablieren können, als dies eine Profiliga jemals könnte. Dass dies mitunter durchaus
religiöse Züge annimmt, wird nicht zuletzt durch die Titel zweier bekannter Bildbände
deutlich, die Autumn’s Cathredrals (die College Football Saison findet im Herbst bis
zum Jahreswechsel statt) und Saturday Shrines (Spieltag ist traditionell der
Sonnabend) heißen.4
2.3 Warum Michigan?
Unter all den verschiedenen Universitäten, die sich im Bereich des College Football
engagiert und hervorgetan haben, ragt die in Ann Arbor vor den Toren Detroits
beheimatete University of Michigan nochmals besonders heraus. Natürlich sind allein
4
Wolfe, Jason & Stephanie Wolfe (2002): Autumn’s Cathedrals: A Pictorial Tour of 117 Division 1-A
College Football Stadiums. Roseville, CA: Publishers Design Group.
Dienhart, Tom, Michael Bradley, Matt Hayes, Shawn Reid, Joe Hoppel & Dale Bye (2005): Saturday
Shrines: College Football’s Most Hallowed Grounds. St. Louis, MO: The Sporting News/Vulcan Sports
Media.
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schon das akademische Renommee und die enorme fachliche Reputation beeindruckend – ein populäres T-Shirt trägt den nicht unbedingt vermessenen Aufdruck
„Harvard – The Michigan of the East“. Die University of Michigan verkörpert
tatsächlich das, was man in Deutschland gern mit dem Begriff der akademischen
„Elite“ zu umschreiben sucht. Doch auch im sportlichen Bereich gehört Michigan
ganz klar zur Spitze der amerikanischen College-Landschaft, was vor allem auf
seiner großen Football-Tradition beruht: „It is impossible to be a college football fan
and not be at least casually aware of Michigan’s distinguished football record.“5
Michigan spielte sein erstes Footballspiel am 30. Mai 1879, zehn Jahre nach
der ersten College Football-Partie überhaupt, gegen Racine College. Die „Wolverines“ (auf Deutsch tatsächlich „die Vielfraße“, es handelt sich um eine Marderart),
so der Spitzname der Mannschaft und der gesamten Universität, gewannen das
Spiel mit 1:0 und begannen so eine lange Serie von Siegen, Titeln und Meisterschaften.6 Bis heute hat Michigan mit Abstand die meisten Partien aller Universitäten
gewonnen:
Tabelle 2. Ewige Tabelle des College Football nach Siegen7
Universität
bis 2006-2007
2007-2008
1 Michigan
860
9
2 Notre Dame
821
3
3 Texas
810
10
4 Nebraska
803
5
5 Ohio State
786
11
gesamt
869
824
820
808
797
Dabei gewann Michigan als Gründungsmitglied unglaubliche 42-mal den
Meistertitel in ihrer regionalen Liga, der „Big Ten“. Zudem konnten sie 11 nationale
Meisterschaften gewinnen, zumindest nach eigener Rechnung – die Regelungen vor
allem der frühen Jahre sind unklar, weshalb zahlreiche Meistertitel mehrfach vergeben sind und Michigan offiziell lediglich sieben Meistertitel zuerkannt werden. Die
Michigan Wolverines spielten im allerersten Bowl-Endspiel, dem „Grandaddy of ’em
all“, dem Rose Bowl – 1902 schlugen sie hier Stanford mit 49:0, das Spiel wurde
angesichts der deutlichen Überlegenheit Michigans vorzeitig beendet.8
5
Bradley, Michael (2006): Big Games: College Football’s Greatest Rivalries. Washington, D.C.:
Potomac Books, p. 290.
6
Cnockaert, Jim (2003): Stadium Stories: Michigan Wolverines – Colorful Tales of the Maize and
Blue. Guilford, CT: The Globe Pequot Press, p. 13.
7
NCAA-Statistik.
8
Cnockaert (2003), pp. 39-43.
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GOTTSCHLICH: Michigan Stadium 10
Doch nicht nur der sportliche Erfolg macht das Football-Programm der
University of Michigan so einzigartig. 1896 bildete sich in Ann Arbor eine der ersten
College Marching Bands der USA. Drei Jahre später spielte diese Marching Band
zum ersten Mal das Musikstück, welches zum Klassiker und Urbegriff aller College
Football-Hymnen werden sollte: „Hail to the Victors“. Das Lied wurde 1898 von einem
Michigan-Studenten nach einem dramatischen Auswärtssieg der Wolverines über
das mächtige Team der University of Chicago auf der Heimfahrt im Zug komponiert
und gehört heute zum Standardprogramm zahlloser Marching Bands weltweit.
Insofern kreierte die Michigan Band nicht nur ihre eigenen Traditionen, sondern schuf
auch die anderer Universitäten mit. Das wohl bedeutendste Beispiel hierfür ist die
legendäre Formation des Schriftzuges „Ohio“, den die Marching Band der Ohio State
University seit 1936 vor jedem Heimspiel in einer atemberaubenden Bewegungschoreographie aufführt, bei welcher das Wort „Ohio“ gleichsam auf das Feld
„geschrieben“ wird. Die Inspiration hierfür gab allerdings die Michigan Marching
Band, welche sich schon 1932 zu Ehren von Ohio State in Form dieses Schriftzuges
auf des Spielfeld stellte, ohne ihn jedoch zu „schreiben“, was angesichts der großen
Rivalität zwischen beiden Universitäten bis heute für erbitterte Kontroversen über die
eigentliche Urheberschaft sorgt.9
Michigan spielte insgesamt eine herausragende Rolle in der Etablierung des
College Football. Ann Arbor war die Heimat einiger der bedeutendsten Trainer im
Football-Bereich überhaupt: Fielding Yost, Fritz Crisler (der das einzigartige Design
der Helme erfand) und Bo Schembechler sind lediglich die überragenden Figuren
einer insgesamt mehr als beeindruckenden Liste. Natürlich hat die Universität auch
einige der besten Spieler hervorgebracht, drei von ihnen (Tom Harmon, Desmond
Howard und Charles Woodson) konnten die Heisman Trophy, also die Auszeichnung
für den besten Spieler des Landes, entgegennehmen. Der bekannteste Akteur,
welcher jemals das Trikot der Wolverines übergestreift hat, dürfte aber der spätere
amerikanische Präsident Gerald Ford sein, der als herausragender Center und
Linebacker mit Michigan zwei nationale Meisterschaften (1932 und 1933) erringen
konnte.
Wenn es also den Titel des einflussreichsten und wichtigsten College FootballProgramms aller Zeiten geben würde, Michigan hätte nur wenig Konkurrenz zu befürchten. Vor allem aber hat die University of Michigan früher und konsequenter als
9
Vgl.: Ibid., pp.6-11.
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GOTTSCHLICH: Michigan Stadium 11
alle anderen das Potential des College Football als Massenphänomen erkannt und
umgesetzt. Bereits 1956 zieht die Mannschaft zum ersten Mal mehr als 100,000
Zuschauer an, als am 6. Oktober exakt 101,001 Besucher das Lokalderby zwischen
Michigan und Michigan State, eine 0:9-Niederlage für die Wolverines verfolgen. Am
8. November 1975 beginnt eine der erstaunlichsten Serien in der Welt des Sports
überhaupt. 102,415 Fans verfolgen den 28:0-Sieg von Michigan über Purdue.
Seitdem hat Michigan in mehr als 200 Heimspielen nie vor weniger als 100,000
Zuschauern gespielt.10 Selbstredend wurde auch der absolute Zuschauerrekord für
ein College Football-Spiel in Ann Arbor aufgestellt: 112,118 am 22. November 2003
im 100. Spiel gegen den Erzrivalen Ohio State, ein 35:21-Triumph für die Wolverines.11 Der Ort, der im Mittelpunkt all dieser Traditionen und Mythen steht, wird
nicht zu Unrecht nur „The Big House“ genannt – es ist das Michigan Stadium, eine
Pilgerstätte des College Football.
10
Dienhart et al. (2005), p. 112.
Speziell zu diesem Spiel: Emmanuel, Greg (2004): The 100-Yard War: Inside the 100-Year-Old
Michigan–Ohio State Football Rivalry. Hoboken, NJ: John Wiley & Sons.
11
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3. Der Ort
„It sits with quiet dignity, an oval shaped fixture on the Ann Arbor landscape.
At first glance, Michigan Stadium falls well short of expectations –
unremarkable in mystique, undistinguished in appearance and a towering
façade or two below cathedral status.
Then you go inside. Through the iron gates, past the championship columns
on Champions Plaza, across the concourse, down the tunnel – and it suddenly
hits you. The Big House spreads before your eyes in expansive glory. The
aura, the memories, the accomplishments and the passion hang over this
sunken treasure like a thick fog.
Buried well below ground level on the southern edge of the University of
Michigan campus is the biggest arena in all the land, a grand old lady whose
eloquence stretches well beyond the borders of football time. Her patrons
have witnessed more drama, her heroes have inspired more prose and her
championship traditions have stirred more emotion than most of the fabled
arenas in any sport.“12
Michigan Stadium wurde 1926 und 1927 innerhalb von nur 12 Monaten
errichtet, oder besser „ergraben“, da es tief in den Boden eingesetzt wurde. Das
Projekt, eine neue und vor allem deutlich größere Sportstätte zu erbauen, welche
dass in die Jahre gekommene und viel zu enge Ferry Field ablösen sollte, ging maßgeblich auf Fielding H. Yost zurück.13 Der damalige Trainer und Sportdirektor war ein
Mann großer Visionen und bleibt bis heute die wohl legendärste Figur in der
Geschichte der Michigan Wolverines. Yost erkannte, dass eine feste Verwurzelung
der Universität und ihres Football-Teams in der Gemeinde Ann Arbor und der
näheren Umgebung entscheidend davon abhängig war, Teilhabemöglichkeiten an
den sportlichen Großereignissen der damaligen Zeit, also den College FootballSpielen, für eine breite Masse der Bevölkerung zu schaffen. Der Gedanke, dass nicht
nur das akademische Umfeld selbst, sondern auch die einfachen Bürger und die
Arbeiter in den Industriebetrieben als Zuschauer in die sportlichen Wettkämpfe einzubinden und so die Universität als Ganzes fester im lokalen und regionalen Umfeld
zu verankern, war zur damaligen Zeit fast schon revolutionär. Für diesen Zweck war
jedoch eine deutliche Steigerung der Kapazität im neuen Stadion nötig. Zunächst
wurde ein Fassungsvermögen von 72,000 realisiert, welches bei Bedarf durch
12
Smith, Ron (2001): Every Saturday in Autumn: College Football’s Greatest Traditions. St. Louis,
MO: The Sporting News/Vulcan Sports Media, pp. 113-114.
13
Maßgeblich und sehr detailliert dazu: Soderstrom, Robert F. (2005): The Big House: Fielding H.
Yost and the Building of Michigan Stadium. Ann Arbor, MI: Huron River Press.
Vgl. auch: Markovits, Andrei S. & Lars Rensmann (2007): Querpass: Sport und Politik in Europa und
den USA. Göttingen: Verlag Die Werkstatt, pp. 222-223.
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GOTTSCHLICH: Michigan Stadium 13
Zusatztribünen auf mehr als 80,000 erhöht werden konnte. So sahen 84,401
Zuschauer das offizielle Eröffnungsspiel gegen Ohio State am 22. Oktober 1927 –
ein 21:0-Triumph für Michigan.
Für Fielding Yost konnte dies jedoch nur der Anfang einer weiteren
Entwicklung sein. Einer seiner Nachfolger auf dem Posten des Sportdirektors der
University of Michigan, Don Canham, erklärte 1990 in einem Interview: „When Yost
built the stadium, he said it should be built for 300,000 fans. He saw the need for
seats for 500,000 people.“14 Obwohl diese Zahl sicherlich etwas übertrieben ist, war
für Yost die Möglichkeit eines zukünftigen Ausbaus des Stadions federführend
während der Bauphase. So bestand er auch deshalb auf eine besonders tiefe und
robuste Verankerung im Boden, weil ihm mittel- und langfristig die Errichtung eines
zweiten Ranges vorschwebte, welcher die Kapazität auf 150,000 verdoppeln sollte.
Während dieses Projekt nie realisiert wurde, kam es nichtsdestotrotz zu einer
stetigen Steigerung des Fassungsvermögens. Heute ist das Michigan Stadium mit
einer offiziellen Zuschauerkapazität von 107,501 das viertgrößte Sportstadion der
Welt. Vor ihm rangieren lediglich das „Stadion des 1. Mai“ in Pjöngjang in Nordkorea,
das „Salt Lake Stadium“ in Kolkata (dem früheren Kalkutta) sowie das „Estadio
Azteca“, Austragungsort zweier Endspiele bei Fußball-Weltmeisterschaften, in
Mexiko-Stadt:
Tabelle 3. Größte Sportstadien der Welt nach Zuschauerkapazität15
Ort
Stadion
Zuschauerkapazität
1 Pjöngjang, Nordkorea
Stadion des 1. Mai
150,000
2 Kolkata, Indien
Salt Lake Stadium
120,000
3 Mexiko-Stadt, Mexiko
Estadio Azteca
114,465
4 Ann Arbor, USA
Michigan Stadium
107,501
Die Differenz zwischen Zuschauerschnitt und Fassungsvermögen im Michigan
Stadium (der durchschnittliche Besuch übersteigt die offizielle Kapazität um mehr als
2,500) erklärt sich aus dem Umstand, dass bei der Ermittlung der Zuschauerzahl an
Spieltagen alle Personen statistisch erfasst werden, welche die Stadiontore passieren. Neben den Fans und Besuchern werden also beispielsweise auch die 400
Mitglieder der Michigan Marching Band, die Sicherheitskräfte, die Hot Dog-Verkäufer
und natürlich auch die Spieler, Betreuer und Trainer beider Mannschaften mitgezählt.
14
Cnockaert (2003), p. 45.
Nach: World Stadiums. http://www.worldstadiums.com/stadium_menu/stadium_list/100000.shtml
(21.12.2007)
15
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GOTTSCHLICH: Michigan Stadium 14
Es ist insofern also die Gesamtzahl aller anwesenden Personen, die regelmäßig über
110,000 liegt.
Doch nicht allein die schiere Größe macht das Michigan Stadium zu einem
ganz besonderen Ort. Die Struktur und die Beschaffenheit des Stadions haben
wesentlich zu seinem Mythos beigetragen. Die äußere Erscheinung ist bewusst
schlicht gehalten, die Form eines typischen Bowls ohne Überdachung, Streben,
Pfeiler oder sonstige Sichthindernisse ist zunächst einmal funktional. Man kann von
allen Plätzen das gesamte Spielfeld gut überblicken. Es gibt ein populäres Bonmot,
wonach es keinen einzigen schlechten Platz im Michigan Stadium gibt. Hier spielt
wieder ein nicht zu vernachlässigendes egalitäres Element mit hinein. Jeder Besucher hat die gleiche Teilhabe am Ereignis, jeder Zuschauer sitzt auf den gleichen
langen Holzbänken – es gibt weder Einzelsitze noch Logen oder dergleichen mehr.
Zudem ist das Stadion völlig frei von Werbung, ein Umstand, der vor allem aus der
Perspektive europäischer Fußball-Arenen bemerkenswert ist. Der gesamte Bau
fokussiert sich ausschließlich auf das sportliche Ereignis und dem ihm innewohnenden Ritual. Insofern überrascht es nicht, dass jeder Versuch, an dieser
Atmosphäre etwas zu verändern, auf erbitterten Widerstand stößt. Aktuelle
Planungen der Universitätsleitung, durch den Bau von Luxus-Logen (so genannten
„Sky Boxes“) neue Einnahmequellen zu generieren, sind auf starken und nachhaltigen Protest gestoßen. Die Verfechter der puristischen Bewahrung der traditionellen Stadionstruktur sehen sich als Hüter eines Geistes, der in nahezu allen
anderen Sportstätten längst verschwunden ist. Der Gründer der Bewegung „Save the
Big House“, John Pollack, erklärt: „Michigan stadium is one of two pure college
stadiums left in America. Michigan and Notre Dame. No boxes, no advertising, just
college football.“16 Und weiter: „Michigan doesn’t need to keep up with the Joneses.
We are the Joneses.“17 Statt der befürchteten vollständigen Kommerzialisierung und
des damit einhergehenden Verlustes des spezifischen Charakters des Stadions
schlagen die Traditionalisten einen konservativen Ausbau mittels einer Aufstockung
durch zusätzliche Sitzreihen vor und wollen so die Kapazität schrittweise auf 117,001
Besucher erhöhen. Jede Veränderung der Stadionarchitektur muss dem nicht
quantifizierbaren „inneren Geist“ des Michigan Stadium gerecht werden:
16
17
The Michigan Daily, 21.09.2006.
The New York Times, 28.10.2007.
© 2008, Pierre Gottschlich, M.A.
GOTTSCHLICH: Michigan Stadium 15
„True, it is just a stadium. It is just a place where people gather to watch a
sporting event. But it is also the home for countless unforgettable memories of
players, coaches, and fans alike. From its opening in 1927 to the present day,
it has changed very little. From the very beginning it has been a foundation of
the Michigan football tradition. Somehow, that makes it more than just a
place.“18
Der Streit illustriert in seiner Heftigkeit deutlich die emotionale Verbundenheit
vieler Menschen mit dem Michigan Stadium. Diese beruht nicht nur auf seiner Rolle
als Stätte des sportlichen Wettkampfes. Traditionell ist das Stadion auch der Ort der
Graduierungsfeiern und Zeugnisübergaben. Zudem wird es in regelmäßigen
Abständen auch für andere besondere Anlässe genutzt. Das Michigan Stadium hat
damit eine deutlich über den Sport hinausgehende Bedeutung. So war es beispielsweise 2006 der Ort der Trauerfeier für den verstorbenen langjährigen Coach
der Wolverines, Bo Schembechler. Der „Football-Schrein“19 hatte zumindest an
diesem Tag eine ganz deutliche sakral-religiöse Funktion. Doch auch unabhängig
von diesem konkreten Anlass lassen sich auch an den vordergründig sportlich
geprägten Spieltagen typische Pilger-Rituale identifizieren, welche dem Stadionbesuch eine quasi-religiöse Bedeutung zuweisen.
18
Brandstatter, Jim (2005): Tales from Michigan Stadium. Champaign, IL: Sports Publishing, pp. 221222.
19
Smith (2001), p. 120.
© 2008, Pierre Gottschlich, M.A.
GOTTSCHLICH: Michigan Stadium 16
4. Das Pilgern
4.1 Der Weg
Auch der scheinbar belanglose Weg vom Wohnheim, Hotel oder Parkplatz zum
Stadion ist durchaus auch unter dem Aspekt einer Pilgerfahrt interpretierbar. Die
„Reise“ umfasst mehrere Etappen beziehungsweise Stationen und enthält rituelle
Handlungen. Der Weg umfasst insgesamt eine durchaus beachtliche Strecke und
wird für gewöhnlich zu Fuß zurückgelegt. Dies hat zwei Ursachen. Zum einen gibt es
in
der
unmittelbaren
Nähe
des
Michigan
Stadium
nur
relativ
wenige
Parkmöglichkeiten, was zahlreiche Besucher zwingt, ihr Auto in größerer Entfernung
abzustellen. Zum zweiten ist das öffentliche Nahverkehrssystem in Ann Arbor zwar
im Vergleich zu anderen amerikanischen Städten entsprechender Größe recht gut
ausgebaut, bleibt aber natürlich immer noch weit hinter europäischen Maßstäben
zurück, so dass als einzige Alternative oftmals das Zurücklegen der Wegstrecke zu
Fuß bleibt.
Sehr schnell finden sich die mit den Pilgerzeichen einer Michigan-Mütze, eines
entsprechenden Pullovers oder ähnlicher Utensilien ausgestatteten Gruppen
Gleichgesinnter zusammen. Die Dichte der sich beinahe prozessionshaft aus allen
Richtungen dem Stadion annähernden Menschenmassen steigt mit jedem
zurückgelegten Meter. Eine wichtige Zwischenstation sind die in direkter Stadionnähe
auf den wenigen Parkplätzen und Freiflächen sowie auf einem angrenzenden und
eigens geöffneten Golfplatz stattfindenden „Tailgate-Partys“.20 Das traditionsreiche
„Tailgating“ leitet sich im ursprünglichen Wortsinn von den in einer Schlange („tail“)
vor dem Einlasstor („gate“) wartenden Fans ab, welche sich die Zeit mit kleinen
spontanen Feiern vertrieben. Im Laufe der Jahre wurden diese auf den eigentlichen
Stadionbesuch vorbereitenden Feste gleichsam institutionalisiert und um ihr wichtigstes Element, das Essen, bereichert. Rund um die Sportstätte wurden nun kleine
Stände, Zelte und Grills errichtet, an denen es die typischen Gerichte eines FootballSpieltags (also Hot Dogs und Hamburger) zur Stärkung der Besucher gab. Obwohl
es indessen auch kommerziell organisierte Tailgate-Partys gibt, bleibt der Kern
dieser Tradition in Ann Arbor und auch in anderen College-Städten auf rein privater
20
Zu der Tailgating-Tradition rund um das Michigan Stadium: Brandstatter, Jim (2007): Tales from
Michigan Stadium – Volume II. Champaign, IL: Sports Publishing, pp. 1-4.
© 2008, Pierre Gottschlich, M.A.
GOTTSCHLICH: Michigan Stadium 17
Ebene. Es sind also überwiegend Privatpersonen ohne jegliche Geschäftsinteressen,
die inzwischen immer größere und kreativere Feiern ausrichten. Beispielhaft berichtet
einer dieser so genannten „Tailgater“: „I change the menu every week. We never do
the same thing twice.“21 Neben diesem qualitativen kommt noch ein erhebliches
quantitatives Moment hinzu: „We probably feed six or seven hundred for each game
now, but I don’t care. When we got to 300, I quit counting, and now I don’t even
bother.“22 Jeder Stadionbesucher ist eingeladen, und so lange Essen da ist, darf
jeder zugreifen – im Übrigen, ohne dafür bezahlen zu müssen: „We pay for all of it
ourselves.“23 Es handelt sich also in unserem Analyseraster um eine rituelle
Speisung der Pilger, welche dann gestärkt auf die nächste Etappe ihrer Wallfahrt
gehen können.
Im Inneren des Stadionkomplexes, also noch außerhalb der eigentlichen
Arena, führt der Weg den Pilger nun zu einer Art Schrein, der „Champions Plaza“. In
diesem tempelartigen Gebilde auf der Südostseite des Stadions finden sich die
wichtigsten Erfolge der verschiedenen Sportteams der University of Michigan verewigt. Jede Säule steht hierbei für eine andere Sportart, und der krönende Kranz
grüßt selbstverständlich mit dem Text der bereits angesprochenen berühmten
Hymne „Hail to the Victors“. Natürlich ist auch den zahlreichen Triumphen des
Football-Teams der Wolverines eine Säule gewidmet, es ist jedoch nur eine unter
vielen. Champions Plaza symbolisiert insofern auch die Einheit aller Sportler der
Universität, von der Basketball-Mannschaft bis hin zu den Leichtathleten und dem
Schwimm-Team. Für den Pilger ist dies der Ort des Erinnerns an vergangene Siege,
den nahezu jeder Besucher vor Beginn des Spiels aufsucht, bevor er sich zu seinem
Platz begibt.
4.2 Das Ritual
Mit dem Eintritt in das Stadionrund und dem Niederlassen auf dem Sitzplatz endet
zwar der Weg zum Pilgerort, nicht aber die Bewegung, welche im Verlauf des nun
folgenden Rituals weiterhin einen wesentlichen Bestandteil bildet: „Nearly the entire
21
Brandstatter (2007), p. 3.
Ibid.
23
Ibid.
22
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GOTTSCHLICH: Michigan Stadium 18
ritual involves movement, even when spectators are seated inside the stadium.“24
Der Ablauf eines Spieltages im Michigan Stadium folgt strengen Regeln. Vor Beginn
des Spiels begrüßt die Michigan Marching Band mit verschiedenen Formationen und
festgelegten Liedern die Zuschauer.25 Am wichtigsten sind hierbei das übergroße „M“
und das Abspielen von „Hail to the Victors“. Der Troubadour, der so genannte „Drum
Major“, übernimmt bei allen Formation die Führung der 250 Mitglieder starken Band
und leitet den rituellen Dialog mit dem Publikum. In einer im wahrsten Sinne des
Wortes waghalsigen Aktion begrüßt er die Studenten in der „Student Section“ in der
nordwestlichen Kurve des Stadions mit einer aus und in den Stand freihändig
aufgeführten Ringerbrücke – eine athletische Leistung, welche denen der Footballspieler in nichts nachsteht.26
Wenn die Spieler der Wolverines das Feld betreten, laufen sie unter einem
großen Banner mit der Aufschrift „GO BLUE – M-Club Supports You“ hindurch.
Während dieses Durchlaufens springen sie (und im Übrigen auch alle Trainer und
Betreuer) nach oben und berühren das Banner. Schafft es einer der Beteiligten nicht,
die Unterstützung des „M-Clubs“, der im übertragenen Sinne alle Studenten und
Alumni der University of Michigan verkörpert, durch das symbolische Berühren des
Banners zu erlangen, wird dies traditionell als äußerst schlechtes Omen für das
bevorstehende Spiel gedeutet. Man kann daher kaum das Entsetzen ermessen,
welches herrschte, als am 12. September 1998 direkt vor einem Spiel gegen die
Syracuse University das Banner und damit einer der wichtigsten Gegenstände des
Rituals gestohlen wurde. Ein eilig herbeigeschafftes Ersatzbanner zeigte sich den
Anforderungen nur unzureichend gewachsen. Da es viel höher hing als das
gewohnte, konnten zahlreiche Spieler nicht hoch genug springen. Die, welche es
trotzdem schafften, fielen alle unsanft zu Boden, da das neue Banner zu allem Überfluss viel zu straff gespannt war.27 Selbstredend ging das Spiel mit 28:38 verloren.
Während des Spiels selbst tritt die Marching Band immer wieder in einen
Dialog mit den Zuschauern ein, indem bestimmte Anfeuerungsrufe wie „Go Blue!“
initiiert werden, wobei sämtliche Blöcke des Stadions eingebunden werden. Wieder
spielt Bewegung eine entscheidende Rolle:
24
Loreman, Andrew (2005): „The Heart of Ann Arbor: Michigan Stadium.“ In: Ann Arbor Settings and
Rituals.
http://sitemaker.umich.edu/settingsandrituals/student_settings_and_rituals&mode=single&recordID=79
1251&nextMode=list (11.01.2008)
25
Zur Rolle der Marching Band: Brandstatter (2007), pp. 5-22.
26
Zur Geschichte dieses legendären „Backbends“: Ibid., pp. 7-11.
27
Brandstatter (2005), pp. 30-31.
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GOTTSCHLICH: Michigan Stadium 19
„Once one makes his or her way to the bleachers, a totally different kind of
movement occurs. The greatest example of this occurs in the student section
of the stadium where constant cheers led by the band and cheerleaders keep
the students on their feet and their arms moving. Each individual tune played
by the marching band has its own movement and recitation involved, which
any freshmen or transfer student will quickly become acquainted with.”28
Das bedeutendste Element des Rituals ist das gemeinsame Singen der Hymne “Hail
to the Victors”, was generell in regelmäßigen Abständen und zwingend nach jedem
von den Michigan Wolverines erzieltem Punkt erfolgt. Hierbei ist jeder Stadionbesucher und mithin jeder Pilger aufgefordert, in den Gesang einzustimmen – Textunsicherheiten sind zumindest für den Refrain „Hail to the victors valiant, hail to
conqu’ring heroes, hail, hail to Michigan, the champions of the West!“ äußerst ungern
gesehen und werden höchstens im ersten der vier Spielabschnitte toleriert. Wichtig
ist zudem, bei jedem „Hail!“ die rechte Faust in die Luft zu recken, was dem
Zuschauer vor allem in punktereichen Spielen ein gewisses Maß an Kondition abverlangt. Diese wird nochmals getestet, wenn im dritten Viertel bei positivem Spielstand
die auch aus europäischen Fußballstadien bekannte Welle begonnen wird:
„The greatest movement of all occurs normally during the third quarter when
the Michigan squad has control over its opponent. A small group of students
leads the entire student section in the formation of a wave that ripples
throughout the entirety of the stadium. This surge of rising bodies,
outstretched arms, and empowered voices flows through the stadium in
support of Michigan’s maize and blue squad on the playing field. In this ocean
of blue, the wave ties everyone in the stadium together, young and old, in a
way that few other ritualistic movements can. Because of its simplicity and the
sparsity of its occurrence, this is perhaps the greatest of the ritualistic cheers
traditionally performed in Michigan Stadium because even a complete stranger
to the game can easily become part of its celebration.”29
Nach dem Ende des Spiels folgt unabhängig vom Ausgang stets ein abschließendes
gemeinsames Singen von „Hail to the Victors“ durch die Mannschaft, die Band und
die Zuschauer. Damit endet das Ritual.
28
29
Loreman, Andrew (2005).
Ibid.
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GOTTSCHLICH: Michigan Stadium 20
5. Zur kollektiven Identität
Die Frage der kollektiven Identität, also die Frage nach dem “Warum?” des Pilgerns
zum Michigan Stadium, muss von (mindestens) vier unterschiedlichen Blickwinkeln
verschiedener Pilger-Gruppen betrachtet werden. Zunächst soll es hierbei um die
Studenten der University of Michigan gehen. Für diese traditionell in der „Student
Section“ links neben der Pressebox beheimatete Gruppe der lautesten und auch
kreativsten Fans gehört der regelmäßige Stadionbesuch zum ganz normalen Alltag
eines Studentenlebens in Ann Arbor. Eine große Zahl deutlich subventionierter
Tickets ist nur für sie reserviert, weshalb auch die weniger am Football-Sport selbst
interessierten Studierenden regen Gebrauch von dieser verhältnismäßig günstigen
und vor allem niedrigschwelligen Möglichkeit eines Besuchs im „Big House“ machen.
Es hält sich im Übrigen auch hartnäckig die Legende, dass sich manche Fans nur
immatrikulieren, um so überhaupt die Gelegenheit zu haben, an diesem speziellen
Ereignis teilzuhaben. Einmal vom Virus des Erlebnisses gepackt, verwandeln sich
auch die meisten der vorher skeptischen Studenten und Studentinnen in wirkliche
„Wolverines“. Es steht hierbei außer Frage, dass weniger das Spiel als solches als
vielmehr der Gemeinschaftsgedanke beim Singen der „Fight Songs“ und bei anderen
Elementen des gemeinsamen Rituals Faszination und Motivation gleichermaßen
ausmachen. Hier wird definitiv eine kollektive Identität geformt und gefestigt – die
Identifikation mit der Universität und mit der Gemeinschaft der Studenten (zu der ja
auch die Mitglieder des Football-Teams zählen) tritt gegenüber der bloßen Betrachtung eines sportlichen Wettkampfs deutlich in den Vordergrund.
Diese kollektive Identität wird in der Regel auch nach dem Abschluss des
Studiums beibehalten. Der Alumni-Gedanke ist in den Vereinigten Staaten stark
verbreitet und sehr wichtig – die „Ehemaligen“ bilden die zweite große Gruppe der
Pilger zum Michigan Stadium. Die emotionale Verbundenheit zur Alma Mater ist mit
europäischen Maßstäben natürlich kaum zu greifen. Für die Alumni gleicht der Besuch eines College Football-Spiels einer Reise in die Vergangenheit und dient, oftmals in Verbindung mit einer ausgedehnten Campustour oder gar eines längeren
Aufenthalts, einer Re-Affirmation ihrer an diese Universität und an diesen Ort
gebundenen Kollektividentität:
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GOTTSCHLICH: Michigan Stadium 21
„For alums, college football Saturdays are a refreshing sentimental bath. We
go to campus to catch a nostalgic contact buzz with the days when our lives
were simpler and more naïve (and, in most cases, a lot more fun). We tend to
have a visceral tie to the university that educated us, and we can reconnect to
that through the university’s sports team. We’ve invested something in the
place.“30
Für diese symbolische Verjüngung nehmen die Alumni oftmals neben erheblichen Reisestrapazen auch große finanzielle Belastungen gern in Kauf. Als Fokuspunkt des Campus nimmt das „Big House“ auch eine Mittlerfunktion zwischen der
ehemaligen und der aktuellen Studierendengeneration ein und wirkt so als verbindendes Element für die gesamte Universität, und zwar über sämtliche Schranken
hinweg:
„The stadium is the common ground upon which the whole university comes
together. Students from all the colleges, alumni from all walks of life, and
faculty and administrators all share a common experience at this place. Often
it is one they talk about for weeks, sometimes one they talk about for years,
and it is a shared happening that binds the university community like no
other.“31
Außerhalb dieser durch die gemeinsame Klammer des Universitätsbesuches
in Ann Arbor verbundenen Gruppen der Studenten und der Alumni gibt es wenigsten
noch zwei weitere wichtige Pilger-Gemeinschaften. Zum einen sind hier die nicht mit
der Universität verknüpften Stadionbesucher zu nennen. Für diese Gruppe steht der
sportliche Wettkampf deutlich im Vordergrund, die Teilnahme am Ritual ist primär auf
den Erfolg der Mannschaft und weniger auf die (Re)Affirmation einer Kollektividentität
gerichtet. Nichtsdestotrotz muss aber die Bedeutung der durch den Stadionbesuch
symbolisch gefestigten Verbindung Stadt–Universität–Mannschaft durchaus in Rechnung gestellt werden, selbst wenn dies unbewusst und nicht reflektiert geschehen
sollte. Eine vierte wichtige Gruppe sind Gäste ohne direkten akademischen beziehungsweise lokalen oder regionalen Bezug. Natürlich hat das Michigan Stadium
indessen auch einen enormen touristischen Wert. Der Besuch eines Spiels jedoch
geht über den reinen „Schauwert“ des Funktionsbaus Stadion hinaus. Für interessierte Sportfans und selbstverständlich vor allem für College Football-Enthusiasten
30
Forde, Pat (2006): „Comparatively speaking, it’s tough to compare.” In: ESPN.com, Monday, August
14, 2006. http://sports.espn.go.com/espn/columns/story?columnist=forde_pat&id=2549400
(11.01.2008)
31
Soderstrom, Robert F. (2005): The Big House: Fielding H. Yost and the Building of Michigan
Stadium. Ann Arbor, MI: Huron River Press, p. 1.
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GOTTSCHLICH: Michigan Stadium 22
ist das Erlebnis einer Football-Partie der Wolverines im „Big House“ stets ein
Höhepunkt der eigenen, passiven Stadienkarriere, im Übrigen selbst dann, wenn
man sich eigentlich einem ganz anderen Team verbunden fühlt. Hier wird demnach
eine andere Kollektividentität, nämlich die des Sport-, Football- und College FootballFans bedient und verstärkt. Ob dies mit einer Statusveränderung verbunden ist,
möge jeder selbst herausfinden, der in fachkundigen Kreisen den Besuch eines
Michigan vs. Ohio State-Spiels in Ann Arbor erwähnt.
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GOTTSCHLICH: Michigan Stadium 23
6. Schluss
Ebenso wie nicht jede Kirche oder jede Kathedrale zum Wallfahrtsort wird, taugt nicht
jedes Stadion zur Pilgerstätte. Die Sportarenen, welche eine mythologische und
rituelle Bedeutung im Sinne einer quasi-religiösen Pilgerfahrt erhalten, beziehen ihre
Größe nicht allein aus sportlichen Meriten. Sie müssen mehr bieten und eine
Verbindung zu anderen, nicht im Bereich des Sports angesiedelten Bedeutungsebenen aufweisen. Das Michigan Stadium leistet genau das. Es ist mehr als ein
Stadion, mehr als ein physischer Ort. Es symbolisiert nicht nur ein über den Football
hinausgehendes Bekenntnis zu den Traditionen des sportlichen und akademischen
Wettstreits – es verkörpert auch ein Gefühl der lokalen und regionalen Verwurzelung
und eines Gemeinschaftssinns, dem sich kaum ein Besucher entziehen kann und der
zugleich auf alle Gäste, und seien sie auch noch so weit gereist und noch so kurz vor
Ort, zurückstrahlt und sie einbezieht. In diesem offenen und einladenden Sinne
verkörpert das Stadion auch viele positive Aspekte des amerikanischen Lebensgefühls, des „American way of life“. Die Rituale an den Spieltagen, von den TailgatePartys bis hin zur gemeinsamen Welle im weiten Rund, unterstreichen diese
bedingungslose Inklusivität. Insgesamt hat dies mit organisierter Religion natürlich
nur wenig gemein und zeigt dennoch erstaunliche Parallelen zu traditionellen Wallfahrten. Das Michigan Stadium ist zwar „nur“ dem College Football gewidmet, aber
trotzdem eine Pilgerstätte.
© 2008, Pierre Gottschlich, M.A.
GOTTSCHLICH: Michigan Stadium 24
7. Literatur
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Bradley, Michael (2006): Big Games: College Football’s Greatest Rivalries.
Washington, D.C.: Potomac Books.
Brandstatter, Jim (2007): Tales from Michigan Stadium – Volume II.
Champaign, IL: Sports Publishing.
Brandstatter, Jim (2005): Tales from Michigan Stadium. Champaign, IL: Sports
Publishing.
Cnockaert, Jim (2003): Stadium Stories: Michigan Wolverines – Colorful Tales
of the Maize and Blue. Guilford, CT: The Globe Pequot Press.
Dienhart, Tom, Michael Bradley, Matt Hayes, Shawn Reid, Joe Hoppel & Dale
Bye (2005): Saturday Shrines: College Football’s Most Hallowed Grounds. St.
Louis, MO: The Sporting News/Vulcan Sports Media.
Emmanuel, Greg (2004): The 100-Yard War: Inside the 100-Year-Old
Michigan–Ohio State Football Rivalry. Hoboken, NJ: John Wiley & Sons.
Markovits, Andrei S. & Lars Rensmann (2007): Querpass: Sport und Politik in
Europa und den USA. Göttingen: Verlag Die Werkstatt.
Smith, Ron (2001): Every Saturday in Autumn: College Football’s Greatest
Traditions. St. Louis, MO: The Sporting News/Vulcan Sports Media.
Soderstrom, Robert F. (2005): The Big House: Fielding H. Yost and the
Building of Michigan Stadium. Ann Arbor, MI: Huron River Press.
Wolfe, Jason & Stephanie Wolfe (2002): Autumn’s Cathedrals: A Pictorial Tour
of 117 Division 1-A College Football Stadiums. Roseville, CA: Publishers
Design Group.
© 2008, Pierre Gottschlich, M.A.